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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Wohnsitzauflage in ihrer Aufenthaltserlaubnis. 2 Die am ... 1992 geborene Klägerin hat die serbische Staatsangehörigkeit und stammt aus dem Kosovo. Im Dezember 1999 reiste sie mit ihren Eltern und Geschwistern ohne erforderliches Visum in das Bundesgebiet ein. Die Familie lebte sodann in .... Erstmals am 11.11.2011 erteilte das Landratsamt ... der Klägerin und ihrer am 20.07.2010 geborenen Tochter ..., die damals in ... lebten, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG (zunächst für sechs Monate). Grund hierfür war, dass der sorgerechtsberechtigte Vater des Kindes Ariana eine Aufenthaltserlaubnis besaß; von dieser war die Aufenthaltserlaubnis des Kindes und hiervon die der Klägerin abgeleitet (zwischenzeitlich hat der Vater am 12.01.2018 eine Niederlassungserlaubnis erhalten). Die Aufenthaltserlaubnisse wurden in der Folge wiederholt verlängert, zuletzt am 20.12.2018 bis zum 19.12.2019. 3 Am 07.03.2018 verlängerte die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin bis zum 06.09.2018 mit den Nebenbestimmungen: „Selbstständige Erwerbstätigkeit nicht erlaubt, Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt, Wohnsitznahme nur in der Stadt ... gestattet. Ausnahmefall nach § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.“ 4 Mit Schreiben vom 26.07.2018 beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, die Wohnsitzauflage zu ändern, und trug vor: Die Klägerin habe für sich und ihre Kinder eine Wohnung in ... sowie dort eine unbefristete Arbeitsstelle gefunden; der Mietvertrag trete am 01.08.2018 in Kraft. Zugleich legte sie Meldebestätigungen für die Klägerin und deren Kinder vor (Einzug: 01.07.2018), ferner den Mietvertrag und den Arbeitsvertrag (der Firma ... mit einer Arbeitszeit von 50 Stunden pro Monat), später auch Bescheinigungen über den Schulbesuch der Kinder in .... Die Beklagte leitete den Antrag an das Landratsamt ... weiter. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte mit, dass die Eheleute getrennt lebten, weshalb eine Umverteilung nur für die Klägerin und die drei Kinder beantragt sei. Mit Bescheid vom 10.08.2018 lehnte es das Landratsamt ab, die wohnsitzbeschränkende Auflage gegenüber der Klägerin zu ändern. Die Klägerin erhob hiergegen keinen Widerspruch, legte aber am 20.08.2018 bei der Beklagten Widerspruch gegen die Wohnsitzauflage ein. 5 Am 17.08.2018 beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung, gegenüber der Beklagten (dort Antragsgegnerin) die aufschiebende Wirkung ihres Antrags auf Löschung der Wohnsitzauflage festzustellen (4 K 5012/18). Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit, dass ihr Widerspruch gegen die Wohnsitzauflage aufschiebende Wirkung habe. Im Anschluss daran erklärten die Beteiligten das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes übereinstimmend für erledigt. 6 In der Folge klärten das Landratsamt und die Beklagte im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidium die Frage, wer für die Verlängerung bzw. Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse für die Familienangehörigen zuständig sei (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 und auch 3 AAZuVO). Die Klägerin beantragte am 10.10.2018 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bei der Beklagten und gab dabei als Anschrift diejenige ihrer Eltern in ... an, wo sie zuletzt vor dem Umzug gewohnt hatte. In die daraufhin erteilten Fiktionsbescheinigungen nahm die Beklagte auf, dass der Wohnsitz in ... zu nehmen sei. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, dem die Beklagte aufschiebende Wirkung beimisst. 7 Mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2018 wies das Regierungspräsidium ... den Widerspruch der Klägerin gegen die Wohnsitzauflage zurück. In der Begründung führte es aus: Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz sei eine wohnsitzbeschränkende Auflage insbesondere ein geeignetes Mittel, um mittels einer regionalen Bindung überproportionale fiskalische Belastung einzelner Länder und Kommunen durch ausländische Empfänger sozialer Leistungen zu verhindern. Entsprechende Auflagen könnten auch dazu beitragen, einer Konzentrierung sozialhilfeabhängiger Ausländer in bestimmten Gebieten und der damit einhergehenden Entstehung von sozialen Brennpunkten mit ihren negativen Auswirkungen auf die Integration von Ausländern vorzubeugen. Entsprechende Maßnahmen seien auch gerechtfertigt, um Ausländer mit einem besonderen Integrationsbedarf an einen bestimmten Wohnort zu binden, damit sie dort von den Integrationsangeboten Gebrauch machen könnten. Vor diesem Hintergrund würden wohnsitzbeschränkende Auflagen erteilt und aufrechterhalten bei Inhabern von Aufenthaltserlaubnissen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes, soweit und solange sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder XII oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezögen. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Bescheid des Jobcenters ... vom 11.10.2017 ergebe sich, dass die Klägerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehe. Persönliche Belange der Klägerin, die der Beschränkung der Wohnsitznahme auf den Stadtkreis ... entgegenstünden, z.B. die Notwendigkeit des Umzugs zwecks Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft oder eine Behinderung, seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Dass die Klägerin in ... eine Wohnung und eine Arbeitsstelle gefunden habe, könne ein nachträgliches Absehen von der Wohnsitzauflage nicht rechtfertigen. Der Lebensunterhalt der Klägerin sei auch weiterhin nicht aus eigenen Mitteln gesichert. Es bestehe eine Lücke von ... monatlich. Das persönliche Interesse der Klägerin an einem nicht durch eine Wohnsitzauflage beschränkten Aufenthalt überwiege auch weiterhin nicht das mit der Wohnsitzauflage verfolgte öffentliche Interesse an einer angemessenen Lastenverteilung unter den Ländern und innerhalb der Länder. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitsplatz der Klägerin in ... von ... aus gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei. 8 Die Klägerin hat am 19.12.2018 Klage erhoben. Sie trägt vor: Seitdem sie im Jahr 2011 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe, sei sie mehrfach trotz Bezugs von Sozialleistungen zwischen ... und ... hin und her gezogen. Die Aufenthaltserlaubnis sei zu keiner Zeit mit einer räumlichen Beschränkung versehen gewesen. Vor etwa zwei Jahren (betrachtet vom Dezember 2018 aus) sei sie mit ihren drei Töchtern zuletzt von ... nach ... umgezogen, wo der Vater ihrer Töchter lebe. Dort habe sie dann auch die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis beantragt. Diese sei zunächst auf der Grundlage erteilt worden, dass sie bis zum Ende des dritten Lebensjahres der jüngsten Tochter keine sozialversicherungspflichtige Arbeit aufzunehmen brauche. Danach habe sie einen befristeten Arbeitsvertrag vorgelegt. In ..., wo sie bei ihren Eltern gelebt habe, sei der Zustand zunehmend unerträglicher geworden. Ihr Vater habe von ihr verlangt, bis zum 31.07.2018 auszuziehen. Wegen der nur kurzfristigen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei es ihr nicht möglich gewesen, eine Wohnung anzumieten bzw. einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen. Nach dem Auszug aus der Wohnung hätte sie mit den drei Kindern in einer Notunterkunft leben müssen. Sie habe aber die Wohnung in ... zum 01.07.2018 gefunden. Für ihre Töchter habe sie Schulplätze und einen Kindergartenplatz. Die Betreuung der Kinder sei vormittags gesichert. Nachmittags könnten in ... lebende Verwandte die Kinder betreuen. Bei ihrem Arbeitgeber habe sie angefragt, ob sie die Arbeitszeit aufstocken könne. Sie arbeite dort wesentlich mehr als zuletzt in .... Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen bei der Wohnsitzauflage nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt. Ermessenserwägungen fänden sich erstmals im Widerspruchsbescheid. Sie seien dort nur formelhaft. Die Auflage sei unverhältnismäßig und erfülle ihren Zweck nicht. Gerade im Stadtkreis ... gebe es überproportional viele sozialhilfeabhängige Ausländer. Die fiskalische Belastung ... sei bereits überproportional hoch. Die damit einhergehende Entstehung von sozialen Brennpunkten mit ihren negativen Auswirkungen dürfte hinlänglich bekannt sein. In den Freiburger Notunterkünften seien derzeit hauptsächlich Ausländer untergebracht. Hier sei die Gefahr einer Gettobildung, die nach der Begründung des Gesetzgebers zu § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gerade vermieden werden solle, besonders hoch. Auch entspreche es dem Wohl der Kinder, wenn sie in einer abgeschlossenen Wohnung und nicht in einer Notunterkunft aufwüchsen. Aufgrund der zugespitzten Wohnungssituation in ... würde sich ein Aufenthalt in einer Notunterkunft vermutlich über mehrere Jahre hinziehen. Zudem gebe es in ... und Umgebung wesentlich mehr niederschwellige, für sie geeignete Arbeitsplätze als in .... 9 Die Klägerin beantragt, 10 die Wohnsitzauflage in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin vom 07.03.2018 aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass diese rechtswidrig war. 11 Die Beklagte beantragt, 12 die Klage abzuweisen. 13 Sie verteidigt die erteilte Wohnsitzauflage und trägt weiter vor: Die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, aber unbegründet. Aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz ergebe sich, dass eine Wohnsitzauflage zu ergehen habe. Neben die dort genannten Zwecke trete, dass Wohnsitzbeschränkungen einem Mehrfachbezug von Sozialhilfe entgegenwirken könnten. Ausnahmen vom regelmäßigen Erlass einer Wohnsitzauflage dürften auf atypische Sachverhalte beschränkt bleiben. Anhaltspunkte für berücksichtigungswürdige individuelle Belange der Klägerin lägen nicht vor. Nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift bedürfe eine Streichung oder Änderung der wohnsitzbeschränkenden Auflage der vorherigen Zustimmung durch die Ausländerbehörde des Zuzugsorts. Die Zustimmung sei zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt am neuen Wohnort voraussichtlich dauerhaft gesichert sei, auch für alle Familienangehörigen. Sie sei auch zu erteilen, wenn der Umzug der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen bestimmten Personen diene oder wenn der Umzug der dauerhaften und nachhaltigen Verbesserung der benötigten Pflege eines Verwandten diene oder wenn der Umzug erforderlich sei, um einer Gefahrenlage, die von Familienangehörigen bzw. dem ehemaligen Partner ausgehe, zu begegnen. Derartige Belange bzw. Belange mit vergleichbarem Gewicht seien jedoch vorliegend nicht gegeben. Die Arbeitsaufnahme der Klägerin könne kein dem öffentlichen Interesse an der Wohnsitzauflage entgegenstehender Belang sein, zumal sie weiterhin auf den Bezug von öffentlichen Leistungen angewiesen und auch nicht ersichtlich sei, dass sie nicht auch in ... eine vergleichbare Beschäftigung finden und ausüben könnte. Entsprechende Bemühungen habe sie nicht dargelegt. Abgesehen davon sei der Arbeitsplatz der Klägerin in ... von ... aus erreichbar. Auch der Umstand, dass sie in ... eine Wohnung gefunden habe, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Wohnsitzauflage. Die Klägerin könne auch sonst keine Verbindungen zu ... bzw. dem Landkreis ... darlegen, die zu einer anderen Entscheidung führen würden. Sie sei nach eigenen Angaben immer wieder zwischen ... und dem Landkreis hin und her gezogen. Es sei deshalb auch nicht ersichtlich, dass etwa die Kinder derart stark in ... verwurzelt seien, dass es eine unbillige Härte darstellen würde, ihren Wohnort zurück nach ... zu verlegen. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der Kinder in der Schule bzw. im Kindergarten nicht darauf habe vertrauen können, dass ihrem Antrag auf Umverteilung bzw. auf Aufhebung der Wohnsitzauflage stattgegeben werden würde. Schließlich sei die Wohnsitzauflage auch deshalb nicht unverhältnismäßig, weil sie zeitlich befristet sei und nur solange gelte, wie die Klägerin öffentliche Leistungen beziehe. 14 Der Kammer liegt je ein Heft Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums ... vor.
Es wird festgestellt, dass die Wohnsitzauflage in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin vom 07.03.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 21.11.2018 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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VG Gießen 6. Kammer
Hessen
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16.08.2017
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Der Kläger ist nach seinen Angaben am 01.01.1998 geboren und eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Volkszugehörigkeit. Er reiste im Dezember 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.02.2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Büdingen einen Asylantrag. Am 28.09.2016 erfolgte dort die Anhörung des Klägers. Dabei gab er im Wesentlichen an, sein Heimatland im Jahre 2014 verlassen zu haben, weil er anderenfalls zum Militär gezogen worden wäre. Mit Bescheid vom 11.10.2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte seinen Asylantrag im Übrigen ab. Dem Kläger drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Er sei jedoch kein Flüchtling gemäß § 3 AsylG. Die Pflicht zur Ableistung des Nationaldienstes in Eritrea sei keine staatliche Verfolgung in diesem Sinne. Am 21.10.2016 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt. Zur Begründung beruft er sich auf eine ihm im Falle der Rückkehr in sein Heimatland drohende Verfolgung wegen der Entziehung von dem Nationaldienst und illegaler Ausreise. Der Kläger beantragt, unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 11.10.2016 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid. Mit Beschluss vom 13.07.2017 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Vorsitzenden als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. In der mündlichen Verhandlung am 16.08.2017 ist der Kläger informatorisch gehört worden. Insoweit wird auf die Verhandlungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und denjenigen der Behördenakte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (1 Hefter) verwiesen. Diese Akten waren ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung wie die Erkenntnisquellen, auf die das Gericht die Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
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Hessisches Finanzgericht 8. Senat
Hessen
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08.03.2017
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Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren darüber, ob die in den Jahren 2000 bis 2002 durch eine Organgesellschaft verursachten Gewerbeverluste den unmittelbar an der Organgesellschaft beteiligten zwei Gesellschaftern oder der von diesen Gesellschaftern gebildeten Vereinigung in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Klägerin zu 3., zuzurechnen waren und in dem abgetrennten Verfahren 8 K 442/17 darüber, ob die Verluste zumindest im Billigkeitswege den Muttergesellschaften oder der in eine andere Rechtsform umgewandelten Organgesellschaft zuzurechnen sind. Durch Abtretungsvertrag und Beschluss der Gesellschafterversammlung vom Oktober 1999 beteiligten sich die H-AG (heute A-AG, Klägerin zu 1.) und die B-AG (Klägerin zu 2.) im Rahmen eines joint venture zu jeweils 50 % an der im Juni 1998 auf Vorrat gegründeten F-GmbH. Entsprechend der bis zu dem BFH-Urteil vom 09.06.1999 I R 43/97 (Bundessteuerblatt II 2000, 695) geltenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis hinsichtlich der Auslegung des § 10a Gewerbesteuergesetz und des § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz, jeweils in der Fassung vor den Änderungen durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBL I 2001, 3858), gründeten diese beiden Muttergesellschaften am 28.12.1999 die Klägerin zu 3., die E-GbR. Diese GbR übte keine eigenständige gewerbliche Tätigkeit aus, ihr einziger Zweck war die Ausübung einer einheitlichen Leitungsmacht bei der F-GmbH. Mit Vertrag vom 28.12.1999 schlossen die F-GmbH als Organgesellschaft und die Klägerin zu 3. als Organträger einen Ergebnisabführungsvertrag, in dem sich die F-GmbH unter anderem verpflichtete, ab dem Jahr 2000 ihre gesamten Gewinne an die Klägerin zu 3. abzuführen. Diese Zwischenschaltung einer so genannten Willensbildungs-GbR entsprach der bis in das Jahr 1999 geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. nur BFH-Urteil vom 14.04.1993 I R 128/90, Bundessteuerblatt II 1994, 124 m. w. N.) und Verwaltungspraxis (Abschnitt 52 Abs. 6 Körperschaftsteuerrichtlinien 1995 und Abschnitt 14 Abs. 6 Gewerbesteuerrichtlinien 1998) zur sog. "Mehrmütterorganschaft", wonach ein Organschaftsverhältnis nur zu einer Gesellschaft, der sog. Willensbildungs-GbR, bestehen konnte. In diesen Fällen der "Mehrmütterorganschaft" wurden die Gewerbeverluste der Organgesellschaft, im Regelfall eine GmbH, steuerlich bei der GbR berücksichtigt. Mit zwei Urteilen vom 09.06.1999 (I R 43/97, a. a. O. und I R 37/98, BFH/NV 2000, 347 ) hatte der Bundesfinanzhof jedoch seine bisherige Rechtsprechung zur "Mehrmütterorganschaft" aufgegeben und entschieden, dass die Beteiligungen der lediglich zur einheitlichen Willensbildung in einer GbR zusammengeschlossenen Gesellschaften an der nachgeschalteten Organgesellschaft unmittelbar den Muttergesellschaften zuzurechnen seien. Ein Organschaftsverhältnis könne nach der Lehre von der mehrfachen Abhängigkeit nicht nur zu einer, sondern auch zu mehreren Gesellschaften bestehen. Die betreffenden Anteile am Gewerbeertrag und am Gewerbekapital seien daher gesondert und einheitlich auf der Ebene der Organgesellschaft festzustellen und anschließend den Muttergesellschaften steuerwirksam zuzurechnen. Folge dieser Rechtsprechungsänderung wäre gewesen, dass bei einer Tochtergesellschaft entstandene gewerbliche Verluste, die bisher der zwischengeschalteten Willensbildungs-GbR zugerechnet worden waren, nunmehr den Muttergesellschaften hätten zugerechnet und dort für Zwecke der Gewerbesteuer mit anderen Einkünften hätten verrechnet werden können. Das Bundesministerium der Finanzen ordnete durch Erlass vom 04.12.2000 an, dass die Grundsätze der beiden oben genannten BFH-Urteile vom 09.06.1999 bis auf weiteres nicht allgemein anzuwenden seien. Im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung seien vergleichbare Fälle offen zu halten. Veranlagungen bzw. Steuerfestsetzungen und gesonderte Feststellungen seien auf der Grundlage der bisherigen Verwaltungsauffassung unter Vorbehalt der Nachprüfung durchzuführen. Zur Begründung verweist der Erlass auch auf einen Antrag des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 16.05.2000, BT-Drucksache 14/3366, 8). Es sei zu erwarten, dass eine gesetzliche Regelung erfolge, die eventuell auch die Vergangenheit einbeziehe (zu dem Erlass im Einzelnen vgl. Bundessteuerblatt I 2000, 1571; Aktenzeichen des Erlasses IV A 2-S 277013/00). Nachdem der BFH durch Urteil vom 26.04.2001 (IV R 75/99, BFH/NV 2001, Beilage 9, 1195) seine geänderte Rechtsprechung zur "Mehrmütter-Organschaft" erneut bestätigt hatte, änderte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.2001 (BGBL I 2001, 3858) unter anderem die Vorschriften zur Organschaft im Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuergesetz im Sinne der früheren Rechtsprechung und Verwaltungspraxis (§ 14 Abs. 2 Satz 1 KStG und § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG, jeweils in der Fassung des UntStFG). Die gesetzliche Änderung erfolgte gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG i. d. F. des UntStFG für die Gewerbesteuer rückwirkend. Infolge der Gesetzesänderung waren die gewerbesteuerlichen Ergebnisse der Organgesellschaft für alle noch offenen Erhebungszeiträume der jeweiligen Willensbildungs-GbR zuzurechnen; vgl. dazu BMF-Schreiben vom 26.08.2003 (Bundessteuerblatt I 2003, 437, Tz. 15 ff.). Durch das Steuervergünstigungs-Abbaugesetz (StVergAbG) vom 16.05.2003 (BGBL I 2003, 660) änderte der Gesetzgeber die Vorschriften über die steuerliche Organschaft erneut. Danach kam gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG und § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i. d. F. des StVergAbG eine Personengesellschaft fortan als Organträger nur noch in Betracht, wenn sie eine eigene gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte. Die Regelung galt gemäß § 34 Abs. 1 KStG bzw. § 36 Abs. 1 GewStG i. d. F. des StVergAbG rückwirkend ab Beginn des Veranlagungszeitraumes 2003. Diese Gesetzesänderung führte im Regelfall zur steuerlichen Abschaffung der "Mehrmütterorganschaft" zum 01.01.2003, da die jeweiligen Willensbildungs-GbR im Regelfall selbst keine gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübten (vgl. BT-Drucksache 15/119, 43, zu Buchstabe b). Zu den Auswirkungen des StVergAbG nahm das BMF in einem Schreiben vom 10.11.2005 (Bundessteuerblatt I 2005, 1038) Stellung und führt unter Tz. 9 unter anderem aus, dass mit dem "Wegfall der steuerlichen Anerkennung einer Mehrmütterorganschaft... die Willensbildungs-GbR, die nur eine reine Innengesellschaft ist, steuerlich als aufgelöst" gilt. "Ein noch nicht berücksichtigter Verlustabzug geht unter. Eine Berücksichtigung der Verlustvorträge bei den Gesellschaftern der Willensbildungs-GbR oder bei der bisherigen Organgesellschaft ist grundsätzlich nicht möglich.". In Tz. 10 dieses Schreibens ist jedoch eine Billigkeitsklausel folgenden Inhalts vorgesehen: "Aus Billigkeitsgründen wird allerdings auf übereinstimmenden, unwiderruflichen beim für die Besteuerung der Organgesellschaft zuständigen Finanzamt zu stellenden Antrag der Gesellschafter der Willensbildungs-GbR und der Organgesellschaft eine Übertragung des Verlustvortrages auf die bisherige verlustverursachende Organgesellschaft nicht beanstandet...". Hinsichtlich der durch die F-GmbH In den Veranlagungszeiträumen 2000 bis 2003 verursachten Gewerbeverluste hatte sich das Finanzamt an den rückwirkenden gesetzlichen Regelungen des UntStFG orientiert und dementsprechend gegenüber der Klägerin zu 3., der E-GbR, am 26.09.2002 für den Veranlagungszeitraum 2000 einen Gewerbesteuermessbescheid und einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 mit einem festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 9.682.413 EUR erlassen. Am 19.01.2005 hatte es gegenüber der Klägerin zu 3. auf den 31.12.2001 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes mit einem Gewerbeverlust in Höhe von 20.256.090 EUR erlassen und am 19.09.2005 den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31.12.2002 mit 47.889.575 EUR festgestellt. Gegen diese Bescheide hatten die Klägerin zu 3. bzw. deren Gesellschafter jeweils unter Berufung auf die BFH-Urteile vom 09.06.1999 Einspruch eingelegt. Zur Begründung hatten sie ausgeführt, dass die gewerbesteuerliche Organschaft zu den Muttergesellschaften, den Klägerinnen zu 1. und 2., und nicht zur Klägerin zu 3. bestanden hätte. Die Fehlbeträge der F-GmbH seien daher gewerbesteuerlich in entsprechender Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Abgabenordnung (AO) bei den Muttergesellschaften zu berücksichtigen. Soweit § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG den durch das UntStFG neu gefassten § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG rückwirkend für anwendbar erkläre, handele es sich für die Erhebungszeiträume vor 2002 um eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung. Die mit den Einsprüchen angegriffenen Bescheide sind in der Folgezeit mehrfach geändert worden. Zwischenzeitlich war die F-GmbH durch notariell beurkundeten Beschluss aus Mai 2003 formwechselnd in die G-GmbH & Co. KG (später I-GmbH & Co. KG, heute C-GmbH) umgewandelt worden. Der entsprechende Umwandlungsbeschluss wurde auf der Grundlage der § 190 ff. des Umwandlungsgesetzes gefasst, Grundlage der Umwandlung war die Bilanz der F-GmbH zum 31.12.2002. Der Rechtsformwechsel erfolgte rückwirkend auf den 01.01.2003. Gegenüber der I-GmbH & Co. KG (heute der C-GmbH) hatte das Finanzamt am 05.10.2005 den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 mit 0 EUR festgesetzt und mit Bescheid vom selben Tag den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf 2.863.152 EUR festgestellt. Die durch die F-GmbH bis zum 31.12.2002 verursachten und bei der Kl. zu 3. berücksichtigten Gewerbeverluste in Höhe von zuletzt 45.720.260 EUR hatte das Finanzamt dabei außer Ansatz gelassen. Gegen diese beiden Bescheide hatte die zwischenzeitlich so umfirmierte I-GmbH & Co. KG am 04.11.2005 Einspruch eingelegt und diesen mit dem Hinweis auf das im Entwicklungsstadium befindlichen BMF-Schreiben begründet, das dann tatsächlich am 10.11.2005 veröffentlicht wurde (a. a. O.). Mit einem bei dem Finanzamt am 18.10.2006 eingegangenen Schriftsatz beantragten dann die Klägerinnen zu 1. und 2. und die G-GmbH & Co. KG unter Bezugnahme auf die laufenden Einspruchsverfahren betreffend die Bescheide gegenüber der Klägerin zu 3 und der I-GmbH & Co. KG für die Jahre 2000 bis 2003 und unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 10.11.2005, "den verbleibenden Verlustvortrag auf die I-GmbH & Co. KG; hilfsweise entsprechend dem BFH-Urteil vom 09.06.1999 auf die Gesellschafter der Willensbildungs-GbR; zu übertragen". Daraufhin erließ das Finanzamt am 08.05.2007 gegenüber der I-GmbH & Co. KG für die F-GmbH einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002, in dem es die durch die F-GmbH verursachten Verluste berücksichtigte und auf den 31.12.2002 für die F-GmbH einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 49.130.388 EUR feststellte. Auch dagegen legten die Klägerinnen zu 1. bis 3. und die I-GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 08.06.2007 Einspruch ein, woraufhin das Finanzamt den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 gegenüber der I-GmbH & Co. KG erneut änderte und die von der F-GmbH verursachten Verluste nicht berücksichtigte. Gleichzeitig erließ es am 25.06.2007 gegenüber der Klägerin zu 1. für die Klägerin zu 3. einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 in dem es den vortragsfähigen Gewerbeverlust mit 47.889.575 EUR feststellte. Durch Schreiben vom 04.10.2007 lehnte das Finanzamt den mit Schreiben vom 18.10.2006 gestellten Billigkeitsantrag ab. Den dagegen erhobenen Einspruch, wie auch die gegenüber den Bescheiden betreffend die Klägerin zu 3. (Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002) erhobenen Einsprüche und den von der I-GmbH & Co. KG für den Veranlagungszeitraum 2003 erhobenen Einspruch, wies das Finanzamt unter Aufzählung sämtlicher von den Einspruchsverfahren betroffener Bescheide und unter namentlicher Nennung der Klägerinnen zu 1. bis 3. und der G-GmbH & Co. KG (vormals I-GmbH & C. KG) durch Einspruchsentscheidung vom 16.03.2012 als unbegründet zurück. Der Gewerbesteuermessbescheid 2000 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000, 2001 und 2002 seien gegenüber der Klägerin zu 3. rechtmäßig ergangen, weil die Regelungen des UntStFG keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung darstellen würden. Für die Erhebungszeiträume vor 1999 habe das Bundesverfassungsgericht diese Sichtweise bereits abschließend bestätigt (unter Hinweis auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06 sowie vom 10.07.2009 1 BvR 1416/06). Aber auch für die Jahre 1999 und 2000, also für die Jahre nach der Änderung der Rechtsprechung zur Mehrmütterorganschaft könne nichts anderes gelten. Die Einspruchsführer könnten nicht darauf vertrauen, dass die bei der F-GmbH entstandenen Gewerbeverluste bei den Muttergesellschaften berücksichtigt würden. Denn auch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 09.06.1999 seien nach den von dem Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen ungeeignet, Vertrauen dahingehend zu erzeugen, dass die Gewerbeverluste bei den Muttergesellschaften berücksichtigt würden. Soweit § 36 Abs. 2 GewStG den § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG, jeweils i. d. F. des UntStFG, auch für die Erhebungszeiträume vor 2002 für anwendbar erkläre, handele es sich um eine unechte Rückwirkung, die ebenfalls einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalte. Die gestellten Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen seien zu Recht abgelehnt worden, da die I-GmbH & Co. KG erst ab dem 01.01.2003, 0 Uhr existiert habe und zudem eine Personengesellschaft sei. Deshalb könne sie nicht bisherige "Organgesellschaft" i. S. d. Tz. 10 des BMF-Schreibens vom 10.11.2005 sein. Die Möglichkeit der Übertragung von Verlusten von der Willensbildungs-GbR auf die bisherige verlustverursachende Organgesellschaft sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Darüber hinaus stehe die von den Einspruchsführern angestrebte Übertragung der Verlustvorträge von der GbR auf die I-GmbH & Co. KG in Widerspruch zu § 18 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG). Es sei darüber hinaus systemwidrig, die nicht verbrauchten Gewerbeverluste auf die I-GmbH & Co. KG zu übertragen, obwohl gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i. V. m. § 14 Abs. 1 KStG nur eine Kapitalgesellschaft und nicht eine Personengesellschaft Organgesellschaft im gewerbesteuerlichen Sinne sein könne. Eine Übertragungsmöglichkeit auf die beiden Muttergesellschaften, wie von den Einspruchsführern hilfsweise beantragt, sehe das BMF-Schreiben hingegen nicht vor, stünde darüber hinaus in Widerspruch zu dem BMF-Schreiben vom 26.08.2003 und liefe der Intention des Gesetzgebers zu wider, wonach im Fall der "Mehrmütterorganschaft" der Organkreis bei der Willensbildung-GbR enden sollte. Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage bringen die Klägerinnen hinsichtlich der gegenüber der Klägerin zu 3. erlassenen Bescheide und des damit verbundenen Verpflichtungsbegehrens vor, es sei nicht zu rechtfertigen, dass im Zuge einer von der Finanzverwaltung geforderten Innengesellschaft und deren anschließenden zwangsweisen Auflösung es zu solch erheblichen steuerlichen Nachteilen (wie im vorliegenden) Sachverhalt für den Steuerpflichtigen komme. Der erforderliche Ergebnisabführungsvertrag zwischen der Willensbildungs-GbR und der F-GmbH als Organgesellschaft habe zur Folge, dass das zu versteuernde Einkommen der Organgesellschaft ertragsteuerlich in einem ersten Schritt der Willensbildungs-GbR als Organträger und in einem zweiten Schritt infolge des sog. Transparenzprinzips bei der Personengesellschaft innerhalb einer einheitlichen und gesonderten Feststellung anteilig den Muttergesellschaften als deren Gesellschafter zugerechnet werde. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sei die gewerbesteuerliche Handhabung hiervon jedoch zwingend zu unterscheiden, da gewerbesteuerlich die Verlustzurechnung auf die Ebene der reinen "Innengesellschaft" beschränkt sei. Hierbei stelle sich jedoch bereits die Frage, wie bzw. ob diese gewerbesteuerlichen Verluste bei einer ständigen Verlustübernahme jemals steuerlich genutzt werden könnten. Dies sei im Regelfall nicht möglich, da die Willensbildungs-GbR keine eigenständigen Gewinne erwirtschafte. Letztlich sei den Gesellschaftern der F-GmbH die Rechtsform einer Personengesellschaft in Form einer GbR steuerlich aufgedrängt worden, obwohl die dort steuerlich festgestellten Verluste allein von den Gesellschaftern erwirtschaftet worden seien und folglich auch bei diesen hätten berücksichtigt werden müssen. Hieraus wiederum werde klar ersichtlich, dass die gewerbesteuerlichen Verlustzurechnungen auf der Ebene der Willensbildungs-GbR steuerlich wie auch wirtschaftlich gesehen in keinster Weise Sinn mache; die steuerliche Zurechnung müsse spätestens im Zeitpunkt der Beendigung eindeutig auf der Ebene der Gesellschafter der Willensbildung-GbR erfolgen. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die auf der Ebene der F-GmbH verursachten Verluste aufgrund der BFH-Urteile vom 09.06.1999 und wegen der verfassungswidrigen Rückwirkung der Regelungen des UntStFG unmittelbar den Muttergesellschaften der F-GmbH zuzurechnen sind. Soweit das Finanzamt sich darauf berufe, dass sowohl der BFH als auch das Bundesverfassungsgericht die geänderten Regelungen für verfassungskonform erachtet hätten, treffe dies für den vorliegenden Fall nicht zu. Vielmehr könnten die Grundsätze der zitierten Entscheidungen nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragen werden. So habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Regelungen des UntStFG Steuerpflichtige grundsätzlich nicht in dem ihre wirtschaftliche Betätigung schützenden Prinzip des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes verletzen würden, da der Steuerpflichtige ein berechtigtes Vertrauen auf eine von der sog. Mehrmütterorganschaft abweichende Rechtslage, jedenfalls vor der Rechtsprechungsänderung, nicht habe bilden können. Ob und inwieweit etwas anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH vom 09.06.1999 bis zum Erlass des UntStFG vom 20.12.2001 oder jedenfalls bis zum Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 04.12.2000 gelte, habe das Bundesverfassungsgericht dahinstehen lassen. Im vorliegenden Fall sei die GbR von den Klägerinnen zu 1. und zu 2. sechs Monate nach der Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs in seinen Entscheidungen vom 09.06.1999 gegründet worden. Zum Zeitpunkt der Gründung hätten die Klägerinnen zu 1. und zu 2. also auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vertrauen können. Da zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Verlautbarung der Finanzverwaltung zu der höchstrichterlichen Rechtsprechungsänderung veröffentlicht gewesen sei, die habe daraufhin deuten können, dass die Finanzverwaltung der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs nicht folgen würde, mussten die Klägerinnen zum Zeitpunkt ihrer Disposition von einer klaren Rechtslage ausgehen. Eine anders lautende Verlautbarung der Finanzverwaltung sei erst mit dem Erlass vom 04.12.2000 (Bundessteuerblatt I 2000, 1571), also knapp ein Jahr später, erfolgt. Die Gesetzesänderung sei erst Ende 2001 beschlossen worden. Soweit das Finanzamt vortrage, dass die Klägerinnen, wenn sie auf den Fortbestand der durch den Bundesfinanzhof vollzogenen Rechtsprechungsänderung vertraut hätten, weder eine Willensbildungs-GbR gegründet noch einen Gewinnabführungsvertrag zwischen der Klägerin zu 3. und der F-GmbH abgeschlossen hätten, sei dies nicht zutreffend. Die exakt gleiche Konstruktion habe dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09.06.1999 zu Grunde gelegen, in dem der Bundesfinanzhof die gewerbesteuerlichen Verluste der Organgesellschaft den Gesellschaftern der Willensbildungs-GbR zugewiesen habe. Im Vertrauen auf diese Rechtsprechung wäre es nach Ansicht der Klägerinnen für die Zurechnung der Verluste der Organgesellschaft zu den Gesellschaftern der GbR fahrlässig gewesen, eine vom Präzedenzfall abweichende Sachverhaltsgestaltung zu wählen. Aufgrund dessen könne die Gründung der GbR zum 28.12.1999 sowie der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages vielmehr auch als Indiz dafür angesehen werden, dass die Klägerinnen zum Zeitpunkt ihrer Disposition auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH vertraut hätten. Letztlich komme es darüber hinaus aber ausschließlich darauf an, ob die Rechtslage, auf die sich der jeweilige Steuerpflichtige berufe, bei objektiver Betrachtung geeignet gewesen sei, ein Vertrauen zu begründen. Dies sei zum 28.12.1999 unstreitig der Fall gewesen. Die Regelungen des UntStFG würden, auf den vorliegenden Streitfall bezogen, zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung für die Erhebungszeiträume 2000 und 2001, zumindest jedoch für den Erhebungszeitraum 2000 führen. Insoweit handele es sich um eine echte Rückwirkung, weil die Regelungen gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen würden. Aufgrund dessen seien die gewerbesteuerlichen Verluste der F-GmbH in den Erhebungszeiträumen 2000 und 2001, zumindest jedoch des Erhebungszeitraumes 2000, auf der Ebene der F-GmbH gesondert und einheitlich festzustellen und den Klägerinnen zu 1. und zu 2. entsprechend ihrer Beteiligungsverhältnisse zuzuweisen. Die Klägerinnen sind darüber hinaus der Ansicht, dass die zwangsweise Auflösung der Willensbildungs-GbR durch das StVergAbG dazu führe, dass die zum 31.12.2002 auf der Ebene der GbR vorhandenen gewerbesteuerlichen Verluste auf die Klägerinnen zu 1. und 2. übergehen würden. Insoweit seien die Grundsätze zum Übergang der gewerbesteuerlichen Verlustvorträge im Rahmen der Anwachsung eines Betriebes einer Personengesellschaft auf deren Gesellschafter (vgl. 10a.3 Abs. 3 Nr. 4 Gewerbesteuer-Richtlinien) entsprechend anzuwenden. Insoweit bedürfe es keiner Billigkeitsregelung. Der Sachverhalt im vorliegenden Fall unterscheide sich auch von der dem BFH-Urteil vom 14.03.2006 I R 1/04 zu Grunde liegenden Fallgestaltung, da vorliegend ein Untergang der Willensbildungs-GbR kraft Rechtsänderung aber unter Fortbestehen der Unternehmeridentität und der Unternehmensidentität herbeigeführt worden sei. Es bestünden weiterhin die gleichen Beteiligungsverhältnisse und es finde weiterhin eine Willensbildung zwischen den Anteilseignern statt. In dem von dem BFH entschiedenen Fall sei lediglich ein Anteilseigner übrig geblieben. Die Klägerinnen beantragen sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheides für 2000 und der Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 und 31.12.2001 für die E-GbR, der Klägerin zu 3., vom 19.01.2005 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16.03.2012 zu verpflichten, gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. auf den 31.12.2000 und auf den 31.12.2001 den bisher bei der Klägerin zu 3. erfassten gewerbesteuerlichen Verlust in Höhe von 9.092.404 EUR zum 31.12.2000 und in Höhe von 11.163.686 EUR zum 31.12.2001 einheitlich und gesondert festzustellen und den jeweiligen Verlust wie folgt den Klägerinnen zu 1. und 2. zuzurechnen: zum 31.12.2000 in Höhe von 7.225.733 EUR gegenüber der Klägerin zu 1. und in Höhe von 1.866.671 EUR gegenüber der Klägerin zu 2., zum 31.12.2001 in Höhe von 8.871.781 EUR gegenüber der Klägerin zu 1. und in Höhe von 2.291.905 EUR gegenüber der Klägerin zu 2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 für die E-GbR, der Klägerin zu 3., vom 14.06.2011 und der Einspruchsentscheidung vom 16.03.2012 zu verpflichten, den bisher bei der Klägerin zu 3. erfassten Verlust zum 31.12.2002 in Höhe von 45.720.260 EUR gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. einheitlich und gesondert festzustellen und den Verlust in Höhe von 33.779.834 EUR der Klägerin zu 1. und in Höhe von 11.940.426 EUR der Klägerin zu 2. zuzurechnen, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen. Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Das Finanzamt vertritt die Ansicht, Zielsetzung der Fortschreibung der Mehrmütterorganschaft durch das UntStFG sei es gewesen, die Möglichkeit der Verlustnutzung auf Ebene der Willensbildungs-GbR auf die Körperschaftsteuer zu beschränken. Eine Nutzung der Gewerbeverluste bei den Muttergesellschaften habe hingegen verhindert werden sollen. Verluste der Organgesellschaft hätten gewerbesteuerlich nur mit Gewinnen der Organgesellschaft ausgeglichen werden sollen. Das von den Klägerinnen in erster Linie verfolgte Ziel der Verlustzurechnung auf Ebene der Muttergesellschaften decke sich also nicht mit der gesetzgeberischen Intention, sondern stehe dieser diametral entgegen. Die Beschränkung der gewerbesteuerlichen Verlustnutzung auf den Organkreis durch § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i. V. m. § 14 Abs. 2 Satz 1 KStG i. d. F. UntStFG sei materiell-verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Finanzamt verweist insoweit auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.03.2006 I R 1/04 (a. a. O.) und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06. Das von den Klägerinnen angesprochene Leistungsfähigkeitsprinzip sei von beiden Gerichten nicht angesprochen worden, so dass dieses im Umkehrschluss auch in der vorliegenden Konstellation eine materielle Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelungen nicht zu begründen vermöge. Soweit die Klägerinnen vortragen würden, dass die auf der Ebene der Willensbildungs-GbR festgestellten Gewerbeverluste spätestens im Zeitpunkt der Aufgabe der Mehrmütterorganschaft den Muttergesellschaften der GbR zuzurechnen seien, stehe diese Auffassung im direkten Widerspruch zu dem dritten Leitsatz des Urteils des BFH vom 14.03.2006 I R 1/04. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, weil sie gerade keine Dispositionen im Hinblick auf die Rechtsprechungsänderung des BFH im Jahre 1999 getroffen oder vorgenommen hätten. Vielmehr hätten sie trotz dieser Rechtsprechungsänderung an der Konstruktion der Mehrmütter-Organschaft festgehalten. Im vorliegenden Fall sei die Isolation der gewerbesteuerlichen Verluste auf der Ebene der Willensbildungs-GbR auch nicht die Folge einer gesetzgeberischen Willkür gewesen. Vielmehr hätten die Klägerinnen die Organschaft durch die formwechselnde Umwandlung der F-GmbH in die I-GmbH & Co. KG am 12.05.2003 selbst beendet. Die Klägerinnen hätten sich jedoch die Möglichkeit zur Verlustübertragung selbst genommen und zwar sogar noch bevor die Mehrmütterorganschaft in ihrer bisherigen Form gesetzlich abgeschafft worden sei. Denn durch die am 12.05.2003 vollzogene formwechselnde Umwandlung, mithin also vier Tage vor In-Kraft-Treten des StVergAbG am 16.05.2003, hätten sie die Organschaft selbst beendet, obwohl Abwarten das Gebot der Stunde gewesen sei. Warum die Klägerinnen, angesichts der bestehenden Unsicherheiten während des Gesetzgebungsverfahrens (unter Hinweis Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805, 807) sogar noch vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen Änderungen dazu berufen gefühlt hätten, die Organgesellschaft in eine Personengesellschaft umzuwandeln, erschließe sich dem Finanzamt nicht. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Klägerinnen vom 20.06.2012 und 27.10.2016 sowie auf den Schriftsatz des Finanzamtes vom 28.09.2012 verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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LG Hamburg 27. Zivilkammer
Hamburg
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24.05.2018
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Randnummer 1 Gegenstand des Rechtsstreits ist eine von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten an die A. EU S.à.r.l. wegen des Vertriebes einer Matratze der Klägerin über die Online-Verkaufsplattform „a..de“ gesendete Abmahnung. Randnummer 2 Die Parteien sind Mitbewerber im Bereich des Vertriebes von Matratzen. Randnummer 3 Die Klägerin vertreibt u. a. die Matratze „S. 1. Kaltschaummatratze B. 1. D.“. Randnummer 4 Die Beklagte vertreibt die Matratze „B.“. Die Beklagte ist ferner Inhaberin der jeweils u. a. für „Matratzen“ in Nizza-Klasse 20 eingetragenen deutschen Wortmarke „B.“ mit einer Priorität vom 02.12.2014 und Unionswortmarke „B.“ mit einer Priorität vom 26.3.2015 sowie der aus den Anlagen B 32 und B 33 ersichtlichen Designs und des aus den Anlagen K 4 und B 34 ersichtlichen Gebrauchsmusters. Randnummer 5 Mit Anwaltsschreiben vom 31.03.2017 ließ die Beklagte die A. EU S.à.r.l. (im Folgenden „A.“) wegen des Vertriebes der o. g. Matratze der Klägerin über die Online-Verkaufsplattform „a..de“ wie aus Anlage K 3 ersichtlich abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. In dem Abmahnschreiben stützte die Beklagte den von ihr mit jenem geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf ihre o. g. genannten Marken-, Design- und Gebrauchsmusterrechte sowie die §§ 3; 4 Nr. 3 lit. b), 4 und 5; 8 Abs. 1 UWG. Randnummer 6 Mit zum dortigen Aktenzeichen 81 O 50/17 ergangenem Urteil vom 13.06.2017 verbot das Landgericht Köln der Klägerin auf Antrag der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung den Vertrieb der jenem Urteil näher bezeichneten Matratze „B.“ gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i. V. m. den §§ 3, 4 Nr. 3 lit. a) UWG ( Anlage B 1 ). Ihre gegen die Urteilsverfügung des Landgerichts Köln vom 13.06.2017 zunächst eingelegte Berufung nahm die Klägerin in der Berufungsverhandlung vor dem OLG Köln am 06.10.2017 zurück ( Anlage B 2 ). Mit Anwaltsschreiben vom 11.12.2017 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Abschlusserklärung auf die Urteilsverfügung des Landgerichts Köln vom 13.6.2017 abgeben ( Anlage B 3 ). Randnummer 7 Mit Anwaltsschreiben vom 15.09.2017 ließ die Klägerin die Beklagte wegen der von letzterer gegenüber A. ausgesprochenen Abmahnung abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern ( Anlage K 15 ). Randnummer 8 Die Klägerin ist der Auffassung, die von der Beklagten gegenüber A. ausgesprochene, streitgegenständliche Abmahnung habe einen rechtswidrigen Eingriff in ihren, der Klägerin, eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dargestellt. Dies begründet die von ihr, der Klägerin, geltend gemachten Unterlassungs- und Annexansprüche gemäß den §§ 823 Abs. 1, 1004 (analog) BGB bzw. den §§ 3, 4 Nr. 4, 8 Abs. 1 Satz 1, 9 UWG. Die Beklagte habe auf der Grundlage der von dieser in der gegenüber A. ausgesprochenen Abmahnung genannten Rechte keine Unterlassung des Vertriebes ihrer, der Klägerin, Matratze „B.“ über die Internet-Verkaufsplattform „a..de“ verlangen können. Im Hinblick auf die von der Beklagten in jener Abmahnung geltend gemachten Markenrechte habe keine Verwechslungsgefahr bestanden. Das in der Abmahnung von der Beklagten geltend gemachte Gebrauchsmusterrecht sei aufgrund einer neuheitsschädlichen Vorveröffentlichung löschungsreif. Die von der Beklagten in jener Abmahnung geltend gemachten Designrechte bezögen sich nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Im Übrigen habe sich die Beklagte auch nicht zu Recht auf lauterkeitsrechtliche Anspruchsgrundlagen berufen können. Randnummer 9 Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Randnummer 10 I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, sich in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie folgt über die Antragstellerin zu äußern, Randnummer 11 das Bewerben, Anbieten und/oder Inverkehrbringen der Matratze „T. 0. B.“ der Antragstellerin verletze Randnummer 12 - die deutsche Marke... „B.“ und/oder - die Unionsmarke... „B.“ und/oder - das Gebrauchsmuster DE... U1 und/oder - die internationale Designrechte DM/... und/oder DM/... und/oder - der Vertrieb der Matratze „T. 0. B.“ verstoße gegen §§ 3, 4 Nr. 3b UWG, Randnummer 13 und zwar wie nachfolgend geschehen: Randnummer 14 [s. Urteilsanlage]; Randnummer 15 II. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend zu Ziff. I. bezeichnete Handlung begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Behauptungen; Randnummer 16 III. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend in Ziff. I. bezeichnete Handlung entstanden ist und künftig noch entstehen wird; Randnummer 17 IV. an die Klägerin 3.880,47 € für das vorgerichtliche Abmahnschreiben zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen. Randnummer 18 Mit Schriftsatz vom 15.02.2018 hat die Klägerin den Klageantrag zu Ziff. I dahingehend abgeändert, dass sie in jenem jeweils die Worte „T. 0. B.“ ersetzt hat durch die Worte „s. 1. Kaltschaummatratze B. 1. D.“. Randnummer 19 In der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 haben die Parteien - jeweils unter Verwahrung gegen die Kostenlast - die Klageanträge zu den Ziff. I bis III übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Randnummer 20 Die Klägerin beantragt zuletzt, Randnummer 21 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.880,47 € für das vorgerichtliche Abmahnschreiben zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Die Beklagte erhebt im Hinblick auf die mit Schriftsatz der Klägerseite vom 15.02.2018 erfolgte Änderung des Klageantrags zu Ziff. I die Einrede der Verjährung. In der Sache ist sie der Auffassung, die streitgegenständliche Abmahnung gegenüber A. sei zu Recht erfolgt. Insbesondere habe ihr, der Beklagten, der geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i. V. m. den §§ 3, 4 Nr. 3 lit. a) UWG zugestanden. Da mit der Abmahnung ein einheitlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht worden sei, der den Vertrieb einer Matratze zum Gegenstand gehabt habe, hinsichtlich derer nunmehr rechtskräftig entschieden worden sei, dass diese von der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vertrieben werden dürfe, sei der von der Klägerin gegen die von ihr, der Beklagten, gegenüber A. ausgesprochene Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch unter Berücksichtigung von BGH GRUR 2016, 1300 ff. - Kinderstube unbegründet. Könne sie, die Beklagte, gemäß BGH a. a. O. aus den §§ 670, 677, 683 BGB den Ersatz der ihr, der Beklagten, für die Abmahnung erwachsenen Anwaltskosten verlangen, ergäbe sich ein Wertungswiderspruch, würde ihr, der Beklagten, gleichzeitig das Aussprechen jener Abmahnung verboten werden. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 verwiesen (§ 313 Abs. 2, Satz 2 ZPO).
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.822,96 € für das vorgerichtliche Abmahnschreiben zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.10.2017 zu zahlen. 2. Wegen der Zahlungsmehrforderung wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 4. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Beschluss Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt.
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AG Tempelhof-Kreuzberg
Berlin
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11.04.2018
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Randnummer 1 Die Kläger sind Vermieter, die Beklagte ist seit dem 01. Dezember 2002 Mieterin einer Wohnung in (...) Berlin. Die Wohnung liegt im 1. Obergeschoss des Vorderhauses; die monatliche Nettokaltmiete beträgt derzeit 523,80 €. Randnummer 2 Mit Schreiben vom 28. Juni 2017 begehrten die Kläger von der Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete um 52,38 € auf 576,16 € (Anlage A 2 zur Klageschrift). Randnummer 3 Die Kläger behaupten, die Wohnung sei 80,70 m² groß und läge nahe des Bergmannkiezes und damit in einer bevorzugten Citylage im Sinne der Spanneneinordnung der Berliner Mietspiegels 2017. Auch die Merkmalkategorie 4 sei insgesamt positiv zu bewerten, da neben den unstreitig vorhandenen Fahrradabstellmöglichkeiten der Eingangsbereich ausweislich der eingereichten Fotografien repräsentativ gestaltet sei. Danach ergäbe sich eine ortsübliche Vergleichsmiete in Höhe des Mittelwertes zuzüglich 40 % der oberen Spanne der Rubrik G 1. Randnummer 4 Die Kläger beantragen, Randnummer 5 die Beklagte zu verurteilen, einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die im Hause (...) Berlin, VH, 1. OG rechts gelegene Wohnung von 523,80 € um 45,14 € auf 568,94 € mit Wirkung ab dem 01.09.2017 zuzustimmen. Randnummer 6 Die Beklagte beantragt, Randnummer 7 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Finanzgericht des Saarlandes 2. Senat
Saarland
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31.01.2018
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der versteuerte geldwerte Vorteil für eine vom Arbeitgeber bereitgestellte, aber tatsächlich nicht genutzte Gemeinschaftsunterkunft als allgemeine Werbungskosten abzugsfähig ist. Randnummer 2 Der 1987 geborene Kläger war im Streitjahr 2009 Zeitsoldat bei der Bundeswehr am Standort X und erzielte als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S.d. § 19 EStG. Die Bundeswehr stellte dem Kläger – ihren eigenen Vorschriften folgend – unentgeltlich eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung, da er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Grundsätzlich bestand für die betreffenden Soldaten die Verpflichtung, in der Gemeinschaftsunterkunft auch zu wohnen. Eine Pflicht zur Übernachtung bestand indessen nicht; die Ausgangsregelungen ließen eine tägliche Rückkehr an den Heimatwohnort zu (sog. „Ausgang bis zum Wecken“). Der Kläger nutzte die Unterkunft in der Stammkaserne nicht für Übernachtungen, sondern fuhr arbeitstäglich zu seinem Wohnsitz in Y zurück. Für die Gestellung der Unterkunft versteuerte die Bundeswehr ausweislich der auszugsweise vorliegenden Gehaltsbescheinigungen (Bl. 19 ff.) einen geldwerten Vorteil nach der Sozialversicherungs-Entgeltverordnung (Sachbezugsverordnung) in Höhe von monatlich 51 € (d.h. 612 € für das Jahr 2009). Randnummer 3 In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 1.796,70 € (113 Fahrten à 53 km mal 0,30 €) geltend. Daneben beantragte er die Anerkennung von Unterkunftskosten am Beschäftigungsort in Höhe des von der Bundeswehr versteuerten Sachbezugswerts von 612 € (12 mal 51 €). Im Bescheid über Einkommensteuer vom 10. März 2014 erkannte der Beklagte die Fahrtkosten an, versagte jedoch den Abzug der Unterkunftskosten von 612 € als Werbungskosten und setzte die Einkommensteuer auf 1.813 € fest (Bl. 9 ff.). Randnummer 4 Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2015 als unbegründet zurück (Bl. 5 ff.), nachdem wegen hier nicht streitiger Punkte am 12. Dezember 2014 ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergangen war (Bl. 14 ff.). Randnummer 5 Am 10. Juni 2015 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1). Er beantragt sinngemäß (Bl. 4), unter Änderung des Bescheids über Einkommensteuer für 2009 vom 12. Dezember 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2015 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 612 € festzusetzen. Randnummer 6 Er trägt vor, die Bereitstellung der Gemeinschaftsunterkunft sei ausschließlich aus betrieblichem Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Die Bundeswehr wolle damit sicherstellen, dass die Soldaten im Übungs- und Alarmfall kurzfristig zur Verfügung stünden. Ein privates Interesse habe er nicht gehabt. Er habe die Unterkunft lediglich für dienstliche Handlungen wie etwa die Aufbewahrung der dienstlichen Bekleidung und Ausrüstung genutzt. Hierfür und für das Umziehen hätte ein Spind genügt. Der versteuerte Betrag sei ihm aufgezwungen worden, ohne dass er sich diesem habe entziehen können bzw. ohne einen privaten Nutzen hiervon zu haben. Denn er habe die Gemeinschaftsunterkunft nicht freiwillig angemietet und er benötige diese an der regelmäßigen Arbeitsstätte (Stammeinheit) nicht. Der Anrechnungsbetrag zum Grundgehalt gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 BBesG sei nicht Bestandteil des steuerpflichtigen Bruttogehalts. Für den Anrechnungsbetrag sei kein Werbungskostenabzug beantragt worden. Der Kürzungsbetrag stünde zwar in einem sachlichen Zusammenhang mit dem geldwerten Vorteil für die Gestellung der Gemeinschaftsunterkunft. Er sei aber steuerlich getrennt hiervon zu beurteilen. Eine Saldierung mit dem Ergebnis, dass der Kläger nicht belastet sei, dürfe nicht erfolgen. Denn in Höhe der gezahlten Steuern auf den geldwerten Vorteil sei der Kläger belastet. Um die Steuerbeträge sei das Netto des Klägers gemindert. Hätte der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil nicht versteuert, wäre die ausgezahlte Nettobesoldung um die auf den geldwerten Vorteil gezahlten Steuern höher. Es müsse möglich sein, den Nachteil bei der Einkommensteuerfestsetzung wieder auszugleichen, entweder durch Minderung des Bruttoarbeitslohns oder durch Werbungskostenabzug. Auch bei anderen Sachbezügen bestehe die Möglichkeit, im Veranlagungsverfahren eine Korrektur des versteuerten Betrags vorzunehmen, etwa bei der Bereitstellung eines Firmenfahrzeugs. Durch die Führung eines Fahrtenbuchs könne in diesem Fall der geldwerte Vorteil korrigiert und auf die tatsächliche Nutzung reduziert werden. Die Durchführung arbeitstäglicher Fahrten zum Lebensmittelpunkt sei insoweit vergleichbar mit der Führung eines Fahrtenbuchs. Eine doppelte Haushaltsführung habe nicht vorgelegen. Darum gehe es auch vorliegend nicht. Es sei daher auch nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger unter seiner Wohnanschrift einen eigenen Hausstand unterhalte oder nicht. Randnummer 7 Der Beklagte beantragt (Bl. 35), die Klage als unbegründet abzuweisen. Randnummer 8 Er ist der Auffassung, dass selbst unter der Annahme einer Belastung des Klägers durch die vorgenommene Versteuerung des Sachbezugs nicht gleichzeitig der Abzug der durch die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angefallenen Aufwendungen und die Kosten für eine Zweitwohnung geltend gemacht werden könne. Ein Arbeitnehmer, der an einer dauerhaften Arbeitsstätte tätig sei, am Beschäftigungsort ein Zimmer anmiete und außerdem an seinem Lebensmittelpunkt einen eigenen Hausstand unterhalte, habe nur ein Wahlrecht zwischen den Aufwendungen für sämtliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder den notwendigen Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung. Mache er – wie vorliegend der Kläger – die Aufwendungen für sämtliche Fahrten geltend, könne er mithin nicht zusätzlich die Aufwendungen für die Wohnung am Beschäftigungsort als Werbungskosten abziehen. Für Soldaten der Bundeswehr habe der BFH entschieden, dass dies auch dann gelte, wenn der Arbeitnehmer an bestimmten Tagen nur deshalb nicht zu seiner (Erst-)Wohnung zurückkehre, weil er sich in Rufbereitschaft zu halten oder mehrere Schichten abzuleisten habe. Randnummer 9 Zwar könnten nach höchstrichterlicher Rechtsprechung abziehbare Werbungskosten in Höhe der Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspare und die bei diesem zu steuerpflichtigen Einnahmen führten, vorliegen. Dies gelte aber nur, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten. So verhalte es sich vorliegend jedoch nicht. Denn der Kläger hätte auch bei Zahlung einer Miete für die Unterkunft nur das Wahlrecht zugestanden, entweder die Unterkunftskosten sowie wöchentliche Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend zu machen oder die arbeitstäglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Randnummer 10 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO, vgl. Bl. 71, 97). Randnummer 11 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Verwaltungsakten des Beklagten (vgl. Bl. 49) Bezug genommen.
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Die Revision wird zugelassen.
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VG Wiesbaden 4. Kammer
Hessen
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16.08.2012
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Randnummer 1 Der Kläger ist ein deutschlandweit tätiger Umweltschutzverband, der seit vielen Jahren schwerpunktmäßig im Bereich Luftreinhaltung aktiv ist. Er ist nach § 3 UmwRG anerkannt. Randnummer 2 Mit der vorliegenden, am 14.02.2012 erhobenen Klage begehrt er in erster Linie die Verpflichtung des beklagten Landes, den für die Stadt Darmstadt geltenden Luftreinhalteplan – u.a. durch Einführen einer Umweltzone – so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet Darmstadt enthält. Randnummer 3 Für den Ballungsraum Rhein-Main, Teilplan Darmstadt besteht seit Mai 2005 ein Luftreinhalteplan. Gültig ist die 1. Fortschreibung vom Februar 2011 (Staatsanzeiger des Landes Hessen vom 28. Februar 2011, Seite 343). Mit den in dieser Fortschreibung festgelegten Maßnahmen, so der Einleitungstext des Hinweises des Beklagten auf die öffentliche Auslegung der 1. Fortschreibung, soll die Luftqualität in Darmstadt, insbesondere hinsichtlich der Stickstoffdioxidbelastung, weiter verbessert werden. Dazu zählen vor allem Maßnahmen zum Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, der Verlagerung des Individualverkehrs auf umweltverträgliche Verkehrsmittel, eine Verflüssigung des Verkehrs sowie Maßnahmen zur Verminderung von Feinstaubemissionen durch Baustellentätigkeiten. Randnummer 4 Der Klägerin hält sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (zuletzt Urteil vom 08. März 2011 – Rs. C-240/09–„Lesoochránarske zoskupenie VLK“) für klagebefugt und führt dies unter Heranziehung weiterer Rechtsprechung und Literatur näher aus. Die nationalen Gerichte hätten das auf Unionsrecht basierende Umweltrecht so auszulegen, dass es jedenfalls anerkannten Umweltschutzorganisationen ermöglicht werde, behördliche Entscheidungen, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union stünden, vor einem Gericht anzufechten. Randnummer 5 Für den Fall, dass die Kammer Auslegungsbedarf zum Unionsrecht sehe und eine (mehr oder weniger als Interpretationsvorlage zu verstehende) Vorabentscheidung in Erwägung ziehe, was nach Auffassung der Klägerin jedoch nicht erforderlich sei, beantragt sie die Aussetzung des Rechtsstreits und die Vorabentscheidung des EuGH zu folgender Rechtsfrage einzuholen: Ist Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 08. März 2011 – C-240/09– so zu interpretieren, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, so auszulegen ist, dass sie es einer Umweltschutzvereinigung, die die Förderung und Einhaltung des Umweltrechts der Europäischen Union zu ihrem Satzungszweck erklärt hat, ermöglicht, eine Entscheidung, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten? Randnummer 6 Die Klage sei auch begründet, denn dem Kläger stehe ein im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgender Anspruch auf Änderung/Fortschreibung des für Darm-stadt geltenden Luftreinhalteplans zu, hilfsweise Neubescheidung, bzw. Feststellung. Randnummer 7 Der für Darmstadt aufgestellte Luftreinhalteplan werde den europarechtlichen Vorgaben nicht gerecht, denn es existiere kein Luftqualitätsplan, der aufzeige, wie die Einhaltung des Stickstoffdioxidgrenzwertes bis zum 31. Dezember 2014 erreicht werden solle. Der Plan liefere schlichtweg keine Prognose dafür, wann dies bei der Verwirklichung welcher Maßnahme jemals der Fall sein solle. Zudem unterlasse er auch die Ausweisung einer in weiten Teilen Deutschlands als wirkungsvoll angesehenen Maßnahme. Denn mit der Ausweisung einer Umweltzone stehe eine praktikable und wirkungsvolle Maßnahme zur Verfügung, mit der die Luftqualität effektiv verbessert werden könnte. Randnummer 8 Der Beklagte verkenne die rechtliche Situation. Denn ein Ermessen dahingehend, dass ein Luftreinhalteplan aufgestellt wird, bei dem trotz Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen immer noch die Grenzwerte gerissen werden, bestehe nicht. Dies sei bereits nach alter Rechtslage so gewesen und entspreche auch dem Urteil des EuGH in der Sache Janecek (C-237/07). Denn nach § 1 Nr. 15 der 39. BImSchV sei ein „Immissionsgrenzwert“ ein Wert, der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt werde, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und der innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden müsse und danach nicht überschritten werden dürfe. Ein Umsetzungsermessen zur Einhaltung dieser Vorschrift stehe dem Beklagten somit nicht zu. Er habe lediglich ein Auswahlermessen zur Wahl der zur Zielerfüllung geeigneten Maßnahmen. Diese müssten sich daran messen, dass der Zeitraum einer Nichteinhaltung der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich gehalten werde. Ergänzt werde § 27 Abs. 2 der 39. BImSchV durch § 47 Abs. 4 BImSchG, wonach Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten seien, die zum Überschreiten der Emissionswerte beitragen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bestehe daher nur im Rahmen der Auswahlentscheidung der zu treffenden Maßnahmen, nicht aber bei der Frage, ob der Luftreinhalteplan überhaupt Maßnahmen enthalte, die eine Grenzwertüberschreitung in kürzest möglicher Zeit gewährleisten. Dem werde der Plan nicht gerecht. Randnummer 9 Dies gelte zunächst für die Ablehnung einer Umweltzone, die der Beklagte als ungeeignet und gleichheitswidrig ansehe und Argumente vortrage, die alle anderen deutschen Gerichte, die sich mit der Rechtmäßigkeit einer Umweltzone beschäftigt hätten, dazu hätte veranlassen müssen, die Zonen aufzuheben. Wie bekannt sei aber das Gegenteil der Fall. Alle Gerichte hätten die Angemessenheit derartiger Zonen, auch zum Schutz vor NO 2 bestätigt. Randnummer 10 Der Kläger führe jedoch keine Klage um ein bestimmtes Mittel der Luftreinhaltung. Insofern sei der durch den Beklagten erzeugte Eindruck, es gehe mit der Klage allein um eine Umweltzone, falsch. Entscheidend sei die schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte. Dies sei Sache des Beklagten und in dieser ihm ureigensten Aufgaben versage er. Randnummer 11 Die bestehenden Durchfahrtsverbote für Lkw seien zu begrüßen, aber ein alter Hut. Die neuen Maßnahmen reichten offensichtlich nicht aus, um eine Grenzwerteinhaltung sicherzustellen. Der Beklagte mache dennoch von den Möglichkeiten räumlicher, zeitlicher oder sachlicher Verkehrsbeschränkungen (dazu gehöre auch die Umweltzone, aber nicht nur) des § 40 Abs. 1 BImSchG keinen Gebrauch, auch nicht für die von Grenzwertüberschreitungen am stärksten betroffenen Straßen. Ähnliches gelte für andere Maßnahmen, mit denen auf den Straßenverkehr in seiner Menge Einfluss genommen werden könne, wie z.B. kostenloser Busverkehr oder City Maut. Die Gestaltungsfreiheit sei vielfältig. Wenn der Beklagte meine, dass dazu Änderungen von Bundesgesetzen erforderlich seien, stünde einer Bundesratsinitiative nichts im Wege. Zum Schutz der Gesundheit der Bürger wäre der Beklagte verpflichtet, auch über in diesem Zusammenhang diskutierte Modelle zu befinden. Stattdessen ziehe er sich auf den (rechtswidrigen) Standpunkt zurück, dass das von ihm gesetzlich Verlangte (eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung) unverhältnismäßig sei. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den für die Stadt Darmstadt geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet Darmstadt enthält, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts so zu bescheiden, dass eine Änderung des für die Stadt Darmstadt geltenden Luftreinhalteplans die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet Darmstadt enthält, hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den für die Stadt Darmstadt geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet Darmstadt enthält. Randnummer 13 Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klage sei auch mit Rücksicht auf die von der Klägerin zitierte Entscheidung des EuGH vom 08.03.2011, mit der sie sich ausführlich kritisch auseinandersetzt, unzulässig. Der EuGH habe in „freier Rechtsschöpfung“ unabhängig von den Regelungen in Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention Verbandsklagerechte entwickelt und zuerkannt. Eine solche „Revolution“ im Prozessrecht der Mitgliedstaaten durch einen rechtsschöpferischen Akt des EuGH ohne Anknüpfung an eine unmittelbar geltende EU-rechtliche Norm sei rechtlich unzulässig. Es werde nicht verkannt, dass Vorabentscheidungen des EuGH eine wichtige Bedeutung für die einheitliche Auslegung europäischen Rechts zukomme und dass insoweit Vorabentscheidungen des EuGH auch Bedeutung für die Rechtsfortbildung hätten. Bei einer Rechtsschöpfung würden die Grenzen der Rechtsfortbildung jedoch überschritten. Trotz des weit gefassten Tenors sei die Entscheidung des EuGH vom 08.03.2011 deshalb lediglich dahin zu interpretieren, dass es Umweltverbänden auf der Basis der Aarhus-Konvention möglich sein müsse, ihnen eingeräumte verfahrensrechtliche Mitwirkungsrechte auch gerichtlich durchzusetzen. Über diese Wirkung gehe die Entscheidung des EuGH bei der Interpretation des Tenors vor dem Hintergrund des Streitgegenstandes des Verfahrens nicht hinaus. Eine uneingeschränkte Zulässigkeit einer Verbandsklage in umweltrechtlichen verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren folge hieraus nicht. Außerdem fehle ausgehend von dieser Entscheidung des EuGH eine interpretationsfähige Vorschrift des nationalen (deutschen) Rechts, die überhaupt einer Auslegung dahingehend fähig sei, dass Verbandsklagen in allen Fällen, in denen die Verletzung von Unionsrecht in Rede stehe, zulässig sein könnten. Da der EuGH offensichtlich keine neue prozessrechtliche Regelung habe schaffen wollen, scheitere die Zulässigkeit der Verbandsklage auch an den Grenzen der Wortbedeutung der prozessrechtlichen Regelungen des deutschen nationalen Rechts über die Zulässigkeit von Klagen. Auch habe die Entscheidung des EuGH keine bindende Wirkung. Randnummer 15 Im Ergebnis könne damit insgesamt festgestellt werden: Randnummer 16 - Unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention ergebe sich keine Klagebefugnis von Umweltverbänden mit dem Ziel, die Einhaltung von EU-Recht oder nationalem Recht, das auf EU-Recht fußt, durchzusetzen. Randnummer 17 - Eine mittelbare Wirkung des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention in dem Sinne, dass Sekundärrechte der EU so zu interpretieren seien, dass eine prozessuale Durchsetzung des materiellen EU-Umweltrechts über eine altruistische Verbandsklage nach nationalem Recht möglich sein müsse, sei angesichts dessen, dass die EU von ihrer Rechtssetzungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe und sich deshalb die Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention ausschließlich nach nationalem Recht richte, nicht anzuerkennen. Randnummer 18 - Sekundärrecht der EU auf dem Gebiet des Umweltschutzes könne nicht so interpretiert werden, dass es zugleich auch wegen Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention die Befugnis zur gerichtlichen Durchsetzung für Umweltverbände enthalte. Randnummer 19 - Die Entscheidung des EuGH vom 08.03.2011 sei als Auslegungsentscheidung im Vorabentscheidungsverfahren für Instanzgerichte nicht bindend. Randnummer 20 Die Klage sei aber auch unbegründet. Allein der pauschale Hinweis, eine Umweltzone sei eine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der NO 2 -Konzentration in Darmstadt genüge zur Begründung der Klage nicht. Der Kläger verkenne, dass einerseits im Luftreinhalteplan für das Rhein-Main-Gebiet, Teilplan Darmstadt 2011, Maßnahmen getroffen worden seien, die das Ziel verfolgten, eine schnellstmögliche Reduzierung der NO 2 -Belastung zu erreichen, und dass andererseits die Errichtung einer Umweltzone mit diesem Ziel eine nicht geeignete und nicht verhältnismäßige, gleichheitswidrige und gesetzeswidrige Maßnahme darstellen würde, was im Einzelnen dargelegt wird. Randnummer 21 Für weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, auch den der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Das Land Hessen wird verpflichtet, den für die Stadt Darmstadt geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 in Höhe von 40 Mikrogramm je Kubikmeter im Stadtgebiet Darmstadt einhält. Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Sprungrevision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dividendenausschüttung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Z [ausländischer Staat] im Jahr 2015 an den in Y [ausländischer Staat] ansässigen Kläger aufgrund von § 50i Einkommensteuergesetz (EStG) in Deutschland zu besteuern ist. 2 Der Kläger lebt und arbeitet seit [__ ] in Y. Seither hat er in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Der Kläger ist als Kommanditist mit einem Anteil von [weniger als 15]Prozent an der A GmbH & Co. KG mit Sitz in X/Deutschland beteiligt. Im Sonderbetriebsvermögen dieser Personengesellschaft, bei der es sich um ein Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung handelt, hält er einen Anteil von 50 Prozent an der B Private Limited in Z (B Private Limited), die über ein Stammkapital von [ ___ ] verfügt. Seinen Anteil an der B Private Limited hat der Kläger durch Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom [ ___ ] (BP-Handakte Bd. IV Bl. 37, 39) von D erworben. Vor der Schenkung war die hundertprozentige Beteiligung an der B Private Limited in dessen Sonderbetriebsvermögen bei der A GmbH & Co. KG bilanziert (vgl. Bilanzakten, Jahresabschlüsse 2008 und 2009, jeweils Anlage 4/1). Der D[ ____ ] hatte die Anteile ab 1998 sukzessive, es dürfte sich bei den späteren Anschaffungskosten um Kapitalerhöhungen gehandelt haben, angeschafft (vgl. Bilanzakten, Jahresabschlüsse 2008 und 2009, jeweils Anlage 4/2). 3 [ ___ ] 4 Die A GmbH & Co. KG firmierte nach ihrer Gründung im Jahr [ ___ ] zunächst als A [ ___ ] KG und später, bis zum [ ___ ], als A KG. Der Kläger ist bereits seit dem Jahr [ ___ ] als Kommanditist beteiligt. Weitere Kommanditisten sind [ ___ ] [ ___ ]. Die allein zur Geschäftsführung berufene Komplementärin der A GmbH & Co. KG war und ist die A Verwaltungs GmbH mit Sitz in X. Deren Geschäftsführer ist C. Bis [ ___ ] war zusätzlich D. An der A Verwaltungs GmbH sind der Kläger und C zu je 50 Prozent beteiligt. Der Zweck dieser Gesellschaft ist die Übernahme der Geschäftsführung als persönlich haftende Gesellschafterin der A GmbH & Co. KG, die Vornahme aller damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte sowie die Förderung des Unternehmenszwecks der vorgenannten Kommanditgesellschaft innerhalb ihres Unternehmensgegenstandes (vgl. den Handelsregisterauszug sowie den Gesellschaftsvertrag vom 20. November 2012, Gerichtsakte, Sonderband Bl. 25 ff.). 5 Die A GmbH & Co. KG verpachtet als Besitzunternehmen Anlagevermögen an die G GmbH (vgl. den Pachtvertrag vom [ ___ ] , BP-Handakte Bd. 1 Bl. 231 ff. und den ursprünglichen Pachtvertrag vom [ ___ ], Vertragsakten Bl. 103 ff.). Der Kläger und C halten je einen Anteil von 49 Prozent des Stammkapitals der G GmbH, der ihnen je 24 Prozent der Stimmrechte in dieser Gesellschaft vermittelt. Den verbleibenden Anteil von 2 Prozent mit Stimmberechtigung i. H. v. 52 Prozent hält D [ ___ ]. Geschäftsführer der G GmbH ist C, bis Dezember 2015 führte er die Geschäfte gemeinsam mit D (vgl. Handelsregisterauszug, Eintrag Nr. 15, Gerichtsakte, Sonderband Bl. 48). 6 Seinen Anteil im Umfang von 24 Prozent des Stammkapitals an der G GmbH, die zum damaligen Zeitpunkt noch als G ... GmbH firmierte, hat der Kläger zugleich mit seinem Anteil an der B Private Limited durch Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom [ ___ ] (BP-Handakte Bd. IV Bl. 37, 39) von D erworben, einen weiteren Anteil von 25 Prozent mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom [ ___ ] (Vertragsakten Bl. 183 ff.). 7 Vor der ersten Übertragung von Anteilen an der G GmbH hatte die A KG am [ ___ ] die Erteilung einer verbindlichen Auskunft beantragt, dass die geplante unentgeltliche Übertragung von D[ ____ ] auf diesen sowie auf C nicht zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven führt, sondern nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zu Buchwerten und damit steuerneutral erfolgt (vgl. Sonderband Verbindliche Auskunft BI. 1-3). Dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt nicht in Deutschland, sondern in [ ___ ] steuerlich ansässig war, erwähnte der Antrag nicht. Diese Tatsache war beim Beklagten seinerzeit allerdings aktenkundig. 8 Der Beklagte erteilte am [ ___ ] der A KG die beantragte verbindliche Auskunft (vgl. Sonderband Verbindliche Auskunft Bl. 24-25). 9 Die Anteile an der G GmbH und an der B Private Limited wurden daraufhin nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zu Buchwerten auf den Kläger übertragen, sodass im Zeitpunkt dieser Übertragungen, zu denen der Kläger bereits in [ ___ ] wohnte, eine Besteuerung der stillen Reserven unterblieben ist. Der Bescheid für 2010 über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Gesellschaft, die damals noch als A KG firmierte, stand zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Eine Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 sah insoweit keinen Änderungsbedarf, sodass im März 2014 aufgrund der Betriebsprüfung geänderte Bescheide ergingen, die aber hinsichtlich der Anteilsübertragungen keine Änderungen enthielten und bestandskräftig wurden (vgl. Bericht über die Außenprüfung vom 9. Januar 2014, BP-Akte Bl. 6 ff., den Vermerk über die Umsetzung des Berichts, Bl. 29 Rückseite, sowie das Schreiben der Prozessbevollmächtigten [ ____ ] vom 18. September 2020, Gerichtsakte Bl. 122). 10 Im Jahr 2015 schüttete die B Private Limited eine Dividende in Höhe von umgerechnet [ ___ ] Euro an den Kläger aus (vgl. Bilanzakten, Anlage 3/3 der Steuerlichen Gewinnermittlung Veranlagungszeitraum 2015). 11 Die A GmbH & Co. KG gab ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für das Jahr 2015 am 5. Juli 2016 ab. Die Dividende in Höhe von [ ___ ] Euro wird in der Erklärung als ausländischer Kapitalertrag ausgewiesen, der Kläger als beschränkt einkommensteuerpflichtige Person (Feststellungsakten Bl. 55 und 56 f.). In der Anlag FE 1 wurden keine Einkünfte aus Sonderbilanzen/Sonderbetriebsvermögen erklärt (Feststellungsakten Bl. 58 Rückseite). 12 Der Beklagte erließ am 3. August 2016 einen Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die A GmbH & Co. KG. In diesem stellte er Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i. H. v. [ ___ ] Euro fest. Darin ist kein Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen enthalten (Feststellungsakten Bl. 75). Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. 13 Am 27. Oktober 2016 ordnete der Beklagte eine Außenprüfung für die Jahre 2012 bis 2015 bei der A GmbH & Co. KG an (BP-Handakte Bd. V Bl. 1). Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Klägers an der B Private Limited nach § 50i EStG steuerverhaftet sei und der Kläger somit die laufenden Erträge und spätere Veräußerungsgewinne im Inland zu versteuern habe (vgl. Tz. 16 des geänderten Berichts über die Außenprüfung vom 15. November 2019, BP-Akte Bl. 32, 34 Rückseite und f.). 14 Der Beklagte erließ daraufhin am Mittwoch, dem 26. Februar 2020, einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die A GmbH & Co. KG und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. In dem Bescheid, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird (Feststellungsakten Bl. 77, Gerichtsakte Bl. 51), stellte der Beklagte nunmehr Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von [ ___ ] Euro fest. Hierin enthalten ist ein Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen in Höhe von [ ___ ] Euro. 15 Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am Montag, dem 30. März 2020, Sprungklage erhoben (Gerichtsakte Bl. 25 ff.). Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 8. April 2020 zugestellt (Gerichtsakte Bl. 81). 16 Der Beklagte hat der Sprungklage mit Schreiben vom 4. Mai 2020, das am Folgetag bei Gericht einging, zugestimmt (Gerichtsakte Bl. 86). 17 Der Kläger behauptet, dass er seit etlichen Jahren im Streit mit den anderen Beteiligten liege.  Die Kommunikation mit ihnen finde seit geraumer Zeit nur noch über Anwälte statt. Es seien mehrere gesellschaftsrechtliche Rechtsstreitigkeiten anhängig. Der Dissens bestehe jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Schenkung im Jahr [ ___ ]. Gleichlaufende Interessen habe es schon damals nicht gegeben. 18 Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind der Auffassung, dass angesichts der genannten Umstände im vorliegenden Fall die Anteile an der B GmbH, an der B Private Limited sowie an weiteren in- und ausländischen Kapitalgesellschaften nicht nach § 50i EStG im Inland steuerverhaftet seien und die im Streitjahr 2015 gezahlte Dividende der B Private Limited deshalb nicht nach § 50i EStG im Inland zu versteuern sei. Die Einführung des § 50i EStG sei als eine Maßnahme zur Missbrauchsbekämpfung verstanden worden. Aus den Gesetzesmaterialien gehe hervor, dass der Gesetzgeber nachträglich bestimmte steuerlich motivierte Gestaltungen habe erfassen wollen, die ein Steuerpflichtiger seinerzeit zum Zweck vorgenommen habe, die Aufdeckung stiller Reserven zu verhindern. Der Gesetzgeber habe ausschließlich Fälle des Wegzugs ins Ausland, der umwandlungssteuerlichen Einbringung und der zur Entstrickung führenden Überführung von Wirtschaftsgütern im Auge gehabt. Andere Konstellationen seien von der Norm nicht erfasst. § 50i EStG stehe in engem Zusammenhang mit § 6 Außensteuergesetz (AStG), § 20 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) und § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und ergänze diese Tatbestände. Berücksichtige man den Wortlaut der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck, so komme § 50i Abs. 1 Satz 4 i. V. m. Satz 3 i. V. m. Satz 1 EStG als Rechtsgrundlage für eine Besteuerung der Dividende der B Private Limited nicht in Betracht. Die Norm eröffne aus zwei Gründen kein deutsches Besteuerungsrecht. Der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG setze voraus, dass Wirtschaftsgüter vor dem Stichtag 29. Juni 2013 Betriebsvermögen einer kraft Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen zu qualifizierenden Personengesellschaft geworden seien. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt der Übertragung der Anteile an der B Private Limited auf den Kläger (am [ ___] 2010) habe zwar eine Betriebsaufspaltung zwischen der damaligen A KG und der damaligen G … GmbH vorgelegen und die übertragenen Anteile an der B Private Limited hätten auch zum (Sonder- ) Betriebsvermögen bei der A KG gehört. Doch seien die Anteile an der B Private Limited nicht durch die Übertragung auf den Kläger Betriebsvermögen einer (Besitz- ) Personengesellschaft „geworden", denn die Anteile an der B Private Limited hätten als Sonderbetriebsvermögen Ds schon vor der Übertragung auf ihn zum Betriebsvermögen bei der A KG gehört. 19 Darüber hinaus sei der Wortlaut des § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG nicht erfüllt. Denn dieser verlange, dass der Steuerpflichtige sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb alleine oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen könne und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlasse. Der beherrschende Gesellschafter und der Veräußerer bzw. Entnehmende müssten also identisch sein. Da der Kläger weder alleine noch zusammen mit seinen Mitgesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in der (damaligen) A KG und der (damaligen) G …GmbH habe durchsetzen können - beide Gesellschaften seien seinerzeit allein von D, mit dem er keine gleichlaufenden Interessen gehabt habe, beherrscht worden - sei der Wortlaut der Norm in seiner, [ ____ ], Person nicht erfüllt. 20 Für das Jahr 2010 sei dem Beklagten objektiv ein Fehler unterlaufen, ohne den die stillen Reserven bereits im Jahr 2010 auf der Ebene des Ds [ ____ ] besteuert worden wären. Bei dieser richtigen Sachbehandlung wäre § 50i EStG im Streitjahr 2015 nicht anwendbar gewesen. Den Fehler hätte der Beklagte verfahrensrechtlich ohne Weiteres und jederzeit bis Ende März 2014 durch Besteuerung auf der Ebene des Ds [ ____ ] beseitigen können. § 50i EStG wäre dann im Streitjahr 2015 (und in den nachfolgenden Jahren) bereits deshalb unanwendbar gewesen, weil das Tatbestandsmerkmal der unterbliebenen Besteuerung der stillen Reserven i. S. d. § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt gewesen wäre. Der Kläger werde für Fehler, die in der Vergangenheit andere begangen hätten, zur Besteuerung herangezogen, obwohl D das richtige Steuersubjekt sei. Dies widerspreche der gesetzlichen Rechtfertigung des § 50i EStG, wonach die Steuerpflichtigen, welche im Zeitpunkt der Entstrickung die Besteuerung der stillen Reserven aufgrund des damaligen Rechtsverständnisses der Finanzverwaltung zunächst hätten vermeiden können, selbst davon ausgegangen seien, dass sie die deutsche Besteuerung späterer Veräußerungsgewinne sowie der zuvor erzielten laufenden Einkünfte hinzunehmen hätten. Es sei aber nicht der Kläger, sondern D gewesen, der seinerzeit die Besteuerung der stillen Reserven habe vermeiden können und durch unvollständige Angaben im Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft den Fehler des Beklagten mitverursacht habe. Der Kläger sei seinerzeit nicht davon ausgegangen, dass er zu einem späteren Zeitpunkt die deutsche Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und laufenden Einkünften hinzunehmen habe. Der Beklagte habe kein Wahlrecht, sich den Steuerschuldner auszusuchen. Dies widerspräche dem Grundsatz der subjektbezogenen Einkunftsermittlung und den Ausführungen dazu im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Juli 1993 X R 74/90, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1994, 15, Rn. 29. 21 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung vom 30. März 2020, Gerichtsakte Bl. 25 ff., sowie die Replik vom 18. September 2020, Gerichtsakte Bl. 118 ff., und das Schreiben vom 28. September 2021 nebst Anlagen, Gerichtsakte Bl. 175 ff., verwiesen. 22 Der Kläger beantragt, 1. den Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die A GmbH & Co. KG vom 26. Februar 2020 zu ändern und den für ihn festgestellten Gewinn aus Sonderbetriebsvermögen in Höhe von [___ ] Euro auf 0 Euro herabzusetzen, 2. hilfsweise, die Revision zuzulassen. 23 Der Beklagte beantragt, 1. die Klage abzuweisen, 2. hilfsweise, die Revision zuzulassen. 24 Der Beklagte ist anders als der Kläger der Auffassung, dass die Voraussetzungen des 50i Abs. 1 Satz 4 EStG vorliegen. Die Regelung beschreibe erstmals gesetzlich die Tatbestandsvoraussetzungen für das Institut der Betriebsaufspaltung. Zu Unrecht leite der Kläger aus dem Terminus „der Steuerpflichtige“ ab, dass die Rechtsfolgen der Regelung nur für die Person einträten, welche die sogenannte personelle Verflechtung begründe und deshalb ursächlich für die Betriebsaufspaltung sei. Die Steuerverstrickung des § 50i EStG solle nach dem Willen des Gesetzgebers nicht für einzelne Personen, sondern für bestimmte Wirtschaftsgüter gelten. Der Zweck des § 50i EStG, die Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts von stillen Reserven, habe für alle Mitunternehmer Bedeutung und könne nicht für jeden Mitunternehmer gesondert betrachtet werden. 25 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom 19. Juni 2020, Gerichtsakte Bl. 95 ff., und die Duplik vom 2. November 2020, Gerichtsakte Bl. 142, verwiesen. 26 Der Senat hat am 29. September 2021 die mündliche Verhandlung durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll, Gerichtsakte Bl. 169 ff., verwiesen. 27 Dem Senat lagen bei der Entscheidung folgende Steuerakten vor: - fünf Bände Betriebsprüfungshandakten, - zwei Bände Bilanzakten, 2008 - 2011 und 2012 - 2016, - zwei Bände Vertragsakten und je ein Band - einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der A GmbH & Co. KG 2012 - 2018, - gesonderte Feststellung Anteilsbewertung/Betriebsvermögen, - Sonderband Verbindliche Auskunft, - Betriebsprüfungsakte.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Klägerin, die Deutsche Umwelthilfe e. V., macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, weil diese in 2 Anzeigen unter Verstoß gegen § 5 Pkw-EnVKV unzureichende, weil nicht leicht lesbare und verständliche, Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle bzw. überhaupt keine Angaben gemacht habe. 2 Zu Klagantrag Ziff. 1 führt der Kläger aus, die in die streitgegenständliche Werbeschrift aufgenommenen, in einem Fließtext in kleiner Schrift gesetzten Angaben zu den Werten des offiziellen Kraftstoffverbrauchs und der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen entsprächen nicht den Vorgaben des Verordnungsgebers, dieselbigen so zu gestalten, dass sie für den angesprochenen Verbraucher auch bei flüchtigem Lesen gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben seien als der Hauptteil der Werbebotschaft. Die Beklagte habe bei der Anzeige in den Mittelpunkt der Werbeschrift nur das Angebot der beworbenen Neufahrzeuge des Modells Ford Fiesta Champions Edition 1,25 l Duratec-Motor 60 kW/82 PS und dessen Preis gerückt. Die Nennung des Fahrzeugmodells sei mit großen fettgedruckten Buchstaben hervorgehoben und befinde sich zentral in der Werbeanzeige. Ebenfalls in großen Zahlen bzw. fettgedrucktem Schriftbild sei der Preis bzw. das Finanzierungsangebot gehalten und hervorgehoben. Die Ausstattungsmerkmale und die Beschreibung des angebotenen Fahrzeugmodells seien gleichfalls so gestaltet, dass sie sofort in das Blickfeld des angesprochenen Lesers der Werbeanzeige fielen. Demgegenüber seien die Pflichtangaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen in einem fortlaufenden Fließtext mit anderen Angaben, in kleinem, dicht gedrängtem Schriftbild gesetzt, wo sie völlig untergingen und abgedrängt seien. Sie müssten von dem angesprochenen Verbraucher erst gesucht werden, um überhaupt gefunden zu werden. 3 Die Anforderung in § 5 Pkw-EnVKV, „auch bei flüchtigem Lesen“ sei auf alle drei Tatbestandsmerkmale der Norm, nämlich in puncto "leichte Verständlichkeit", "gute Lesbarkeit" und "Gleichrangigkeit der Angaben mit dem Hauptteil der Werbebotschaft" bezogen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre Rechtsauffassung dahingehend korrigiert, dass das Merkmal „bei flüchtigem Lesen“ sich nur auf die leichte Verständlichkeit und die gute Lesbarkeit beziehe. 4 Der Kläger stellt folgende Anträge: 5 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaff bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an deren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschriften für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformnationen zu Kraftstoffverbrauch und C02-Emissionen neuer Personenkraftwagen) - einschließlich Tageszulassungen des Modells Ford Fiesta Champions Edition 1.25 1 Duratec-Motor 60 kW/82 PS zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über deren offiziellen Kraftstoffverbrauch und deren offizielle spezifische C02-Emissionen (§ 2 Nr. 5 und 6 Pkw-EnVKV i. V. m. Abschnitt 1 der Anlage 4 der Pkw-EnVKV) zu machen, die auch bei flüchtigem Lesen leicht verständlich, gut lesbar und nicht weniger hervorgehoben als der Hauptteil der Werbebotschaft sind, wenn dies geschieht wie in einer Werbeanzeige der Beklagten im S. Wochenblatt, Ausgabe vom 04.01.2013, die wie folgt wiedergegeben ist: 6 2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschriften für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und C02-Emissionen neuer Personenkraftwagen) - einschließlich Tageszulassungen und Vorführfahrzeuge bis zu einer Kilometerlaufleistung von 1.000 Kilometern -‚ des Modells Skoda Yeti 1.2 TSI, 105 PS177 kW zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über deren offiziellen Kraftstoffverbrauch und deren offizielle spezifische C02-Emissionen (§ 2 Nr. 5, Nr. 6 Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt 1 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV) zu machen, wenn dies geschieht wie in einer Werbeanzeige der Beklagten in einer Beilage der Badischen Zeitung, Ausgabe vom 12.10.2013, die wie folgt wiedergegeben ist: 7 Die Beklagte beantragt Klagabweisung. 8 Zu Klagantrag Ziff. 1 wendet die Beklagte ein, sämtliche Informationen über das beworbene Fahrzeuge, wie etwa die Ausstattungsmerkmale oder auch die Finanzierungsmöglichkeiten, seien mit exakt derselben Schriftgröße abgedruckt wie die Angaben zu dem Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen. Der Hauptteil der Werbebotschaft betreffe die Beschreibungen der Ausstattungsmerkmale, diese seien genauso hervorgehoben, wie die von dem Kläger beanstandeten Angaben. 9 Hinsichtlich Klagantrag Ziff. 2 wendet die Beklagte ein, es handle sich nicht um einen Neuwagen, so dass die Anforderungen der Pkw-EnVKV nicht gälten. Die Beklagte habe das streitgegenständlich beworbene Fahrzeug nicht direkt vom Hersteller, sondern aus erster Hand erworben (von einem Autohaus in Österreich). Den Kläger treffe die Beweislast, dass alleiniger Verkaufszweck des Verkäufers der Wiederverkauf durch den Käufer gewesen sei. Die Laufleistung von hier 50 km sei nicht allein entscheidend. Durch den bloßen Hinweis auf die Laufleistung werde die Feststellung des Händlerwillens gerade nicht entbehrlich. Dass der Hersteller oder das Autohaus in Österreich das Fahrzeug allein zum Zweck des Weiterverkaufs verkauft hätten, werde bestritten. 10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Werbeschriften für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und C02-Emissionen neuer Personenkraftwagen) - einschließlich Tageszulassungen und Vorführfahrzeuge bis zu einer Kilometerlaufleistung von 1.000 Kilometern -‚ des Modells Skoda Yeti 1.2 TSI, 105 PS177 kW zu werben, ohne in dieser Werbung Angaben über deren offiziellen Kraftstoffverbrauch und deren offizielle spezifische CO2-Emissionen (§§ 2 Nr. 5, Nr. 6 Pkw-EnVKV i.V.m. Abschnitt I der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV) zu machen, wenn dies geschieht wie in einer Werbeanzeige der Beklagten in einer Beilage der Badischen Zeitung, Ausgabe vom 12.10.2013, die wie folgt wiedergegeben ist: 2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. 4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3 000 vorläufig vollstreckbar. 5. Beschluss Der Streitwert des Verfahrens beträgt EUR 4 500.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung. 2 Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Der am 03.02.1962 geborene B (Versicherter) war in der streitigen Zeit bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. Bei ihm bestanden ein schwergradiges obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (Erstdiagnose 2009), eine Adipositas Grad I und ein Nikotinabusus. 3 Im März 2017 stellte sich der Versicherte in der U-Klinik der Klägerin vor, berichtete über eine CPAP-Intoleranz und äußerte den Wunsch nach einer operativen Alternative. Ihm wurde eine Radiofrequenztherapie (RFT) der Nasenmuschel, ein abschwellendes Nasenspray, eine diagnostische Schlafvideoendoskopie und eine diagnostische Polysomnographie empfohlen. Während des stationären Aufenthalts vom 05.10.2017 bis 06.10.2017 in der U-Klinik der Klägerin wurden eine diagnostische Schlafvideoendoskopie sowie eine diagnostische Polysomnographie durchgeführt und dem Kläger als Therapiealternative ein I-System oder eine Expansionsphinkteroplastik empfohlen. Nach Aufklärung über den und Zustimmung zu dem Eingriff erfolgte während des weiteren stationären Aufenthalts vom 23.10.2017 bis 26.10.2017 eine Implantation eines Hypoglossusstimulators (aura6000® der Firma I). Im Entlassbericht vom 26.10.2017 wurde Folgendes ausgeführt: „Aufgrund von rezidivierenden Bindehautentzündungen, wunden Stellen im Bereich der Nase und des Nasenrückens sowie Erstickungsanfällen trotz wiederholter Maskenoptimierung und Luftbefeuchter war eine Weiterführung der CPAP-Therapie nicht möglich. Der Patient unterzog sich daraufhin in der folgenden zeitlichen Abfolge den folgenden Therapieversuchen: Rückenlageveränderungsweste, Körpergewichtsreduktion. Dies alles führte zu keiner adäquaten Therapie der obstruktiven Schlafapnoe. Eine weitere CPAP-Versorgung erscheint weder dem Patienten noch uns möglich. Nach langem Abwägen und Durchführung einer Schlafvideoendoskopie am 05.10.2017 planten wir daraufhin die Durchführung einer I-Implantation als letztmögliche Therapiealternative.“ 4 Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung des Versicherten während des stationären Aufenthalts vom 23.10.2017 bis 26.10.2017 unter dem 19.12.2017 einen Betrag iHv 24.775,08 EUR unter Zugrundelegung der Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) 17NUB182 (Hypoglossusstimulator) und 17802A sowie unter Berücksichtigung der Prozeduren 5-059.C7 (System zur Hypoglossusnervstimulation) und 8-925.00 (intraoperatives neurophysiologisches Monitoring) sowie der Hauptdiagnose G 47.31 (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom) sowie den Nebendiagnosen E 66.00 (Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr) und F 17.1 (psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak) in Rechnung. 5 Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren mit dem Anlass „Neue und/oder nicht zugelassene Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Bereich“ ein und informierte die Klägerin darüber. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) gelangte durch S in seinem Gutachten vom 12.03.2018 zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Beim Hypoglossusnervstimulationssystem zur Behandlung des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms handle es sich um ein implantierbares Neurostimulationsgerät (Schrittmacher). Hierbei werde ein Impulsgenerator mit integrierter Energieversorgung implantiert. Ein Kabel verbinde den Impulsgenerator mit einer Elektrode, die manschettenartig um die Fasern des Nervus hypoglossus (Unterzungennerv), die den Nervus genioglossus (Kinn-Zungen-Muskel) innervierten, angebracht werde. Durch elektronische Stimulation der Fasern des Unterzungennervs solle der Kinn-Zungen-Muskel aktiviert werden, um ein Zurückfallen der Zunge während des Schlafs mit hieraus resultierenden Atemaussetzern zu vermeiden. Auf dem Markt seien mehrere Medizinprodukte (ua I). Die Nervenstimulation könne atemabhängig intermittierend (zeitlich aussetzend) oder atemunabhängig kontinuierlich erfolgen. Das Produkt der atemunabhängigen kontinuierlichen Nervenstimulation werde auf der Webseite des Herstellers I ab einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) > 20 im Rahmen von Studien zur Versorgung empfohlen, wenn die CPAP-Therapie nicht toleriert werde. Der einzige bisher publizierte Teil einer Studie im kontrollierten Setting zeige für einen höchstgradig eingeschränkten Probandenkreis eine Wirkung der Hypoglossusnervstimulation. Für dieses Kollektiv werde eine statistisch signifikante Reduktion des AHI und eine Verbesserung der krankheitsbezogenen Lebensqualität berichtet. Die Aussagekraft werde durch eine starke Vorselektion durch sehr enge Ein- und Ausschlusskriterien, eine medizinisch nicht nachvollziehbare Definition des Responderkriteriums, eine weitere Einschränkung der Selektion im Verlauf der Studie durch sehr kleine Interventions- und Kontrollgruppen bei der Durchführung des kontrollierten Teils der Studie, der anschließenden Auswahl von Respondern für den kontrollierten Teil der Studie, keinen Bericht über harte Endpunkte wie Morbidität (kardiovaskulär) und Mortalität sowie methodische Limitationen eingeschränkt. Das systematische Review des L-Instituts 2016 führe zu der Schlussfolgerung, dass die gegenwärtige Studienlage keine Rückschlüsse zulasse, ob eine Behandlung der mittel- bis schwergradigen obstruktiven Schlafapnoe mittels Stimulator des Unterzungennervs wirksamer oder gleich sicher sei wie die Vergleichsintervention keine Behandlung. In der aktuell gültigen S2e-Leitlinie „HNO-spezifische Therapie der obstruktiven Schlafapnoe bei Erwachsenen“ (September 2015) werde für die Hypoglossusnervstimulation ein Empfehlungsgrad B bei Level of Evidence 2b angegeben (individuelle Kohortenstudie von niederer Qualität). In der aktuellen S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ (2017) der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin werde ausgeführt: „Neurostimulationsverfahren des N. Hypoglossus können bei fehlenden anatomischen Auffälligkeiten und mittel- bis schwergradiger OSA eingesetzt werden, wenn die positive Drucktherapie unter oben genannten Bedingungen nicht angewendet werden kann. Sie sollte nur bei Patienten mit CPAP-Unverträglichkeit bzw. -Ineffektivität mit einem AHI 15 bis 50/h und einer Adipositas Schweregrad > 1 zum Einsatz kommen, wenn keine konzentrische Obstruktion in der Schlafendoskopie dokumentiert wurde (B).“. Hierzu sei von gutachterlicher Seite zu ergänzen, dass der Ausschluss eines konzentrischen Kollapses des Velums (Gaumensegel) in der Studie gefordert werde, da es im Vorfeld Untersuchungen gegeben habe, wer von dem Hypoglossusstimulationssystem profitieren könne. Im vorliegenden Fall habe eine Adipositas Grad I vorgelegen. Die Ergebnisse der durchgeführten Schlafvideoendoskopie hätten nicht vorgelegen. Goldstandard der Therapie des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms sei weiterhin die apparative Versorgung mit einem kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck durch die CPAP-Therapie. Im vorliegenden Fall sei eine CPAP-Intoleranz angegeben worden. Eine lebensbedrohliche bzw damit gleichgestellte oder regelmäßig tödliche Erkrankung liege nicht vor. Das Verfahren sei nicht im Rahmen einer Studie angewandt worden. Die Hypoglossusstimulationstherapie sei ein experimentelles Verfahren und entspreche derzeit nicht dem Stand der Wissenschaft bzw dem Qualitätsgebot des § 2 SGB V. Die Hypoglossusstimulation könne bislang nicht als ein nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin hinreichend evaluiertes Verfahren bewertet werden. Derzeit sei sie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) weiterhin dem Stadium der klinischen Erprobung zuzuordnen. Insbesondere fehlten valide Vergleichs- und Langzeitdaten zu Sicherheit und Wirksamkeit. Unkontrollierte Beobachtungsstudien seien kein Ersatz für adäquat konzipierte, ausreichend lange, kontrollierte und randomisierte Studien mit harten Endpunkten. 6 Der MDK gelangte durch B1 in seinem Gutachten zu stationären Leistungen vom 23.04.2018 zu dem Ergebnis, dass von einer primären Fehlbelegung auszugehen sei. Der stationäre Aufenthalt sei gezielt und ausschließlich zur Durchführung der Ventilimplantation erfolgt. Gemäß dem Gutachten zur Methodenbewertung habe keine Indikation für diese Intervention vorgelegen. Die Kodierung sei im Übrigen nicht zu beanstanden. 7 Die Beklagte hatte die Rechnung zunächst beglichen, verrechnete am 08.05.2019 aber den Rechnungsbetrag mit unstreitigen Forderungen der Klägerin wegen der Behandlung anderer Versicherter. 8 Die Klägerin hat am 11.07.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und einen Vergütungsanspruch iHv 24.775,08 EUR geltend gemacht. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die streitgegenständliche Behandlung habe dem allgemein anerkannten Stand im Oktober 2017 in der Weise entsprochen, dass über die Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachgewiesene Aussagen hätten gemacht werden können und sich aus wissenschaftlich korrekt durchgeführten Studien der Erfolg der Methode habe ablesen lassen. Die Therapie sei in einer großen Anzahl von Behandlungsfällen bei der Klägerin erfolgreich gewesen. Auf die seit dem 13.07.2015 gültige Bestimmung des § 137c Abs 3 SGB V und dessen Auslegung durch die Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (BSG 19.12.2007, B 1 KR 17/17 R; BSG 24.04.2018, B 1 KR 10/17 R) komme es nicht an. Bei dem Versicherten habe die Indikation zur Implantation eines Hypoglossusstimulators bestanden. Die S3-Leitlinie „Schlafbezogene Atmungsstörung bei Erwachsenen“ mit Stand August 2017 habe Neurostimulationsverfahren bei mittel- bis schwergradiger Schlafapnoe als Standardverfahren aufgeführt und mehrere hierzu ergangene Studien im Einzelnen aufgelistet (ua mit dem Evidenzgrad 1). Das Qualitätsgebot beziehe sich nach der Rechtsprechung des BSG auf allgemein anerkannte Methoden auf evidenzgesicherter Basis. Verlangt werde, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Stimmen abgesehen über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe. Diesen Voraussetzungen sei Genüge getan. 9 Eine Therapie mit Beatmungsmaske sei von dem Versicherten von 2009 bis 2016 versucht worden. Die CPAP-Geräteauslesung habe ergeben, dass dieses damals 1.479 Betriebsstunden aufgewiesen habe, was einer Nutzung von 250 Stunden pro Jahr und damit weniger als 1 Stunde pro Tag entspreche. Die Nutzungszeiten belegten, dass der Versicherte die Maskenanwendung regelmäßig versucht habe, eine sinnvolle Stundenzahl jedoch nicht habe erreicht werden können. Bei einer Nutzung von weniger als fünf bzw weniger als vier Stunden pro Nacht werde von einer ineffektiven CPAP-Therapie ausgegangen. Bei der Erstvorstellung des Versicherten in der M1er HNO-Klinik der Klägerin im März 2017 seien sämtliche anderweitige Möglichkeiten ausgeschöpft gewesen. Die obstruktive Schlafapnoe sei bei dem Versicherten 2009 polysomnographisch gesichert (Apnoe-Hypopnoe-Index <AHI> 74,5/h) und 2017 polysomnographisch bestätigt worden (AHI 83,4/h). Bei dem Versicherten sei ein System des Herstellers I zum Einsatz gekommen. Für dieses werde eine diagnostische Schlafendoskopie nicht benötigt. Das I-Gerät sei ausweislich des damals gültigen CE-Zeichens zugelassen bei obstruktiver Schlafapnoe und Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit der CPAP-Therapie. 10 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. 11 M hat für die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 11.03.2020 ua angegeben, dass die Schlafapnoe bei dem Versicherten nicht lageabhängig gewesen sei. Die Aussetzer seien vielmehr in Seitenlage und Rücklage gleich gewesen. Eine Rücklagenverhinderungsweste sei nicht indiziert gewesen. Die Zahl der Atemaussetzer sei im Entlassbericht der Nacht im Schlaflabor vom 06.10.2017 ablesbar. Auch eine Unterkieferprotrusionsschiene sei nicht einsetzbar gewesen, da der Patient pro Kiefer nur noch acht Zähne habe. Zudem sei die Schlafapnoe bei ihm zu ausgeprägt. Möglich sei noch eine Kieferoperation gewesen, diese habe der Versicherte aber abgelehnt. Dabei handele es sich auch um ein sehr aufwendiges und langwieriges Verfahren. Auch eine Expansionsphinkerioplastik sei theoretisch noch in Betracht gekommen, jedoch sei eine solche Therapie bei dem Versicherten nicht ausreichend gewesen, sondern hätte allenfalls zu einer gewissen Erleichterung der Symptomatik führen können. 12 Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 11.03.2020 verurteilt, der Klägerin 24.775,08 EUR nebst Zinsen iHv 5% über dem Basiszinssatz seit 24.05.2019 zu zahlen. Die Voraussetzungen des Qualitätsgebots seien für die im vorliegenden Fall beim Versicherten durchgeführte Behandlung erfüllt. Dies ergebe sich schon daraus, dass die streitige Behandlung in die maßgebliche S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörung“ in dem Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörung“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin mit dem Stand August 2017 und mithin vor der Behandlung des Versicherten als unter gewissen Voraussetzungen mögliche Behandlungsmethode beschrieben worden sei. Die S3-Leitlinien seien für die Behandlung der jeweiligen Erkrankungen bzw für Diagnostik maßgebend, sie ordneten neue Behandlungsmethoden ein und berücksichtigten, was insofern an Studien vorliege. Methoden, die nicht gesichert seien, würden, wenn überhaupt, dann mit diesem Zusatz genannt. Dass die Methode unsicher oder unerwiesen gewesen sei, sei in der zitierten Leitlinie jedoch nicht vermerkt. Da die entsprechende Leitlinie, die die streitige Methode als unter gewissen Voraussetzungen einsetzbar bezeichne und auf Studien Bezug nehme, ergebe sich schon daraus die Eingeführtheit der Methode. Darüber hinaus habe auch die Klägerin im Verlauf des Verfahrens eine Übersicht der auch schon vor der Behandlung des Versicherten vorliegenden zahlreichen Studien zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe durch Hypoglossusstimulation vorgelegt. Demgegenüber beziehe sich der MDK in seiner Stellungnahme im Wesentlichen nur auf eine Studie aus dem Jahr 2010 und Ausführungen von 2014 zu dieser. Hiervon erwähne der MDK jedoch nur ein Review von 2016, die aktuelle S3-Leitlinie werde ebenfalls nur erwähnt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung damit erfolge nicht. Das MDK-Gutachten sei nicht geeignet, substantiierte und nachvollziehbare Zweifel daran zu begründen, dass das begehrte Verfahren Ende 2017 als eingeführtes und von Experten überwiegend anerkanntes Verfahren anzusehen gewesen sei. Die Durchführung der Hypoglossusstimulation beim Versicherten sei auch im konkreten Einzelfall indiziert, also medizinisch erforderlich gewesen. Goldstandard der Therapie der obstruktiven Schlafapnoe sei die Versorgung mit einer CPAP-Maske. Diese sei bei dem Versicherten auch lange Jahre ausprobiert worden. Dies sei jedoch trotz mehrerer Versuche der Anpassung der Maskenversorgung nicht gelungen. Auch die weiteren für die Behandlung einer Schlafapnoe möglichen Verfahren seien nicht erfolgreich gewesen. Aus der Patientenakte ergebe sich, dass der Versicherte angegeben habe, zwar durchaus schon Gewicht reduziert zu haben, hiermit aber nicht auf Dauer erfolgreich gewesen zu sein. Da bei dem Versicherten eine lageunabhängige Schlafapnoe bestehe, sei seine Versorgung mit einer Rücklagen-Verhinderungsweste kontraindiziert. Dies gelte auch für die Unterkieferprotrusionsschiene. Folglich habe keine klassische Behandlungsoption der bestehenden obstruktiven Schlafapnoe beim Versicherten bestanden. Zugleich seien die aus der S3-Leitlinie ergebenden Voraussetzungen für den Einsatz einer Hypoglossusstimulation gegeben. Bei dem Versicherten sei eine CPAP-Therapie nicht mit Aussicht auf Erfolg durchführbar. Zugleich habe eine zumindest mittel- bis schwergradige obstruktive Schlafapnoe bestanden. Die erforderliche Anzahl an Atemaussetzern habe vorgelegen. Der Versicherte habe mit ca 96 bis 100 kg und einer Körpergröße von 1,77 cm einen Grad der Adipositas I. Auch eine Schlafvideoendoskopie sei bei dem Kläger vor der Operation durchgeführt worden, wobei dies bei dem konkret eingesetzten Gerät überhaupt nicht erforderlich gewesen sei. 13 Gegen das ihr am 23.03.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 23.04.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt. Die hier zur Diskussion stehende kontinuierliche Stimulation des Nervus hypoglossus entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse respektive dem Qualitätsgebot des SGB V. Aus der Erwähnung in den Leitlinien mit einer „Kann-Empfehlung“ sei ein allgemein verbindliches Vorgehen nicht abzuleiten. Eine „Kann-Empfehlung“ auf der Basis unzureichender Evidenz mit nicht gesichertem Nutzen erweitere nicht die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Würde eine Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Methode befürworten, würde daraus eine „Soll-Empfehlung“ resultieren, dies sei hier nicht der Fall. Für das hier implantierte I-System hätten 2017 und 2020 lediglich zwei Machbarkeitsstudien an einer kleinen Patientenzahl vorgelegen. In der 2016 publizierten Studie hätten lediglich 35% der Teilnehmer als sogenannte „Responder“ auf die Behandlung angesprochen. Die Auswertung zeige, dass Patienten mit einem AHI > 65 profitieren könnten. Es wäre geboten gewesen, den Versicherten auch aus Gründen des Patientenschutzes im Rahmen einer geeigneten Studie zu behandeln. Aus den Unterlagen gehe nicht hervor, dass dem Versicherten eine Teilnahme an einer Studie, an der die Klägerin beteiligt sei, angeboten worden sei. 14 Die Beklagte beantragt, 15 das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.03.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 16 Die Klägerin beantragt, 17 die Berufung zurückzuweisen. 18 Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in seinem Beschluss vom 05.03.2020 zur Stimulation des Nervus hypoglossus durch ein teilimplantierbares Stimulationssystem bei obstruktiver Schlafapnoe darauf hingewiesen habe, dass es sich um eine jedenfalls seit 2015 in die stationäre Versorgung eingeführte systematische Herangehensweise handele. 19 Die Beklagte hat das MDK-Gutachten des B2 vom 10.08.2020 vorgelegt, wonach die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Der GBA habe im Jahr 2020 als bereits in die stationäre Versorgung eingeführte systematische Herangehensweise in die Behandlung von Patienten eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms die Elektrostimulation des Nervus hypoglossus durch vollimplantierbare Neurostimulationssysteme aufgeführt, bei denen neben den Stimulationselektroden auch der Impulsgenerator implantiert und mit den Elektroden direkt verkoppelt werde. Begründet werde die Einschätzung mit der Erwähnung der Behandlungsmethode im Kapitel Schlafbezogene Atemstörung der Erwachsenen der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ aus dem Jahr 2017. Danach würden für die Behandlung von mittelschweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoesyndromen grundsätzlich folgende Therapieoptionen empfohlen: Gewichtsreduktion, Unterkieferprotrusionsschiene, Lagetherapie bei lageabhängiger obstruktiver Schlafapnoe, resektive und nicht resektive chirurgische Verfahren, Tracheotomie, Entfernung/Verkleinerung der Tonsillen, Verkleinerung/Straffung des Gaumens, Behandlung des Zungengrunds und Hypopharynx, Radiofrequenztherapie, Zungensuspension, Teilresektion des Zungengrundes, Stimulation des Nervus hypoglossus während des Schlafes. Die grundsätzliche Einschätzung, dass es sich bei der Stimulation des Nervus Hypoglossus um eine eingeführte systematische Herangehensweise handele, könne nach der Einschätzung des GBA auch daran ermessen werden, dass der OPS in der Version 2005 folgende Codes enthalte, die die Stimulation des Nervus Hypoglossus spezifisch beschreibe: 5-059.C Implantation oder Wechsel eines Neurostimulators zur Stimulation des peripheren Nervensystems mit Implantation oder Wechsel einer Neurostimulationselektrode, C.7-System zur Hypoglossusnervstimulation. Bei dem Versicherten sei ein Medizinprodukt der Firma I, nämlich der Neurostimulator Aura 6.000 und das zugehörige Stimulationskabel eingesetzt worden. Auf der Internetseite des Herstellers/Vertreibers des Medizinprodukts finde sich der Hinweis, dass es sich um ein in der Erprobung befindliches Medizinprodukt handle und laut Gesetzen der U1 nur zur Anwendung im Rahmen von Erprobungsstudien zugelassen sei. Im Abschlussbericht zum Beschlussentwurf des GBA gemäß Zweites Kapitel § 38 Abs 2 Satz 1 der Verfahrensordnung Stimulation des Nervus hypoglossus durch ein teilimplantierbares Stimulationssystem bei obstruktiver Schlafapnoe fänden sich Angaben der Firma L1 GmbH zu dem im vorliegenden Fall verwendeten Stimulationssystem. Danach habe das von der Firma I (U1) entwickelte atmungsunabhängige Hypoglossusnervstimulationssystem Aura 6.000 seit 2012 eine europäische CE-Zulassung und werde seit 2016 am deutschen Markt vertrieben sowie im Rahmen einer stationären Patientenversorgung eingesetzt bzw implantiert. Das Aura 6000-System könne bei Patienten mit einem Body-Maß-Index bis 35 und einem AHI-Index bis 65 implantiert werden. Somit sei das Medizinprodukt I Aura 6.000 bei dem Versicherten, der an einer schweren obstruktiven Schlafapnoe mit einem AHI von über 80/h gelitten habe, nicht den aktuellen Empfehlungen des Produktherstellers gemäß eingesetzt worden. Auch eine Teilnahme an einer Studie sei nicht dokumentiert. Die S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde „HNO-spezifische Therapie der obstruktiven Schlafapnoe bei Erwachsenen“ (Stand September 2015) enthalte die Empfehlung, dass die atmungssynchrone Stimulation des Nervus hypoglossus bei mittel- bis schwergradiger obstruktiver Schlafapnoe und Ineffektivität oder Unverträglichkeit der CPAP-Therapie empfohlen werde (Empfehlungsgrad B). Die kontinuierliche Stimulation könne bei fehlenden Therapiealternativen erwogen werden (Empfehlungsgrad C). Laut der gültigen S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen – Kapitel Schlafbezogene Atemstörung“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (August 2017) könnten Neurostimulationsverfahren des Nervus hypoglossus bei fehlenden anatomischen Auffälligkeiten und mittel- bis schwergradiger obstruktiver Schlafapnoe eingesetzt werden, wenn die positive Drucktherapie unter den in der Leitlinie genannten Bedingungen nicht angewendet werden könne. Sie sollten nur bei Patienten mit einer Positivdrucktherapie-Unverträglichkeit bzw -Ineffektivität mit einem AHI von 15 bis 50/h und einer Adipositas vom Schweregrad Maximalgrad I zum Einsatz kommen, wenn eine konzentrische Obstruktion in der Schlafendoskopie ausgeschlossen worden sei. In der wissenschaftlichen Literatur unterschieden sich die Ergebnisse zwischen den atemfrequenzgesteuerten Systemen und den nichtatemfrequenzgesteuerten Systemen deutlich. Es zeichne sich eine Überlegenheit der atemfrequenzgesteuerten Systeme ab. Die aktuell auf dem Markt befindlichen Systeme unterschieden sich wesentlich in der Implantat-Technologie, Handhabung und relevanten Patientensubgruppen (Einschlusskriterien) und Kostenelementen. Zum kontinuierlichen Stimulationsverfahren mit I Aura 6.000 hätten 2017 lediglich zwei klinische Studien vorgelegen. Hierbei handle es sich um Machbarkeitsstudien an 13 bzw 46 Patienten. In diesen Studien werde bereits von einem Therapieerfolg ausgegangen, wenn der AHI unter Therapie sich mindestens um 50% mindere und unter 20% aufweise. Da in diesen Fällen noch behandlungsbedürftige Apnoen verblieben, sei die mögliche Aussagekraft der Publikationen eingeschränkt. Aufgrund des Studiendesigns und der niedrigen Response-Rate könne der Nutzen und Schaden der I-Schlaftherapie nicht beurteilt werden. Im Update des systematischen Reviews des L-Instituts 2019 werde konstatiert: „Die derzeitige Studienlage lasse weiterhin keine Rückschlüsse zu, ob die Behandlung der mittelschweren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe mittels Stimulation des Nervus hypoglossus wirksamer und gleich sicher sei wie die Vergleichsintervention keine Behandlung“. Die Firma L1 finanziere eine Studie zu ihrem Produkt I Aura 6.000 mit geplant 138 Teilnehmern von mindestens 18 Jahren, die an einer mittel- bis schwergradigen obstruktiven Schlafapnoe litten und bei denen eine positive Atemwegsdrucktherapie versagt habe bzw nicht toleriert werde. Einschlusskriterien seien Alter über 18 Jahre, Versagen oder Intoleranz gegenüber einer CPAP-Therapie, Versagen oder Verweigern alternativer Behandlungsverfahren (zB chirurgisch, oral eingebrachte Vorrichtungen, Verhaltenstherapie), AHI > 20 (mäßiggradiges bis schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom). Ausschlusskriterien seien für die Studienteilnahme Implantation eines anderen Geräts, Body-Maß-Index > 35 kg/m². Diese Studie habe ua an der U2klinik M1 rekrutiert. Zusammenfassend entspreche die Nervus-Hypoglossus-Stimulationstherapie aus Sicht des MDK derzeit noch nicht dem aktuellen Qualitätsgebot des § 2 SGB V. Zum aktuellen Zeitpunkt fehle eine Erhärtung der Wirksamkeit durch valide Vergleichs- und Langzeitdaten. Unkontrollierte Beobachtungsstudien seien kein Ersatz für kontrollierte und randomisierte Studien mit hoher Fallzahl. In den zitierten Leitlinien werde lediglich eine „Kann-Empfehlung“ für das Stimulationsverfahren ausgesprochen. Ein allgemeinverbindliches Vorgehen könne daraus nicht abgeleitet werden. Ein „Kann-Empfehlung“ auf der Basis unzureichender Evidenz mit nicht gesichertem Nutzen erweitere nicht die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Hinzuweisen sei darauf, dass es im Hinblick auf die verfügbare Evidenz große Unterschiede zwischen der kontinuierlichen Hypoglossusstimulation (I/Aura 6000) und den atemgesteuerten Systemen gebe. Für das hier zur Diskussion stehende I-System lägen bisher lediglich zwei Machbarkeitsstudien vor. Bei der obstruktiven Schlafapnoe handele es sich nicht um eine singuläre, nicht erforschbare Erkrankung. Die streitige Implantation sei nicht innerhalb einer kontrollierten klinischen Studie erfolgt. Die Vorgaben des § 2 Abs 1a SGB V seien nicht erfüllt. Im hier zu begutachtenden Einzelfall sei zu konstatieren, dass weder die für das Marketing des I/Aura 2000-Systems zentrale STAR-Studie noch die in der Folgezeit bis aktuell erschienenen Publikationen von ausreichender Güte seien, um eine indikationsspezifische Wirksamkeit und damit einen patientenrelevanten Nutzen im Sinne der evidenzbasierten Medizin zu belegen. In den U1 habe dies dazu geführt, dass das I/Aura 6000-System auch im Jahr 2020 nur für die Nutzung im Rahmen von Erprobungsstudien zugelassen sei. Dementsprechend führe die Herstellerfirma aktuell auch eine klinische Studie zum Wirksamkeitsnachweis durch. Bei dem Versicherten sei ein schweres obstruktives Schlafapnoe-Syndrom dokumentiert. Das Medizinprodukt I/Aura 6000 sei bei dem Versicherten nicht den Empfehlungen des Produktherstellers gemäß eingesetzt worden (AHI < 65/h). Auch die Empfehlung der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ aus dem Jahr 2017 sei nicht beachtet worden (AHI zwischen 15 und 50/h). Bei dem Versicherten habe bei einem BMI von 31,9 kg/m² eine Adipositas Grad I vorgelegen. Maßnahmen zur Gewichtsreduktion seien berichtet worden, jedoch nicht bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Symptomatik des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms evaluiert worden. Es liege keinerlei nachvollziehbare Dokumentation einer wiederholten APAP, CPAP oder BiPAP-Anpassung auch mit Luftbefeuchter für mindestens sechs Monate vor. Relevante Messwerte und klinische Befunde, auch in Form eines Patiententagebuchs, seien nicht mitgeteilt worden, es sei auch nicht dokumentiert, dass dabei unterschiedliche Applikationssysteme getestet worden seien. Es seien keine Modifikationen, zB der Druckeinstellung, Beatmungsmodalitäten oder des ausgewählten Applikationssystems, durchgeführt und deren Auswirkung auf die Schwere der obstruktiven Schlafapnoe mittels wiederholter Polysomnographie oder im Rahmen einer häuslichen Überwachung überprüft worden. Ein sicherer Nachweis einer Unwirksamkeit der Vorbehandlung mittels positiven Atemwegsdruck bzw einer PRP-Intoleranz sei bei nicht ausreichender Dokumentation bzw fehlenden Vorbefunden der schlafmedizinischen Verlaufsuntersuchungen während der Therapieversuche mit PRP nicht möglich. Die von der Klägerin vorgebrachten Sachverhalte beruhten offenbar ausschließlich auf anamnestischen Angaben des Versicherten. 20 Zu diesem Gutachten hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2020 ausführlich Stellung genommen und ua ausgeführt, zum Einsatz gekommen sei das System des Herstellers I, nicht das System des Herstellers I1, für das eine (hier gleichwohl erfolgte) diagnostische Schlafendoskopie nicht benötigt werde. Der Korridor des Apnoe-Hypopnoe-Index von 15-65/h existiere anders als bei I1 im CE-Zeichen des I-Systems nicht; das System sei einschränkungslos zugelassen bei obstruktiver Schlafapnoe entsprechend dem damals gültigen CE-Zeichen bei Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit der CPAP-Therapie. 21 Ferner hat die Klägerin vorgetragen, dass zur nämlichen Problematik der im Sinne der Klägerin ergangene Gerichtsbescheid des SG Mannheim vom 13.11.2020 - Az: S 15 KR 3747/18 - nach Berufungsrücknahme durch die beklagte Krankenkasse rechtskräftig geworden sei und in dem gleichfalls die hiesige Problematik betreffenden Verfahren der Klägerin vor dem SG Mannheim - S 16 KR 293/20 - nach einem die Eingeführtheit des Verfahrens bejahenden Sachverständigengutachten seitens der Beklagten ein Anerkenntnis abgegeben worden sei (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 26.08.2021). 22 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 23 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Patientenakten der Klägerin sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.03.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf 24.775,08 EUR festgesetzt.
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VG Berlin 12. Kammer
Berlin
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16.06.2017
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Randnummer 2 Die im Jahr 1993 geborene Klägerin stammt aus Daraa im Südwesten Syriens. Sie ist syrische Staatsangehörige arabischer Volks- und muslimisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit. Sie reiste zwischen dem 23. und 26. August 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 6. November 2015 einen Asylantrag. Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Im Folgenden: Bundesamt) am 25. Juli 2016 gab sie an: Sie habe vier Jahre lang an der Universität in Damaskus Erziehungswissenschaften und Soziales studiert, habe das Studium aber nicht abschließen können. Es sei nicht mehr möglich gewesen, die Universität zu besuchen, weil man durch viele Kontrollpunkte nicht mehr durchgekommen sei und es Bombardierungen gegeben habe. Geflohen seien sie und ihre Eltern, weil das von der Regierung beherrschte Stadtviertel, in dem sie gelebt habe, im Sommer 2015 bombardiert worden sei. Nachdem bereits ihr jüngerer Bruder im Jahr 2014 bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen sei, habe die Familie Angst gehabt, ein weiteres Familienmitglied zu verlieren. Das befürchte sie auch im Falle einer Rückkehr. Probleme mit der Polizei, dem Militär oder anderen staatlichen Stellen habe sie nicht gehabt. Auf ihrer Flucht, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter unternommen habe, sei sie zunächst mit dem Bus in den Libanon gefahren, von dort aus in die Türkei geflogen, mit dem Boot weiter nach Griechenland und schließlich auf dem Landweg bis nach Deutschland gereist. Der von der Klägerin vorgelegte, am 15. August 2014 in Daraa Center ausgestellte Reisepass enthält einen Ausreisestempel des syrischen Pass- und Ausreiseamts vom 6. August 2015, zwei Stempel der Libanesischen Republik vom 6. August 2015 sowie einen Stempel vom Flughafen Antalya vom 7. August 2015. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 8. September 2016 erkannte das Bundesamt der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Die Antragstellerin sei keiner konkreten, individuellen Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen. Die allgemeine, schlechte Sicherheitslage im Land insgesamt reiche nicht aus, um als individuell relevanter Verfolgungstatbestand gewertet zu werden. Randnummer 4 Mit ihrer am 19. September 2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Als Frau sei sie in Syrien ohne jeden Schutz. Es würden dort täglich Frauen entführt, verkauft, zwangsverheiratet sowie körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt. Die Erwägungen des UNHCR vom November 2015 bestätigten, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts zunehmend Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien würden. Aus dem Bericht ergebe sich auch, dass die Konfliktparteien oftmals größeren Personengruppen einschließlich Familien, religiösen Gruppen sowie ganzen Städten und Wohngebieten eine politische Meinung unterstellten. Auf eine Individualverfolgung könne es für den Flüchtlingsbegriff nicht ankommen, wenn im Falle einer solchen eine Flucht gar nicht mehr möglich sei. Jedenfalls aber sei die Flüchtlingseigenschaft aus Nachfluchtgründen, nämlich wegen der Ausreise, Asylantragstellung und des Auslandsaufenthalts, zu bejahen. Der Argumentation der Gerichte, die wegen dieser Umstände eine begründete Verfolgungsfurcht annehmen, schließe man sich an. Soweit die Beklagte auf die jüngere Praxis der vermehrten Passausstellungen für syrische Staatsangehörige verweise, liege es angesichts der Ausführungen der Botschaft Beirut vom 3. Februar 2016 nahe, dass diese Praxis nicht Ausdruck einer vom Regime angeordneten Willkommenskultur für Rückkehrer sei, sondern lediglich wirtschaftlichem Interesse diene. Randnummer 5 In der mündlichen Verhandlung berichtete die Klägerin, im Jahr 2014 auf dem Weg zur Universität von mutmaßlichen Mitgliedern der Al-Nusra-Front mitgenommen und zwei Tage lang festgehalten worden zu sein. Nachdem die Entführer nach Durchsicht ihres Mobiltelefons festgestellt hätten, dass sie harmlos sei und sie auch keine Informationen über andere Studenten liefern konnte, hätten sie ihre Heimfahrt veranlasst. Wegen der Einzelheiten ihrer Schilderungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Randnummer 6 Die Klägerin beantragt, Randnummer 7 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. September 2016 zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Randnummer 8 Die Beklagte beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und trägt ergänzend vor: Ein längerer Auslandsaufenthalt und/oder eine Asylantragstellung stellten grundsätzlich keine Hinweise für die Annahme dar, dass bei unverfolgt ausgereisten Personen – zu denen die Klägerin gehöre – im Fall der Rückkehr nach Syrien eine oppositionelle, regimefeindliche Haltung unterstellt werde. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass Rückkehrer nach Syrien ausschließlich aufgrund des vorangegangenen Auslandsaufenthalts Übergriffe bzw. Sanktionen zu erwarten hätten. Weiterhin sei auch die zwischenzeitliche Ausstellungspraxis bei syrischen Reisepässen zu berücksichtigen. Selbst wenn dabei durchaus wirtschaftliche Erwägungen der staatlich-syrischen Stellen eine Rolle spielen mögen, spreche die hohe Anzahl der seit einiger Zeit ausgestellten syrischen Reisepässe dafür, dass die staatlichen Stellen nicht bzw. nicht mehr erkennbar undifferenziert gegenüber jedem Rückkehrer ab einem gewissen Lebensalter Ausreise, Asylantragstellung und Aufenthalt im westlichen Ausland als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung ansähen. Randnummer 11 Das Gericht hat den Beteiligten die zugrunde gelegten Erkenntnismittel vorab mitgeteilt und die Klägerin in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragt. Wegen der Einzelheiten der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 3. Senat
Berlin
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03.03.2016
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung eines Ersatzschulzuschusses für das Haushaltsjahr 2013. Randnummer 2 Die Klägerin betreibt eine als Ersatzschule genehmigte Berufsfachschule für . Die Klägerin wurde am 2010 ins Handelsregister eingetragen. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 2010 ist Unternehmensgegenstand der Klägerin unter anderem das Betreiben einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für, das Betreiben von sonstigen Schulen und Lehrgängen im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens, der Altenhilfe, der Familien- und Heilerziehungspflege, der Heilpädagogik, die Heranbildung von Pflegefachkräften für leitende Funktionen (Pflegemanagement), in der Psychiatrie, in der ambulanten Pflege, Teilnahme an nationalen und internationalen Entwicklungsprojekten auf dem Gebiet der angewandten Gerontologie in Netzwerken und Kooperationen, Entwicklung neuer Möglichkeiten der beruflichen Bildung (§ 2 des Gesellschaftsvertrags). Die Stammeinlagen werden erbracht durch Einbringung des von Herrn P... als Einzelkaufmann unter der Firma „I...“ betriebenen Unternehmens (§ 4 des Gesellschaftsvertrags). Über die Verwendung des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinns beschließt die Gesellschafterversammlung; Gewinnausschüttungen erfolgen nach dem Verhältnis der Gewinnbezugsrechte der Stammanteile (§ 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Die Gesellschaft wird durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit Zustimmung von 75 % des Stammkapitals aufgelöst (§ 18 Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags); die Abwicklung obliegt der Geschäftsführung, soweit die Gesellschafterversammlung nichts anderes bestimmt (§ 18 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags). Randnummer 3 Die Klägerin ist Teil einer Unternehmensgruppe, der ebenfalls ein weiterer Schulträger (die A... GmbH) sowie die gemeinnützige G... mbH angehören. Die Geschäftsanteile der Klägerin werden zu 60 % von der F...B... GmbH und zu 40 % von der F...I... GmbH & Co KG gehalten. Die Geschäftsanteile der F...B... GmbH wiederum sind zu 60 % in die F...-Stiftung eingebracht, die im Jahr 2010 durch den Geschäftsführer der Klägerin, Herrn F..., errichtet wurde. Laut Freistellungsbescheid vom 22. Juli 2013 ist die Stiftung für die Jahre 2010 und 2011 von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit, weil sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung (AO) dient und ihre Satzungszwecke § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4, 7 und 10 AO entsprechen. Randnummer 4 Auf Antrag der Klägerin vom 2... bewilligte die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung mit Bescheid vom 1. Juli 2013 einen Ersatzschulzuschuss für die Berufsfachschule für in Höhe von 93 % der vergleichbaren Personalkosten (825.941,70 EUR); die tatsächlichen Personalkosten seien höher. Der Zuschuss sei nach § 101 Abs. 2 Satz 4 des Schulgesetzes (SchulG) zu kürzen, wenn die laufenden Einnahmen eines nicht auf gemeinnütziger Grundlage arbeitenden Schulträgers 125 % der vergleichbaren Personalkosten überstiegen. Zu den laufenden Einnahmen gehörten nach § 7 der Ersatzschulzuschussverordnung (ESZV) auch die Zuschüsse nach § 101 SchulG sowie die angegebenen Schulgeldeinnahmen des Trägers. Die Summe aller Einnahmen betrage insgesamt 1.571.941,70 EUR. Diese Einnahmen überstiegen 125 v.H. der vergleichbaren Personalkosten um 461.805,00 EUR. Um diesen Betrag sei der Zuschuss zu kürzen, wenn von der Klägerin nicht nachgewiesen werden könne, dass sie auf gemeinnütziger Grundlage arbeite. Dieser Nachweis sei von ihr im Zusammenhang mit dem Verwendungsnachweis zu führen, bei dem auch die Einnahmen aufzuführen seien und der bis zum 31. März 2014 vorgelegt werden solle. Randnummer 5 Die Klägerin reichte den Verwendungsnachweis ein, nicht aber eine Bescheinigung des Finanzamtes. Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 errechnete die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft einen geringeren Zuschuss in Höhe von 688.338,16 EUR auf Grund geringerer Personalkosten, wobei sich die errechneten vergleichbaren Personalkosten (100 % der Personalkosten vergleichbarer öffentlicher Schulen) auf 740.148,56 EUR beliefen. Außerdem stellte die Senatsverwaltung unter erneutem Hinweis auf § 101 Abs. 2 Satz 4 SchulG fest, dass die Summe aller Einnahmen insgesamt 1.071.226,43 EUR betrage. Dieser Betrag übersteige 125 % der vergleichbaren Personalkosten um 146.040,73 EUR. Um diesen Betrag sei der Zuschuss zu kürzen, da der geforderte Nachweis der Gemeinnützigkeit des Schulträgers (nachgewiesen durch Freistellungsbescheid des Finanzamtes) von der Klägerin nicht vorgelegt worden sei. Der Überzahlungsbetrag sei bis zum 15. Juli 2014 zu überweisen. Außerdem würden für den einzubehaltenden bzw. zurückzuzahlenden Rückforderungsbetrag Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz nach Ablauf von 4 Wochen seit der Zustellung des Bescheides erhoben, wenn der Betrag nicht verrechnet werden könne. In der Anlage zum Verwendungsnachweis 2013 (Bl. des Verwaltungsvorgangs) wurden neben dem bewilligten Zuschuss als weitere Einnahmen Schulgelder in Höhe von 379.404,10 EUR und Lohnfortzahlungserstattung in Höhe von 3.484,17 EUR aufgeführt. Randnummer 6 Die Klägerin hat am 13. Juni 2014 die Klage im Verfahren VG 3 K 429.14 zum Haushaltsjahr 2012 auf den Bescheid vom 22. Mai 2014 erweitert. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14. Juli 2014 das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen VG 3 K 479.14 geführt. Zur Begründung ihres Begehrens hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, dass der Begriff des auf gemeinnütziger Grundlage arbeitenden Schulträgers eigenständig ausgelegt und bewertet werden müsse. Ihre tatsächliche Arbeit habe auf gemeinnütziger Grundlage stattgefunden. Sie erfülle die Gemeinnützigkeitskriterien des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO sowie die Kriterien der Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit. Bei der Gründung habe man bewusst auf die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen verzichtet, damit Verwaltung, Lehrer und Schüler im Gedanken der Selbstverantwortung und im Rahmen ihrer Fürsorgeverpflichtungen mit den ihnen zur Verfügung gestellten Strukturen, Bildungsmöglichkeiten und sich daraus ergebenden Chancen verantwortungsvoll umgehen sollten. Der Status als steuerlich anerkannte gemeinnützige Körperschaft und die damit in Verbindung stehende Inanspruchnahme der steuerlichen Vergünstigungen widerspreche dieser Philosophie. Randnummer 7 Sie sei in die F...-Stiftung eingebracht worden, die ihrerseits gemeinnützig sei und durch Ausübung ihrer Kontrollrechte als Anteilseigner sicherzustellen habe, dass die im Grundstockvermögen befindlichen Anteile auch auf Dauer den im Stiftungsgeschäft festgelegten gemeinnützigen Zwecken dienten. Die konkrete Organisationsform sei seit Beginn des Gründungsvorganges im Jahr 2005 gegenüber dem Beklagten transparent gemacht worden. Mit der Gründung der B... GmbH als Holding und der satzungsgemäßen Einbringung von Anteilen an ihr, der Klägerin, habe man eine Ebene zwischen der Schule und der geplanten Stiftung ziehen wollen, damit es zu keinen etwaigen Wechselwirkungen hinsichtlich der Gemeinnützigkeit der Stiftung selbst komme. In der I... GmbH & Co KG seien die Immobilien aus Verwaltungsgründen und zum Zwecke der Baubetreuung aufgrund des hohen Sanierungsbedarfs zusammengeführt worden. Randnummer 8 Der Prüferin der Senatsverwaltung sei bekannt gewesen, dass mehrere Unternehmungen bzw. Einrichtungen unter dem Dach der Stiftung gemeinnützig hätten integriert werden sollen, was zu der zeitlichen Dauer der Gründungsmaßnahmen geführt habe. Schon nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes könne eine den Gemeinnützigkeitsstatus anzweifelnde Auffassung keinen Bestand haben. Im Übrigen sei in allen rechnungsprüfenden Instanzen festgestellt worden, dass die Einnahmen nicht zur Abdeckung von Gewinnerzielungsabsichten genutzt worden seien, sondern im Wesentlichen für Personal-, Betriebs-, Sach- und Investitionskosten sowie für die laufenden Kosten des Schulträgers und die Zinsen für Kostenabsetzungen. Randnummer 9 Anlässlich der Änderung der schulgesetzlichen Situation im Jahr 2004 sei eine veränderte Handhabung der Berechnungsmethoden durch den Beklagten eingetreten. Während vorher gemäß der Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz die gewährten staatlichen Zuschüsse ausdrücklich nicht zu den Einnahmen gezählt hätten, seien nach der Einführung der Ersatzschulzuschussverordnung die Zuschüsse als zusätzliche Einnahmen gewertet worden. Erst aufgrund der hierdurch erheblich verschobenen Kostenrahmen sei die Gemeinnützigkeitsthematik in erhöhtem Maß relevant geworden. Randnummer 10 Der Beklagte ist dem klägerischen Vortrag entgegengetreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, dass das Erfordernis der Vorlage einer steuerlichen Gemeinnützigkeitsbescheinigung nicht nur mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar, sondern auch von § 101 Abs. 2 Satz 4 SchulG gedeckt sei. „Gemeinnützigkeit“ sei ein Begriff, der gesetzlich normiert nur im Steuerrecht existiere. Hätte der Gesetzgeber ausdrücklich die Vorlage einer Gemeinnützigkeitsbescheinigung des Finanzamtes gefordert, so wären natürliche Personen als Schulträger benachteiligt. Dies sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Es sei nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die Gemeinnützigkeit der Gesellschafterin der Schulträgerin auf diese „durchschlage“. Die Prüferin der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft prüfe lediglich die zahlenmäßige Zusammenstellung des Verwendungsnachweises. Wenn sich anlässlich dieser Prüfung für die Prüferin keinerlei Bedenken hinsichtlich der Gemeinnützigkeit eines Schulträgers ergäben, sei dies keinesfalls gleichzusetzen mit der positiven Feststellung, dass ein Schulträger auf gemeinnütziger Grundlage arbeite. Die für die Klägerin getroffenen Regelungen zum Gewinnbezugsrecht bzw. zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft stünden in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu den Anforderungen an die Selbstlosigkeit der Fördertätigkeit. Randnummer 11 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. März 2015 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die Rückforderung § 9 Abs. 1 Satz 1 ESZV sei. Aus § 8 Abs. 3 ESZV ergebe sich, dass die Anknüpfung der Rückforderung an das Ergebnis der Prüfung „des Verwendungsnachweises“ in § 9 Abs. 1 Satz 1 ESZV in einem umfassenden Sinne sämtliche Nachweise erfasse, die für die Berechnung des Ersatzschulzuschusses dem Grunde und der Höhe nach von Bedeutung seien. Umfasst seien damit auch von dem Schulträger geforderte Bescheinigungen oder Feststellungen der Finanzbehörden zur Prüfung der Frage, ob dieser auf gemeinnütziger Grundlage arbeite. Jedenfalls ergebe sich die Rechtsgrundlage für die Rückforderung aus § 9 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 ESZV. Randnummer 12 Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung des der Klägerin bewilligten Ersatzschulzuschusses lägen vor. In Ermangelung eines Gemeinnützigkeitsnachweises für die Klägerin finde § 101 Abs. 2 Satz 4 SchulG Anwendung. § 101 Abs. 2 Satz 4 SchulG knüpfe mit dem Begriff „auf gemeinnütziger Grundlage“ an das Steuerschuldrecht und den in der Abgabenordnung näher ausgeformten Begriff der Gemeinnützigkeit an. Die Bestimmung stelle auf das Ergebnis eines steuerrechtlichen Verfahrens ab, das verbindlich die Grundlage der Besteuerung, insbesondere die Frage regle, ob der Schulträger die Voraussetzungen für die Steuervergünstigung erfülle. Der steuerrechtliche Nachweis sei notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Gemeinnützigkeit nach § 101 Abs. 2 Satz 4 SchulG . Randnummer 13 Im Übrigen ergäbe sich auch bei einer Inzidentprüfung der Gemeinnützigkeit nach steuerrechtlichen Maßstäben kein anderes Ergebnis. Die Klägerin erfülle bereits die Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit nach § 60 Abs. 1 AO nicht. Randnummer 14 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage nach Umfang und Anwendungsbereich der Bestimmung des § 9 Abs. 1 und Abs. 3 ESZV zugelassenen Berufung. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 ESZV nicht einschlägig sei. Bei dem in dieser Regelung genannten Verwendungsnachweis gehe es allein um den Nachweis und die Prüfung der Verwendung der Zuschüsse, also um die konkrete Verwendung der Mittel zum Zweck des Ersatzschulbetriebs. Die Frage, ob ein Schulträger „auf gemeinnütziger Grundlage“ tätig sei oder nicht, entscheide der Beklagte nicht „auf Grund des Verwendungsnachweises“. Vielmehr entscheide er über diese Frage grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Begründung des Zuwendungsverhältnisses durch Erlass des Bewilligungsbescheids. An diese Entscheidung sei der Beklagte durch die Tatbestandswirkung des Bewilligungsbescheids gebunden und könne die bindende Feststellung nur durch eine teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 49 VwVfG beseitigen. Randnummer 15 § 9 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ESZV sei ebenfalls nicht einschlägig. Die Regelung setze nach ihrem Wortlaut eine Änderung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Vergleich zum ursprünglichen Finanzierungsplan voraus. Vorliegend hätten sich die Grundlagen für die Berechnung des Zuschusses aber nicht geändert. Randnummer 16 Rechtsgrundlage für die Rückforderung seien §§ 49 Abs. 3, 49a VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln. Ein Widerrufsgrund liege nicht vor. Die Klägerin sei auf gemeinnütziger Grundlage tätig. Das Tatbestandsmerkmal sei insbesondere anhand der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht und der fehlenden Privatnützigkeit der Mittelverwendung zu beurteilen. Diese Auslegung folge aus dem Wortlaut und der Genese der Norm. Auch zeige das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben, wonach künftig Zuschüsse nur solchen Schulträgern gewährt werden sollten, die den Status der Gemeinnützigkeit nachwiesen, im Umkehrschluss, dass die aktuelle Rechtslage die Erfüllung der Voraussetzung „auf gemeinnütziger Grundlage“ nicht vom steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsstatus abhängig mache. Randnummer 17 Außerdem sprächen systematische und teleologische Gesichtspunkte gegen das vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht vertretene Normverständnis. Es gelte der Grundsatz der Relativität der Rechtsbegriffe innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Der Landesgesetzgeber habe die Prüfung der Voraussetzungen des § 101 SchulG nicht den Finanzbehörden, sondern der Schulaufsicht übertragen. Widersprüchliche Entscheidungen zum gleichen Sachverhalt seien auch deshalb nicht zu befürchten, weil verschiedene Rechtsmaterien (Steuer- und Schulrecht) berührt seien. Randnummer 18 Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse es neben den juristischen auch natürlichen Personen möglich sein, Zuschüsse über 125% der vergleichbaren Personalkosten zu erhalten und behalten zu dürfen. Wenn aber die Voraussetzung „auf gemeinnütziger Grundlage“ hinsichtlich natürlicher Personen nicht im formal-rechtlichen Sinn verstanden werden könne, gelte dies auch für juristische Personen. Randnummer 19 Die Voraussetzung „auf gemeinnütziger Grundlage“ sei in einem förderrechtlichen Sinne zu verstehen, deren Kriterien sie, die Klägerin, erfülle. Hinsichtlich der Selbstlosigkeit komme es nur darauf an, dass sie beim Betrieb der Ersatzschule die ihr zugewendeten Zuschüsse ausschließlich für den gemeinnützigen Zweck des Betriebs der Schule verwende. Auf die Voraussetzung der formellen Satzungsmäßigkeit nach § 60 Abs. 1 AO komme es nicht an. Sofern die Satzung nicht in jedem Punkt die steuerrechtlichen Voraussetzungen der formellen Satzungsmäßigkeit erfülle, sei dies nicht maßgeblich. Denn bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages habe die Anerkennung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit nicht zur Debatte gestanden. Randnummer 20 Darüber hinaus leide der Bescheid an einem Ermessensausfall, der nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren korrigiert werden könne. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf § 49 VwVfG gestützt. Er hätte selbst im Fall eines intendierten Ermessens eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt, weil ihm außergewöhnliche Umstände erkennbar gewesen seien, die eine andere Entscheidung hätten möglich erscheinen lassen. Randnummer 21 Im Übrigen habe mittlerweile das Finanzamt einen Bescheid vom 8. Februar 2016 nach § 60a Abs. 1 AO über die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der Klägerin erteilt, nachdem der Gesellschaftsvertrag zum 2015 geändert worden sei. Die Gesellschaft arbeite nunmehr auch „bei strenger Betrachtung“ auf „gemeinnütziger Grundlage“. Randnummer 22 Schließlich führt die Klägerin im Rahmen eines – vom Beklagten nicht angenommenen – Vorschlags zur gütlichen Einigung aus, dass es Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt EUR gegeben habe. Randnummer 23 Die Klägerin beantragt, Randnummer 24 das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. März 2015 (VG 3 K 479.14) zu ändern und den Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 22. Mai 2014 insoweit aufzuheben, als darin ein Betrag von 146.040,73 EUR zurückgefordert wird. Randnummer 25 Der Beklagte beantragt, Randnummer 26 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 27 Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt im Wesentlichen aus, der Gesetzgeber habe mit dem allein im Steuerrecht verwendeten Begriff der Gemeinnützigkeit hinreichend deutlich gemacht, dass inhaltlich die Regelungen der Abgabenordnung Anwendung finden sollten. Hätte er den privatschulrechtlichen Begriff der Gemeinnützigkeit inhaltlich abweichend von der Abgabenordnung ausfüllen wollen, wäre die Vorschrift zu unbestimmt. Der Gesetzgeber habe dem körperschaftlich organisierten Schulträger kein Wahlrecht einräumen wollen, in welcher Form dieser die Gemeinnützigkeit nachweise. Gegen eine inhaltliche Prüfung durch die Schulbehörde sprächen auch der Aufwand und ihre fehlende notwendige Sachkunde. Auch wäre eine Überprüfung erschwert durch den nur beschränkten Zugang zu Unterlagen und Dokumenten, deren Vorlage nur von der Finanzverwaltung verlangt werden könne. Randnummer 28 Die geltend gemachte Rückforderung sei das Ergebnis der Prüfung der Verwendungsnachweise. Erst nach Prüfung aller Einnahmen und Ausgaben des Schulträgers könne festgestellt werden, ob und in welcher Größenordnung tatsächlich Einnahmen getätigt worden seien und ob diese Einnahmen 125 % der vergleichbaren Personalkosten überschritten. Randnummer 29 Der Beklagte führt weiter aus, dass er bereits bei der Bewilligung darauf hingewiesen habe, dass und in welchem Umfang der Zuschuss wahrscheinlich gekürzt und zurückgefordert werden müsse. Eine abschließende Entscheidung sei aber zum Zeitpunkt der Bewilligung schon deshalb nicht möglich gewesen, weil die Höhe der Einnahmen vorab nur habe geschätzt werden können. Randnummer 30 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Zuschussakte des Beklagten für das Haushaltsjahr 2013 sowie auf die Verwaltungsvorgänge „Gemeinnützigkeit“ (2 Bände) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. März 2015 geändert. Der Bescheid vom 22. Mai 2014 wird insoweit aufgehoben, als die Kürzung und Rückforderung einen Betrag von EUR übersteigt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 1. Kammer
Rheinland-Pfalz
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10.05.2011
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung bei der Beklagten. Randnummer 2 Der Kläger war in der Zeit vom 01.09.1975 bis zum 31.12.1986 bei der Beklagten als technischer Angestellter beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.01.1987 ging sein Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die damals neu gegründete C. GmbH über. In der C. Gruppe war der Kläger zuletzt bei der C.S. GmbH beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden bei der C.S. GmbH hat der Kläger ein ihm unterbreitetes Beschäftigungsangebot der Firma A. GmbH (im folgenden: Firma A.) angenommen und ist seither bei dieser Gesellschaft zu im Vergleich zu seiner vorherigen Tätigkeit schlechteren Bedingungen tätig. Randnummer 3 Mit Beschluss vom 01.10.2009 eröffnete das Amtsgerichts M. über das Vermögen der C.S. GmbH das Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 01.10.2009 zum 31.01.2010. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Gleichzeitig machte er gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 26.10.2009 einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. auf Wiedereinstellung bei ihr ab dem 01.02.2010 geltend. Randnummer 4 Die Beklagte hatte zum 01.01.1987 ihr Geschäftsfeld der kompatiblen Großrechner und Peripheriesysteme in die C.GmbH, einer im Rahmen eines Joint-Venture mit der S. AG neugegründeten Gesellschaft, ausgegliedert. Im Vorfeld hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat über die Modalitäten für die von der Ausgründung und dem damit verbundenen Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter verhandelt. Unter anderem erklärte die Beklagte – auf eine entsprechende Forderung des Betriebsrats- in zwischen den Betriebsparteien ausgetauschten Schreiben im Vorfeld einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung, den übertretenden Mitarbeitern ein rechtsverbindliches Rückkehrrecht zur Beklagten für den Fall zuzusagen, dass das Arbeitsverhältnis eines überwechselnden Arbeitnehmers mit der neugegründeten Gesellschaft aus betrieblichen Gründen enden würde. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 04.11.1986 (Bl. 17 d. A.), auf dessen Inhalt hiermit Bezug genommen wird, informierte die Beklagte die damals zum Überwechseln vorgesehenen Mitarbeiter, darunter auch den Kläger, über den damals aktuellen Verhandlungsstand des Vorhabens. Randnummer 6 Am 04.12.1986 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über „Rahmenbedingungen für in das Joint-Venture B./S. übertretende B. AG-Mitarbeiter“ ab. Randnummer 7 Die Rahmenbedingungen enthielten neben –teilweise nur befristet geltenden- Vereinbarungen zum Erhalt von Altersversorgungs- und weiteren Ansprüchen aus Betriebsvereinbarungen der Beklagten in Nr. 15 folgende Regelung: Randnummer 8 „Die B. AG garantiert den am 01.01.1987 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäquaten Arbeitsplatz in der B. AG, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist." Randnummer 9 Am 04.12.1986 waren sich die Partner des Joint-Ventures über den Namen des neu zu gründenden Unternehmens noch nicht einig. Der zunächst ins Auge gefasste Firmenname „L."“ war von einem Vertragspartner nicht akzeptiert worden. Später einigten sie sich auf den Namen „C.“. Deshalb sprach die Nr. 15 der Rahmenvereinbarung auch nur von „der neuen Gesellschaft“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 verwiesen. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 09.12.1986 (Bl. 100 d.A.), das vom Kläger gegengezeichnet worden ist, unterrichtete die Beklagte den Kläger über den Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986, händigte ihm diese aus und wies darauf hin, aus der Betriebsvereinbarung ergäben sich die für den Übergang des Arbeitsverhältnisses maßgebenden Rechte und Pflichten. Randnummer 11 Der Kläger wechselte zum 01.01.1987 in die C. GmbH über. Das neue Unternehmen war von beiden Vertragsparteien (Beklagte und S. AG) als langfristig agierendes Unternehmen geplant.  In den Folgejahren erwarb die Beklagte von der S. AG sukzessive deren Geschäftsanteile an der C. GmbH, kaufte 1991 deren letzten Anteile und verkaufte die Anteile danach in mehreren Transaktionen an Externe. Am 25.10.1999 veräußerte die Beklagte schließlich die restlichen von ihr bis dahin noch gehaltenen Anteile an dieser GmbH. Dadurch schied die C. GmbH aus dem Konzernverbund der Beklagten aus. Ein anlässlich des Ausscheidens von einer Mitarbeiterin der Beklagten erstelltes Gutachten zu den Auswirkungen des Ausscheidens auf die Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer aus der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 händigte die Beklagte dem Personalleiter der C. GmbH, Herrn W. aus, welcher sie unter den betroffenen Mitarbeitern zu deren Information kommunizierte. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 09.05.2003 informierte der Personalleiter der C. GmbH, Herr W., die Beklagte über die geplante Ausgliederung der Servicefunktionen in die C. S. GmbH zum 01.09.2003 und bat die Beklage um „Bestätigung, dass die in der Joint-Venture-Regelung vom 04.12.1986 vereinbarte Rückkehrklausel (Punkt 15) auch für diese Gesellschaft Gültigkeit hat“. Daraufhin antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 21.05.2003: Randnummer 13 „Sehr geehrter Herr W., mit Schreiben vom 09. Mai haben Sie uns von der geplanten Überführung der Servicefunktionen der C. in eine rechtlich selbständige Gesellschaft voraussichtlich zum 01.09.2003 in Kenntnis gesetzt. Sie bitten um Bestätigung, dass für die hiervon ggf. betroffenen ehemaligen B.Mitarbeiter Ziffer 15 der Joint-venture Regelung vom 04.12.1986 auch nach Ausgliederung weiterhin Gültigkeit behält. Hierauf können wir Ihnen folgendes mitteilen: Soweit für den betroffenen Personenkreis die Joint-Venture Regelung anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 etwa begründete Rechtsposition von dem Ausgliederungsvorhaben unberührt. …“ Randnummer 14 Darüber hinaus teilte die Beklagte den betroffenen Arbeitnehmern auf Bitte der C. GmbH in einem Schreiben vom 14.08.2003 mit: Randnummer 15 „Sehr geehrter Herr …, auf Anfrage von C. vom 13.08.2003 bestätigen wir Ihnen für den Fall der uns von C. mitgeteilten geplanten Überführung der Servicefunktionen der C. in eine rechtlich selbständige Gesellschaft zum 01.09.2003 ergänzend zu unserem Schreiben an die C.vom 21.05.2003 gerne auch persönlich folgendes: Sofern Sie von dem genannten Ausgliederungsvorhaben erfasst sind und für Sie die Joint-Venture Regelung vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der Joint-Venture Regelung etwa begründete Rechtsposition von dem Ausgliederungsvorhaben unberührt.“ Randnummer 16 Zum 01.09.2003 gliederten die Eigner der C. . GmbH die Serviceleistungen der Gesellschaft in die für diesen Zweck neu gegründete C.S. GmbH aus. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 01.09.2003 im Wege des Betriebsübergangs auf die C.S. GmbH über, bei der der Kläger bis Herbst 2009 beschäftigt war. Randnummer 17 Gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Das Arbeitsgericht M. hat der Klage stattgegeben und mit Rechtskraft erlangendem Urteil festgestellt, dass die Kündigung der C. S. GmbH wegen Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Firma A. nach § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam war. Randnummer 18 Nach seinem Ausscheiden bei der C.S. GmbH hat der Kläger mit der Firma A. einen neuen Arbeitsvertrag geschlossen. Randnummer 19 Diese Gesellschaft wurde im Oktober 2009 neu gegründet und teilte in einer Pressemitteilung vom 17.09.2009 (Bl. 112 d. A.) mit, man habe gegenüber der C.S. GmbH ein Kaufangebot auf Erwerb der Vertragsbeziehungen und Vermögensgegenstände und gegenüber der C. D. GmbH auf Erwerb der Wartungs- und Serviceverträge, die von dieser gehalten wurden abgegeben. Die C.S. GmbH erbrachte einen wesentlichen Anteil ihrer Unternehmensleistungen, die Installation und Wartung von EDV-Produkten, aufgrund eines Dienstleistungsvertrages mit der C.D. GmbH, ihrer Muttergesellschaft, für deren Kunden und nur einen geringen Teil aufgrund eigener Verträge mit Kunden. Randnummer 20 Mit Schreiben vom 18.09.2009 teilte die A. H. AG den bisherigen Geschäftspartnern der C.S. GmbH bzw. der C. D.GmbH mit: Randnummer 21 " Sehr geehrte Damen und Herren, heute am 18. September 2009 wurden zwischen der C.D.GmbH (CXX), und der C. S.GmbH (CXX) mit den jeweiligen vorläufigen Insolvenzverwaltern und der A. H. AG bindende Verträge zum Erwerb des Wartungs- und Services- Geschäfts abgeschlossen. Diese Verträge regeln die Modalitäten des Übergangs oder Neuabschlusses des Wartungsvertragsbestands sowie den Erwerb der zur Fortführung der Wartungsverträge notwendigen Ersatzteile. Weiter sehen die Verträge die Beschäftigung des wesentlichen Mitarbeiterstamms der CXX zur Leistungserbringung der Wartung und des Management Teams der C. S. GmbH in der A. Gruppe vor. Damit ist für die Wartungskunden ein reibungsloser und unterbrechungsfreier Übergang von Service Leistungen ab dem 01. Oktober 2009 gewährleistet. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Services und Wartungsleistungen wie bisher von der CXX erbracht.(…)" Randnummer 22 Auf der Homepage der neu gegründeten Firma A. teilte diese mit: Randnummer 23 " Das in der Ad Hoc-Mitteilung vom 17. September 2009 formulierte Angebot der A. IT gegenüber den Insolvenzverwaltern der C.S. GmbH (CXX) für den Erwerb von Service-Verträgen und Vermögensgegenständen, ist am 04. Oktober 2009 erfolgreich abgeschlossen worden. Unter dem neuen Namen A. GmbH steht insbesondere den alten C.-Bestandskunden und Partnern in Zukunft ein weiterhin leistungsfähiger und kompetenter Service-Partner zur Verfügung. (…) Alle bestehenden Kundenbeziehungen werden unter der Führung der bisherigen Geschäftsleistung Dr. S.V.l fortgeführt. Die Leistungen umfassen insbesondere den Bereich Wartungsservices in Rechenzentren (…), die innerhalb der Transaktion auch nahtlos erbracht werden. Neben den Wartungsservices werden I.-Services (…) im Rechenzentrum erbracht, die eine nahtlose Betreuung der Systeme von der Installation über die Wartung bis hin zur qualifizierten Entsorgung nach dem Ende des Lebenszyklus sicherstellen. Zur Unterstützung dieses Leistungsportfolios erwarb die A. IT die entsprechenden Ersatzteile, ebenso wie die notwendige Support-Infrastruktur inklusive Helpdesk und Hotline. Die Leistungen werden wie bisher von hoch qualifizierten Mitarbeitern erbracht, die die erforderlichen Zertifizierungen aller namhafter Hersteller aufweisen. Ehemalige Mitarbeiter der C.S.GmbH sind in vielen Bereichen auch weiterhin Ansprechpartner in der neuen A.GmbH und bleiben somit ihren Kunden auf operativer Ebene erhalten. Weiterhin wird das bekannte Managementteam mit V. E., S. W und Dr. S.V. die Geschicke der A. GmbH lenken. Die bisherigen Standorte in Ma., M., W., S. und H. bleiben als Servicestellen für Kunden und Partner weiterhin erhalten. Die A. IT  GmbH baut durch die Akquisition des Geschäftsbereiches der ehemaligen C. S. GmbH ihre Position am Markt weiter aus (…)." Randnummer 24 Auf der Homepage stand zudem unter der Rubrik "Management und Kundenbetreuung": Randnummer 25 " Das Management Team der A. besteht aus einem eingespielten Team aus früheren C. S.Führungskräften, das viele Jahrzehnte an Erfahrung und Service mitbringt und weiß, was Kunden in Rechenzentren und bei geschäftskritischen Infrastrukturen erwarten und wie diese Anforderungen schnell und akkurat zu realisieren sind." Randnummer 26 Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden aus der C. S. GmbH am 31.01.2010 Mitglied der Pensionskasse der Beklagten. Randnummer 27 Der Kläger hat vorgetragen: Randnummer 28 Das Schreiben der Beklagten vom 04.11.1986 enthalte ein verbindliches Angebot iSv. § 145 BGB auf Wiedereinstellung, das er mit seinem Schreiben vom 26.10.2009 angenommen habe. Zumindest habe er aus der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Dem Wortlaut der Rahmenbedingungen sowie dem Gesamtzusammenhang sei nicht zu entnehmen, dass die Beklagte die Rückkehrzusage auf eine bestimmte juristische Person habe beschränken wollen. Die nicht nähere Bezeichnung der "neuen Gesellschaft" lasse den Schluss zu, dass die Rückkehrzusage gerade nicht nur an eine Beschäftigung bei der C.GmbH gekoppelt sein sollte. Das Verhalten der Beklagten bis zum Jahr 2004 mache zudem deutlich, dass diese der Identität des als "neue Gesellschaft" bezeichneten Rechtsträgers keine Bedeutung zugemessen habe. Der vorliegende Fall unterscheide sich von der der sog. M.-Entscheidung des BAG vom 19.10.2005 (5 AZR 32/05) zugrunde liegenden Fallgestaltung vor allem dadurch, dass die Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 flankiert worden sei durch persönliche Schreiben an ihn in den Jahren 1986 und 2003. Insbesondere das Schreiben vom 14.08.2003, welches auch er erhalten habe, zeige, dass die Beklagte bei ihrem Angebot im Schreiben vom 04.11.1986 bzw. bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 die Rückkehrzusage nicht zeitlich bis zum Ausscheiden der "neuen Gesellschaft" aus dem Konzernverbund habe befristen wollen. Ein weiterer Unterschied zu dem der M.Entscheidung zugrunde liegenden Fallgestaltung sei, dass es im vorliegenden Fall eine Pensionszusage gegenüber den in die C. GmbH überwechselnden Mitarbeitern gegeben habe, die ausdrücklich an die Zugehörigkeit zum Konzernverbund geknüpft worden sei, die Rückkehrzusage hingegen nicht. Die Beklagte habe ihn überdies bis zu seinem Ausscheiden aus der C.S. GmbH am 31.01.2010 wie einen Mitarbeiter im Konzernverbund behandelt, da er bis zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Pensionskasse der Beklagten gewesen sei. Die Beklagte habe die vom Betriebsübergang betroffenen Mitarbeiter so stellen wollen, als seien sie bei der Beklagten geblieben, um ihr Einverständnis mit dem Betriebsübergang zu erreichen. Schließlich habe er aufgrund des Schreibens der Beklagten im Jahr 2003 auch darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte sich weiterhin an die Rückkehrzusage gebunden sah. Durch die betriebsbedingte Kündigung der C.S. GmbH und deren Stilllegung infolge Insolvenz seien die Voraussetzungen von Nr. 15 der Betriebsvereinbarung erfüllt. Die vertraglichen Regelungen zwischen der C.S. GmbH und der Firma A. hätten keinen Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB begründet. Die hierfür erforderliche Übernahme und Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität sei nicht erfolgt. Die Firma A. habe keine Vertragsbeziehungen der C. S.. GmbH oder C.D. GmbH übernommen. Auch hinsichtlich des Erwerbs von Betriebsmitteln sowie der Übernahme eines großen Teils der Belegschaft und der vorhandenen Bürostruktur sei es nicht zu einem rechtsgeschäftlichen Übergang zwischen der C.S. GmbH und der Firma A. gekommen. Diejenigen Mitarbeiter, welche ein Angebot der Firma A. erhalten hätten, seien zudem nicht zu den gleichen, sondern zu schlechteren Bedingungen bei der Firma A. weiterbeschäftigt worden. Es handele sich um eine reine Funktionsnachfolge der Firma A. Diese habe einen vollständig neuen Fuhrpark für die Mitarbeiter angeschafft sowie Software und Telefonanlagen erneuert. Ein Betriebsübergang komme daher mangels Übernahme wesentlicher Betriebsmittel nicht in Betracht. Demzufolge sei sein Arbeitsverhältnis auch nicht im Wege eines Betriebsübergangs auf die Firma A. übergegangen. Er sei vielmehr nach der Stilllegung des Betriebs der C.S. GmbH von der Firma A. neu eingestellt worden. Dies sei keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit i.S.v. Nr. 15 der Rahmenbedingungen. Randnummer 29 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, Randnummer 30 die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 01.02.2010 als technischer Angestellter zu den bei der Beklagten üblichen vertraglichen Bedingungen und den letzten Gehaltsbezügen bei der Firma C.S. GmbH, zuletzt geändert mit Schreiben vom 27.05.2008, in Höhe eines Jahresgehalts von 59.900,- Euro brutto zzgl. einer jährlichen variablen Vergütung i.H.v. 22.300,- Euro brutto, anzunehmen, Randnummer 31 hilfsweise, Randnummer 32 die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 01.02.2010 als technischer Angestellter zu den bei der Beklagten üblichen vertraglichen Bedingungen und den letzten Gehaltsbezügen bei der Firma C.S. GmbH anzunehmen. Randnummer 33 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 34 die Klage abzuweisen. Randnummer 35 Die Beklagte hat vorgetragen: Randnummer 36 Der Kläger habe weder aus dem Schreiben vom 04.11.1986 noch aus den Rahmenbedingungen vom 04.12.1986 einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Nr. 15 der Betriebsvereinbarung gewähre dem Kläger im Jahre 2009 kein Rückkehrrecht mehr, da die Voraussetzungen dieser Regelung nicht erfüllt seien. Das Rückkehrecht sei begrenzt gewesen auf die Zeitspanne, in der sie Geschäftsanteile an der C. GmbH gehalten habe. Auch sei der Kläger nach den gesellschaftlichen Strukturveränderungen innerhalb der C.-Gruppe nicht mehr Beschäftigter dieser in Nr. 15 genannten "neuen Gesellschaft" gewesen. Das am 14.08.2003 an den Kläger gerichtete Schreiben sei rein deklaratorischer Natur gewesen, was durch die Formulierung einer "etwa begründeten Rechtsposition" zum Ausdruck komme. Es enthalte lediglich Hinweise auf die bestehende Rechtslage, begründe aber keine neuen zusätzlichen Rechte. Randnummer 37 Einem Rückkehrrecht stünde jedenfalls entgegen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege des Betriebsübergangs nach § 613 a BGB auf die Firma A. übergegangen sei. Diese habe das gesamte Wartungs- und Servicegeschäft der C.S. GmbH am 18.09.2009 erworben. In den entsprechenden Verträgen sei die Beschäftigung des wesentlichen Mitarbeiterstamms der C.S.GmbH in der A.-Gruppe vorgesehen gewesen. Die Firma A. habe 56 von 81 Beschäftigten der C.S. GmbH ein Angebot auf Neueinstellung unterbreitet, wobei das gesamte Führungspersonal der C. S. GmbH weiterbeschäftigt worden sei. Zudem habe die Firma A. Betriebsmittel wie Werkzeuge, Laptops und Ersatzteile für insgesamt 547.000,- Euro vom Insolvenzverwalter der C.S. GmbH erworben. Die bei der Firma A. weiterbeschäftigten Arbeitnehmer hätten ihre Tätigkeit zunächst unverändert an ihren alten Arbeitsplätzen fortgeführt. Randnummer 38 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.09.2010, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, abgewiesen. Randnummer 39 Nach Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Kläger keinen Anspruch auf Wiedereinstellung bei der Beklagten. Randnummer 40 Ein Anspruch des Klägers auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages aus der Regelung von Nr. 15 der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 sei nicht entstanden, da das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die Firma A. übergegangen sei. Die Firma A. habe die zuvor von der C.S. GmbH betriebene wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen unverändert fortgeführt und damit die Voraussetzungen von § 613 a BGB erfüllt. § 242 BGB verbiete es dem Kläger, im Widerspruch zu seinem Tatsachenvortrag in dem vor dem Arbeitsgericht M. geführten Kündigungsschutzverfahren Vertragsabschlüsse zwischen der Firma A. und der C.S. GmbH sowie die Anzahl der übernommenen Mitarbeiter pauschal zu bestreiten. Die Auslegung von Nr. 15 der Betriebsvereinbarung vom 04.12.1986 ergebe, dass die darin normierte Wiedereinstellungszusage nicht für den Fall habe gelten sollen, dass das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers aufgrund eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB auf einen Betriebserwerber übergehe. Die Rahmenbedingungen enthielten keine Regelung für den Fall eines Betriebsübergangs, welcher von den Betriebsparteien bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht bedacht worden sei. Das in Nr. 15 der Betriebsvereinbarung normierte Rückkehrrecht habe die betroffenen Arbeitnehmer gegen das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes und nicht gegen einen Wechsel des Arbeitgebers aufgrund eines Betriebsübergangs absichern sollen. Da bei einem Betriebsübergang eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei dem Betriebserwerber bestehe, könne nicht von einem Verlust des Arbeitsplatzes i.S.d. § 15 der Betriebsvereinbarung ausgegangen werden. Ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung des Rückkehrrechts zur Beklagten und der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei einem Betriebserwerber bestehe nach Sinn und Zweck der in Nr. 15 enthaltenen Regelung nicht. Das darin formulierte Rückkehrrecht sei subsidiär zu einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei einem Betriebserwerber. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen Rückkehranspruch auch für den Fall bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei einem Dritten habe schaffen wollen, bestünden nicht. Eine solche weitgehende Rechtsposition wäre für die Beklagte mit einem nicht kalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko verbunden gewesen und lasse sich der Betriebsvereinbarung nicht entnehmen. Randnummer 41 Gegen dieses dem Kläger am 12.11.2010 zugestellte Urteil hat er mit beim LAG Rheinland-Pfalz am 08.12.2010 eingelegten und am 10.01.2011 begründeten Rechtsmittel Berufung eingelegt. Randnummer 42 Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe seine Klage zu Unrecht abgewiesen. Sein Anspruch auf Wiedereinstellung bei der Beklagten ergebe sich aus dem an ihn gerichteten Schreiben vom 04.11.1986 bzw. aus Nr. 15 der Rahmenbedingungen vom 04.12.1986. Die Beklagte habe darin allen betroffenen Arbeitnehmern vorbehaltlos eine Wiedereinstellungszusage gemacht, so dass sich nun, da die Zusage geltend gemacht werde, kein für die Beklagte unkalkulierbares wirtschaftliches Risiko verwirkliche. Seine Weiterbeschäftigung bei der C. S. GmbH sei aufgrund der betriebsbedingten Kündigung und der Stilllegung der C. S. GmbH nicht mehr möglich. Sein Arbeitsverhältnis sei auch nicht im Wege des Betriebsübergangs auf die Firma A. übergegangen, da ein Betriebsübergang nicht vorgelegen habe. Jedenfalls solange ein Betriebsübergang auf die Firma A. dieser gegenüber nicht rechtskräftig festgestellt gewesen sei, habe sich das Risiko des Arbeitsplatzverlustes verwirklicht. Randnummer 43 Der Kläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils Randnummer 44 die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab dem 01.02.2010 auf einem adäquaten Arbeitsplatz der Beklagten zu den bei ihr üblichen Bedingungen anzunehmen. Randnummer 45 Die Beklagte beantragt, Randnummer 46 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 47 Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag das erstinstanzliche Urteil und trägt ergänzend vor: Randnummer 48 Weder die an den Kläger gerichteten Schreiben vom 04.11.1986 und vom 14.08.2003 noch die Betriebsvereinbarung begründeten einen Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung. Das in der Betriebsvereinbarung normierte Rückkehrrecht gelte nach der Rechtsprechung des BAG nur für die Dauer der Konzernzugehörigkeit der neu gegründeten Gesellschaft. Jedenfalls scheitere ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinstellung schon an seiner Weiterbeschäftigung bei der Firma A. aufgrund Betriebsübergangs. Für einen Betriebsübergang auf die Firma A. spreche neben der Übernahme von Beschäftigen, Kunden- und Geschäftsbeziehungen auch die Übernahme wesentlicher sachlicher Betriebsmittel. Randnummer 49 Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.09.2010 - 8 Ca 986/10 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
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AG Frankfurt Abteilung 32. Einzelrichter
Hessen
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18.11.2019
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Der Kläger, ein Verein, verlangt von der Beklagten die Übertragung der Administrationsrechte an der Facebook Seite des Klägers. Die Beklagte war im Zeitraum vom 28.09.2010 bis 25.01.2019 Vorstandsvorsitzende des Klägers, vorher war sie im Vorstand als Schriftführerin tätig. Die Beklagte führte vom 08.06.2010 bis zu ihrem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzende des Klägers eine Facebook Seite für den Kläger unter https://www.facebook.com/XXX, mittel ihres privaten Facebook Profils. Die Beklagte erörterte im Jahr 2010 im Rahmen einer Vorstandssitzung den anderen Vorstandsmitgliedern den Vorschlag, eine Facebook Seite für den Verein zu führen. Dieser Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung der Vorstandskollegen. Die Beklagte erstellte eine Facebook Seite, welche ausschließlich unter dem Namen des Vereins erschien. Bei der Erstellung einer Facebook Seite ist stets die vorherige Anlage eines persönlichen Profils erforderlich. Die Beklagte setzte ihr eigenes Profil dafür ein. Die Seite wurde ausschließlich den Vereinszwecken entsprechend aufgebaut und in den Folgejahren gestaltet. Als Betreiber der Facebook Seite wurde unter der Rubrik „Info“ ausschließlich der Kläger aufgeführt. Am 06.01.2011 fand eine weitere Vorstandssitzung mit dem Tagesordnungspunkt „Öffentlichkeitsarbeit“ unter Hinzusetzung des Namens der Beklagten statt. Der Beklagten ging es darum, Werbung für den Wiederaufbau der Altstadt zu machen. Seit dem Jahr 2016 kümmerte sich auch Herr X, der heutige stellvertretende Vorsitzende, um die Gestaltung der Facebook Seite. Die Beklagte räumte ihm seit diesem Zeitpunkt für insgesamt drei Jahre Administratorenrechte ein, welche sie ihm wieder entzog, als sie aus dem Vorstand ausschied. Private Dinge der Beklagten erschienen auf der streitgegenständlichen Facebook Seite nicht. Bis heute stieg die Anzahl der Follower der Facebook Seite auf etwa insgesamt 1.500. Am 01.02.2019 schrieb die Beklagte dem stellvertretenden Vorsitzenden des Klägers und für drei Jahre früheren Administrators der Facebook Seite eine E-Mail mit folgenden Worten an: „… kläre bei facebook wie die Seite auf eine andere Person im Verein so übertragen werden kann, dass ich nicht mehr dafür verantwortlich bin und meine Daten gelöscht sind..“ . Am 05.02.2019 schrieb die Beklagte an den stellvertretenden Vorsitzenden des Klägers: „… weil ich mich in die passive Mitgliedschaft zurückziehe und kein Interesse an einer Kontrolle der facebook-Seite habe ... .“ Der Kläger behauptet, die Facebook Seite sei rechtlich und tatsächlich von Anfang an ihm zuzuordnen gewesen. Die Beklagte habe die Facebook Seite auf einen mündlichen Vorstandsbeschluss des Klägers eingerichtet und betrieben. Der Kläger behauptet, er habe sich im Jahr 2010 entschlossen, eine Facebook Seite einzurichten, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit mehr auf die Arbeit des Klägers zu richten. Mit der Durchführung sei die Beklagte als damaliges Vorstandsmitglied in ihrer Funktion als Schriftführerin betraut worden. Auf der Vorstandssitzung habe die Beklagte vorgeschlagen, eine Facebook Seite zu erstellen. Sie habe gefragt, ob der Vorstand einverstanden sei, alle hätten zugestimmt und ihr gesagt, sie solle sich darum kümmern. Die Facebook Seite sei aus verwaltungstechnischen Gründen, die bei Facebook liegen, mit dem privaten Facebook Profils der Beklagten verknüpft, aber nicht damit identisch, wie bereits an den URL-Adressen erkennbar sei. Auch aus dem Inhalt der Seite ergebe sich, dass der Kläger Betreiber und Inhaber der Seite sei. Die Beklagte habe ihr persönliches Facebook Profil nur eröffnet, um die Facebook Seite des Vereins zu erstellen. Der Kläger ist der Auffassung, die Nutzungsrechte der Facebook Seite stünden ausschließlich ihm zu. Er verlangt die Übertragung der Nutzungsrechte durch Übertragung der Administrationsrechte von der Beklagten auf ein anderes Vorstandsmitglied. Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Administrationsrechte an der Facebook Seite XXX, abrufbar unter https://www.facebook.com/XXX, zu übertragen, indem sie dem jetzigen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des Klägers Herrn X, (Facebook-Profil: https://www.facebook.com/XXX) die Administratorenrechte an dieser Seite einräumt und sich selbst als Administrator löscht, wie in Anlage K1 beschrieben. Nachdem die Beklagte den Namen der Facebook Seite ca. eine Woche vor dem streitgegenständlichen frühen ersten Termin geändert hat beantragt der Kläger nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Administrationsrechte an der Facebook Seite XXX, vormals Facebook Seite XXX zu übertragen, und bezieht sich im Übrigen auf den ursprünglichen Antrag in der Klageschrift. Die Beklagte hat der Klageänderung ausdrücklich nicht zugestimmt und beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, sie habe für den Verein eine Facebook Seite errichtet und ihre Vorstandskollegen in der Sitzung darüber informiert. Es sei ihre eigene Entscheidung gewesen und vom Vorstand schweigend angenommen worden. Die Vorstandskollegen hätten keine Ahnung von Facebook gehabt, ihr vertraut und dem sozusagen zugestimmt. Sie hätten ihr gesagt, sie solle sich darum kümmern. Es sei ihr darum gegangen, den Wiederaufbau der Altstadt privat zu bewerben. Die Beklagte trägt vor, sie habe einen Fehler gemacht, als sie Herrn X, was zwischen den Parteien unstreitig ist, vorübergehend für ca. drei Jahre Administrationsrechte an der Seite eingeräumt habe. Jetzt habe sich Herr X in den Kopf gesetzt, dass er die Facebook Seite für sich haben und ihr wegnehmen, sozusagen stehlen wolle. Die Beklagte trägt vor, sie habe das alleinige Urheberrecht am Inhalt ihrer Facebook-Posts auf der streitgegenständlichen Seite. Sie habe ihre private Seite mit sehr viel Mühe und Liebe selbst aufgebaut und populär gemacht. Für einen Herausgabeanspruch gäbe es keine Rechtsgrundlage. Zudem dürfe sie die Seite auch gar nicht übertragen, da die Einwilligungserklärungen zahlloser Dritter zur Veröffentlichungen auf dieser Seite nur ihr selbst gegeben worden seien. Die Beklagte trägt vor, sie behalte sich die jederzeitige Löschung der Seite vor, da sie dies jederzeit als Urheberin, Inhaberin und Eigentümerin dürfe. Die Beklagte ist der Ansicht, ein etwaiger Anspruch des Klägers sei jedenfalls verjährt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2019 (Blatt 455 f. d. A.) verwiesen, mit Ausnahme des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.11.2019, welcher am 14.11.2019 nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Administratorenrechte an der ursprünglichen Facebook Seite unter https://www.facebook.com/XXX, nach Namensänderung jetzt unter der Seite „XXX“ zu finden, zu übertragen, indem sie dem jetzigen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des Klägers, Herr XXX, (Facebook-Profil: https://www.facebook.com/XXX ) die Administrationsrechte an dieser Seite einräumt und sich selbst als Administrator löscht, wozu die Beklagte die nach den Nutzungsbestimmungen von Facebook Bestimmungen sowie sonstige technisch erforderlichen Schritte zu vollziehen hat. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4000,00 Euro vorläufig vollstreckbar, im Übrigen wegen der Kosten ist das Urteil in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 9. Kammer
Rheinland-Pfalz
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23.03.2012
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und in diesem Zusammenhang über die nachträgliche Zulassung der Entfristungsklage. Randnummer 2 Der Kläger war seit 2003 bei dem beklagten Land aufgrund einer Vielzahl befristeter Verträge beschäftigt. Der letzte Vertrag vom 27.09.2009 (Anlage K 1) beinhaltete eine Beschäftigung mit 95,83 von Hundert der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Lehrkraft im Gymnasium X. "für die Dauer eines Beschäftigungsverbotes nach dem Mutterschutzgesetz/der Elternzeit/der Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes längstens bis zum 31.01.2011". Randnummer 3 Im November und Dezember 2010 fanden zunächst telefonische Verhandlungen zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und Vertretern des beklagten Landes statt. Unter dem 18.01.2011 (Bl. 31 d. A.) wandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers sich an das beklagte Land, wiesen auf die nach ihrer Auffassung gegebene Unwirksamkeit der Befristung hin und schlugen die Möglichkeit eines zunächst befristeten Arbeitsvertrages vor, der in einen unbefristeten Arbeitsvertrag überführt werden sollte, sobald der Kläger eine an sich für eine unbefristete Einstellung verlangte Qualifikation nachgeholt hätte. Randnummer 4 Das beklagte Land antwortete unter dem 28.01.2011 dahingehend, dass man "hinsichtlich der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung nach dem 31.01.2011" … "keine Aussage treffen" könne, aber das Schreiben an die zuständige Schulaufsicht mit der Bitte um Stellungnahme bzw. mit der Bitte um einen Lösungsvorschlag weiterleiten werde. Unter dem 28.02.2011 - beim Klägervertreter ausweislich des Eingangsstempels Anfang März 2011 eingegangen - wurde eine Lösung, die eine Beschäftigung mit einem Vertretungsvertrag ab 01.08.2011 beinhaltete, als "denkbar", aber als "abhängig von der Zustimmung des Seminars und des XY. und des Ministerium" bezeichnet. Auf ein Schreiben des Klägervertreters vom 18.04.2011 antwortete das beklagte Land mit Schreiben vom 23.05.2011 und teilte mit, man könne dem von ihm vorgeschlagenen Entwurf einer vergleichsweisen Einigung nicht zustimmen. Wegen des Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf Blatt 30 d. A. Bezug genommen. Randnummer 5 Mit seiner am 07.06.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die vereinbarte Befristung und begehrte die nachträgliche Zulassung der Klage. Randnummer 6 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2011, Az.: 9 Ca 1056/11 (Bl. 46 ff. d. A.). Randnummer 7 Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit den Anträgen, Randnummer 8 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.01.2011 fortbesteht, Randnummer 9 die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.01.2011 hinaus als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit 95,83 v. H. weiter zu beschäftigen, Randnummer 10 die Entfristungsklage gemäß § 5 Abs. 1 KSchG nachträglich zuzulassen, Randnummer 11 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt: Randnummer 12 Die Befristung gelte gemäß § 17 Abs. 2 TzBfG i. V. m. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da die Dreiwochenfrist zur Klageerhebung nicht gewahrt sei und der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Entfristungsklage nicht begründet sei. Randnummer 13 Der Kläger sei nicht i. S. d. § 5 KSchG gehindert gewesen, die Klage innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages zu erheben. Soweit der Kläger auf schwebende Vergleichsverhandlungen verweise, rechtfertige dies die nachträgliche Zulassung nicht. Nachträglich zuzulassen sei eine Klage allenfalls dann, wenn der Arbeitgeber durch Vorspiegelung erfolgreicher Vergleichsverhandlungen den Arbeitnehmer von der rechtzeitigen Erhebung der Kündigungsschutzklage abgehalten habe. Es sei nicht ersichtlich, warum eine zur Fristwahrung erhobene Klage die Vergleichsverhandlungen hätte stören sollen. Das beklagte Land habe im Übrigen nach dem zur Akte gereichten Schriftverkehr keinerlei begründetes Vertrauen geweckt, man werde das Klageziel auch ohne einen Rechtstreit erfüllen. Ausweislich des Schreibens vom 28.01.2011 habe das beklagte Land darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung nach dem 31.01.2011 keine Aussage getroffen werden könne. Auch in der Folge sei keine unbefristete Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt worden, sondern allenfalls der erneute Abschluss eines erneuten befristeten Vertrages zu einem späteren Zeitpunkt. Randnummer 14 Das genannte Urteil ist dem Kläger am 21.10.2011 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 18.11.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 20.12.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 20.01.2012, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 23.01.2012, begründet. Zur Begründung seines Rechtsmittels macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des weiteren Schriftsatzes vom 20.03.2012, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 71 f., 86 ff. d. A.), im Wesentlichen geltend: Randnummer 15 Zwar liege kein arglistiges Verhalten des beklagten Landes im eigentlichen Sinne vor. Gleichwohl habe das Land stets erkennen lassen, dass es an einer Verlängerung des befristeten Vertrages unbedingt interessiert sei. In den Gesprächen zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und Vertretern des Landes sei erörtert worden, zu welchem Zeitpunkt eine weitere Verlängerung der befristeten Arbeitsverhältnisse möglich sei, um trotz der problematischen Regelungen der Kettenarbeitsverhältnisse eine Weiterbefristung rechtlich abgesichert vereinbaren zu können. Ferner sei es auch um die Konditionen gegangen, zu denen der Kläger wiederum hätte befristet eingestellt werden können. Schließlich sei erörtert worden, was der Kläger etwa durch ein zusätzliches Studium unternehmen könne, um später zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu gelangen. Randnummer 16 Das beklagte Land verwende die Möglichkeit des Befristungssachgrundes der Vertretung rechtsmissbräuchlich. Die vereinbarte Befristung sei daher rechtsunwirksam. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2011, Az.: 9 Ca 1056/11, abzuändern und Randnummer 19 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.01.2011 hinaus fortbesteht; Randnummer 20 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.01.2011 hinaus als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit 95,83 v. H. weiter zu beschäftigen; Randnummer 21 die Entfristungsklage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen. Randnummer 22 Das beklagte Land beantragt, Randnummer 23 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 24 Es verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 13. März 2012, auf den Bezug genommen wird (Bl. 83 f. d. A.), als zutreffend. Randnummer 25 Auch im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 06.10.2011, Az.: 9 Ca 1056/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Greifswald 3. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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30.10.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Aufhebung einer wasserrechtlichen Plangenehmigung. Randnummer 2 Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem teilunterkellerten Wochenendhaus bebauten Grundstücks G1. Der Klägerin war unter dem 10. September 1991 die Baugenehmigung zur Errichtung des Wochenendhauses erteilt worden. Der Bauantrag umfasste die Errichtung des Wochenendhauses auf einer Betonplatte. Ein Kellerbau war nicht beantragt worden. Randnummer 3 Das im Außenbereich der Gemeinde Wokuhl-Dabelow (OT Carolinenhof) gelegene Grundstück liegt in einer Entfernung von ca. 320 m südlich des Zahrensees. Für diesen im gleichnamigen Naturschutzgebiet gelegenen See erteilte die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die Landrätin des damaligen Landkreises Mecklenburg-Strelitz, dem Naturpark Feldberger Seenlandschaft – einer Einrichtung des Beigeladenen – die Plangenehmigung zum Vorhaben „Wasserrückhaltung im Gebiet Zahrensee“ vom 9. März 2006. Die Plangenehmigung ist bestandskräftig. Sie setzt das Ablaufniveau des Zahrensees von 62,5 m HN auf 63,0 m HN fest. Die Durchführung der Maßnahme erfolgte im November 2006. Seitdem steht der Keller des Wochenendhauses nahezu ständig unter Wasser. Das Kellermauerwerk weist deutlich sichtbare Feuchtigkeitsschäden auf. Es besteht die Gefahr, dass die aufliegende Holzkonstruktion des Wochenendhauses geschädigt wird. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 beantragte die Klägerin die Aufhebung der Plangenehmigung und die Verpflichtung des Beigeladenen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Randnummer 5 Am 1. März 2013 hat die Klägerin Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage erhoben. Mit Bescheid vom 5. März 2013 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Randnummer 6 Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe in entsprechender Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB und aus § 49 Abs. 2 Ziffer 3 VwVfG M-V ein Anspruch auf Aufhebung der Plangenehmigung zu. Bei der Erteilung der Plangenehmigung habe die Rechtsvorgängerin des Beklagten nicht bedacht, dass es bei dem Wochenendhaus der Klägerin zu erheblichen Grundwasserproblemen komme. Der Anstau sei für die Feuchtigkeitsschäden ursächlich. Der Keller sei ordnungsgemäß abgedichtet. Er weise keine baulichen Mängel auf, sei allerdings dem durch den Anstau des Zahrensees verursachten erhöhten Wasserdruck nicht gewachsen. Unschädlich sei, dass für den Keller keine Baugenehmigung vorliege. Seine Errichtung sei mit Kenntnis der Bauaufsichtsbehörde erfolgt und bis heute nicht beanstandet worden. Damit sei der Keller durch Art. 14 GG geschützt. Randnummer 7 Der Anspruch sei im Übrigen auch „kellerunabhängig“ gegeben. Auf dem Grundstück der Klägerin und in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze befänden sich vier Linden und eine Douglasie mit Stammumfängen von 1 m bis 1,20 m. Seitdem der See angestaut und der Grundwasserstand gestiegen sei, befänden sich die Bäume ständig im Grundwasser. Dadurch sei ihre Standfestigkeit nicht mehr gewährleistet. Zudem führte die Staunässe zu Fäulnis und Pilzbefall. Es sei zu befürchten, dass sie auf das Wochenendhaus stürzen. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, Randnummer 9 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 5. März 2013 zu verpflichten, die Plangenehmigung vom 9. März 2006 aufzuheben und den Beigeladenen zu verpflichten, den in der Plangenehmigung genehmigten Anstau des Zahrensees rückgängig zu machen, Randnummer 10 hilfsweise, Randnummer 11 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin einen angemessenen Geldausgleich zu zahlen. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Ein Anspruch auf Widerruf der Plangenehmigung bestehe nicht, weil keine Widerrufsgründe vorlägen. Der Anstau des Zahrensees sei nicht ursächlich für die Feuchtigkeitsschäden. Bei dem Untersuchungen des Grundstücks sei bereits im Projektvorfeld festgestellt worden, dass es gelegentlich Wasserproblem im Keller des klägerischen Grundstücks gegeben habe. Zudem seien die Belange der Klägerin im Verfahren berücksichtigt worden. Die Tiefe des Kellerfußbodens sei ermittelt worden. Sie liege bei 63,31 m HN. Um eine Vernässung zu vermeiden sei eine Anstauhöhe von maximal 63,00 m HN festgesetzt worden. Randnummer 15 Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 24. Juni 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt, werden der Klägerin auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 5. Senat
Rheinland-Pfalz
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17.11.2011
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Randnummer 1 Umstritten ist, ob der Kläger die Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) erfüllt. Randnummer 2 Der 1956 geborene Kläger stellte am 3.7.2001 bei der damaligen Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz (heute Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz) einen Antrag auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Bescheid vom 2.11.2001 stellte die Beklagte fest, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht in der KVdR wegen Fehlens der erforderlichen Vorversicherungszeit nicht erfüllt seien. Der Rentenversicherungsträger bewilligte dem Kläger eine Umschulungsmaßnahme und stellte die Entscheidung über den Rentenantrag zurück. Unter dem 12.12.2002 wies der Kläger den Rentenversicherungsträger nochmals auf den bereits gestellten Rentenantrag hin. Durch Bescheid vom 1.4.2003 und Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 lehnte dieser den Rentenantrag ab. Durch Urteil vom 26.7.2006 verurteilte das Sozialgericht (SG) Koblenz die Beklagte, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage für die Zeit vom 8.7.2005 bis 28.2.2008 zu gewähren. Im anschließenden Berufungsverfahren wurde ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, wonach die Beklagte dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 1.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2004 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1.7.2005 zahlte. Randnummer 3 Im Februar 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung ihrer früheren Entscheidung über seine Mitgliedschaft in der KVdR. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 30.5.2007 und Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007 erneut fest, dass die Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der KVdR wegen Fehlens der erforderlichen Vorversicherungszeiten in der gesetzlich bestimmten Rahmenfrist nicht erfüllt seien. Zur Begründung hieß es: Gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien Personen versicherungspflichtig, die seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens zu 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder familienversichert gewesen seien. Da der Kläger erstmals am 9.2.1972 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, sei für die Vorversicherungszeit der Zeitraum vom 9.2.1972 bis zum 3.7.2001 maßgebend. Die zweite Hälfte dieses Zeitraums betrage 14 Jahre, 8 Monate und 12 Tage. 9/10 hiervon seien 13 Jahre, zwei Monate und 26 Tage. Da beim Kläger nur eine Zeit von 10 Jahren, 11 Monaten und 25 Tagen mit anrechnungsfähigen Zeiten belegt sei, sei die Vorversicherungszeit nicht erfüllt. Randnummer 4 Mit seiner am 24.9.2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides festzustellen, dass er in der KVdR gesetzlich pflichtversichert sei. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe seine berufliche Tätigkeit bereits am 2.8.1971 mit seiner Ausbildung begonnen. Die Rahmenfrist ende nicht bereits am 3.7.2001, da ihm die vorzeitige Antragstellung auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Zum damaligen Zeitpunkt habe er sich in einer Umschulung befunden, weshalb die Voraussetzungen eines Rentenanspruchs noch nicht vorgelegen hätten und er, der Kläger, diesen zunächst nicht weiterverfolgt habe. Abzustellen sei vielmehr für das Ende der Rahmenfrist auf den Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte habe außerdem nicht berücksichtigt, dass seine Ehefrau Mitgliedszeiten bis zum 31.12.1988 aufweise. Randnummer 5 Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, da der Kläger seine Tätigkeit erstmals am 2.8.1971 aufgenommen habe, sei die Rahmenfrist neu zu berechnen. Diese laufe vom 2.8.1971 bis zum 3.7.2001. Die zweite Hälfte dieses Zeitraums beginne am 18.7.1986 und ende am 3.7.2011. Innerhalb dieser Zeit (14 Jahre, 11 Monate, 16 Tage) seien vom Kläger 13 Jahre, 5 Monate und 21 Tage nachzuweisen. Beim Kläger seien jedoch nur 11 Jahre, zwei Monate und 26 Tage mit berücksichtigungsfähigen Zeiten belegt. Obwohl die Ehefrau des Klägers in der Zeit vom 1.5.1979 bis zum 31.12.1988 Mitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Rheinland/Hamburg gewesen sei, könne § 5 Abs 2 SGB V zu Gunsten des Klägers keine Anwendung finden, da er in dieser Zeit inhaftiert gewesen sei und gemäß § 16 Abs 1 Nr 4 SGB V während dieser Zeit ein Leistungsanspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 16 Abs 1 Nr 4 SGB V wegen eines Anspruchs auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) geruht habe. Randnummer 6 Durch Urteil vom 22.6.2010 hat das SG Koblenz unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass der Kläger in der KVdR gesetzlich krankenversichert sei, und zur Begründung ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Beklagten lägen die für die Mitgliedschaft in der KVdR erforderlichen Vorversicherungszeiten iSd § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V vor. Nach dem Versicherungsverlauf des Rentenversicherungsträgers habe der Kläger erstmalig am 2.8.1971 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen, was den Beginn der Rahmenfrist markiere. Diese habe entgegen der Auffassung des Klägers bereits am 3.7.2001 geendet, da das Gesetz ausdrücklich auf den Rentenantrag und nicht auf den Rentenbezug abstelle (Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG - 4.6.2009 - B 12 KR 26/07 R). Die zweite Hälfte des Zeitraums zwischen dem 2.8.1971 und dem 3.7.2001 umfasse 14 Jahre 11 Monate und 16 Tage; 9/10 hiervon seien 13 Jahre, 5 Monate und 21 Tage. In dieser Zeit habe der Kläger eine Vorversicherungszeit von 14 Jahren, 9 Monaten und 16 Tagen aufzuweisen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Zeit der Inhaftierung vom 11.1.1987 bis zum 31.7.1990 bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten zu berücksichtigen. Die Ruhensvorschrift des § 16 Abs 1 Nr 4 SGB V lasse die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung unberührt, auf die bei der Berechnung der Vorversicherungszeit nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V abzustellen sei. Die Kammer habe nur ein Grundurteil erlassen dürfen, weil aus den vorliegenden Unterlagen der Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht nicht eindeutig erkennbar sei; diesen werde die Beklagte zu ermitteln haben. Randnummer 7 Gegen dieses Urteil richtet sich die am 8.7.2010 eingelegte Berufung der Beklagten, die vorträgt: Vor seiner Inhaftierung sei der Kläger vom 20.5.1986 bis zum 10.1.1987 aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld versichert gewesen; diese Mitgliedschaft habe gemäß § 190 Abs 12 SGB V mit Ablauf des letzten Tages geendet, für den die Leistung bezogen worden sei, demnach am 10.1.1987. Es gebe keinen gesetzlichen Tatbestand, nach welchem die Mitgliedschaft des Klägers während seiner vom 11.1.1987 bis zum 31.7.1990 dauernden Strafhaft aufrechterhalten worden sei. Selbst wenn man die Zeit der Mitgliedschaft seiner Ehefrau bis zum 31.12.1988 zu seinen Gunsten berücksichtigen würde, wäre die von § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V geforderte Halbbelegung nicht erfüllt, weil sich nur eine Vorversicherungszeit von 13 Jahren, zwei Monaten und 17 Tagen ergeben würde. Die Zeit vom 1.1.1989 bis zum 31.7.1990 könne nicht wegen einer Familienversicherung (§ 10 SGB V) im Hinblick auf die Versicherung seiner Ehefrau auf die Erfüllung der Vorversicherungszeit angerechnet werden. Nach Mitteilung der AOK Rheinland/Hamburg habe im Zeitraum vom 1.1.1989 bis zum 31.7.1990 keine Familienversicherung zugunsten des Klägers bestanden. Dies sei nachvollziehbar, wie sich aus den Regelungen über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung - RSAV) ergebe. Versicherte, deren Leistungsansprüche nach § 16 Abs 1 Nr 2 bis 4 SGB V ruhten, sowie Mitglieder, für deren Beitragsbemessung § 240 Abs 4a SGB V gelte, und deren nach § 10 SGB V versicherte Angehörige seien in den Versichertengruppen nach § 2 Abs 1 RSAV nicht enthalten (§ 2 Abs 5 RSAV). Nach dem RSA-Prüfhandbuch der Prüfdienste des Bundes und der Länder sei eine Berücksichtigung von Haftzeiten in der Familienversicherung unzulässig. Randnummer 8 Die Beklagte beantragt, Randnummer 9 das Urteil des SG Koblenz vom 22.6.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung festzustellen, dass seine Mitgliedschaft in der KVdR am 3.7.2001 begonnen hat. Randnummer 12 Er trägt vor: Er halte an seiner Auffassung fest, dass der am 3.7.2001 gestellte Rentenantrag nicht das Ende der Rahmenfrist markiert habe. Unabhängig davon sei die Zeit der Haft im Rahmen der Berechnung der Vorversicherungszeit zu berücksichtigen; insoweit sei das angefochtene Urteil zutreffend. Randnummer 13 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.6.2010 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird festgestellt, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der KVdR am 3.7.2001 begann. 2. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes. 2 Die Klägerin ist als selbstständige ... tätig. Außerdem erzielt sie Mieteinnahmen als Miteigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses. Sie beantragte am 26.7.2008 Elterngeld für ihr am ... geborenes Kind .... Mit Bescheid vom 20.1.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin zunächst Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages von 300 EUR für den 1. bis 12. Lebensmonat. Nach Abschluss der Ermittlungen zu den Einkommensverhältnissen bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.3.2009 Elterngeld (im Hinblick auf das noch ausstehende Einkommen im Bezugszeitraum vorläufig) in Höhe von 580,64 EUR monatlich. Bei der Berechnung hatte die Beklagte neben den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit (vor Geburt 49.872 EUR brutto, nach der Geburt voraussichtlich 5089 EUR brutto) angelehnt an den Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2007 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.889 EUR brutto sowohl für den Zeitraum vor der Geburt als auch nach der Geburt berücksichtigt. 3 Dagegen erhob die Klägerin am 2.4.2009 Widerspruch. Sie wandte sich gegen die Berücksichtigung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da es sich um einen ruhenden Gewerbebetrieb handele. Dieser sei vor über 20 Jahren vom Großvater an sie (zu einem Viertel) sowie zwei weitere Übernehmer übergeben worden. Aus den Mieteinnahmen sei nach dem Übergabevertrag eine Leibrente in Höhe von monatlich 2000 EUR für die Großmutter aufzubringen, auch seien Umbaumaßnahmen angefallen und sie müsse gleichwohl die theoretischen Einnahmen versteuern, obwohl sie sie nicht ausbezahlt bekomme. Daher stehe dieses Geld keineswegs für ihren Unterhalt zur Verfügung. Sie beantragte, ihren Elterngeldanspruch ohne Berücksichtigung dieses Betrages - sowohl vor der Geburt, als auch nach der Geburt - zu berechnen. Hierdurch ergebe sich ein wesentlich höherer Anspruch auf Elterngeld. 4 Mit Bescheid vom 16.7.2009 änderte die Beklagte wegen Wegfalls der Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit im Bezugszeitraum die frühere Bewilligung ab und gewährte Elterngeld (im Hinblick auf die noch nachzuweisenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb wiederum vorläufig) in Höhe von 801,48 EUR monatlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.7.2009 wies sie zudem den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, als Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei bei der Berechnung des Elterngelds die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach Maßgabe von § 2 Absätze 7 bis 9 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zu berücksichtigen. An diese Vorgaben des Gesetzgebers sei die Beklagte gebunden. 5 Am 24.8.2009 erhob Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 28.10.2010 bewilligte die Beklagte nach Eingang der vollständigen Nachweise für den Bezugszeitraum das Elterngeld endgültig in Höhe von monatlich 826,83 EUR. 6 Die Klägerin verfolgt ihr Begehren aus dem Widerspruchsverfahren weiter. Sie trägt vor, bei dem übergebenen Gebäude handele es sich um ein Hausgrundstück mit mehreren Mietwohnungen sowie einem Geschäftslokal. Zur Verwertung des Miteigentumsanteils hätten die drei Übernehmer eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet. Einnahmen würden ausschließlich aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Klägerin habe im Jahr 2007 laut Jahresabschluss lediglich 13.286,51 EUR entnommen, im Jahr 2008 13.412,38 EUR, mithin Beträge, die deutlich unter den unterstellten Einkünften aus Gewerbebetrieb liegen würden. Dies gehe darauf zurück, dass den Gesellschaftern auch die Leibrentenzahlung als Einkünfte anteilig zugerechnet werde. 7 Nach § 2 Absatz 1 S. 2 BEEG, so die weitere Klagebegründung, seien zwar Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, etwa aus Gewerbebetrieb, zu berücksichtigen, sonstige Einkünfte, etwa aus Vermietung und Verpachtung, dagegen ausgenommen. Hieraus lasse sich entnehmen, dass es dem Gesetzgeber darauf ankomme, Einkünfte aus tatsächlicher Erwerbstätigkeit heranzuziehen. Dies entspreche dem Gesetzeszweck, die wegen der Elterneigenschaft vorübergehend nicht oder nur eingeschränkt mögliche Ausübung der Erwerbstätigkeit auszugleichen. Diesem Gesetzeszweck widerspreche es, die faktisch aus Vermietung und Verpachtung herrührenden Einkünfte der Klägerin zu berücksichtigen. Auch würde es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, Miet- und Pachteinnahmen verschieden zu behandeln, je nachdem, ob sie - weil von einem Miteigentumsanteil an einem ruhenden Gewerbebetrieb herrührend - steuerlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt werden oder als solche aus Vermietung und Verpachtung. 8 Weiter macht die Klägerin geltend, sie habe im Bezugszeitraum in ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht lediglich geringere Einkünfte erzielt, sondern negative Einkünfte, weil die Praxiskosten weiterliefen. Zumindest sei das berücksichtigte Einkommen aus Gewerbebetrieb um die Verluste bei der selbstständigen Tätigkeit zu bereinigen. Es werde nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 2 BEEG einen Ausgleich von Verlusten mit Einkünften aus verschiedenen Einkommensarten nicht vorsehe. Auch hierin sehe die Klägerin eine verfassungswidrige Benachteiligung von Antragstellern mit mehreren Einkunftsarten. Die Klägerin beruft sich schließlich auf die Entscheidung des BSG vom 30.9.1997, Az. 4 RA 122/95, zur Einkommensanrechnung auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. 9 Die Antragstellerin beantragt (teilweise sinngemäß), 10 den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16.7.2009 und 28.10.2010 sowie des Widerspruchsbescheids vom 24.7.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld für ihr am ... geborenes Kind ... ohne jede Berücksichtigung von Einkommen aus Gewerbebetrieb, (hilfsweise: unter Berücksichtigung um das negative Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit reduzierten Einkommens aus Gewerbebetrieb im Bezugszeitraum) zu gewähren. 11 Die Beklagte beantragt, 12 die Klage abzuweisen. 13 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. 14 Die den verfahrensgegenständlichen Antrag betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Bl. 1 bis 290) lag vor und war Gegenstand der Beratung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte Verwaltungsakte sowie die Akte des Gerichts, Az. S 9 EL 4286/09, Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.
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VG Frankfurt 7. Kammer
Hessen
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07.05.2008
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Randnummer 1 Herr Y., geb. 04.08.1985, wohnte seit dem 09.08.2005 in der X-straße 5 in 6xxxx Maintal. Diese Wohnung hat Herr Y. durch die Kündigung seines Vaters verloren, der ihn nicht mit in seine neue Wohnung aufnehmen wollte. Randnummer 2 Die Obdachlosenbehörde der Stadt Maintal brachte Herrn Y. ab dem 11.01.2006 in dem Hotel „Nordbahnhof“ im Stadtgebiet der Klägerin unter, da nach Aussage der Stadt Maintal das von ihr üblicherweise für die Unterbringung von Obdachlosen vorgesehene Hotel belegt war. Randnummer 3 Das Klinikum Hanau diagnostizierte am 04.05.2006 bei Herrn Y. eine paranoide Psychose. Die produktive psychotische Symptomatik begann danach ein Jahr zuvor. Am 05.05.2006 stellte Herr Y. bei dem Jugendamt des Beklagten einen Antrag nach § 35a i.V. mit § 41 SGB VIII. Der Beklagte leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 12.05.2006 an die Klägerin mit der Begründung weiter, die Klägerin sei örtlich zuständig. Randnummer 4 Die Klägerin brachte Herrn Y. ab dem 12.06.2006 in einer Übergangseinrichtung für psychisch kranke Menschen in Gedern unter. Die damit verbundenen Kosten wurden vorab von der Klägerin übernommen. Randnummer 5 Die Klägerin teilte dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 19.05.2006 mit, dass sie ihn für örtlich zuständig halte und übersandte ihm die Unterlagen zum Vorgang. Dieser Auffassung trat der Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2006 entgegen. Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 18.06.2006 auf, ihr die Kosten für die Unterbringung des Herrn Y. in Gedern zu erstatten. Mit Schreiben vom 05.09.2006 lehnte der Beklagte das Begehren der Klägerin endgültig ab. Randnummer 6 Die Klägerin erhob am 27.11.2007 Klage. Randnummer 7 Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte sei der örtlich zuständige Jugendhilfeträger geblieben und daher Kostenträger für die Maßnahme, die für Herrn Y. eingeleitet wurde. Maßgeblich für die Beurteilung sei § 86 a Abs. 3 i.V. mit § 86 a Abs. 1 SGB VIII. Herr Y. habe keinen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I auf dem Gebiet der Klägerin begründet. Herr Y. habe zum Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Maintal gehabt. Die Obdachlosenbehörde der Stadt Maintal habe ihn gegen seinen Willen bzw. seine Mitwirkung in einem Hotel auf dem Gebiet der Klägerin untergebracht. Die Unterbringung mangels anderweitiger Möglichkeit in einem anderen Zuständigkeitsbereich könne nicht zu einer geänderten Zuständigkeit hinsichtlich des Jugendhilfeträgers führen. Ordnungsrechtlich sei mit der Unterbringung im Hotel ausschließlich die Stadt Maintal verantwortlich geblieben. Die Stadt Maintal habe es jederzeit in der Hand gehabt, Herrn Y. in eine andere Unterkunft in Maintal einzuweisen. Die Obdachlosenunterkunft sei daher so zu behandeln, als ob diese sich örtlich in Maintal befinde. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Kosten in Höhe von 38.620,99 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.06.2006 zu erstatten. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Der Beklagte ist der Ansicht, es komme nicht auf den gewöhnlichen, sondern auf den tatsächlichen Aufenthalt an. Nach § 86 a SGB VIII sei im Falle des Fehlens eines gewöhnlichen Aufenthalts der Träger des letzten tatsächlichen Aufenthalts zuständig.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leiste.
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VG Berlin 19. Kammer
Berlin
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14.04.2015
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Randnummer 1 Der 63 Jahre alte indische Kläger begehrt die Erteilung eines Schengenvisums zum Zwecke des Besuchs seines in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Sohnes, der deutscher Staatsangehöriger ist. Randnummer 2 Den Antrag des Klägers bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland New Delhi lehnte diese mit Bescheid vom 20. November 2014 sowie erneut mit Remonstrationsbescheid vom 9. Dezember 2014 wegen Zweifeln an seiner Rückkehrbereitschaft ab. Die Verwurzelung des Klägers in Indien sei nicht nachgewiesen. Insbesondere seien seine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen unklar. Randnummer 3 Hiergegen richtet sich die am 7. Januar 2015 erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Randnummer 4 Er ist der Auffassung, er sei sowohl familiär als auch wirtschaftlich in Indien verwurzelt. Die pauschalen Betrachtungen der Botschaft stellten eine Missachtung der familiären Lebensverhältnisse in einer Sikhfamilie dar. Den Wert seines Grundbesitzes könne er durch Sachverständigenbewertungen belegen. Für die Vorlage von deutschen Übersetzungen der bisher nur in Englisch vorhandenen Schriftstücke bitte er um die Gewährung einer Nachfrist. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, Randnummer 6 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland New Dehli vom 20. November 2014 und des Remonstrationsbescheides derselben vom 9. Dezember 2014 zu verpflichten, ihm ein einheitliches Visum zu Besuchszwecken zu erteilen. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Sie hält an der Versagung des Besuchsvisums fest. Auch die neu vorgelegten Unterlagen räumten die Zweifel an der Absicht, der Kläger werde Deutschland nach Ablauf eines Visums verlassen, nicht aus. Eine ausreichende familiäre und wirtschaftliche Verwurzelung sein nicht nachgewiesen. Randnummer 10 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. Februar 2015 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Randnummer 11 Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und sonstigen Aktenbestandteile sowie auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Hefter) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig Vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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LG Hamburg 15. Zivilkammer
Hamburg
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04.11.2016
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte im Rahmen eines zwischen den Parteien bestehenden Vertriebsvertrages Nahrungsergänzungen und Kosmetikprodukte der Klägerin auf der Internetplattform eBay bewerben und/oder vertreiben darf. Randnummer 2 Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der weltweit agierenden A. V. o. A. Inc. mit Sitz in D., U.. Die Klägerin vertreibt mittels eines geschlossenen Vertriebssystems über den ausschließlichen Vertriebsweg des Network-Marketing deutschlandweit unter anderem Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetikartikel, Fitnessgetränke sowie Körperpflegeprodukte und erzielt dabei einen jährlichen Umsatz von mehr als 50 Millionen €. Sie verfügt über das alleinige Nutzungsrecht von mehr als 100 von ihrem US-Amerikanischen Mutterkonzern eingetragenen Marken für Waren und Dienstleistungen in Deutschland. Die Klägerin vertreibt mehr als 50 Produkte in Deutschland und bezeichnet sich selbst als Vorreiterin für die Nutzbarmachung der Aloe Vera Pflanze als Inhaltsstoff für Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel. Für den Vertrieb bedient sich die Klägerin Vertriebspartnern, welche die Waren als Wiederverkäufer weitervertreiben. Die Klägerin hat in ihrem Segment im Bereich des Vertriebs von Nahrungsergänzungen und Kosmetikprodukten über den Vertriebsweg des Network-Marketings einen Marktanteil von nicht mehr als 10% in Deutschland. In dem allgemeinen Segment des Vertriebs von Nahrungsergänzungen, Sportgetränken und Kosmetikprodukten kommen der Klägerin nur geringe Marktanteile in Deutschland zu, die deutlich unter 10% liegen. Randnummer 3 Der Beklagte ist Kaufmann, seit Längerem Vertriebspartner der Klägerin und vertreibt die Waren der Klägerin im Rahmen des Networks-Marketings. Randnummer 4 Die Produkte der Klägerin werden in Deutschland von mehr als 50.000 aktiven Vertriebspartnern vertrieben, teils als Nebengewerbe, teils mit größerem Umsatz. Von ihren Vertriebspartnern fordert die Klägerin, dass diese bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit hinreichend geschult werden müssen und die Fortbildung auch während der Tätigkeit für die Klägerin fortzusetzen haben. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Vertrieb aufgrund des hohen Standards und der hohen Qualität sowie des guten Markenimages der Produkte der Klägerin ausschließlich über das Network-Marketing erfolgt. Ein Vertrieb über den stationären Handel, das heißt in Supermärkten, Apotheken oder vergleichbaren Ladengeschäften findet nicht statt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin ist Ziel dieses Vertriebssystems, den Endkunden durch persönliche Beratung und Betreuung durch den jeweiligen Vertriebspartner das bestmögliche Produkt, abgestimmt auf seine persönlichen Bedürfnisse für den jeweiligen Anwendungsbedarf, zu empfehlen. Randnummer 5 Unstreitig zwischen den Parteien ist weiter, dass die Klägerin für die Inhaltsstoffe im Vergleich zu Produkten anderer Wettbewerber, die Nahrungsergänzungen und Kosmetikartikel im Internet oder in Supermarkt- oder Drogerieketten vertreiben, hochwertige Rohstoffe mit einem hohen Wirk- und Reinheitsgrad verwendet. Die Produkte werden darüber hinaus stets weiterentwickelt und auch von Spitzensportlern verwendet. Randnummer 6 Die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin hochwertige Qualität der Produkte in Verbindung mit der persönlichen Beratung erfordern und gestatten eine vergleichsweise hohen Preisgestaltung der Produkte der Klägerin. So bietet beispielsweise die Klägerin das Nahrungsergänzungsmittel A.+, das die Aminosäure L-Arginin sowie einen gesonderten Vitaminkomplex enthält, für 67,50 € an. Dagegen bieten andere Händler Arginin-Pulver-Produkte für Preise zwischen 13,00 € und 26,00 € an. Randnummer 7 Die Klägerin lässt ergänzend zum Absatz über das Network Marketing auch einen Vertrieb ihrer Produkte über das Internet zu. Es gibt derzeit mehrere tausend Webseiten mit F.-Werbung und Produkten. Der Vertrieb über das Internet führte jedoch seit 2008 zu Problemen. Durch vertragswidrige und irreführende Aussagen zu unterschiedlichen Produkten der Klägerin, insbesondere auf der Plattform eBay, kam es zu Verwirrungen bei Endkunden. Darüber hinaus gab es wegen unlauterer Werbemaßnahmen im Internet behördliche Maßnahmen gegen die Klägerin nach dem LFGB, die unter anderem zu einem kurzzeitigen Verkaufsverbot eines Produkts der Klägerin führten. Des Weiteren entschieden nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerin mehrere Oberlandesgerichte in den Jahren 2007 und 2008, dass die Klägerin nach § 8 Absatz 2 UWG für das unlautere Verhalten ihrer Vertriebspartner selbst einzustehen habe. Randnummer 8 Mit Blick auf die Vielzahl an Webseiten der Vertriebspartner und der zahlreichen damaligen eBay-Verkäufe durch Vertriebspartner der Klägerin, entschied sich die Klägerin, wie sie vorträgt, aufgrund der vorgenannten Umstände den Internetvertrieb zu regulieren. Die Klägerin erlaubt nunmehr den Vertrieb ihrer Produkte über das Internet nur, sofern die Vertriebspartner die vertraglich qualifizierten Anforderungen an einen Internetvertrieb erfüllen und von der Klägerin eine entsprechende Genehmigung erhalten. Auszugsweise enthält Ziffer 26.1 b) der Unternehmensrichtlinien der Klägerin folgende Regelungen zu den Anforderungen an die eigene Webseite des Vertriebspartners für den Vertrieb der Produkte der Klägerin: Randnummer 9 „b) Die Website soll den Endverbraucher durch entsprechende Hinweise oder Kontaktaufnahmemöglichkeiten dazu motivieren, sich in Rahmen von persönlichen Gesprächen von dem geschulten FBO beraten zu lassen, um auch bei dem Vertrieb über das Internet den F. Grundsatz des personenbezogenen Warenabsatzes zu wahren. Insbesondere sind auf der Website des Vertriebspartners neben seinem Namen die Adresse und die weiteren erforderlichen Kommunikationsdaten, über die ein persönliches Beratungsgespräch erfolgen kann, zu nennen.“ Randnummer 10 Einen Vertrieb ihrer Produkte über eBay und vergleichbare Internetplattformen schließt die Klägerin dagegen aus. Insbesondere heißt es hierzu unter der Ziffer 26.1 j) der Unternehmensrichtlinien: Randnummer 11 „j) Der Verkauf über eBay und vergleichbare Internethandelsplattformen genügt nach aktuellem Stand der Ausgestaltung dieser Formate und der dortigen Möglichkeit der Produktdarstellung nicht den für den Internetvertrieb geltenden hochwertigen vorgenannten F. Ansprüchen. Dies gilt umso mehr, als bei eBay und vergleichbaren Internetplattformen es nicht hinreichend möglich ist, die gesamte Produktpalette von F. in der gewünschten Qualität abzubilden und das für den F. Vertrieb immanente Merkmal der persönlichen Beratung einfließen zu lassen ebenso wie häufig die Anbieter bei eBay erst nach Durchführung der Bestellung identifizierbar sind, was ebenfalls nicht dem hohen Standard von F. genügen kann. Hinzu kommt, dass bei eBay in wirtschaftlich vernünftiger Weise nicht hinreichend zu kontrollieren ist, ob die Produktfotos und Webeaussagen den offiziellen Werbeaussagen von F. entsprechen. Aus diesem Grund ist ein Vertrieb der F.-Produkte über eBay und vergleichbare Internethandelsplattformen daher derzeit nicht zulässig.“ Randnummer 12 Der Beklagte nahm bei Vertragsschluss mit der Klägerin deren Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie deren Unternehmensrichtlinien ausdrücklich an. Hinsichtlich der Einzelheiten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie der Unternehmensrichtlinien wird auf die Anlagen K 5 respektive K 7 Bezug genommen. Randnummer 13 Seit dem Jahr 2008 überwacht die Klägerin selbst und durch ihre Prozessbevollmächtigen die Internetauftritte ihrer Vertriebspartner und geht fortlaufend gegen Angebote auf eBay vor. In diesem Zusammenhang gab es weit mehr als 100 anwaltliche und teilweise gerichtliche Verfahren gegen Vertriebspartnern der Klägerin, die ihre Waren auf eBay feilboten. Um es den Vertriebspartnern zu erleichtern, die Standards der Klägerin für einen Internetvertrieb zu erfüllen, stellt die Klägerin den Vertriebspartner einen standardisierten, die gesamte Produktpalette der Klägerin abdeckenden „Online-Retailshop“ für 9,90 € monatlich zur Verfügung. Randnummer 14 Der Beklagte bot im August 2014 ohne Genehmigung der Klägerin auf der Handelsplattform eBay die Produkte F., A.+, F. A. H., F. A. 2.G, A. V. G. der Klägerin zum Verkauf an. Hierbei stellte er Einzelprodukte der Klägerin auf die Handelsplattform ein (Anlage K 7). Aufgrund dieses Verhaltens wurde der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 21.08.2014 abgemahnt. Randnummer 15 Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Vertriebes ihrer Waren auf der Internetplattform eBay zu. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt : Randnummer 17 1. Es wird dem Beklagten verboten, während des Bestehens des Vertriebsvertrages zwischen ihm und der Klägerin Nahrungsergänzungen und Kosmetikprodukte der Klägerin auf der Internethandelsplattform eBay zu bewerben und/oder zu vertreiben, Randnummer 18 wenn dies wie in Anlage K 7 dargestellt geschieht. Randnummer 19 2. Dem Beklagten wird für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt , Randnummer 21 die Klage abzuweisen. Randnummer 22 Der Beklagte ist der Meinung, ein vertraglicher Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da die vertragliche Anspruchsgrundlage, die Ziffer 26.1 e) ff. der Unternehmensrichtlinien, gegen Art. 101 AEUV und § 1 GWB verstoße. Sie stellten eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung dar. Die Beschränkung des Wettbewerbs für ihn, den Beklagten, bestehe insbesondere, weil ihm als kleinerem Händler keine gleichwertigen Handlungsalternativen zu Onlinehandelsplattformen wie eBay oder Amazon offen stünden. Der Errichtung eines gleichwertigen Online-Shops stünden erhebliche finanzielle und zeitliche Investitionen im Wege. Randnummer 23 Das selektive Vertriebssystem der Klägerin sei überdies unzulässig. Die Produkte rechtfertigten kein wettbewerbsbeschränkendes selektives Vertriebssystem. Insbesondere seien sie im Vergleich zu technisch hochwertigen Gegenständen, etwa den in der Rechtsprechung für ein selektives Vertriebssystem zugelassenen Funktionsrucksäcken weder technisch hochwertig, noch in der Anwendung kompliziert und auch kein langlebiges Konsumgut. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Produkte der Klägerin überhaupt beratungsintensiv sein sollten. Randnummer 24 Das in Ziffer 26.1.j) der Unternehmensrichtlinien enthaltene pauschale Verbot des Weiterverkaufs über eBay stelle eine unzulässige Kernbeschränkung im Sinne des Artikel 4 lit. c Vertikal-GVO dar. Letztlich lägen auch die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung der Klägerin gemäß § 2 GWB, Artikel 101 Abs. 3 AEUV nicht vor. Randnummer 25 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze einschließlich sämtlicher zu Akte gereichten Anlagen ergänzend Bezug genommen.
1. Dem Beklagten wird bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf, verboten, während des Bestehens des Vertriebsvertrages zwischen ihm und der Klägerin Nahrungsergänzungen und Kosmetikprodukte der Klägerin auf der Internethandelsplattform eBay zu bewerben und/oder zu vertreiben, wenn dies wie in Anlage K 7 dargestellt geschieht. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 34.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat
Berlin
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25.06.2015
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer höheren Vergütung für seine Tätigkeit als Vertreter gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG. Randnummer 2 Im Rahmen des 2005 eingeleiteten, auf §§ 56 und 64 sowie 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 86 Abs. 1 FlurbG beruhenden (kombinierten) Bodenordnungsverfahrens Dedelow-Uckerniederung wurde der Kläger auf Antrag des Verbandes für Landentwicklung und Flurneuordnung Brandenburg (im Folgenden: Verband) vom 11. Dezember 2007 durch Beschluss des Amtsgerichts Prenzlau vom 27. Mai 2008 gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG zum Vertreter des in Brasilien wohnhaften und an diesem Verfahren als Grundstückseigentümer beteiligten M... bestellt. In diesem Beschluss wurde u.a. festgestellt, dass der als Rechtsanwalt tätige Kläger die Vertretung „berufsmäßig führe“, sich der Vergütungsanspruch nach § 119 Abs. 3 FlurbG richte und für das Amt die Vorschriften über die Pflegschaft entsprechend gelten würden. Randnummer 3 Nachdem der Kläger für das Grundstück des Vertretenen einen Käufer gefunden, mit diesem eine Geldabfindung gegen entsprechenden Landverzicht vereinbart und sowohl die obere Flurbereinigungsbehörde als auch das Amtsgericht Prenzlau dies genehmigt hatten, hob Letzteres die „Abwesenheitspflegschaft“ mangels fortbestehendem Sicherungsbedürfnis durch Beschluss vom 11. Januar 2012 wieder auf. Randnummer 4 Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2012 machte der Kläger gegenüber dem Verband Vergütungen und Aufwendungen in Höhe von 658,67 EUR geltend und bat um Genehmigung zur Entnahme dieses Betrags aus dem Vermögen des Vertretenen, dessen Konto er verwalte und dessen Geldbestand diesen Betrag übersteige. In der beigefügten Abrechnung brachte er dabei 7 Stunden und 5 Minuten mit einem Stundensatz von je 70 EUR in Ansatz. Mit Schreiben vom 4. April 2012 teilte das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (im Folgenden: Landesamt), an das der Verband den Antrag weitergeleitet hatte, dem Kläger mit, dass sich der Anspruch gegen den Rechtsträger der um die Bestellung ersuchenden Behörde richte, die Abrechnung daher beim Land Brandenburg, vertreten durch das Landesamt, geltend zu machen sei, dem die Aufsicht über den Verband obliege. Gemäß § 119 Abs. 4 FlurbG i.V.m. § 1836 Abs. 1 BGB und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern – VBGB – bestehe nur ein Vergütungsanspruch von 33,50 EUR pro Stunde. Daraufhin machte der Kläger mit Schriftsatz vom 11. April 2012 beim Landesamt zwar nur noch einen Betrag von 611,21 EUR geltend, legte dabei allerdings wiederum einen Stundensatz von 70 EUR zugrunde. Zur Begründung führte er aus, in der nach § 119 Abs. 3 FlurbG zu beurteilenden Frage der Angemessenheit der Vergütung seien die von ihm nutzbaren Fachkenntnisse sowie Umfang und Schwierigkeit der Vertretertätigkeit zu berücksichtigen. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 setzte das Landesamt die Vergütung für die Tätigkeit des Klägers als Vertreter gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG im o.g. Verfahren auf 303,54 EUR fest und erklärte den Kläger für berechtigt, den Betrag aus dem Vermögen des Vertretenen zu entnehmen. Hierbei legte es einen Stundensatz von 33,50 EUR zugrunde und addierte vom Kläger geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 17,79 EUR sowie die Umsatzsteuer. Zur Begründung verwies es darauf, dass § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die Regelungen im VBVG verweise, der in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 einen Vergütungsanspruch in Höhe von 33,50 EUR pro Stunde vorsehe. Besondere Schwierigkeiten, die eine höhere Vergütung rechtfertigen könnten, hätten vorliegend nicht bestanden. Die Aufgaben des Vertreters in dem behördlich geleiteten Verfahren würden durch die im Flurbereinigungsgesetz geregelten Verfahrensabschnitte bestimmt und unterlägen der Aufsicht der oberen Flurbereinigungsbehörde. Randnummer 6 Zur Begründung seines Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, zwar habe hier ein von der Behörde geführtes Verfahren vorgelegen, die wesentlichen verfahrensleitenden Schritte (umfangreiche Informationsbeschaffungen bei Grundbuchämtern, Katasteramt und Gutachterausschuss) seien jedoch von ihm ausgegangen. Auch habe er sich erst in das ihm - wie den meisten Rechtsanwälten - unbekannte Rechtsgebiet der Flurneuordnung einarbeiten müssen. Allein die Dauer des Verfahrens von etwa vier Jahren zeige den Umfang seiner Tätigkeiten auf. Darüber hinaus seien dem Vertretenen vorliegend die „grundsätzlichen Fachkenntnisse des Pflegers“ und die durch seine Ausbildung begründete schnelle Einarbeitungsfähigkeit zu Gute gekommen und bei der Vergütungsbemessung zu berücksichtigen. Die bislang festgesetzte Vergütung sei nur die Mindestvergütung für einen Pfleger, die außer Verhältnis zu seinen besonderen Qualifikationen stehe. Randnummer 7 Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012, zugestellt am 4. Oktober 2012, wies das Landesamt den Widerspruch des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die an der Vorbildung orientierte Vergütungsstaffelung in § 3 Abs. 1 VBVG berücksichtige bereits den Einsatz der erworbenen Fachkenntnisse. Insofern bestehe in § 3 Abs. 2 Satz 1 VBVG auch eine entsprechende Vermutung. Nur bei besonderen Schwierigkeiten der Vertretungsaufgaben gemäß § 3 Abs. 3 VBVG sei es in einem behördlich geleiteten Bodenordnungsverfahren ausnahmsweise gerechtfertigt, eine höheren Stundensatz zu vergüten. Solche seien aber nicht ersichtlich. Der Umfang der notwendigen Einarbeitung in das Verfahrensgebiet der Flurneuordnung sei bereits über die Anzahl der abgerechneten Stunden abgegolten. Randnummer 8 Zur Begründung seiner am 5. November 2012 - einem Montag - erhobenen Klage, die zunächst gegen „das Land Brandenburg, vertreten durch das Landesamt“ gerichtet war, macht der Kläger über sein Widerspruchsvorbringen hinaus im Wesentlichen Folgendes geltend: Randnummer 9 Bei der Feststellung der Angemessenheit der Vergütung gemäß § 119 Abs. 3 Satz 1 FlurbG sei weder auf die Regelungen des VBVG abzustellen, da ansonsten ein Verweis des Gesetzgebers hierauf nahegelegen hätte, noch auf die Regelungen über die Verfahrenspflegschaft im FamFG, weil dort das Prinzip der Freiwilligkeit der Übernahme gelte und der dortige Verfahrenspfleger ein selbstständiger Verfahrensbeteiligter und kein Vertreter sei. Maßgeblich sei im Hinblick auf § 119 Abs. 4 FlurbG vielmehr § 1915 BGB. Nach dessen Abs. 1 Satz 2 bestimme sich die Vergütung nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit dieser Geschäfte. Grund für die Abweichung von den Regelungen des § 3 VBVG sei der Umstand, dass die dortigen Regelsätze insbesondere für Nachlasspfleger zu unangemessen niedrigen Vergütungen führen könnten. In der Literatur würden deshalb Stundensätze ab 125 EUR bzw. eine Vervielfachung der Beträge in § 3 VBVG vertreten. Die Rechtsprechung halte Stundensätze zwischen 67 und 150 EUR je nach Tätigkeit und Schwierigkeit für angemessen. Zu berücksichtigen sei vorliegend auch, dass seine Verkaufsbemühungen aufgrund seines Bekanntheitsgrades auf dem Immobilienmarkt zu einem gegenüber dem angesetzten Verkehrswert des Grundstücks doppelt so hohen Kaufpreis geführt hätten. Randnummer 10 Der zur mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2015 nicht erschienene Kläger hat auf entsprechenden telefonischen Hinweis des Senats per Telefax seine Klage dahingehend geändert, dass Beklagter der Verband sein solle. Der Vertreter des Landesamtes und der in der mündlichen Verhandlung gleichfalls anwesende Vertreter des Verbandes haben der Klageänderung zugestimmt und der Letztgenannte hat darüber hinaus erklärt, er mache sich den Bescheid des Landesamtes vom 3. Juli 2012 als Ausgangsbescheid des Verbandes zu Eigen. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, Randnummer 12 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. Oktober 2012 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 17. Januar 2012 in der Fassung seines Schreibens vom 11. April 2012 eine weitere Vergütung nebst Auslagen in Höhe von 307,67 Euro zu gewähren. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Er vertritt - wie zuvor auch das Landesamt - die Auffassung, dem Kläger stehe der zusätzlich begehrte Betrag von 307,67 EUR nicht zu, da für die Frage der Angemessenheit des Vergütungsanspruchs des Vertreters im Sinne von § 119 Abs. 3 FlurbG auf § 3 Abs. 1 VBVG abzustellen sei. Im Übrigen begründe eine Abwesenheitspflegschaft gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG regelmäßig und auch im vorliegenden Fall keine besonderen Schwierigkeiten. Auch der Kläger selbst gehe vorliegend nur von einem „durchschnittlichen Verfahren“ aus. Randnummer 16 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2012 verpflichtet, dem Kläger über die ihm bereits zuerkannte Vergütung nebst Auslagen von 303,54 EUR für die Tätigkeit als Vertreter des Max Viktor Egon Ramm hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 307,67 EUR zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, das nach einem Streitwert von 307,67 EUR gebührenpflichtig ist. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 1. Senat
Hessen
1
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03.12.1973
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Lehrgangsgebühren, Fahrtkosten sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung für die Teilnahme an einem Ausbilderseminar des Bildungsförderungswerkes des Arbeitgeberverbandes der Hessischen Metallindustrie e. V. zu erstatten. Randnummer 2 Die Kläger, die eine abgeschlossene Berufsausbildung als Maschinenschlosser haben und seit Januar 1965 (Kläger zu 1.), Februar 1970 (Kläger zu 2.) bzw. Oktober 1969 (Kläger zu 3.) als Lehrlingsausbilder für die Schlosserberufe bei der Firma … Sch. Maschinenfabrik GmbH in D. tätig sind, stellten am 17. Januar 1972 bei der Beklagten den Antrag auf Förderung der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung. Sie beabsichtigten, in der Zeit vom 17. Januar 1972 bis zum 22. Januar 1972 an dem Ausbilderseminar des Bildungsförderungswerkes des Arbeitgeberverbandes der Hessischen Metallindustrie e.V., in B. N. teilzunehmen, das als Tageslehrgang mit insgesamt 60 Unterrichtsstunden durchgeführt wurde. In dem Seminar, das als „Grundseminar zur Vermittlung arbeits- und berufspädagogischer Kenntnisse gemäß § 20 Abs. 3 Ziff. 3 Berufsbildungsgesetz” bezeichnet war, wurden folgende Sachgebiete bearbeitet: „Formen und Entwicklungstendenzen der industriellen Ausbildung, gesetzliche Grundlagen der Berufsausbildung, persönliche und fachliche Eignung des Berufsausbilders, Didaktik und Methodik des Lehrens und Lernens, angewandte Arbeitspädagogik, psychologische Grundlagen des Lehrens und Lernens, Ausbildungsordnung.” Randnummer 3 Die Kursusgebühren betrugen 135,– DM und die Kosten für Unterkunft und Verpflegung 240,– DM. Die Arbeitgeberin der Kläger kam mit diesen überein, daß die Kläger die Kursusgebühren sowie die Kosten für Unterkunft und Verpflegung selbst trugen, während die Firma die Kosten des Arbeitsausfalles übernahm. Randnummer 4 Durch Bescheide vom 26. April 1972 lehnte die Beklagte die Anträge der Kläger zu 1. bis 3. mit der Begründung ab, die in § 43 AFG gegebene Möglichkeit der Förderung von Fortbildungsmaßnahmen, die auf die Heranbildung und Fortbildung von Ausbildungskräften gerichtet seien, bezöge sich nur auf Ausbilder, die überwiegend auf dem Gebiet der Schulung Erwachsener, nicht aber auf solche, die überwiegend in der betrieblichen Lehrlingsausbildung tätig würden. Die Widersprüche der Kläger blieben erfolglos (Kläger zu 1.: Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1972; Kläger zu 2.: Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1972; Kläger zu 3.: Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1972). Randnummer 5 Mit ihren Klagen begehrten die Kläger, die Beklagte zur Gewährung der beantragten Leistungen zu verurteilen. Zur Begründung trugen sie vor, ihre Teilnahme an der Maßnahme diene nicht nur Betriebszwecken, so daß das Erfordernis eines besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses nicht aufgestellt werden dürfe. Es bestehe gerade an geschulten Lehrlingsausbildern derzeit in allen Wirtschaftszweigen ein großer Bedarf, der bisher nur unzureichend gedeckt werden könne. Daraus ergebe sich ein starkes arbeitsmarktpolitisches Interesse im Sinne von § 8 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (im folgenden abgekürzt: A FuU), selbst wenn man unterstelle, daß die Maßnahme auch Betriebszwecken diene. Die Regelung des § 43 Abs. 1 Nr. 5 AFG biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß die dort genannten Ausbildungskräfte überwiegend im Bereich der beruflichen Erwachsenenbildung tätig sein müßten. Bei den gemäß § 43 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 und 6 AFG zu fördernden Maßnahmen werde ersichtlich allein darauf abgestellt, ob es sich für den einzelnen Teilnehmer der Veranstaltung um eine berufliche Bildung handele. Daher sei es nicht verständlich, in § 43 Abs. 1 Nr. 5 gerade nicht auf die Person, sondern lediglich auf das mit der Fortbildung angestrebte Ziel abzustellen. Bei § 2 A FuU müsse von denselben Begriffsinhalten wie in § 43 AFG ausgegangen werden. Randnummer 6 Durch Urteil vom 13. März 1973 gab das Sozialgericht Darmstadt der Klage statt und ließ die Berufung zu. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, bei der „Ausbildung von Ausbildern” handele es sich um berufliche Fortbildung im Sinne der §§ 41 ff. AFG und nicht um berufliche Ausbildung nach § 40 AFG. Unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Nr. 5 AFG habe die Beklagte die Heranbildung und Fortbildung von Ausbildungskräften zu fördern, ohne daß die Vorschrift darauf abziele, die für die Durchführung erwachsenenspezifischer Bildungsmaßnahmen benötigten Ausbildungskräfte heran- und fortzubilden. Bei der Beurteilung der Förderungsfähigkeit dürfe nicht auf die künftige Aufgabe der Lehrgangsteilnehmer abgestellt werden, sondern komme es allein darauf an, ob eine Maßnahme geeignet sei, dem Teilnehmer eine bessere Ausgangsposition auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen bzw. dem Markt qualifizierte Arbeitnehmer zuzuführen. Wenn die Beklagte meint es habe nicht in der Absicht des Gesetzgebers liegen können originäre Leistungen der Wirtschaft im Rahmen der beruflichen Bildung auf die Bundesanstalt dadurch abzuwälzen, daß diese nunmehr die Heranbildung der nach dem Berufsbildungsgesetz vorgesehenen Ausbilder finanziere, so übersehe sie dabei, daß es nach dem Berufsbildungsgesetz gar nicht die Aufgabe der Betriebe im Sinne einer Verpflichtung sei, Ausbildungskräfte heranzubilden. Grundsätzlich sei es Sache des Einzelnen, sich um die Qualifikation als Ausbilder zu bemühen. § 43 Abs. 2 AFG stehe einer Förderung nicht entgegen. Die besonderen Förderungsvoraussetzungen dieser Vorschrift bezögen sich auf die Maßnahme und ihre Ausgestaltung, nicht aber auf den einzelnen Lehrgangsteilnehmer, der auch oder sogar in erster Linie aus betrieblichen Gründen an der Maßnahme teilnehmen könne. Die Grundseminare für Ausbilder, an der die Kläger teilgenommen hätten, seien aber nicht auf die Zwecke eines Betriebes oder Verbandes ausgerichtet. Voraussetzung der Förderbarkeit sei daher nicht ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Maßnahme. Es genüge vielmehr, daß die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zweckmäßig erscheine. Randnummer 7 Gegen das ihr am 7. Mai 1973 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. Juni 1973 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, ihrer Ansicht nach könnten im Rahmen des § 43 Abs. 1 Nr. 5 AFG nur Personen gefördert werden, die überwiegend im Bereich der beruflichen Erwachsenenbildung tätig werden wollten oder bereits tätig seien. Demgegenüber sei die Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen, die auf die Heranbildung und Fortbildung von Ausbildungskräften für den Bereich der Jugendlichenausbildung gerichtet sei, nicht förderungsfähig. Das Berufsbildungsgesetz weise die Sorge für einen Kenntnis- und Wissensstand der Ausbilder in der Berufsausbildung, der den Anforderungen des genannten Gesetzes entspreche, den Institutionen zu, die Berufsausbildung betrieben. Das seien in erster Linie die Betriebe der Wirtschaft. Daraus folge, daß der Tatbestand der „Heranbildung und Fortbildung von Ausbildungskräften” in § 43 Abs. 1 Nr. 5 AFG die Förderung eines anderen Personenkreises als den der in der Berufsausbildung tätigen Ausbilder betreffen müsse. Es habe nicht in der Absicht des Gesetzgebers liegen können, durch das AFG originäre Leistungen der Wirtschaft im Rahmen der beruflichen Bildung auf die Bundesanstalt zu überwälzen. Einer Förderung stehe außerdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 AFG entgegen, wonach Maßnahmen, die auf die Zwecke eines Betriebes oder Verbandes ausgerichtet seien, nur gefördert werden, wenn dafür ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe. Da das Bemühen um die Teilnahme an den Bildungsgängen in den vorliegenden Fällen nachweisbar von den Arbeitgebern ausgegangen sei, liege eine Interessengebundenheit in der Person des Antragstellers begründet, so daß einer Förderung § 43 Abs. 2 AFG in Verbindung mit § 4 A FuU entgegenstehe. Randnummer 8 Die Beklagte beantragt – im Wege einer Entscheidung nach Lage der Akten –, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. März 1973 aufzuheben und die Klagen abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen. Randnummer 9 Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 10 Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und tragen ergänzend vor, bei dem von ihnen besuchten Lehrgang handele es sich insofern um eine erwachsenenspezifische Bildungsmaßnahme, als der zu fördernde Teilnehmerkreis eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung vorweisen müsse. Daraus könne jedoch umgekehrt nicht gefolgert werden, daß derjenige, der sich als Ausbildungskraft heran- oder fortbilden wolle, nach abgeschlossener Bildungsmaßnahme auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung tätig sein müsse. Bei einer Förderung durch die Beklagte würden auch nicht originäre Leistungen der Wirtschaft auf die Bundesanstalt abgewälzt. Aus § 20 Abs. 4 Berufsbildungsgesetz lasse sich nicht herleiten, daß die Ausbildung der Ausbilder in solchen Betrieben, deren Inhaber selbst keine Ausbildereignung hätten, nun gerade dem Betrieb obliege. Wo die Ausbildung zu geschehen habe und wo sie nachzuweisen sei, ergebe sich aus der Ausbildereignungsverordnung. Die von den Klägern besuchte Fortbildungsmaßnahme sei nicht betriebs- oder verbandsspezifisch, sondern sei gezielt auf die Ausbildereignungsverordnung abgestellt und ausgerichtet gewesen. Diese Ansicht habe auch das Arbeitsamt … geteilt. Randnummer 11 Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten der Beklagten, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. März 1973 wird zurückgewiesen. II. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt wird dahingehend berichtigt, daß die Bescheide der Beklagte vom 26. April 1972 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. Juni 1972 und vom 11. Juli 1972 aufgehoben werden. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern für die Teilnahme an dem von dem Arbeitgeberverband der Hessischen Metallindustrie veranstalteten Ausbilderseminar vom 17. Januar bis zum 22. Januar 1972 Lehrgangskosten, Fahrtkosten sowie Kosten für Unterkunft und Verpflegung in gesetzlichem Umfange zu erstatten. III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. IV. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Berufungskammer
Hessen
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16.12.2022
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Die Parteien streiten über die Frage, ob die Verfügungsklägerin einen Anspruch auf vorläufige Unterlassung einer Stellenbesetzung zur Wahrung eines Beschäftigungsanspruchs geltend machen kann. Die 45jährige Verfügungsklägerin, die unverheiratet ist und ein Kind hat, ist seit 1. Januar 2003 bei der Verfügungsbeklagten als Bankangestellte auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 5. Dezember 2002 (Bl. 10 f. der Akte) beschäftigt. Sie ist Diplombetriebswirtin (FH) und verfügt über eine Ausbildung als Bankkauffrau. Vor ihrer Beschäftigung bei der Verfügungsbeklagten war sie vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1998 bei der Steuerberatungskanzlei A beschäftigt, über die Beschäftigung wurde das Zeugnis vom 19.12.1998 (Bl. 17 der Akte) erteilt. In der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 2002 war sie als Betriebswirtin bei dem Unternehmen B beschäftigt, hierüber würde das Zeugnis vom 31. Juli 2002 (Bl. 18 der Akte) erteilt. Gemäß § 1 Satz 1 des schriftlichen Arbeitsvertrags war sie als „Bankangestellter“ angestellt und wurde tariflich zuletzt nach der Vergütungsgruppe TG 8 vergütet. Sie wurde in der Vergangenheit zunächst in C mit dem Vorgesetzten D eingesetzt, seit 19. März 2018 wird sie in E im Bereich Konsolidierung eingesetzt mit dem Bereichsleiter F. Das Team der Abteilung Konsolidierung besteht aus fünf Mitarbeitern und dem Vorgesetzten F. Die Zusammenarbeit mit diesem Vorgesetzten verlief nicht reibungslos. Unter dem Datum 3. Juni 2020 erteilte die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin eine Abmahnung. In der Folgezeit entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten, weil die Verfügungsklägerin sich über Herrn F beim Betriebsrat beschwert hatte. Die Verfügungsbeklagte erteilte der Verfügungsklägerin ferner mit Schreiben vom dem 30. September 2020 eine Ermahnung. Seit 23. Februar 2021 ist die Verfügungsklägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ein BEM-Verfahren wurde eingeleitet. Am 16. März 2022 fand ein BEM-Gespräch unter Beteiligung der Rechtsanwälte beider Seiten statt. Über die Ursache der Erkrankung liegt ein ärztliches Attest des Dr. med. G vom 17. Mai 2022 vor wie folgt: „Bei Frau H besteht eine schwere depressive Episode. Die Patientin wird medikamentös behandelt. Die depressive Episode ist in überwiegendem Maße reaktiv bedingt, dies hat mit Bemerkungen am Arbeitsplatz durch die Vorgesetzten zu tun. Die psychische Belastung ist manchmal von ihr nicht zu schaffen. Die Arbeitssituation sollte insgesamt geändert werden. Erst dann ist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erwarten. Dies ist am ehesten durch einen neuen alternativen Arbeitsplatz möglich. Einverstanden auf Grund eigener Untersuchung und Urteilsbildung.“ Zusätzlich erteilte die Betriebsärztin am 14. Juli 2022 folgendes Attest: „Frau H stellte sich am 8.7.2022 betriebsärztlich bei mir vor. Aufgrund von ausgeprägten gesundheitlichen Beschwerden, die hauptsächlich reaktiv und auf die derzeitige Arbeitsplatzsituation bezogen sind, ist dringend ein Arbeitsplatzwechsel in eine andere Abteilung der Bank zu empfehlen entsprechend eines leidensgerechten Arbeitsplatzes. Aufgrund ihrer beruflichen Aus- und Weiterbildungen im Vorfeld ist sicherlich eine Bewerbung in der Abteilung Rechnungswesen als sinnvoll zu betrachten und wird von betriebsärztlicher Seite unterstützt. Bei Problemen oder Fragen kann sich gerne mit mir in Verbindung gesetzt werden, für ein BEM Gespräch in erweiterter Runde wenn gewünscht stehe ich auch zur Verfügung wenn es zeitlich möglich ist.“ Die Verfügungsbeklagte hat derzeit zwei Arbeitsplätze ausgeschrieben, jeweils im Rechnungswesen in Vollzeit an ihrem Standort in C. Hinsichtlich der Stellenprofile A9 und A10 wird verwiesen auf Bl. 15 und 19 der Akte. Darin wird im Wesentlichen eine Bankausbildung und idealerweise Berufserfahrung im Rechnungswesen gefordert. Beide Positionen beabsichtigt die Verfügungsbeklagte nach der Tarifgruppe TG 5 zu vergüten. Die Verfügungsklägerin hat sich auf beide Positionen erfolglos beworben. Über die Versetzung der Verfügungsklägerin auf eine der gewünschten Stellen streiten die Parteien derzeit vor dem Arbeitsgericht Darmstadt in einem Hauptsacheverfahren. Die Verfügungsklägerin hat beantragt, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die Stelle Mitarbeiterin im Rechnungswesen in Vollzeit in E mit insbesondere den Arbeitsaufgaben: - der Bearbeitung des statistischen und aufsichtsrechtlichen Meldewesens, - der Beurteilung von Buchhaltungs- und Bilanzierungssachverhalten und - der Mitwirkung bei der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung für die Beklagte und deren angegliederte Tochtergesellschaften sowie die Stelle Mitarbeiterin im Rechnungswesen in der Abteilung Rechnungswesen in Miltenberg mit insbesondere folgenden Arbeitsaufgaben: - Überwachung und Abstimmung von Haupt- und Sachkonten und die Verwaltung des Sachkontenplans - Kontrolle, Erfassung, Kontierung und Verbuchung der Eingangsrechnungen - Abstimmung von Haupt- und Nebenbüchern - Bearbeitung der KESt-Meldung - Aktive Mitarbeit bei der laufenden Finanz- und Anlagenbuchhaltung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zur leidensgerechten Beschäftigung der Verfügungsklägerin auf einer dieser Stellen zu besetzen. Der Verfügungsbeklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Hinsichtlich der streitigen Tatsachenbehauptungen und Rechtsansichten beider Parteien in der ersten Instanz wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen. Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Anträge der Verfügungsklägerin mit Urteil vom 31. August 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, der Verfügungsklägerin stünde kein Verfügungsanspruch auf Unterlassung der Besetzung der Stellen aus § 241 Abs. 2 BGB zu. Die zu besetzenden Stellen seien in die Vergütungsgruppe TG 5 eigruppiert, die Verfügungsklägerin erhalte derzeit allerdings Vergütung nach der Vergütungsgruppe TG 8. Der Arbeitgeber könne im Rahmen seines Direktionsrechts eine solche schlechter bewertete Stelle nicht einseitig zuweisen. Die Klägerin habe sich auch nicht eindeutig dazu erklärt, ob sie überhaupt bereit sei, die Position im Rechnungswesen zu der geringeren Vergütung auszuüben. Zudem stünde nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die Verfügungsklägerin die beiden in Rede stehenden Positionen im Hinblick auf die Stellenbeschreibungen ausüben könne. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens könne nicht abschließend darüber entschieden werden, ob die Verfügungsklägerin die dort geforderten Kompetenzen tatsächlich aufweise. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird verwiesen auf Bl. 85 - 92 der Akte. Dieses Urteil ist der Verfügungsklägerin am 2. September 2022 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 23. September 2022 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ist am 2. November 2022 bei dem Berufungsgericht eingegangen. In der Berufungsinstanz vertritt die Verfügungsklägerin die Auffassung, dass ihre Anträge zu Unrecht abgewiesen worden seien. Sie meint, dass es Sache der Arbeitgeberin sei, die Bewertung der im Streit stehenden Positionen mit der Entgeltgruppe TG 5 zu begründen, ihr stünden nur die allgemein zugänglichen Informationen wie die Stellenausschreibung zur Verfügung. Ferner vertritt sie die Ansicht, dass die Verfügungsbeklagte ihr eine Vergütungssicherung nach Teil B Vergütungstarifvertrag für die Volksbanken und Raiffeisenbanken zubilligen müsse, da sie dem Unternehmen zehn Jahre angehörte. Sie erfülle auch die ausbildungsbezogenen Qualifikationen der Stellen, die Arbeitgeberin habe sie trotz angeblich fehlender Softskills unter Rücksichtnahme auf ihren Gesundheitszustand zu beschäftigen. Die Verfügungsklägerin stellt die Anträge, das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 31. August 2022 - 10 Ga 2/22 - abzuändern und der Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, die Stelle Mitarbeiterin im Rechnungswesen in Vollzeit in C mit insbesondere den Arbeitsaufgaben: - der Bearbeitung des statistischen und aufsichtsrechtlichen Meldewesens, - der Beurteilung von Buchhaltungs- und Bilanzierungssachverhalten und - der Mitwirkung bei der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung für die Beklagte und deren angegliederte Tochtergesellschaften sowie die Stelle Mitarbeiterin im Rechnungswesen in der Abteilung Rechnungswesen in C mit insbesondere folgenden Arbeitsaufgaben: - Überwachung und Abstimmung von Haupt- und Sachkonten und die Verwaltung des Sachkontenplans - Kontrolle, Erfassung, Kontierung und Verbuchung der Eingangsrechnungen - Abstimmung von Haupt- und Nebenbüchern - Bearbeitung der KESt-Meldung - Aktive Mitarbeit bei der laufenden Finanz- und Anlagenbuchhaltung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zur leidensgerechten Beschäftigung der Verfügungsklägerin auf einer dieser Stellen zu besetzen. Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Verfügungsbeklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die Verfügungsklägerin könne sich nicht auf eine Entgeltsicherung nach § 11 der Vergütungsordnung für Bestandskräfte berufen. Es fehle bereits an einem entsprechenden Angebot durch die Arbeitgeberin. Sie sei auch fachlich nicht in der Lage, die freien Stellen auszufüllen, so verfüge sie über keinerlei Erfahrungen im Meldewesen. Sie erbringe unterdurchschnittliche Leistungen und ihr fehlten auch Softskills wie Leistungsbereitschaft, Teamorientierung, sicheres Auftreten etc. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen würden im Wesentlichen die subjektive Darstellung der Verfügungsklägerin wiedergeben und seien deshalb nicht aussagekräftig. Eine der beiden Stellen sei nunmehr vergeben und werde zum 1. Januar 2023 besetzt werden. Sie meint, das Verhalten der Verfügungsklägerin sei rechtsmissbräuchlich, da sie dauerhaft die Handlungsfähigkeit der Arbeitgeberin zu blockieren versuche. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 31. August 2022 – 10 Ga 2/22 – wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.
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VG Berlin 34. Kammer
Berlin
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14.03.2022
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Randnummer 1 Die 29 Jahre alte Klägerin ist staatenlose Palästinenserin aus dem Libanon und begehrt zuletzt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes. Randnummer 2 Die Klägerin reiste im Dezember 2017 in das Bundesgebiet ein und stellte am 9. Dezember 2017 einen Asylantrag. Bei ihrer Anhörung am 19. Dezember 2017 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trug sie vor, dass sie wegen erheblichen familiären Schwierigkeiten, insbesondere mit ihrem Bruder, den Libanon verlassen habe. Sie legte eine Registrierungskarte von der UNRWA und ein Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin vor, der eine Gastritis und ein Erschöpfungssyndrom mit Verdacht auf das Vorliegen einer Depression bescheinigte. Randnummer 3 Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. März 2018 lehnte die Beklagte eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Asylberechtigung und subsidiären Schutzes ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung in den Libanon zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Randnummer 4 Die Klägerin ist mittlerweile nach islamischen Recht mit dem aus dem Libanon stammenden Palästinenser M... verheiratet. Dessen Asylantrag wurde mit Bescheid vom 16. März 2021 abgelehnt, derzeit ist Klage bei dem VG Dresden zum Aktenzeichen 1... anhängig. Die Klägerin ist aktuell mit ihrem zweiten Kind schwanger, errechneter Geburtstermin ist 26. April 2022. Ihr erstes in Deutschland 2021 geborene Kind A... ist Kläger des Verfahrens VG 34 K 67/22 A, in dem er sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages durch Bescheid vom 14. Februar 2022 wendet. Über dessen Klage wurde mit Urteil vom gleichen Tage entschieden. Randnummer 5 Nach Zustellung des Bescheides am 30. August 2018 verfolgt die Klägerin ihr Begehren mit ihrer bei Gericht am 12. September 2018 eingegangenen Klage, zunächst gerichtet auf die Zuerkennung internationalen Schutzes, weiter. Insgesamt sei die wirtschaftliche Situation im Libanon sehr schwierig. Bei einer Rückkehr hätte sie nun auch zwei kleine Kinder zu versorgen, ihre frühere Erwerbstätigkeit als Friseurin könne sie nicht länger ausüben. Randnummer 6 Nachdem sie die Klage im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes zurückgenommen hat, beantragt sie zuletzt, Randnummer 7 die Beklagte unter Aufhebung von Ziffern 4 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. März 2018 zu verpflichten, für sie ein Abschiebungsverbot hinsichtlich des Libanons festzustellen. Randnummer 8 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und macht ergänzend geltend, dass sich aus ihrer Sicht die Situation der Klägerin nicht der einer palästinensischen Familie aus dem Libanon stammend unterscheide. Randnummer 11 Die Kammer hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2021 den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2022 und am 14. März 2022 angehört worden. Ihr Ehemann nach islamischen Recht M... ist in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2022 als Zeuge vernommen worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom sowie die dem Gericht vorliegenden Akten verwiesen.
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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VG Trier 2. Kammer
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22.02.2018
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Kammerbeiträgen für die Jahre 2014 und 2016. Randnummer 2 Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 setze die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Jahr 2014 auf der Bemessungsgrundlage des Gewerbeertrages 2014 einen Beitrag in Höhe von ... EUR (davon ... EUR Grundbeitrag und ... EUR Umlagebeitrag) sowie für das Jahr 2016 im Wege der vorläufigen Veranlagung einen Beitrag in Höhe von ... EUR (davon ... EUR Grundbeitrag und ... EUR Umlagebeitrag) fest. Randnummer 3 Die Festsetzung für das Jahr 2014 beruht auf der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2014, die die Vollversammlung der Beklagten am 9. Dezember 2013 beschlossen hat. Randnummer 4 Die Beklagte wirtschaftet nach den Grundsätzen der Doppik. Zum Zeitpunkt der Eröffnungsbilanz (1. Januar 2006) bestand eine Ausgleichsrücklage in Höhe von ... EUR. Seit dem Jahresabschluss 2006 bis zum Jahresabschluss 2012, der für die Wirtschaftsplanung 2014 maßgeblich war, belief sich die Ausgleichsrücklage auf ... EUR. Eine Liquiditätsrücklage war erstmals in Höhe von ... EUR im Jahresabschluss 2007 ausgewiesen. Durch Zuführungen im Geschäftsjahr 2008 bestand diese seit dem Jahresabschluss 2009 bis zum Jahresabschluss 2011 in Höhe von ... EUR unverändert fort. Nach weiteren Zuführungen belief sich die Liquiditätsrücklage im hierfür maßgeblichen Jahresabschluss 2012 auf ... EUR. Zudem war im Jahresabschluss 2012 erstmals eine Darlehensrücklage in Höhe von ... EUR ausgewiesen. Im Wirtschaftsplan 2013 wurde die Ausgleichsrücklage auf ... EUR erhöht. Die Darlehensrücklage wurde durch Zuführung des Gewinns des Jahres 2012 in Höhe von ... EUR auf ... EUR aufgestockt. Ausweislich des Jahresabschlusses 2013 bestand die Liquiditätsrücklage in unveränderter Höhe fort. Unter Berücksichtigung der zum Jahresabschluss 2013 geplanten bzw. vorhandenen Rücklagen war für das Wirtschaftsjahr 2014 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von ... EUR - ca. 38,49 v. H. der geplanten Aufwendungen - vorgesehen. Die Nettoposition bestand seit der Eröffnungsbilanz bis zum Jahresabschluss 2015 in Höhe von ... 2 Mio. EUR unverändert fort. Randnummer 5 Die vorläufige Festsetzung des Beitrages für das Jahr 2016 beruht auf der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2016, die die Vollversammlung der Beklagten am 3. Dezember 2015 beschlossen hat. Randnummer 6 Im hierfür maßgeblichen Jahresabschluss 2014 wurden eine Ausgleichsrücklage in Höhe von ... EUR, eine Liquiditätsrücklage in unveränderter Höhe (Betrag) sowie eine Darlehensrücklage in Höhe von ... EUR ausgewiesen. Ausweislich des Jahresabschlusses 2015 bestand auch für dieses Wirtschaftsjahr die Darlehensrücklage in unveränderter Höhe fort. Die Ausgleichsrücklage wurde durch Entnahme des negativen Jahresergebnisses 2014 in Höhe von - ... EUR auf ... EUR sowie die Liquiditätsrücklage durch die geplante Rücklagenveränderung nach dem Wirtschaftsplan 2015 in Höhe von ... EUR auf ... EUR im Jahr 2015 reduziert. Unter Berücksichtigung der im Jahresabschluss 2015 geplanten bzw. vorhandenen Rücklagen und nach Abzug der laut Wirtschaftsplan 2016 geplanten Rücklagenentnahmen in Höhe von ... EUR aus der Ausgleichsrücklage sowie der Umbuchung der Liquiditätsrücklage in Höhe von ... EUR in die Ausgleichsrücklage war somit für das Jahr 2016 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von ... EUR - ca. 26,99 v. H. der geplanten Aufwendungen - vorgesehen. Nach dem beschlossenen Eigenkapitalstrukturprinzip sollte die Nettoposition durch Zuführungen aus der Darlehensrücklage sowie aus der verbliebenden Liquiditätsrücklage auf ... EUR erhöht werden. Randnummer 7 Die Klägerin legte gegen den Beitragsbescheid vom 12. Februar 2016 fristgerecht Widerspruch ein und machte insbesondere geltend, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. Rücklagen, die in dieser Form gebildet worden seien, seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Randnummer 8 Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei als kammerzugehörige Gewerbetreibende zur Entrichtung des Beitrages verpflichtet und die Beiträge seien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtmäßig. Die ordnungsgemäße Rücklagenbildung sei zuletzt durch Urteil des Verwaltungsgerichtes Trier vom Mai 2015 (6 K 1553/14.TR) bestätigt worden. Sie, die Beklagte, erstelle ihre Wirtschaftspläne unter strenger Beachtung des Gebotes der Schätzgenauigkeit, so dass Rücklagen nur in angemessenem Umfang gebildet worden seien. Randnummer 9 Hiergegen hat die Klägerin am 24. April 2017 Klage erhoben und verfolgt ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die Beklagte nur insoweit Beiträge erheben dürfe, als ihr anderweitige Mittel nicht zur Verfügung stünden. Zwingende Voraussetzung für eine rechtskonforme Rücklagenbildung sei dabei die Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit, welches die Beklagte vorliegend missachtet habe. Ihr sei eine Rücklagenbildung nur dann erlaubt, wenn hinsichtlich des Zwecks, der Angemessenheit und dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme eine hinreichende Konkretisierung vorliege. In den Positionen Ausgleichrücklage (1), andere Rücklagen (2) und Anhebung der Nettoposition (3) habe die Beklagte zweckfreies Vermögen angesammelt bzw. geschont, welches vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen gewesen sei. Darüber hinaus läge auch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip sowie den Gleichheitsgrundsatz vor (4). Randnummer 10 (1) Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei rechtswidrig. Aus den Ausführungen und den vorgelegten Unterlagen der Beklagten werde deutlich, dass diese das Gebot der Schätzgenauigkeit missachtet habe. Weder für das Jahr 2014 noch für das Jahr 2016 habe sie eine ordnungsgemäße Risikoabschätzung aus ex ante- Sicht vorgenommen. Die Protokolle über die Beschlussfassung der Wirtschaftspläne für die Jahre 2014 und 2016 zeigten, dass eine Risikoabschätzung nicht stattgefunden habe. Diesen seien lediglich Erläuterungen zu einzelnen Haushaltspositionen zu entnehmen, was jedoch keine Risikoprognose darstelle, weshalb bereits ein formaler Verstoß vorliege. Randnummer 11 Die Festsetzung der jeweiligen Ausgleichsrücklage sei zudem auch der Höhe nach unangemessen und zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung nicht notwendig. Die Beklagte könne sich nicht rechtfertigend auf den im eigenen Finanzstatut vorgesehenen Korridor zur Rücklagenbildung berufen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es selbst bei der Beschlussfassung über einen solchen Korridor des Nachweises bedürfe, dass die Beklagte das Gebot der Schätzgenauigkeit beachtet habe. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich jedoch, dass bei der Beschlussfassung über die Finanzstatuten am 6. Juli 2005 sowie am 22. August 2013 eine Risikoeinschätzung nicht stattgefunden habe. Randnummer 12 Auch das Vorbringen der Beklagten zeige, dass sie eine Bewertung der Rücklagendotierung im Wege einer nachträglichen Betrachtung von Sachverhalten vorgenommen habe. Die Ausgleichsrücklage sei für das Jahr 2014 mit ... EUR geplant gewesen, was 38,49 v. H. der geplanten Aufwendungen entspreche. Die Erhöhung der Rücklage im Vorjahr, die sich hier niederschlage, um einen Betrag in Höhe von ... EUR sei rechtfertigungsbedürftig, denn es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte in den Folgejahren die Ausgleichsrücklage erheblich reduziert habe. Das stelle die frühere Planung durchgreifend in Frage. Auch im Jahr 2016 sei die Ausgleichsrücklage deutlich überdotiert gewesen. Für das Jahr 2016 ergebe sich eine Ausgleichsrücklage in Höhe von ... EUR, was immerhin 31,91 v. H. der geplanten Aufwendungen entspreche. Randnummer 13 Gegen eine Festsetzung unter Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit spreche, dass die Ausgleichsrücklage von 2010 bis 2014 in gleicher Höhe gebildet worden sei. Im Jahr 2015 habe die Beklagte jedoch die Ausgleichsrücklage deutlich abgesenkt. Hieraus werde deutlich, dass zuvor offenkundig eine Überdotierung vorgelegen habe, die nun teilweise abgebaut werde. Somit erweise sich bereits im Vergleich der beiden streitgegenständlichen Jahre die Festsetzung der Ausgleichrücklage im Jahr 2014 als überhöht. Auch der weitere Rückgang der festgesetzten Ausgleichsrücklage für die Jahre 2017 und 2018 zeige, dass eine Überdotierung für die streitgegenständlichen Wirtschaftsjahre vorgelegen habe. Die Beklagte habe eine solche Schwankung der Rücklage im Vergleich mehrerer Wirtschaftsjahre zu rechtfertigen. Randnummer 14 Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass andere Industrie- und Handelskammern seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Dezember 2015 die Höhe der Ausgleichsrücklage erheblich reduziert hätten. Randnummer 15 (2) Es bestünden auch hinsichtlich der anderen Rücklagen Bedenken. Im Jahresabschluss 2012 seien andere Rücklagen in Höhe von ... EUR ausgewiesen. Die Beklagte habe diese Rücklagenposition innerhalb des Jahres 2012 durch Zuführung des ungeplanten Gewinns des Jahres 2011 in Höhe von ... EUR angehoben und damit mehr als verdoppelt. Ungeplante Gewinne seien jedoch i.d.R. an die Mitglieder zu erstatten oder aber dem nächsten Haushalt zur Deckung der Kosten zuzuführen. Die Beklagte habe dagegen die ungeplanten Gewinne für die Bildung zweckfreier Rücklagen genutzt. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Beklagte bis zum 31. Dezember 2015 die anderen Rücklagen in den Bilanzen mitgeschleppt bzw. weiter habe ansteigen lassen. Die anderen Rücklagen hätten auch im Wirtschaftsjahr 2016 zur Deckung der Kosten eingesetzt werden müssen. Stattdessen habe die Beklagte die anderen Rücklagen rechtswidrig zur Anhebung der Nettoposition verwendet. Randnummer 16 Die Liquiditätsrücklage sei weder sachlich gerechtfertigt noch sei die Dotierung der Rücklage im Wege einer nachvollziehbaren Risikoprognose erfolgt. Sofern die Beklagte vortrage, dass die Liquiditätsrücklage vor dem Hintergrund der Schließung einer finanziellen Bilanzrücklage gebildet worden sei, verstoße sie gegen ihr eigenes Finanzstatut. Randnummer 17 Ferner dürfe sich die Festsetzung einer Darlehensrücklage insgesamt als unzulässig erweisen. Soweit die Mittel zur Dotierung dieser Rücklage nicht nachweisbar als Ergebnis einer von der Vollversammlung geplanten Wirtschaftsplanung stammten, könne von der geforderten Haushaltswahrheit und -klarheit keine Rede sein. Eine Rücklagenbildung, die auf Zufällen beruhe, könne keinesfalls den Grundsätzen des Haushaltsrechts entsprechen, so dass bereits Zweifel an der Mittelherkunft der Rücklage bestünden. Zudem verstoße die Darlehensrücklage gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz. So würden Beitragszahler weniger Haushaltsjahre hierdurch unverhältnismäßig stark für die Finanzierung des Gebäudes „C...“ herangezogen und belastet. Randnummer 18 (3) Darüber hinaus sei die Erhöhung der Nettoposition rechtswidrig. Die Beklagte habe über Jahre ungeplante Gewinne, die ohne jede Zweckbindung in den anderen Rücklagen „geparkt“ worden seien, genutzt, um zum 31. Dezember 2016 die Nettoposition um ... Euro anzuheben. Mit diesem Austausch bei den Passiva habe sie diese Mittel der Finanzierung ihrer Aufgaben entzogen. Die Anhebung der Nettoposition stelle daher eine bloße Umbenennung der bisherigen Rücklagen dar. Ferner verstoße die massive Anhebung der Nettoposition gegen das Finanzstatut, da sich der Wert der unveränderlichen Sachanlagen nicht wesentlich verändert habe. Zu berücksichtigen sei insofern auch, dass die Landesrechnungshöfe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine ähnliche Praxis der Anhebung der Nettopositionen bei anderen Industrie- und Handelskammern als unzulässig bezeichnet hätten. Randnummer 19 (4) Schließlich liege auch insgesamt ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz bzw. gegen das Gebot der pfleglichen Behandlung der Beitragszahler vor. Die vorfristig vorgenommene Kredittilgung begünstige Beitragszahler zukünftiger Wirtschaftsjahre in unzulässiger Weise. Zudem stelle die vollständige Finanzierung der Immobilie innerhalb von nur 10 Jahren einen Verstoß gegen die pflegliche Behandlung der hiervon betroffenen Beitragszahler dar. Angesichts der Nutzungsart und der Nutzungsdauer der Immobilie müsse die Finanzierung über die Beiträge gerecht und gleichmäßig auf die Beitragszahler vieler Jahre verteilt werden. Randnummer 20 Die Klägerin beantragt, Randnummer 21 den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2017 aufzuheben. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass sich die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2015 zugrunde liegende Vermögenssituation der dortigen IHK in den Jahren 2005 und 2008 essentiell von ihrer Vermögenssituation unterscheide. Daher stelle das Urteil ihre eigene Beitragsveranlagung nicht in Frage. Durch den Erwerb, die Sanierung und den Ausbau der Immobilie am Standort „C...“ Ende der 90-er Jahre seien sämtliche finanziellen Rücklagen aufgezehrt gewesen und zusätzlich sei ein Hypothekendarlehen in Höhe von rund ... EUR aufgenommen worden. Die hiermit verbundenen Risiken seien in der kameralistischen Buchführung nicht erkennbar gewesen. Erst mit der Umstellung in die doppische Buchführung zum 1. Januar 2006 seien diese und weitere strukturelle Schwächen der Vermögenssituation im Buchungsvorgang deutlich geworden, sowie zukünftige Zahlungsverpflichtungen und Risiken betragsmäßig erfasst worden. Durch den Umzug und den Neubau des Standorts „C...“ sei sie zum Zeitpunkt der Eröffnungsbilanz (1. Januar 2006) in einem besonders hohen Maß fremdfinanziert gewesen und habe kein nennenswertes Finanzanlagevermögen und kein Wertpapiervermögen besessen. Zudem hätten, neben einem sehr geringen Umlaufvermögen, keine weiteren liquiden Mittel zur Darlehenstilgung zur Verfügung gestanden. Die geringe Liquidität habe einen finanziellen Konsolidierungskurs erfordert. Durch verschiedene Maßnahmen habe sie über mehrere Jahre ihre Liquidität aufbauen und gleichzeitig die Umlage in Form von Beiträgen in den Wirtschaftsjahren 2010 bis 2017 von 0,39 v. H. auf 0,20 v. H. nahezu halbieren können. Randnummer 25 Auch in den streitgegenständlichen Beitragsjahren habe sie keine rechtswidrige Vermögensbildung betrieben. Nach der Umstellung auf eine doppische Haushaltsführung liege die Betrachtung der Rücklagen als Mittelreserve, also als liquides Vermögen, neben der Sache. Randnummer 26 (1) Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei nicht zu beanstanden. Insofern sei zunächst zu berücksichtigen, dass es entscheidend darauf ankomme, ob sie sich bei der Aufstellung der Wirtschaftspläne an das geltende Haushaltsrecht und die damit verbundenen Grundsätze der Schätzgenauigkeit, wozu auch eine ordnungsgemäße Risikoprognose gehöre, gehalten habe. Ihr stehe bei der Aufstellung der Wirtschaftspläne ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle sei auf die Einhaltung der Gesetze und des Finanzstatuts beschränkt. An die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben habe sie sich gehalten. Nach dem Finanzstatut habe sie eine Ausgleichsrücklage zu bilden, die bis zu 50 v. H. der Summe der geplanten Aufwendungen betragen könne. Für das Jahr 2014 sei die Ausgleichsrücklage mit ... EUR dotiert worden, was einem Anteil von rund 38,5 v. H. der geplanten Aufwendungen für das Jahr 2014 entspreche. Gleiches gelte für das Jahr 2016, in dem die Ausgleichsrücklage mit ... EUR dotiert gewesen sei, was einem Anteil von ca. 33 v. H. der geplanten Aufwendungen für das Jahr 2016 entspreche. Randnummer 27 Sie habe die Vollversammlung mit einer Risikoprognose für die jeweilige Wirtschaftsplanung und mit dem ermittelten Ergebnis befasst. Zudem habe sie sich die Rücklagen und Rückstellungen für die Jahre 2014 und 2016 auch durch Beschluss der Vollversammlung bestätigen lassen. Die jeweiligen Risikoabwägungen hätten den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprochen. So würden, nachdem sie im Spätsommer jeden Jahres mit der Budgetplanung beginne und im September die Jahresaktivitätenplanung für das folgende Jahr stattfände, die voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben berechnet, wobei die zu berücksichtigenden Mittel für nicht planbare Risiken im Rahmen einer Risikobewertung ermittelt würden. Bis zur Einführung des sogenannten „risk.tool“ im Jahr 2016 sei diese Risikobewertung durch ein zweistufiges stochastisches Verfahren vorgenommen worden, bei dem die jeweiligen Risikovolumen und Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmt worden seien. Das neu eingeführte „risk.tool“ funktioniere gleichermaßen. Es ermittle aber zusätzlich mögliche Schadensvolumen bei unterschiedlichen Konfidenzintervallen. Für sie errechne dieses Programm bei einem Konfidenzintervall von 95 v. H. jährlich eine entsprechende Schadenssumme, die in Verhältnis zu der Ausgleichsrücklage gesetzt werde. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden Schwankungen, die sie im Rahmen dieses Risikomanagements jährlich berücksichtige, könnten sich insbesondere aus gravierenden Konjunkturveränderungen, der sich verändernden Wirtschaftsstruktur im Kammerbezirk, dem Ausfallrisiko größerer Beitragszahler oder der Orientierung des Beitrages an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags und der damit verbundenen Anlehnung an das Gewerbesteueraufkommen, das hohen Schwankungen unterliege und demzufolge zu Schätzrisiken bei Prognoseentscheidungen im Rahmen der Haushaltsplanung führe, ergeben. Hinzukommen könnten ertragsseitige Rückgänge von Entgelt- und Gebühreneinnahmen sowie aufwandsseitig insbesondere Steuer-, Haftungs- oder IT-Risiken. Bereits zwei Wochen vor den Sitzungen der Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzungen 2014 und 2016 hätten die Mitglieder der Vollversammlung Unterlagen zur jeweiligen Wirtschaftsplanung erhalten. Den ehrenamtlichen Mitgliedern werde durch dieses Vorgehen jedes Jahr die Möglichkeit eingeräumt, bereits im Voraus Auskünfte über die ermittelten Kosten oder geplanten Aufwendungen zu erhalten. Darüber hinaus würden die wesentlichen haushalts- und risikorelevanten Einzelpositionen - einschließlich der Informationen über Zweck, Art und Höhe der dotierten Rücklagen - in den Sitzungen der Vollversammlung selbst nochmal im Detail vorgestellt, wodurch die Möglichkeit eingeräumt werde, über einzelne Punkte zu diskutieren oder Änderungswünsche zu äußern und gegebenenfalls zu beschließen. Randnummer 28 Hinsichtlich der vorgelegten Protokolle über die Wirtschaftsplanung für die streitgegenständlichen Jahre sei zu berücksichtigen, dass es sich hierbei nicht um umfassende Wort-, sondern ausschließlich um Ergebnisprotokolle handele. Die errechneten Risiken würden der Vollversammlung zwar vorgestellt und erläutert, allerdings nicht im Detail protokolliert. Davon abgesehen ließen sich den Protokollen über die Sitzungen zur Wirtschaftsplanung 2014 und 2016 sehr wohl Ausführungen zu der vorgenommenen Risikoprognose entnehmen. Die protokollierten Angaben zu den einzelnen Positionen im Erfolgsplan gingen zwangsläufig mit Erläuterungen zu verschiedenen Risikoposten einher. Randnummer 29 Darüber hinaus würde selbst ein vermeintlicher Mangel an entsprechenden Ausführungen in den Protokollen nicht zur Unwirksamkeit der Wirtschaftsplanung und der Beitragsveranlagung führen, da es sich hierbei lediglich um einen formalen Fehler handeln könnte. Die risikorelevanten Gesichtspunkte könnten im Übrigen unter Berücksichtigung der Sicht ex ante auch noch nachträglich und bis zum Schluss des gerichtlichen Verfahrens dargelegt werden. Randnummer 30 Dass die Vorhaltung der Ausgleichlage im Jahr 2014 in dotierter Höhe zwingend notwendig gewesen sei, zeige bereits der Abschluss des Geschäftsjahres 2014, das entgegen der Planung - im Wesentlichen aufgrund deutlich niedriger Beiträge - mit einem negativen Jahresabschluss in Höhe von - ... EUR abgeschlossen worden sei. Die Vollversammlung sei über den negativen Jahresabschluss 2014 sowie über die Höhe und die Notwendigkeit der verschiedenen Rücklagen umfassend informiert worden und habe den Verlustausgleich über die Ausgleichsrücklage einstimmig angenommen. Randnummer 31 Ferner sei in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass eine Ausgleichsrücklage, die sich, wie hier, zwischen 30 v. H. und 50 v. H. der geplanten Aufwendungen bewege, eine der Höhe nach angemessene Rücklage darstelle. Randnummer 32 (2) Auch die Bildung der anderen Rücklagen sei nicht zu beanstanden. Nach dem Finanzstatut dürften weitere zweckbestimmte Rücklagen gebildet werden. Vorliegend hätten sich die anderen Rücklagen im Jahr 2014 aus einer Liquiditätsrücklage sowie einer Rücklage zur Darlehenstilgung zusammengesetzt. Die Liquiditätsrücklage sei zur Schließung einer Bilanzierungslücke gebildet worden. Die Darlehensrücklage habe hingegen dem Zweck der Darlehenstilgung gedient. Die beiden Rücklagen seien somit seit der Eröffnungsbilanz als Eigenfinanzierungskomponente gebildet worden, um dem hohen Sachanlagevermögen auf der Aktivseite der Bilanz eine entsprechende Gesamtfinanzierungskomponente auf der Passivseite der Bilanz gegenüber zu stellen. Zur langfristigen Eigenkapitalfinanzierung des unbeweglichen Sachanlagevermögens seien sie im Jahr 2016 vollständig aufgelöst und in die Nettoposition überführt worden. Insoweit handele es sich um rechtmäßige bilanzielle Buchungen und nicht um die Bildung bzw. Beibehaltung unzulässigen Vermögens. Die Rücklagenbildung sei nicht Folge der Jahresüberschüsse gewesen. Aufgrund der ursprünglich hohen Fremdfinanzierung und des geringen Vermögens habe die Vollversammlung entschieden, Jahresüberschüsse zur Darlehenstilgung heranzuziehen. Dies habe zunächst bilanztechnisch zu einem Anstieg der Rücklagen geführt. Randnummer 33 (3) Ferner sei auch die im Jahr 2016 bilanzierte Nettoposition in Höhe von ... EUR weder hinsichtlich ihrer Bildung noch ihrer Höhe nach zu beanstanden. Aufgrund der hohen passivierten Rückstellungen für Pensionen und Verbindlichkeiten sowie einer zu bildenden Ausgleichrücklage in Höhe von ... EUR hätten in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 nur ... EUR als Restgröße der Nettoposition zugewiesen werden können. Durch verschiedene Konsolidierungsmaßnahmen sowie durch die Bildung sonstiger zweckgebundener Rücklagen habe sich die Lage verbessert. Aufgrund dieses Umstands habe die Nettoposition im Jahr 2016 auf ... EUR erhöht werden können. Diese Erhöhung sei keine Zuführung von ungeplanten Gewinnen, sondern eine Umbuchung der anderen Rücklagen auf Grundlage des beschlossenen Eigenkapitalstrukturkonzeptes gewesen, um ihr Eigenkapital in ordnungsgemäßer Weise bilanziell abzubilden und das entsprechende Defizit der Eröffnungsbilanz korrigieren zu können. Hätte man die Nettoposition nicht erhöht und die anderen Rücklagen den Mitgliedern im Wege einer Beitragssenkung zugeführt, wäre die vollständige Verwendung des Bankguthabens sowie die Aufnahme von Kassenkrediten in Höhe von mehreren Millionen Euro notwendig geworden. Die Erhöhung der Nettoposition sei demnach keine Folge der Bildung von „neuem Vermögen" durch ungeplante Gewinne, sondern die korrekte Abbildung des Eigenkapitals im Verhältnis zum unbeweglichen Sachvermögen gewesen, so dass die Erhöhung der Nettoposition auch nicht gegen das Finanzstatut verstoße. Randnummer 34 Zudem sei die Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Nettoposition auch von der Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern sowie vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landschaft und Weinbau bestätigt worden. Randnummer 35 (4) Schließlich liege insgesamt auch kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip bzw. den Gleichheitssatz vor. Entscheidungen hinsichtlich eines Immobilienerwerbs oder der Dauer einer Immobilienfinanzierung stünden alleine im Ermessen der Vollversammlung und stellten klassische Selbstverwaltungsangelegenheiten dar. Darüber hinaus handele es sich bei der Ablösung des Darlehens im Jahr 2016 nicht um eine vorzeitige Tilgung nach zehn Jahren, sondern um die vereinbarungsgemäße Tilgung des im Jahr 2006 umfinanzierten Hypothekendarlehens. Insgesamt erstrecke sich die Finanzierung auf etwa 17 Jahre, was einer wirtschaftlich sinnvollen Finanzierungsdauer entspreche. Durch dieses Vorgehen hätten unnötig lange Zinsbelastungen und eine Doppelfinanzierung wegen gleichzeitig auftretender Instandhaltungsmaßnahmen vermieden werden können. Durch die hiermit verbundenen Zinseinsparungen sei es schließlich möglich gewesen, die Umlage im Jahr 2017 von 0,22 v. H. auf 0,20 v. H. zu senken. Randnummer 36 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese lagen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Der Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2017 wird in Höhe von ... EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat
Sachsen-Anhalt
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22.02.2011
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des Behinderungsgrads nach Ablauf der Heilungsbewährung. Randnummer 2 Auf Antrag der 1953 geborenen Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13. April 1999 für den Verlust der rechten Brust (Erkrankung in Heilungsbewährung) einen Grad der Behinderung von 80 fest. Die stationäre Behandlung der Brustkrebserkrankung mit Lymphknotenentfernung erfolgte bis zum 29. Dezember 1998 im M. M ... Randnummer 3 Im Mai 2000 stellte die Klägerin einen Neufeststellungsantrag. Der Beklagte zog die Epikrise des M.s M. über eine stationäre Behandlung der Klägerin im Mai 2000 bei, wonach eine Entfernung der Eierstöcke zur Ausschaltung der Hormonproduktion und ein flaches Endometrium (Schleimhaut der Gebärmutter) durchgeführt worden war. Der vom Beklagten beteiligte ärztliche Dienst schlug daraufhin für den Verlust der Eierstöcke einen Grad der Behinderung von 10 und einen Gesamtgrad von weiterhin 80 vor. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2000 den Neufeststellungsantrag ab. Randnummer 4 Im Jahr 2003 veranlasste der Beklagte ein Überprüfungsverfahren (Nachuntersuchung von Amts wegen), in dem er Befundscheine der behandelnden Ärzte der Klägerin einholte. Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. C. verneinte Hinweise für ein Rezidiv, doch sei aufgrund einer Postmenopausenblutung eine Abrasio im Januar 2004 geplant. Der Allgemeinmediziner Dr. R. diagnostizierte einen mit Diät geführten Diabetes mellitus Typ II ohne Organschäden. Der beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten schlug nach dem Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivnachweis für den Verlust der rechten Brust einen Grad der Behinderung von 30, den Verlust der Eierstöcke und die Zuckerkrankheit jeweils von 10 sowie einen Gesamtgrad von 30 vor. Mit Schreiben vom 3. Mai 2004 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Herabsetzung des Behinderungsgrades auf 30 für die Zukunft an. Randnummer 5 In ihren Stellungnahmen vom 7. und 28. Mai 2004 teilte die Klägerin mit: Durch die ständige Einnahme des Medikamentes Tamoxifen habe sich die Gebärmutterschleimhaut verändert. Die Folge seien andauernde Blutungen mit Polypenbildung, die jährliche Behandlungen im Krankenhaus notwendig machten. Seit der Lymphknotenentfernung auf der rechten Seite leide sie unter Spannungsschmerzen, Ermüdungserscheinungen sowie Gefühlsstörungen im Arm und in den Fingern, Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks, des rechten Arms sowie der rechten Hand. Auch durch die strenge Diät bei Zuckerkrankheit sei ihre Lebensqualität beeinträchtigt. Eine Verbesserung der in wechselseitiger Beziehung stehenden Behinderungen sowie der seelischen Auswirkungen sei nicht eingetreten. In Anlage übersandte sie eine Heilmittelverordnung der Dr. C. vom 18. Mai 2004 über die Verordnung einer Lymphdrainage. Randnummer 6 Daraufhin holte der Beklagte einen weiteren Befundschein des Dr. R. ein. Dieser berichtete am 21. Juni 2004 über ständige Spannungsschmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Arms und des Schultergelenkes. Mehrmals jährlich trete insbesondere nach Belastung ein Lymphödem des rechten Arms auf, das mit Lymphdrainagen therapiert werde. Daraufhin schlug der Vertragsarzt des Beklagten Dr. B. für Lymphstauungserscheinungen und Bewegungseinschränkungen im rechten Schulterarmbereich zusätzlich einen Grad der Behinderung von 10 und weiterhin einen Gesamtgrad von 30 vor. Weiterhin führte Dr. B. aus, die operative Entfernung der Polypenbildung der Gebärmutterschleimhaut rechtfertige keinen Behinderungsgrad. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 hob der Beklagte den Bescheid vom 13. April 1999 auf und stellte ab 1. August 2004 einen Grad der Behinderung von 30 fest. Dagegen erhob die Klägerin am 30. Juli 2004 Widerspruch, weil eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht eingetreten sei. Das Institut der Heilungsbewährung sei systemwidrig und die dort angenommenen Zeiträume willkürlich. Auch habe der Beklagte die Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut und die dadurch bedingten häufigen Blutungen mit Polypenbildungen nebst notwendigen stationären Behandlungen nicht berücksichtigt. Dieser Zustand sei vergleichbar mit einer Endometriose mittleren Grades, für die ein Behinderungsgrad von 20 bis 40 gerechtfertigt sei. Ergänzend teilte die Klägerin am 14. Oktober 2004 mit, sie werde nicht psychiatrisch oder psychotherapeutisch behandelt. Randnummer 8 Der Beklagte holte nochmals einen Befundschein von Dr. C. vom 19. Oktober 2004 ein. Danach sei es durch die Behandlung mit Tamoxifen wiederholt zu einem irregulären Aufbau der Gebärmutterschleimhaut gekommen. Eine Harninkontinenz liege bislang noch nicht vor. In Anlage befanden sich Epikrisen des M.s M. von den stationären Aufenthalten vom 21. bis 22. Oktober 2002 und 26. bis 27. Januar 2004. Am 22. Oktober 2002 wurden ein kleiner Korpuspolyp sowie ein bekannter Subtotalprolaps mit Stressharninkontinenz 1. Grades diagnostiziert. In der Epikrise vom 3. Februar 2004 wurden ein Korpusschleimhautpolyp unter Tamoxifen, Diabetes mellitus sowie ein flaches Endometrium festgestellt. Außerdem übersandte Dr. C. einen radiologischen Arztbrief vom 25. Februar 2004, wonach die Röntgenuntersuchung des Thorax und die abdominale Sonografie unauffällig gewesen seien. Randnummer 9 Daraufhin schlug die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. D. für den Verlust der rechten Brust mit Funktionseinschränkungen im Schulterarmbereich einen Grad der Behinderung von 40 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2005 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 40 fest und wies den weitergehenden Widerspruch zurück. Randnummer 10 Dagegen hat die Klägerin am 18. Februar 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ergänzend auf chronische Unterbauchbeschwerden mit Rückenschmerzen sowie eine Beeinträchtigung der Blasenfunktion (Stressinkontinenz) hingewiesen. Seit September 2005 werde sie wegen Bluthochdruck und Herzbeschwerden kardiologisch behandelt. Sie übersandte den Arztbrief der kardiologischen Praxis Dr. S. vom 1. November 2005, wonach die Echokardiografie ein Hypertonieherz gezeigt habe und die Ejektionsfraktion mit 62% festgestellt worden sei. Randnummer 11 Das SG hat weitere Befundberichte eingeholt. Die Allgemeinärztin T. berichtete über eine Behandlung der Klägerin im Juli 2004 wegen einer Zyste im Rückenbereich. Dr. C. schilderte am 11. November 2005 erneute Blutungen im März und Mai 2005 unter Tamoxifen. Neben bereits bekannten Unterlagen übersandte sie die Epikrise vom stationären Aufenthalt vom 18. bis 20. Juni 2001 im M. M. wegen eines Subtotalprolaps der Gebärmutter mit Senkungsbeschwerden und einer Stressinkontinenz I. Grades. Die Urodynamik habe Hinweise auf eine diskrete Stressinkontinenz im Stressprofil gegeben. Die Blasenentleerung sei regelrecht gewesen. Von der angeratenen Hysterektomie habe die Klägerin Abstand genommen, da sie unter der angegebenen Senkung nicht leide und zunächst konservative Maßnahmen (Beckenbodengymnastik) habe ergreifen wollen. Mit Befundbericht vom 22. Dezember 2005 schilderte Dr. R. Schulterschmerzen und äußerte den Verdacht auf ein Schulter-Arm-Syndrom rechts. Außerdem lägen Myogelosen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und der Schulter sowie Thoraxschmerzen unklarer Genese vor. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands sei im August 2005 durch das Hypertonieherz und die Hyperlipidämie eingetreten. Dr. R. übersandte einen Arztbrief des Privatdozenten Dr. W. vom 21. Dezember 2005 (O.-Universität M., Lipidambulanz), wonach die seit 2004 bekannte Fettstoffwechselstörung auch weiterhin keiner medikamentösen Therapie bedürfe. Periphere Zeichen einer Fettstoffwechselstörung hätten nicht vorgelegen. Die im September 2005 durchgeführte Herzkathederuntersuchung sei unauffällig gewesen. Seit 2001 werde die Hypertonie (Blutdruck 120/80 mmHg) medikamentös behandelt. Schließlich übersandte auf Veranlassung des SG die Gemeinschaftspraxis für Radiologie und Nuklearmedizin Dres. E., H., E., A., H. die dort erhobenen Befunde (Mammografie 6. Mai 2004, Mammasonografie 23. September 2004, Mammografie und Mammasonografie 14. April 2005 jeweils ohne Nachweis eines Lokalrezidivs). Ergänzend haben sie mit Befundbericht vom 26. Januar 2006 mitgeteilt, nach ihren technischen Untersuchungen lägen ab dem 3. Quartal 2004 keine Einschränkungen vor. Besondere Beeinträchtigungen seien nicht bekannt. Randnummer 12 Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 10. März 2006 an seiner bisherigen Auffassung festgehalten. Danach rechtfertige der Verlust der rechten Brust einen Behinderungsgrad von 30. Angaben zu Umfangsdifferenzen der Oberarme (bezüglich Lymphödem) oder Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk lägen nicht vor, sodass von keiner maßgeblichen zusätzlichen Einschränkung ausgegangen werden könne. Dr. E. habe besondere Beeinträchtigungen ausdrücklich verneint. Eine Anhebung auf einen Behinderungsgrad von 40 sei nicht nachvollziehbar. Der Verlust beider Eierstöcke bedinge einen Behinderungsgrad von 10. Darüber hinaus seien keine weiteren Störungen zu erkennen. Dr. C. habe keine Verwachsungsbeschwerden beschrieben und eine Harninkontinenz verneint. Die von ihr am 11. November 2005 mitgeteilten mittleren Einschränkungen seien nicht nachvollziehbar. Bei den durchgeführten Ausschabungen seien Polypen aus der Gebärmutter entfernt worden. Bösartige Schleimhautveränderungen hätten ausgeschlossen werden können. Keinesfalls sei der Zustand mit einer Endometriose mittleren Grades vergleichbar, da sich bei dieser Erkrankung Gebärmutterschleimhaut in anderen Organen oder Körperregionen ansiedele habe und dort zyklusabhängig die jeweiligen Funktionen beeinträchtige. Eine koronare Herzerkrankung habe ausgeschlossen werden können und das Artherom am Rücken sei entfernt worden. Randnummer 13 Mit Urteil vom 16. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nach Ablauf der Heilungsbewährung zutreffend einen Grad der Behinderung von 40 festgestellt habe. Durch die Problematik der Gebärmutterschleimhaut ergebe sich kein höherer Gesamtbehinderungsgrad, da hierfür kein Einzelbehinderungsgrad von 20 oder mehr festzustellen sei. Eine Vergleichbarkeit mit einer Endometriose mittleren Grades sei nicht gegeben, da dieser mit erheblichen Beschwerden und insbesondere Schmerzen verbunden sei. Diese seien bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Randnummer 14 Gegen das ihr am 20. April 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Mai 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Gebärmutterpolypen führten zu Unterbauchbeschwerden, Rückschmerzen und einer teilweise auftretenden Stressinkontinenz. Die behandelnde Gynäkologin habe die Schmerzen als bekannt unterstellt. Diese seien schlimmer als bei einer natürlichen Menstruationsblutung. Darüber hinaus führten auch die operativen Eingriffe regelmäßig zu Schmerzen. Randnummer 15 Die Klägerin beantragt, Randnummer 16 das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. April 2007 sowie den Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2005 insoweit aufzuheben, als ein Behinderungsgrad von weniger als 50 festgestellt worden ist. Randnummer 17 Der Beklagte beantragt, Randnummer 18 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 19 Er verweist auf die Ausführungen im Urteil des SG und trägt ergänzend vor, übermäßige Schmerzen seien von Dr. C. nicht beschrieben worden. Auch Verwachsungsbeschwerden seien nicht belegt. Randnummer 20 Der Senat hat weitere Befundberichte eingeholt. Dr. C. hat aufgrund der letztmaligen Behandlung im August 2007 ein chronisches Unterbauchschmerzsyndrom, rezidivierende Postmenopausenblutungen bei Polypen der Gebärmutter, eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk und ausgeprägte klimakterische Beschwerden bei zusätzlicher antihormoneller Therapie diagnostiziert. Auf Nachfrage des Gerichts, wann und in welchem Ausmaß aufgrund der Gebärmutterschleimhautveränderungen Blutungen aufgetreten sind (zeitlicher Abstand, Dauer der Blutung) hat sie angegeben: Randnummer 21 5/00 Postmenopausenblutung mit Beschwerden (Abrasio und Entfernung der Eierstöcke) Randnummer 22 6/00 Unterbauchbeschwerden postoperativ (physikalische Therapie) Randnummer 23 5/01 Blutung und Schmerzen (konservative physikalische Therapie) Randnummer 24 11/01 Blutung und Schmerzen Randnummer 25 10/02 schwammartige Blutung und Schmerzen (Abrasio) Randnummer 26 5/03 verstärkte Schmerzen (konservative Therapie) Randnummer 27 11/03 Blutung und Schmerzen im Unterbauch (konservative Therapie) Randnummer 28 1/04 Abrasio Randnummer 29 3/05 rezidivierende Blutung und Schmerzen Randnummer 30 5/05 rezidivierende Blutung und Schmerzen Randnummer 31 11/05 Abrasio Randnummer 32 4/07 Blutung und Abrasio Randnummer 33 Dr. C. hat die Ansicht vertreten, die Blutungen infolge der Tamoxifen-Therapie seien oft schmerzhafter und stärker als Regelblutungen. Da sie postmenopausal erfolgten, sei eine regelmäßige histologische Abklärung notwendig. Durch die wiederholten Ausschabungen sei der Heilungsprozess verzögert und es entstünden Vernarbungen der Gebärmutterwand mit Verwachsungen. Außerdem werde während der Operation die Gebärmutter nach unten gezogen, was die Veranlagung zur Senkung jedes Mal verstärke. Dr. C. hat diese Auswirkungen mit einer Endometriose mittleren Grades verglichen. Außerdem hat sie mitgeteilt, aufgrund des Lymphödems seien die Abduktion des Schultergelenks und die Sensorik eingeschränkt. Fragen zur Kompressionsbandage, Umfangsvermehrung oder Gebrauchsunfähigkeit der Gliedmaßen hat die Ärztin nicht beantwortet. Randnummer 34 Dr. R. hat am 3. September 2007 ergänzend mitgeteilt, das Lendenwirbelsäulensyndrom und das Schulter-Arm-Syndrom hätten sich verschlechtert. Die Bewegungsfähigkeit sei aber nicht gemessen worden, ebenso nicht eine Umfangsvermehrung infolge des diskreten Lymphödems. Es bestehe keine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung. Die Klägerin erscheine depressiv, lehne aber eine psychologische Behandlung ab. Randnummer 35 Dr. B.e (Klinik St. M., M.) hat mit Befundbericht vom 19. Dezember 2007 ausgeführt: Die durchgeführten operativen Eingriffe einschließlich der dabei erhobenen feingeweblichen Befunde hätten mit dem Erkrankungsbild einer Endometriose keine Gemeinsamkeit. Diese Erkrankung bestehe in Form versprengter Gebärmutterschleimhaut, die sowohl intra- als auch extragenital lokalisiert sei und entsprechend des Regelzyklusses Beschwerden hervorrufen könne. Derartige Veränderungen lägen nach dem Operationsbericht vom 10. Mai 2000 im Bauchraum der Klägerin nicht vor. Auch die im August 2001 diagnostizierten Senkungsbeschwerden der Gebärmutter, verbunden mit einer Stressinkontinenz I. Grades seien nicht mit einer Endometriose vergleichbar. Randnummer 36 Der Senat hat durch die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. N. (Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung K.) das Gutachten vom 9. März 2010 nach Aktenlage erstatten lassen. Diese hat als Folge der Brustdrüsen- und Lymphknotenentfernung der rechten Achselhöhle, postoperativen Chemotherapie und Antioestrogenbehandlung mit Tamoxifen Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk, eine lymphatische Schwellung des rechten Arms sowie eine Senkung der Gebärmutter mit leichter Stressharninkontinenz diagnostiziert und dafür einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vorgeschlagen. Sie hat ausgeführt, die Senkungsbeschwerden der Gebärmutter mit der diskreten Stress-Harninkontinenz rechtfertigten einen Grad der Behinderung von 10. Der Verlust beider Eierstöcke führe zu keiner Funktionseinschränkung, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Entfernung zur Unterdrückung der Eierstockfunktion bereits Tamoxifen eingenommen habe. Einen Anhalt für eine Endometriose habe die durchgeführte Bauchspiegelung im Jahr 2000 ebenso wenig gezeigt wie die histologische Untersuchung der Corpusschleimhaut. Der prüfärztlichen Stellungnahme von Dr. W. sei zu folgen, da der Mammografiebefund vom 11. Mai 2004 keine Beschwerden, keine Bewegungseinschränkungen und keine Armschwellungen dokumentiert habe. Mit ergänzender Stellungnahme vom 17. Juni 2010 hat Dr. N. ausgeführt, die Beeinträchtigungen durch die Polypenbildung und Blutungen seien nicht mit einer Endometriose mittleren Grades vergleichbar, da die Polypenbildung behandelbar sei. Wenn die Polypenbildung immer wieder auftrete, werde die Gebärmutterschleimhaut entweder durch eine Endometrium-Ablatio oder durch eine Gebärmutterentfernung operativ entfernt. Die vorgeschlagene Gebärmutterentfernung habe die Klägerin abgelehnt, da sie nicht so sehr unter der Stressharninkontinenz leide. Eine Indikation der Gebärmutterentfernung wegen der wiederkehrenden Blutungen durch Polypenbildung sei nicht ersichtlich. Daraus sei zu schlussfolgern, dass die Beeinträchtigung durch Polypenbildung behandelbar sei. Randnummer 37 Die Klägerin hat dagegen eingewandt: Unabhängig von einer Vergleichbarkeit mit einer Endometriose liegen erhebliche Beeinträchtigungen aufgrund der chronischen Unterbauchbeschwerden vor, die Ausschabungen in Vollnarkose erforderten und die Senkungsbeschwerden mit Stressinkontinenz verstärkten. Eine Vergleichbarkeit ergäbe sich auch mit einer Unterentwicklung, dem Verlust oder dem Ausfall beider Eierstöcke bei unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonausfalls. Sie befinde sich zwar in der Postmenopause, habe jedoch weiterhin hormonell bedingte Blutungen mit Polypenbildung und entsprechenden Beschwerden. Ihrer Funktionseinschränkungen seien auch mit der Senkung der Gebärmutter mit stärkerer Harninkontinenz und / oder stärkeren Senkungsbeschwerden vergleichbar. Bei ihr liege zwar nur eine Stressinkontinenz 1. Grades vor, doch sei wegen der erheblichen Beschwerden ein Behinderungsgrad von 10 nicht angemessen. Die erheblichen Nebenwirkungen des Medikaments müssten auch bei der Bemessung Niederschlag finden. Daher seien die Blutungen, die Polypenbildung und die operativen Eingriffe sowie ausgeprägte klimakterische Beschwerden bei antihormoneller Therapie zusätzlich zu berücksichtigen. Da bereits Senkungsbeschwerden mit geringer Stressinkontinenz zu einem Behinderungsgrad von 10 (oder alternativ der Verlust der Eierstöcke bei ausreichendem Ausgleich des Hormonhaushalts) führten, sei bei ihrer erheblich höheren Beeinträchtigung dafür mindestens ein Grad der Behinderung von 20 und insgesamt von 50 festzustellen. Randnummer 38 Der Beklagte hat unter Hinweis auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 7. Oktober 2010 Analogieschlüsse für unzulässig gehalten, weil für alle bei der Klägerin bestehenden Störungen konkrete Beurteilungsvorgaben vorhanden seien. Nebenwirkungen von Medikamenten könnten nicht zusätzlich als Behinderung bewertet werden und auch die üblichen Begleiterscheinungen von Gesundheitsstörungen seien bei der Bewertung schon berücksichtigt. Gebärmutterpolypen und deren Entfernung verursachten keine dauerhafte und wesentliche Behinderung; medizinische Eingriffe stellten keine Behinderung im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze dar. Eine operative Entfernung der Gebärmutter lehne die Klägerin ab, da keine nennenswerten Beschwerden bestünden. Randnummer 39 Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern 2. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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09.03.2011
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Randnummer 1 Es geht um den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des aus Togo stammenden Klägers. Randnummer 2 Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 25.11.2004 – 4 A 2074/04 As – wurde die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die Entscheidung wurde am 04.01.2005 rechtskräftig. Durch Bescheid vom 13.01.2005 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge daraufhin fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Republik Togo vorliegen. Diese Feststellung widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 28.01.2008 und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Randnummer 3 Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 09.09.2008 abgewiesen. Randnummer 4 Dem vom Kläger gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der Senat durch Beschluss vom 17.06.2009 entsprochen. Randnummer 5 Der Kläger beantragt sinngemäß, Randnummer 6 das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 5. Kammer – vom 09.09.2008 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 28.01.2008 aufzuheben. Randnummer 7 Die Beklagte stellt keinen Antrag, tritt aber der Berufung entgegen. Randnummer 8 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin – 5. Kammer – vom 09.09.2008 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat
Berlin
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27.04.2023
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Randnummer 1 Im Streit steht noch ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten zu ambulanten ärztlichen Behandlungen in Höhe von 1.047,60 €. Randnummer 2 Die 1960 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie wurde 1995 aufgrund eines Gehirntumors linksseitig operiert und erlitt im Juli 2015 eine Hirnblutung. Sie leidet ferner unter anderem an einem Tumorrezidiv und einer größenkonstanten Kaverna links sowie insbesondere an einer Merk- und Gedächtnisstörung. Ihr ist mit Wirkung vom 27. Januar 2016 ein Gesamt-Grad der Behinderung von 30 zuerkannt, mit Wirkung ab 21. September 2017 ein Gesamt-Grad von 50 ohne besondere Merkzeichen. Randnummer 3 In der Zeit vom 17. März 2016 bis zum 14. Dezember 2017 ließ sich die Klägerin in vierzehntägigem Abstand von ihrem Lebensgefährten von ihrem Wohnort mit dem Pkw auf eigene Kosten in die Praxis des Facharztes für Neurologie Dr. W in P zu einem ambulanten neuropsychologischen Hirnleistungstraining fahren. Die Entfernung vom Wohnort zur Praxis beträgt 97 km. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 21. März 2016 teilte sie der Beklagten mit, ab 17. März 2016 vierzehntägig in neuropsychologischer Therapie in Potsdam zu sein. Die Fahrt betrage hin und zurück 200 km. Sie bitte um Fahrkostenrückerstattung und einen Fahrkostenrückerstattungsschein für die nächsten Therapien. Beigefügt war ein Attest des Dr. W, wonach die Klägerin am 17. März 2016 zur neuropsychologischen Diagnostik in seiner Praxis gewesen sei. Eine ärztliche Verordnung einer Krankenbeförderung („Muster 4“) lag dem Schreiben nicht bei. Die Klägerin erinnerte mit Schreiben vom 5. April 2016, eingegangen bei der Beklagten am 11. April 2016, an ihren Antrag. Darin führte sie u. a. aus, sie könne nicht alleine zu der Therapie fahren und bittet um Kostenerstattung, damit die Therapie weiter durchgeführt werden könne. Randnummer 5 Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29. April 2016 den Antrag auf Fahrtkostenübernahme ab, nachdem sie bereits zuvor unter dem 13. Juni 2016 einen Antrag auf Kostenübernahme für eine telemedizinische Behandlung zurückgewiesen hatte. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen hierfür einer hohen Belastungsfrequenz über einen längeren Zeitraum und einer Beeinträchtigung durch die Behandlung oder den Krankheitsverlauf in einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden auf Leib und Leben unerlässlich sei, lägen nicht vor. Die Klägerin könne auch keinen Schwerbehindertenausweis vorlegen mit einem der Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), Bl (blind), H (hilflos) und sei keine Versicherte, die Pflegeleistungen nach Pflegestufe 2 oder 3 des Sozialgesetzbuch Neuntes Buch beziehe oder zwar keines der genannten Merkzeichen bzw. einen Pflege-Einstufungsbescheid vorweisen könne, jedoch von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Mobilität betroffen sei und einer ambulanten Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfe. Randnummer 6 Diese Entscheidung griff die Klägerin nicht an. Randnummer 7 Mit am 30. Mai 2017 eingegangenen Schreiben vom 29. Mai 2017 stellte sie aber erneut einen Antrag auf Fahrtkostenerstattung. Sie sei im Mai 2017 beim MRT und zu dessen Auswertung im C Klinikum in C gewesen. Aufgrund der attestierten Befunde sei sie nicht in der Lage, selbst zur erforderlichen Therapie in Potsdam zu fahren. Die Termine für die Therapie ab 2016 seien der Beklagten zugeschickt worden. Beigefügt war ein Attest des Dr. S des Klinikums, wonach die Klägerin weiterhin an einer Merk- und Gedächtnisstörung leide und die Fortführung des vierzehntägigen Hirnleistungstrainings in P aus neurochirurgischer Sicht sinnvoll und notwendig sei. Randnummer 8 Mit Telefonaten vom 8. Juni 2017 forderte die Beklagte von Dr. S eine entsprechende Verordnung an und teilte der Klägerin mit, nach deren Eingang den Medizinischen Dienst Berlin-Brandenburg (MDK) einzuschalten. Randnummer 9 Eine ärztliche Verordnung einer Krankenbeförderung, ausgestellt von Dr. S, ging daraufhin an diesem Tag bei der Beklagten ein und wurde von dieser mit Schreiben vom 14. Juni 2017 dem MDK vorgelegt. Dieser gelangte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme durch Dipl.-Med. Z vom 15. Juni 2017 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 der Krankentransportlinien nicht gegeben seien. Zwar bestünde eine relativ hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum. Jedoch beeinträchtige der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf oder die Behandlung selbst die Klägerin nicht in einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Seele unerlässlich sei. Auf die Stellungnahme wird ergänzend verwiesen. Randnummer 10 Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Kostenübernahme für Fahrten zur ambulanten Behandlung mit Bescheid vom 28. Juni 2017 ab. Randnummer 11 Hiergegen erhob die Klägerin am 13. Juli 2017 Widerspruch und reichte ein Attest ihres Behandlers Dr. W vom 29. Juni 2017 ein, wonach die Behandlung bis auf Weiteres medizinisch notwendig sei. Randnummer 12 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 zurück. Randnummer 13 Hiergegen hat die Klägerin am 20. November 2017 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben: Sie habe mit Schreiben vom 21. März 2016 die Erstattung der Fahrkosten für die Wahrnehmung der Behandlungstermine ab dem 17. März 2016 beantragt. Dies habe die Beklagte erst mit Bescheid vom 28. Juni 2017 abgelehnt. Beim Schreiben vom 29. April 2016 handle es sich mangels Rechtsmittelbelehrung nicht um einen Verwaltungsakt. Randnummer 14 Gegen den Ablehnungsbescheid vom 13. Juni 2016 habe sie zunächst am 15. Juni 2016 mündlich und sodann mit Schreiben vom 13. Juli 2016 schriftlich Widerspruch eingelegt. Jedenfalls liege im Klagevorbringen ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Beklagte habe allerdings bereits von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren eingeleitet, wie sich aus der Begründung im Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2017 ergebe. Auch sei bereits ihr Antrag auf Kostenübernahme vom 25. Mai 2017 als solcher auf Überprüfung des Bescheides vom 29. April 2016 auszulegen, weil sie dort ausgeführt habe „Termine d. Therapie von 2016 wurden ihnen zugeschickt.“ Sie habe sich dabei offenbar auf den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2016 bezogen, weil sie von der Beklagten kein Schreiben im April 2017 erhalten habe. Ihr Widerspruch vom 6. Juli 2017 habe sich gegen die Bescheide vom 13. Juni 2017 und vom 28. Juni 2017 gerichtet. Gemeint sei damit offensichtlich der Bescheid vom 13. Juli 2016 gewesen. Randnummer 15 Sie hat Bescheinigungen des Dr. W vom 23. Februar 2017 sowie vom 26. April 2018 eingereicht, in welchen die wahrgenommenen Behandlungstermine bescheinigt werden und auf die ergänzend Bezug genommen wird. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat sie ausgeführt, die notwendige Behandlung beeinträchtige sie in einer Weise, dass eine Fremdbeförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich sei. Nach der Therapie sei sie so erschöpft, dass sie nicht in der Lage sei, ein Fahrzeug sicher zu führen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Sie sei nach der zweistündigen Therapiesitzung so ermüdet, dass sie immer wieder einschlafe und sich nicht konzentrieren könne. Randnummer 16 Die Beklagte hat es auf den Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheides vom 29. April 2016 hin mit Bescheid vom 23. September 2020 abgelehnt, den erstgenannten Bescheid zurückzunehmen. Die Klägerin hat hiergegen Widerspruch erhoben. Das Widerspruchsverfahren ruht bis zum Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens. Randnummer 17 Die Beklagte hat ausgeführt, die Klägerin habe am 29. Mai 2017 lediglich einen Antrag auf Fahrtkostenerstattung für bereits durchgeführter Fahrten begehrt. Ein Antrag auf Kostenübernahme zukünftiger Fahrten liege erst mit Eingang der ärztlichen Verordnung am 8. Juni 2017 vor. Über diesen Antrag habe sie innerhalb von drei Wochen entschieden. Randnummer 18 Das SG hat einen Befundbericht des behandelnden Neurochirurgen Dr. S vom 4. Januar 2021 eingeholt, auf den ergänzend verwiesen wird. Randnummer 19 Es hat die Klage mit Urteil vom 25. Februar 2021 abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Kostenerstattung zur ambulanten neuropsychologischen Therapie in Potsdam für den Zeitraum vom 17. März 2016 bis zum 14. Dezember 2017 zu. Für die Zeit vom 12. Mai 2016 bis zum 18. Mai 2017 folge dies bereits aus der Ablehnung im Bescheid vom 29. April 2016. Dieser sei bestandskräftig, weil die Klägerin keinen Widerspruch erhoben habe. Die im Klageverfahren hierzu eingereichten Unterlagen bezögen sich auf einen Antrag auf Kostenübernahme für telemedizinische neuropsychologische Trainingstherapie. Das Verfahren auf Überprüfung ruhe im Widerspruchsverfahren. Randnummer 20 In der Sache selbst bestehe zudem ein Anspruch weder für den Zeitraum ab 17. März 2016 bis zum 18. Mai 2017 noch für die Zeit danach bis zum 14. Dezember 2017. Die grundsätzlich nach § 60 Abs. 1 Satz 4 SGB V erforderliche Genehmigung durch die Krankenkasse liege nicht vor. Eine der Ausnahmeindikationen nach § 8 der Krankentransportrichtlinie, wonach die Genehmigung als erteilt gelte, liege ebenfalls nicht vor. Bereits nach dem Befundbericht des Dr. S sei auszuschließen, dass bei der Klägerin in der fraglichen Zeit eine Merk- und Gedächtnisstörung vorgelegen habe, welche diese so sehr beeinträchtigt habe, dass ohne Krankenbeförderung ein möglicher Schaden an Leib und Leben eingetreten wäre oder ein solcher Zustand durch die Therapie selbst zu befürchten sei. Auch habe bei ihr keine Mobilitätseinschränkung vergleichbar den Merkzeichen aG, Bl, H oder Pflegesatz 2 oder 3 vorgelegen. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Erstattung der begehrten Fahrtkosten nach § 13 Abs. 3a SGB V zu. Randnummer 21 Gegen diese am 22. März 2021 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin vom 17. April 2021. Zu deren Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend führt sie aus, das SG hätte unter Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips und unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch den Widerspruch der Klägerin vom 13. Juli 2016 dahingehend auslegen müssen, dass diese die Kostenübernahme für die ambulante Behandlung und die Übernahme der damit untrennbar verbundenen Fahrtkosten umfasse. Auch habe der Behandler Dr. S in seiner Verordnung einer Krankenbeförderung die Diagnose eines Ausnahmefalles gestellt. Randnummer 22 Sie beantragt unter Rücknahme von Klage und Berufung im Übrigen, Randnummer 23 das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Februar 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 17. März 2016 Fahrtkosten für 27 Therapiesitzungen in der Praxis für neuropsychologische Diagnostik und Therapie Pin Höhe von insgesamt von 1.067,40 € zu erstatten. Randnummer 24 Die Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Berufung zurückzuweisen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 25. Februar 2021 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 38,80 € zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin 1/20 der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Frankfurt 9. Kammer
Hessen
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10.01.2002
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Verpflichtung, der Berufung durch die Industrie- und Handelskammer Frankfurt a. M. in den Prüfungsausschuss Kauffrau/Kaufmann für Bürokommunikation Folge leisten zu müssen. Die Klägerin unterrichtet an der Wilhelm-Merton-Schule seit vielen Jahren. Ende März 2000 forderte das Staatliche Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main die Wilhelm-Merton-Schule auf, sechs weitere Lehrkräfte für die Besetzung der Prüfungsausschüsse für den Beruf Kaufmann/Kauffrau für Bürokommunikation zu benennen. Mit Schreiben vom 26.04.2000 teilte der Schulleiter dem Staatlichen Schulamt mit, nach überprüfung der von der Industrie- und Handelskammer erstellten Liste über die Prüfungsausschüsse sei festgestellt worden, dass elf Kolleginnen und Kollegen in keinem der Prüfungsausschüsse vertreten seien. Aus dieser Gruppe habe er sechs Lehrkräfte für die Besetzung der Ausschüsse ausgewählt, darunter die Klägerin. Mit Informationsrundschreiben vom darauf folgenden Tage wurden die sechs Lehrkräfte, darunter auch die Klägerin, von der Benennung für die Prüfungsausschüsse unterrichtet. In dem Schreiben heißt es weiter, die Betroffenen seien mit Hilfe des Losverfahrens aus einer Gruppe von elf Lehrkräften ausgewählt worden. Er, der Schulleiter, halte diese "Dienstverpflichtung" für sehr sinnvoll, da einerseits die Möglichkeit biete, einen Einblick in einen bedeutungsvollen Prüfungsbereich unserer Schülerinnen zu bekommen, andererseits die Prüflinge in einer "aktiven Form" unterstützen zu können. Vielleicht gäben diese überlegungen den ausgewählten Lehrkräften die Möglichkeit, eine positive Einstellung zu dieser Tätigkeit zu gewinnen. Randnummer 2 Am 21.06.2000 erhob die Klägerin beim Staatlichen Schulamt für die Stadt Frankfurt am Main Widerspruch gegen die Berufungen in den Prüfungsausschuss Kauffrau-Kaufmann für Bürokommunikation. Mit Schreiben vom 13.08.2000 (Blatt 10 f. des Behördenvorgangs) begründete sie ihren Widerspruch und machte geltend, es handle sich um die Anordnung einer Nebentätigkeit, so dass sie vor der entsprechenden Maßnahme habe angehört werden müssen. Aus der großen Anzahl der erforderlichen Prüfungsausschüsse ergebe sich auch durch den hohen Anteil an Externenprüfungen in diesem Ausbildungsberufen, z.B. auf Grund von Umschulungen, eine überdurchschnittliche Belastung mit Prüfungstätigkeiten. Durch die Anordnung der Nebentätigkeit werde auch ihre regelmäßige Arbeitszeit überschritten, da die Prüfertätigkeit insbesondere in den letzten Wochen vor der Zeugniserteilung stattfinde und sie gerade in diesem Zeitraum auch mit schulischen Aufgaben stark belastet sei. Randnummer 3 Der Schuleiter nahm mit Schreiben vom 28.11.2000 zu den Ausführungen der Klägerin Stellung und machte unter anderem geltend, wie bereits mit dem Personalrat erörtert, würde jede Nichtübernahme einer Prüfertätigkeit zu einer weiteren eventuell nicht mehr vertretbaren Belastung anderer Kolleginnen und Kollegen führen. Für die Durchführung der Prüfungen selbst würden die Kolleginnen und Kollegen vom Unterricht befreit. Randnummer 4 Mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2001 wies das Staatlichen Schulamt für die Stadt Frankfurt a. M. den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Bescheid wurde am 14.02.2001 zur Post gegeben. Randnummer 5 Mit ihrer am 16.03.2001 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung ihrer Verpflichtung zur Wahrnehmung der Prüfertätigkeit. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid handele es sich bei der Berufung und Beauftragung mit der Abnahme von Prüfungen um eine Nebentätigkeit im Sinne von § 78 Abs. 1 ABG. Dies ergebe sich auch aus dem Erlass des Kultusministeriums vom 06.03.1998, auszugsweise wiedergegeben in einem Schreiben des Schulleiters vom 27.04.1998 (Blatt 20 d.A.). Die Maßnahme selbst verstoße gegen das Gebot, dass eine Nebentätigkeit den Beamten nicht über Gebühr in Anspruch nehmen dürfe. Randnummer 6 Die Klägerin beantragt sinngemäß, Randnummer 7 die Verfügung des Schulleiters des Wilhelm-Merton-Schule vom 27.04.2000, soweit sie die Klägerin betrifft und den Widerspruchsbescheid des Staatlichen Schulamtes für die Stadt Frankfurt a. M. vom 13.02.2001 aufzuheben. Randnummer 8 Das beklagte Land beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Es führt aus, die Klägerin sei nicht berechtigt, die Tätigkeit im Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer abzulehnen, wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt. Dabei könne es dahinstehen, ob es sich um eine Nebentätigkeit oder um eine Aufgabe im Rahmen des Hauptamtes handele, da die Klägerin in beiden Fällen zur übernahme verpflichtet sei. Eine Belastung über Gebühr liege nicht vor, da die Klägerin für die Wahrnehmung der Prüfungstätigkeit von ihrer Unterrichtsverpflichtung freigestellt werde und hierdurch auch der Aufwand für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts entfalle. Per Saldo führe die Prüfungstätigkeit damit zu keiner nennenswerten Verlängerung der Arbeitszeit. Letztlich beruhe die Verpflichtung der Klägerin auf der gesetzlichen Vorgabe des § 37 BBiG, welche die Teilnahme von Lehrkräften vorn Prüfungsausschüssen ausdrücklich vorsehe. Die Auswahl der Klägerin sei auch nicht ermessensfehlerhaft, da der Schulleiter sich von dem Gedanken habe leiten lassen, eine gleichmäßige Inanspruchnahme des Kollegiums sicher zu stellen. Randnummer 11 Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge des Beklagten hat vorgelegen. Auf sein Inhalt und den Inhalt der Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Die Verfügung des Leiters der Wilhelm-Merton-Schule vom 27.04.2000, sowie sie die Klägerin betriff und der Widerspruchsbescheid des Staatlichen Schulamtes für die Stadt Frankfurt am Main vom 01.02.2001 werden aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu tragen. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises. 2 Am 10.01.2011 wurden am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs die Bauarbeiten für das Projekt Stuttgart 21 nach einer Baupause fortgesetzt. Nach den Feststellungen der Polizei kam es dabei nahezu jeden Morgen ab 7.00 Uhr zu Blockaden der Baustellenzufahrt durch Gegner des Projekts, die stets Megafone und anlassbezogene Transparente mit sich geführt hätten. Auf Grund der Blockaden sei es zu Verzögerungen des Arbeitsbeginns einer Baufirma um jeweils 1 bis 2,5 Stunden gekommen. Dabei hätten die Projektgegner ihr Vorgehen an die polizeiliche Taktik angepasst. So hätten sie die Blockaden ab dem 17.01.2011 jeweils erst beendet, nachdem sie hierzu von der Polizei drei Mal durch Lautsprecherdurchsagen aufgefordert worden seien. Da sich bei den Projektgegnern die Vorstellung verfestigt gehabt habe, dass ihr Verhalten bis zur polizeilichen Ansage nicht zu beanstanden sei, seien die blockierenden Projektgegner am 18. und 24.01.2011 jeweils nur einmal zur Beendigung ihres Tuns aufgefordert worden. Da dies nicht zu einer Beendigung der täglichen Blockaden geführt habe, habe die Polizei ihre Strategie insoweit geändert, als strafbare Handlungen künftig ohne vorherige Aufforderung zum Unterlassen unterbunden und verfolgt werden sollten. Bei dem Polizeieinsatz am 24.01.2011 sei dies den an diesem Tag die Baustellenzufahrt blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden. 3 Am Morgen des 25.01.2011, einem Dienstag, kamen auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz vor der Baustelle am Nordflügel des Hauptbahnhofs zwischen 6.00 Uhr und 7.00 Uhr ca. 50 Projektgegner zu einem auch schon in der Vergangenheit so beworbenen Blockadefrühstück am Bauzaun zusammen, darunter auch der Kläger. Die Projektgegner hielten sich im Zufahrtsbereich der Baustelle auf der Fahrbahn, der Fußgängerfurt, dem Fahrbahnteiler, am Fahrbahnrand und auf dem Gehweg auf. Sie führten zwei Transparente mit sich, eines mit dem Text Kriminalisierung? Einschüchterung? IHR KRIEGT UNS NICHT KLEIN! Unser Protest geht weiter!, das andere mit dem Text Baustopp selber machen! - Wir wi(e)der-setzen uns!. Von einigen Projektgegnern wurde das einem straßenverkehrsrechtlichen Ortsendeschild nachempfundene Schild Stuttgart 21 in die Höhe gehalten. Mindestens eine Person führte ein Megafon mit sich. 4 Nach den Feststellungen der Polizei wurden von den Projektgegnern kurz vor 7.00 Uhr zunächst drei Fahrzeuge einer Baufirma von der Heilbronner Straße in die Zufahrt zum Baustellenbereich durchgelassen. Dem dritten dieser Fahrzeuge, einem LKW, stellten sich mehrere Projektgegner vor der Einfahrt des Parkplatzes auf dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sodann jedoch in den Weg, so dass dieser nicht weiterfahren konnte. Ebenso wurde ein Transporter einer Baufirma, der von der Heilbronner Straße auf den Kurt-Georg-Kiesinger Platz einfahren wollte, vor der Fußgängerfurt durch auf der Fahrbahn stehende Projektgegner blockiert. Aufgrund der Blockade des Transporters konnte ein hinter diesem auf der Abbiegespur auf der Heilbronner Straße fahrender LKW ebenfalls nicht auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz einfahren. In der Folge stellten sich mindestens drei Projektgegner auch vor dieses Fahrzeug auf die Fahrbahn. Um 7.20 Uhr wurden die sich auf der Fahrbahn vor den blockierten Fahrzeugen aufhaltenden Projektgegner, unter denen sich auch der Kläger befand und deren Anzahl in den Behördenakten zwischen 30 und 32 schwankt, von Polizeikräften umstellt. Während der Beklagte angibt, dass dabei nur Personen erfasst worden seien, die auf der Fahrbahn gestanden hätten, gibt der Kläger an, dass auch Personen, die gar nicht auf der Straße gestanden hätten, sondern auf dem Gehweg oder auf Verkehrsinseln abseits jeder Blockademöglichkeit, teilweise mit körperlicher Gewalt in den von der Polizei umstellten Bereich gezwungen worden seien. Den von Polizeibeamten umstellten Projektgegnern wurde von der Polizei um 7.37 Uhr über Megafon Folgendes erklärt: 5 Achtung, Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei. Sie haben sich einer Nötigung strafbar gemacht. Wir werden jetzt von ihnen einzeln die Personalien feststellen. Im Anschluss erhalten sie einen Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und für die Straße „Am Schlossgarten“ bis 24.00 Uhr heute Abend. Kommen sie diesem Platzverweis nicht nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Ferner behalten wir uns vor, Sie dann im Anschluss in Gewahrsam zu nehmen . 6 Die von der Polizei umstellten Projektgegner wurden sodann einzeln zu Bearbeitungsmodulen der Polizei geführt, wo gegen sie nach der Identitätsfeststellung jeweils ein Platzverweis für den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz und die Straße „Am Schloßgarten“ am 25.01.2011 bis 24.00 Uhr ausgesprochen wurde. Lichtbilder wurden nach den Angaben der Polizei nur mit Einverständnis der betroffenen Personen gefertigt. Der Kläger wurde nach der Identitätsfeststellung, der Anfertigung eines Lichtbilds und der Anordnung eines Platzverweises um 8.25 Uhr entlassen. Insgesamt waren die polizeilichen Maßnahmen um ca. 9.15 Uhr abgeschlossen. 7 Am 04.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass seine Ingewahrsamnahme, die Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung sowie der ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis rechtswidrig waren. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Zusammentreffen der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 vor dem Nordflügel des Hauptbahnhofs um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Maßnahmen, die die Teilnahme an einer Versammlung beenden - wie eine Ingewahrsamnahme oder ein Platzverweis - rechtswidrig, solange die Versammlung nicht gemäß § 15 Abs. 3 Versammlungsgesetz aufgelöst oder der Teilnehmer auf versammlungsrechtlicher Grundlage von der Versammlung ausgeschlossen wurde. Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen eine Versammlung richteten sich nach dem Versammlungsgesetz, welches in seinem Anwendungsbereich als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vorgehe. Eine Auflösung der Versammlung habe nicht stattgefunden. Weder er noch andere Projektgegner seien vor der Ingewahrsamnahme zum Verlassen des Platzes aufgefordert worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien bereits deshalb rechtswidrig gewesen. Auch habe weder eine Nötigung noch eine versuchte Nötigung vorgelegen. Es habe nämlich keine Sitzblockade stattgefunden. Außerdem komme nach der sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Nötigung bei der Blockade von Straßen nur dann in Betracht, wenn über die bloße Anwesenheit einzelner Personen auf der Fahrbahn hinaus ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen werde, welches eine Weiterfahrt verhindere. Es müssten daher durch die Sitzblockade Fahrzeuge an der Weiterfahrt gehindert und dadurch der nachfolgende Verkehr blockiert werden. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, da vor der Umstellung der Projektgegner durch Polizeikräfte nur noch ein Fahrzeug - und dieses sogar noch ohne Fahrer - auf der Heilbronner Straße gestanden habe. Da damit auch keine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe, hätten die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nicht vorgelegen. Selbst bei Vorliegen einer Sitzblockade sei die Ingewahrsamnahme zudem unverhältnismäßig gewesen. Nach alledem hätten auch weder die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung nach § 26 PolG noch für die Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Form der Anfertigung von Lichtbildern nach § 36 PolG noch für die Anordnung eines Platzverweises nach § 27a PolG vorgelegen. 8 Da die vom Kläger für rechtswidrig gehaltenen Maßnahmen der Ingewahrsamnahme und der Identitätsfeststellung von der Polizei zu Zwecken der Strafverfolgung getroffen wurden, hat das Gericht das Verfahren insoweit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2013 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren (5 K 137/13) mit Beschluss vom 17.01.2013 an das Amtsgericht Stuttgart verwiesen. Die vom Kläger hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 04.03.2013 - 1 S 314/13 - zurückgewiesen. 9 Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist deshalb nur noch die Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Kläger angeordneten Platzverweises. 10 Der Kläger beantragt, 11 festzustellen, dass der am 25.01.2011 ihm gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war. 12 Der Beklagte beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14 Zur Begründung macht er im Wesentlichen Folgendes geltend: Aufgrund der Blockade habe gegen die sich auf der Fahrbahn aufhaltenden Projektgegner und damit auch gegen den Kläger der Anfangsverdacht der Nötigung bestanden, da ein hinter einem von Projektgegnern blockierten Transporter fahrender LKW, der ebenfalls auf den Kurt-Georg-Kiesinger-Platz habe einfahren wollen, wegen des blockierten Trans-porters ebenfalls habe anhalten müssen. Die Blockierer seien deshalb für Zwecke der Strafverfolgung zur Identitätsfeststellung festgehalten worden. Die polizeilichen Maßnahmen seien ohne Ankündigung erfolgt, was am Tag zuvor den damals blockierenden Projektgegnern auch angekündigt worden sei. Da es sich bei der Zusammenkunft der Projektgegner am Morgen des 25.01.2011 um eine reine Verhinderungsblockade gehandelt habe, könne sich der Kläger auch nicht auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berufen. Der Schutzbereich des Art. 8 GG umfasse nämlich nicht auch Ansammlungen, deren Hauptzweck es sei, selbsthilfeähnlich das eigene Vorhaben zu erzwingen bzw. das Missbilligte zu verhindern. Selbst wenn die Blockade als Versammlung einzustufen wäre, würde dies den Anfangsverdacht der Nötigung nicht beseitigen, so dass die Polizei nach § 163 StPO zum Einschreiten verpflichtet gewesen sei. Die Strafverfolgung sei gegenüber dem Versammlungsrecht auch nicht subsidiär. Der nach § 27a Abs. 1 PolG ausgesprochene Platzverweis sei ebenfalls rechtmäßig, insbesondere entfalte das Versammlungsrecht keine Sperrwirkung. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der vorangegangenen Aktion um eine Versammlung gehandelt habe, so habe diese jedenfalls nicht mehr bestanden, als nach Abschluss der strafprozessualen Maßnahmen gegen den Kläger der Platzverweis angeordnet worden sei. Nachdem sich der Kläger an der Blockade am Nordflügel beteiligt gehabt habe, habe auch die konkrete Gefahr bestanden, dass er sich weiteren Nötigungshandlungen anschließt. Der Platzverweis sei auch hinreichend bestimmt gewesen, nachdem er dem Kläger - wie über Lautsprecher angekündigt und auf einem individuellen Festnahmeformular dokumentiert - für den Kurt-Georg-Kiesinger Platz und die Straße „Am Schlossgarten“ bekanntgegeben worden sei. 15 Am 04.12.2013 hat der Kläger die Anordnung des Ruhens des Verfahrens mit der Begründung beantragt, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Nötigung am 25.01.2011 noch nicht abgeschlossen sei. Im Einverständnis mit dem Beklagten hat das Gericht sodann mit Beschluss vom 04.12.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Kläger Kenntnis davon erlangt hatte, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits am 04.10.2013 nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, hat er das Verfahren am 25.03.2014 wiederangerufen. 16 In der mündlichen Verhandlung sind zwei vom Beklagten vorgelegte DVD mit am 25.01.2011 von der Polizei gefertigten Video-Aufnahmen durch Projektion an die Wand des Sitzungssaals in Augenschein genommen worden. 17 Den von der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, den Leiter des Polizeieinsatzes vom 25.01.2011 als Zeugen zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass Personen mit eingekesselt wurden, die erkennbar nicht auf der einfahrenden Fahrbahn standen, sondern auch auf Verkehrsinseln oder Gehwegen, also abseits jeder Blockademöglichkeit, hat das Gericht abgelehnt. 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten der Landespolizeidirektion und der Staatsanwaltschaft Stuttgart verwiesen.
Es wird festgestellt, dass der am 25.01.2011 dem Kläger gegenüber angeordnete Platzverweis rechtswidrig war. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag aus dem gewährten Kindergeld bzw. gegen die Verpflichtung, eine Halbwaisenrente für die Kosten einer Maßnahme der Eingliederungshilfe einzusetzen. 2 Die Klägerin zu 1 wurde am ... 2001 geboren. Sie hat zwei jüngere Geschwister und erhält vom Beklagten seit Mai 2014 Eingliederungshilfe für den Besuch eines Internats wegen einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung - ADS - bei sozialer Ausgrenzung und Hochbegabung. Die Kosten betragen etwa ... EUR monatlich. Der Vater der Klägerin zu 1, den der Beklagte zu einem Kostenbeitrag herangezogen hatte, ist am 24.10.2016 verstorben. Seither bezieht die Klägerin zu 1 eine Halbwaisenrente, die bei der ersten Bewilligung 213,94 EUR betragen hat. Ihre Mutter, die Klägerin zu 2, erhält für die Klägerin zu 1 Kindergeld. 3 Mit Bescheid vom 18.01.2017, adressiert an die Klägerin zu 2, setzte der Beklagte unter Hinweis darauf, dass nach den Bestimmungen des SGB VIII das Kind zu den Kosten der Hilfe beizutragen habe, einen Kostenbeitrag i.H.v. 191,36 monatlich ab dem 24.10.2016 und von 213,94 EUR monatlich ab dem 01.01.2017 fest; für den Monat Oktober 2016 betrage der anteilige Kostenbeitrag 49,38 EUR. 4 Mit Bescheid vom gleichen Tag setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Kostenbeitrag ab dem 01.01.2017 in Höhe des Kindergeldes von 192 EUR monatlich fest (und hob den vorausgegangenen Kostenbeitragsbescheid betreffend Kindergeld vom 17.09.2015 ab diesem Zeitpunkt auf). 5 Die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen erhob jeweils am 30.01.2017 Widerspruch und machte geltend, dass die von der Mutter der Klägerin zu 1 erbrachten tatsächlichen Betreuungsleistungen während der Ferien und der Wochenenden, an denen das Internat geschlossen sei, anzurechnen seien. 6 Mit Bescheid vom 18.10.2017 änderte der Beklagte den Kostenbeitragsbescheid vom 18.01.2017 aus Halbwaisenrente (nach deren Erhöhung) ab dem 01.07.2017 auf 218,01 EUR monatlich. 7 Mit Bescheid vom 15.12.2017 setzte er gegenüber der Klägerin zu 2 den Kostenbeitrag ab 01.01.2018 in Höhe des Kindergeldes von 194 EUR monatlich fest. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen erhob am 20.12.2017 Widerspruch. 8 Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2018 wies der Beklagte sämtliche Widersprüche zurück und führte aus: Bei der Halbwaisenrente handele sich um eine zweckidentische Leistung, die gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII als Kostenbeitrag verlangt werde. Auch das Kindergeld werde gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII als Kostenbeitrag verlangt. Auf beide dieser Arten von Kostenbeiträgen seien tatsächliche Betreuungsleistungen der Personensorgeberechtigten nicht anzurechnen. 9 Die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat ausdrücklich nur für die Klägerin zu 1, vertreten durch die Klägerin zu 2, am 14.02.2018 Klage erhoben und dabei den Antrag angekündigt, sämtliche oben genannte Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einen Kostenbeitrag hinsichtlich des Kindergeldes und der Halbwaisenrente in angemessener Höhe zu vereinnahmen. Sie trägt vor: Inzwischen habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und im Anschluss daran auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass tatsächliche Betreuungsleistungen über Tag und Nacht beim Kostenbeitrag gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII anzurechnen seien. Dies gelte nicht nur für den Kostenbeitrag aus Kindergeld, sondern auch für den Einsatz von Geldleistungen, die dem gleichen Zweck wie die jeweilige Leistung der Jugendhilfe dienten. 10 Nachdem die Kammer auf die jüngere Rechtsprechung hingewiesen hatte, nach der tatsächliche Betreuungsleistungen nicht pauschal und mit einem Höchstsatz von 40% (gemäß den Empfehlungen zur Kostenbeteiligung Baden-Württemberg), sondern taggenau anzurechnen seien, hat der Beklagte der Klage der Klägerin zu 2 abgeholfen. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. 11 Die Klägerin zu 1 beantragt noch, 12 die Bescheide des Landratsamts ... vom 18.01.2017 und vom 18.10.2017 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 23.01.2018 (jeweils betreffend Halbwaisenrente) in dem Umfang der Berechnung des Landratsamts vom 23.10.2018 über die Aufstellung der Tage zu Hause aufzuheben. 13 Der Beklagte beantragt, 14 die Klage abzuweisen. 15 Er trägt vor: Die neuere Rechtsprechung dazu, dass beim Kostenbeitrag aus Kindergeld die Tage der Anwesenheit des Kindes im Haushalt des Beitragspflichtigen anzurechnen seien, gelte nicht für den Einsatz der Halbwaisenrente. § 94 Abs. 4 SGB VIII sei insoweit nicht anwendbar. 16 Der Kammer liegen zwei Hefte Akten des Landratsamts ... (Seiten 1 bis 1238) vor.
Das Verfahren wird hinsichtlich der Klägerin zu 2 eingestellt. Die Bescheide des Landratsamts Ortenaukreis vom 18.01.2017 und vom 18.10.2017 sowie insoweit dessen Widerspruchsbescheid vom 23.01.2018 (jeweils hinsichtlich Halbwaisenrente) werden im Umfang der Berechnung des Landratsamts Ortenaukreis vom 23.10.2018 (Aufstellung über die Tage zu Hause) aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Streitig sind Fragen der Verlustverrechnung von sog. Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Einführung der sog. Abgeltungssteuer. 2 Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer des Streitjahrs (2009) zusammenveranlagt werden. Zum 31. Dezember 2007 war zu ihren Gunsten ein verbleibender Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 85.379 EUR betreffend den Kläger und von 85.380 EUR betreffend die Klägerin (insgesamt mithin 170.759 EUR) gesondert festgestellt worden. Dieser Verlustvortrag hatte sich in dem dem Streitjahr vorangehenden Veranlagungszeitraum 2008 um 148.390 EUR betreffend den Kläger und um 148.389 EUR betreffend die Klägerin (in Summe mithin 296.779 EUR) erhöht, weil die Kläger im Laufe des Jahres 2008 ausweislich einer Jahressteuerbescheinigung der X-Bank in entsprechender Höhe – nach Anwendung des sog. Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j des Einkommensteuergesetzes, hier in der bis zum Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes vom 14. August 2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630, geltenden Fassung – a. F. –) nur einen gegenüber den Anschaffungs- und den Werbungskosten geringeren Veräußerungserlös aus dem Wiederverkauf von zuvor innerhalb der Jahresfrist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a. F. erworbenen Wertpapieren hatten erzielen können. Der dadurch entstehende verbleibende Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31. Dezember 2008 in Höhe von jeweils 233.769 EUR (insgesamt also 467.538 EUR) wurde vom beklagten Finanzamt (dem Beklagten) mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 gegenüber den Klägern gesondert festgestellt. 3 Im Streitjahr erzielten die Kläger zum einen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (jeweils in Gestalt eines Verlustes von je 529 EUR), aus Vermietung und Verpachtung (in Höhe von 6.088 EUR beim Kläger und 5.525 EUR bei der Klägerin) und aus dem Bezug von Renten (mit einem steuerpflichtigen Anteil nach Abzug von Werbungskosten von 5.973 EUR beim Kläger und 2.510 EUR bei der Klägerin). Daneben erwirtschafteten sie im September des Streitjahres in Bezug auf mehrere im Dezember des Vorjahres 2008 privat erworbene Wertpapiertranchen der Y-AG einen Gewinn (Überschuss des Veräußerungserlöses über die Anschaffungs- und Werbungskosten) in Höhe von 13.389 EUR beim Kläger und 13.391 EUR bei der Klägerin. Außerdem erzielten die Kläger erhebliche Einkünfte aus Kapitalvermögen, für die die sie betreuenden X-Bank und Z-Bank jeweils Kapitalertragsteuer in Höhe von 25% der Bruttoerträge nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (hier i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes – n. F. –) einbehalten hatten. In diesen Kapitaleinkünften waren ausweislich der entsprechenden Bankbescheinigungen unter anderem auch Gewinne aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 472.053 EUR und 79.701 EUR (insgesamt 551.754 EUR) enthalten, die jeweils zur Hälfte (mithin zu je 275.877 EUR) auf den Kläger und auf die Klägerin entfielen. Die übrigen Kapitaleinkünfte der Kläger beliefen sich auf 107.324 EUR beim Kläger und auf 107.228 EUR bei der Klägerin. 4 Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Bescheid vom 29. Oktober 2010 zur Einkommensteuer des Streitjahres. Dabei verrechnete er den zum 31. Dezember des Vorjahres 2008 festgestellten Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften zunächst in Höhe von 6.694 EUR und 6.695 EUR (insgesamt mithin 13.389 EUR) mit den – jeweils nur zur Hälfte angesetzten – Überschüssen der Kläger aus der Veräußerung der Wertpapiere der Y-AG, so dass sich dadurch Einkünfte der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften von je null EUR ergaben. Damit gelangte der Beklagte nach Ansatz der übrigen Einkünfte – mit Ausnahme der Einkünfte aus Kapitalvermögen – zu einem zu versteuernden Einkommen der Kläger von 9.498 EUR, auf das er nach dem sog. Splittingtarif eine tarifliche Einkommensteuer von null EUR errechnete. Auf Antrag der Kläger führte der Beklagte zudem eine Überprüfung des Steuereinbehalts für deren Einkünfte aus Kapitalvermögen durch. Dabei verrechnete er den nach Abzug der bereits verbrauchten Beträge von 6.694 EUR und 6.695 EUR (insgesamt 13.389 EUR) noch verbleibenden Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 227.074 EUR und 227.075 EUR (in Summe also 454.149 EUR) mit den von den Bankhäusern bescheinigten Gewinnen der Kläger aus der Veräußerung von Aktien. Anschließend brachte er bei den Klägern noch einen Sparerpauschbetrag von je 801 EUR in Abzug. Daraus ergaben sich zu versteuernde Kapitalerträge in Höhe von 155.326 EUR beim Kläger und 155.229 EUR bei der Klägerin, auf die der Beklagte eine Einkommensteuer von 77.638 EUR erhob. In dieser Höhe setzte der Beklagte auch die Einkommensteuer des Streitjahrs gegenüber den Klägern fest. In den Erläuterungen zum Bescheid merkte er an, dass die – von den Klägern ebenfalls beantragte – Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge zu dem Ergebnis geführt habe, dass die Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif nicht günstiger sei. – Daneben erließ der Beklagte unter dem 29. Oktober 2010 noch einen weiteren Bescheid, durch den er den verbleibenden Verlustvortrag bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31. Dezember 2009 mit jeweils null EUR beim Kläger und bei der Klägerin gesondert feststellte. 5 Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 29. Oktober 2010 legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein und beantragten „eine Verlustberechnung nach § 22 (3) EStG“ (sic). Dem Schreiben fügten sie eine Steuerberechnung bei, aus der sich eine niedrigere Einkommensteuer als jene ergab, die der Beklagte ihnen gegenüber festgesetzt hatte. Dazu waren die Kläger gelangt, indem sie einerseits die mit der tariflichen Einkommensteuer zu besteuernden Einkünfte um die Hälfte ihrer Überschüsse aus der Wertpapierveräußerung betreffend die Y-AG (mithin um 6.694 EUR + 6.695 EUR = 13.389 EUR) erhöht und andererseits die mit der Einkommensteuer auf Kapitalerträge zu besteuernden Einkünfte aus Kapitalvermögen um den gleichen Betrag vermindert hatten. 6 Der Beklagte lehnte die von den Klägern begehrte Form der Verlustverrechnung unter Hinweis darauf ab, dass die aus dem Veranlagungszeitraum 2008 vorgetragenen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften – wie geschehen – zuerst mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften des Streitjahrs und erst anschließend mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden müssten. Diese Reihenfolge ergebe sich aus Rz. 118 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. Dezember 2009 – IV C 1 – S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94). Ein Wahlrecht zur Verlustverrechnung existiere nicht. Mit dieser Begründung wies er den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 25. November 2011 als unbegründet zurück. 7 Hiergegen richtet sich die Klage vom 28. Dezember 2011. Mit ihr verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, den auf den 31. Dezember 2008 festgestellten Verlustvortrag in voller Höhe auf „die Veräußerungsgewinne nach neuem Recht“ anzurechnen und „die Veräußerungsgewinne, welche dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen“, entsprechend dem allgemeinen Einkommensteuertarif zu versteuern. Sie sind der Auffassung, es sei aus § 23 EStG n. F. nicht ersichtlich, inwieweit bei der Verlustverrechnung eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten sei. Daher stehe es ihnen frei, die für sie günstigste Variante zu wählen. 8 Die Kläger beantragen (sinngemäß), den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 29. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. November 2011 zu ändern und die Einkommensteuer um 2.120 EUR auf 75.518 EUR herabzusetzen. 9 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, und verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Die Revision wird zugelassen.
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VG Berlin 5. Kammer
Berlin
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10.12.2021
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Randnummer 1 Die Klägerinnen sind Bedienstete der B ... . Sie fechten die im Jahr 2020 durchgeführte Wahl der Gesamtfrauenvertreterin der B ... und ihrer Stellvertreterin an. Randnummer 2 Die Beigeladene als bis dahin amtierende Gesamtfrauenvertreterin bestellte im März 2020 den Wahlvorstand. Dieser konstituierte sich am 22. September 2020. In seiner Sitzung am 24. September 2020 beschloss der Wahlvorstand, dass eine schriftliche Stimmabgabe erfolgen werde. Randnummer 3 In seiner Sitzung am 1. Oktober 2020 befasste sich der Wahlvorstand mit dem Wahlausschreiben. Das Wahlausschreiben ist datiert auf den 1. Oktober 2020; dieses Datum ist auch als Tag des Aushangs angegeben; als Zeitpunkt des Erlasses ist der 5. Oktober 2020 genannt. Weiter heißt es unter anderem, die Wahlberechtigten würden aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen seit dem Erlass dieses Wahlausschreibens schriftliche Wahlvorschläge beim Wahlvorstand einzureichen; dem Wahlvorschlag sei die schriftliche Zustimmung der Bewerberin beizufügen. „Letzter Termin der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen“ sei der 19. Oktober 2020, 14:00 Uhr. Das Wahlausschreiben wurde in den verschiedenen Liegenschaften der B ... ab dem 1. Oktober 2020 ausgehängt. Randnummer 4 Zwischen dem 5. Oktober und dem 15. Oktober 2020 gingen mehrere Wahlvorschläge ein. Die Klägerinnen zu 1 und 2 sowie die Beigeladene kandidierten als Gesamtfrauenvertreterin; zur Stellvertreterin wurden die Klägerin zu 2 und Frau L. vorgeschlagen. Randnummer 5 Der Wahlvorstand zählte die Stimmen am 19. November 2020 aus. In der Niederschrift über die Sitzung des Wahlvorstandes zur Feststellung des Wahlergebnisses vom 24. November 2020 ist festgehalten, für die Wahl der Gesamtfrauenvertreterin seien 1.094 Stimmen abgegeben worden, davon 75 ungültig und 1.019 gültig; von den gültigen Stimmen seien 404 Stimmen auf die Beigeladene, 366 Stimmen auf die Klägerin zu 1 und 249 Stimmen auf die Klägerin zu 2 entfallen. Bei der Wahl der Stellvertreterin seien 1.084 Stimmen abgegeben worden, davon 93 ungültig und 999 gültig; von den gültigen Stimmen seien 585 Stimmen auf die Klägerin zu 2 und 414 Stimmen auf Frau L. entfallen. Randnummer 6 Das Wahlergebnis wurde am 24. November 2020 durch Aushang bekannt gegeben. Randnummer 7 Die Klägerinnen haben am 3. Dezember 2020 Klage erhoben. Sie rügen unter anderem, das Wahlausschreiben sei nicht ordnungsgemäß. Aushang und Erlass müssten am gleichen Tag erfolgen; hier sei der Aushang auf den 1. Oktober, der Erlass auf den 5. Oktober 2020 datiert worden, was schon tatsächlich nicht möglich sei. Zudem fehlten Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Stimmabgabe; auch bei einer reinen Briefwahl dürfe die Möglichkeit der Abgabe der Wahlunterlagen beim Wahlvorstand nicht ausgeschlossen werden. Randnummer 8 Die Klägerinnen beantragen, Randnummer 9 die Wahl der Beigeladenen zur Gesamtfrauenvertreterin der B ... und die Wahl der Klägerin zu 2. zur stellvertretenden Gesamtfrauenvertreterin der B ... für ungültig zu erklären. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Sie ist der Ansicht, das Wahlausschreiben sei ordnungsgemäß ergangen: Die Angabe von Zeitpunkt und Ort der Stimmabgabe sei nicht erforderlich, weil es sich um eine reine Briefwahl gehandelt habe; die Abgabe von Wahlunterlagen beim Wahlvorstand sei im Wahlausschreiben nicht ausgeschlossen worden und sei auch tatsächlich bis zum 19. November 2020 erfolgt. Es sei richtig, dass das Datum des Wahlausschreibens und der Tag des Aushangs (jeweils 1. Oktober 2020) und der Tag des Erlasses (5. Oktober 2020) auseinanderfielen. Der Wahlvorstand habe damit der Tatsache Rechnung getragen, dass das Aushängen des Wahlausschreibens auf den zahlreichen, über das gesamte Stadtgebiet von Berlin verteilten Liegenschaften der B ... ca. drei Tage in Anspruch nehme; es habe sichergestellt werden sollen, dass das Wahlausschreiben tatsächlich zum angegebenen Erlassdatum auf allen Liegenschaften ausgehängt sei. Damit habe der Wahlvorstand nicht gegen die Wahlverordnung verstoßen, sondern sei dem Sinn und Zweck dieser Norm gefolgt. Randnummer 13 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, den Verwaltungsvorgang, das Wählerinnenverzeichnis sowie die in einer Kiste eingereichten Briefwahlumschläge und Stimmzettel, die sämtlich vorgelegen haben und, soweit erheblich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Wahl der Beigeladenen zur Gesamtfrauenvertreterin der B ... und die Wahl der Klägerin zu 2 zur stellvertretenden Gesamtfrauenvertreterin der B ... werden für ungültig erklärt. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
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Baden-Württemberg
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1 Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer und Kurtaxepauschale im Jahr 2011. 2 Die Beklagte erhebt gemäß ihrer Satzung vom 27.11.2001 Zweitwohnungsteuer (im Folgenden: ZwStS) und gemäß ihrer Satzung vom 11.08.2009 Kurtaxe. Diese Satzung (im Folgenden: KTS) enthält in § 4 die jeweiligen Kurtaxesätze für das Jahr 2010 und sowie eine Erhöhung der Sätze für 2011. Am 27.09.2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Änderung der Satzung für die Kurtaxe, die zum 01.01.2012 in Kraft trat und für das Jahr 2012 eine weitere Erhöhung der Kurtaxesätze regelte. Ab dem 01.01.2011 betrug die Kurtaxe je Person und Aufenthaltstag im Kurbezirk I 2,50 EUR, für Personen ohne Nutzungsmöglichkeit des KONUS-Systems, das die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs für Schwarzwaldurlauber ermöglicht (wie etwa Klinik-Patienten) 2 EUR und für kurtaxepflichtige Einwohner, wie etwa Inhaber von Zweitwohnungen, pauschal 100 EUR im Jahr. 3 Hintergrund der Erhöhung der Kurtaxesätze für 2011 um jeweils 0,50 EUR pro Tag bzw. 25 EUR bei der Jahrespauschale war die Eröffnung des Badeparadies Schwarzwald in Titisee-Neustadt am 11.12.2010. Der Zweckverband Hochschwarzwald, dem die Beklagte angehört, hatte am 14.12.2009 seine Satzung geändert und u.a. in § 13 seiner Verbandssatzung (im Folgenden: VBS) geregelt, dass der Verband 22 Jahre lang eine finanzielle Beteiligung am Badeparadies Schwarzwald in Höhe von jährlich 942.308 EUR (zzgl. USt.) übernimmt. Trägerin des Badeparadieses ist die Badeparadies Schwarzwald TN GmbH. Diese private Gesellschaft hat mit dem Zweckverband vertragliche Vereinbarungen getroffen, insbesondere hinsichtlich einer Beteiligung an den Baukosten in Höhe ca. 14 Millionen EUR, während sich der Zweckverband nicht an den Betriebskosten beteiligt und lediglich ab einer Besucherzahl von 550.000 pro Jahr an den Einnahmen beteiligt wird. 4 Der Zweckverband Hochschwarzwald besteht nach seiner Satzung aus zehn Gemeinden (Breitnau, Eisenbach, Feldberg, Friedenweiler, Hinterzarten, Löffingen, Lenzkirch, Schluchsee, St. Märgen und Titisee-Neustadt). Nach § 11 Abs. 2 VBS muss sich die Beklagte mit 15,1 % an den Umlagen beteiligen, mit denen sich der Zweckverband finanziert. Für die Beteiligung an der Hochschwarzwald Tourismus GmbH beträgt der auf die Beklagte entfallende Anteil an der Umlage 18,84 % (§ 12 Abs. 1 VBS), für die nach § 13 Abs. 1 VBS übernommene finanzielle Beteiligung am Badeparadies beträgt der Anteil der Beklagten 181.127 EUR zzgl. USt (= 19,22 %). Nach § 5 Abs. 2 VBS verfügt die Beklagte über acht von 50 Stimmen in der Verbandsversammlung. 5 Die Kläger haben ihren Hauptwohnsitz in x und sind Eigentümer einer Ferienwohnung in Hinterzarten, die sie im Jahre 1996 von Frau X erwarben. Im Baulastenverzeichnis wurde am 30.11.1995 folgende Baulast eingetragen: „Als grundbuchmäßige(r) Eigentümer des Grundstücks Lgb. Nr. 65/11 der Gemarkung Hinterzarten übernimmt/übernehmen Frau X für sich und die Rechtsnachfolger als Baulast gem. § 70 LBO die Verpflichtung, die einzelnen Wohnungen als Ferienwohnungen nur einem ständig wechselnden Personenkreis (fremdenverkehrliche Nutzung) zur Verfügung zu stellen und künftige Käufer auf die Baulast hinzuweisen." Die Kläger haben seit 2008 mehrfach erfolglos versucht, die Löschung der Baulast herbeizuführen, zuletzt mit Schreiben vom 28.02.2011. 6 Mit Bescheiden vom 28.01.2011 zog die Beklagte die Kläger für das Rechnungsjahr 2011 zur Zahlung einer pauschalen Kurtaxe von jeweils 100 EUR sowie zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von 640,00 EUR heran. 7 Die hiergegen von den Klägern erhobenen Widersprüche wies das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 09.11.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Die Kläger hätten als Inhaber einer Zweitwohnung die Möglichkeit des auch nur vorübergehenden Aufenthaltes in Hinterzarten. Als Eigentümer einer Zweitwohnung bestehe die Vermutung, dass sie die Möglichkeit zur Benutzung der Wohnung während der Dauer eines Jahres hätten. Der tatsächliche Aufenthalt der Kläger in Hinterzarten sei auch nicht bestritten worden. Durch die Baulast sei dieser geforderte kurzfristige Aufenthalt nicht ausgeschlossen. Auch schließe die Eintragung einer Baulast, wonach die Wohnung nur an einen wechselnden Personenkreis zur Verfügung gestellt werden dürfe, das Innehaben der Zweitwohnung durch den Eigentümer nicht aus. Ein Zweitwohnungsinhaber, der seine Wohnung laufend an Kurgäste zur Anmietung anbiete und auch vermiete, sei deshalb nicht von vornherein von der Entrichtung der pauschalen Kurtaxe befreit. Anders sei dies, wenn eine Wohnung als ausschließlich gewerblich genutztes Anlageobjekt erworben werde und durch einen abgeschlossenen Mietvermittlungs- und Betreuungsvertrag ein Recht zur Eigennutzung vertraglich nicht bestehe. Eine derartige vertragliche Nutzungseinschränkung sei vorliegend jedoch nicht gegeben. 8 Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer sei § 9 Abs. 4 KAG in Verbindung mit der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten. Nach §§ 1 und 2 ZWStS erhebe die Gemeinde für jede Wohnung, die jemand außerhalb des Grundstückes seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehabe, insbesondere zu Erholungs-, Berufs- und Ausbildungszwecken, eine Zweitwohnungssteuer. Eine Wohnung habe inne, wer allein oder gemeinsam mit einem anderen die Verfügungsmacht und die rechtliche Verfügungsbefugnis über den Steuergegenstand ausübe. Die Zweitwohnungssteuer knüpfe nicht an das tatsächliche Innehaben oder die tatsächliche Nutzungsbefugnis, sondern an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die sich im Vorhalten der Wohnung für die persönliche Nutzung (auch beim Leerstehenlassen) zeige, an. Eine Zweitwohnung werde stets für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten, wenn der Inhaber der Wohnung die Möglichkeit habe, die Wohnung selbst zu nutzen. Die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast besage, dass die einzelnen Wohnungen als Ferienwohnungen nur einem ständig wechselnden Personenkreis (fremdenverkehrliche Nutzung) zur Verfügung zu stellen und künftige Käufer auf die Baulast hinzuweisen seien. Diese Baulast verhindere jedoch nicht, dass die Kläger die Wohnung zumindest vorübergehend selbst nutzen könnten. 9 Am 14.12.2011 haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor: Der Zweitwohnungsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil es am Innehaben einer Zweitwohnung fehle. Das Bundesverwaltungsgericht fordere insoweit die rechtlich gesicherte Verfügungsmöglichkeit, der Betreffende müsse also entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er die Wohnung nutze, ob und wann er sich selbst darin aufhalte oder sie anderen zur Verfügung stellen wolle; diese dem Wesen der Aufwandsteuer geschuldete Entscheidungsfreiheit bestehe nicht bei einer rein tatsächlichen, rechtlich nicht abgesicherten Möglichkeit der Nutzung. Nach dem Wortlaut der Baulast seien sie verpflichtet, die Wohnung nur einem ständig wechselnden Personenkreis zur fremdenverkehrlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, wobei insbesondere die Verwendung des Begriffes „zur Verfügung stellen" eindeutig darauf schließen lasse, dass die Wohnung einem Dritten überlassen werden müsse, denn sich selbst könnten sie die Wohnung gerade nicht zur Verfügung stellen. Die Baulast sei eingetragen worden, als die damalige Eigentümerin die Wohnanlage von Ferienwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt habe. Da jene in Hinterzarten lebe, sei für sie von Anfang an nichts anderes in Betracht gekommen, als die Wohnungen ausschließlich Dritten zur Nutzung zu überlassen. Dies erkläre, dass die Eigennutzung im Rahmen der Baulast gänzlich ausgeschlossen worden sei. Bestärkt werde dies im Übrigen auch durch die Verwendung der Begriffe „nur" und „ständig" sowie den Klammerzusatz „fremdenverkehrliche Nutzung", die ebenfalls keine Ausnahmen zuließen, sondern eindeutig auf die ausschließliche Nutzung durch einen ständig wechselnden Personenkreis hinwiesen. In rechtlicher Hinsicht müssten sie nach der Baulast also jederzeit damit rechnen, dass ihnen die Nutzung der Wohnung durch die Beklagte, indem diese sich auf die Baulast berufe, entzogen werde. Schließlich sei auch dem Auszug aus der Niederschrift über die nicht öffentliche Gemeinderatsitzung vom 27.09.2011 zu entnehmen, dass mit der Baulast die ausschließliche fremdenverkehrliche Nutzung und gerade nicht die Nutzung als Zweitwohnung habe gesichert werden sollen. Inhalt der Baulast sei also geradezu die Verhinderung der Nutzung als Zweitwohnung. 10 Die Kurtaxesätze gemäß der Satzung vom 11.08.2009 seien willkürlich festgesetzt. Die Erhöhungen gälten unterschiedslos für Kurtaxeschuldner mit und ohne Nutzungsmöglichkeit des KONUS-Systems. Zudem erhielten die KONUS-Berechtigten Ermäßigungen beim Eintritt in das Badeparadies. 11 Die Kalkulation der Kurtaxe sei auch nicht nachvollziehbar. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe weder die geschätzte Anzahl der Kurgäste noch deren durchschnittliche Verweildauer im Kurort hervor. Ohne diese Angabe könne die Angemessenheit der festgelegten Jahreskurabgabe aber nicht überprüft werden. 12 Jedenfalls die Kosten des Badeparadieses dürften nicht in den beitrags- und umlagefähigen Aufwand einbezogen werden, weil dieses von Einheimischen ebenso genutzt werde wie von Kurgästen. Voraussetzung für die Erhebung der Kurtaxe sei zudem, dass es um die Finanzierung von Einrichtungen gehe, die Kur- und Erholungszwecken zu dienen bestimmt seien. Nicht ausreichend sei dagegen, wenn die Gemeinde lediglich finanzielle Zuschüsse zu bestimmten Einrichtungen und Veranstaltungen gewähre, ohne dass ihr weitergehende Einflussmöglichkeiten zustünden. Letzteres sei im Hinblick auf das Badeparadies der Fall. Die Beklagte trage selbst vor, dass sie sich lediglich an den Kosten beteilige, die indes in der Kalkulation der Höhe nach nicht belegt seien. Es sei nicht ersichtlich, welche Einflussmöglichkeiten die Gemeinde auf das Badeparadies habe. Ebenso wenig werde klar, ob nicht ggf. eine Kostenüberdeckung vorliege. Insoweit müsse bei Erhebung der Kurtaxe zwingend ausgeschlossen sein, dass nicht die Kurtaxe und sonstige Entgelte oder Benutzungsgebühren für ein und dieselben Kosten erhoben werden. 13 Weitere in der Kalkulation genannte Einrichtungen, z.B. der Tennisplatz oder die Wanderwege und insbesondere auch für die Adlerschanze, die eine Trainingsmöglichkeit für Hinterzartener oder aber regionale Skisprungtalente darstelle, nicht aber für Touristen, würden von Einheimischen ebenso genutzt wie von Kurgästen. Die Adlerschanze diene ausschließlich der Pflege des Leistungssports. Wenn Sportbegeisterte die Adlerschanze besuchten, handele es sich aber um Tagesgäste, die nicht kurtaxepflichtig seien. Das von der Beklagten erwähnte Sommerskispringen sei kostenpflichtig, so dass sich auch insoweit die Frage der Kostenüberdeckung stelle. 14 Selbst wenn man unterstellte, die Kurtaxesatzung sei wirksam, wäre der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig. Denn Rechtsgrundlage des Bescheids wäre dann § 2 Abs. 2 KTS, wonach kurtaxepflichtig die Einwohner der Gemeinde seien, die den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in einer anderen Gemeinde hätten. Einwohner in diesem Sinne seien sie indes nicht. Denn die Einwohnereigenschaft im Sinne der Kurtaxesatzung knüpfe an die Nutzung der Wohnung an. Diese könne widerlegt werden. Für die Widerlegung der Aufenthaltsvermutung reiche es indes, wenn dargelegt wird, dass die Wohnung schon aus rechtlichen Gründen nicht eigengenutzt werden dürfe. Dies sei aber unter Berücksichtigung der Baulast der Fall. 15 Die Kläger beantragen, 16 den Bescheid der Gemeinde Hinterzarten vom 28.01.2011 über die Erhebung einer Kurtaxepauschale sowie deren Zweitwohnungssteuerbescheid vom 28.01.2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 09.11.2011 aufzuheben. 17 Die Beklagte beantragt, 18 die Klagen abzuweisen. 19 Sie trägt ergänzend vor: Die Kläger hätten immer die Möglichkeit, die Wohnung selbst zu nutzen, oder hätten diese zu Zwecken des sonstigen persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten. Die Baulast verhindere nicht, dass die eigene Wohnung zumindest vorübergehend selbst genutzt werde. 20 Es sei ein Ziel bei der Kurtaxesatzung vom 11.08.2009 gewesen, die Kurtaxesätze sowie Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände in allen Hochschwarzwaldgemeinden soweit als möglich zu harmonisieren. Dieser Schritt sei notwendig gewesen, weil die zehn Hochschwarzwaldgemeinden zum 01.01.2009 das „operative Tourismusgeschäft" auf die Hochschwarzwald Tourismus GmbH übertragen hätten. Die Kurtaxesätze seien von den verschiedenen Gemeinden jedoch nicht willkürlich festgesetzt worden, sondern jede Gemeinde habe die Obergrenze ihres Kurtaxesatzes vor dem Beschluss der neuen Kurtaxesatzung kalkuliert. Aufgrund der verschiedenen Kalkulationen habe dann jede Gemeinde entscheiden können, wie viele Kurtaxezonen in der Gemeinde bestehen sollten und in welche Kurtaxetarife sie sich einordne. Beim Beschluss über die Höhe der Kurtaxesätze sei in allen Gemeinden die kalkulierte Kurtaxeobergrenze mehr oder weniger deutlich unterschritten worden. In den Kalkulationen der Gebührenobergrenze für die Kurtaxe sei die Zahl der kurtaxepflichtigen Übernachtungen ausgeführt. Diese betrügen im Jahr 2008 540.000, im Jahr 2009 525.524, im Jahr 2010 516.027 und im Jahr 2011 geschätzte 516.500 Übernachtungen. In diesen Zahlen seien die gesamten Übernachtungen in Hinterzarten einschl. der Übernachtungen der Zweitwohnungsinhaber (50 x veranlagte Personenzahl) enthalten. Damit sei der Kalkulation der Obergrenze für die Kurtaxe die tatsächliche bzw. geschätzte Zahl der kurtaxepflichtigen Übernachtungen zugrunde gelegt. Deshalb erübrige sich die Angabe der geschätzten Anzahl der Kurgäste bzw. der durchschnittlichen Verweildauer, da die Zahl der kurtaxepflichtigen Übernachtungen genauer sei. 21 Sie habe die Kurtaxe zum 01.01.2011 zur Finanzierung der Umlage der Gemeinde am Badeparadies in Titisee-Neustadt erhöht. Die Personen, die eine pauschale Jahreskurtaxe zu zahlen hätten, seien zwar von KONUS ausgeschlossen, erhalte aber mit dem Kurtaxebescheid eine spezielle Gästekarte, mit der verschiedene Vergünstigungen (u.a. Ermäßigung beim Eintritt in das Badeparadies) in Anspruch genommen werden könnten. Da für die Bemessung der Kurtaxe die Kosten für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen maßgebend seien, sei die Obergrenze der Kurtaxehöhe ermittelt worden. Grundlage der Kalkulation sei die Jahresrechnung 2008, aus der sich eine Obergrenze für die Kurtaxe von 2,62 EUR/Übernachtung ergeben habe. Bei der Änderung der Kurtaxesatzung am 27.09.2011 sei die Kalkulation der Obergrenze verfeinert und für die Jahre 2009 und 2010 aufgrund der Rechnungsergebnisse sowie für 2011 aufgrund der Haushaltsansätze berechnet worden. Die vom Gemeinderat festgesetzte Kurtaxehöhe habe dabei jeweils deutlich unter der kalkulierten Obergrenze gelegen. Bei der Kalkulation der Kurtaxe für das Jahr 2010 und 2011 seien die Kosten für das Badeparadies ausgewiesen, bei der (neueren) Kalkulation der Obergrenze ab 2012 seien die Kosten für das Badeparadies aus der Kalkulation nicht ersichtlich, weil die Kosten für das Badeparadies in der Umlage an den Zweckverband Hochschwarzwald enthalten seien. Die Kosten für die Gemeinde Hinterzarten insoweit betrügen jährlich 181.127 EUR. 22 Vertragspartner für das Badeparadies seien nicht die einzelnen Gemeinden des Hochschwarzwaldwaldes, sondern der Zweckverband Hochschwarzwald. Die ihm angehörenden Hochschwarzwaldgemeinden beteiligten sich über den Zweckverband an den Kapitalkosten des Badeparadieses. Diese Beteiligung sei seinerzeit allein aus touristischen Gründen übernommen worden, damit eine attraktive „Schlechtwettereinrichtung" im Hochschwarzwald den Kurgästen zur Verfügung stehe. Ohne die Zuschüsse der Gemeinden wäre diese Einrichtung nicht gebaut worden, ein Abschlag für die Nutzung durch Einheimische sei deshalb nicht oder nur in sehr geringem Maß gerechtfertigt. 23 Auch bei der Adlerschanze sei eine touristische Nutzung gegeben. So würden regelmäßig Schanzenführungen durchgeführt und viele Gäste wanderten zur Schanze und schauten dem Training oder den Wettkämpfen zu. Das regelmäßig stattfindende Sommerskispringen, bei dem die Weltelite am Start sei, ziehe jedes Jahr viele Gäste nach Hinterzarten. 24 In der Kurtaxesatzung seien unterschiedliche Kurtaxesätze festgelegt worden, bei denen unterschieden werde, ob eine Nutzungsmöglichkeit von KONUS möglich sei oder nicht. Da die Inhaber von Zweitwohnungen nach der Vereinbarung zwischen der Gemeinde Hinterzarten und der Schwarzwald Tourismus GmbH von KONUS ausgeschlossen seien, sei der Satz für die pauschale Kurtaxe auf das 50-fache des Tages-Kurtaxesatzes für den Personenkreis ohne Nutzungsmöglichkeit von KONUS festgesetzt worden. 25 Dem Gericht liegen die Akte der Beklagten und die Widerspruchsakte des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald (zwei Hefte) vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird ergänzend verwiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 28.01.2011 über die Erhebung einer Kurtaxepauschale und der diesbezügliche Widerspruchsbescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 09.11.2011 werden aufgehoben. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Beklagte ¼, die Kläger als Gesamtschuldner ¾. Die Zuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
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SG Gießen 29. Kammer
Hessen
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30.03.2009
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Übernahme von monatlichen Kosten von 6,00 Euro bei der Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) durch den Beklagten. Randnummer 2 Der Kläger steht seit Januar 2005 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem SGB II. Randnummer 3 Der Kläger hatte zunächst ein Konto bei der Sparkasse O., Zweigstelle A-Stadt. Nachdem im Juni 2006 die Sparkasse O. die eingehenden Sozialleistungen mit Pfändungen in Höhe von 37,00 Euro belastete und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht als geschütztes Vermögen ansah, erfolgte die Auflösung des Kontos durch den Kläger zum 30. Juni 2006. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger gegenüber der Sparkasse O. noch mit einem Minus von ca. 2.000,00 Euro belastet. Randnummer 4 In A-Stadt gibt es neben der Sparkasse O. als weitere Geldinstitute eine Filiale der V. Bank A-Stadt eG, eine Filiale der Dr. Bank sowie eine Niederlassung der De. Bank. Zudem gibt es eine Niederlassung der Post mit Postbankservice. Randnummer 5 Der Kläger beantragte bei dem Beklagten nach Auflösung des Kontos die Auszahlung seiner Leistungen nicht per Überweisung. Mit Bescheid vom 7. Juli 2006 gewährte der Beklagte dem Kläger den Wunsch nach Barauszahlung im Wege des Postbarscheck-Verfahrens. Er teilte dem Kläger mit, dass hierfür seitens des Beklagten Kosten von 2,10 Euro sowie weitere Kosten bei Auszahlung in Höhe von mindestens 3,50 Euro anfallen werden. Die Auszahlung per Postbarscheck wurde durch den Beklagten sodann vorgenommen. Hierbei fielen jeweils eine Belastung von 2,10 Euro im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der P. Bank sowie eine Belastungspauschale der P. Bank bei Einlösung in Höhe von 6,00 Euro an. Randnummer 6 Gegen den Bescheid vom 7. Juli 2009 legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2006 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2006 zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat der Kläger am 16. November 2006 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben. Randnummer 7 Der Kläger ist der Auffassung, die Eröffnung eines Kontos sei ihm in A-Stadt nicht möglich. Zur Eröffnung eines Kontos bei der V. Bank bedürfe es der Einzahlung eines Genossenschaftsbeitrages von mindestens 100,00 Euro, die ihm nicht zur Verfügung stünden und die er auch nicht zahlen wolle. Die De. Bank sowie die Dr. Bank würden ihm kein Konto gewähren, da er einen negativen SCHUFA-Eintrag aufweise. Zwar würde die P. Bank ihm trotz des SCHUFA-Eintrages ein Konto auf Guthabenbasis, also ohne Überziehungskredit, einrichten, eine Kontoeröffnung lehne er jedoch grundsätzlich ab, da er hierfür Kontoführungsgebühren zahlen müsste. Da Leistungsempfänger nach dem SGB II zu einem sparsamen Leben angehalten würden, möchte er auch auf diese Kontoführungsgebühren verzichten. Randnummer 8 Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2006 aufzuheben und ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne zusätzliche Kosten der Einlösung eines Postbarschecks zur Verfügung zu stellen. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Der Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, der Kläger wäre in der Lage gewesen, ein Konto bei einem anderen Kreditinstitut zu eröffnen und die Leistungen kostenlos in Empfang zu nehmen. Konten auf Guthabenbasis gebe es neben der Dr. Bank auch bei der V. Bank eG. Randnummer 11 Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
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SG Kassel 3. Kammer
Hessen
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26.09.2011
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010. Randnummer 2 Die 1958 geborene Klägerin stand bei XY. Service-Center B-Stadt GmbH vom 5.8.1997 bis 30.9.2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Dieses wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30.3.2010 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 53.380,00 € beendet. Die Klägerin meldete sich am 24.8.2010 zum 1.10.2010 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Randnummer 3 Durch Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma XY. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Unerheblich sei, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von hier oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zu Stande gekommen wäre. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wäre. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden. Randnummer 4 Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch. Randnummer 5 Durch weiteren Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Arbeitslosengeldbezuges im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 30.3.2011 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von 53.380,00 € erhalten. Der Anspruch ruhe, da der Arbeitgeber ihr nur bei Zahlung einer Abfindung hätte ordentlich kündigen können. Hiermit werde sie so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten worden, so dass Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten werden könnten. Randnummer 6 Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag habe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gegolten. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehalten worden, so dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht in Betracht komme. Darüber hinaus gelte der Status der Unkündbarkeit nur für Mitarbeiter, die am 31. Dezember 2004 bei der XY. AG vor dem Betriebsübergang in die XY. Service-Center B-Stadt GmbH eine Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren erreicht hätten. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu. Randnummer 7 Durch Widerspruchsbescheid vom 5.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Sperrzeit mit der Begründung zurück, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufgelöst, ohne eine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt zu haben. Somit sei die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund liege ebenso nicht vor. Zutreffend sei, dass die Schließung des Servicecenters der XY. in B-Stadt zum 30. September 2010 beschlossen wurde. Eine arbeitgeberseitige Kündigung zu diesem Zeitpunkt sei nicht erfolgt bzw. hätte auch unter Beachtung der einfachen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Vierteljahresschluss nicht zum 30. September 2010 erfolgen können. Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre, hätte der XY-Konzern im so genannten Clearingverfahren für die Mitarbeiter eine andere (zumutbare) Beschäftigung im Konzernverbund gesucht. Alternativ sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung mit der so genannten „Turboprämie" angeboten worden. Die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei bis 30. März seit 1010 angeboten worden. In das anschließende Clearingverfahren seien nur Mitarbeiter aufgenommen worden, welche sich nicht bis zum 30. März 2010 zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entschlossen hätten. Das Clearingverfahren hätte im Laufe des April 2010 erfolgen sollen. Hätte im Clearingverfahren ein zumutbarer Arbeitsplatz durch den XY-Konzern nicht angeboten werden können, wäre dann eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgt. Folglich hätte der Arbeitgeber keine betriebsbedingten Kündigungen zum 30. September 2010 ausgesprochen bzw. aussprechen können. Solche wären frühestens zum 31. Dezember 2010 möglich gewesen. Durch die Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag habe die Klägerin den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu einem Zeitpunkt selbst verursacht, zu dem dieser bei Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht eingetreten wäre. Es seien auch keine Gründe erkennbar, welche das Abwarten einer Kündigung durch den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten. Allein der Vorteil, zu der nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung eine zusätzliche Prämie zu erhalten, lasse in der Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag einen wichtigen Grund nicht erkennen. Randnummer 8 Durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Ruhens zurück und führte zur Begründung aus, der Arbeitgeber wende den Tarifvertrag zum Schutz von Mitarbeitern im Konzern der Deutschen XY. (TV Schutz) an. Nach § 6 Abs. 5 des Tarifvertrages seien Arbeitnehmer mit mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit unkündbar. Eine Öffnungsklausel bestehen nicht. Arbeitnehmer, welche noch nicht mindestens 15 Jahre beschäftigt waren, seien nach §§ 6 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages besonders kündigungsgeschützt. Für diese Arbeitnehmer bestehe eine tarifliche Öffnungsklausel die den Arbeitgeber berechtige zu kündigen, wenn er keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns anbieten könne oder wenn der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung pauschal ablehne. Wäre das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit weniger als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit aufgrund eines in der tariflichen Öffnungsklausel benannten Sachverhalts beendet, betrage die fiktive Kündigungsfrist ein Jahr, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten. Die Klägerin sei noch keine 15 Jahre bei dem XY. Konzern beschäftigt gewesen. Sie habe auf das so genannte Clearingverfahren verzichtet und dadurch Anspruch auf eine zusätzliche Prämie erhalten. Folglich gelte die Kündigungsfrist von 12 Monaten, weil die Klägerin durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag auf den besonderen Kündigungsschutz verzichtet und eine Abfindung erhalten habe. Randnummer 9 Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid bezüglich der Sperrzeit richtet sich die am 18.11.2010 zum Sozialgericht Kassel zum Aktenzeichen S 3 AL 231/10 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nachdem feststand, dass das Servicecenter zum 30. September 2010 schließen werde, sei jeder Mitarbeiter Anfang bis Mitte März 2010 zu einem so genannten Aufklärungsgespräch mit dem Geschäftsleiter gebeten worden. In diesem Gespräch sei auf die Modalitäten der Zahlung einer Turboprämie hingewiesen worden. Ferner seien sie darauf hingewiesen worden, dass sie, soweit sie nicht bis spätestens 30. März 2010, 12:00 Uhr einen Aufhebungsvertrag unterschreiben würden, in ein so genanntes Clearingverfahren kämen. Da für die Klägerin eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Flughafen aus persönlichen Gründen nicht in Betracht komme, habe sie dem Aufhebungsvertrag zugestimmt. Als nächst gelegener Einsatzort sei für sie der Flughafen C-Stadt in Betracht gekommen. Ein Umzug sei für sie nicht in Betracht gekommen und die Pendelzeiten vom Wohnort aus unzumutbar lang. Eine Kündigung hätte mithin noch bis zum 31. März 2010 zum 30. September 2010 erfolgen können. Von diesem Kündigungsrecht hätte die frühere Arbeitgeberin mit Sicherheit Gebrauch gemacht. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1.10.2010 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin, für den Fall, in dem sie dem Aufhebungsvertrag nicht zugestimmt hätte, in das Clearingverfahren aufgenommen worden wäre, welches im April 2010 begonnen hätte. Eine arbeitgeberseitige Kündigung nach Feststellung, ob ein zumutbarer Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne, wäre daher frühestens im April 2010 erfolgt. Somit sei eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen beruft sie sich auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Randnummer 13 Im Verfahren zum Aktenzeichen S 3 AL 301/10 hat das Gericht im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen folgende Fragen das XY. Service-Center B-Stadt GmbH mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 gestellt, die von dort unter dem 11. Januar 2011 wie folgt beantwortet worden: Randnummer 14 1. Wie viele Mitarbeiter waren bei ihnen beschäftigt? Antwort: Im Januar 2010 waren 176 Mitarbeiter bei der XY. Service-Center B-Stadt GmbH beschäftigt. Randnummer 15 2. Wie viele hiervon haben auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen? Antwort: Auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 haben 131 beschäftigte einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Randnummer 16 3. Wie viele Mitarbeiter sind in das Clearingverfahren gegangen? Antwort: 25 Beschäftigte haben sich für das Clearingverfahren entschieden. Randnummer 17 4. Welche konkreten Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben hätten für diese Mitarbeiter konkret zur Verfügung gestanden? Antwort: Die Frage welche Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben zur Verfügung gestanden hätten, kann in dieser Form nicht beantwortet werden, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens war. Im Rahmen der Vereinbarungen zum Interessenausgleich und Sozialplan wurde zusätzlich die „Betriebsvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden“ geschlossen, um den Mitarbeitern eine Alternative zum Clearingverfahren zu bieten. Die Mitarbeiter hätten innerhalb der Frist die Möglichkeit gehabt, sich entweder für den Aufhebungsvertrag gem. der Betriebsvereinbarung oder für die Aufnahme in das Clearingverfahren zu entscheiden. Ob konkret Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zur Verfügung gestanden hätten sei nicht geprüft worden. Die Suche nach konkreten alternativen Arbeitsplätzen habe für die Mitarbeiter, die sich gegen einen Aufhebungsvertrag und für das Clearingverfahren entschieden haben, im April 2010 begonnen. Als Vorbereitung für den Vermittlungsprozess sei für diesen Mitarbeiter Kreis eine mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste erstellt worden. Im Anschluss hieran sei die Vermittlungstätigkeit aufgenommen worden. Randnummer 18 Auf weitere Anfrage teilte das XY. Service-Center B-Stadt unter dem 10. Februar 2011 mit, dass es neue/alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Umkreis von 100 km nicht gäbe. Die regional nächstmöglichen Standorte bei denen abstrakt ein Einsatz infrage käme, befänden sich in C-Stadt bzw. D-Stadt. Mit Schreiben vom 29. März 2011 forderte das Gericht von der XY. Service-Center B-Stadt GmbH Übersendung des Manteltarifvertrages Boden. Auf das beantwortende Schreiben vom 5. Mai 2011 wird Bezug genommen. Randnummer 19 Der vorgenannte Schriftwechsel zum Verfahren S 3 AL 301/10 wurde zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites gemacht. Randnummer 20 Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger begehrt von der Beklagten, die ihm gewährte Ausbildungsförderung für sein Hochschulstudium in einer anderen Förderungsart zu bewilligen. 2 Der am ... geborene Kläger nahm zum Wintersemester 2006/2007 an der Hochschule für Technik ... ein Studium im Studiengang Architektur, Studienziel Bachelor, auf. 3 Der Kläger hat zuvor bereits zweimal ein Hochschulstudium begonnen und jeweils nach zwei Fachsemestern die Fachrichtung gewechselt. 4 Für sein neuerliches Studium beantragte er bei der Beklagten, zunächst dem Grunde nach, ihm Ausbildungsförderung nach dem BAföG zu gewähren. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.2007 für beide vorangegangene Fachrichtungswechsel einen wichtigen Grund nach § 7 Abs. 3 BAföG anerkannt und damit Ausbildungsförderung dem Grunde nach bewilligt hatte, setzte sie mit Bescheid vom 29.11.2007 für den Bewilligungszeitraum Oktober 2006/August 2007 Ausbildungsförderung nach dem BAföG i.H.v. EUR 521,-/monatlich, je hälftig als Zuschuss und als unverzinsliches Bankdarlehen, fest. 5 Auf seinen Verlängerungsantrag hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2008 dem Kläger für den Bewilligungszeitraum September 2007/August 2008 Ausbildungsförderung i.H.v. EUR 521,-/mtl., nunmehr allerdings lediglich als verzinsliches Bankdarlehen. Hierzu unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen Kreditvertrag mit der KfW. 6 Der Kläger legte gegen diesen Bescheid hinsichtlich der bewilligten Förderungsart fristgerecht Widerspruch ein. Den ihm unterbreiteten Darlehensvertrag nahm er lediglich vorsorglich und unter Vorbehalt an. 7 Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.2008, zugestellt am 03.12.2008, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ist darauf verwiesen, der Kläger habe bereits zweimal einen Fachrichtungswechsel, jeweils nach zwei Semestern, vorgenommen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 BAföG müsse die nach der Höchstdauer der aktuellen Ausbildung – sechs Semester – vorgesehene Förderung um die Semesterzahl der vorangegangenen abgebrochenen Ausbildungen – zweimal zwei Semester – gekürzt werden und weitergehende Förderung könne daher nur noch als Bankdarlehen gemäß § 18 c BAföG bewilligt werden. 8 Der Kläger hat am 02.01.2009 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung trägt er vor, § 17 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 BAföG beinhalte keinen Plural. Zu kürzen sei vielmehr nur um die Semesterzahl der unmittelbar davor abgebrochenen Ausbildung. Das seien vorliegend die zwei Semester seines Studiums der Mathematik an der Hochschule für Technik Stuttgart. Für zwei weitere Semester habe er daher einen Förderungsanspruch in der üblichen Förderungsart. 9 Der Kläger beantragt, 10 die Beklagte zu verpflichten, die Förderungsart in ihrem Bescheid vom 05. Februar 2008 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2008 dahingehend abzuändern, dass die dem Kläger bewilligte Ausbildungsförderung nach dem BAföG hälftig als Zuschuss und hälftig als unverzinsliches Darlehen gewährt wird und den Bescheid der Beklagten vom 05. Februar 2008 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 01. Dezember 2008, soweit sie dem entgegenstehen, aufzuheben. 11 Die Beklagte beantragt, 12 die Klage abzuweisen. 13 Sie bezieht sich insoweit auf die angegriffenen Bescheide. Der Zweck des § 17 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 BAföG gebiete es, sämtliche zuvor abgebrochenen Ausbildungen beim jetzigen Förderanspruch negativ zu berücksichtigen. Andernfalls werde ein Auszubildender, der – wie der Kläger – zwei Fachrichtungswechsel aufweise, gegenüber einem Auszubilden mit nur einem Fachrichtungswechsel bevorzugt. Auch aus der BaföG-VwV und entsprechenden Erlassen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ergebe sich diese Rechtsauffassung. 14 Die Beteiligten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll wechselseitig der Einlegung der Sprungrevision durch den Prozessgegner zugestimmt. 15 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Förderungsart in ihrem Bescheid vom 05. Februar 2008 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2008 dahingehend abzuändern, dass die dem Kläger darin bewilligte Ausbildungsförderung nach dem BAföG hälftig als Zuschuss und hälftig als unverzinsliches Darlehen gewährt wird. Soweit der Bescheid der Beklagten vom 05. Februar 2008 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 01. Dezember 2008 dem entgegenstehen, werden sie aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen. Die Sprungrevision wird zugelassen.
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SG Marburg 5. Kammer
Hessen
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10.06.2003
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Die Parteien streiten um den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2002. Der Kläger stellte am 29. Dezember 2000 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe. In dem entsprechenden Antragsformular gab er an, dass er mit seiner Ehefrau zusammenlebe. Als Vermögen seiner Ehefrau führte der Kläger zwei Eigentumswohnungen auf. Die Grundstücksgröße betrage 540 qm. Eine Wohnung mit 100,66 qm bewohne er selbst. Diese Wohnung habe einen Einheitswert von 18.100,00 DM und sei lastenfrei. Eine zweite Wohnung mit 75,08 qm sei vermietet. Die Mieteinnahmen betrügen 825 DM im Monat. Die Wohnung habe einen Einheitswert von 10.700,00 DM. Sie sei mit 41.275,00 DM belastet. Außerdem verfüge er und seine Ehefrau über verschiedene Konten laut beiliegender Kontenaufstellung und über verschiedene Versicherungen laut beiliegender Versicherungsaufstellung. Eine entsprechende Konten- und Versicherungsaufstellung war dem Antrag beigefügt. Der Beklagten lag auch eine Kopie eines Versicherungsscheins über eine Wohngebäude-Versicherung vom 13. Juli 1999 vor, aus dem sich ergibt, dass die Versicherungssumme für das gesamte Haus im Jahr 1914 insgesamt 42.000 Mark betragen hat. Für die aktuelle Versicherung werde ein gleitender Neuwertfaktor von 25,4 zugrundegelegt. Auf der Kopie des Versicherungsscheins hat die Beklagte vermerkt, dass sich der Wert der vermieteten Wohnung aufgrund des Versicherungsscheins mit 222.617,00 DM ergebe. Die Beklagte bewilligte auf diesen Antrag hin Arbeitslosenhilfe ab 28. Februar 2001 für ein Jahr. Am 1. Februar 2002 beantragte der 1945 geborene Kläger erneut Arbeitslosenhilfe. Er gab an, mit seiner 1950 geborenen Ehefrau zusammenzuleben. Als Vermögen gab er wie im Antrag auf Arbeitslosenhilfe vom 29. Dezember 2000 unverändert die beiden Eigentumswohnungen an. Außerdem verwies er auf eine neue Kontenaufstellung und auf eine neue Versicherungsaufstellung. Aus der beigefügten Kontenaufstellung ergibt sich ein Guthaben auf Giro-, Spar-, Investment-, Fonds- und Bausparkonten zum 31. Dezember 2001 in Höhe von insgesamt 71.788,05 DM (36.704,65 Euro). Aus der beigefügten Versicherungsaufstellung ergibt sich ein Rückkaufwert von privaten Lebens- und Rentenversicherungen des Klägers und seiner Ehefrau zum 31. Dezember 2001 insgesamt in Höhe von 96.949,24 DM (49.569,24 Euro). Mit Bescheid vom 6. März 2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bezug von Arbeitslosenhilfe ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Sein gemeinsames Vermögen mit der Ehegattin in Höhe von 122.573,70 Euro übersteige der Freibetrag für den Kläger in Höhe von 29.120,00 Euro und den Freibetrag für seine Ehegattin von 26.520,00 Euro. Es liege vielmehr ein verwertbares Vermögen in Höhe von 66.933,70 Euro vor. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 25. März 2002 Widerspruch ein. Er machte geltend, dass zwei Lebensversicherungsverträge mit einem Rückkaufswert von 18.418,89 Euro und 896,79 Euro aus einer unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaft aus beendetem Arbeitsverhältnis resultierten, dass das Vermögen zur Alterssicherung benötigt würde, weil die zu erwartende Rente laut Rentenauskunft sehr niedrig sei, dass ein Darlehen zur Finanzierung des Kauf der vermieteten Wohnung in Höhe von 119.310,46 DM offen stünde, dass die Rückzahlung eines Darlehens zur Renovierung der vermieteten Wohnung in Höhe von 48.879,16 DM bedient werden müsse, dass verschiedene Kosten für die Renovierung anfallen würden und dass bestimmte Konten sicherungsabgetreten seien. Dies gelte für ein Konto bei der Sparkasse AX-Stadt mit einem Wert von 825,38 Euro, ein Konto beim C. mit einem Wert von 408,61 Euro, ein Konto bei der E-Bank mit einem Wert von 3.215,15 Euro und ein D-Bausparkonto mit einem Wert von 20.229,84 Euro. Als Anlagen wurden unter anderem ein Darlehensvertrag mit der F-Bank vom 28. Oktober 1998 mit einem Darlehen über 140.000,00 DM zur Finanzierung der Eigentumswohnung Nr. 2 in der A-Straße in A-Stadt sowie ein weiterer Darlehensvertrag vom 19. März 1999 mit der F-Bank zur Finanzierung von „Modernisierungen" beigefügt. Aus dem Darlehensvertrag vom 19. März 1999 ergibt sich eine Sicherungsabtretung eines Teilbetrages in Höhe von 14.000,00 DM aus einem D-Bausparvertrag. Außerdem war ein Schreiben der F-Bank vom 22. Februar 2001 beigefügt, in dem die F-Bank Frau G., der Ehefrau des Klägers, bestätigt, dass das Darlehen in Höhe von 50.000,00 DM für die Modernisierung der Eigentumswohnung Nr. 2 gewährt wurde. Für diese Bescheinigung sei das Girokonto mit 10 DM belastet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger und seine Ehefrau verfügten über ein Vermögen von 122.822,70 Euro. Abzüglich eines Freibetrag in Höhe von 55.640,00 Euro verbleibe ein verwertbares Vermögen. Dabei sei die vermietete Wohnung mit einem Verkehrswert von 113.822,26 Euro anzusetzen. Nach dem Abzug aktueller Verbindlichkeiten in Höhe von 61.002,47 Euro zur Finanzierung des Wohnungskaufs sowie eines Anteils des Darlehens für die Hausrenovierung in Höhe von 10.699,11 Euro sowie anteiliger Kosten für die Hausrenovierung in Höhe von 3.778,63 Euro verbleibe ein Wert der Wohnung in Höhe von 38.342,05 Euro. Außerdem verfügten die Eheleute über Lebens- und Rentenversicherung im Wert von 49.569,36 Euro und über Sparguthaben in Höhe von 34.662,29 Euro. Insgesamt betrage das Vermögen 122.573,70 Euro. Abzüglich der Freibeträge in Höhe von 55.640 (520 Euro pro Lebensjahr des Klägers und seiner Ehefrau) verbleibe ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 66,933,70 Euro. Der Kläger sei nicht bedürftig und habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Soweit der Kläger vortrage, dass das vorhandene Vermögen der Alterssicherung diene, werde darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Freibetrag von 520 Euro ausreichend ist. Ein Teil des Vermögens des Klägers befinde sich auf Sparbüchern, auf die jederzeit zurückgegriffen werden könne. Es könne keine Ausnahme von der Verwertung gemacht werden, weil dieses Vermögen nicht einer angemessenen Alterssicherung diene. Die Bildung von Sparrücklagen für absehbare Renovierungsarbeiten könne ohne genaue Disposition nicht berücksichtigt werden. Am 19. Juni 2002 wurde Klage erhoben. Mit der Klage wird über die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente hinaus geltend gemacht, dass die Gesamtkosten für die vermietete Wohnung deren Verkaufserlös übersteigen würden. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2002 zu verpflichten, dem Kläger ab 28. Februar 2002 Arbeitslosenhilfe in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
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VG Darmstadt 7. Kammer
Hessen
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19.03.2015
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Fischbruthauses an einer im Außenbereich gelegenen Teichanlage. Randnummer 2 Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung Y, Flur Z Nr. O das im Außenbereich der beigeladenen Gemeinde und im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplanes liegt, der den Bereich als Fläche für die Landwirtschaft – ökologisch bedeutsames Grünland, Feuchtbiotop, Wasserfläche-Fischteiche ausweist. Als Inhaber der Firma Y betreibt er dort eine Fischteichanlage, die mit Bescheid der Unteren Wasserbehörde des Beklagten vom 15.07.2005 genehmigt wurde. In dieser Teichanlage züchtet der Kläger Speisefische und betreibt die Aufzucht von Farbkarpfen (Koi). Bisher bezieht der Kläger die Koi aus Japan. Da er sie zukünftig selbst züchten möchte, plant er auf dem Grundstück die Errichtung eines Fischbruthauses. Randnummer 3 Der Kläger beabsichtigte zunächst, das Vorhaben mit Gewächshäusern in der benachbarten Gemeinde X zu verwirklichen. Nachdem es bereits baurechtlich mit Bescheid vom 10.01.2007 und wasserrechtlich mit Bescheid vom 15.01.2007genehmigt war, scheiterte es daran, dass das benötigte Grundstücke vom Eigentümer nicht an ihn, sondern an die Gemeinde Fischbachtal zwecks Planung eines Neubaugebietes veräußert wurde. Derzeit betreibt der Kläger ein Fischaufzuchtbecken in A-Stadt- W, das im reinen Wohngebiet liegt und baurechtlich befristet bis zum 03.03.2012 genehmigt war (Blatt 99 der Bauakte) und derzeit geduldet wird. Randnummer 4 Mit Antrag vom 19.10.2009 beantragte der Kläger bei der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines solchen Fischbruthauses auf dem genannten Grundstück in V. Zunächst war zudem die Errichtung eines Wohnhauses geplant. Das Gebäude soll mit einer Länge von 20 m und einer Breite von 10 m errichtet sowie mit einer Glasbedachung ausgestattet werden. Der Dachbereich soll zirka 0,75 m über dem natürlichen Geländeniveau herausragen. In dem Gebäude werden Aufzuchtbecken aus Beton untergebracht. Der Abstand zum Wald beträgt zum Flurstück Nr. 12 zirka 15 m und zum gegenüberliegenden Gemeindewald teilweise weniger als 25 m. Das Betriebskonzept für die Teichanlage in V sieht die Aufzucht von Karpfen und Forellen vor. In den Wintermonaten sollen die Teiche abgelassen und mit Getreide eingesät werden. In dieser Zeit soll das Fischbruthaus der Hälterung der nicht veräußerten Zuchtfische dienen. Außerdem sollen in dem Gebäude Brutrinnen untergebracht werden, in denen Forelleneier auf Rosten frostsicher aufbewahrt und von Frischwasser umspült werden. Im Frühsommer sollen die Teiche wieder mit Wasser bespannt werden. Das Getreide wird überflutet, beginnt sich zu zersetzen und bildet Plankton, das den Besatzfischen und der Jungbrut als Futtergrundlage dient. Außerdem sollen Farbkarpfen herangezüchtet werden. Die Jungbrut der Koi-Karpfen soll zum größten Teil (zirka 95%) als Fischfutter dienen. Nur die wirtschaftlich wertvollsten Koi-Karpfen sollen zum Verkauf als Zierfische weiter herangezogen werden. Der überwiegende, nach und nach auszusortierende Teil der Fischbrut soll an die eigene Speisefischzucht verfüttert werden. Sofern der U in den Sommermonaten zu wenig Wasser für die Aufzucht von Forellen führen sollte, sollen alternative Speisefische wie der europäische Wels herangezogen werden. Wegen der Einzelheiten wird auf das im Laufe des Klageverfahrens vorgelegte spezifische Betriebskonzept für die Fischzuchtbeckenanlage und –bruthaus in V (Bl. 250 f. der Gerichtsakte) verwiesen. Randnummer 5 Unter dem 17.02.2010 versagte die beigeladene Gemeinde ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben, da die Versorgung mit Elektrizität, Trink- und Löschwasser sowie die Zuwegung nicht gesichert seien. Randnummer 6 Das Amt für den ländlichen Raum sprach sich mit Schreiben vom 22.01.2010 (Bl. 56 der BA) für eine landwirtschaftliche Privilegierung aus. In einem späteren Schreiben vom 28.11.2014 wurde demgegenüber dargelegt, dass die Haltung und Zucht von Forellen bei separater Betrachtung nicht wirtschaftlich betrieben werden könne. Die Untere Naturschutzbehörde teilte in einer Zwischennachricht vom 02.02.2010 (Bl. 60 der BA) mit, dass die Eingriffs- und Ausgleichsplanung nicht den Vorgaben der Kompensationsverordnung entspreche. Der Hinweis auf insoweit unvollständige Antragsunterlagen wird in einem späteren Schreiben von 03.11.2014 wiederholt. Hessen-Forst (Forstamt B-Stadt) teilte mit Schreiben vom 09.02.2010 (Bl. 64 der BA) mit, dass Belange des Forstrechts dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Es wird jedoch auf den teilweise nur ca. 25 m Abstand zum gemeindeeigenen Wald und die dadurch bestehende Gefahr für Schäden an den Baulichkeiten durch umstürzende Bäume und Baumteile hingewiesen. Hierfür könne das Forstamt keine Haftung übernehmen. Auch sei eine Zufahrt durch den Wald nicht möglich. Das Regierungspräsidium B-Stadt erklärte mit Schreiben vom 24. Februar 2010 (Bl. 74 der BA), dass aus regionalplanerischer Sicht keine Bedenken bestehen. Die Untere Wasserbehörde fragte mit Schreiben vom 24.02.2010 (Bl. 75 der BA) an, ob für die Durchströmung des Bruthauses eine größere Wasserentnahme aus dem Bach vorgesehen sei, weitere Entnahme- und Einleitstellen hinzukämen und ob Änderungen des wiedereingeleiteten Wassers zu erwarten seien. Für die restliche Maßnahme werde das Einvernehmen erteilt. Diese noch offenen Fragen wurden mit Schreiben vom 20.11.2014 wiederholt. Mit Schreiben vom 18.11.2014 teilte das Veterinäramt mit, dass dem Vorhaben aus tierseuchen- und tierschutzrechtlicher Sicht zugestimmt werden könne. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 22.04.2010 lehnte die Bauaufsichtsbehörde des Landkreises B-Stadt-Dieburg den Bauantrag unter Hinweis auf die nicht gesicherte Erschließung ab. Randnummer 8 Hiergegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 19.05.2010 Widerspruch ein. Randnummer 9 Nach einem Gespräch mit dem Ziel der gütlichen Einigung übersandte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 24.11.2010 eine Vereinbarung und eine Erklärung an die beigeladene Gemeinde, worin er anbot, die Zuwegung verkehrsmäßig auf eigene Kosten auszubauen, zu unterhalten und die Gemeinde von Schadenersatzansprüchen freizuhalten. Auch die notwendige Versorgung mit Elektrizität und die Löschwasserversorgung sollte auf eigene Kosten sichergestellt werden. Der Anhörungsausschuss empfahl, dem Widerspruch unter den Voraussetzungen abzuhelfen, dass der Kläger einen Erschließungsvertrag mit der beigeladenen Gemeinde für die Zuwegung zum streitgegenständlichen Grundstück schließt, Verhandlungen mit dem Eigentümer der Nachbarparzelle T zwecks Ankaufs des Grundstücks führt und den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück zurücknimmt. Randnummer 10 Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.11.2011 nahm der Kläger den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid zur Errichtung eines Wohnhauses zurück und teilte mit, dass Verhandlungen mit dem Eigentümer der Nachbarparzelle T zwecks Ankaufs des Grundstücks geführt worden seien. Da der Kläger in rechtsverbindlicher Form gegenüber der beigeladenen Gemeinde die Verpflichtung abgegeben habe, die Erschließung in Form einer dauerhaften Zuwegung zum streitgegenständlichen Grundstück sicherzustellen, seien die Voraussetzungen für eine Abhilfe nunmehr erfüllt. Demgegenüber verweigerte die beigeladene Gemeinde mit Schreiben vom 28.02.2012 weiterhin ihr Einvernehmen, da die Voraussetzungen hinsichtlich der Punkte 1 und 2 der Empfehlung des Anhörungsausschusses noch nicht erfüllt seien. Randnummer 11 Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es fehle vorliegend an der wegemäßigen Erschließung. Während beziehungsweise nach Niederschlag sei die Zuwegung nicht gefahrlos befahrbar. Die mehrere Kilometer lange Zuwegung verlaufe in der ca.restlichen Hälfte über unbefestigten Waldboden, wobei Engstellen und mindestens eine abschüssige Böschung zu befahren seien. Gegenverkehr könne nicht gefahrlos ausgewichen werden. Für Rettungsfahrzeuge, selbst kleineren Maßstabs, sei die Zufahrt nicht durchgehend möglich. Die Zuwegung erfülle nach Mindestbreite und Beschaffenheit nicht die DWA- Richtlinie für den ländlichen Wegebau 2005. Das vom Kläger der beigeladenen Gemeinde unterbreitete Erschließungsangebot sei nicht ausreichend konkret, um einen Kontrahierungszwang auszulösen und eine gesicherte Erschließung zu ersetzen. Mangels ausreichender Erschließung komme es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs.1 Nr. 1 oder Nr. 4 bzw. der § 35 Abs. 2 nicht mehr an. Insbesondere sei hier fraglich, ob das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Auch sei eine Koi-Zucht weder als Futter- noch Zierfischproduktion nur im Außenbereich möglich. Randnummer 12 Hiergegen hat der Kläger am 16.07.2012 Klage erhoben. Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten vor Ort erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin vom 02.07.2013 (Bl. 127 – 131 der Gerichtsakte) verwiesen. In der Folge haben sich der Kläger und die Beigeladene um eine gütliche Einigung bezüglich der Erschließungsfrage bemüht. Hierzu hat der Kläger ein Gutachten des Dipl.-Ing. S über die Zufahrt zur Fischteichanlage mit Lageplan und Geländeschnitt (Bl. 146 der GA) eingeholt und auf dieser Grundlage der beigeladenen Gemeinde den Entwurf einer Erschließungsvereinbarung unterbreitet. Die Unterlagen sind zu den Gerichtsakten gereicht worden. Randnummer 13 Der Kläger begründet seine Klage damit, dass das Vorhaben als Landwirtschaft zu qualifizieren sei. Die bisherige Teichanlage sei ein privilegiertes Vorhaben der Fischereiwirtschaft. Unter den Begriff der landwirtschaftlichen Binnenfischerei fielen der Fischfang und die Fischzucht in natürlichen und künstlichen Gewässern (z.B. Teichen). Das Fischbruthaus beherberge zwar künstliche Becken, sodass es für sich betrachtet eine gewerbliche Nutzung darstelle. Es diene aber dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und werde als Nebensache mitgezogen. Es bestehe ein sachlich-funktionaler Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Die Ausschüsse bei der Zucht von Koi-Karpfen sollten als Nahrung für die Speisefische im späteren Stadium dienen. Die Koi-Zucht sei dem Gesamtbetrieb auch untergeordnet. Es treffe zwar zu, dass er seit drei Jahren auf die Aufzucht von Salmoniden in der Teichanlage wegen der ungewissen Zukunft seines Vorhabens verzichtet habe. Diese solle aber wieder aufgenommen werden, sobald die Genehmigung erteilt worden sei. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Konzepts verweist der Kläger auf seine Rentabilitätsberechnung vom 11.12.2014 (Bl. 310 bis 312 der Gerichtsakte). Auch die Erschließung sei gesichert. Der vorhandene geschotterte Waldweg, auf dem man zur Teichanlage gelange, gewähre das von der Rechtsprechung verlangte Mindestmaß. Außerdem sei der beigeladenen Gemeinde die Annahme des unterbreiteten Erschließungsangebots zumutbar. Der Kläger habe das Erschließungsangebot zunächst nicht präzisieren können, da sich die Gemeinde passiv verhalten habe. Der zu erwartende Besucherverkehr sei gering. Im Übrigen sei nicht geplant, Besucher im eigenen Auto anreisen zu lassen. Das Vorhaben sei auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Der landwirtschaftliche Zweck einer koibasierten Speisfischzucht könne nur am vorgegebenen Standort betrieben werden. Es sei auch eine Zulassung als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB möglich, da öffentliche Belange nicht tangiert seien. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 22.04.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 18.06.2012 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die mit Bauantrag vom 19.10.2009 beantragte Baugenehmigung für die Errichtung eines Fischzuchtbruthauses zu erteilen. Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Zur Begründung verweist er auf die vorgelegte Behördenakte, insbesondere auf den angefochtenen Ablehnungsbescheid und Widerspruchsbescheid. Ergänzend ist er der Auffassung, es gebe keinen Kontrahierungszwang zur Erschließungssicherung. Außerdem handele es sich bei einer Schadensersatzfreistellung um einen Vertrag zu Lasten Dritter. Im Übrigen habe der Kläger selbst ausgeführt, dass es sich um einen Gewerbebetrieb handele, so dass er sich einen Standort in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet suchen möge. Der Kläger betreibe keine Landwirtschaft, da nicht nachgewiesen sei, dass die Fischzucht Ergebnis einer eigenen Bodenertragsnutzung sei. Es müsse dargelegt werden, wieviel Wintergetreide geerntet und wieviel Kunstfutter hinzugekauft werde. Sofern die erzielten Gewinne aus der Koi-Zucht über denen der Speisefischerzeugung lägen, könne es sich nicht um einen mitgezogenen Betriebsteil einer Landwirtschaft handeln. Soweit in der Kommentarliteratur darauf verwiesen werde, dass auch Zierfische unter den Begriff der Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB fallen könnten, könne dies nur bei Erfüllung der ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale des Begriffs Landwirtschaft im Übrigen, insbesondere der Bodenertragsnutzung der Fall sein. Eine Koi-Zucht sei auch nicht mit Pferdezucht vergleichbar, die auf eigener Futtergrundlage und damit auf unmittelbarer Bodenertragsnutzung erfolge. Es stelle sich ohnehin die Frage, ob die Koi-Brut gerade als Futtergrundlage für die Forellen erzeugt werde oder in der Hauptsache anlässlich der Züchtung marktfähiger Koi. Die Koi-Zucht im Fischbruthaus an sich stelle keine Fischerei dar, da sie in Betonbecken erfolge. Es könne aber nur ein gegenüber der landwirtschaftlichen Produktion untergeordneter nicht landwirtschaftlicher Produktionszweig mitgezogen werden. Das sei nicht nur an der Produktionsmasse, sondern auch am Gewinn festzumachen. Das Verhältnis von Speisefischzucht zu Koi-Zucht sei vorliegend aber nicht ersichtlich. Vielmehr bestätige die Rentabilitätsberechnung, dass die Zucht der Koi-Karpfen den wirtschaftlichen Schwerpunkt bilde und die Aufzucht der Forellen nur eine untergeordnete Rolle spiele. Das gesamte Vorhaben sei damit gewerblich. Randnummer 17 Unabhängig von der Frage der Privilegierung könne die Zulässigkeit des Vorhabens nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften bzw. hinsichtlich öffentlicher Belange i.S.d. § 35 BauGB auch nach Vorlage der Betriebsbeschreibung nicht abschließend beurteilt werden. Es erscheine zweifelhaft, ob die wasserrechtliche Plangenehmigung vom 15.07.2005 zu den Forellenteichen eine Betriebserweiterung um die Koi-Zucht einschließe. Randnummer 18 Die mit Beschluss des Gerichts vom 17.08.2012 beigeladene Gemeinde hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 19 Sie macht geltend, dass es sich bei dem geplanten Fischbruthaus nicht um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB handele. Da das Vorhaben die Errichtung eines Fischbruthauses mit einem künstlichen Becken beinhalte, liege kein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Das Fischbruthaus diene auch keinem bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb. Die Aufnahme in die land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft spiele für die planungsrechtliche Beurteilung keine Rolle. Selbst wenn man von einem bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb ausgehe, diene das Vorhaben nicht diesem Betrieb. Das sei nämlich nur dann der Fall, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Die Errichtung des Fischbruthauses möge zwar den vorhandenen Fischteichen förderlich sein, jedoch nicht mehr. Der Kläger betreibe zum jetzigen Zeitpunkt bereits anderenorts eine Koi-Zucht. Dies belege, dass ein anderer Standort des Fischbruthauses das Zusammenwirken von Speisefisch- und Koi-Zucht nicht vereitele. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein Transport der gezüchteten Koi-Karpfen, die zum Großteil lediglich als Fischfutter dienen sollten, zu aufwendig und problematisch sein solle. Außerdem sei die Errichtung eines Fischbruthauses in Glasbauweise auf einem vom Wald umgebenen Grundstück aufgrund der Windwurfgefahr nicht das, was ein vernünftiger Landwirt tun würde. Außerdem seien nach Auskunft des Klägers in den letzten Jahren in der bestehenden Teichanlage keine Speisefische gezüchtet worden. Eine Verfütterung der in dem geplanten Fischbruthaus gezüchteten Zierfische sei aber Mindestvoraussetzung für die Annahme, das Vorhaben könne von der Privilegierung mitgezogen werden. Aus dem Betriebskonzept ergebe sich auch nicht, in welchem prozentualen Verhältnis die Speisefisch- und die Zierfischzucht zueinander stehen solle, so dass noch immer ungeklärt sei, ob sich das Vorhaben dem Bestand unterordne. Aus oben dargelegtem ergebe sich zudem, dass eine Privilegierung im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ebenfalls nicht gegeben sei. Die Errichtung eines Fischbruthauses habe nicht zwingend im Außenbereich zu erfolgen. Auch eine Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht, da das Vorhaben öffentliche Belange gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB beeinträchtige. Das Fischbruthaus wahre nicht die natürliche Eigenart der Landschaft und stelle eine wesensfremde Bebauung im Außenbereich dar. Es lasse zudem die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten. Außerdem fehle es an einer gesicherten Erschließung. Durch das Fischbruthaus erfahre die Fischteichanlage eine nicht unbeträchtliche Erweiterung. Aufgrund seiner technischen Anlagen benötige das Gebäude zudem eine Stromversorgung sowie eine Heizungsanlage. Dadurch erhöhe sich die Brandgefahr auf dem vollständig von Wald umschlossenen Grundstück. Durch die Beschaffenheit des Weges und insbesondere das Gefälle/die Steigung sei die Befahrbarkeit mit größeren Fahrzeugen (Einsatzfahrzeug der Feuerwehr, Rettungswagen) nicht bei jeder Witterung möglich. Auch sei die Löschwasserversorgung nicht dauerhaft gesichert, wenn die Teiche im Winter abgelassen würden. Außerdem steige die Unfallgefahr, da mit erhöhtem Kundenverkehr zu rechnen sei. Ein zumutbares Erschließungsangebot des Klägers liege nicht vor. Aus dem Vertragsentwurf ergebe sich auch nicht, dass die Gefälleproblematik gelöst worden sei. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Vertiefung des Zufahrtsweges sei unklar, ob ein solcher Eingriff in die belebte Bodenzone innerhalb der Wasserschutzzone III überhaupt rechtlich zulässig sei. Außerdem halte das geplante Fischbruthaus keinen ausreichenden Waldabstand ein. Randnummer 20 Die Kammer hat am 07.10.2014 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der sich der Kläger verpflichtet hat, ein schriftlich niedergelegtes Betriebskonzept in Bezug auf die Teichanlage in V vorzulegen. Dies ist mit Schriftsatz vom 10.10.2014 erfolgt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung und durch die Berichterstatterin. Gegenstand der damaligen mündlichen Verhandlung und jetzigen Entscheidungsfindung sind auch die beigezogene Behördenakte des Beklagten und 1 Leitz-Ordner Behördenunterlagen der Beigeladenen gewesen.
Der Bescheid des Beklagten vom 22.04.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 18.06.2012 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Bauantrag des Klägers vom 19.10.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat, haben der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu 3/4 zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihm die gegenüber der X GmbH Verfügung über die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten bekannt gemacht und festgestellt wird, dass er Rechtsnachfolger der X GmbH sei. 2 In den Geschäftsräumen am XX, in denen der Kläger Sportwetten an die maltesische IBA Entertainment Ltd. vermittelt, befinden sich drei Spielhallen (Diamond I, II, III). Bis zum 09.05.2016 vermittelte in diesen Räumlichkeiten die X GmbH Sportwetten. Dieser wurde mit Bescheid vom 18.04.2016 die Vermittlung von Sportwetten wegen Verstoßes gegen das in § 21 Abs. 2 GlüÄndStV normierte Trennungsgebot untersagt. Die X GmbH meldete daraufhin rückwirkend zum 09.05.2016 das Gewerbe ab. Ab dem 10.05.2016 vermittelte in denselben Räumlichkeiten die X GmbH wiederum Sportwetten. Dieser wurde mit Bescheid vom 23.06.2016 die Vermittlung von Sportwetten ebenfalls wegen Verstoßes gegen das in § 21 Abs. 2 Erster GlüÄndStV normierte Trennungsgebot untersagt. Die zur Vermittlung von Sportwetten vorgehaltenen Geräte seien dauerhaft aus den öffentlich zugänglichen Räumen zu entfernen (Ziff. 1) und die untersagten Tätigkeiten unverzüglich und dauerhaft einzustellen (Ziff. 2). Für den Fall, dass den Verpflichtungen nicht binnen zwei Wochen Folge geleistet würde, wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 Euro angedroht. Die X GmbH meldete rückwirkend zum 27.06.2017 das Gewerbe ab. Die Untersagungsverfügungen sind bislang nicht bestandskräftig, da sowohl die X GmbH als auch die X GmbH fristgerecht Klage erhoben haben (Az: 9 K 1687/16 und 9 K 2489/16). Am 06.07.2016 wurde von dem Kläger eine Gewerbeanmeldung mit Schwerpunkt „Vermittlung von Wetten“ bei der Stadt X für die streitgegenständlichen Räumlichkeiten eingereicht und der Beginn der angemeldeten Tätigkeit auf den 28.06.2016 datiert. 3 Mit Bescheid vom 15.11.2016 , dem Kläger zugestellt am 17.11.2016, wurde dem Kläger die Untersagungsverfügung vom 23.06.2016 gegenüber der X GmbH bekannt gemacht (Ziff. 1 S. 1), festgestellt, der Kläger sei bezüglich der vollziehbaren, objekt- und betriebsbezogenen Verpflichtungen Rechtsnachfolger der X GmbH (Ziff. 1 S. 2), und ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 Euro angedroht, für den Fall, dass er der Verpflichtung aus Ziff. 1 nicht binnen zwei Wochen nachkomme (Ziff. 2). 4 Zur Begründung des Bescheides führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die vollziehbare Untersagungsverfügung gegen die X GmbH gleichermaßen für den Kläger gelte, da er nach der Betriebsübernahme Einzelrechtsnachfolger sei. Aus dem Bericht der Gewerbebehörde ergebe sich, dass der Betreiberwechsel zunächst gar nicht aufgefallen sei, da die Verhältnisse (Personal, Ausstattung etc.) unverändert seien. Da es sich bei der Untersagung wegen des Trennungsgebotes um ein betriebsbezogenes Verbot handele, binde diese ebenso den Rechtsnachfolger. Die Androhung des Zwangsgeldes sei ebenso zulässig, da die Klage der X GmbH gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüÄndStV keine aufschiebende Wirkung entfalte und somit die wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen. 5 Der Kläger hat am 06.12.2016 Klage erhoben. 6 Da der Beklagte davon ausging, dass die Verfügung kraft Gesetzes sofort vollziehbar wäre, stellte der Kläger am 06.12.2016 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az: 7 K 4547/16). Den insoweit ablehnenden Beschluss des VG Freiburg vom 29.06.2017 änderte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim am 18.12.2017 (Az: 6 S 1734/17) dahingehend ab, dass festgestellt wurde, dass die Klage des Klägers gegen Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung des Beklagten vom 15.11.2016 aufschiebende Wirkung habe. Die aufschiebende Wirkung der Klage wurde hinsichtlich Ziff. 2 Satz 1 der Verfügung angeordnet. Die Feststellung der Rechtsnachfolge stelle einen feststellenden Verwaltungsakt dar. Einer Klage hiergegen komme, da es sich bei dieser Feststellung nicht um eine Anordnung nach § 9 Abs. 1 GlüÄndStV handele, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei, aufschiebende Wirkung zu. 7 Daraufhin hat der Beklagte mit Verfügung vom 17.01.2018 die sofortige Vollziehung von Ziff. 1 Satz 2 der Verfügung vom 15.11.2016 angeordnet (Ziff. 1) und eine Frist für die Einstellung der Sportwettenvermittlung von einer Woche nach Zustellung der Anordnung gesetzt (Ziff. 2). Vollstreckungsmaßnahmen hat der Beklagte jedoch bisher in Anbetracht der angekündigten gerichtlichen Hauptsacheentscheidung unterlassen. 8 Der Kläger hat seine Klage insbesondere wie folgt begründet: Die Untersagung sei ihm gegenüber nicht wirksam ausgesprochen worden, da eine reine Bekanntmachung nicht ausreichend sei. Die angenommene Einzelrechtsnachfolge sei nicht belegt und lediglich pauschal behauptet. Dass der Betreiberwechsel der Stadt X zunächst nicht aufgefallen sei, liege nur daran, dass der Prozessvertreter beide Betreiber anwaltlich vertrete. Zudem sei die Verfügung gegenüber der X GmbH nicht lediglich objektbezogen, sondern konkret an die X GmbH als Adressatin gerichtet. Im Übrigen sei die Untersagungsverfügung gegenüber der X GmbH rechtswidrig, weil das in § 21 Abs. 2 GlüÄndStV verankerte Trennungsgebot gegen Unions- und Verfassungsrecht verstoße. Eine Untersagung aus Gründen der fehlenden Erlaubnisfähigkeit erfordere ein Erlaubnisverfahren, das mit Unions- und Verfassungsrecht im Einklang stehe. Dies sei in Hinblick auf das Urteil des EuGH (EuGH, U. v. 04.02.2016 – C-336/14 –, juris) jedoch derzeit nicht der Fall. Im Übrigen sei die Regelung ungeeignet und nicht erforderlich, da insgesamt nicht von einer kohärenten und systematischen Begrenzung der Spieltätigkeit auszugehen sei. 9 Der Kläger beantragt, 10 den Bescheid des Beklagten vom 15.11.2016 bis auf die Ziff. 1 Satz 1 aufzuheben und außerdem den Bescheid des Beklagten vom 17.01.2018 hinsichtlich seiner Ziff. 2 aufzuheben. 11 Der Beklagte beantragt, 12 die Klage abzuweisen. 13 Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Kläger den Betrieb von der X GmbH nahtlos und unverändert samt Personal und Einrichtung übernommen habe. Dies bedeute eine Betriebsübernahme im Sinne des Zivilrechts, womit auch die dem Betrieb anhaftenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen übergingen. Dass Nutzungsuntersagungen auch gegen Rechtsnachfolgern Wirkung entfalten und ohne erneutes Erlassen einer Grundverfügung vollstreckbar seien, sei nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG und der Obergerichte geklärt. Nichts Anderes gelte für Untersagungsverfügungen aus betriebsbezogenen Gründen, die - wie das hier vorliegende Trennungsgebot - insbesondere aufgrund der Lage des Betriebes ergingen. Die Untersagungsverfügung gegenüber der X GmbH als Grundverfügung könne der Kläger wegen deren Vollziehbarkeit nicht angreifen, selbst wenn diese noch nicht bestandskräftig sei. Im Übrigen würden die Argumente hiergegen nicht durchgreifen, insbesondere läge eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle in der Untersagungspraxis des Beklagten nicht vor. 14 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Behördenakte, sowie der Gericht- und Behördenakten zu den Parallelverfahren 9 K 1687/16 und 9 K 2489/16 (jeweils eine Gerichts- und eine Behördenakte) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
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SG Speyer 19. Kammer
Rheinland-Pfalz
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20.03.2015
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld über den 07.05.2013 hinaus bis zum 28.04.2014. Randnummer 2 Der 1970 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er bezog seit dem 27.10.2012 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 34,22 Euro kalendertäglich, im hier streitigen Zeitraum zuletzt bis zum 24.04.2013 in Form der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall. Randnummer 3 Der Kläger ist Rechtshänder und leidet seit Jahren an einer fortschreitenden Erkrankung des rechten Handgelenkes, bei der es zu einem teilweisen oder sogar vollständigen Absterben (Nekrose) des Os lunatum (Mondbein, Handwurzelknochen) kommt (Lunatummalazie, auch als Lunatumnekrose oder Morbus Kienböck bezeichnet). Am 14.03.2013 unterzog sich der Kläger ein erstes Mal einem operativen Eingriff bei dem Handchirurgen Dr. W… in F…. Dieser führte zunächst eine diagnostische Arthroskopie durch. Am 23.05.2013 erfolgte beim selben Arzt ein weiterer operativer Eingriff am rechten Handgelenk, bei dem eine STT-Arthrodese vorgenommen wurde. Hierbei handelt es sich um eine Versteifungsoperation, bei der die Handwurzelknochen Scaphoid, Trapezium und Trapezoid miteinander vereinigt (arthrodesiert) werden. Der Kläger befand sich hierzu vom 23.05.2013 bis 25.05.2013 stationär im Kreiskrankenhaus G…. Aufgrund der fortbestehenden Beschwerden wurde der Kläger letztlich am 28.01.2014 im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in der BG Unfallklinik L…-O… ein weiteres Mal operiert. Ausweislich des Entlassberichts vom 30.01.2014 erfolgte nunmehr eine Handgelenksdenervierung sowie die Entfernung der zuvor eingelegten Metallplatte. Randnummer 4 Dr. W… hatte dem Kläger am 14.03.2013 eine Erstbescheinigung über bestehende Arbeitsunfähigkeit ausgestellt und hierbei angegeben, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 31.03.2013. Auf einer Folgebescheinigung vom 26.03.2013 prognostizierte er weitere Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 24.04.2013. Randnummer 5 In einer sozialmedizinischen Stellungnahme nach Aktenlage vom 24.04.2013 gab die Ärztin im MDK Dr. H… nach Rücksprache mit Dr. W… an, es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenkes. Die Arbeitsunfähigkeit ende „per Bescheid“ mit 07.05.2013. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 29.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, der Gutachter des MDK sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenkes vollschichtig auszuüben. Daher ende die Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 07.05.2013. Das Krankengeld ende ebenfalls zum 07.05.2013. Der Kläger wurde aufgefordert, noch einen abschließenden Auszahlschein vorzulegen, der behandelnde Arzt sei von der Beklagten über das Ende der Arbeitsunfähigkeit informiert worden. Randnummer 7 Auf einem am 07.05.2013 ausgestellten Auszahlschein gab Dr. W…daraufhin an, letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit sei der 07.05.2013. Weitere Bescheinigungen für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 25.05.2013 stellte der Arzt in der Folgezeit noch am 02.09.2013 und am 28.10.2013 aus. Hierbei gab der Arzt jeweils an, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 31.12.2013. Am 07.01.2014 bescheinigte er zudem nochmals eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.03.2013, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 27.01.2014. Randnummer 8 Am 08.05.2013 sprach der Kläger bei der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit K…/P…) vor, um sich „vorsorglich“ arbeitslos zu melden. Der Antrag wurde nach seinen Angaben jedoch auf Grund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht aufgenommen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.08.2013 hat der Kläger die Antragstellung ab dem 08.05.2013 nochmals bekräftigt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17.12.2013 hat die Beigeladene den Antrag letztlich abgelehnt, da der Kläger seit Mai 2013 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei. Randnummer 9 Die Beklagte hat dem Kläger Krankengeld für die Zeit nach dem Ende der Leistungsfortzahlung durch die Bundesagentur für Arbeit vom 25.04.2013 bis zum 07.05.2013 gezahlt. Mit Schreiben vom 04.07.2013 teilte sie dem Kläger mit, sofern er ab dem 08.05.2013 von der Bundesagentur angemeldet würde, bestünde dem Grunde nach Anspruch auf Krankengeld für die ab 23.05.2013 bestehende AU ab dem 04.07.2013 (nach einer sechswöchigen Leistungsfortzahlung durch die Agentur für Arbeit). Randnummer 10 Nachdem der Kläger mit der Rechnung des Krankenhauses G… für den operativen Eingriff vom 23.05.2013 konfrontiert wurde, hat er einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Speyer gestellt. Mit Beschluss vom 16.08.2013 (S 13 KR 765/13 ER) hat das Gericht die Beklagte dazu verpflichtet, dem Kläger vorläufig Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Randnummer 11 Gegen den Bescheid vom 29.04.2013 hat der Kläger mit Schreiben vom 08.05.2013, zugegangen am 21.05.2013 Widerspruch eingelegt. Randnummer 12 In einem handschriftlichen Vermerk vom 01.08.2013 wiederholte die Ärztin im MDK Dr. H…die Mitteilung, dass ab dem 08.05.2013 keine AU mehr vorgelegen habe. Es habe ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten vollschichtig ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenkes bestanden. Der Vermerk enthält den Hinweis: „RS mit AP Dr. W… 1.8.13, Konsens“. Randnummer 13 Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2013 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.04.2013 zurück. Die Krankengeldzahlung sei zum 07.05.2013 zu beenden gewesen, da der Kläger in der Lage gewesen sei, sich für körperlich leichte Arbeiten in Vollzeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen. Zur Begründung nahm die Beklagte Bezug auf die Stellungnahme des MDK vom 24.04.2013. Eine medizinische Begründung des Widerspruchs sei nicht erfolgt, so dass die Feststellungen des MDK nicht erschüttert worden seien. Vielmehr habe der behandelnde Chirurg auf dem Auszahlschein den letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit am 07.05.2013 bestätigt. Randnummer 14 Am 18.09.2013 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, weiterhin ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen zu sein. In der Zeit ab dem 08.05.2013 sei er weiterhin nicht in der Lage gewesen, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Sowohl nach der ersten Operation am 14.03.2013 als auch nach der zweiten Operation am 23.05.2013 habe er so starke Schmerzen gehabt, dass er ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei. In der rechten Hand habe er über den 08.05.2013 hinaus solche Schmerzen gehabt, dass er weder ein Fenster oder eine Tür habe öffnen oder schließen können noch einen Stuhl oder Tisch habe rücken können. Nur unter kaum zu ertragenden Schmerzen sei er in der Lage gewesen, sehr kurze Zeit zu schreiben, die Zähne zu putzen, eine Fernbedienung zu betätigen oder in einer Tageszeitung zu blättern. In der Zeit nach der Arthroskopie habe ein Dauerschmerz bestanden, der auch bis zu der am 23.05.2013 durchgeführten Operation angehalten habe. Erst bei einer Nachuntersuchung im Oktober 2013 habe sich herausgestellt, dass die Metallplatte in der Hand gelockert gewesen sei und dringend eine weitere Operation erforderlich war. Dies erkläre letztlich auch die enormen Schmerzen, die er seit der ersten Operation gehabt habe. Letztlich seien bei der Operation im Januar 2014 die Metallplatten und die Nerven oberhalb des Handgelenkes entfernt worden, um die Schmerzen zu reduzieren. Die Schmerzen hätten zunächst noch fortbestanden, etwa bis Mai oder Juni. Gleichwohl habe er sich schon im April wieder arbeitssuchend gemeldet. Im Laufe des Jahres 2014 habe sich dann ein Zustand eingestellt, mit dem er nun zurechtkomme. Randnummer 15 Der Kläger macht geltend, die Mitteilung des Handchirurgen Dr. W…, er sei nach dem 07.05.2013 arbeitsfähig gewesen, sei ein Versehen gewesen. Nicht der Arzt, sondern der MDK habe die Arbeitsfähigkeit festgelegt. Dr. W… habe den Auszahlschein lediglich nach Maßgabe des MDK ausgestellt. Die weitere bevorstehende Operation sei zu diesem Zeitpunkt allen Beteiligten bekannt gewesen. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, Randnummer 17 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2013 zu verurteilen, dem Kläger weiteres Krankengeld in gesetzlicher Höhe über den 07.05.2013 hinaus bis zum 28.04.2014 zu gewähren. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Der Kläger habe im Rahmen des Widerspruchsverfahrens keine medizinische Begründung vorgebracht. Dr. W… habe auf dem Auszahlschein angegeben, die Arbeitsunfähigkeit sei zum 07.05.2013 beendet. Hiermit in Übereinstimmung habe der MDK Arbeitsfähigkeit ab dem 08.05.2013 attestiert. Einen medizinischen Nachweis über die weitere Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger nicht erbracht. Vielmehr sei nach der ersten Operation im März 2013 nach dem 07.05.2013 ein Zustand eingetreten, der es dem Kläger möglich gemacht habe, unter Berücksichtigung noch bestehender Restbeschwerden einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Dass der Kläger noch ein zweites Mal am 23.05.2013 operiert wurde, belege eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit nicht, insbesondere weil der Kläger schon lange vor diesen beiden Operationen an der Erkrankung des Mondbeins gelitten habe und gleichwohl einer Beschäftigung nachgegangen sei. In der Folgezeit nach dem 07.05.2013 seien vom Behandler zunächst auch keine Bescheinigungen mehr ausgestellt worden. Erst ab dem 02.09.2013 habe dieser dann rückwirkend für die Zeit nach der zweiten Operation ab dem 25.05.2013 wieder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 31.12.2013 ausgestellt. Dass dieser aber nicht am 25.05.2013 Arbeitsunfähigkeit für einen siebenmonatigen Zeitraum habe feststellen und bescheinigen können, dürfe unstreitig sein. Die Beklagte macht letztlich geltend, der Kläger habe die Tätigkeit eines Büroboten oder Telefonisten vollschichtig ausüben können. Randnummer 21 Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.11.2013 die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen. Randnummer 22 Diese hat geltend gemacht, die Arbeitslosmeldung vom 08.05.2013 sei zunächst nicht wirksam geworden, da der Kläger nach eigenen Angaben weiterhin arbeitsunfähig gewesen sei. Auch bei einer erneuten Vorsprache am 09.07.2013 habe der Kläger sich auf seine durchgehend bestehende Arbeitsunfähigkeit bezogen. Am 09.08.2013 sei eine erneute Arbeitslosmeldung erfolgt, die letztlich mit dem bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17.12.2013 abgelehnt worden sei. Eine Verfügbarkeit des Klägers für eine Arbeitsvermittlung habe im Hinblick auf die immer wieder geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden. Die Beigeladene hat auf die Anfrage des Gerichts, welche konkreten Tätigkeiten für den Kläger mit dem ärztlich beschriebenen Leistungsbild in Frage kämen, vorgetragen, im Handwerksbereich sei der Kläger weder im grob- noch im feinmotorischen Bereich einsetzbar. Tätigkeiten könnten (derzeit) zwar vollschichtig, aber nur ständig leicht und überwiegend sitzend ausgeführt werden. Nach Einschätzung des Teamleiters Arbeitsvermittlung der Beigeladenen sei der Kläger nur noch im Wach- und Schließgewerbe mit sitzender prüfender Tätigkeit oder als Pförtner einsetzbar. Eine Begutachtung habe bislang nicht stattgefunden. An Motivation scheine es dem Kläger nicht zu fehlen. Randnummer 23 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 24 Das Gericht hat gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts bei Dr. W…, den dieser unter dem 26.12.2013 erstattete. Auf Nachfrage des Gerichts machte Dr. W… am 20.01.2014 weitere Angaben. Insbesondere teilte der Arzt seine Einschätzung mit, dem Kläger sei in der Zeit ab dem 08.05.2013 auch eine leichte Tätigkeit nicht möglich gewesen. Die Arbeitsfähigkeit ab dem 08.05.2013 sei in einem Telefonat mit Frau Dr. H… vom MDK durch diese „festgelegt“ worden, obwohl er mitgeteilt habe, dass eine erneute Operation mit weiterer Arbeitsunfähigkeit am 23.05.2013 folgen würde. Dies habe die Ärztin vom MDK zur Kenntnis genommen, jedoch mitgeteilt, der Kläger solle sich für die Zeit vom 08.05.2013 bis zum 22.05.2013 bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden. Tatsächlich sei der Kläger in der Zeit vom 08.05.2013 bis zum 23.05.2013 und auch danach zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Er habe glaubhaft Schmerzen im rechten Handgelenk angegeben und auch entsprechende Funktionseinschränkungen des rechten Handgelenkes und der rechten Hand aufgewiesen. Retrospektiv müsse klar festgestellt werden, dass beim Kläger aus medizinischen Gründen ab dem 08.05.2013 bis dato keine Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Randnummer 25 Auf die Stellungnahme des Dr. W. erwiderte die Beklagte, dessen jetzige Einlassung stehe im Widerspruch zu den zeitnah zum Beurteilungszeitpunkt gemachten Angaben. Seinerzeit sei Dr. W. im Telefonat mit dem MDK übereingekommen, dass der Kläger ab dem streitgegenständlichen Zeitpunkt ein vollschichtiges Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehabt habe. Erneute Arbeitsunfähigkeit, so die seinerzeit übereinstimmende Beurteilung, habe dann wieder mit der geplanten Operation eintreten sollen. Aus diesem Grund habe Dr. W… auch angekreuzt, dass der Kläger zwar noch behandlungsbedürftig, aber nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei. Wäre bei dem Telefonat kein Konsens erzielt worden, wäre der Arzt verpflichtet gewesen, weitere Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen und gegen die Entscheidung des MDK zu intervenieren. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Bei einem zweiten Anruf des MDK in der Praxis des Dr. W… am 01.08.2013 sei dieser zu einem Gespräch nicht mehr bereit gewesen. In der hier streitigen Zeit bis zur zweiten Operation sei der Kläger auch nicht mehr in der Praxis vorstellig gewesen. Daher sei fraglich, ob der Arzt durchgängige Arbeitsunfähigkeit bestätigen könne. Es sei jedenfalls fraglich, warum der Kläger, der seit vielen Jahren schon an der Erkrankung des Handgelenkes leide, mehrere Jahre als Maurer habe arbeiten können, nunmehr aber gar keine Tätigkeit mehr ausführen könne. Hierin liege ein nicht geklärter Widerspruch. Randnummer 26 Die Beklagte legte einen Vermerk der Ärztin im MDK Dr. H…vom 05.02.2014 vor: Dr. W… habe am 24.04.2013 bei dem Telefonat mitgeteilt, der Kläger sei bereits 2003 wegen der gleichen Diagnose bei ihm in Behandlung gewesen. Der Arzt habe damals schon zur Operation geraten, der Kläger habe aber seine Tätigkeit als Maurer wieder aufgenommen. Mit Dr. W… habe Konsens darüber bestanden, dass der Kläger bei Arbeitslosigkeit sechs Wochen nach der diagnostischen Arthroskopie am 24.04.2013 ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des Handgelenkes habe bis zum OP-Datum. Randnummer 27 Das Gericht hat im Anschluss ein handchirurgisches Gutachten bei Dr. St… aus K… vom 07.05.2014 und einen Befundbericht des letzten Operateurs Prof. Dr. K… eingeholt, den dieser am 17.11.2014 erstattete. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Behandler Dr. W… als Zeugen vernommen. Randnummer 28 Zum Ergebnis der Beweisaufnahme und hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem und zum Verfahren S 13 KR 765/13 ER, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Beigeladenen Bezug genommen. Dieser war im Wesentlichen Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2013 verurteilt, dem Kläger weiteres Krankengeld für die Zeit vom 08.05.2013 bis zum 28.04.2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. 2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 18. Kammer
Hessen
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14.03.2012
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen des Beklagten nach dem Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk für die Zeit von Januar 2007 bis Januar 2008. Randnummer 2 Die klagende Urlaubskasse ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Maler- und Lackiererhandwerks in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins die Einzugsstelle für die Beiträge zur Urlaubs- und zur Zusatzversorgungskasse. Randnummer 3 Der Beklagte unterhält in A einen Betrieb, durch welchen im Klagezeitraum neben Maler-, Lackier- und Tapezierarbeiten nach seiner Behauptung auch Werbearbeiten, wie das Anfertigen von Flyern und Visitenkarten, Gestaltungsberatung, Beschriftungen, ebenso wie Bauplanungen und -überwachungen, Trockenbauarbeiten, Fußbodenbelagsarbeiten, Bautenschutzarbeiten und Bodenbeschichtungen ausgeführt wurden. Randnummer 4 Der Kläger nimmt den Beklagten auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk vom 23. November 2005 auf Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellten in Anspruch. Dieser Verfahrenstarifvertrag (folgend: VTV Maler/Lackierer) ist für allgemeinverbindlich erklärt worden. Für die Zeit von Januar 2007 bis Januar 2008 meldete der Beklagte dem Kläger Bruttolöhne und -gehälter, aus denen sich rechnerisch Beiträge in einer Gesamthöhe von € 9.053,80 ergeben. Randnummer 5 Da der Beklagte diese Beiträge nicht zahlte, erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden Klage, welche dem Beklagten am 08. Juli 2008 zugestellt wurde. Der Beklagte war in dem Gütetermin am 03. November 2008 säumig, so dass ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erging (Bl. 3 d.A.). Nach einem fristgerechten Einspruch des Beklagten haben die Parteien bis Ende Januar 2011 außergerichtlich verhandelt, so dass das Verfahren im Wesentlichen ruhte. Randnummer 6 Die Parteien haben dem Schwerpunkt nach um die Tarifunterworfenheit des Beklagten gestritten. Wegen der von den Parteien in der ersten Instanz vorgebrachten Tatsachenbehauptungen und Rechtsauffassungen wird vollständig gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden verwiesen (Bl. 93 – 95 d.A.). Randnummer 7 Zur Wiedergabe der am 05. Mai 2011 von den Parteien vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden gestellten Anträge wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen (Bl. 90 d.A.). Randnummer 8 In der Folge ist durch das Arbeitsgericht auf die Verhandlung vom 05. Mai 2011 ein der Klage stattgebendes Urteil ergangen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger schlüssig behauptet habe, dass der Betrieb des Beklagten nach der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer – ohne die Arbeitsstunden des Beklagten selbst – dem Geltungsbereich des VTV Maler/Lackierer unterfalle, der sich nach dem Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV Maler/Lackierer) richte. Das Bestreiten des Beklagten sei nicht erheblich. Auch Baunebenleistungen wie Fußbodenbelagsarbeiten und Bodenbeschichtungen seien ebenso wie die Koordinierungsplanung und Überwachung von Nachunternehmern dem Maler- und Lackiererhandwerk zuzurechnen. Die von dem Beklagten angeführten Bautenschutzarbeiten gehörten möglicherweise als Betonschutz- und Oberflächensanierungsarbeiten ebenso zum Maler- und Lackiererhandwerk. Randnummer 9 Der Beklagte sei gemäß § 5 Abs. 4 TVG kraft Allgemeinverbindlicherklärung (folgend: AVE) dem Tarifvertrag unterworfen. Die AVE verstoße nicht gegen Art. 12 GG. Die allgemeinverbindlichen Tarifnormen enthielten keine Berufsausübungsregeln iSd. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Erhebliche Einwände gegen die Höhe der geltend gemachten Beiträge habe der Beklagte nicht mehr erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 96 - 101 d.A.) Bezug genommen. Randnummer 10 Gegen dieses Urteil, welches ihm am 21. Juni 2011 zugestellt worden ist, hat der Beklagte mit am 21. Juli 2011 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 21. September 2011 mit an diesem Tag per Fax bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen Schriftsatz begründet. Randnummer 11 Der Beklagte rügt mit der Berufung, die Klage sei unschlüssig, da § 5 Abs. 4 TVG nicht angemessen geprüft worden sei. Der Kläger habe auch darlegen müssen, dass die Voraussetzungen der AVE vorlagen. Darüber hinaus sei die Beitragspflicht verfassungswidrig. Er werde im Vergleich zu anderen Handwerksbetrieben ungleich behandelt, seine negative Koalitionsfreiheit sei verletzt, außerdem seine Berufsausübungsfreiheit. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 05. Mai 2011 - 4 Ca 178/11 – abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Er verteidigt das angefochtene Urteil. Randnummer 17 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 29. Februar 2011 (Sitzungsniederschrift Bl. 151 d.A.) Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 05. Mai 2011 – 4 Ca 178/11 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 9. Kammer
Rheinland-Pfalz
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27.05.2011
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung. Die Klägerin ist gelernte kaufmännische Angestellte. Sie ist auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.06.1994 seit dem 01.07.1994 bei der Beklagten in deren Klinikum Idar-Oberstein als Angestellte beschäftigt. Zuvor war sie bereits ab Juli 1987 bei einem städtischen Krankenhaus in C-Stadt tätig. Sie wurde zunächst in Vergütungsgruppe VII BAT eingereiht und in der Folge in Entgeltgruppe 5 TVöD überführt. § 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vom 16.09.1994 enthält folgende Bestimmung: Randnummer 2 "Die Angestellte hat, soweit es der Dienst erfordert, jede ihr übertragene Arbeit, auch an einem anderen Dienstort, zu leisten, die ihr nach ihrer Befähigung, Ausbildung und körperlichen Eignung zugemutet werden kann, ohne dass der Arbeitsvertrag geändert wird." Randnummer 3 Die Klägerin hat in der Vergangenheit an mehreren Fortbildungsmaßnahmen für Chefarztsekretärinnen teilgenommen. Sie wurde bei der Beklagten in der Funktion einer Chefarztsekretärin beschäftigt. Nach Anhörung des Betriebsrats und dessen Zustimmung wurde die Klägerin seit dem 18.01.2010 bei gleicher Vergütung in der Schreibzentrale eingesetzt. Gegen diese Versetzung richtet sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren. Randnummer 4 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 11.11.2010, Az.: 11 Ca 506/10. Randnummer 5 Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin in die Schreibzentrale des D. unwirksam ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt: Randnummer 6 Die Beklagte habe nicht darlegen können, dass die Versetzung durch das ihr zustehende Direktionsrecht gedeckt sei. Zwar sei die Einstellung nicht für eine bestimmte Tätigkeit, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich erfolgt, der lediglich durch die Nennung der Vergütungsgruppe bezeichnet ist. Damit erstrecke sich zwar das Direktionsrecht auf andere Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllten. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass es sich bei der neuen Tätigkeit in der Schreibzentrale um eine mit der bisherigen Tätigkeit als Chefarztsekretärin in der Neurochirurgie vergleichbare gleichwertige Tätigkeit handele. Im Hinblick auf die Darstellung der Klägerin zu den von ihr übernommenen Aufgaben als Chefarztsekretärin sowie den behaupteten Zeitanteilen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Tätigkeit der Klägerin unabhängig von einem eventuellen Bewährungsaufstieg bereits in der Entgeltgruppe 5 TVöD einzugruppieren wäre. Sollte die Klägerin aber schwierige Aufgaben i. S. d. Entgeltgruppe 5 TVöD verrichten, wäre eine einseitige Versetzung durch die Beklagte in Form der Übertragung von Aufgaben in der Schreibzentrale nicht gerechtfertigt, weil diese lediglich in Entgeltgruppe 3 TVöD einzuordnen wären. Randnummer 7 Ein schlüssiger Sachvortrag der Beklagten dazu, dass die Tätigkeit der Klägerin vor Durchführung der Versetzungsmaßnahme als Chefarztsekretärin lediglich die Anforderungen einer Tätigkeit der Entgeltgruppe 3 erfüllten, fehle. Es werde lediglich pauschal behauptet, die Klägerin habe auch in ihrer Funktion als Chefarztsekretärin zu mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Scannen und Schreibarbeiten verbracht. Dem gegenüber habe die Klägerin im Einzelnen Tätigkeitsaspekte geschildert, die es als nicht ausgeschlossen erscheinen ließen, dass die Klägerin in erheblichem Umfang auch schwierige Aufgaben ausübe. Randnummer 8 Eine Gleichwertigkeit der Tätigkeiten vor und nach der Versetzung ließe sich damit nicht feststellen. Randnummer 9 Das genannte Urteil ist der Beklagten am 08.12.2010 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 05.01.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 17.01.2011 bis zum 08.03.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 04.03.2011, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet. Randnummer 10 Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes und des weiteren Schriftsatzes vom 12.05.2011, auf die wegen der Einzelheiten jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 178 ff., 305 ff. d. A.), macht die Beklagte zur Begründung der Berufung im Wesentlichen geltend: Randnummer 11 Die Beklagte habe bei der Eingruppierung der Klägerin die Merkmale für Arzthelferinnen zu Grunde gelegt. Das Merkmal "schwierige Aufgaben" setze aber voraus, dass es sich um eine Arzthelferin mit einer Abschlussprüfung handele, welche die Klägerin nicht aufweise. Zu berücksichtigen sei ferner Nr. 4 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen zum BAT. Selbst wenn die Klägerin schwierige Aufgaben ausüben würde, würde dies aufgrund dieser tariflichen Regelung nicht zu einer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 9 BAT (= Entgeltgruppe 5 TVöD) führen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch den Sachvortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt, diese übe ca. 70 Prozent ihrer Tätigkeit schwierige Aufgaben aus. Die Klägerin habe eine Darstellung ihrer diesbezüglich behaupteten Aufgaben nach Arbeitsvorgängen unter Angabe entsprechender Zeitanteile nicht ausreichend vorgetragen. Aufgrund des Fehlens einer abgeschlossenen Ausbildung als Arzthelferin sei die Klägerin nur im Rahmen der Anrechnung der Vorzeiten als Bewährungszeiten in der Vergütungsgruppe VII eingestellt worden. Die Versetzung sei auch im Rahmen billigen Ermessens erfolgt. Seit Beginn der Tätigkeit habe es immer wieder Beschwerden über das Verhalten der Klägerin gegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrags der Beklagten insoweit wird auf Seite 5 ff. des Schriftsatzes vom 04.03.2011 (Bl. 182 ff. d. A.) Bezug genommen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 11.11.2010, Az.: 11 Ca 506/10 abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 28.04.2011 und 19.05.2011, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 268 ff., 311 ff. d. A.), als zutreffend. Während sie im Schreibdienst lediglich Arztbriefe schreibe, sei die Tätigkeit als Chefarztsekretärin mit einem weitaus umfangreicheren Verantwortungsbereich verbunden. Tatsächlich sei die Eingruppierung sogar in Vergütungsgruppe V c BAT/Entgeltgruppe 8 TVöD gerechtfertigt. Randnummer 17 Die Klägerin bestreitet die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrats. Sie macht ferner geltend, die von der Beklagten angeführten Beschwerden seien nicht berechtigt. Randnummer 18 Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 11.11.2010, Az.: 11 Ca 506/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 2. Kammer
Rheinland-Pfalz
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28.05.2015
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Randnummer 1 Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Weiterhin nimmt die Klägerin die Beklagte auf Auskunft über das einer Ingenieurin von ihr gezahlte Tarifentgelt und Zahlung der sich hiernach ergebenden Vergütungsdifferenzen in Anspruch. Randnummer 2 Die am …  Dezember 1964 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 01. Juli 2007 als Detailkonstrukteurin aufgrund Arbeitsvertrages vom 29. Juni 2007 (Bl. 13 - 16 d. A.) zunächst bei der Firma Z GmbH und nach einem zum 01. März 2013 erfolgten Betriebsübergang sodann bei der Firma Y GmbH in Vollzeit beschäftigt. Seit September 2007 war sie bei der Beklagten in deren Werk in X eingesetzt. Ihr Einsatz bei der Beklagten in X erfolgte jeweils aufgrund von Bestellanforderungen unter Angabe der Stundenanzahl (vgl. Bestellanforderung vom 15. Dezember 2010, Bl. 21 d. A.; Bestellanforderung vom 14. Dezember 2011, Bl. 284 d. A.). In dem "Einkaufsabschluss" der Beklagten vom 22. März 2013 (Bl. 62 - 66 d. A.), der von der Firma Y GmbH als Lieferant am gleichen Tag bestätigt wurde (Bl. 67 d. A.), heißt es, dass der Lieferant auf der Grundlage dieses Vertrages (Rahmenvertrages) und der auf seiner Grundlage erfolgten Einzelbestellungen die unten aufgeführten Teile (Leistungen) zu den in diesem Vertrag vereinbarten Preisen liefert. Ferner heißt es, dass dieser Einkaufsabschluss für die nachfolgenden Werkleistungen gilt ("Projekt / Produktbezeichnung: F+E Konstruktionsdienstleistungen im Werkvertrag"). Im Anhang ist als Anlage ein "Musterangebot Werkverträge" enthalten. Wegen der zuletzt erfolgten Abrufbestellung wird auf das Angebot der Firma Y GmbH vom 19. August 2013 ("Angebot - Werkvertrag zum Einkaufsabschluss - Nr. 00000000", Bl. 72 d. A.) und die entsprechende Abrufbestellung der Beklagten vom 21. August 2013 (Bl. 68, 69 d. A.) verwiesen, die folgende "Leistungsbeschreibung des Projektes" enthält: Randnummer 3 "Leistungsbeschreibung des Projektes: Randnummer 4 Projektleistung für das Projekt W. Randnummer 5 Vorserien- und Serienfahrzeuge und alle betroffenen Teile/Module. Randnummer 6 Vereinbarte Entwicklungsleistung mit V zu folgenden Umfängen: Randnummer 7 - Packaginguntersuchungen/DMU - Leitungen und Halter der Betriebsstoffversorgung - Fahrgestell Rahmenanbauteile - Konstruktion von flexiblen Leitungen der Betriebsstoffversorgung und Rahmenanbauteile - Erstellung freigabefähiger Konstruktionsunterlagen - Prüfen bestehender Konstruktionsunterlagen Randnummer 8 Ingenieur (hohe Komplexität): 450 Std. x 56,50 Euro/Std. Randnummer 9 Gesamtnettowert ohne MwSt. 25.425,00" Randnummer 10 Mit ihrer am 20. Januar 2014 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau - eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien über den 31. Dezember 2013 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, und verlangt von der Beklagten Auskunft über das einer Ingenieurin von ihr tariflich gezahlte Entgelt sowie die Auszahlung der sich hiernach rückwirkend ab Januar 2010 ergebenden Vergütungsdifferenzen zu dem von ihr monatlich erhaltenen Gehalt in Höhe von 3.350,-- EUR brutto. Randnummer 11 In einem weiteren vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - geführten Rechtsstreit - Az.: 6 Ca 1117/13 - hat die Klägerin gegen die Firma Y GmbH u.a. equal-pay-Ansprüche geltend gemacht. In diesem Rechtsstreit haben die Klägerin und die Firma Y GmbH nach dem Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau - vom 20. Juni 2014 - 6 Ca 1117/13 - (Bl. 380 - 382 d. A.) folgenden Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossen: Randnummer 12 1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund betriebsbedingter Kündigung zum 30.06.2014 sein Ende findet. Randnummer 13 2. Das Arbeitsverhältnis wird zum 30.06.2014 ordnungsgemäß abgerechnet. Randnummer 14 3. Zur Abgeltung des sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG analog in Höhe von 25.000,-- EUR brutto. Die Abfindung wird mit Ende des Arbeitsverhältnisses fällig, ist aber bereits jetzt entstanden und vererbbar. Randnummer 15 4. Zur Abgeltung des Equal Pay Anspruchs zahlt die Beklagte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.000,-- EUR brutto. Randnummer 16 5. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein Arbeitszeugnis, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt und der Note "sehr gut" entspricht. Das Zeugnis endet mit einer entsprechenden Bedauerns-, Dankes- und Wunschformel. Randnummer 17 6. Die Beklagte übersendet der Klägerin unverzüglich die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III. Randnummer 18 7. Die Parteien verpflichten sich, über den Inhalt dieses Vergleichs gegenüber jedermann Stillschweigen zu bewahren, es sei denn, sie sind gesetzlich zur Auskunft verpflichtet oder die Auskunft ist aus steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Gründen gegenüber den Behörden veranlasst. Randnummer 19 8. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung hinüber wie herüber, gleich ob bekannter oder unbekannter Art, abgegolten und erledigt. Randnummer 20 9. Damit ist der Rechtsstreit erledigt. Randnummer 21 Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, ihr Einsatz sei zwar formal über Werkverträge zwischen der Beklagten und der Firma Z GmbH bzw. später Y GmbH geregelt worden. Tatsächlich bestehe hier jedoch eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Sie sei bei der Beklagten in den Arbeitsablauf der Abteilung Kraftstoff und AdBlue vollständig eingebunden. Anweisungen bei der Beklagten habe sie in den Jahren ihrer Tätigkeit niemals durch ihre Vorgesetzten bei der Firma Y GmbH oder deren Rechtsvorgängerin erhalten, sondern stets durch die Mitarbeiter der Beklagten. Die Zuweisung von Arbeiten sei jeweils über den Sachbearbeiter im Bereich Kraftstoff und AdBlue erfolgt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit, bei der sie mit Bauraumuntersuchungen, der Leitungsverlegung und der Leitungshalterkonstruktion betraut gewesen sei, sei die Zusammenarbeit nicht nur mit Kollegen ihrer Fachgruppe, sondern auch mit denen anderer Fachgruppen (z. B. Fachgruppe Pneumatik, Fachgruppe Aufbau oder Fachgruppe Elektrik bzw. Motor) erfolgt. Auch die dortigen Sachbearbeiter hätten ihr Anweisungen gegeben oder mit ihr Hand in Hand gearbeitet. Sie sei auf diese Weise in den Betriebsablauf bei der Beklagten völlig eingegliedert und der dortigen Weisungsstruktur unterworfen gewesen. Eine Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Beklagten sei bei ihrer Tätigkeit unabdingbar gewesen. Ihre Eingliederung habe sich aber auch darin gezeigt, dass sie während des Urlaubs des Sachbearbeiters, Herrn U, eine To-do-Liste (Bl. 26 d. A.) erhalten habe, die seine Aufgaben beinhalteten und nach der sie ihn während seines Urlaubs habe vertreten sollen. Weiterhin sei es nicht möglich, ein abgrenzbares Werk auszumachen, das sie hergestellt habe. Vielmehr sei es so, dass das Team des Fachbereichs an einer Aufgabe arbeitsteilig zusammenwirke, wobei jeder auf einen Bereich spezialisiert sei. Daher bestehe faktisch kein Werkvertrag, sondern verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Der Werkvertrag sei hier institutionell rechtsmissbräuchlich vorgeschoben worden, so dass gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis fingiert werde. Die von ihr begehrte Auskunft über die ihr zustehende Vergütungsdifferenz zwischen tatsächlich erzieltem und als Mitarbeiterin der Beklagten zu erzielendem Gehalt schulde die Beklagte entweder bei Erfolg mit dem Antrag zu 1. aus dem Arbeitsverhältnis oder hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. als Anspruch auf equal pay, der ihr gegen Verleiherin und Entleiherin gesamtschuldnerisch zustehe. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Klageschrift vom 20. Januar 2014 und ihre Schriftsätze vom 28. Mai 2014 und 26. September 2014 nebst Anlagen verwiesen. Randnummer 22 Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt , Randnummer 23 1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 31. Dezember 2013 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, Randnummer 24 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu geben über das einer Ingenieurin (hohe Komplexität) von ihr tariflich gezahlte Entgelt, Randnummer 25 3. die Beklagte zu verurteilen, ihr rückwirkend ab Januar 2010 die Vergütungsdifferenz zwischen dem sich aus der Auskunft ergebenden Monatsgehalt und dem monatlich von ihr erhaltenen Gehalt in Höhe von 3.350,-- EUR brutto abzurechnen und den sich danach ergebenden Betrag an sie auszuzahlen. Randnummer 26 Die Beklagte hat beantragt , Randnummer 27 die Klage abzuweisen. Randnummer 28 Sie hat erwidert, die Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG könne aufgrund der sowohl der Firma Z GmbH als auch der Firma Y GmbH erteilten Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nicht greifen. Die von der Klägerin gewünschte Folge, dass ein Arbeitsverhältnis mit ihr zustande gekommen sei, ergebe sich nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs. Mithin sei selbst bei unterstellter - verdeckter - Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Unabhängig davon sei der Einsatz der Klägerin ausschließlich auf werkvertraglicher Basis erfolgt, ohne dass eine Eingliederung der Klägerin in ihren Betrieb angenommen werden könne. Die Klägerin sei im Rahmen des Werkvertrages in 2013 schwerpunktmäßig mit Bauraumuntersuchungen und Leistungskonstruktionen in DMU (Digital Mock-up) hinsichtlich der Leitungen und Halter der Betriebsstoffversorgung betraut worden. Hierbei habe es sich um eine abgrenzbare Aufgabe gehandelt, die von keinem anderen ihrer Mitarbeiter ausgeführt worden sei. Auch wenn diese Aufgabe durch die Spezialisierung grundsätzlich ein arbeitsteiliges Zusammenwirken erfordere und mit viel Kommunikation verbunden sei, bedinge dies lediglich einen fachlichen Austausch und führe nicht zu einer Einbindung in den Betriebsablauf. Weiterhin habe die Klägerin keinerlei Arbeitsanweisungen von ihr bzw. ihren Mitarbeitern erhalten, sondern lediglich fachliche und zeitliche Informationen zu dem von ihr abzuleistenden Aufgabengebiet. Die angeführte Zusammenarbeit mit den Schnittstellen zu anderen Fachgruppen und Abteilungen habe sich in einem rein fachlichen - werkvertragsbezogenen - Informationsaustausch beschränkt. Eine disziplinarische oder arbeitsvertragliche Weisung sowohl in Richtung von ihr zu der Klägerin als auch umgekehrt habe es nicht gegeben. Auch wenn die Klägerin aufgrund der von ihr zu erbringenden Leistung nicht vollständig losgelöst von allen ihren internen Arbeitsprozessen habe tätig sein können und deshalb auch mit vielen verschiedenen Ansprechpartnern kommuniziert habe, sei dies aber nur auf einer fachlich-informatorischen Ebene erfolgt, ohne dass sie dabei arbeitsvertragliche Weisungen erhalten oder gegeben habe. Aufgrund des von der Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin im Parallelverfahren geschlossenen Vergleichs sei jedenfalls für den Klageantrag zu 2. das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Randnummer 29 Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - hat mit Urteil vom 30. September 2014 - 6 Ca 90/14 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren der Klägerin fehle. Es könne dahinstehen, ob der Einsatz der Klägerin im Betrieb der Beklagten aufgrund wirksamer werkvertraglicher Gestaltung erfolgt sei oder ob dieser Einsatz als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu bewerten sei. Im Hinblick darauf, dass sowohl die Firma Z GmbH als auch die Firma Y GmbH in der Zeit des Arbeitseinsatzes der Klägerin bei der Beklagten über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt hätten, könne der Anspruch der Klägerin nicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG abgeleitet werden. Auch eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung werde von der vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erfasst. Eine analoge Anwendung der Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG sei nicht möglich. Für den mit dem Antrag zu 2. geltend gemachten Auskunftsanspruch fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil der im Parallelverfahren abgeschlossene Prozessvergleich zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber mögliche equal-pay-Ansprüche der Klägerin gegenüber ihrer Arbeitgeberin regele. Mögliche Vergütungsdifferenzansprüche der Klägerin seien abschließend in dem Prozessvergleich mit ihrer Arbeitgeberin geregelt, so dass auch die mit dem Antrag zu 3. geltend gemachten Ansprüche unbegründet seien. Randnummer 30 Gegen das ihr am 13. November 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag (Montag) eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Februar 2015 mit Schriftsatz vom 13. Februar 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Randnummer 31 Sie trägt vor, das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es nicht entscheidungserheblich sei, ob sie tatsächlich aufgrund eines Werkvertrages bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei oder ob es sich um einen Scheinwerkvertrag und damit um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung handele. Die angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2013 betreffe ausschließlich den Fall, dass der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt sei. Im vorliegenden Fall hätten die Beklagte und der Verleiher ihre Arbeitnehmereigenschaft aber durch einen Scheinwerkvertrag vorsätzlich verschleiert. Dieser institutionalisierte Rechtsmissbrauch sei weder vom AÜG geregelt noch von der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts umfasst. Vielmehr sei der Fall von der Frage abhängig, ob Art. 10 der Richtlinie 2008/104/EG Sanktionen für einen institutionalisierten Rechtsmissbrauch erfordere. Gemäß ihrem erstinstanzlichen Vortrag habe sie sämtliche Arbeitsanweisungen ausschließlich von Mitarbeitern der Beklagten erhalten und mit der Beklagten regelmäßig ihren Urlaub abgestimmt, während der Geschäftsführer des Verleiherunternehmens oder dessen Mitarbeiter sie maximal zweimal jährlich gesehen hätten, ohne dass ihr irgendwelche Arbeitsanweisungen erteilt worden seien. Gemäß dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03. Dezember 2014 - 4 Sa 41/14 - sei es rechtsmissbräuchlich, wenn sowohl dem Verleiher als auch dem Entleiher positiv bekannt sei, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb des Entleihers eingegliedert werde, und dieser Charakter der Arbeitnehmerüberlassung wie vorliegend durch einen Scheinwerkvertrag verschleiert worden sei. Sowohl der Beklagten als auch dem Verleihunternehmen Y GmbH sei sehr wohl bekannt gewesen, dass sie nicht auf Werkvertragsbasis bei der Beklagten gearbeitet habe, sondern in deren Betrieb vollumfänglich eingegliedert worden sei. Dementsprechend sei es rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte nunmehr unter Verweis auf das Vorliegen einer gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der Y GmbH auf die Bestimmungen des AÜG berufe und damit das Vorliegen eines Leiharbeitsverhältnisses behaupte. Danach würden ihr entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch Differenzvergütungsansprüche gegen die Beklage für den Zeitraum zwischen Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 zustehen, zu deren Geltendmachung gemäß dem Antrag zu 3. zunächst die Auskunft der Beklagten gemäß dem Antrag zu 2. erforderlich sei. Dabei hafte die Beklagte neben dem Verleiher im Wege der Gesamtschuldnerschaft. Soweit sie sich gemäß den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil wegen eines equal-pay-Anspruchs mit dem Verleiher durch gerichtlichen Beschluss vom 20. Juni 2014 verglichen habe, handele es sich um einen Einzelvergleich mit dem Verleiher, der die Haftung der Beklagten als Mitschuldnerin nicht berührt habe. Randnummer 32 Die Klägerin beantragt , Randnummer 33 das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 30. September 2014 - 6 Ca 90/14 - aufzuheben und Randnummer 34 1. festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 31. Dezember 2013 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, Randnummer 35 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu geben über das einer Ingenieurin (hohe Komplexität) von ihr tariflich gezahlte Entgelt, Randnummer 36 3. die Beklagte zu verurteilen, ihr rückwirkend ab Januar 2010 die Vergütungsdifferenz zwischen dem sich aus der Auskunft ergebenden Monatsgehalt und dem monatlich von ihr erhaltenen Gehalt in Höhe von 3.350,-- EUR abzurechnen und den sich daraus ergebenden Betrag an sie auszuzahlen. Randnummer 37 Die Beklagte beantragt , Randnummer 38 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 39 Sie erwidert, das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass aufgrund der gültigen Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gemäß § 10 AÜG fingiert werden könne und es deshalb nicht mehr auf die Frage ankomme, ob die Klägerin tatsächlich aufgrund eines Werkvertrages bei ihr beschäftigt gewesen sei oder ob es sich um einen Scheinwerkvertrag und damit um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe. Die vom Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 10. Dezember 2013 (9 AZR 51/13) und 03. Juni 2014 (9 AZR 111/13) aufgestellten Grundsätze seien auf die Fälle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung auch dann übertragbar, wenn die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen eines Scheinwerkvertrages erfolgt sein sollte. Gemäß ihrer erstinstanzlichen Gegendarstellung und ihren Ausführungen in der Berufungserwiderung sei eine Einbindung der Klägerin in ihren Betrieb mangels Weisungsbefugnis bzw. -abhängigkeit nicht erfolgt. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, seien mögliche equal-pay-Ansprüche der Klägerin gegenüber der Firma Y GmbH in dem Vergleich vom 20. Juni 2014 mitgeregelt worden, so dass ein Auskunftsanspruch mangels Rechtsschutzbedürfnisses und auch mögliche Vergütungsdifferenzansprüche ausscheiden müssten. Im Übrigen lasse sich eine Haftung des Entleihers für Differenzlohnansprüche des Leiharbeitnehmers aus den Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht ableiten. Vielmehr sei nach § 10 Abs. 4 AÜG allenfalls der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Damit würden sich etwaige Ansprüche nicht gegen sie als Entleiher, sondern ausschließlich gegen den Verleiher richten, die durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 20. Juni 2014 endgültig erledigt seien. Randnummer 40 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 30.09.2014 - 6 Ca 90/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird zugelassen.
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AG Charlottenburg
Berlin
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25.07.2019
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Randnummer 1 Der Kläger schloss mit der Beklagten u.a. vier Darlehensverträge, von denen drei Grundlage des in diesem Rechtsstreit von dem Kläger verfolgten Zahlungsanspruchs sind. Diese drei Verträge datieren aus 2005 (Darlehen Nummer ... vom 22. Dezember 2005; Vertragsangebot vom 15. Dezember 2005; Anlage K 3 (Bl. 23 ff. d.A.)), aus 2009 (Anlage K 2 (Bl. 13 d.A.)) und aus 2011 (Anlage K 1 (Bl. 5 d.A.)). In den Formularverträgen war jeweils ein sog. Zinscap (Zinsbegrenzung, Zinssicherung, Zinscollar, Zinscap/Zinsfloor) vereinbart, wonach der variable Zins nur innerhalb einer Spannbreite schwanken durfte, wofür der Kläger eine Prämie/eine Gebühr von fünf Prozent für den Vertrag aus 2005 und von jeweils vier Prozent der Darlehenssumme für die Verträge aus 2009 bzw. 2011 zu zahlen hatte. Der Kläger zahlte die Prämien bei Vertragsschluss an die Beklagte. Der Kläger macht die Rückzahlung der von ihm geleisteten Beträge insgesamt in Höhe der hiesigen Hauptforderung geltend. Nachdem bei persönlichem Vorsprechen des Klägers bei der Beklagten dieser abgewiesen worden war, machte der Kläger seine Forderung mit Anwaltschreiben vom 15. Oktober 2018 geltend. Die Beklagte hat sich gegenüber sämtlichen Rückzahlungsforderungen auf Verjährung berufen. Die Klageschrift vom 29. Dezember 2018 ist am 2. Januar 2019 bei Gericht eingegangen. Die Beklagte hat sie am 8. Februar 2019 zugestellt erhalten. Randnummer 2 Der Kläger beantragt, Randnummer 3 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 3.812,00 nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2018 zu zahlen, und Randnummer 4 2. die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Kosten in Höhe von EUR 413,64 freizustellen Randnummer 5 Die Beklagte beantragt, Randnummer 6 die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sei auf die Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2019 verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe bezogen auf den jeweils zu vollstreckenden Betrag leistet.
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Hessisches Finanzgericht 5. Der Senat
Hessen
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10.07.2023
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Die Klägerin ist eine gemeinnützige, rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die von der A durch Stiftungsgeschäft vom … gegründet wurde. Im Stiftungsgeschäft wurde geregelt, dass die Stiftung als Vermögensausstattung von der A diversen, im einzelnen bezeichneten Grundbesitz in den Gemarkungen 1, 2, 3 und 4 erhält. Gemäß der Stiftungssatzung vereint die Klägerin die am 23.03.1950 in der „Stiftungsgruppe 1 – Stiftung für allgemeine Wohlfahrtszwecke“ der A zusammengefassten rechtlich unselbständigen Stiftungen sowie Schenkungen und Vermächtnisse. Mit notariellem Vertrag vom … (UR-Nr. … des Notars B) übertrug die A unter beiderseitiger Auflassungserklärung der Klägerin den im Stiftungsgeschäft benannten Grundbesitz, nämlich den im Grundbuch des Amtsgerichts C von 1, Blatt … eingetragenen Grundbesitz unter laufender Nr. … und …, den im Grundbuch des Amtsgerichts D von 3, Blatt … eingetragenen Grundbesitz im Bestandsverzeichnis lfd. Nr. … und …, den im Grundbuch des Amtsgerichts D von 2, Blatt … eingetragenen Grundbesitz im Bestandsverzeichnis lfd. Nr. …, … und … sowie den im Grundbuch des Amtsgerichts C von 4, Blatt … eingetragenen Grundbesitz im Bestandsverzeichnis unter lfd. Nr. …, …, … und …. Die Kosten und Steuern sollte die Klägerin tragen. Am 15.09.2020 erließ das beklagte Finanzamt gegenüber der Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes – GrEStG –, weil mit dem Übertragungsvertrag vom 29.07.2020 der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei. Als Besteuerungszeitpunkt wurde der 29.07.2020 festgestellt. Der betroffene Grundbesitz wurde in einer Anlage zum Bescheid mit Grundbuch von 1 Blatt …, Grundbuch von 3, Blatt …, Grundbuch von 2, Blatt … und Grundbuch von 4, Blatt … festgestellt und zugleich jeweils das zuständige Finanzamt festgestellt. Ferner enthält die Anlage die Feststellung, dass jeweils Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG der Grundbesitzwert i.S.d. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 des Bewertungsgesetzes – BewG – ist. Gegen den ihr am 16.10.2020 zugegangenen Bescheid erhob die Klägerin am 04.11.2020 Einspruch, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 23.12.2021, am 01.02.2022 zur Post gegeben, zurückgewiesen hat. Mit der am 04.03.2022 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Feststellungsbescheids. Auf gerichtlichen Hinweis hinsichtlich bestehender Bedenken gegen die Bezeichnung des betroffenen Grundbesitzes mit Grundbuchblattnummern hat der Beklagte am 17.05.2023 den Feststellungsbescheid vom 15.09.2020 aufgehoben und diesen durch einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid vom 19.05.2023 ersetzt, in dem der betroffene Grundbesitz nun zudem konkret mit den Flurstücksnummern (Flur, Flurstück) zutreffend bezeichnet wurde. Zudem enthielt der ersetzende Bescheid Ausführungen, wonach die Klägerin als Erwerberin vorrangig in Anspruch zu nehmen sei. Die übrigen Feststellungen erfolgten unverändert. Der ersetzende Bescheid ist nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Grundstücksübertragungen nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG steuerfrei seien, da die Übertragung unentgeltlich im Rahmen einer Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschafts- und Schenkungsteuergesetzes – ErbStG – erfolgt seien. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, wonach aufgrund der Bindung der öffentlichen Verwaltung an Gesetz und Recht, unter anderem auch an die haushaltsrechtlichen Vorschriften, im Regelfall anzunehmen sei, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung in Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben und somit nicht freigebig handele, was zur Versagung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG führe, könne auf den Streitfall nicht angewandt werden. Denn die A habe außerhalb ihrer öffentlichen Aufgaben gehandelt, indem sie die Grundstücke übertragen habe, weil die Grundstücke nicht zum haushaltsmäßigen Vermögen der A gehört hätten. Vielmehr habe es sich um ein Sondervermögen der A gehandelt, welches nicht der öffentlichen Verwaltung zugeordnet gewesen sei, sondern gemeinnützigen und mildtätigen Tätigkeiten der Stadt, mit welchen sie den Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben weit überschritten habe. Die von der A übertragenden Grundstücke hätten sich im zivilrechtlichen Sondervermögen der Stadt befunden, welches gesondert vom Haushalt verwaltet worden sei. Das Vermögen beruhe auf zahlreichen einst rechtlich verselbständigten Stiftungen, das infolge von Weltkriegen, Geldentwertungen und Währungsreformen ab 1901 in das zivilrechtliche Eigentum der A zu treuen Händen übertragen und seither von dieser treuhänderisch verwaltet worden sei. Mit der Übertragung der treuhänderisch angeeigneten Grundstücke sei eine freigebige Rückführung von einstmals privatem, verselbständigtem Vermögen in eine privatrechtlich organisierte, verselbständigte Vermögensmasse – der Klägerin – erfolgt. Die gesondert vom Haushalt gehaltenen Grundstücke seien nicht in Erfüllung öffentlicher Aufgaben an die Klägerin übertragen worden, sondern die Stadt habe den privatrechtlich bestimmten Willen der ursprünglichen Stifter erfüllt. Die Stadt sei im Rahmen ihrer Sondertätigkeit ausschließlich an die Stiftungszwecke der gestifteten und von ihr verwalteten Vermögen gebunden gewesen und habe insoweit gemeinnützige und mildtätige Zwecke, aber keine öffentlichen Aufgaben erfüllt. Der Sinn und Zweck eines Stiftungsgeschäfts sei die endgültige, finale und für die Ewigkeit ausgelegte Widmung eines Vermögens für bestimmte Zwecke nach dem Willen des Stifters. Dieser Grundsatz sei auch in Gänze zu beachten, wenn das entsprechende Vermögen temporär durch eine öffentliche Hand verwaltet werde. Erfüllt würden dabei nicht öffentliche Aufgaben, sondern gemeinnützige Aufgaben nach dem Stifterwillen. Zu kurz gegriffen wäre die Auffassung, die Stadt würde mit dem Vermögen öffentliche Aufgaben erfüllen, weil es sich bei dem Sondervermögen um zivilrechtliches Eigentum der Stadt gehandelt habe. Ganz im Gegenteil handele es sich um ein Sondervermögen, welches vom Haushalt der Stadt abgesondert verwahrt, verwaltet und schließlich übertragen worden sei. Die ständige Rechtsprechung des BFH habe genau für solche Ausnahmesachverhalte stets eine Öffnung zugelassen, indem sie feststelle, dass „regelmäßig“ oder „im Regelfall“ keine freigebige Zuwendung vorläge. Die Ausnahme vom Regelfall stelle hier der Umstand dar, dass die zugewendeten Grundstücke bereits gemeinnützigkeitsrechtlich gebunden gewesen seien, als die Stadt Eigentümerin geworden sei, und in diesem Fall nur eine Rückführung in die privatrechtlich organisierte Gemeinnützigkeit erfolgt sei. Ein Handeln in Erfüllung öffentlicher Aufgaben – wie z.B. die Sicherstellung der Krankenversorgung in Krankenhäusern (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 2006 II R 15/04, BStBl II 2006, 557) – liege im Streitfall in Bezug auf die Grundstücksübertragung nicht vor. Im Streitfall sei die Übertragung einhergehend mit einer zulässigen, aber den Rahmen der öffentlichen Aufgaben eindeutig überschreitenden Handlung aufgrund der gemeinnützigen Verhaftung der Grundstücke erfolgt, was eine freigebige Zuwendung ermögliche. Die Eigenschaft des übertragenden Rechtsträgers als öffentliche Verwaltung genüge nicht, sondern die Übertragung müsse zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfolgt sein. Auch im Beschluss vom 26. August 2004 (II B 104/03, BFH/NV 2005, 57) habe der BFH erklärt, dass die Grundsätze des Haushaltsrechts nicht von vornherein eine freigebige Zuwendung ausschlössen, da haushaltsrechtliche Regelungen als rein staatsinterne Ordnungsvorschriften keinen Einfluss auf zivilrechtliche und daran anknüpfende steuerrechtliche Würdigungen hätten. Dass die Stadt über das gemeinnützig verhaftete Sondervermögen im Rahmen der ihr hieraus übertragenen gemeinnützigen Aufgabe verfüge, sei Grund für die Annahme eines Ausnahmefalles, in dem die Stadt nicht im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben handele, sondern im Rahmen der gemeinnützigen Zweckbindung im Wege einer freigebigen Zuwendung. Der Beklagte gehe in der Annahme fehl, ein haushaltsrechtliches Sondervermögen könne nur dann vorliegen, wenn dieses einem rechtlich selbständigen Rechtsträger zuzuordnen sei. Sondervermögen sei der rechtlich unselbständige Teil einer Gemeinde, der zur Erfüllung eigener, isoliert zu betrachtender Aufgaben bestimmt sei und daher vom allgemeinen Haushalt abgesondert zu führen sei. Die Aufgabe, die das Sondervermögen rechtfertige, sei die Verpflichtung, das gegenständliche Grundvermögen für die von den historischen Stiftern definierten gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecke zu verwenden. Mit der Verwaltung der Grundstücke im Rahmen von den historischen Stiftern definierten gemeinnützigen Zwecken habe die Stadt eindeutig den Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben überschritten, indem sie mit der zweckgebundenen Verwaltung der Grundstücke eine Sonderstellung übernommen habe, die sich Einflüssen des Haushalts auf die Verwendung der Grundstücke entziehe. Weil die Grundstücke nicht im Haushalt der Stadt gebunden gewesen seien und es keines haushaltsrechtlichen Auftrags bedurfte sowie die Stadt ihren privatrechtlichen Auftrag allein aus der gemeinnützigen Verhaftung der Grundstücke hergeleitet habe, habe die Stadt den Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben eindeutig und zulässigerweise überschritten. Die freigebige Zuwendung scheitere auch nicht daran, dass die Grundstücke an die Klägerin mit gemeinnütziger Verwendungsauflage übertragen worden seien. Denn eine solche liege nicht vor. Die gemeinnützige Verwendung der Grundstücke ergebe sich nicht aus der Übertragung, sondern allein aus der Stiftungsverfassung. Die Verpflichtung einer Stiftung, eine ihr zugedachte Verwendung satzungsgemäß zu verwenden, begründe keine Auflage. Der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung liege daher auch vor, weil die Klägerin tatsächlich und rechtlich frei über die Grundstücke verfügen könne. Auch die Anordnung der Urstifter, die Grundstücke für gemeinnützige Zwecke zu verwenden, stehe einer freigebigen Zuwendung nicht entgegen. Auf dem Vermögen ruhe keine konkrete Rechtspflicht, dieses auf die Klägerin übertragen zu müssen. Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 19.05.2023 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist der Auffassung, im Streitfall sei die begehrte Steuerbefreiung mangels freigebiger Zuwendung zu versagen. Aufgrund der Bindung der Vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz, unter anderem auch die haushaltsrechtlichen Vorschriften, sei im Regelfall anzunehmen, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung in Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben und somit nicht freigebig handele. Dies gelte nach dem BFH-Urteil vom 27. November 2013 (II R 11/12, BFH/NV 2014, 579) auch, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung Vermögen auf eine Stiftung übertrage. Ein Sondervermögen müsse in irgendeiner Weise auch zivilrechtlich erkennbar sei. Allein die Tatsache, dass die Stadt es nach Kriegsende und auch in den Folgejahren versäumt habe, die Grundstücke auf eine entsprechend ausgestattete Stiftung zu übertragen, vermöge nicht zu überzeugen, dass vorliegend Sondervermögen der Stadt vorgelegen habe. Gegen eine Freigebigkeit spreche auch, dass die Stadt durch die Urstifter verpflichtet gewesen sei, die Objekte entsprechend dem Stifterwillen einer gemeinnützigen Nutzung zukommen zu lassen. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf gewechselten Schriftsätze in der Akte verwiesen. Dem Gericht lag die beim Beklagten für den Vorgang geführte Grunderwerb-steuerakte vor. Diese war Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Kammer
Hessen
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08.12.2006
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Randnummer 1 Die Parteien streiten, nachdem sie Übereinkunft erzielt haben, dass sie die Entscheidung der streitigen Rechtsfrage im vorliegenden Rechtsstreit im Ergebnis uneingeschränkt auf alle davor und danach liegenden Zeiträume übertragen werden, in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes hinsichtlich der Monate Oktober und November 2004 zu erteilen und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu leisten. Randnummer 2 Der Kläger ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Er ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Er nahm erstinstanzlich auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Beklagte in ursprünglich drei getrennten Verfahren auf Auskunft und Beitragszahlung in Anspruch, wobei diese Verfahren vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind. Die vom Kläger ursprünglich geltend gemachten Mindestbeitragsansprüche für gewerbliche Arbeitnehmer und Festbeitragsansprüche für Angestellte betrafen den Zeitraum Dezember 1998 bis August 2002 in der Gesamthöhe von € 351.684,42. Der erstinstanzlich geltend gemachte Auskunftsanspruch betraf die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten im Zeitraum September 2002 bis November 2004. Randnummer 3 Die Beklagte unterhält in ...ein Werk, in dem Garagen aus Stahlbeton aus einem Guss hergestellt werden. In stationär eingebauten Schalungsanlagen werden die erforderlichen Bewehrungen aus Betonstahl eingebaut und mit Transportbeton gefüllt. Der gegossene Kubus wird im Betrieb der Beklagten mit einem Außen- und Innenanstrich, wie vom Kunden gewünscht, versehen. Anschließend wird das Tor eingebaut und das Dach abgedichtet. Sodann wird die fertige Garage auf einem speziellen Transportfahrzeug zu dem jeweiligen Kunden, der die entsprechende Garage bei der Beklagten bestellt und für den die Beklagte auch die Erledigung des Bauantrags einschließlich der Statik übernommen hatte, transportiert. Dort wird die Garage auf dem Grundstück abgestellt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob in allen oder lediglich in vielen Fällen das entsprechende Fundament vorab durch den Kunden vorbereitet worden ist. In wenigen Einzelfällen stellt die Beklagte auf Wunsch des Bestellers einen Anschluss an die Entwässerung her und bringt eine Fugenleiste zu optischen Zwecken zwischen Garage und Hauswand an. Mit der Fertigstellung der Garagen sind nach Angabe der Beklagten im Schnitt ca. 14 gewerbliche Arbeitnehmer und mit der Auslieferung der Garagen 3 Fahrer beschäftigt. Randnummer 4 Zwischen den Parteien ist beim Arbeitsgericht Wiesbaden ein Verfahren unter dem Az. 4 Ca 3122/03 anhängig gewesen, in welchem der Kläger die Beklagte auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe Nordwestdeutschland (TVZN) auf Zahlung von Beiträgen auch hinsichtlich des im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraums in Anspruch genommen hat. Der Kläger hat diese Klage am 21. Oktober 2004 zurückgenommen. Randnummer 5 Mit der Beklagten am 17. Dezember 2004 zugestellter Klageschrift hat der Kläger die Beklagte im Ausgangsverfahren (4 Ca 3611/04) auf (Mindest-) Beitragszahlung nach den Sozialkassentarifverträgen für das Baugewerbe für die Beitragsmonate Dezember 1998 bis November 1999, in dem verbundenen Verfahren (4 Ca 3612/04) auf (Mindest-)Beitragszahlung für Dezember 1999 bis November 2001 und in dem weiteren verbundenen Verfahren (4 Ca 181/05) auf Auskunft und bedingte Entschädigungszahlung hinsichtlich des Zeitraums von Dezember 2001 bis November 2004 in Anspruch genommen. Randnummer 6 Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte zur Erteilung von Auskünften und zur Beitragsabführung verpflichtet sei. Die Herstellung der von der Beklagten fertig gestellten Garagen sei als bauliche Leistung anzusehen. Die Garage sei ein Fertigbauteil, da sie in der Fabrik hergestellt und auf dem Bauplatz zusammengefügt werde, wobei nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien davon auszugehen sei, dass Fertigbauarbeiten nur dann vorlägen, wenn bei eigentlichen Bauarbeiten die herkömmliche Arbeitsweise durch das Zusammenfügen bzw. Einbauen vorgefertigter Bauteile ersetzt werde. Es sei nicht erforderlich, dass mehrere Fertigbauteile zusammengefügt würden. Irrelevant sei, wie viel Arbeitszeit auf das Herstellen und wie viel Arbeitszeit auf das Abstellen der Fertiggarage entfalle. Auch eine feste Verbindung mit dem Boden sei nicht erforderlich. Entscheidend sei die Zweckbestimmung, die darin bestehe, beim Kunden eine Garage zu erstellen, weshalb jedenfalls der Geltungsbereich gem. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV eröffnet sei. Der Kläger hat des Weiteren die Ansicht vertreten, seine Beitragsforderung für den Zeitraum Dezember 1998 bis November 1999 sei nicht verjährt, da er seinen Anspruch mit der Klage vom 10. Oktober 2003 im Verfahren beim Arbeitsgericht Wiesbaden zum Az. 4 Ca 3122/03 rechtzeitig erhoben habe und sodann nach Klagerücknahme im Oktober 2004 innerhalb der 6-Monatsfrist des § 212 Abs. 2 BGB a.F. erneut Klage erhoben habe. Randnummer 7 Der Kläger hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 351.684,42 zu zahlen; 2. dem Kläger auf dem von ihm zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, 2.1 wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten, in den Monaten September 2002 bis November 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind; 2.2 wie viel Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind nur geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten September 2002 bis November 2004 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten angefallen sind; 3. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen: zu 2.1: € 155.700,0zu 2.2: € 4.055,00. Randnummer 8 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, nicht auskunfts- und beitragspflichtig zu sein. Bei den von ihr hergestellten Fertiggaragen handele es sich nicht um Fertigbauteile im Tarifsinn. Es würden auch nicht mindestens zwei Fertigbauteile zusammengefügt, vielmehr laste die Fertiggarage kraft eigenen Gewichts auf der Erde ohne weitere Befestigung und könne auch wieder weggehoben werden. Der Geltungsbereich des VTV ergäbe sich auch nicht aus § 1 Abs. 2 Abschnitt I - IV VTV, da auf die allgemeinen Vorschriften dann nicht zurückgegriffen werden dürfe, wenn sich bei einer Subsumtion unter einen Tatbestand des spezielleren § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV ergebe, dass ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei; die speziellere Norm hindere den Rückgriff auf die allgemeinere Norm. Die Beklagte hat weiterhin die Einrede der Verjährung erhoben und die Ansicht vertreten, dass jedenfalls die Ansprüche aus den Jahren 1998 und 1999 mit Ablauf des 31. Dezember 2003 verjährt seien. In dem Verfahren 4 Ca 3122/03 seien Ansprüche aus einem anderen Rechtsgrund geltend gemacht worden. Die Beklagte hat bestritten, dass die Höhe der Klageforderung zutreffend berechnet sei, da die Berechnung des Klägers nicht nachvollzogen werden könne und im Übrigen im Jahr 1999 in den einzelnen Kalendermonaten eine unterschiedliche Anzahl von gewerblichen Arbeitnehmern beschäftigt gewesen sei. Randnummer 10 Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage mit Urteil vom 16. Februar 2006 - 4 Ca 3611/04 - überwiegend stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten Beitragszahlung für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte gem. §§ 18, 19, 22 VTV vom 20. Dezember 1999 in der für die jeweiligen Kalenderjahre maßgeblichen Fassung in Höhe von € 342.845,62 und die verlangten Auskünfte gem. § 21 VTV verlangen, denn der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei eröffnet. Die Beklagte stelle Fertiggaragen aus Stahlbeton her und verbringe diese dann zu den Kunden, wo sie kraft eigener Schwere ohne eine weitere zusätzliche Montagehandlung auf dem Boden ruhten. Diese Tätigkeit der Beklagten stelle eine bauliche Leistung dar, denn sie erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, wonach die Betriebe dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – u. a. der Erstellung von Bauwerken dienten. Der Betrieb der Beklagten sei darauf ausgerichtet gewesen, Bauwerke, nämlich Fertiggaragen aus Stahlbeton herzustellen. Die Fertiggaragen würden mit baulichem Gerät hergestellt und ruhten kraft ihrer eigenen Schwere auf dem Erdboden. Es komme nicht darauf an, ob die bauliche Anlage Wohnzwecken diene. Dahinstehen könne, ob die Tätigkeit der Beklagten zugleich als Fertigbauarbeit im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV anzusehen sei. Danach unterfalle das Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung von Bauwerken ebenfalls dem Geltungsbereich des VTV. Offen bleiben könne, ob Fertigbauarbeiten ggf. deshalb nicht vorlägen, da nicht mindestens zwei Fertigbauteile zusammengefügt, sondern der einheitliche Garagenkorpus abgestellt würden. In jedem Fall könne auf die allgemeinere Vorschrift des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV abgestellt werden, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die Tarifvertragsparteien das Phänomen der Fertigbauweise abschließend in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 13 VTV geregelt hätten. Die allgemeineren Bestimmungen zum Geltungsbereich des VTV seien Auffangvorschriften, die durch die spezielleren Bestimmungen nicht verdrängt würden. Der Betrieb der Beklagten werde auch von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasst. Zwar enthalte die Allgemeinverbindlichkeitserklärung für den Bereich der inländischen Fertigbaubetriebe eine Einschränkungsklausel. Anhaltspunkte dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Einschränkungsklausel vorlägen, seien jedoch nicht behauptet worden. Der Kläger habe seine Beitragsforderung der Höhe nach substantiiert dargelegt. Da die Beklagte keine Auskünfte erteilt habe, sei er berechtigt gewesen, seine Forderung im Wege einer Mindestbeitragsklage geltend zu machen. Demgegenüber sei das Bestreiten der Beklagten unerheblich, solange die Beklagte nicht konkret angebe, wie viele Arbeitnehmer in den einzelnen Monaten zu welcher Bruttolohnsumme beschäftigt gewesen seien. Soweit der Kläger allerdings Beitragszahlung für die Jahre 1998 und 1999 begehre, sei der Anspruch nicht begründet, da er verfallen sei. Die 4-jährige Verfallfrist sei am 31. Dezember 2003 abgelaufen. Der Umstand, dass bereits in dem Vorverfahren 4 Ca 3122/03 Beitragsansprüche nach dem Tarifvertrag über die überbetriebliche Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe Nordwestdeutschland geltend gemacht worden seien, ändere daran nichts, da die Geltendmachung im Rahmen einer Ausschlussfrist bedeute, dass der Anspruch hinreichend bestimmt geltend gemacht werde und der Schuldner erkennen könne, um welche Forderung es sich handelt. Die Forderung müsse deshalb grundsätzlich dem Grund und der Höhe nach angegeben werden. Dem genüge die Klage auf der Grundlage der Tarifverträge des Betonsteingewerbes nicht. Randnummer 11 Dieses Urteil ist der Beklagten am 21. Februar 2006 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 16. März 2006 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Mai 2006 am 17. Mai 2006 bei Gericht eingegangen. Die Berufung ist zunächst unbeschränkt eingelegt worden und sodann mit Schriftsatz vom 13. Juni 2006 zurückgenommen worden, soweit es sich nicht um die Auskunftsersuchen für die Monate Oktober und November 2004 und die anteilige, für diese Monate ausgeurteilte Entschädigungssumme handelt. Randnummer 12 Die Beklagte ist der Ansicht, der fachliche Geltungsbereich des Baugewerbes werde, soweit er denn überhaupt eröffnet sei, in der Systematik der Tarifwerke durch die Tarifverträge der Beton- und Fertigteilindustrie als die spezielleren Regelungen verdrängt, was sich aus Folgendem ergäbe: Die Tarifverträge für die Beton- und Fertigteilindustrie in Nordwestdeutschland würden seit vielen Jahrzehnten mit den Tarifpartnern der Landesverbände der Beton- und Fertigteilindustrie sowie den Baugewerbeverbänden mit den Fachgruppen Betonfertigteile einerseits und der IG Bau andererseits ausgehandelt und in Abgrenzung zu den Tarifverträgen des Baugewerbes geschlossen. Die Tarifverträge hätten eine andere Struktur und Historie als die des Baugewerbes, da es sich um voneinander abgrenzbare Industrien handele. In den Verbänden der Beton- und Fertigteilindustrie hätten sich die Hersteller von Betonwaren und Betonsteinprodukten, Betonfertigteilen und Betonelementen organisiert, die als Zulieferer der Bauindustrie ihre Produkte dem Baugewerbe zur Verfügung stellten. Die Produktion dieser Erzeugnisse erfolge ausschließlich stationär und in fabrikationsmäßigen Verfahren. Als Abgrenzungsmerkmal zu den Bautarifverträgen sei daher die Formulierung unter der Beteiligung der Baugewerbeverbände und der Gewerkschaft IG Bau vereinbart worden, dass ein Unternehmen, welches Fertigsteile herstelle, jedenfalls dann den Betonfertigteiltarifen zuzuschlagen sei, wenn die Fertigteile stationär hergestellt und an nicht beteiligte Dritte veräußert würden. Die Herstellung von Betonfertigteilen solle dagegen nur dann den Bautarifverträgen unterfallen, wenn diese durch den Betrieb selbst bzw. ein gesellschaftsrechtlich verbundenes Unternehmen zusammengefügt oder eingebaut würden. Danach sei der Geltungsbereich der Tarifwerke der Beton- und Fertigteilindustrie für die Beklagte eröffnet, da die Beklagte die Garagen in ihrer Fertigungshalle nach den Bestellungen fremder und mit ihr nicht verbundener Baufirmen oder nach Bestellungen von Privatleuten herstelle. Eine Montage der Garagen durch Mitarbeiter der Beklagten erfolge nicht. Die Garage werde lediglich an dem von dem Besteller benannten Ort abgestellt. Die Beklagte ist der Ansicht, auf § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV könne als allgemeine Regel nicht zurückgegriffen werden, sofern Fertigbauarbeiten verrichtet würden und § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 13 VTV eingreife. Die Lieferung vor Ort stelle keine Montage dar und sei im Rahmen des gesamten Herstellungsprozesses von arbeitszeitlich untergeordneter Bedeutung. Fertigbauarbeiten lägen nicht vor, da nicht mindestens 2 Bauteile zusammengefügt würden. Im Übrigen sei der TVZN enger und spezieller. Die Beklagte allerdings auch die Ansicht, bei der Garage handele es sich um ein Fertigbauteil, da es sich um ein Betonteil handele, welches stationär in nicht herkömmlicher Bauweise geschaffen worden sei. Wie auch sonstige Betonfertigteile wie Kanaldeckel, Trafostationen, Fahrradgaragen, Betonmüllcontainer etc. sei damit der Geltungsbereich des TVZN eröffnet. Die Fertiggaragenhersteller seien bundesweit in der Betonindustrie organisiert. Jedenfalls dann, wenn ein Fertigteil nicht eingebaut werde, wie in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 13 VTV vorausgesetzt, könne auf die allgemeinen Merkmale des VTV nicht zurückgegriffen werden. Falls das Abstellen der Fertiggarage auf dem Grundstück als Einbau zu werten sei, stelle die Herstellung der Fertiggarage eine selbstständige Betriebsabteilung im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV dar, welche in ihrer Tätigkeit dem Rahmentarifvertrag der Beton- und Fertigteilindustrie Nordrhein-Westfalen unterfalle. Im Übrigen werde der Betrieb der Beklagten durch seine mittelbare Mitgliedschaft in der sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV gemäß Allgemeinverbindlicherklärung vom 21. Dezember 2005 nicht erfasst. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16.02.2006, 4 Ca 3611/04, teilweise abzuändern und die Auskunftsklage nebst bedingter Entschädigungszahlung für die Monate Oktober und November 2004 abzuweisen. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, der Geltungsbereich der Bautarifverträge sei eröffnet, da die Beklagte nicht Betonware, sondern ein fertiges Bauwerk nach stationärer Errichtung entsprechend der Kundenbestellung liefere. Es sei kein Fall der Tarifkonkurrenz zwischen VTV und TVZN gegeben. Der TVZN greife nicht ein, da die Beklagte kein Beton- und Fertigteilwerk unterhalte. Die Beklagte veräußere auch nicht an nicht beteiligte Dritte, sondern an den Besteller, für den sie produziert habe. Falls die Garage als Fertigbauteil anzusehen sei, läge auch ein Einbau im weiteren Sinn vor, da die Beklagte vor Ort auf der Baustelle tätig werde und erst vor Ort die zweckbestimmte Tätigkeit der Beklagten ende. Nur wenn das Betonfertigteil für den freien Markt auf Lager und nicht auf Bestellung produziert werde, läge der Geltungsbereich der Bautarifverträge nicht vor. Da die Beklagte das Gebäude bzw. Bauwerk fertige und auf dem Fundament abstelle, sei der betriebliche Geltungsbereich gem. § 1 Abs. 2 Abschnitt I und II VTV eröffnet, zumal auch bauliches Gerät, nämlich ein Kran, zum Einsatz komme. Die Garage sei „fertig“ im Sinne der Kundenbestellung, wenn sie an ihren bestimmungsgemäßen Ort transportiert und dort abgesetzt worden sei. Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08. Dezember 2006 Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Februar 2006 – 4 Ca 3611/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 5. Kammer
Schleswig-Holstein
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27.08.2015
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Randnummer 1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die von ihr über die regulär vereinbarte Teilzeitarbeit hinausgehenden Arbeitsstunden tarifliche Mehrarbeitszuschläge zu zahlen. Randnummer 2 Bei der Beklagten handelt es sich um ein deutschlandweit tätiges Cateringunternehmen. Die 62-jährige Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2009 als Verkäuferin in Teilzeit beschäftigt und erbringt ihre Arbeitsleistung im W. in F.. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum betrug ihr Stundenlohn 9,49 € brutto und die wöchentliche Arbeitszeit 22,5 Stunden bzw. 97,6 monatlich. Die Beklagte zahlt an die Klägerin einen gleichbleibenden Tarifmonatslohn in Höhe von 925,85 € brutto. Hierüber erhält die Klägerin jeweils am Monatsende eine Abrechnung. Am Ende des nächsten Monats erhält die Klägerin eine zweite Abrechnung für den Vormonat, in der neben dem festen Tarifmonatslohn auch die im Vormonat geleisteten Mehrarbeitsstunden abgerechnet werden. Diese zweite Abrechnung enthält vor der Monatsangabe den Buchstaben „R“. Gemäß § 9 des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten abgeschlossenen Haustarifverträge Anwendung (Bl. 5 ff. d. A.). Dazu gehört u. a. der Haus-Manteltarifvertrag vom 15.06.2013 (künftig: MTV, Bl. 19 ff. d. A.). Dieser enthält - soweit hier von Belang – folgende Regelungen: Randnummer 3 „ § 3 – Arbeitszeit, Pause und Ruhezeiten Randnummer 4 1. Arbeitszeit (bis 31.12.2014) Randnummer 5 Die durchschnittliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt bis zum 31.12.2014 wöchentlich 40 Stunden. Diese sind an 5 Tagen innerhalb der Woche von Montag (0:00 Uhr) bis Sonntag (24:00 Uhr) abzuleisten. Dabei sind folgende Ober- und Untergrenzen für Vollzeitkräfte zu berücksichtigen: Randnummer 6 1. Die tägliche Arbeitszeit darf 5 Stunden nicht unter- und 10 Stunden nicht überschreiten. Randnummer 7 2. die wöchentliche Arbeitszeit darf 28 Stunden nicht unter- und 48 Stunden nicht überschreiten. Randnummer 8 3. Die monatliche Arbeitszeit darf 139 Stunden nicht unter- und 200 Stunden nicht überschreiten. Randnummer 9 Für Teilzeitkräfte gelten die obigen Arbeitszeitgrenzen entsprechend des Verhältnisses der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur Vollzeitarbeit. Davon abweichende Ober- und Untergrenzen können gelten, sofern der/die Arbeitnehmer/in ausdrücklich sein/ihr Einverständnis erklären. Randnummer 10 … Randnummer 11 § 4 – Zuschlagspflichtige Tätigkeiten Randnummer 12 1. Mehrarbeit Randnummer 13 Mehrarbeit ist zu vermeiden. Randnummer 14 Die über die regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit, die nicht innerhalb des Quartals mit Freizeit ausgeglichen wurde, ist Mehrarbeit. Diese ist mit dem tariflichen Stundenlohn, zzgl. 25 % Zuschlag, zu vergüten. Randnummer 15 Mehrarbeit kann im Folgequartal in Freizeit oder in Geld abgegolten werden. Hierüber ist eine einvernehmliche Lösung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin in jedem Einzelfall herzustellen. Freizeit wird im Verhältnis 1:1 gewährt. Die anfallenden Mehrarbeitszuschläge von 25 % werden in Geld bezahlt. Randnummer 16 …“ Randnummer 17 In § 13 ist eine zweistufige Ausschlussfrist vereinbart. Danach müssen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Sofern diese erfolglos bleibt, ist der Anspruch innerhalb von weiteren 3 Monaten seit der schriftlichen Geltendmachung gerichtlich geltend zu machen. Randnummer 18 Bei der Beklagten werden die geleisteten Mehrarbeitsstunden einschließlich der etwaig anfallenden Mehrarbeitszuschläge stets am Ende des Folgemonats abgerechnet und ausgezahlt. Ein Arbeitszeitkonto wird für die Arbeitnehmer nicht geführt. Randnummer 19 Die Klägerin leistete von April bis September 2014 ausweislich der ihr erteilten sogenannten R-Abrechnungen folgende Überstunden (Bl. 13 ff. d. A.): Randnummer 20 April: 98,41 Stunden Mai: 64,41 Stunden Juni: 57,41 Stunden Juli: 86,41 Stunden August: 63,20 Stunden September 82,41 Stunden Randnummer 21 Die Beklagte vergütete diese Mehrarbeit mit dem vereinbarten Stundenlohn. Einen Überstundenzuschlag von 25 % zahlte die Beklagte jedenfalls für die Monate Mai, Juni und August 2014 nicht (Bl. 112 d. A.). Ausweislich der Septemberabrechnung zahlte die Beklagte an die Klägerin für 10,5 Mehrarbeitsstunden den 25 %igen Mehrarbeitszuschlag (Bl. 17 d. A.). Randnummer 22 Mit Schreiben vom 29.08.2014, der Beklagten zugegangen am 08.09.2014, beanspruchte die Klägerin gegenüber der Beklagten Zahlung des tariflichen Mehrarbeitszuschlages für die im April bis einschließlich Juni 2014 geleisteten Überstunden in Höhe von insgesamt 788,81 € brutto (Bl. 10 f. d. A). Die Beklagte war nur bereit, Mehrarbeitszuschläge für die über die reguläre Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehende Mehrarbeit zu zahlen. Randnummer 23 Am 12.11.2014 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben und Zahlung von tariflichen Mehrarbeitszuschlägen für die von ihm von April bis September 2014 unstreitig geleisteten Überstunden abzüglich der bereits mit der Septemberabrechnung gezahlten Zuschläge für 10,5 Überstunden in Höhe von 1.057,55 brutto beansprucht. Randnummer 24 Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie deren erstinstanzlicher Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Randnummer 25 Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.02.2015 stattgegeben. Die Klägerin habe Anspruch auf den 25 %igen Mehrarbeitszuschlag für die von ihr über die Regelarbeitszeit von 97,88 Stunden hinausgehenden Mehrarbeitsstunden. Die Behauptung der Beklagten, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur für die Mehrarbeit eines Vollzeitbeschäftigten Mehrarbeitszuschläge zu zahlen seien, sei unerheblich, da dieser vermeintliche Wille keinen Niederschlag in der tariflichen Regelung gefunden habe. § 4 Ziff. 1 MTV differenziere bei der Mehrarbeit, für die ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen ist, nicht zwischen Teilzeit- und Vollzeitarbeit. Soweit dort auf die regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit Bezug genommen werde, könne dies sowohl eine Vollzeittätigkeit als auch eine Teilzeittätigkeit beinhalten. In § 3 MTV sei die Arbeitszeit sowohl von Vollzeit- als auch von Teilzeitbeschäftigten geregelt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe sich aus § 5 Ziff. 3 MTV nicht die von ihr vertretene Auffassung. Die dort enthaltene Berechnung des Stundenverdienstes gelte ersichtlich nur für Vollzeitkräfte und sei für die Klägerin ohne Belang. Auch den übrigen Regelungen des MTV lasse sich nicht entnehmen, dass der Mehrarbeitszuschlag nur dann gezahlt werde, wenn die reguläre Arbeitszeit von Vollzeitkräften überschritten werde. Bei der Auslegung von Tarifverträgen sei zudem zu unterstellen, dass die Tarifvertragsparteien Teilzeitkräfte entsprechend § 4 TzBfG nicht dadurch schlechter stellen wollten, dass sie den Mehrarbeitszuschlag nicht bekommen sollten. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert dargelegt, dass die Klägerin für die Monate April, Juli und September 2014 Mehrarbeitszuschläge gezahlt habe. Der Klaganspruch sei auch für den Monat April 2014 nicht gemäß § 13 MTV verfallen. Denn die Parteien hätten, ohne dies ausdrücklich so zu bezeichnen, in § 3 MTV ein Stundenkonto vereinbart, das jeweils nach einem Quartal auszugleichen sei. Gemäß § 4 Ziff. 1 Unterabs. 2 MTV sei daher die Mehrarbeit erst im Folgequartal durch Freizeit oder Geld abzugelten. Die im April 2014 geleistete Mehrarbeit sei daher erst ab dem 01.07.2014 abzugelten gewesen, da sie nicht bis zum Ende des Quartals am 30.06.2014 durch Freizeit ausgeglichen worden sei. Randnummer 26 Gegen das ihr am 05.03.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.03.2015 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 05.05.2015 begründet. Randnummer 27 Die Beklagte trägt vor, Randnummer 28 bei der Tarifauslegung sei das Arbeitsgericht zu Unrecht von der individuell geschuldeten Arbeitszeit ausgegangen. Nach dem Wortlaut des § 3 Ziff. 1 MTV werde eine „durchschnittliche Arbeitszeit“ mit wöchentlich 40 Stunden definiert. Mehrarbeit trete nach § 4 Ziff. 1 MTV ein, wenn die „regelmäßige quartalsmäßige Arbeitszeit“ überschritten sei. Der Wortlaut beziehe sich mithin auf die tarifliche und gerade nicht auf die individuelle Arbeitszeit. Zwar unterscheide § 4 Ziff. 1 MTV nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit, dies sei aber auch nicht erforderlich. Denn der MTV enthalte eine Definition der Arbeitszeit, eine darüber hinausgehende Relevanz der individuellen Arbeitszeit sei von den Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigt gewesen. Obgleich der MTV sehr wohl die individuell vereinbarte Teilzeitarbeit kenne, wie z. B. in § 3 Ziff. 3 Abs. 3 MTV, stelle § 4 Ziff. 1 MTV allein auf die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit und nicht auf die individuelle vereinbarte Arbeitszeit ab. Aufgrund der Verkennung der Arbeitszeitdefinition habe das Arbeitsgericht die Überarbeit der Klägerin mit Mehrarbeit bzw. Überstunden verwechselt. Eine über die individuelle Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung stelle zwar Überarbeit, aber grundsätzlich keine tarifvertragliche Mehrarbeit dar, solange sie sich im Zeitrahmen der Tätigkeit einer Vollzeitkraft bewege. Es liege auch keine Benachteiligung einer Teilzeitbeschäftigten vor, da auch ein Vollzeitbeschäftigter keinen Zuschlag für z. B. die 35. Wochenarbeitsstunde erhalte. Das Diskriminierungsverbot zwinge nicht, Arbeitsleistungen, die ein Teilzeitbeschäftigter über die mit ihm individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus leiste, ebenso zu vergüten, wie Arbeitsleistungen eines Vollzeitbeschäftigten über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus. Ohne besondere Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Leistungszweck der Überstundenzuschläge in der Verteuerung für die individuelle Arbeitszeit liegen solle. Auch solle der Überstundenzuschlag gerade kein Ausgleich für die erlittene Einschränkung der Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Freizeitplanung sein. Auch die systematische Auslegung stütze das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung nicht. Obgleich an mehreren Stellen des MTV spezielle In-Verhältnis-Regelungen für Teilzeitkräfte vorhanden seien (Mindest- und Höchstgrenzen der Arbeitszeit, Urlaubsgeld, Jahressonderzahlung), fehlte eine entsprechende Regelung in § 4 Ziff. 1 MTV. Wenn die Tarifvertragsparteien aber im MTV an sechs Stellen ausdrücklich anteilige Leistungen für Teilzeitmitarbeiter vereinbart hätten, könne nicht unterstellt werden, dass diese hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge schlechterdings vergessen worden seien. Schließlich richte sich auch der gesetzliche Begriff der Mehrarbeit – sowohl historisch als auch gegenwartsbezogen betrachtet – nach der Vollzeitarbeit. In der hier verstandenen Weise sei der MTV von der Beklagten auch jahrelang angewandt worden. Erst im Rahmen der Tarifverhandlungen im Dezember 2011 habe die NGG gefordert, dass zukünftig durch eine neue Formulierung Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeit schon ab Überschreitung der vereinbarten Arbeitszeit und nicht erst bei Überschreitung der Vollzeitarbeit gezahlt werden sollten. Eine entsprechende Regelung sei indessen nicht eingeführt worden. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Einwand der Erfüllung nicht berücksichtigt. Sie, die Beklagte, habe an die Klägerin im April 2014 für 22,5 Stunden Überstundenzuschläge, im Juli für 10,5, im September unstreitig für 6,5 und im Oktober für 13,5 Stunden gezahlt. Die Beklagte hält den Einwand, dass die Ansprüche zumindest teilweise verfallen seien, aufrecht. Randnummer 29 Die Beklagte beantragt, Randnummer 30 das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11.02.2015 abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 31 Die Klägerin beantragt, Randnummer 32 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 33 Die Klägerin verteidigt Randnummer 34 das angefochtene Urteil. Die Klägerin bestreitet weiterhin, dass die Beklagte an sie für irgendwelche im April und Juli 2014 geleisteten Überstunden tarifliche Mehrarbeitszuschläge gezahlt habe. Die Mehrarbeitszuschläge für 10,5 Stunden für September 2014 habe sie bereits im Zahlungsantrag anspruchsmindernd berücksichtigt. Bereits 1997 habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Teilzeitbeschäftigter allein deshalb einen Mehrarbeitszuschlag erhalte, weil er über das hinaus gearbeitet habe, wozu er einzelvertraglich verpflichtet gewesen sei. Randnummer 35 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 27.08.2015 verwiesen.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 11.02.2015 - AZ.: 3 Ca 1989 a/14 – teilweise abgeändert und a) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 24,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen; b) im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin. 3. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Finanzgericht 6. Senat
Hessen
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14.04.2010
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Besteuerung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Veräußerung von Sicherungsgut. Die Klägerin ist ein Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG. Zur Sicherung ihrer gegen die F-KG, ein Unternehmen im Bereich der Automobilzulieferindustrie) bestehenden Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung trat die F-KG mit Globalzessionsvertrag vom 04. / 12.07.2000 ihre sämtlichen bestehenden gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen an die Klägerin ab. Ferner übereignete die F-KG der Klägerin mit Raumsicherungsübereignungsvertrag vom 04.07.2000 / 10.02.2001 ihr gesamtes Anlagevermögen. Mit einem weiteren Raumsicherungsübereignungsvertrag vom 04.07.2000 übereignete sie der Klägerin darüber hinaus zur Sicherheit die gesamten Bestände an Roh-, Halbfertig- und Fertigteilen, Betriebsstoffen, Kleinteilen, Verpackungsmaterial sowie sonstige Waren (somit das gesamte Warenlager), sofern sich diese in bestimmten Räumlichkeiten der F-KG befanden bzw. künftig in diese eingebracht wurden. Gemäß Abschnitt 5 dieses Vertrages war die F-KG bis auf Widerruf berechtigt, das Sicherungsgut im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes im eigenen Namen an Dritte zu veräußern. Eine entsprechende, bis auf Widerruf bestehende Befugnis zur Verarbeitung ergab sich aus Abschnitt 6 des Vertrages. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Veräußerungs- und Verarbeitungsbefugnisse waren in Abschnitt 13 des Vertrages geregelt. Dieser lautete: „Die Bank ist zur Wahrung ihrer berechtigten Belange befugt, die dem Sicherungsgeber erteilten Ermächtigungen, insbesondere zum Verkauf des Sicherungsgutes, zu widerrufen und die Herausgabe des Sicherungsgutes zu verlangen, wenn der Sicherungsgeber gegen die Pflicht zur sorgfältigen Behandlung des Sicherungsgutes erheblich verstößt oder über das Sicherungsgut Verfügungen trifft, die nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes liegen. Dies gilt auch, wenn der Sicherungsgeber seine Zahlungen eingestellt oder die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hat. Die Bank darf die Herausgabe des Sicherungsgutes ferner verlangen, wenn und soweit sie gemäß Nr. 14 wegen Zahlungsverzugs des Kreditnehmers zur Verwertung des Sicherungsgutes befugt ist“. Randnummer 2 Nach Abschnitt 14 des Vertrages war die Klägerin berechtigt, das Sicherungsgut zu verwerten, wenn die F-KG mit fälligen Zahlungen in Verzug kommt, wobei vereinbart war, dass die Klägerin das Sicherungsgut nur in dem Umfang verwertet, wie dies zur Erfüllung ihrer rückständigen Forderungen erforderlich ist. Die Klägerin hatte die Verwertung mit einer Frist von mindestens einer Woche anzudrohen. In der Androhung war der Betrag zu bezeichnen, dessentwegen die Verwertung erfolgen sollte. Die durch die Verwertung erlangten Erlöse hatte die F-KG unverzüglich an die Klägerin herauszugeben, sofern die Verwertung nach Weisung der Klägerin durch die F-KG selbst erfolgte. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die entsprechenden Vertragskopien (Bl. 15 bis 32 der Klageakte) Bezug genommen. Randnummer 3 Im Jahre 2003 stellte die F-KG einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, woraufhin das Amtsgericht ... mit Beschluss vom 02.06.2003 den Beigeladenen als vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte. Das Insolvenzgericht ordnete an, dass Verfügungen der F-KG nur noch mit Zustimmung des Beigeladenen wirksam waren und stellte im Beschluss klar, dass der Beigeladene nicht allgemeiner Vertreter der F-KG sei, sondern die Aufgabe habe, durch Überwachung der Schuldnerin deren Vermögen zu sichern und zu erhalten. Der Beigeladene wurde zudem ermächtigt, Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und eingehende Gelder entgegenzunehmen. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 05.06.2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 35 bis 37 der Klageakte), kündigte die Klägerin ihre Geschäftsbeziehung zur F-KG und stellte ihre Gesamtforderungen in Höhe von zu diesem Zeitpunkt ... Euro gegenüber der F-KG fällig und forderte diese auf, den Betrag bis zum 25.06.2003 zu begleichen. Sie berief sich dabei auf eine aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 02.06.2003 erkennbare Verschlechterung der Vermögenslage der F-KG. Zugleich widerrief sie die im Globalzessionsvertrag erteilte Einzugsermächtigung und forderte die F-KG auf, eingehende Zahlungen auf ein bei der Klägerin eingerichtetes Sicherungserlöskonto zu leiten. Hinsichtlich des mit Vertrag vom 04.07.2000 sicherungsübereigneten Warenlagers teilte die Klägerin der F-KG Folgendes mit: „Nach Ablauf der Ihnen zur Rückzahlung gesetzten Fristen behalten wir uns vor, unser Sicherungseigentum gemäß Sicherungsübereignungsvertrag zur Rückführung unserer Forderungen zu verwerten, insbesondere die Herausgabe der sicherungsübereigneten Gegenstände an uns zu verlangen. Hiermit widerrufen wir mit sofortiger Wirkung die (…) erteilte Veräußerungs- und Verarbeitungsbefugnis über die uns sicherungsübereigneten Waren. Wir fordern Sie auf, uns unverzüglich den Warenbestand zum Stichtag der Kreditkündigung sowie den Standort des Sicherungsgutes aufzugeben. Weitere Schritte der Inbesitznahme behalten wir uns vor“. Randnummer 5 Zugleich widerrief sie die Befugnis der F-KG zur Nutzung des mit Vertrag vom 04.07.2000 / 10.02.2001 sicherungsübereigneten Anlagevermögens und behielt sich ebenfalls entsprechende Verwertungsmaßnahmen vor. Randnummer 6 Auf der Grundlage der von der F-KG für Juni und Juli 2003 erstellten und der Klägerin vorgelegten „Umsatzlisten“ errechnete die Klägerin, dass die F-KG im Zeitraum von der Kündigung der Geschäftsbeziehung bis zur Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht zu einem Nettoentgelt von insgesamt ... Euro Gegenstände an Dritte übereignet hatte, die an die Klägerin sicherungsübereignet waren. Auf diese Umsätze entfiel eine Umsatzsteuer von ... Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Umsatzlisten Bezug genommen (Bl. 39 bis 42 der Klageakte). Randnummer 7 Beginnend mit seiner Bestellung als vorläufiger Insolvenzverwalter zog der Beigeladene Alt- und Neuforderungen der F-KG auf ein von ihm eingerichtetes Treuhandkonto ein, das am 07.07.2003 ein Guthaben von ... Euro auswies. Am selben Tag nahm die F-KG ihren Eigeninsolvenzantrag zurück, woraufhin das Amtsgericht ... die im Beschluss vom 02.06.2003 ausgesprochenen Maßnahmen am 08.07.2003 aufhob. Mit Schreiben vom 07.07.2003 forderte die Klägerin den Beigeladenen auf, die „eingegangenen Gelder“ auszukehren. In diesem Schreiben teilte die Klägerin dem Beigeladenen zudem mit, dass sie keine Veranlassung sehe, das Veräußerungs- und Verarbeitungsverbot hinsichtlich der sicherungsübereigneten Waren und das Nutzungsverbot bezüglich des Anlagevermögens zurückzunehmen, da weiterhin von einer verschlechterten Vermögenslage ausgegangen werde. Mit Schreiben vom 18.07.2003 erinnerte die Klägerin den Beigeladenen an die Auskehrung der „vereinnahmten, uns über Zession zustehenden Gelder“. Der Beigeladene leitete das auf dem Treuhandkonto ausgewiesene Guthaben mit Zustimmung der F-KG am 31.07.2003 an die Klägerin weiter. Wegen weiterer, an die Klägerin geleisteter Zahlungen von Drittschuldnern, der zur Sicherheit an sie abgetretenen Forderungen verfügte die Klägerin im Juli 2003 über einen Geldbetrag, der ihre gegen die F-KG bestehenden Zahlungsansprüche überstieg. Randnummer 8 Infolge eines später erneut gestellten Gläubigerantrags eröffnete das Amtsgericht ... mit Beschluss vom 12.09.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F-KG und bestellte den Beigeladenen als Insolvenzverwalter. Den an die Klägerin ausgezahlten und deren Forderungen übersteigenden Betrag zahlte die Klägerin an den Beigeladenen aus, behielt jedoch einen Betrag von ... Euro mit der Begründung ein, sie schulde in dieser Höhe gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer für das von der F-KG an sie gelieferte Sicherungsgut. Randnummer 9 Am 09.02.2004 legte die Klägerin beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ‚FA’) Einspruch gegen ihre für Dezember 2003 abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldung ein. In ihrer sodann am 23.03.2005 beim FA eingereichten Jahresumsatzsteuererklärung für 2003 berücksichtigte sie hinsichtlich der Veräußerung von Sicherungsgut der F-KG die folgenden Umsätze: Umsatz Umsatzentgelt Steuerbetrag (1.) Lieferung von Sicherungsgut durch die Klägerin an Dritte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ... Euro ... Euro (2. a.) Lieferung von Sicherungsgut durch die F-KG an die Klägerin (Steuerschuld der Klägerin gem. § 13b Abs. 2 UStG) ... Euro ... Euro (2. b.) Vorsteuern aus der Lieferung von Sicherungsgut durch die F-KG (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) ./. ... Euro Randnummer 10 Nach Zustimmung durch das FA am 04.04.2005 stand die Umsatzsteuererklärung für 2003 der Festsetzung einer Umsatzsteuer von ... Euro unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Diese Festsetzung wurde nach §§ 124 Abs. 2, 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des anhängigen Einspruchsverfahrens. Am 28.11.2005 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2003 ein. Dieser folgend setzte das FA die Umsatzsteuer für 2003 mit Bescheid vom 15.12.2005 auf ... Euro herab. Randnummer 11 Durch Urteil vom 29.09.2006 (Aktenzeichen 2 K 280/05) verurteilte das Landgericht die Klägerin auf die Klage des Beigeladenen hin zur Zahlung des einbehaltenen Betrages von ... Euro. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die von der Klägerin beim FA angemeldete Umsatzsteuerschuld nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 UStG nicht bestehe, da die F-KG an die Klägerin keine steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen erbracht habe. Mangels einer entsprechenden zivilrechtlichen Vereinbarung habe die Klägerin die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das veräußerte Sicherungsgut nicht erlangt. Im Gegenteil habe die Klägerin der Verwertung des Sicherungsgutes mehrfach widersprochen und sich eine eigene Verwertung vorbehalten. Es könne daher keine Rede davon sein, dass der Beigeladene bzw. die F-KG im Auftrag der Klägerin tätig geworden sei. Das Urteil des Landgerichts ist in der Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht, Jahrgang 2007, Heft 8, Seite 447 f. veröffentlicht worden. Über die gegen das Urteil seitens der Klägerin beim Oberlandesgericht eingelegte Berufung ist noch nicht entschieden. In einem „Hinweisbeschluss“ vom 23.03.2007 schloss sich das Oberlandesgericht jedoch der Rechtsauffassung des Landgerichts an. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 03.04.2007 beantragte die Klägerin im Rahmen des beim FA anhängigen Einspruchsverfahrens, die hinsichtlich der Verwertung des Sicherungsgutes der F-KG angesetzten Steuerbeträge – abweichend von den für 2003 eingereichten Steuererklärungen – nicht mehr zu Grunde zu legen. Das FA wies den Einspruch der Klägerin mit Teileinspruchsentscheidung i.S.d. § 367 Abs. 2a AO vom 24.04.2007 als unbegründet zurück, soweit sich dieser gegen die Erfassung der Umsätze aus der Verwertung von Sicherungsgut der F-KG richtete. Zur Begründung führte das FA an, für die Annahme einer vereinbarungsgemäßen Verwertung von Sicherheiten (und damit für einen Ansatz der von der Klägerin erklärten Umsätze) genüge es, wenn der Sicherungsnehmer aus dem Verwertungserlös Befriedigung erlange. Dass die Klägerin der Veräußerung bzw. Verwertung des Sicherungsgutes widersprochen habe, sei unbeachtlich, da sie damit in erster Linie den Zweck verfolgt habe, die Verwertung einzuleiten. Im Gesamtkontext sei die Verwertung jedenfalls einvernehmlich erfolgt. Randnummer 13 Mit ihrer am 23.05.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie vertritt die Auffassung, eine Lieferung des Sicherungsgutes durch sie selbst nebst einer korrespondierenden Lieferung des Sicherungsgutes durch die F-KG an die Klägerin scheide bereits deshalb aus, weil sie – die Klägerin – zu keinem Zeitpunkt die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das an Dritte veräußerte Sicherungsgut erlangt habe. Die Zahlungen des Beigeladenen stellten allenfalls Ersatzleistungen für den Verlust des Eigentums an den veräußerten Gegenständen dar. Dessen ungeachtet habe sie lediglich Zahlungen aus Anlass der Einziehung von an sie abgetretenen Forderungen, nicht jedoch aufgrund der von der F-KG durch Veräußerung des Sicherungsgutes getätigten Ausgangsumsätze erhalten. Von einer vereinbarungsgemäßen Verwertung des Sicherungsgutes könne daher keine Rede sein. Auch könnten der Klägerin allenfalls Umsätze in Höhe ihrer tatsächlich gegen die F-KG bestehenden Zahlungsansprüche (d.h. in Höhe von seinerzeit ... Euro) zugerechnet werden. Die Rechtsauffassung des Beklagten sei ferner durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.07.2009 (V R 27/07, DStR 2009, 2193) überholt. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer für 2003 um ... Euro herabzusetzen. Randnummer 15 Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Das FA hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest. Die sicherungsübereigneten Gegenstände seien im vorliegenden Fall vereinbarungsgemäß verwertet worden, da die Klägerin und die F-KG bzw. der Beigeladene die Rechtsfolgen der Sicherungsabrede auch ungeachtet des Widerrufs der Veräußerungsbefugnis hätten eintreten lassen. Eine andere Sichtweise würde dazu führen, dass die Vorschriften des § 13b Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2 UStG leerliefen. Randnummer 17 Am 20.12.2007 hat die Klägerin eine weitere berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2003 eingereicht, in der sie die Umsatzsteuer wie zuvor mit ... Euro berechnet hat. Die Umsätze hinsichtlich der Verwertung von Sicherungsgut der F-KG sind weiterhin enthalten. Das FA hat der Erklärung zugestimmt. Randnummer 18 Auf den Antrag des Insolvenzverwalters über das Vermögen der F-KG hat das Gericht diesen mit Beschluss vom 11.03.2009 nach Anhörung der übrigen Beteiligten zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene unterstützt den Rechtsstandpunkt der Klägerin. Eine Lieferung des Sicherungsgutes an die Klägerin könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil die veräußerten Gegenstände bevorzugt dem gesetzlichen Pfandrecht des Vermieters der Betriebsräume unterlegen hätten. Die Beigeladene habe – wie die Klägerin zutreffend ausführt – gegenüber dieser auch ausschließlich über Erlöse aus abgetretenen Forderungen abgerechnet. Wegen des vorrangigen Vermieterpfandrechts habe eine Abrechnung über die Veräußerung des beweglichen Sicherungsgutes nie zur Diskussion gestanden. Die entsprechenden Ausgangsumsätze seien insgesamt nicht im Rahmen einer Verwertung von Sicherheiten, sondern im Rahmen der Fortführung des Geschäftsbetriebs erzielt worden. Im Übrigen sei die Umsatzsteuerzahllast von ... Euro von der Klägerin falsch berechnet worden. Der Klägerin hätten allenfalls Warenlagerentnahmen mit einem Debitorenvolumen von ... Euro zustehen können. Randnummer 19 Mit Bescheid vom 11.02.2010 hat das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 erneut geändert und die Umsatzsteuer nunmehr mit ... Euro festgesetzt, wobei die von der Klägerin erklärten Umsätze bezüglich der Verwertung von Sicherungsgut der F-KG auch weiterhin zu Grunde gelegt werden. Randnummer 20 Auf die vorgelegten Steuerakten (1 Band Umsatzsteuerakten 2003, 2 Bände Rechtsbehelfe zur Umsatzsteuer 2003) sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 19.10.2009 (Klägerin), 07.10.2009 (FA) und 11.01.2010 (Beigeladener) mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Ihnen wurde Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben.
1. Die Umsatzsteuer für 2003 wird unter Aufhebung der Teileinspruchsentscheidung vom 24.04.2007 und Abänderung des Umsatzsteuerbescheides vom zuletzt 11.02.2010 um … Euro auf … Euro herabgesetzt. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
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ArbG Hamburg 4. Kammer
Hamburg
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11.03.2021
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer arbeitgeberseitiger Kündigungen ihres Arbeitsverhältnisses, allgemein über dessen Fortbestand, über einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag, über die Weiterbeschäftigung des Klägers, über Entgeltansprüche einschließlich eines im Wege der Stufenklage geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung einer Tantieme und über die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Randnummer 2 Die Beklagte ist ein Großhandelsunternehmen für XXXX. Sie beschäftigt etwa 830 Arbeitnehmer, davon an ihrem Sitz in Hamburg etwa 320. Randnummer 3 Der am 18.08.19XX geborene Kläger ist gegenüber zwei in Ausbildung befindlichen Kindern unterhaltspflichtig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Er begann seine Tätigkeit als Personalleiter der Beklagten am 01.05.2019 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 12.04.2019 (Bestandteil des Anlagenkonvoluts K 1, Bl. 20 f. d. A.) und der „Sondervereinbarung Geschäftsleitung“ vom selben Tag (Bl. 22 f. d. A.), die unter anderem Folgendes regelt: Randnummer 4 „Herr R. B. ist Mitglied der Geschäftsleitung der Gesellschaft. Unter Berücksichtigung seiner besonderen Branchenkenntnisse wird folgendes vereinbart: Randnummer 5 … Randnummer 6 4. Tantieme Randnummer 7 Der Geschäftsführer hat Anspruch auf Zahlung einer Tantieme. Die Tantieme wird nach der folgenden Staffel auf den „Handelsgewinn“ der Gesellschaft vergütet. Randnummer 8 über 1,5 % = 0,25 % Randnummer 9 über 1,6 % = 0,30 % Randnummer 10 über 1,7 % = 0,35 % Randnummer 11 über 1,8 % = 0,40 % Randnummer 12 über 1,9 % = 0,45 % Randnummer 13 über 2,0 % = 0,50 % Randnummer 14 über 2,2 % = 0,55 % Randnummer 15 über 2,4 % = 0,60 % Randnummer 16 über 2,6 % = 0,65 % Randnummer 17 über 2,8 % = 0,70 % Randnummer 18 über 3,0 % = 0,75 % Randnummer 19 über 3,2 % = 0,80 % Randnummer 20 über 3,4 % = 0,85 % Randnummer 21 über 3,6 % = 0,90 % Randnummer 22 über 3,8 % = 0,95 % Randnummer 23 über 4,0 % = 1,00 % Randnummer 24 Die Bemessungsgrundlage „Handelsgewinn“ errechnet sich nach dem Betriebsergebnis laut Prüfungsbericht des Abschlussprüfers zuzüglich Gewinnanteil HBG, Tantiemen, gewährte Skonti und Firmenwert-AFA abzüglich Skonti-, Delkredere- und Zentralregulierungserträgen. Die Tantieme selbst mindert nicht die Bemessungsgrundlage. Randnummer 25 … Randnummer 26 Die Tantieme wird nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zur Zahlung fällig. Soweit der Mitarbeiter innerhalb eines Geschäftsjahres nur zeitweilig für die Gesellschaft tätig ist, wird die Tantieme nur zeitanteilig gezahlt. …“ Randnummer 27 Der Bruttomonatsverdienst des Klägers betrug zuletzt 12.000,00 €. Der geldwerte Vorteil des ihm auch für Privatfahrten zur Verfügung gestellten Dienstwagens beläuft sich auf 643,67 € monatlich. In Bezug auf die dem Kläger nach der Sondervereinbarung Geschäftsleitung zustehende Tantieme teilte der Geschäftsführer der Beklagten P. J. dem Kläger im Vorfeld des Vertragsschlusses mit, er könne durchaus mit einer Tantieme zwischen 80.000,00 und 100.000,00 € brutto jährlich rechnen. Der Jahresabschluss für das Jahr 2019 ist festgestellt. Randnummer 28 Der Begriff „Geschäftsleitung“, den der Kläger auch in seiner E-Mail-Signatur neben dem Begriff „Personalabteilung“ verwendete, umfasst eine Personengruppe, der neben den fünf Geschäftsführern einige Führungskräfte (Vertriebsleiter, Facility Manager und Personalleiter) angehören und die inhaltlich verschiedene Themen besprechen. In der Regel werden die wesentlichen Entscheidungen auf der Ebene der Geschäftsführung der Beklagten getroffen. Der Kläger war nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt. Randnummer 29 Er war in seiner Funktion als Personalleiter sehr erfolgreich. Seit Ende November 2019 war klar, dass es bei der Beklagten neue Geschäftsführer geben und der Kläger einer davon werden sollte. Im Juni 2020 sah die Planung vor, dass der Kläger als zukünftiger Geschäftsführer für die Geschäftsbereiche Personal, IT und Project Management Office verantwortlich werden sollte, für den zuletzt genannten Geschäftsbereich ab August 2020 und in Bezug auf die beiden anderen Geschäftsbereiche ab Januar 2021. Eine entsprechende Verlautbarung sollte den Führungskräften und Mitarbeitern des Unternehmens am Ende des Monats August 2020 mitgeteilt werden. In der Zwischenzeit sollten die Verträge für die neuen Geschäftsführer erstellt und verhandelt werden. Randnummer 30 Die Planungen wurden im Zuge der Corona-Krise vorübergehend auf Eis gelegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger bereits ein sehr lukratives Wechselangebot von einem Mitbewerber der Beklagten wegen der ihm zugesagten Anstellung als Geschäftsführer ausgeschlagen. Randnummer 31 In dem Protokoll der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 03.06.2020 (Anlage B 1, Bl. 196 d. A.) heißt es: Randnummer 32 „Die Geschäftsführung hat am 03.06.2020 beschlossen, das Personalwesen in der P. J. GmbH neu zu organisieren. Die Position des angestellten Personalleiters (derzeit R. B.) wird ersatzlos gestrichen und wird wie auch zu vor, von Herrn P. J. verantwortlich geleitet.“ Randnummer 33 Am 22.06.2020 teilte P. J. dem Kläger mit, man nehme von der Planung, ihn zum Geschäftsführer zu bestellen, Abstand; man wolle sich von ihm trennen. Am 23.06.2020 wurde der Kläger widerruflich von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt. Auf eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigten sich die Parteien nicht. Randnummer 34 Mit Schreiben vom 26.06.2020 (Anlage B 2, Bl. 197 f. d. A.) beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Ferner hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat und die bei ihr bestehende Schwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten Kündigung an. Mit Bescheid vom 27.08.2020 (Anlage B 3, Bl. 199 bis 203 d. A.) erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Der Betriebsrat erklärte sich für nicht zuständig und gab in der Sache keine Erklärung ab. Die Schwerbehindertenvertretung gab keine Stellungnahme ab. Randnummer 35 Am 31.08.2020 versuchte die Beklagte, dem Kläger das Kündigungsschreiben vom 31.08.2020 (Anlage K 6, Bl. 38 d. A.) mit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2021 unter seiner Anschrift XXXX XXXX 108, 20XXX Hamburg zuzustellen. Das misslang, weil der Name des Klägers an der Klingelanlage nicht angebracht war. Bei einem weiteren Zustellversuch brachte die Beklagte das Kündigungsschreiben an der Eingangstür zum Mehrfamilienhaus an. Bei einem vorsorglichen nochmaligen Zustellungsversuch am 09.09.2020 war der Name des Klägers an der Klingelanlage angebracht. Die Beklagte warf das Kündigungsschreiben daher an diesem Tag in den Hausbriefkasten des Klägers. Randnummer 36 Mit E-Mail vom gleichen Tag (Anlage K 9, Bl. 42 bis 49 d. A.) hörte die Beklagte den Kläger zu dem dringenden Verdacht an, dass der Kläger durch das Verdecken seines Namens und das Anbringen eines anderen Namens auf der Klingelanlage die Zustellung der Kündigung noch im August 2020 vorsätzlich zu vereiteln versucht habe. Mit Schreiben vom 13.09.2020 (Anlage B 7, Bl. 207 d. A.) und mit einer inhaltsgleichen E-Mail vom 14.09.2020 (Anlage K 10, Bl. 50 d. A.) erklärte der Kläger unter anderem, er sei seit dem 29.08.2020 bis zum 01.09.2020 nicht in Hamburg gewesen; wenn es tatsächlich dazu gekommen sein sollte, dass am 31.08.2020 die Namensschilder an der Klingelanlage und / oder am Briefkasten und / oder an der Wohnungstür entfernt bzw. in sonstiger Weise unkenntlich gemacht wurden, sei dies weder mit seinem Wissen noch mit seiner Zustimmung geschehen; gleiches gelte für seine Lebenspartnerin. Randnummer 37 Mit seiner am 15.09.2020 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und der Beklagten am 28.09.2020 zugestellten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 31.08.2020, allgemein den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, seine Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, im Wege der Stufenklage seinen Tantiemeanspruch für das Jahr 2019 und jeweils hilfsweise die Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses sowie die Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die ordentliche Kündigung erst mit Wirkung zum 31.05.2021 geltend. Randnummer 38 Am 16.09.2020 teilte die Mitarbeiterin der Beklagten C. K. dem Kläger mit, sie habe am 31.08.2021 nach 12:00 Uhr versucht, dem Kläger die Kündigung vom 31.08.2020 persönlich unter seiner Wohnanschrift zuzustellen. Randnummer 39 Mit Schreiben vom 14.09.2020 (Anlage B 8, Bl. 208 bis 213 d. A.) beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zu der beabsichtigten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Mit Schreiben vom 16.09.2020 (Anlage B 9, Bl. 214 bis 220 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den beabsichtigten Kündigungen an. Mit weiterem undatiertem Schreiben (Anlage B 9, Bl. 221 bis 227 d. A.) hörte die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung zu den beabsichtigten Kündigungen an. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung gaben mit Verweis auf die Position des Klägers als leitendem Angestellten keine inhaltliche Stellungnahme ab. Mit Bescheid vom 23.09.2020 (Anlage K 13, Bl. 100 bis 104 d. A., und Anlage B 10, Bl. 228 bis 232 d. A.) erteilte das Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und mit Bescheid vom 28.09.2020 (Bl. 233 bis 237 d. A.) die Zustimmung zur hilfsweisen ordentlichen fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Zustimmungsbescheid zur außerordentlichen Kündigung ging den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 26.09.2020 zu. Mit Schreiben vom 29.09.2020 (Anlage K 14, Bl. 105 d. A.), das dem Kläger am selben Tag um etwa 09:20 Uhr in den Briefkasten gelegt wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 30.09.2020 (Anlage K 15, Bl. 106 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien hilfsweise ordentlich zum 31.05.2021. Post erreicht den Kläger normalerweise zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr morgens. Am 30.09.2020 war die ordentliche Kündigung jedenfalls bis etwa 13:30 Uhr noch nicht im Hausbriefkasten des Klägers. Randnummer 40 Mit seiner Klageerweiterung vom 08.10.2020 (Bl. 60 f. d. A.) macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 29.09.2020 und der hilfsweisen ordentlichen Kündigung vom 30.09.2020 geltend sowie hilfsweise die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 30.09.2020 erst zum 30.06.2021 aufgelöst wird. Randnummer 41 Am 05.10.2020 gab der Kläger seinen Dienstwagen an die Beklagte zurück. Dabei unterhielt er sich mit der Mitarbeiterin der Beklagten C. K.. Diese teilte ihm mit, die Beklagte habe am 01.09.2020 eine neue Personalreferentin eingestellt. Randnummer 42 Mit seiner Klageerweiterung vom 11.11.2020 (Bl. 113 d. A.) macht der Kläger Annahmeverzugslohn für den Monat Oktober 2020 geltend. Mit seiner Klageerweiterung vom 27.11.2020 (Bl. 121 f. d. A.) macht der Kläger hilfsweise einen Wiedereinstellungsanspruch geltend. Mit seiner Klageerweiterung vom 10.12.2020 (Bl. 137 d. A.) macht der Kläger Annahmeverzugslohn abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds für die Monate Oktober 2020 bis Februar 2021 geltend. Randnummer 43 In dem Schriftsatz vom 27.11.2020 trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, dessen Lebenspartnerin habe ihn am 19.11.2020 angerufen und mitgeteilt, sie habe am 31.08.2020 die Namensschilder an der Eingangstür des Hauses XXXX XXXX 108 umgedreht. Der Kläger wisse hiervon nichts. Sie habe sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden. Insbesondere sei kurz vor diesem Vorfall ihre langjährige „Zweitmutter“ verstorben. Dann sei es zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung gekommen. Das sei zu viel für sie gewesen. Auf entsprechende Bitte des Prozessbevollmächtigten fertigte die Lebenspartnerin des Klägers eine eidesstattliche Versicherung vom 25.11.2020 (Anlage K 17, Bl. 129 bis 131 d. A.) zu diesem Vortrag. Randnummer 44 Mit Schreiben vom 07.12.2020 (Anlage K 19, Bl. 155 d. A.) hörte die Beklagte den Kläger zu dem dringenden Verdacht an, er habe, eventuell auf Anraten, aber zumindest in Absprache mit seinem anwaltlichen Vertreter die Manipulation des Namensschildes durch seine Lebenspartnerin veranlasst. Mit E-Mail vom 09.12.2020 (Anlage K 20, Bl. 156 d. A.) erklärte der Kläger, das Umdrehen des Namensschildes sei weder mit seinem Wissen noch mit seiner Zustimmung erfolgt. Mit undatiertem Schreiben (Anlage B 12, Bl. 238 bis 240 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten vorsorglichen außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Die Beklagte hörte auch die Schwerbehindertenvertretung zur Kündigung an. Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung gaben mit Verweis auf die Position des Klägers als leitender Angestellter keine inhaltliche Stellungnahme ab. Randnummer 45 Mit Bescheid vom 17.12.2020 (Anlage B 13, Bl. 241 bis 246 d. A.) stimmte das Integrationsamt der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu. Mit Schreiben vom 21.12.2020 (Anlage K 22, Bl. 173 d. A.), das dem Kläger am 22.12.2020 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien nochmals außerordentlich fristlos. Mit seiner Klageerweiterung vom 06.01.2021 (Bl. 150 d. A.) macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung geltend. Randnummer 46 Der Kläger trägt vor , er sei kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und § 14 Abs. 2 KSchG. Er habe seine Entscheidungen nicht im Wesentlichen frei getroffen. Diese seien maßgeblich von der Geschäftsführung der Beklagten beeinflusst worden. Die arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers als Personalleiter seien unmittelbar nach seiner Freistellung im Juli 2020 auf die Personalleiterin C. K. übergegangen. Mit der Einstellung des Mitarbeiters J. K. zum 01.10.2020 verantworte gemäß dem aktuellen Organigramm der Beklagten (Anlage K 23, Bl. 268 d. A.) nunmehr dieser den Personalbereich der Beklagten. Die Kündigung vom 31.08.2020 sei daher eine unzulässige Austauschkündigung. Zumindest hätte die Beklagte dem Kläger die zum 01.09.2020 neu geschaffene Personalreferentenstelle anbieten müssen. Selbst wenn das Namensschild am 31.08.2020 nicht manipuliert gewesen wäre, hätte dies auf den Ablauf der Kündigungsfrist keine Auswirkung gehabt, weil die Beklagte den Zustellversuch erst nach 12:00 Uhr und damit nach der üblichen Postzustellungszeit unternommen habe, sodass die Kündigung als erst am 01.09.2020 zugegangen zu behandeln gewesen wäre. Randnummer 47 Der Kläger beantragt , Randnummer 48 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 31.08.2020 (in Gestalt zweier Ausfertigungen, jeweils datiert auf denselben Tag) nicht zum 30.04.2021 aufgelöst werden wird, Randnummer 49 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.04.2021 hinaus fortbesteht, Randnummer 50 3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 12.04.2019 zu unveränderten Bedingungen als Personalleiter bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge zu 1 und 2 aus der Klageschrift weiter zu beschäftigen, Randnummer 51 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt, Randnummer 52 5. die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, dem Kläger Randnummer 53 c) Auskunft zu erteilen über die Höhe des Handelsgewinns der Beklagten für das Geschäftsjahr 2019, welcher sich nach dem Betriebsergebnis laut Prüfungsbericht des Abschlussprüfers zuzüglich Gewinnanteil HBG, Tantiemen, gewährte Skonti und Firmenwert-AFA abzüglich Skonti-, Delkredere- und Zentralregulierungserträgen errechnet, Randnummer 54 d) über den Handelsgewinn der Beklagten für das Jahr 2019, welcher sich nach dem Betriebsergebnis laut Prüfungsbericht des Abschlussprüfers zuzüglich Gewinnanteil HBG, Tantiemen, gewährte Skonti und Firmenwert-AFA abzüglich Skonti-, Delkredere- und Zentralregulierungserträgen errechnet, einen Buchauszug zu erteilen, Randnummer 55 e) die Richtigkeit der erteilten Auskunft und des Buchauszugs erforderlichenfalls an Eides statt zu versichern, Randnummer 56 f) nach Auskunftserteilung den zu beziffernden Tantiemebetrag zu zahlen, Randnummer 57 6. für den Fall, dass den Anträgen zu 1, 2, 8, 9 oder 14 nicht stattgegeben wird: die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, dass sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt, Randnummer 58 7. für den Fall, dass den Anträgen zu 1 oder 2 nicht stattgegeben wird: festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 31.08.2020 (in Gestalt zweier Ausfertigungen, jeweils datiert auf denselben Tag) erst mit Wirkung zum 31.05.2021 aufgelöst worden ist, Randnummer 59 8. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 29.09.2020 aufgelöst worden ist, Randnummer 60 9. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30.09.2020 aufgelöst werden wird, Randnummer 61 10. für den Fall, dass den Klageanträgen zu 9 und 12 nicht stattgegeben wird: festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30.09.2020 erst zum 30.06.2021 aufgelöst werden wird, Randnummer 62 11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.642,67 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins, seit dem 31.10.2020 zu zahlen, Randnummer 63 12. für den Fall, dass den Klageantrag zu 8 und/oder dem Klageantrag zu 9 nicht stattgegeben wird: die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (neuen) Arbeitsvertrags gemäß den bisherigen Bedingungen im Sinne des Arbeitsvertrags vom 12.04.2019 nebst „Sondervereinbarung Geschäftsleitung“ mit einem Grundgehalt in Höhe von monatlich 12.000,00 € brutto anzunehmen, Randnummer 64 13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 63.218,35 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.466,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.11.2020, auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.12.2020, auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.01.2021, auf 12.643,67 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.233,44 € seit dem 01.02.2021 sowie auf 12.643,67 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.233,44 € seit dem 01.03.2021 zu zahlen, Randnummer 65 14. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 21.12.2020 aufgelöst worden ist. Randnummer 66 Die Beklagte beantragt , Randnummer 67 die Klage abzuweisen. Randnummer 68 Hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch eine der streitgegenständlichen Kündigungen beendet wurde oder beendet wird, beantragt die Beklagte, Randnummer 69 das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Randnummer 70 Der Kläger beantragt, Randnummer 71 den Auflösungsantrag abzuweisen. Randnummer 72 Die Beklagte trägt vor , es könne dahinstehen, ob die Beklagte im September 2020 eine neue Mitarbeiterin in der Personalabteilung eingestellt habe. Eine derartige Tätigkeit mit einer üblichen monatlichen Vergütung von weniger als 3.000,00 € brutto monatlich sei für den Kläger unzumutbar. Es bestehe auch nach den Einlassungen des Klägers der dringende Verdacht, dass er die Namensschilder an der Klingelanlage entweder selbst ausgetauscht oder dies veranlasst habe, um den Zugang der ordentlichen Kündigung noch im August 2020 zu vereiteln. Ferner bestehe der dringende Verdacht, dass er seine Lebensgefährtin zu einer falschen eidesstattlichen Versicherung angestiftet habe. Dies alles habe zu einem vollständigen Vertrauensverlust geführt, ebenso die Tatsache, dass der Kläger sich trotz nachgewiesener Türschildmanipulation weiterhin auf den Zugang des Kündigungsschreibens erst im September 2020 berufe. Die vom Kläger geltend gemachten Auskunftsansprüche seien offensichtlich unbegründet oder erfüllt. Vergütungsansprüche aus dem Gesicht des Annahmeverzugs bestünden wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Der Auflösungsantrag bedürfe keiner Begründung, weil der Kläger leitender Angestellter sei. Er habe sich im Alltag und zum Beispiel in seiner E-Mail-Signatur zumindest als leitender Angestellter geriert. Randnummer 73 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien und ihrer Beweisangebote wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2, § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 31.08.2020 (in Gestalt zweier Ausfertigungen, jeweils datiert auf denselben Tag) nicht zum 30.04.2021 aufgelöst werden wird. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 12.04.2019 zu unveränderten Bedingungen als Personalleiter bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge zu 1 und 2 aus der Klageschrift weiter zu beschäftigen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt. 4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger a) Auskunft zu erteilen über die Höhe des Handelsgewinns der Beklagten für das Geschäftsjahr 2019, welcher sich nach dem Betriebsergebnis laut Prüfungsbericht des Abschlussprüfers zuzüglich Gewinnanteil HBG, Tantiemen, gewährte Skonti und Firmenwert-AFA abzüglich Skonti-, Delkredere- und Zentralregulierungserträgen errechnet, b) über den Handelsgewinn der Beklagten für das Jahr 2019, welcher sich nach dem Betriebsergebnis laut Prüfungsbericht des Abschlussprüfers zuzüglich Gewinnanteil HBG, Tantiemen, gewährte Skonti und Firmenwert-AFA abzüglich Skonti-, Delkredere- und Zentralregulierungserträgen errechnet, einen Buchauszug zu erteilen. 5. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 29.09.2020 aufgelöst worden ist. 6. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene hilfsweise ordentliche Kündigung vom 30.09.2020 aufgelöst werden wird. 7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63.218,35 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.466,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.11.2020, auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.12.2020, auf 12.643,67 € brutto seit dem 01.01.2021, auf 12.643,67 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.233,44 € seit dem 01.02.2021 sowie auf 12.643,67 € brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.233,44 € seit dem 01.03.2021 zu zahlen. 8. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung vom 21.12.2020 aufgelöst worden ist. 9. Die Anträge zu 2 und 11 aus dem Schriftsatz vom 19.02.2021 werden abgewiesen. 10. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen. 11. Die Entscheidung über die Tragung der Kosten des Rechtsstreits bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. 12. Der Wert des Streitgegenstandes für dieses Teilurteil wird auf 310.330,00 € festgesetzt. 13. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 4. Senat
Schleswig-Holstein
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29.08.2012
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in den Streitjahren 2006 bis 2008 durch die Vermittlung von Arbeitssuchenden, für die der Kläger aufgrund von Vermittlungsgutscheinen i.S.d. § 421 g des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) Entgelte unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit bzw. den zuständigen Arbeitsgemeinschaften erhalten hat, steuerpflichtige Leistungen erbracht hat. Randnummer 2 Der Kläger ist seit 2004 unter der Bezeichnung „...“ als Personalberater, Arbeitsvermittler und Personaltrainer tätig. In den Streitjahren bestand seine Tätigkeit nahezu ausschließlich in der Arbeitsvermittlung. Hierzu schloss er mit den Arbeitssuchenden jeweils gleichlautende Vermittlungsverträge mit folgendem Inhalt: Randnummer 3 § 1 Beauftragung Randnummer 4 Der Arbeitssuchende beauftragt den Vermittler, für ihn geeignete offene Stellen zu finden. Der Vermittler unterstützt den Arbeitssuchenden mittels seines Internetsystems bei der Erstellung eines umfassenden Bewerberprofils und schlägt ihm nach Erstellung des Bewerberprofils geeignete Stellen vor. Der Vermittlungserfolg ist zu dem Zeitpunkt bewirkt, an dem der Arbeitssuchende mit einem der vorgeschlagenen Unternehmen einen Arbeitsvertrag abschließt. Randnummer 5 § 4 Vermittlungshonorar Randnummer 6 Das Vermittlungshonorar beträgt 2.000 € mit Vermittlungsgutschein. Randnummer 7 Mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitssuchenden und einem vom Vermittler vorgeschlagenen Unternehmen entsteht der Honoraranspruch des Vermittlers. Mit dem Vermittlungshonorar sind grundsätzlich alle Tätigkeiten des Vermittlers abgegolten; über weitere Honoraransprüche, z.B. Online-Stellenbörse wird ggfs. ein gesonderter Vertrag geschlossen. Randnummer 8 § 5 Vermittlungsgutschein 1. Der Arbeitssuchende erklärt pflichtgemäß, seit mehr als zwei Monaten arbeitslos gemeldet zu sein, entsprechende Leistungen zu erhalten und dementsprechend Anspruch auf die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins zu haben. 2. Sofern noch kein Vermittlungsgutschein vorliegt, verpflichtet sich der Arbeitssuchende, diesen umgehend zu beantragen. Eine Kopie des Vermittlungsgutscheins wird diesem von ihm unterschriebenen Vertrag beigefügt. 3. Dem Arbeitssuchenden ist bekannt, dass das für ihn zuständige Arbeitsamt das durch ihn geschuldete Vermittlungshonorar nur übernimmt, wenn er vor Abschluss eines Arbeitsvertrags den Vermittlungsgutschein beantragt und erhalten hat. 4. Ohne Vermittlungsgutschein muss der Arbeitssuchende das Vermittlungshonorar selbst direkt an den Vermittler zahlen. Randnummer 9 Gegenüber den Arbeitssuchenden nahm der Kläger folgende Tätigkeiten vor: - Analyse des persönlichen Gesprächs mit dem Arbeitssuchenden - Erstellung eines Bewerberprofils - Sichtung von Bewerbungsunterlagen und Anforderung fehlender Zeugnisse - Optimierung von Anschreiben und Lebenslauf - Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche - Beratung der Arbeitgeber bezüglich der Eignung des Bewerbers - Vereinbarung persönlicher Gespräche mit den Arbeitgebern - Nachbetreuung bei erfolgter Einstellung. Randnummer 10 Nach erfolgreicher Vermittlung stellte der Kläger bei der zuständigen Agentur für Arbeit bzw. der Arbeitsgemeinschaft einen Antrag auf Auszahlung des Vermittlungsgutscheins nach § 421 g SGB III. Im Antrag versicherte er, von der Agentur für Arbeit nicht mit der Vermittlung des Arbeitssuchenden beauftragt worden zu sein. Die Auszahlung des Entgelts für die Vermittlung erfolgte durch Bescheid der jeweiligen Behörde. Für die Vermittlung von Arbeitssuchenden erhielt der Kläger im Jahr 2005 und in den Streitjahren aufgrund von Vermittlungsgutscheinen i.S.d. § 421 g SGB III folgende Entgelte unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit bzw. von den zuständigen Arbeitsgemeinschaften: Randnummer 11 2005 35.000 €, 2006 38.000 €, 2007 34.250 €, 2008 33.000 € Randnummer 12 Für das Streitjahr 2006 gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab; zur Begründung führte er aus, dass er wie im Jahr 2005 als Kleinunternehmer gemäß § 19 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) anzusehen sei. Mit der am 12. Mai 2009 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2007 meldete der Kläger Umsatzsteuer in Höhe von -1.132,80 € an; der Steueranmeldung lagen steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 300 € und Vorsteuern in Höhe von 1.189,80 € zugrunde. Mit der am 14. September 2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2008 meldete der Kläger Umsatzsteuer in Höhe von -1.873,06 € an; der Steueranmeldung lagen steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 1.218,48 € und Vorsteuern in Höhe von 2.104,58 € zugrunde. Die Umsätze aus der Arbeitsvermittlung in Höhe von 34.250 € (2007) und 33.000 € (2008) behandelte der Kläger in den Umsatzsteuererklärungen als steuerfrei. Der Beklagte stimmte den Umsatzsteuererklärungen zu. Randnummer 13 Mit Umsatzsteuerbescheid vom 17. Januar 2011 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für 2006 in Höhe von 3.741,28 € fest. Bei der Steuerfestsetzung behandelte der Beklagte die Umsätze aus der Vermittlung der Arbeitssuchenden als steuerpflichtig und setzte hierfür einen Nettobetrag in Höhe von 32.758 € an. Die Vorsteuern schätzte der Beklagte anhand der Angaben in der vom Kläger eingereichten Einnahme-Überschuss-Rechnung in Höhe von 1.500 €. Mit Umsatzsteuerbescheiden vom 6. August 2009 und vom 27. Dezember 2010 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 2007 und 2008 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung und setzte die Umsatzsteuer für 2007 in Höhe von 4.335,59 € und für 2008 in Höhe von 3.395,73 € fest. Hierbei behandelte er die Umsätze aus der Vermittlung der Arbeitssuchenden als steuerpflichtig und erhöhte die vom Kläger angemeldeten steuerpflichtigen Umsätze um Nettobeträge in Höhe von 28.781 € (2007) und 27.731 € (2008). Randnummer 14 Gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre legte der Kläger jeweils fristgerecht Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2011 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Zwischen dem Kläger und den Arbeitssuchenden bestehe ein zivilrechtliches Leistungsverhältnis. Die Agentur für Arbeit sei aus dem Vermittlungsgutschein nur gegenüber dem Arbeitssuchenden, nicht aber gegenüber dem Kläger zur Übernahme des Vermittlungsentgelts verpflichtet. Der Vermittlungsgutschein werde nach § 421 g Abs. 2 SGB III einschließlich der darauf entfallenden gesetzlichen Umsatzsteuer ausgestellt. Die Vermittlungsleistungen des Klägers seien nicht gemäß § 4 Nr. 21 UStG steuerfrei, da sie nicht mit Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung gleichzusetzen seien. Eine Steuerfreiheit ergebe sich auch nicht aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handele es sich nicht um Leistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden seien. Ein solcher enger Zusammenhang setze vielmehr eine aktive Unterstützung zur Selbsthilfe durch Weiterbildung der Arbeitssuchenden voraus, an der es bei der Vermittlungstätigkeit des Klägers fehle (Finanzgericht -FG- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. April 2010  2 K 998/05, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2010, 2037). Der Kläger sei zudem nicht als eine Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen, da die Kostenübernahme durch die Agentur für Arbeit nicht durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Kläger geregelt sei (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Mai 2009 V R 35/07, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2009, 1032). Aus der unzutreffenden Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG im Jahre 2005 ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf eine entsprechende Behandlung in den Streitjahren. Randnummer 15 Hiergegen richtet sich die am 29. Oktober 2008 beim Finanzgericht eingegangene Klage. Der Kläger trägt vor, dass er eine öffentlich-rechtliche Leistung an die Bundesagentur für Arbeit erbracht habe. Zwischen dem Kläger und den einzelnen Arbeitssuchenden bestehe zwar ein zivilrechtliches Leistungsverhältnis. Der Kläger könne den daraus folgenden Leistungsanspruch indessen zivilrechtlich nicht durchsetzen, da er von Vornherein nur einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, nicht aber einen privatrechtlichen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitssuchenden habe. Die Entgeltberechtigung gegenüber der Agentur für Arbeit werde sozialrechtlich nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt. Das öffentlich-rechtliche Leistungsverhältnis gegenüber der Agentur für Arbeit unterscheide sich qualitativ nicht von anderen steuerfreien Fortbildungsmaßnahmen i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG. Die Vergütung falle zudem unter die Steuerbefreiung des Art. 132 MwStSystRL. Der Gesetzgeber habe durch die öffentlich-rechtliche Leistungszahlung zum Ausdruck gebracht, dass die Vermittlung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als eine Maßnahme der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit anzusehen sei. Der Kläger sei auch eine Einrichtung mit sozialem Charakter. Denn prägend für die Vermittlungstätigkeit sei der Zahlungsanspruch gegenüber der Agentur für Arbeit; der zivilrechtliche Vertrag mit dem Arbeitssuchenden werde dagegen nur aus formalen Gründen abgeschlossen, da er gesetzliche Voraussetzung für den öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch auf Auszahlung des Vermittlungsentgelts sei. Der Kläger werde schließlich gegenüber Kleinunternehmern i.S.d. § 19 UStG ungleich behandelt, da das Vermittlungsentgelt gesetzlich festgelegt sei und vom Kläger daher nicht kalkuliert werden könne. Eine betriebswirtschaftlich gewinnbringende Tätigkeit könne nur bei voller Inanspruchnahme des Vermittlungsentgelts ausgeübt werden. Die Ungleichbehandlung gegenüber Kleinunternehmern sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt und verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Randnummer 16 Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 2006 vom 17. Januar 2011, für 2007 vom 6. August 2009 und für 2008 vom 27. Dezember 2010, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2011, dahin abzuändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer auf 0,00 € herabgesetzt wird. Randnummer 17 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Der Kläger habe gegenüber den Arbeitssuchenden steuerpflichtige Leistungen ausgeführt, da er nicht mit der Agentur für Arbeit, sondern mit diesen Personen zivilrechtliche Beziehungen eingegangen sei. Allein dies sei für die umsatzsteuerliche Beurteilung der streitigen Vermittlungsleistungen maßgebend. Zur weiteren Begründung verweist der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2011.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin 14. Kammer
Berlin
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04.12.2014
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine vom Beklagten angeordnete Fahrtenbuchauflage. Randnummer 2 Sie ist Halterin des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen B-M.... Nach den Feststellungen der Stadt Bielefeld wurde mit diesem Fahrzeug am 24. Oktober 2013 um 23:25 Uhr in Bielefeld, BAB 2 bei Km 329,415, mittlere Spur, Fahrtrichtung Hannover, die dortige zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) nach Toleranzabzug um 45 km/h überschritten. Randnummer 3 In dem durch die Stadt Bielefeld als zuständiger Bußgeldbehörde eingeleiteten Bußgeldverfahren wurde der Klägerin unter dem 18. November 2013 ein Zeugenfragebogen übersandt. Nachdem seitens der Klägerin keine Reaktion erfolgte, ersuchte die Stadt Bielefeld unter dem 18. Dezember 2013 den Polizeipräsidenten in Berlin, anhand der Fotos den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. Der Polizeipräsident in Berlin teilte unter dem 4. Februar 2014 mit, dass die Klägerin am 14. Januar 2014 gegen 8:30 Uhr telefonisch erreicht worden sei; nach Bekanntgabe des Grundes sei zugesichert worden, innerhalb der Firma zu ermitteln, wer der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen sei; seitdem habe die Klägerin jedoch nicht mehr telefonisch erreicht werden können. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 4. März 2014 hörte der Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Auflage eines Fahrtenbuchs an. Mit Bescheid vom 1. April 2014 ordnete der Beklagte gegenüber der Klägerin gemäß § 31a StVZO die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer eines Jahres für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen B-M... oder ein Ersatzfahrzeug ab Unanfechtbarkeit des Bescheides an. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Mit dem Fahrzeug sei ein erheblicher Verkehrsverstoß begangen worden und der Fahrzeugführer habe nicht festgestellt werden können. Randnummer 5 Unter dem 16. April 2014 legte die Klägerin gegen die Fahrtenbuchauflage Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass die Dauer der Fahrtenbuchauflage unverhältnismäßig sei; ferner stelle die Fahrtenbuchauflage aus praktischer Sicht eine erhebliche Belastung der Klägerin dar. Weiter werde durch die Fahrtenbuchauflage das Recht des Betroffenen ausgehöhlt, sich nicht selbst belasten zu müssen. Zudem habe eine Fahrtenbuchauflage keinerlei praktischen Aufklärungsgewinn, weil die Information über die Pflicht, ein Fahrtenbuch führen zu müssen, in der Regel nicht zwischen den Behörden untereinander ausgetauscht werde. Ferner könne sich bei der Klägerin niemand an den Zugang des Anhörungsschreibens erinnern, das – wenn überhaupt – zudem erst fast einen Monat nach dem Geschwindigkeitsverstoß zugegangen wäre; auch die telefonische Nachfrage durch die Polizei im Januar 2014 sei zu spät erfolgt. Schließlich sei das Messfoto von so schlechter Qualität, dass der Fahrer nicht zu identifizieren sei. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2014, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5. Juni 2014 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Randnummer 7 Die Klägerin hat am 4. Juli 2014 Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt; ergänzend bemängelt sie zudem, dass die Voraussetzungen für eine Fahrtenbuchauflage schon deshalb nicht vorlägen, weil bei der Geschwindigkeitsmessung Fehler nicht ausgeschlossen werden könnten. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, Randnummer 9 1. den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 1. April 2014 zum Aktenzeichen IIIA2Be-456/14B in Gestalt des Widerspruchbescheides der Behörde vom 2. Juni 2014 aufzuheben, Randnummer 10 2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 11 Der Beklagte beantragt schriftsätzlich, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Er verweist darauf, dass ein korrekt geführtes Fahrtenbuch Auskunft über Tatzeitfahrer bei künftigen Verkehrszuwiderhandlungen mit dem Fahrzeug der Klägerin geben könne. Denn die Berliner Fahrtenbuchbehörde lasse eine bestandskräftige Fahrtenbuchauflage in das örtliche Fahrzeugregister und in das Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes eintragen; damit erlangten die Bußgeldbehörden bundesweit anlässlich Registeranfragen Kenntnis von der Fahrtenbuchauflage und der damit verbundenen Auskunftsmöglichkeit. Randnummer 14 Die Beteiligten haben dem Gericht gegenüber ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter mitgeteilt. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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VG Greifswald 3. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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25.09.2013
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um einen Sicherstellungszuschlag zur Krankenhausfinanzierung. Randnummer 2 Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses in A-Stadt auf Rügen. Randnummer 3 Nachdem in den Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen für die Jahre 2010 und 2011 darüber keine Vereinbarung erzielt wurde, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2011 beim Beklagten die Gewährung eines Sicherstellungszuschlages für die Jahre 2010 und 2011 für die Abteilungen Gynäkologie/Geburtshilfe und Pädiatrie. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 29. November 2011 ab. Randnummer 4 Am 13. Dezember 2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Randnummer 5 Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es sei unerheblich, dass untergesetzliche Normen zur Ausfüllung des Anspruchs durch Rechtsverordnungen und Vereinbarungen der Bundesvertragsparteien nicht geschaffen worden seien. Der Zuschlag solle unverschuldete Defizite aufgrund eines geringen Versorgungsbedarfs auffangen. Das Krankenhaus der Klägerin liege im Bereich der Geburtshilfe und Pädiatrie erheblich unter den bundesdurchschnittlichen Fallzahlen. Der geringe Versorgungsbedarf resultiere nicht aus der demographischen Entwicklung oder der Geburtenrate, sondern aus der vergleichsweise geringen Bevölkerungsdichte und der Insellage. Die Erlöse aus diesen Bereichen seien nicht ausreichend, um eine ärztliche Mindestausstattung zu finanzieren. Gleichwohl sei es notwendig, diese Leistungen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung vorzuhalten. Das Krankenhaus sei in den Krankenhausplan aufgenommen worden, die Klägerin als dessen Trägerin also verpflichtet, gynäkologisch-geburtshilfliche und pädiatrische Leistungen vorzuhalten. Ohne das Krankenhaus in A-Stadt sei die Versorgung der Bevölkerung mit den genannten Leistungen gefährdet, da das Hanse-Klinikum für einen Großteil der Einwohner der Insel Rügen weiter als 30 Kilometer entfernt sei. Die Leistungen seien schließlich wegen des geographisch bedingten geringen Versorgungsbedarfs nicht kostendeckend finanzierbar. Auf das Gesamtunternehmen komme es dabei nicht an. Defizitäre Teilbereiche eines Unternehmens könnten nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Der Anspruch würde letztlich leerlaufen, wenn er auf vergangene Vereinbarungszeiträume keine Anwendung finden würde. Der Beklagte müsse sich an seinen eigenen Planungsentscheidungen festhalten lassen. Randnummer 6 Die Klägerin beantragt, Randnummer 7 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. November 2011 zu verpflichten, ihr für die Jahre 2010 und 2011 für die Abteilungen Gynäkologie/Geburtshilfe und Pädiatrie einen Sicherstellungszuschlag dem Grunde nach zu gewähren. Randnummer 8 Der Beklagte beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Er verteidigt den angefochtenen Bescheid. Es sei schon zweifelhaft, ob der Sicherstellungszuschlag für bereits abgelaufene Zeiträume noch seinen Zweck erfüllen könne. Bezogen auf die Anzahl Lebensgeborener auf 1.000 Frauen liege die Insel Rügen im Bundesdurchschnitt, ein geringer Versorgungsbedarf liege nicht vor. Dafür spreche, dass zum Jahr 2011 die Anzahl der betten laut Krankenhausplanung im Bereich Kinderheilkunde unverändert geblieben sei und sich im Bereich Frauenheilkunde/Geburtshilfe sogar erhöht habe. Für die Frage der Finanzierbarkeit sei auf das wirtschaftliche Gesamtunternehmen abzustellen, nicht auf einzelne Abteilungen. Zudem seien andere geeignete Versorgungsangebote in zumutbarer Entfernung vorhanden. Abzustellen sei dabei auf elektive Eingriffe, Fälle der Notversorgung würden dem Rettungsdienst unterfallen und Patienten dabei nach Stralsund oder Greifswald geflogen. Es lasse sich angesichts der Bevölkerungsdichte und geografischen Situation des Landes nicht immer vermeiden, dass größere Distanzen zum nächsten Krankenhaus entstünden. Randnummer 11 Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Randnummer 12 Der Beigeladene zu 1. ist der Auffassung, dass der Beklagte die Gewährung eines Sicherstellungszuschlags zu Recht abgelehnt habe. Bei der Bewertung eines Defizits komme es auf den Betrieb des gesamten Krankenhauses an. Das ergebe sich aus der Aufgabe des Selbstkostendeckungsprinzips durch den Gesetzgeber. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass es keine Wirtschaftlichkeitspotentiale gebe. Es sei nicht Aufgabe der Krankenversicherungsträger, eine unwirtschaftliche Struktur aufrechtzuerhalten. Randnummer 13 Die Beigeladenen zu 1. bis 4. tragen weiter vor, der geltend gemachte Anspruch sei untergesetzlich nicht ausgeformt worden, schon dies stehe der Festsetzung eines Sicherstellungszuschlags entgegen. In Relation zu strukturell vergleichbaren Häusern bestehe bei der Klägerin kein geringer Versorgungsbedarf, das Krankenhaus der Klägerin liege gemessen an den Fallzahlen im Durchschnitt. Schließlich sei die Versorgung der Bevölkerung auch ohne das Angebot der Klägerin nicht ernsthaft gefährdet. Randnummer 14 Die Klägerin legte eine Aufstellung über die tatsächlichen Kosten und Erträge der Fachabteilungen Gynäkologie/Geburtshilfe und Pädiatrie für die Jahre 2010 und 2011 vor (Bl. 157 ff. der Gerichtsakte). Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 6. Senat
Sachsen-Anhalt
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29.09.2011
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfallereignis als Arbeitsunfall nach Bundesrecht festzustellen ist. Randnummer 2 Der 1955 geborene Kläger verunglückte am 18. Mai 1984 anlässlich eines Fußballspiels. Der Arbeitgeber des Klägers meldete den Unfall der Inspektion für Arbeits- und Produktionssicherheit als Arbeitsunfall und kennzeichnete ihn mit der Abkürzung "GT". Der Unfall wurde der Beklagten durch ein Erstattungsbegehren der Krankenkasse des Klägers am 20. Oktober 2009 bekannt. Dieser gegenüber hatte der Kläger mit Eingangsdatum vom 13. Juli 2009 die Prüfung zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft beantragt. Randnummer 3 In dem Parallelverfahren zum Az., einen Unfall beim Fußballspiel vom 2. Juli 1984 betreffend, teilte die Nachfolgefirma der Arbeitgeberin schriftlich mit, sie könne keine weiteren Angaben machen. Mitarbeiter aus der damaligen Zeit, denen das Ereignis bekannt sei, seien dort nicht mehr beschäftigt. Lediglich der frühere Betriebsarzt sei noch bekannt. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 teilte die Beklagte der Krankenkasse des Klägers unter Übersendung eines Doppels an den Kläger mit, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Nach § 215 Abs. 1 SGB VII gälten Arbeitsunfälle der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet nur dann als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO, wenn sie dem zuständigen Träger der Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bei späterer Kenntnis komme es darauf an, ob der Unfall auch nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre. Randnummer 5 Dagegen legte der Kläger am 11. Februar 2010 Widerspruch ein und meinte, die Unfallmeldung sei – 1984 – rechtzeitig erfolgt und liege der Beklagten vor. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Beklagte habe erst am 20. Oktober 2009 Kenntnis von dem 1984 anerkannten Arbeitsunfall erhalten. Der Unfall sei in der DDR auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten anerkannt worden. Die entsprechenden Unfälle seien jedoch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung nicht als Arbeitsunfälle anzuerkennen. Dies sei nach § 1150 Abs. 2 S. 2 RVO für Unfälle zu prüfen, die dem zuständigen Träger der Unfallversicherung der Bundesrepublik erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Ein solcher Unfall wie der des Klägers unterliege nach § 8 SGB VII nicht dem Schutz der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Den Bescheid übersandte die Beklagte auf dem Postwege. Randnummer 7 Mit der am 19. April 2010 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt. Randnummer 8 Mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO gälten vor dem 1. Januar 1992 eingetretene Arbeitsunfälle im Sinne des im Beitrittsgebiet geltenden Rechts ohne weiteres als Arbeitsunfälle nach dem Dritten Buch der RVO. Würden sie dem für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung aber erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt, sei nach § 1150 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RVO zusätzlich zu prüfen, ob sie auch nach der RVO zu entschädigen wären. Dieser Fall liege hier vor, weil der Arbeitsunfall einem nach Januar 1991 zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Oktober 2009 bekannt geworden sei. Die Entschädigungsfähigkeit nach der RVO liege hier nicht vor, weil der Unfall sich bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit in der DDR ereignet habe. Die Anerkennung sei in der DDR nur aufgrund der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeit erfolgt. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17. September 2010 zugestellt worden. Randnummer 9 Mit der am Montag, dem 18. Oktober 2010, eingegangenen Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, die Unfallerstmeldung sei am 23. Mai 1984 erfolgt. Die Beklagte könne sich als Funktionsnachfolgerin insoweit nicht auf Unkenntnis berufen. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 18. Mai 1984 ein Arbeitsunfall ist. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Sie bleibt bei ihrer Ablehnung und der dafür abgegebenen Begründung. Randnummer 15 Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 17. Juni 2011 – der Kläger – und 29. Juni 2011 – die Beklagte – zugestimmt. Sie haben weiterhin einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter – die Beklagte insoweit mit Schriftsatz vom 22. August 2011 – zugestimmt. Randnummer 16 Die Akte der Beklagten bezüglich des Unfalls – Az. – hat bei der Entscheidung vorgelegen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der am 22.08.1982 geborene Kläger ist Staatsangehöriger des Irak. Er kam nach seinen Angaben am 19.06.2001 nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 18.09.2001 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Daraufhin erhielt der Kläger Aufenthaltsbefugnisse. Weiter erteilte ihm das Arbeitsamt ... mit Bescheid vom 17.12.2001 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. 2 Mit Bescheid vom 23.11.2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorliegen. Gleichzeitig stellte es fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Mit Urteil vom 26.06.2006 (A 13 K 13809/04) wies das erkennende Gericht die dagegen erhobene Klage ab. Zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führte es aus, eine konkret-individuelle Gefährdung liege nicht vor. Dem Kläger könne auch nicht ausnahmsweise Abschiebeschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen allgemeiner Gefahren i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gewährt werden. Es bleibe offen, ob der Kläger bei einer Abschiebung in den Irak einer extremen Gefahrenlage ausgeliefert wäre. Denn eine Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sei nicht zulässig, weil die Erlasslage in Baden-Württemberg einen den Vorgaben in § 60 a AufenthG gleichwertigen Abschiebeschutz biete. Dieses Urteil wurde am 20.07.2006 rechtskräftig. 3 Am 20.04.2005 hatte der Kläger eine bis 19.04.2006 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, die mit am 23.05.2006 bis 22.05.2007 verlängert wurde. 4 Mit Bescheid vom 24.11.2006 widerrief die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung vom 31.12.2006. Gleichzeitig lehnte sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels ab und drohte die Abschiebung in den Irak an. Zur Begründung bezog sie sich auf den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und übte ihr Ermessen dahin aus, die Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen. Weiter führte sie aus, ein Anspruch auf eine andere Aufenthaltserlaubnis bestehe nicht. 5 Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Er berief sich darauf, es bestünden allgemeine Gefahren im Irak, die ausländerrechtlich zu berücksichtigen seien. Es gebe dort sehr viele Tote und sonstige Opfer durch Anschläge. Weiter berief er sich auf die EU-Richtlinie 2004/83/EG und legte verschiedene Zeitungsartikel vor. 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 wies das Regierungspräsidium ... - Steuerung und Verwaltung - den Widerspruch im Wesentlichen unter Bezug auf die Begründung des Ausgangsbescheids zurück. 7 Ein Eilantrag des Klägers blieb erfolglos (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2007 - 13 S 1102/07 -). Ein Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war erfolgreich (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2007 - 13 S 1101/07 -). 8 Am 21.02.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er beruft sich weiterhin darauf, Schutz vor den Gefahren im Irak sei durch ausländerrechtliche Entscheidungen zu gewähren. Er sei im Besitz einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung. Die Prüfung nach der EU-Qualifi-kationsrichtlinie sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Ausreisefrist sei rechtswidrig. Er gehöre zu den Turkmenen aus Kirkuk; das dortige Gebiet sei besonders umkämpft. Es bestehe auch keine inländische Fluchtalternative. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass eine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak stattfinde. Das Bundesverwaltungsgericht habe dem Europäischen Gerichtshof Verfahren zur Auslegung der Qualifikationsrichtlinie vorgelegt. Schließlich beruft er sich zusätzlich auf Rechtsprechung des erkennenden Gerichts. 9 Der Kläger beantragt, 10 den Bescheid der Beklagten vom 24.11.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis über den 22.05.2007 hinaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. 11 Die Beklagte beantragt, 12 die Klage abzuweisen. 13 Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. 14 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Gerichtsakten 17 K 2364/07 und A 13 K 13809/04 und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Die Berufung wird zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 1. Senat
Schleswig-Holstein
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17.03.2022
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 sowie die Erstattung von Beiträgen. Randnummer 2 Der 1984 geborene Kläger ist Volljurist. Am 7. Mai 2014 erwarb der Kläger sein zweites juristisches Staatsexamen, das er am 28. Januar 2015 im Rahmen eines Verbesserungsversuchs erneut ablegte. Vom 1. November 2014 an war er bei dem Beigeladenen zu 1) in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beschäftigt. Es handelte sich hierbei um die erste versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers nach Studium und Referendariat. Der Kläger beantragte jedoch keine Zulassung als Rechtsanwalt. Randnummer 3 Nach der gesetzlichen Einführung des Rechtsinstituts des Syndikusrechtsanwalts beantragte der Kläger bei der hanseatischen Rechtsanwaltskammer am 29. März 2016 seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Er fügte eine ausführliche Stellenbeschreibung seines Arbeitgebers, des Beigeladenen zu 1) sowie einen Anstellungsvertrag vom 8. März 2016 bei, wonach er bereits seit dem 1. November 2014 als Verbandssyndikusrechtsanwalt in der Rechtsabteilung der Geschäftsstelle H tätig war. Randnummer 4 Am 30. März 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 4b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und einen Antrag auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung für Syndikusrechtsanwälte sowie einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI für Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte und bezog sich auf seine Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1). Randnummer 5 Mit Zulassungsbescheid vom 7. September 2016 ließ die hanseatische Rechtsanwaltskammer den Kläger aufgrund seiner bei dem Beigeladenen zu 1) ausgeübten Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zu. Die Zulassung wurde mit Aushändigung der Urkunde am 9. November 2016 wirksam. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 19. Dezember 2016 befreite die Beklagte den Kläger von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI ab 1. Dezember 2016. Randnummer 7 Mit weiterem Bescheid vom 8. März 2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für seine in der Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 ausgeübte Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 1) ab, da er erst seit dem 1. Dezember 2016 der Beitragspflicht des Versorgungswerks (des Beigeladenen zu 2)) unterliege. Randnummer 8 Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 5. April 2017 Widerspruch. Die Beklagte gehe fälschlicherweise davon aus, dass es sich um eine rückwirkende Befreiung für eine vormals ausgeübte Tätigkeit als Syndikusanwalt bei dem Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 handele. Richtigerweise sei er jedoch seit November 2014 bis zum heutigen Tage dort als Verbandsjurist tätig. Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wirke vom Beginn der Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt werde. Die Befreiung müsse daher seit dem 1. November 2014 wirken. Auf eine Beitragspflicht im Versorgungswerk komme es nicht an. Randnummer 9 Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung nicht vorlägen, da eine Pflichtmitgliedschaft im berufsständigen Versorgungswerk während der Beschäftigung zwingende Voraussetzung für eine Befreiung sei. Dies entspreche auch den Ausführungen in der Gesetzesbegründung. Randnummer 10 Am 18. Juni 2018 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Lübeck erhoben und seinen Standpunkt aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Mit Urteil vom 9. August 2019 hat das Sozialgericht Lübeck den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien und die zu Unrecht gezahlten Beiträge zu erstatten. Dies hat das Sozialgericht damit begründet, dass es auf das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk für eine rückwirkende Befreiung gemäß § 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI nicht ankomme. Dieser Auffassung stehe der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen, der für eine rückwirkende Befreiung gemäß Satz 1 keine Pflichtmitgliedschaft voraussetze, während diese in Satz 2 und 4 ausdrücklich als Voraussetzung benannt werde. Selbst wenn der gesetzgeberische Wille dahingehend zu verstehen sein sollte, dass eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk auch nach Satz 1 vorausgesetzt werde, wofür die Gesetzesbegründung lediglich uneindeutige Anhaltspunkte enthalte, habe diese Voraussetzung jedenfalls keinen Einzug in die gesetzliche Regelung erhalten, sodass sich der Beklagte hierauf nicht berufen könne. Die systematische Auslegung im Zusammenhang mit § 231 Abs. 4c SGB VI stütze dieses Ergebnis. Diese Vorschrift solle bewirken, dass auch Syndikusanwälte vom Befreiungsrecht Gebrauch machen könnten, die angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ihre Zulassung zurückgegeben hätten, bei der Neuzulassung nach neuem Recht gemäß der Satzung des zuständigen Versorgungswerks jedoch aufgrund ihres Lebensalters nicht mehr zur dortigen Pflichtversicherung berechtigt wären. Eine solche Privilegierung ergebe nur vor dem Hintergrund Sinn, dass es für diejenigen, bei denen die Altersgrenze nicht problematisch sei, einer fortbestehenden Pflichtmitgliedschaft nicht bedürfe. Ansonsten stelle die Privilegierung der älteren Syndikusanwälte eine nicht zu begründende Diskriminierung dar. Randnummer 11 Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. August 2019 zugestellte Urteil am 5. September 2019 Berufung eingelegt. Sie widerspricht der Auffassung des Sozialgerichts, dass § 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI keine weiteren Voraussetzungen für die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht ab Beginn der Beschäftigung als einen entsprechenden Antrag und eine erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht enthalte. Der Sinn und Zweck der Regelung und der systematische Zusammenhang spreche eindeutig dafür, dass eine weitere Voraussetzung die Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk sei. Aus der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26. Februar 2020 – B 5 RE 2/19 R) ergebe sich, dass zumindest ein – hier nicht vorliegender – „Bezug zum Versorgungswerk“ gegeben sein müsse Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. August 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Er ist der Auffassung, der vom BSG geforderte „Bezug“ zu einem Versorgungswerk stelle nur eine beiläufige Bemerkung dar, die weder entscheidungserheblich noch weiter ausgeführt worden sei. Im Übrigen liege auch bei dem Kläger ein Bezug zum Versorgungswerk vor, denn dieser habe aufgrund der Syndikus-Urteile des BSG vom 3. April 2014 auf eine Zulassung verzichtet, hätte aber ohne diese Entscheidungen die Zulassung und die Mitgliedschaft im Versorgungswerk erhalten.§ 231 Abs. 4b Satz 1 SGB VI finde seinem Sinn und Zweck nach auch auf diese Fälle Anwendung, denn es könne keine Rolle spielen, ob ein Bruch in der Versicherungsbiografie in der Mitte oder zu Anfang der Versicherungsbiografie bestehe. Randnummer 17 Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 9. August 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat für beide Rechtszüge keine außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Wasserentnahmeentgelts und von Vorauszahlungen eines solchen. 2 Die Klägerin betreibt in xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ein Zentrallager. Aufgrund einer wasserrechtlichen Erlaubnis des Landratsamts xxxxxxxx vom 5.11.2015 entnimmt sie Grundwasser zum Betrieb einer Anlage zur Kühlung und Heizung von Räumlichkeiten des Zentrallagers und leitet sie das entnommene, abgekühlte oder erwärmte Wasser wieder in das Grundwasser ein. 3 Mit Bescheid vom 3.3.2017 setzte das Landratsamt xxxxxxxx das Wasserentnahmeentgelt für das Jahr 2016 auf 42.417,47 Euro und Vorauszahlungen des Wasserentnahmeentgelts für das Jahr 2017 in Höhe von zweimal 21.208,73 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 3.3.2017 wies das Regierungspräsidium xxxxxxxx mit Bescheid vom 25.9.2017 zurück. 4 Mit Urteil vom 30.7.2019 (3 K 9192/17, juris) hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 3.3.2017 und den Widerspruchsbescheid vom 25.9.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Sowohl die Entnahme als auch das Ableiten des Grundwassers durch die Klägerin sei entgeltpflichtig. Die Klägerin könne sich nicht auf den privilegierenden Ausnahmetatbestand des § 103 Nr. 4 WG berufen. Bei dem von der Klägerin betriebenen Zentrallager - einschließlich der Kälteanlage für die Kühlbereiche - handele es sich nicht um ein Gebäude „im rechtlichen Kontext des § 103 Nr. 4 WG i. V. m. § 4 Nr. 9 EEWärmeG“. 5 Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 13.4.2021 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Der Beschluss wurde der Klägerin am 23.4.2021 zugestellt. 6 Am 25.5.2021 (Dienstag nach dem Pfingstmontag) hat die Klägerin die Berufung begründet. Sie trägt im Wesentlichen vor: Sie sei kraft Gesetzes von der Pflicht zur Zahlung eines Wasserentnahmeentgelts ausgenommen, weil die von ihr vorgenommene Verwendung und Wiedereinleitung des Grundwassers zum Zwecke der Kühlung bzw. Beheizung ihres Zentrallagers dem Ausnahmetatbestand des § 103 Nr. 4 WG unterfalle. Bei ihrem Zentrallager handele es sich bereits auf Basis der grammatikalischen Auslegung um ein Gebäude i. S. dieser Vorschrift. Für die Bejahung des Ausnahmetatbestands komme es nicht maßgeblich darauf an, dass der (historische) Landesgesetzgeber mit der Privilegierung ausschließlich Wohn- und Nichtwohngebäude i. S. v. § 4 EEWärmeG habe erfassen wollen. Sofern es sich bei diesen Ausführungen überhaupt um eine Einschränkung handeln sollte, dann wäre sie nicht maßgeblich, weil sie sich einzig in der Gesetzesbegründung finden ließe und so unter Beachtung der Wortlautgrenze keine Gesetzeskraft erlangt hätte. Die systematische Auslegung unterstütze ein weites, d. h. nicht eingeschränktes Verständnis des Gebäudebegriffs i. S. des § 103 Nr. 4 WG und damit auch, dass ihr Zentrallager und die dort stattfindende Grundwasserbenutzung von der Norm erfasst würden. Der Begriff des Gebäudes könne nicht in einen restriktiv wirkenden „gesetzesübergreifenden Kontext“ gestellt werden, der im Lichte des § 1 Abs. 2 WG i. V. m. den verwandten Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes zu dem Verständnis führen solle, dass für eine Privilegierung in Betracht kommende Gebäude nur solche sein könnten, die besonders effizient, sparsam und rücksichtsvoll mit dem Allgemeingut Wasser umgingen. Unterfiele ihr Zentrallager in seiner Gesamtheit den Anforderungen des § 4 EEWärmeG, handelte es sich um ein „Wohn- und Nicht-Wohngebäude im Sinne von § 4 EEWärmeG“. 7 Die Klägerin beantragt, 8 das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30. Juli 2019 - 3 K 9192/17 - zu ändern und den Bescheid des Landratsamts xxxxxxxx vom 3. März 2017 über die Festsetzung des Wasserentnahmeentgelts für das Jahr 2016 sowie die Festsetzung der Vorauszahlungen für das Jahr 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums xx-xxxxxx vom 25. September 2017 aufzuheben. 9 Der Beklagte beantragt bei sachdienlicher Auslegung ihres Antrags im Schriftsatz vom 15.7.2021, 10 die Berufung zurückzuweisen. 11 Der Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend u. a. aus: Die Grundwasserentnahme erfolge nicht zum Zwecke einer Gebäudekühlung, sondern zur Kühlung im Rahmen eines Produktprozesses. Es gehe vorliegend um das Betreiben eines großen Kühlschranks. Das Grundwasser werde zur Kühlung von Gebäudeteilen benutzt, die in den Warenabsatz eingebunden seien. Das sei nicht mit einer üblichen Raumkühlung zu vergleichen. Durch die Änderung der Vorschriften über das Wasserentnahmeentgelt im Jahr 2010 hätten Anreize für einen schonenden und haushälterischen Umgang mit Grundwasser und für einen Umstieg auf die Nutzung von Wasser aus oberirdischen Gewässern geschaffen werden sollen. Der Gesetzgeber habe die Grundwassernutzung zu Kühlzwecken nicht schrankenlos entgeltfrei ermöglichen wollen. Sinn und Zweck des Wasserentnahmeentgelts sei die Sondervorteilsabschöpfung und der Ressourcenschutz. Es solle erreicht werden, dass die Entnahme zu Kühlzwecken und die damit verbundene Wiedereinleitung von wärmerem Wasser in das Entnahmemedium maßvoll erfolgen sollten. Der Sondervorteil, der mit der Inanspruchnahme der Ressource Wasser verbunden sei, solle weiterhin in angemessenem Umfang abgeschöpft werden. Beide Ziele würden nicht erreicht, wenn in einer Konstellation wie der vorliegenden die Grundwasserentnahme kostenlos wäre. Die Klägerin entnehme das Wasser für gewerbliche Zwecke und senke damit ihre Kosten für den Produktabsatz erheblich. Bei der Auslegung des Ausnahmetatbestands des § 103 Nr. 4 WG sei schließlich zu berücksichtigen, dass dieser klimapolitisch bedingt sei. 12 Dem Senat liegen die im Festsetzungsverfahren angefallenen Akten des Landratsamts xxxxxxxxx, die im Widerspruchsverfahren angefallenen Akten des Regierungspräsidiums xxxxxxxx und die Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 30. Juli 2019 - 3 K 9192/17 - geändert. Der Bescheid des Landratsamts xxxxxxxx vom 3. März 2017 (xxx-xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx) und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums xxxxxxxx vom 25. September 2017 ( xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx ) werden aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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OLG Frankfurt 15. Zivilsenat
Hessen
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24.02.2000
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Randnummer 1 Die Großmutter des Klägers war Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Anwesens in R. Mit privatschriftlichem Testament vom 15. Juni 1952 (Abschrift Bl. 12 d.A.) setzte die Großmutter den Kläger zum Erben und seinen Vater, den Landwirt J. L. K. zum befreiten Vorerben ein. Randnummer 2 Zum Nachlass der Großmutter gehörte u.a. das Grundstück ... Flurstück 60/1. Eine aus diesem Grundstück ... Flurstück 60/2 mit einer Größe von 910 m² verkaufte der Vater des Klägers mit notariell beurkundeten Verträgen vom 17. Januar 1962 (Bl. 13 - 16 d.A.) und 7. Februar 1962 (Bl. 17, 18 d.A.) an seinen Bruder A.. Dem Vorerben, dem Vater des Klägers, blieb die nunmehr als Flurstück 60/3 bezeichnete große Restparzelle des ursprünglichen Grundstücks ... Flurstück 60/1. Randnummer 3 In der notariellen Urkunde vom 7. Februar 1962 beantragten und bewilligten die Vertragsbeteiligten die Eintragung "eines Vorkaufsrechtes zugunsten des Erschienen zu 1. (des Vaters des Klägers) und seiner Rechtsnachfolger auf dem Grundstück ... Flurstück 60/2 gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über das Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle". Randnummer 4 Im Grundbuch wurde in der zweiten Abteilung unter der laufenden Nummer 2 dieses Vorkaufsrecht wie folgt eingetragen: "Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den Landwirt J. L. K. ... und seine Rechtsnachfolger. Gemäß Bewilligung vom 7. Februar 1962 eingetragen am 28. Februar 1962". Randnummer 5 Mit Ehegattentestament vom 5. November 1993 setzten die Eltern des Klägers sich wechselseitig zu Erben ein. Als Erbin des/der Längstlebenden bestimmten sie ihre Tochter Gi., die verheiratete Schwester des Klägers. In diesem Testament wird erläuternd darauf hingewiesen, daß der Vater des Klägers zwar Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes in R. sei, dies aber nur als Vorerbe. Nacherbe sei der Kläger. Randnummer 6 Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 31. August 1995 übertrug der Vater des Klägers an ihn in vorweggenommener Erfüllung des Testamentes vom 15. Juni 1952 den gesamten, ihm als Vorerbe aufgrund des Testamentes vom 15. Juni 1952 zugefallenen und verbliebenen Grundbesitz. Der Kläger ist als Eigentümer dieses Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. Randnummer 7 Der Vater des Klägers verstarb im Jahre 1997. Er wurde von seiner Ehefrau beerbt. Randnummer 8 Der Onkel A. des Klägers hatte das Grundstück ..., Flurstück 60/2 im Wege vorweggenommener Erbfolge an seine Tochter Ga., die Beklagte zu 2., übertragen. Sie beabsichtigte im Jahre 1999, das Grundstück zu verkaufen. Das teilte sie dem Kläger und seiner Ehefrau mit Schreiben vom 4. Juni 1999 mit und wies gleichzeitig darauf hin, daß sie "ihr Recht" bis zum 15. Juli 1999 bei dem Notar X. (dem Beklagten zu 1.) anmelden könnten. Weiter heißt es in dem Schreiben, das Haus sei offiziell vom Ortsgericht auf 180.000 DM geschätzt worden. Randnummer 9 Mit Vertrag vom 9. Juli 1999 verkaufte die Beklagte zu 2. das Grundstück ..., Flurstück 60/2 zum Preis von 170.000 DM an die Beklagten zu 3. Dieser Vertrag wurde durch den Beklagten zu 1. beurkundet. Da der beurkundende Notar die Auffassung vertrat, das Vorkaufsrecht stehe der Mutter des Klägers als Erbin ihres Ehemannes zu, teilten die Beklagten zu 1. und 2. den Inhalt des mit den Beklagten zu 3. geschlossenen Vertrages lediglich der Mutter des Klägers, nicht aber ihm selbst mit. Randnummer 10 Der Kläger erfuhr aber vom Abschluß des Kaufvertrages, und er erklärte mit Schreiben vom 22. Juli 1999 gegenüber dem Beklagten zu 1., er übe das Vorkaufsrecht aus. Nachdem er den Kaufvertrag eingesehen hatte, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 13. September 1999 nochmals gegenüber dem Beklagten zu 1., sein Vorkaufsrecht auszuüben. Randnummer 11 Da die Beklagten weiterhin die Ansicht vertraten, ein Vorkaufsrecht stehe allenfalls der Mutter des Klägers zu, hat der Kläger beim Landgericht Marburg den Erlaß einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes beantragt, den Beklagten zu untersagen, den Kaufvertrag vom 9. Juli 1999 ohne Berücksichtigung des ausgeübten Vorkaufsrechts des Klägers zu vollziehen. Dazu hat er ausgeführt: Das ursprünglich zugunsten seines Vaters bestellte Vorkaufsrecht sei auf ihn übergegangen. Er sei "Rechtsnachfolger" im Sinne der Grundbucheintragung und der notariellen Urkunde vom 7. Februar 1992, weil sich die von den Beteiligten des Vertrages vom 7. Februar 1992 gemeinte Rechtsnachfolge nur auf die Rechtsnachfolge im Eigentum an dem Grundstück, aus dem die seinerzeit übertragene Parzelle ..., Flurstück 60/2 herausgemessen worden sei, bezogen haben könne. Denn nur im Zusammenhang mit dem Eigentum an dem Restgrundstück ..., Flurstück 60/3 ergebe das Vorkaufsrecht einen Sinn, weil mit der Einräumung des Vorkaufsrechtes das Ziel verfolgt worden sei, das Grundstück gewissermaßen "in der Familie" zu belassen. Sein Vater habe durch die Bestellung des Vorkaufsrechtes sicherstellen wollen, daß er bzw. sein Rechtsnachfolger im Eigentum am Stammgrundstück ..., Flurstück 60/3 die Grundstücke wieder im Familienbesitz vereinigen könne, falls das Trenngrundstück an einen Dritten weiterverkauft werden sollte. Dies sei auch der Wille des Onkels A. gewesen. Dabei seien sich alle Beteiligten darüber im klaren gewesen, daß der Kläger später Eigentümer des Grundbesitzes werden würde und daher bei Eintritt des Nacherbfalls auch Vorkaufsberechtigter an dem fraglichen Grundstück. Hierzu hat der Kläger eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 30. September 1999 vorgelegt. Randnummer 12 Ergänzend hat der Kläger sich zum Beleg für seine Auffassung, "Rechtsnachfolger" im Sinne der Vorkaufsrechtsbestellung sei der Rechtsnachfolger im Eigentum an dem Grundstück ..., Flurstück 60/3, auf eine Passage in § 3 des Kaufvertrages vom 17. Januar 1962 bezogen, in der es sinngemäß heißt, der Käufer verpflichte sich dem Verkäufer und seinen Rechtsnachfolgern gegenüber, den für die Anlage eines Weges erforderlichen Teil des Kaufgrundstücks an den Verkäufer, seine Rechtsnachfolger oder von ihnen bestimmte Dritte unentgeltlich zurückzuübereignen, wenn das Restgrundstück für die Bebauung erschlossen werde und sich die Notwendigkeit ergebe, einen Weg über das Kaufgrundstück anzulegen. Da mit Rechtsnachfolger im Sinne des § 3 des Kaufvertrages vom 17. Januar 1962 nur Rechtsnachfolger im Eigentum an dem verbliebenen Rumpfgrundstück gemeint gewesen sein könnten, weil nur die Eigentümer dieses Rumpfgrundstücks Verwendung und Interesse für einen Erschließungsweg haben könnten, müsse der Begriff der Rechtsnachfolge im Vertrag vom 7. Februar 1962 in gleicher Weise verstanden werden. Randnummer 13 Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Marburg hat mit Beschluß vom 8. Oktober 1999 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen (Bl. 49 d.A.). Randnummer 14 Hiergegen haben die Beklagten Widerspruch erhoben, zu dessen Begründung sie vorgebracht haben: Das in der Urkunde vom 17. Februar 1992 bestellte Vorkaufsrecht sei ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht im Sinne des § 1094 Abs. 1 BGB, das durch die Erstreckung auf "die Rechtsnachfolger" des Verkäufers übertragbar und vererblich gemacht werden sollte. Daß bei seiner Begründung an den Kreis der Erben des Veräußerers und nicht an den Antragsteller gedacht worden sei, beweise auch die Tatsache, daß von "Rechtsnachfolgern" (Plural) und nicht von lediglich einem Rechtsnachfolger (Singular) die Rede sei, was nur den Rückschluß auf die Universalrechtsnachfolge eröffne. Diese Auffassung haben die Beklagten ergänzend begründet. Randnummer 15 In der auf die Widersprüche anberaumten mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1999 hat das Landgericht ein Urteil verkündet, mit dem die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden ist. Randnummer 16 Hiergegen richtet sich die am 23. Dezember 1999 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er seine Rechtsauffassung wiederholt. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die einstweilige Verfügung vom 8. Oktober 1999 aufrechtzuerhalten. Randnummer 18 Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 15. Dezember 1999 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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VG Meiningen 2. Kammer
Thüringen
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14.07.2015
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Randnummer 1 1. Die 1970 geborene Klägerin wendet sich gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen CE 79, C1, C1E, B, BE, M, L und S. Randnummer 2 Am 27.04.2013 erschien die Klägerin in Begleitung ihres Lebensgefährten in der Polizeidienststelle M..., PD C..., und gab laut der Darstellung der Polizei gegen 21.30 Uhr an, gerade von einem Bekannten aus Most in Tschechien gekommen zu sein. Der Bekannte habe versucht, die beiden dazu zu bringen, Drogen über die Grenze zu transportieren. Die Klägerin stimmte zu, dass ihr Auto in einer Garage des Polizeireviers M... von einem Drogenspürhund sowie per Hand von Polizeibeamten durchsucht wurde. Drogen wurden nicht gefunden. Ein am Lenkrad durchgeführter Drugwipe-Test verlief positiv. Laut einem Aktenvermerk des POM ... M... vom 01.05.2013 habe die Klägerin bei informatorischer Befragung nach dem positiven Ergebnis des Drugwipe-Tests am Lenkrad ihres PKWs eingeräumt, in Most Crystal konsumiert zu haben. Randnummer 3 In einer der Klägerin am 28.04.2013 um 01:00 Uhr entnommenen Blutprobe, deren Entnahme die Klägerin zugestimmt hatte, wurde laut dem toxikologischen Befund des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Leipzig vom 14.05.2013 Methamphetamin in einer Konzentration von 429,5 ng/ml und Amphetamin in einer Konzentration von 50,3 ng/ml nachgewiesen. Die Aufnahme von Methamphetamin sei damit nachgewiesen. Randnummer 4 Im ärztlichen Untersuchungsbericht vom 28.04.2013 ist festgehalten, die Klägerin habe auf die Frage nach Einnahme von Medikamenten oder Drogen in den letzten 24 Stunden vor der Blutentnahme angegeben, am 26.04.2013 1x1 Voltaren Plus 50/50 gegen 12:00 Uhr eingenommen zu haben. Der Gesamteindruck sei fahrig, unsicher und leicht zittrig gewesen. Randnummer 5 Laut einer "Anzeige einer Ordnungswidrigkeit" der PD C..., PRev C... Südwest/SD vom 30.04.2013, sei die Klägerin an diesem Tag um 13:30 Uhr innerorts beim Führen des PKW ... im öffentlichen Straßenverkehr angetroffen worden, obwohl sie unter dem Einfluss berauschender Mittel gestanden habe. Randnummer 6 In einer der Klägerin am selben Tag um 14:41 Uhr entnommenen Blutprobe wurden laut dem toxikologischen Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Leipzig vom 24.05.2013 folgende Substanzen im Blut der Klägerin nachgewiesen: Methamphetamin 21,6 ng/ml; Amphetamin 11,9 ng/ml und Codein (Opiatbestätigung) 43,0 ng/ml. Hierdurch sei die Aufnahme von Methamphetamin und von Codein nachgewiesen. Randnummer 7 Mit Verfügung vom 12.06.2013 stellte das Ordnungsamt der Stadt C..., Zentrale Bußgeldstelle, das gegen die Klägerin wegen des zweiten Vorfalls eingeleitete Verfahren ein. Hinsichtlich der Fahrt am 24.07.2013 erging ein Bußgeldbescheid des Landratsamtes Erzgebirgskreis vom 01.07.2013 i.H.v. 858, 29 Euro. Randnummer 8 Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 12.06.2013 zum Entzug der Fahrerlaubnis an. Randnummer 9 Die Klägerin teilte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 25.06.2013 mit, sie habe zu keinem Zeitpunkt willentlich Drogen konsumiert. Sie und ihr Begleiter seien in der Tschechischen Republik bei vermeintlichen Freunden in der Nacht vom 26. auf den 27. April 2013 in Most festgehalten worden. Man habe ihnen Geld und ihre Mobiltelefone abgenommen und habe sie unter massiven Drohungen mit Gewalt dazu bringen wollen, Drogen nach Deutschland zu transportieren. Gegen 20:00 Uhr seien sie dann zu ihrem PKW zurückgebracht worden, der sich in den Händen der Täter befunden habe. Sie seien dann über die Grenze gefahren und hätten sich dort sofort an die Polizei gewandt, um Anzeige zu erstatten. Dies hätte die Klägerin schließlich nicht getan, hätte sie willentlich zuvor Drogen zu sich genommen. Sie könne es sich nur so erklären, dass man ihr Drogen in ein Getränk gemischt habe, als man sie festgehalten habe. Dies könne der Begleiter und Lebensgefährte der Klägerin bestätigen. Randnummer 10 Mit Bescheid der Beklagten vom 08.07.2013 wurde der Klägerin die am 11.11.2003 erteilte Fahrerlaubnis entzogen (Nr. 1). Weiterhin wurde bestimmt, dass die Klägerin den Führerschein der Klassen CE 79, C1, C1E, B, BE, M, L und S nach Erhalt des Bescheides abzugeben habe (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass die Klägerin der in Nr. 2 genannten Aufforderung nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides nachkomme, werde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 130,00 Euro angedroht (Nr. 4). Zur Begründung hieß es, die Klägerin sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, da sie wiederholt Amphetamin, also sogenannte harte Drogen, konsumiert habe. Dies stehe aufgrund der beiden toxikologischen Gutachten fest. Ihr Vortrag zu den Geschehnissen in Most in Tschechien werde als reine Schutzbehauptung gewertet. Randnummer 11 Mit Urteil des Amtsgerichts Marienberg, Zweigstelle Annaberg, wurde die Klägerin, rechtskräftig seit dem 06.12.2013, vom Vorwurf, am 27.04.2013 ein Kraftfahrzeug unter Wirkung berauschender Mittel geführt zu haben, freigesprochen (9 OWi 530 Js 31187/13). Randnummer 12 Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2014 , zugestellt am 28.04.2015, wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2013 zurück. Gegen die Glaubwürdigkeit der Klägerin spreche, dass bereits drei Tage nach dem Vorfall vom 27.04.2013 am 30.04.2013 abermals Betäubungsmittel im Blutserum der Klägerin nachgewiesen worden seien. Soweit seitens des Verfahrensbevollmächtigten geltend gemacht werde, dass im Blutserum vom 30.04.2013 "lediglich" 11,9 ng/ml Amphetamin und 21,6 ng/ml Methamphetamin gemessen worden seien, werde ignoriert, dass auch das Opiat Codein mit einer Konzentration von 43,0 ng/ml festgestellt worden sei und demzufolge eine weitere Einnahme von Betäubungsmitteln erfolgt sein müsse, da das Opiat Codein in der am 27.04.2013 entnommenen Blutprobe nicht nachgewiesen worden sei. Randnummer 13 2. Am 28.05.2014 ließ die Klägerin Klage erheben. Ihr zugleich gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 08.07.2014 (2 E 215/14 Me) abgelehnt. Randnummer 14 Auf Anfrage des Gerichts teilte die medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, Institut für Rechtsmedizin, mit Schreiben vom 23.02.2015 mit, nach pharmakologischen und toxikologischen Erfahrungen könnten Abbau bzw. Ausscheidung von Methamphetamin in größeren Bereichen variieren. Die Eliminationshalbwertszeit werde in Bereichen von ca. 6 - 15 Stunden beschrieben. Aus diesem Parameter ergebe sich, dass ein Abbau über 61,7 Stunden grundsätzlich von 429,5 hin zu 21,6 ng/ml möglich sei. Pharmakologische Kenngrößen würden typisch für "Normalbereiche" gelten, die bei "Hochdosis" auftretenden Verhältnisse könnten daher auch abweichend sein. Der Absolutwert der ersten Blutprobe (429,5 ng/ml) sei als "überdurchschnittlich hoch" zu bezeichnen. Der Mittelwert über längere Zeiträume sei zuletzt mit ca. 250 - 300 ng/ml bestimmt worden. Allerdings seien auch Bereiche weit über 1000 ng/ml keine Seltenheit. Eine sichere Aussage zum Konsumverhalten sei jedoch schwierig, da das Konsumverhalten, das zu den erhobenen Befunden führe, überwiegend nicht bekannt sei. Die Dosierung dürfte bei der aktuellen Verfügbarkeit von Methamphetamin mit hoher Wirkstoffkonzentration (70 - 100 %) u. U. problematisch sein und womöglich auch ungewollt zu hohen Blutspiegeln führen. Allerdings wäre dann bei Nichtgewöhnten wahrscheinlich schon mit toxischen Effekten zu rechnen. Systematische Untersuchungen diesbezüglich gebe es jedoch nicht und eine Art Grenzwert zur Unterscheidung von einmaligem und regelmäßigem Konsum von Methamphetamin sei bisher nicht etabliert worden. Randnummer 15 Am 24.02.2015 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die Sache vertagt. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt, Randnummer 17 den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 24.04.2014 aufzuheben. Randnummer 18 Zur Begründung trägt sie vor, bei den bei der zweiten Blutentnahme am 30.04.2013 festgestellten Werten zu Methamphetamin und Amphetamin handele es sich um Restabbauwerte aus dem Ereignis vom 27.04.2013 in Most in Tschechien, als der Klägerin unwissentlich Drogen verabreicht worden seien. Bestritten werde, dass die Klägerin am 27.04.2013 im Polizeirevier M... gegenüber dem dortigen Beamten angegeben habe, in Most Crystal konsumiert zu haben. Tatsächlich habe die Klägerin nach positivem Test auf Amphetamine in dieser Nacht im Polizeirevier sich dahingehend geäußert, dass sie keine Drogen konsumiert habe und sie sich das Anschlagen des Speicheltests nur so erklären könne, dass man ihr Drogen in einem Getränk untergemischt haben könnte, als man sie in Most festgehalten habe. Ein für den Führerscheinentzug notwendiger Regelfall liege nicht vor. Die Klägerin habe in Unkenntnis der Einnahme auch keine Wirkungen derart verspürt, dass sie sich für fahruntüchtig habe halten müssen. Dies sei auch angesichts des festgestellten Methamphetamin-Wertes nicht ausgeschlossen. Dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte aus freien Stücken direkt nach dem Grenzübertritt eine Polizeistation aufgesucht hätten, sei schließlich ein deutliches Indiz dafür, dass die Klägerin von dem Drogenkonsum nichts gewusst habe und auch keine entsprechenden Wirkungen verspürt habe, die einen solchen nahelegt hätten. Randnummer 19 Das Schmerzmittel Voltaren Plus 50/50 sei der Klägerin 2011 anlässlich eines Hausarzttermins in der Praxis von OMR Dr. ... L..., B..., von ihrem damaligen Hausarzt wegen akuter Rückenschmerzen persönlich als Packung mitgegeben worden. Ein Rezept sei nicht ausgestellt worden. Nach Weisung des Hausarztes habe die Klägerin bei akuten Rückenschmerzen über den Tag verteilt ein bis maximal drei Filmtabletten pro Tag eingenommen. Am 26.04.2013 habe die Klägerin wieder einmal unter akuten Rückenschmerzen gelitten und gegen ca. 12:00 Uhr eine Tablette Voltaren Plus 50/50 eingenommen. In der Nacht vom 29.04.2013 auf den 30.04.2013 habe die Klägerin bei erneuten starken Rückenschmerzen eine weitere Tablette (wohl am Morgen des 30.04.2013) eingenommen. Randnummer 20 Die Beklagte beantragt, Randnummer 21 die Klage abzuweisen. Randnummer 22 Die Behauptung der Klägerin, ihr seien die Drogen unfreiwillig und unwissentlich zugeführt worden, könne nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Nachdem Amphetamine und Methamphetamine im Blut nur einige Stunden nachgewiesen werden könnten, keinesfalls aber 60 Stunden, könne zudem von einer wiederholten Methamphetamin-Aufnahme, nämlich am 27.04.2013 und erneut vor dem 30.04.2013 ausgegangen werden. Randnummer 23 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Behördenakte sowie auf die über die Staatsanwaltschaft Chemnitz beigezogene Akte des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (530 Js 31187/13 OWi) Bezug genommen.
I. Der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2014 wird aufgehoben. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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SG Gotha 10. Kammer
Thüringen
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15.01.2014
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Randnummer 1 Streitig sind die Kosten eines Widerspruchsverfahrens, das zu einer Erhöhung der an die Klägerin erbrachten Leistungen im Zeitraum von Mai bis August 2010 um insgesamt 1,88 € geführt hat. Randnummer 2 Die 1962 geborene Klägerin und ihre Tochter, Jahrgang 1989, bezogen von dem beklagten Jobcenter laufend Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnten bis zum 28. April 2010 gemeinsam eine Mietwohnung in E., für die monatlich eine Gesamtmiete von 400,00 € zu entrichten war, bestehend aus der Kaltmiete in Höhe von 290,00 € nebst Betriebskosten in Höhe von 49,50 € und Heizkosten in Höhe von 60,50 €. Randnummer 3 Nach dem Auszug der Tochter aus dem mütterlichen Haushalt am 28. April 2010 hatte der Beklagte den Änderungsbescheid vom 21. Mai 2010 erlassen. Darin war nach Berücksichtigung von insgesamt 578,82 € Einkommen für den Zeitraum vom 1. bis zum 28. April 2010 zugunsten der Klägerin ein Leistungsbetrag von insgesamt 386,57 € ausgewiesen, während sich die für ihre Tochter bewilligte Leistung auf 0,01 € für Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) beschränkte. Für den Zeitraum vom 29. bis zum 30. April 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin insgesamt 52,16 € (25,93 € Regelleistung und 26,23 € KdU), und vom 1. Mai bis zum 30. September 2010 gleichbleibend 752,53 €, bestehend aus 359,00 € Regelleistung und 393,53 € KdU. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 ließen die Klägerin und ihre Tochter durch ihren Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Überprüfung des Änderungsbescheides vom 21. Mai 2010 gem. § 44 SGB X stellen, den der Beklagte unter dem 15. März 2011 negativ beschied. Dagegen ließen sie mit Schreiben vom 13. April 2011 Widerspruch einlegen und zur Begründung ausführen, der Bescheid sei „bereits wegen des Verstoßes gegen die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II“ rechtswidrig, weil nach dieser Vorschrift (in der damals geltenden Fassung) und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Anspruch auf Rundung der Endzahlbeträge der Leistungen bestehe. Die von dem Beklagten berücksichtigten KdU entsprächen nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Die aus der Regelleistung zu bestreitenden Anteile für die Warmwasserbereitung dürften nicht als Summe, sondern sie müssten für jeden Bewohner individuell von den auf ihn anteilig entfallenden Heizkosten abgezogen werden. Randnummer 5 Der Beklagte wurde auf seine „gesetzliche Pflicht zur umfassenden inhaltlichen und rechtlichen Prüfung und Aufschlüsselung“ verweisen. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2011änderte der Beklagte den Überprüfungsbescheid vom 15. März 2010 ab und erhöhte die an die Klägerin von Mai bis August 2010 gewährten Leistungen um Rundungsdifferenzen von insgesamt 1,88 €. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück und entschied, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen könnten nicht erstattet werden. Randnummer 7 Am 29. August 2011 haben die Klägerin und ihre Tochter beim Sozialgericht Gotha Klage erheben lassen mit den Anträgen, (1) den Beklagten zu verurteilen, ihrem Bevollmächtigten Akteneinsicht durch Übersendung der Leistungsakten zu gewähren, (2) den Überprüfungsbescheid vom 15. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2011 abzuändern und ihnen Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen sowie (3) den Beklagten unter Abänderung der Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2011 zur Übernahme ihrer notwendigen außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu verpflichten und festzustellen, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2012 haben sie klarstellen lassen, dass nur noch die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2011 angefochten werde. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 hat die Tochter der Klägerin die Klage zurückgenommen. Randnummer 8 Die Klägerin lässt vortragen, eine Versagung der Kostenerstattung vor dem Hintergrund des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X sei unbillig, weil der Widerspruch in Bezug auf die Rundung Erfolg gehabt habe. Ein Bagatellisieren von Ansprüchen aus dem SGB II lasse sich nicht aus dem SGG ableiten. Die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten sei erforderlich gewesen. Sie könne nach der Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise verneint werden. Im Bereich des SGB II seien die Rechtsmaterie und Leistungsbescheide in ihrem Regelungsgehalt für einen juristischen Laien oft kaum zu verstehen. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt sinngemäß, Randnummer 10 den Beklagten unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2011 zu verurteilen, ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 11 Der Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Nach seiner Auffassung scheidet eine Kostenerstattungspflicht aus, weil eine umfassende rechtliche und inhaltliche Überprüfung des Bescheides verlangt worden sei und die Klägerin nur in minimaler Höhe von 1,88 € erfolgreich gewesen sei. Randnummer 14 Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 26. April 2013 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.
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VG Greifswald 6. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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20.12.2018
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Randnummer 1 Die Kläger sind armenische Staatsangehörige und wenden sich gegen die abschlägige Bescheidung ihrer Asylanträge. Randnummer 2 Die Kläger reisten eigenen Angaben zufolge am 28. Juli 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 31. Juli 2013 ihre Asylanträge. Randnummer 3 Die Kläger zu 1. und 2. wurden am 28. Oktober 2016 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört. Die Kläger erklärten, sie seien in Armenien gesucht und bedroht worden, nachdem der Kläger zu 1. bei Wahlen im Jahr 2013 Manipulationen gemeldet habe. Der Kläger zu 1. leide zudem an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Angst, Depressionen und Herzproblemen. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 10. Februar 2017, zugestellt am 14. Februar 2017, lehnte das Bundesamt die Asylanträge (Ziffer 2 des Bescheides), die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides) sowie die Anträge auf subsidiären Schutz (Ziffer 3 des Bescheides) ab. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) (Ziffer 4 des Bescheides) nicht vorliegen. Den Klägern wurde die Abschiebung nach „*“ angedroht (Ziffer 5 des Bescheides). Wegen des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf diesen verwiesen (Blätter 138 bis 145 der Verwaltungsvorgänge). Randnummer 5 Bei dem Kläger zu 3. handelt es sich um den am 7. August 2003 geborenen Sohn und bei der Klägerin zu 4. um die am 24. Juni 2007 geborene Tochter der Kläger zu 1. und 2. Randnummer 6 Die Kläger haben am 28. Februar 2017 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen sie ihr bisheriges Vorbringen. Randnummer 7 Die Kläger beantragen, Randnummer 8 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Februar 2017 (Az. 5654275 – 422) zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und Flüchtlingseigenschaften zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen bzw. hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote i.S.d. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. Randnummer 12 Mit Beschluss vom 26. September 2018 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG). Randnummer 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird im Übrigen auf den gesamten Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Dezember 2018 und auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisgrundlagen Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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LG Saarbrücken 14. Zivilkammer
Saarland
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25.10.2018
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Zahlung aus einer Teilkaskoversicherung aufgrund eines vermeintlichen PKW-Diebstahls. Randnummer 2 Auf die Klägerin war der streitgegenständliche PKW Mercedes-Benz SL 320, Fahrgestellnummer ..., Erstzulassung 26.03.1998 unter dem amtlichen Kennzeichen ... zugelassen. Für diesen PKW schloss die Klägerin bei der Beklagten eine Teilkaskoversicherung unter der Versicherungsscheinnummer ... mit Beginn am 26.02.2015 ab. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kraftfahrtversicherung der Beklagten (AKB) zu Grunde. Der Zeuge ..., Freund der Klägerin und vermeintlicher Verkäufer des PKW an sie, erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug seinerseits im November 2014 mit einem vermeintlichen Kilometerstand von 138.000 km zu einem Preis von 8.400,00 €. Am 24.09.2016 wurde durch den Zeugen ... bei der Polizeiinspektion ... der Diebstahl des Fahrzeugs angezeigt. Am 25.09.2016 informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass der streitgegenständliche PKW am Vorabend gestohlen worden sei. Hierauf erhielt sie von der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2016 die Schadenanzeige zur Beantwortung sowie die Anforderung der von der Beklagten benötigten Unterlagen und den Hinweis zur Übersendung der Autoschlüssel. Die Klägerin übersandte der Beklagten die erbetenen Unterlagen mit Ausnahme der TÜV- und AU-Berichte im Original mit dem Hinweis, diese haben sich im gestohlenen PKW befunden. Danach forderte die Beklagte zur Erstellung eines Zeitwertgutachtens des PKW den entwerteten KFZ-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II) sowie sämtliche TÜV- und AU-Berichte des Fahrzeugs und Bilder des Fahrzeugs. Mit Schreiben vom 27.10.2016 zweifelte die Beklagte die von der Klägerin mit 141.000 km angegebene Laufleistung des PKW an, weil sie in der anderthalb Jahren seit des angeblichen Erwerbs nur ca. 2.000 km gefahren sein könne und wies auf weiteren Klärungsbedarf zum Diebstahlhergang hin. Randnummer 3 Die Klägerin antwortete der Beklagten, dass sie die entwertete Zulassungsbescheinigung Teil II nicht aufbewahrt habe, sie nur noch eine Kopie des letzten TÜV-AU-Berichts vorlegen könne, der Kilometerstand korrekt sei, weil sie das Fahrzeug als Wunschwagen erworben und nur als Zweit-/Drittwagen genutzt habe und über die am Fahrzeug bezeichneten Mängel diverse Personen Auskunft geben könnten. Nut Schreiben vom 09.11.2016 forderte die Beklagte den vermeintlichen Verkäufer des PKW, den nunmehrigen Freund der Klägerin Herr ... zur Erteilung von Informationen darüber auf, wie er selbst das Auto erworben habe. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 30.11.2016 lehnte die Beklagte eine Regulierung ab mit der Begründung, dass die Aussagen zur Vorschäden und Kilometerstand in der Schadenmeldung eindeutig falsch seien. Mit Schreiben vom 14.03.2017 forderte die Klägerin die Beklagte letztmalig zur Zahlung auf. Eine Auszahlung durch die Beklagte erfolgte jedoch nicht. Randnummer 5 Die Klägerin behauptet, sie sei die Eigentümerin des Fahrzeugs und somit im hiesigen Verfahren aktivlegitimiert. Sie habe den PKW aufgrund des Kaufvertrags vom 20.02.2015 vom Zeugen ... erworben. Dieser sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihr Freund gewesen, sondern lediglich ihr Mieter, weshalb sie selbst keine Kenntnis über die Umstände des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Zeugen ... gehabt habe. Der Kaufpreis habe 9.500,00 € betragen. Nach Barzahlung dieser Summe habe der Zeuge ... ihr das Eigentum an dem Fahrzeug übertragen und den entsprechenden Fahrzeugbrief ausgehändigt. Das Fahrzeug sei dann am 24.09.2016 zwischen 17:00 Uhr und 22:30 Uhr gestohlen worden. Dies sei auf dem Parkplatz des ... in ... geschehen, während der Zeuge ... mit dem Fahrzeug das Oktoberfest in ... besucht habe. Die Angaben, die sie gegenüber der Beklagten hinsichtlich des Zustands des Fahrzeugs, dessen Erwerb und dem Diebstahl gemacht habe, seien allesamt korrekt. Nach Erwerb des Fahrzeugs sei dieses aufbereitet worden, sodass es zum Zeitpunkt des Diebstahls einen Verkehrswert von 19.900,00 € gehabt habe, was sich aus einem Vergleich des konkreten Fahrzeugs mit einer einschlägigen Fahrzeugwerttabelle ergebe. Diese Wertsteigerung seit Erwerb des Fahrzeugs sei auch plausibel, weil es einen „Youngtimer“ darstelle, hinzu verfüge es über umfangreiche Sonder- bzw. Vollausstattung. Im Jahr 2013 habe das Fahrzeug bereits eine Laufleistung von über 640.000 km aufgewiesen, sodass es in den Jahren 2013 und 2014 jeweils ca. 30.000 km gefahren worden sein müsse. Alle Mängel, die sich aus den TÜV-Berichten ergeben, seien vor dem Diebstahl vollumfänglich beseitigt worden. Einen Wildschaden zur Zeit eines Vorbesitzers habe es nicht gegeben. Randnummer 6 Die Klägerin ist der Ansicht, für sie spreche als Besitzerin die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt, Randnummer 8 die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.990,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2017 zu zahlen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, denn sie sei nicht Eigentümerin des streitgegenständlichen PKW. Dieses sei vielmehr nur zum Schein auf sie zugelassen gewesen. Hinzu komme, dass sich die Klägerin und der Zeuge ... hinsichtlich der (Vor-)Erwerbsumstände widersprechen: Während die Klägerin selbst außergerichtlich gegenüber der Beklagten erklärt habe, sie habe das Fahrzeug vom Zeugen ... erworben und dieser sei zu diesem Zeitpunkt nicht ihr Freund, sondern nur ihr Mieter gewesen, habe der Zeuge ... bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, die Klägerin selbst habe das Auto im Jahr 2014 in ... gekauft und er sei dabei zugegen gewesen. Die Umstände des Diebstahls bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Das Auto habe zu diesem Zeitpunkt auch keinen Zeitwert von 19.900,00 € gehabt, eine Wertsteigerung von über 10.000,00 € seit November 2014 sei nicht erklärbar. Unter einem Vorbesitzer des Fahrzeugs, dem Zeugen ..., habe das Fahrzeug bereits im Jahr 2013 eine Laufleistung von über 640.000 km aufgewiesen sowie einen Wildschaden erlitten. Sämtliche werterhöhende Maßnahmen an dem Fahrzeug seit dem angeblichen Erwerb durch die Klägerin bzw. den Zeugen ... werden mit Nichtwissen bestritten, ebenso die fachgerechte Beseitigung des Wildschadens. Randnummer 12 Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin könne sich in Anbetracht der zweifelhaften Erwerbsumstände und dem Vortrag, der Zeuge ... habe am Tag des vermeintlichen Diebstahls das Auto genutzt, sich nicht auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen, da sie bereits nicht Besitzerin des Fahrzeugs gewesen sei. Randnummer 13 Die mündliche Verhandlung fand am 13.09.2018 statt. Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... . Randnummer 14 Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
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ArbG Kassel 5. Kammer
Hessen
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27.06.2007
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers in der Zeit ab dem 01. Januar 2007. Randnummer 2 Der Kläger ist seit dem 01. Mai 2004 als Arzt in der Hautklinik der Beklagten beschäftigt. Vom 01. Mai 2004 bis 31. Dezember 2006 war der Kläger zunächst befristet auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 02. Februar 2004 (Bl. 8 – 11 d. A.) sowie des Zusatzvertrages vom 02. Juni 2006 (Bl. 13 d. A.) als Assistenzarzt für die Weiterbildung auf dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten tätig und nahm ab dem 01. Oktober 2005 auch am Rufbereitschaftsdienst der Hautklinik teil (Bl. 12, 14 d. A.). Randnummer 3 Mit Schreiben vom 06. Juni 2006 (Bl. 210 d. A.) stellte die Beklagte dem Kläger für den Fall seiner Facharztanerkennung die unbefristete Weiterbeschäftigung als Oberarzt in Aussicht. Randnummer 4 Am 20. Dezember 2006 schloss der Kläger die Weiterbildung zum Facharzt erfolgreich ab. Noch am gleichen Tage übertrug die Beklagte ihm "mit Wirkung vom 01. Januar 2007 widerruflich die Funktion eines Oberarztes in der Hautklinik". Auf das diesbezügliche Schreiben der Beklagten vom 20. Dezember 2006 (Bl. 18 d. A.) wird inhaltlich Bezug genommen. Randnummer 5 Seit dem 01. Januar 2007 ist der Kläger nunmehr unbefristet auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 20. Dezember 2006/03. Januar 2007 (Bl. 15 ff. d. A.) als Facharzt in der Hautklinik tätig und erhält eine monatliche Grundvergütung in Höhe von 4.450,00 € brutto in Entsprechung zur Entgeltgruppe II Stufe 1 (Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit) des Tarifvertrages für Ärzte und Ärztinnen an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA). Dieser Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Randnummer 6 Die Hautklinik der Beklagten verfügt über drei Stationen mit insgesamt 84 Betten. Das ärztliche Team besteht aus dem Direktor der Hautklinik, Herrn Prof. Dr. R, der Leitenden Oberärztin Dr. J, dem Kläger sowie 12 Assistenzärzten. Leistungsschwerpunkte der Hautklinik sind die "Operative Dermatologie" sowie die "Konservative Dermatologie". Die "Operative Dermatologie" verfügt neben mehreren eigenen Operationssälen auch über eigene Toiletten, einen eigenen Aufenthaltsraum, einen eigenen Umkleidebereich und mehrere eigene Lagerräume. Sie hat außerdem eine eigene pflegerische Leitung sowie eine eigene übergeordnete Pflegedienstleitung. Ein Austausch der Pflegekräfte zwischen der "Operativen Dermatologie" und der "Konservativen Dermatologie" findet nicht statt. Die "Operative Dermatologie" ist im Kostenstellenplan der Beklagten durch eine eigene Kostenstelle ausgewiesen (vgl. Bl. 183, 184 d. A.). Randnummer 7 Der Kläger ist im Rahmen seiner Tätigkeit in der Hautklinik ausschließlich in der "Operativen Dermatologie" eingesetzt. Er ist durchschnittlich 7 Stunden am Tag im Operationssaal tätig, betreut die schwierigen Fälle und führt regelmäßig die komplexeren Prozeduren durch. Darüber hinaus leitet er regelmäßig die Oberarztvisiten in der "Operativen Dermatologie" und ist zuständig für die eigenverantwortliche Gestaltung der Dienst- und Operationspläne, für die Einbestellung der Patienten und die Erstellung von Behandlungspfaden. Die Leitende Oberärztin Dr. J ist dagegen überwiegend auf dem Gebiet der "Konservativen Dermatologie" tätig und operiert lediglich ausnahmsweise im Vertretungsfall. Randnummer 8 Der Kläger meint, er sei entsprechend der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu vergüten. Da die Beklagte ihm mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 ausdrücklich die Funktion eines Oberarztes übertragen habe, sei das Tätigkeitsmerkmal "Oberärztin/Oberarzt" dieser Entgeltgruppe erfüllt, ohne dass es auf die in der Protokollerklärung zu § 16 c) TV-Ärzte/VKA genannten weiteren Tätigkeitsmerkmale ankomme. Denn bei der Verleihung des oberärztlichen Titels bzw. der Übertragung oberärztlicher Funktionen sei nach dem Willen der Tarifvertragsparteien stets die Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA einschlägig. Abgesehen davon erfülle er jedoch auch die Tätigkeitsmerkmale der Protokollerklärung zu § 16 c) TV-Ärzte/VKA. Denn angesichts der gegebenen räumlichen, personellen und wirtschaftlichen Organisation handele es sich bei der "Operativen Dermatologie" jedenfalls um einen selbstständigen Teilbereich der Hautklinik. Ergänzend sei insoweit zu berücksichtigen, dass es mit der "Deutschen Gesellschaft für Dermatochirurgie" eine eigene Fachgesellschaft für den Bereich "Operative Dermatologie" gebe und der Erwerb der Facharztbezeichnung auf dem Gebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten im Wesentlichen vom Nachweis verschiedenster Operationsleistungen abhänge (vgl. den Leistungskatalog Dermatologie, Bl. 171 – 182 d. A.). Mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 sei ihm darüber hinaus auch die medizinische Verantwortung für einen selbstständigen Teilbereich der Hautklinik übertragen worden. Randnummer 9 Der Kläger hat zunächst die Feststellung begehrt, dass ihm seit dem 01. Dezember 2006 eine der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA entsprechende Vergütung zustehe. Unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt er nunmehr, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm seit dem 01. Januar 2007 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III Entgeltstufe 1 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Die Beklagte meint, der Kläger erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA nicht. Denn bei der "Operativen Dermatologie" handele es sich nicht um einen selbstständigen Teil- oder Funktionsbereich der Hautklinik. Da weder die Größe noch die Organisation der Hautklinik die Unterteilung in mehrere abgrenzbare Teilbereiche erfordere, habe sie bewusst auf deren Einrichtung verzichtet. Die medizinische Verantwortung für die Hautklinik liege daher allein und uneingeschränkt beim Klinikdirektor. Mit dem Schreiben vom 20. Dezember 2006 habe sie dem Kläger angesichts dessen Teilnahme am Rufbereitschaftsdienst sowie in Erfüllung der Zusage vom 06. Juni 2006 lediglich den Titel eines Oberarztes übertragen wollen, nicht aber die medizinische Verantwortung für einen Teilbereich der Hautklinik. Der Kläger sei daher berechtigt, den Titel "Oberarzt" zu führen; er habe aber keinen Anspruch auf eine Vergütung gemäß Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA. Randnummer 12 Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01. Januar 2007 Vergütung nach der Entgeltgruppe III Stufe 1 (Oberärztin/Oberarzt) des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 43.200,00 € festgesetzt.
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VG Darmstadt 8. Kammer
Hessen
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11.06.2008
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus dem von den Beteiligten im Verfahren 8 E 2134/05 (2) geschlossenen Prozessvergleich in Form der Vollziehung der ausländerrechtlichen Verfügung der Beklagten vom 16.11.2005. Randnummer 2 Der am 26.12.1980 im Bundesgebiet geborene Kläger ist mazedonischer Staatsangehöriger. Er lebt seit seiner Geburt durchweg im Bundesgebiet und war seit dem 28.05.1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Randnummer 3 Nachdem der Kläger im Jahr 1997 wegen räuberischer Erpressung zu einer Geldstrafe, im Jahr 1999 wegen gemeinschaftlich versuchter räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten und im Jahr 2001 wegen Diebstahls in drei Fällen im besonders schweren Fall unter Einbeziehung des letztgenannten Urteils zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war, wurde der Kläger im Jahr 2004 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung und in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, nachfolgend wegen Beförderungserschleichung zu einer Geldstrafe und schließlich ebenfalls noch im Jahr 2004 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Aufgrund dieses Verhaltens des Klägers wies die Beklagte ihn mit Verfügung vom 16.11.2005 aus und drohte ihm die Abschiebung nach Mazedonien an. Sie vertrat die Auffassung, dass ein Fall der zur Regelausweisung abgestuften Istausweisung vorliege und keine Besonderheiten ersichtlich seien, die ein Abweichen von der Regel gebieten würden. Randnummer 4 Der Kläger hatte hiergegen beim erkennenden Gericht Klage erhoben (Az.: 8 E 2134/05) und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass bei ihm kein Ausnahmefall vom Regelfall der Ausweisung vorliege. Besondere Umstände ergäben sich bei ihm nämlich daraus, dass ihm Mazedonien vollkommen fremd sei, er sei noch nie dort gewesen und spreche auch nicht die mazedonische Sprache. Er habe in Mazedonien keinerlei Verwandte oder Bekannte, im Bundesgebiet stünde ihm seine Familie in seinen Resozialisierungsbemühungen zur Seite. Randnummer 5 Mit Beschluss vom 29.12.2005 schlug das Gericht den Beteiligten zu Beendigung des damaligen Rechtsstreits folgenden Vergleich vor: 1. Die Beklagte setzt die Vollziehung der Verfügung vom 16.11.2005 für die Dauer von zwei Jahren aus. 2. Die Beklagte erteilt dem Kläger während dieser Zeit Duldungen, die ihm die Aufnahme einer Beschäftigung ermöglichen. 3. Sofern der Kläger sich während der Dauer der Aussetzung der Vollziehung straffrei hält, wird die Beklagte die Wirkungen der Ausweisung vom 16.11.2005 befristen und dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilen. Die Aufenthaltserlaubnis wird im Hinblick auf die Stellung des Klägers als faktischer Inländer im Hinblick auf das hieraus ergebende Ausreisehindernis nach Art. 8 EMRK fortlaufend verlängert, sofern der Kläger die Erteilungsvoraussetzung erfüllt, sich insbesondere nicht erneut strafbar gemacht hat. 4. Sofern der Kläger sich während des geduldeten Zeitraums von zwei Jahren strafbar machen sollte, ist die Beklagte berechtigt, ihn unmittelbar aufgrund der Verfügung vom 16.11.2005 abzuschieben. Die Abschiebung ist dem Kläger mindestens einen Monat vorher anzukündigen. 5. Der Kläger betreibt das Verfahren 8 E 2134/05(2) nicht weiter. 6. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; die Beklagte verzichtet auf die Geltendmachung außergerichtlicher Kosten. 7. Dieser Vergleich wird wirksam, sobald die Beteiligten ihn innerhalb einer Frist von zwei Wochen durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Gericht angenommen haben. Randnummer 6 Diesen Vergleichsvorschlag nahmen der bereits damals von seinem jetzigen Bevollmächtigten vertretene Kläger am 23.01.2006 mit Schreiben vom 20.01.2006 und die Beklagte am 19.01.2006 mit Schreiben vom 18.01.2006 an. Randnummer 7 Am 21.05.2006, rechtskräftig seit dem 08.06.2006, wurde der Kläger vom Amtsgericht Groß-Gerau wegen Beförderungserschleichung zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verurteilt (Az.: M1106 1440 Js 16414/06 34 Cs). Tag der (letzten) Tat war der 03.02.2006. Randnummer 8 Des Weiteren wurde der Kläger am 20.08.2007, rechtskräftig seit dem 28.08.2007, vom Amtsgericht A-Stadt wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt (Az.: 4 Ds 108 Js 12282/06). Der Kläger hatte am 24.08.2006 zweimal eine Flasche „Jägermeister“ im Wert von 14,99 EUR entwendet. In Haft befindet er sich, auch zur Verbüßung anderer (vormals zur Bewährung ausgesetzter) Freiheitsstrafen, seit dem 16.08.2007. Randnummer 9 Nachdem ihr die erneute Verurteilung des Klägers bekannt geworden war, kündigte die Beklagte dem Kläger unter dem 08.10.2007 die Abschiebung an. Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18.10.2007 Widerspruch und rügte, dass es sich bei dieser Ankündigung um keine ordnungsgemäße Abschiebungsandrohung handele, die aber aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleiches notwendig sei. Die Beklagte führte hiergegen an, dass es keiner neuen Abschiebungsandrohung bedürfe, weil lediglich der Vollzug der bereits ergangenen Abschiebungsandrohung ausgesetzt gewesen sei und die bereits ergangene Abschiebungsandrohung auch nicht aus anderen Gründen verbraucht sei. Randnummer 10 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 31.10.2007 machte der Kläger sodann Abschiebungshindernisse geltend. Es sei zwar zutreffend, dass in seiner Familie serbokroatisch gesprochen worden sei und dass er diese Sprache auch noch gebrochen sprechen könne. In Mazedonien werde jedoch eine andere Sprache gesprochen, die er nicht beherrsche. Weiterhin führte er aus, dass für ihn keinerlei Ansätze für eine Integration in Mazedonien bestünden, die dort lebenden Verwandten habe er nie kennengelernt und auch ansonsten fehle es an Anknüpfungspunkten. Ferner behauptete der Kläger, dass er vor seiner letzten Inhaftierung bei der Suchtberatung der Caritas in A-Stadt vorgesprochen habe, um eine Suchttherapie einzuleiten und beanspruchte für sich, dass ihm die Chance eröffnet werden müsse, eine Suchttherapie zu machen. Sein desolater Zustand vor seiner neuerlichen Inhaftierung, von Alkoholmissbrauch geprägt, sei darauf zurückzuführen, dass er bei keinem Arbeitgeber habe Fuß fassen können und auch keine dauerhafte Beziehung habe eingehen können, weil er nur noch über Duldungen verfügt habe. Das Vorliegen einer Suchtproblematik war zuvor nicht aktenkundig geworden, insbesondere vom Kläger nicht behauptet worden. Ein Nachweis hierüber liegt nicht vor. Randnummer 11 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 09. und 12.11.2007 bat der Kläger um eine Ergänzung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleiches in Form einer Therapieauflage und stützte dieses Begehren auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/03. Er vertrat die Auffassung, dass sein Fall dem der dortigen Entscheidung zugrundeliegenden parallel gelagert sei. Auch er sei faktischer Inländer und seine Straftaten stünden durchweg in Bezug zu seiner Suchterkrankung (Drogen und Alkohol). Eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung gebiete daher, dass ihm eine Therapiechance eingeräumt werde, weil erst nach einem Ausschöpfen dieses letzten Mittels das Begehen einer Straftat die Feststellung zulasse, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK aus Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig ist. Randnummer 12 Die Beklagte lehnte die begehrte Abänderung des mit dem Kläger geschlossenen Prozessvergleiches ab und hielt an ihrer Absicht, den Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet zu beenden, fest, woraufhin der Kläger am 05.12.2007 die vorliegende Klage erhoben hat, mit der er sich in der Sache weiterhin gegen die Zwangsvollstreckung aus dem von den Beteiligten im Verfahren 8 E 2134/05 (2) geschlossenen Prozessvergleich in Form der Vollziehung der ausländerrechtlichen Verfügung der Beklagten vom 16.11.2005 wendet. Er vertritt die Auffassung, dass entweder die sich aus dem Prozessvergleich ergebenden Voraussetzungen für die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung nicht vorlägen oder der Prozessvergleich nichtig sei. Randnummer 13 Ersteres ergäbe sich, so der Kläger, wenn der von den Beteiligten geschlossene Prozessvergleich berichtigend dahin auszulegen sei, dass die Vollziehung der Abschiebungsandrohung erst zulässig sein soll, wenn dem Kläger eine Therapieauflage erteilt worden sei und er trotz Therapie erneut in relevantem Maße straffällig würde. So ergebe sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an eine Ausweisungsverfügung, die den Schutzbereich des Art. 8 EMRK tangiert, dass nicht mehr generalisierend auf die Verurteilung wegen einer Straftat abgestellt werden dürfe, sondern eine einzelfallbezogene Interessenabwägung geboten sei. Randnummer 14 Ohne diese korrigierende Auslegung sei der von den Beteiligten geschlossene Prozessvergleich in seinem Punkt 4 nichtig. Dies begründe sich zunächst schon darauf, dass die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmende Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht durch den Prozessvergleich habe vorweggenommen werden können. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einem Vergleich nicht zugänglich; das Bundesverwaltungsgericht habe klargestellt, dass ein Verzicht auf eine Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht zulässig sei. Randnummer 15 Des Weiteren sei eine inhaltsgleiche Verfügung ohne Einzelfallprüfung und Interessenabwägung rechtswidrig, weil es nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit geboten sei, dem Kläger trotz des Bewährungsbruchs eine Therapiemöglichkeit einzuräumen, weil bei ihm eine Suchtproblematik vorliege, zuletzt habe er ein Alkohol- und Kokainproblem gehabt. Bereits vor seiner letzten Inhaftierung habe er sich bei der Caritas in A-Stadt um eine Therapie bemüht und sei schon für eine ambulante, geschlossene Alkoholtherapie nach seiner Haftentlassung vorgemerkt. In der Justizvollzugsanstalt nehme er seit März/April 2008 an einer Gruppe für Alkoholgefährdete und Alkoholkranke teil. Randnummer 16 Mit dem Einwand der (Teil -)Nichtigkeit des von den Beteiligten geschlossenen Prozessvergleiches sei der Kläger auch nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, weil das Problem der Beschaffungskriminalität beim Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch nicht erkannt gewesen sei und sich hieraus das Erfordernis ergebe, dem Kläger trotz Bewährungsversagen eine Therapiechance einzuräumen. Randnummer 17 Wegen der Klagebegründung im Weiteren wird auf das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers Bezug genommen. Randnummer 18 Der Kläger beantragt, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 4 des Prozessvergleichs des VG Darmstadt vom 29.12.2005 – 8 E 2134/05 (2) – für unzulässig zu erklären. Randnummer 19 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen Randnummer 20 und beruft sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass der Vergleich wirksam, vollziehbar und auch für den Kläger bindend sei. Insbesondere lägen die danach bestehenden Voraussetzungen für die Vollziehung der gegen den Kläger mit der Ausweisungsverfügung vom 16.11.2005 ergangenen Abschiebungsandrohung vor. Randnummer 21 Wegen der Ausführungen der Beklagten im Einzelnen wird auf ihr schriftsätzliches Vorbringen Bezug genommen. Randnummer 22 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Behördenvorgänge sowie der ebenfalls beigezogenen Gerichtsakte 8 E 2134/05 (2) Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer
Berlin
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20.01.2021
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Randnummer 1 Die Parteien streiten – soweit für die hiesige Entscheidung noch von Relevanz – ausschließlich noch über die Zahlung von Arbeitsentgelt für den Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 10.525,44 € brutto nebst Zinsen. Randnummer 2 Eine ursprünglich erhobene Kündigungsschutzklage ist von der Klägerin erstinstanzlich im Termin am 29.07.2020 zurückgenommen worden. Soweit das Arbeitsgericht Potsdam die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin eine Abfindung i.H.v. 35.523,36 € zu zahlen, hat die Klägerin diesen Teil ihrer Klage vor dem Berufungstermin zurückgenommen, wobei die Beklagte zugestimmt hat. Die von der Beklagten mit der Berufungsbegründungsschrift hilfsweise erhobene Widerklage ist von beiden Parteien vor der hiesigen Entscheidung übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Randnummer 3 Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten seit dem 01.09.1992 als „Krankenschwester im Nachtdienst“ in einer Rehabilitationsklinik für Kinder. Sie war ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt und hat zuletzt monatlich 2.631,36 € brutto verdient. Mit Schreiben vom 26.06.2019 (Bl. 8 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.01.2020 und stellte sie ab 01.09.2019 unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Randnummer 4 Am 10.07.2019, reichte die Klägerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Potsdam ein, die sie später auch um den hiesigen Zahlungsantrag erweiterte. Mit Schreiben vom 09.07.2019 (Bl. 99f d.A.), welches die Klägerin am 12.07.2019 erhielt, unterbreitete die Beklagte der Klägerin ein Überleitungsangebot zu einem Arbeitsverhältnis bei einem Schwesterunternehmen. Ein modifiziertes Angebot unterbreitete die Beklagte mit Schreiben vom 20.08.2019 (Bl. 76f d.A.). Die Klägerin lehnte beide Angebote ab. Mit Schreiben vom 17.10.2019 (Bl. 203ff d.A.) wies die Beklagte die Klägerin auf verschiedene Stellenangebote des Klinikums Ernst von Bergmann hin und stellte ihr anheim, sich dort kurzfristig um einen Arbeitsplatz zu bewerben. Die Klägerin bewarb sich dort mit einem allgemeinen Bewerbungsschreiben. Die Klinik bot ihr keine Tätigkeit an, die mit der Tätigkeit einer Nachtschwester in einer Rehabilitationsklinik vergleichbar war. Die Klägerin bewarb sich erfolglos um weitere Stellen. Insofern wird auf die Seiten 4f ihres Schriftsatzes vom 10.02.2020 Bezug genommen. Am 01.02.2020 hat sie eine Stelle als Dauernachtwache im A in Potsdam angetreten. Randnummer 5 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 6 1. … Randnummer 7 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.525,44 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.262,72 € seit dem 01.12.2019 und aus 5.262,72 € seit dem 01.02.2020 zu zahlen. Randnummer 8 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne nicht mit Erfolg Annahmeverzugslohnansprüche geltend machen, da sie es böswillig unterlassen habe, Verdienst zu erzielen. Randnummer 11 Mit Urteil vom 29.07.2020 hat das Arbeitsgericht Potsdam auch der Vergütungsklage stattgegeben. Die Beklagte müsse die Vergütung gemäß §§ 611, 615 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag zahlen. Zwischenverdienst sei nicht erzielt worden. Die Klägerin habe einen solchen Verdienst auch nicht böswillig unterlassen. Die beiden unterbreiteten Übernahmeangebote seien nicht vertragsgemäß gewesen. Randnummer 12 Auch hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält an ihren erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassungen fest und ist deswegen der Ansicht, dass das erstinstanzliche Urteil fehlerhaft sei. Es liege kein Annahmeverzug vor. Da die Klägerin die Übernahmeangebote abgelehnt habe, werde ersichtlich, dass sie in der Zwischenzeit nicht leistungswillig gewesen sei. Jedenfalls habe sie möglichen Zwischenverdienst böswillig unterlassen. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts komme es nicht darauf an, dass das unterbreitete Arbeitsangebot vertragsgemäß sein müsse. Es liege auch kein Erlassvertrag vor. Durch Erhebung der Kündigungsschutzklage habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie arbeiten wolle. Insofern habe sie das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages jedenfalls konkludent abgelehnt. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, Randnummer 14 das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29.07.2020 (AZ.: 6 Ca 1014/19) abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Die Klägerin beantragt, Randnummer 16 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Die Klägerin behauptet, das Angebot für die Tätigkeit in Kladow hätte sie schon deswegen nicht annehmen können, weil ihr dazu die Fähigkeiten gefehlt hätten. Sie habe zwar den Beruf der Krankenschwester erlernt, sei bei der Beklagten aber in der Überwachung und Betreuung psychisch kranker Kinder eingesetzt gewesen. Insofern habe sie teilweise ihre ursprünglichen Kenntnisse „verlernt“, zumal ihr in der Vergangenheit auch keine Weiterbildungsangebote unterbreitet worden waren.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29.07.2020 - 6 Ca 1014/19 - wird zurückgewiesen. II. Das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 29.07.2020 - 6 Ca 1014/19 - wird hinsichtlich der Ziff. 1. für wirkungslos erklärt. III. Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz haben die Beklagte bei einem Streitwert von 53.942,88 EUR 20 % und die Klägerin 80. % zu tragen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits der 2. Instanz bei einem Streitwert von 48.048,80 EUR haben die Beklagte 23 % und die Klägerin 77 % zu tragen. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin, hinsichtlich derer das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bereits das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt hat, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes. 2 Die nach eigenen Angaben am ... geborene, aus der Provinz Kabul in der Zentralregion Afghanistans stammende Klägerin ist afghanische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und gehört dem Volke der Tadschiken an. Sie reiste am 12.11.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21.12.2015 einen Asylantrag. 3 Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt am 17.11.2016 trug die Klägerin zu ihren persönlichen Verhältnissen und Asylgründen im Wesentlichen vor, Afghanistan mit ihrer Familie bereits im Alter von etwa fünf Jahren verlassen und anschließenden für 14 Jahre im Iran gelebt zu haben. Ihre Eltern seien im Jahr 2001 mit ihr aus Afghanistan ausgereist, weil ihr Vater von den Taliban gezwungen worden sei, den Wohnort des Schwiegersohns seines Onkels zu verraten. Dieser sei dann von den Taliban ermordet worden. Die Familie des Ermordeten habe daraufhin ihrem Vater gedroht, ihn umzubringen. Aus Angst habe deshalb die gesamte Familie Afghanistan in Richtung Iran verlassen. Im Iran seien dann später ihr Bruder und ihr Vater angesprochen worden, in Syrien in den Krieg zu ziehen, ansonsten würde die Familie nach Afghanistan abgeschoben. Der Vater habe zunächst einem Kriegseinsatz zugestimmt, die Kinder hätten aber auf ihn eingeredet, dies nicht zu tun und wieder nach Afghanistan zurückzukehren. Ihre Eltern hätten allerdings eine Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der Bedrohung durch die Familie des Ermordeten ausgeschlossen. Deshalb habe man sich entschlossen, den Iran zu verlassen. 4 Mit Bescheid vom 13.05.2017, zugestellt am 16.05.2017, lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Ziffer 4). 5 Die Klägerin hat am 30.05.2017 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. 6 Die Klägerin beantragt, 7 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesamts vom 13.05.2017 zu verpflichten, 8 1. ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen; und 2. hilfsweise ihr subsidiären Schutz zuzuerkennen. 9 Die Beklagte beantragt, 10 die Klage abzuweisen. 11 Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Bescheid. 12 Die Klägerin wurde in der mündlichen Verhandlung zu ihren Gründen angehört. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. 13 Dem Gericht lag die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Bundesamts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 3. Kammer
Hessen
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08.09.2006
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Rückzahlung einer „Ausbildungsgebühr“ sowie über den Fortbestand eines „Lehrlingsvertrages“. Randnummer 2 Der Beklagte betreibt ein Tattoo- und Piercing-Studio. Die am .... Juni 1970 geborene Klägerin trat Ende 2003 in Kontakt zu dem Beklagten, weil sie diese Tätigkeit erlernen wollte, um eine sog. Ich-AG zu gründen. Deshalb hatte sie sich bereits im November 2003 einen Gewerbeschein zur Ausübung der Tätigkeit als Tätowiererin besorgt. Die Parteien vereinbarten einen Lehrlingsvertrag, insoweit wird auf Bl. 22 d.A. Bezug genommen, über eine 12-monatige Ausbildung. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen: 3. Der Lehrling steht in einem Ausbildungsverhältnis mit A Tattoo + Piercing. Der Lehrling darf nur das Erlernte unter Aufsicht und mit Einverständnis des Kunden ausüben. Die bei A Tattoo + Piercing gesehenen Arbeitsabläufe dürfen von Lehrling ohne abgeschlossene Ausbildung mit Zertifikat nicht ausgeübt werden. 9. Der Lehrling darf im Umkreis von fünfzig Kilometer von A Tattoo und Piercing keine selbständige oder anderweitig berufsbezogene Tätowier- oder Piercingarbeiten ohne schriftliches Einverständnis von A Tattoo + Piercing ausüben, sonst tritt Punkt 7. dieses Vertrages ein. 12. Die Ausbildungsgebühr in Höhe von € 14.000,00 (i.W.: vierzehntausend Euro), ist bei Antritt zur Ausbildung zu zahlen und beinhaltet die theoretische Ausbildung mit Lehrbüchern und Fachliteratur, praktische Ausbildung inklusive Verbrauchsmaterialien zu Übungszwecken; Dozent-Gebühren und die Erstanschaffung aller benötigten Geräte und Instrumente um nach Abschluss sofort selbständig arbeiten zu können. Randnummer 3 In der Ausbildungsgebühr enthalten war Ausbildungsmaterial gemäß der Aufstellung Bl. 20, 21 d.A. im Wert von € 3.941,00 sowie Verbrauchsmaterialien für praktische Übungen, Fachliteratur, Tattoo- Vorlagen und EDV-Unterstützung für € 1.059,00. Randnummer 4 Der Beklagte überreichte der Klägerin einen Ausbildungsplan (Bl. 18, 19 d.A.). Danach sollten 220 Stunden allgemeine medizinische Grundlagen, 40 Stunden spezielle Notfallmedizin, 20 Stunden Herz, Lungen, Wiederbelebung, 60 Stunden Berufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde sowie 30 Stunden praktische Schulung unterrichtet werden. Ferner war eine Praktikumszeit von 600 Stunden vorgesehen, während der 30 Fallberichte geschrieben werden sollten. Im Anschluss hieran sollte eine Prüfung abgelegt werden. Bei Bestehen der Prüfung sollte hierüber ein Zertifikat erteilt werden. Randnummer 5 Nach erfolgter Zahlung der Ausbildungsgebühr nahm die Klägerin Ende März 2004 die Ausbildung auf. In der Folgezeit wurde sie vom Beklagten täglich etwa 4 Stunden in dessen Tattoo- und Piercing-Studio ausgebildet. Die zeitliche Lage der Ausbildung richtete sich nach den Wünschen der Klägerin, insbesondere danach, zu welchen Zeiten eine Betreuung ihres Kindes gewährleistet war. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 30. August 2004 (Bl. 27 - 30 d.A.) erklärte die Klägerin die Anfechtung des Lehrlingsvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangte die Rückzahlung der Ausbildungsgebühr bis spätestens 15. September 2004. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sie durch falsche Angaben zum Abschluss des Lehrlingsvertrages veranlasst. Ferner seien die ihr übergebenen Tätowiermaschinen in mangelhaftem Zustand gewesen. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 14.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 16.09.2004 zu bezahlen; 2. festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertragliche Beziehung im Sinne eines „Lehrlingsvertrages“ besteht. Randnummer 8 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Der Beklagte hat bestritten, die Klägerin bei Vertragsschluss arglistig getäuscht zu haben. Randnummer 10 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Rechtsmittel der Berufung. Randnummer 11 Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr gesagt, dass sie das von ihm vergebene Zertifikat benötige, um ein eigenes Studio zu eröffnen. Die Klägerin ist der Auffassung, für die Rechtsbeziehung der Parteien gelte § 19 BBiG a.F., mit der Folge, dass nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG a.F. die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung nichtig sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Feststellungsantrag zulässig. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass bei einem Fortbestand der Vertragsbeziehung sich die Klägerin einem Wettbewerbsverbot ausgesetzt sehe. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 10. August 2005 - 1 Ca 43/05 - abzuändern und 1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 14.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 16. September 2004 zu zahlen; 2. festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertragliche Beziehung im Sinne eines „Lehrlingsvertrags“ besteht. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Der Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 19 BBiG a.F. lägen hier nicht vor. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 10. August 2005 – 1 Ca 43/05 – abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 EUR (in Worten: Vierzehntausend und 00/100 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 16. September 2004 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertragliche Beziehung im Sinne eines "Lehrlingsvertrages" besteht. Die Klägerin hat vorab die durch die Anrufung des Landgerichts Hanau entstandenen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Die Revision wird zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 3. Senat
Hessen
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12.02.2020
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Die Beteiligten streiten seit vielen Jahren um die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle in der sogenannten Halle 15. Die Klägerin ist ein internationales Logistikunternehmen, das sich auf den Transport radioaktiver Stoffe spezialisiert hat, für die sie über Lagereinrichtungen verfügt. Das Grundstück Hanau-Wolfgang, X...straße ... (vormals teilweise Y...straße ...), Flur ..., Flurstück …/…., auf dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1102.1 „Nord-Ost/Technologiepark“ vom 25. September 2017, öffentlich bekannt gemacht am 11. Oktober 2017, der für diesen Bereich ein Gewerbegebiet festsetzt. Auf dem Grundstück befindet sich die sogenannte Halle 15, in der die radioaktiven Abfälle zwischengelagert werden sollen. Hinsichtlich der planungsrechtlichen Historie hat das Plangebiet folgende Entwicklung genommen: Am 18. November 1976 trat der Bebauungsplan Nr. 1102 „Industriegebiet südöstlich der B 43“ in Kraft. Bei diesem Plan handelte es sich um einen einfachen Bebauungsplan, der für den fraglichen Bereich weder Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen noch zu den öffentlichen Verkehrswegen vorgesehen hatte und sich auf die Festsetzung eines Industriegebietes mit einer GRZ von 0,7 und einer BMZ von 7,0 beschränkte. Hintergrund dieser Festsetzung war die Tatsache, dass das 21 ha große Plangebiet unter der damaligen Adresse Y...straße ... von einer einheitlichen Nutzergruppe in Anspruch genommen und das Gelände von dieser mit eigenen Werksstraßen und Versorgungsleitungen ausgestattet worden war. Nach Aufgabe der Brennelementeproduktion im Plangebiet (D... und E.../ Atomdorf Hanau- Wolfgang) beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 10. Juli 2006 die Änderung des Bebauungsplans Nr. 1102 „Industriegebiet südöstlich der B 43“ und den Erlass einer Veränderungssperre. Beide wurden am 22. Juli 2006 und erneut am 23. Dezember 2006 öffentlich bekannt gemacht. Am 3. Dezember 2007 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten eine erneute Veränderungssperre mit einem generellen Ausschluss der Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle. Gleichzeitig hob sie die Veränderungssperre vom 10. Juli 2006 auf. Unter dem 18. August 2008 fasste die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten einen weiteren Beschluss, nach dem für die Bereiche Kaserne Wolfgang, Industriepark Wolfgang und Siemens-Technologiepark ein Masterplan, bestehend aus drei Teilrahmenkonzepten, für die Gesamtentwicklung des Industriestandortes Hanau-Wolfgang erarbeitet werden sollte. Als erste Stufe dieser Masterplanung wurde durch die „A.ST. Steinebach Angewandte Stadtforschung GmbH“ ein städtebauliches Rahmenkonzept für den Bereich Siemens-Technologiepark aufgestellt, dem die Stadtverordnetenversammlung am 27. Oktober 2008 zustimmte. Daraufhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 15. Dezember 2008 eine weitere Veränderungssperre sowie die Änderung des Aufstellungsbeschlusses vom 10. Juli 2006 auch hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereiches. Dieser Bebauungsplanentwurf erhielt nunmehr die Bezeichnung Bebauungsplan Nr.1102.1 „Nord-Ost/Technologiepark“. Zugleich wurde die Veränderungssperre vom 3. Dezember 2007 aufgehoben. Am 2. Februar 2009 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten nochmals die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1102.1 „Nord- Ost/Technologiepark“. Der Satzungsbeschluss erfolgte am 8. Dezember 2009, die Bekanntmachung am 13. Januar 2010. Am 11. Juli 2016 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten, ein ergänzendes Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durchzuführen und in diesem Zusammenhang erneut eine Veränderungssperre. Beide Beschlüsse wurden unter dem 6. August 2016 öffentlich bekannt gemacht. Der Satzungsbeschluss erfolgte am 25. September 2017 und wurde am 11. Oktober 2017 ortsüblich bekannt gemacht. Nachdem das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 30. Januar 2018 - 8 K 767/14.F - die Beklagte verpflichtet hatte, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen und dies u. a. damit begründet hat, dass die Festsetzungen unter Nrn. 1.1.d und 2.1 .c des Bebauungsplans inhaltlich zu unbestimmt und daher unwirksam seien, hat die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 17. Dezember 2018 beschlossen, ein weiteres ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB zur Behebung möglicher Fehler durchzuführen und eine entsprechende Veränderungssperre beschlossen, die am 19. Dezember 2018 im Hanauer Anzeiger veröffentlicht wurde. Das Bemühen der Klägerin auf Erhalt einer Baugenehmigung für die Nutzung der Halle 15 als Zwischenlager für radioaktive Abfälle hat folgende Entwicklung genommen: Bereits im Jahr 2006 hatte die Klägerin unter ihrer vormaligen Firmierung einen Bauantrag zur Umnutzung des auf dem Grundstück in der Gemarkung Hanau-Wolfgang, Flur ..., Flurstück .../... zur Umnutzung der Halle 15 als Zwischenlager für radioaktive Abfälle bei der Beklagten eingereicht. Nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens und Erhebung einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verpflichtete dieses die Beklagte mit Urteil vom 14. November 2007 - 4 E 3298/06 (1) -, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Nach Zulassung der Berufung durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2008 - 3 A 49/08.Z - änderte der Senat das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main mit Berufungsurteil vom 3. Februar 2009 - 3 A 1207/08 - und wies die Klage der Klägerin ab. Die von der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Mai 2009 - 4 B 34.09 - zurück. Am 26. April 2011 beantragte die Klägerin erneut, ihr eine Baugenehmigung für den Umbau und die Umnutzung des „NCS Gebäude 15“ als Zwischenlager für radioaktive Abfälle zu erteilen. Neben konstruktiven Änderungen des Gebäudes erläuterte sie den beabsichtigten Betrieb wie folgt: Die Betreiber kerntechnischer Anlagen seien verpflichtet, ihre radioaktiven Abfälle bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers zwischenzulagern. Sie, die Klägerin, betreibe im Plangebiet bereits zwei nach § 7 der Strahlenschutzverordnung genehmigte Lagerhallen für radioaktive Stoffe (Hallen Nr. 6 und 12) und verfüge über ein weiteres Gebäude (Nr. 15), das nach entsprechendem Umbau ebenfalls für die Lagerung radioaktiver Stoffe aus kerntechnischen Anlagen genutzt werden solle. Hierfür sei beim Hessischen Umweltministerium am 18. März 2005 ein Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Strahlenschutzverordnung eingereicht worden. Das Genehmigungsverfahren laufe parallel zu dem baurechtlichen Verfahren. Mit Bescheid vom 28. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab, das hiergegen eingelegte Widerspruchsverfahren endete mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2014 erfolglos. Im Laufe des hiergegen angestrengten Klageverfahrens, das vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 8 K 767/14.F geführt wurde, führte die Beklagte ein ergänzendes Verfahren gemäß § 214 Abs. 4 BauGB durch, das mit dem Satzungsbeschluss vom 25. September 2017, bekannt gemacht am 11. Oktober 2017, endete. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30. Januar 2018 - 8 K 767/14. F - den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2013 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Februar 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die mit Bauantrag vom 26. April 2011 beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung für den Umbau und die Umnutzung des NCS Gebäudes 15 zu erteilen. Die Berufung wurde zugelassen. Gegen das ihr am 27. Februar 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter dem 13. März 2018 Berufung eingelegt. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. Juni 2018, hat sie mit bei Gericht am 27. Juni 2018 eingegangenem Schriftsatz die Berufung begründet. Sie trägt vor, der Klägerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte Erteilung einer Baugenehmigung, da sie für das beantragte Zwischenlager eine atom- bzw. strahlenschutzrechtliche Genehmigung benötige, die sie jedoch zum einen nicht beantragt, zum anderen nicht erhalten habe. Heute und in Zukunft könne nicht mehr mit der Erteilung einer Genehmigung nach § 7 Abs. 1 der Strahlenschutzverordnung gerechnet werden. Das Hessische Umweltministerium habe mit Pressemitteilung vom 11. April 2018 erklärt, dass ein weiteres Zwischenlager für radioaktive Abfälle in Hanau wegen ausreichender Kapazitäten in den bereits bestehenden Zwischenlagern in den Gebäuden 6 und 12 sowie in Biblis nicht erforderlich sei und in diesem Zusammenhang auch auf das Gebot der standortnahen Zwischenlagerung verwiesen. Gegen dieses Gebot verstoße das Vorhaben der Klägerin, weil in dem Gebäude 15 radioaktive Abfälle mit räumlich uneingeschränktem Herkunftsbereich gelagert werden sollten. Die Klägerin habe auch deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, da sich ihr Vorhaben, das in dem festgesetzten Gewerbegebiet des Bebauungsplans Nr. 1102.1 „Nord-Ost/Technologiepark“ liege, als gebietsunverträglich darstelle. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes richte sich die Gebietsverträglichkeit nicht nur nach dem Wortlaut des § 8 BauNVO, sondern auch nach der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, welche Gewerbebetriebe in ihm bei typisierender Betrachtung zulässig seien. Leitbild eines Gewerbegebietes seien produzierende und artverwandte Nutzungen. Zwar komme ausnahmsweise auch eine Zulässigkeit in Industriegebieten und Sondergebieten in Frage, nicht jedoch in Gewerbegebieten. Letztendlich handele es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um eine Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle, die nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB dem Außenbereich zugewiesen sei. Die Nutzungen der Klägerin in den Hallen 6 und 12 stellten industrielle Fremdkörper innerhalb eines Gewerbegebietes dar, das im Übrigen von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben geprägt sei. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die nuklearspezifischen Auswirkungen des Vorhabens der Klägerin seien im Baugenehmigungsverfahren nicht zu berücksichtigen, sei nicht zu folgen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass Zwischenlager für radioaktive Abfälle in allen festgesetzten oder faktischen Gewerbegebieten allgemein zulässig seien, was aus städtebaulichen Gründen nicht zu rechtfertigen sei. Schließlich sei anzuzweifeln, ob es sich bei dem beantragten Vorhaben tatsächlich um ein Lagerhaus im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO handele. Ein Lagerhaus diene der Zwischenlagerung von Gütern, nicht aber der Einlagerung von Abfällen. Das Vorhaben der Klägerin sei generell geeignet, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotential zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Gewerbegebietes nicht vertrage. Für das Vorhaben sei zudem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, was nicht erfolgt sei. Auch verstoße das Vorhaben der Klägerin gegen die Festsetzung in Ziffer 1.1.d des streitigen Bebauungsplans mit der dort festgesetzten Stoffmengenbeschränkung. Bei dieser Festsetzung handele es sich um eine Vorschrift zur Gliederung von Betrieben und Anlagen nach ihren besonderen Eigenschaften im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, die zulässig sei. Schließlich verstoße das Vorhaben gegen § 15 Abs. 1 BauNVO. Werde die Klägerin in dem Gebäude 15 radioaktive Abfälle aus dem In- und Ausland lagern, hätte dies städtebaulich eine völlig andere Dimension als die beiden bestehenden Zwischenlager, die der Zweckbestimmung des inzwischen festgesetzten Baugebietes im Übrigen auch widersprächen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2018 - 8 K 767/14.F - abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Auffassung der Beklagten stehe ihr ein Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Entscheidung zu. Es stehe nicht fest, dass eine fachrechtliche Genehmigung für das Zwischenlager in der Halle 15 nicht erteilt werde. Im Gegenteil liege ein Genehmigungsentwurf nach der Strahlenschutzverordnung vor, von dem sich die zuständige Behörde bislang auch nicht losgesagt habe. Die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen bedürfe in der Tat einer Genehmigung nach § 6 Abs. 1 Atomgesetz. Hiervon ausgenommen sei jedoch der Sonderfall der Stoffe im Sinne des § 2 Abs. 3 AtomG, der vorliegend einschlägig sei. Danach gälten Stoffe, in denen der Anteil der Isotope Uran 233, Uran 235, Plutonium 239 und Plutonium 241 insgesamt 15 g oder die Konzentration der genannten Isotope 15 g pro 100 Kilogramm nicht überschritten, als sonstige radioaktive Stoffe. Aufgrund der einzulagernden Stoffe sei eine Genehmigung nach § 7 Abs. 1 Strahlenschutzverordnung - heute § 12 Strahlenschutzverordnung -, nicht aber eine solche nach § 6 Abs. 1 AtomG zu beantragen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, da der Genehmigungsantrag nach der Strahlenschutzverordnung auf eine Lagerdauer von zehn Jahren befristet worden sei. Die Spekulationen der Beklagten zur Inbetriebnahme eines Endlagers für radioaktive Stoffe seien unbeachtlich. Die Klägerin plane eine Lagerdauer von nicht mehr als zehn Jahren. Sollte tatsächlich das Endlager zu diesem Zeitpunkt nicht aufnahmebereit seien, müsse umgelagert werden. Das Vorhaben sei auch nicht gebietsunverträglich. Sie habe dargelegt, dass der Betrieb des Zwischenlagers ein bis zwei Ein- und Auslagerungsvorgänge pro Tag mit sich bringe. Abgesehen davon, dass keine Gefahren ersichtlich seien und die Beklagte auch nicht in der Lage sei, Gefahren konkret zu benennen, befinde sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Bauvorhabens ein DHL- Logistikzentrum mit unzähligen An- und Ablieferungsvorgängen pro Tag. Auch handele es sich bei dem beantragten Vorhaben um ein Zwischen- und nicht um ein Endlager, wie die Beklagte meine. Der Begriff eines Lagers i.S.d. § 8 BauNVO erfasse auch die Zwischenlagerung von verbrauchten Gütern des Wirtschaftsverkehrs. Weder das Lagergut noch die Transportvorgänge begründeten eine Gebietsunverträglichkeit. Die Tatsache, dass sich diverse Hightechbetriebe in dem Wissen um das Vorhandensein der Hallen 6 und 12 in dem Bereich angesiedelt hätten, belege, dass die Zwischenlagerung radioaktiver Stoffe nicht gebietsunverträglich sei. Hier bestehe aufgrund der Hallen 6 und 12, an denen sich - auch aufgrund der in Deutschland einmaligen Expertise der Klägerin auf dem Gebiet des Transports und der Lagerung radioaktiver Stoffe - niemand störe, ein Sonderfall, welchen es im Rahmen der Einzelfallprüfung entsprechend zu würdigen gelte. Ein Verstoß gegen die Festsetzung zur Stoffmengenbegrenzung liege nicht vor, insoweit werde auf den Inhalt des angegriffenen Urteils und die dortigen Ausführungen zur Unwirksamkeit der textlichen Festsetzungen Nr. 1.1.d und 2.1.c Bezug genommen. Im Übrigen stelle sich das Vorhaben nach der Festsetzung Nr. 1.1.d des Bebauungsplans als zulässig dar und müsse auch deshalb genehmigt werden. Das Vorhaben verstoße nicht gegen § 15 Abs. 1 BauNVO. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren (4 Bände), die Gerichtsakten in dem Verfahren 4 E 3298/06 (6 Bände), die planungsrechtlichen Unterlagen der Beklagten (8 Leitz-Ordner und 2 Hefter) sowie die den Bauantragsunterlagen zugeordneten Behördenakten (2 Hefter) der Beklagten. Die Unterlagen sind insgesamt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht worden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2018 - 8 K 767/14.F - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 16. Senat
Berlin
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24.02.2021
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt höhere Witwenrente nach Feststellung eines Rückausgleichs von im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften. Randnummer 2 Die 1975 geborene, in Vietnam lebende Klägerin ist die Witwe des 2016 verstorbenen, 1953 geborenen A E (Versicherter), den sie am 29. Oktober 2010 geheiratet hatte. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten nach der Scheidung im Jahr 1988 ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau, deren Versicherungskonto bei der beigeladenen Deutschen Rentenversicherung Bund geführt wird, verstarb am 18. Januar 2008, ohne Leistungen aus den übertragenen Anwartschaften erhalten zu haben. Der Versicherte selbst bezog vor seinem Tod keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Randnummer 3 Die Beklagte bewilligte der Klägerin für die Zeit ab 3. März 2016 antragsgemäß kleine Witwenrente (WR) und berücksichtigte bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich (Bescheid vom 9. Mai 2016; Zahlbetrag ab 1. Juli 2016 = 354,10 €). Die Rente werde neu festgestellt, sobald über den Antrag der Klägerin vom 31. März 2016 auf Anpassung wegen Tod der ausgleichsberechtigten Person entschieden worden sei. Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2016 lehnte die Beklagte eine Neufeststellung der WR wegen „Aussetzung der Kürzung“ nach § 37 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) ab, weil die Klägerin insoweit nicht antragsberechtigt sei. Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat die auf ungekürzte Rentenzahlung gerichtete Klage mit gleichlautender Begründung abgewiesen (Urteil vom 17. Oktober 2018). Ein Anspruch der ausgleichspflichtigen Person, hier des Versicherten, gehe nur unter den vorliegend nicht erfüllten Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 VersAusglG auf die Erben über und betreffe ausschließlich Zeiträume vor dem Tod des Ausgleichspflichtigen. Randnummer 4 Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Sie sei als Alleinerbin ebenfalls antragsberechtigt iSd §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG. Dies folge aus der Verweisung in § 38 Abs. 2 VersAusglG auf § 34 Abs. 4 VersAusglG. Im Übrigen ergebe sich ein Antragsrecht der Klägerin auch aus Verfassungsrecht. Ein Antragsausschluss verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG). Randnummer 5 Die Klägerin beantragt nach ihrem Vorbringen, Randnummer 6 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 2018 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf kleine Witwenrente für die Zeit ab 3. März 2016 unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, ihr entsprechend höhere Witwenrente zu zahlen. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 9 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Randnummer 10 Die Beigeladene hat keinen Berufungsantrag gestellt. Randnummer 11 Die Verwaltungsakten der Beklagten und Beigeladenen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Randnummer 12 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs.1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit des Bebauungsplans „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ der Antragsgegnerin vom 28.01.2010. 2 Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem Wohn- und Geschäftshaus sowie einem Werkstattgebäude bebauten Grundstücks Flst. Nr. .../... („Carl-Benz-Straße ...“) auf Gemarkung der Antragsgegnerin. Das im Stadtteil „Industriegebiet“ am Süd-West-Rand der Antragsgegnerin belegene Grundstück liegt ca. 2 km westlich der Altstadt zwischen Carl-Benz-Straße und - von dieser durch ein weiteres Grundstück getrennt - nördlich parallel verlaufender Reichenaustraße (B 33). In unmittelbarer Nähe des Grundstücks befinden sich verschiedene Lager- und Bürogebäude. 3 Das Plangebiet „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ wird nördlich durch die Reichenaustraße, südlich durch die Carl-Benz-Straße, östlich durch die Rudolf-Diesel-Straße und westlich durch das unmittelbar angrenzende Bebauungsplangebiet „Unterlohn, 3. Änderung, Teil C“ begrenzt“. Südlich der Carl-Benz-Straße schließt das Bebauungsplangebiet „Unterlohn, 3. Änderung, Teil A“ an. 4 Der von der Antragstellerin angegriffene Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ setzt auch in seiner aktuellen Fassung - entsprechend den bereits im ursprünglichen Bebauungsplan „Unterlohn“ von 1979 enthaltenen Festsetzungen - wiederum ein Gewerbegebiet fest, in dessen westlichem Teil - nunmehr GE 3 - nur nicht wesentlich störende Betriebe und Anlagen zulässig sind. Im Übrigen sind im Gewerbegebiet - auch im das Grundstück der Antragstellerin erfassenden Teil GE 2 - Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Hauptsortiment ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen sind im gesamten Gewerbegebiet Vergnügungsstätten und Eros-Center; lediglich Diskotheken sollen ausnahmsweise zulässig sein. 5 Dem (Änderungs-)Bebauungsplan lag im Wesentlichen folgendes Verfahren zugrunde: 6 Nachdem die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) der Antragsgegnerin in einem im Juli 1990 erstellten Einzelhandelsgutachten empfohlen hatte, innenstadtbedeutsame Branchen nur in den zentralen Einkaufslagen zuzulassen, beschloss der Gemeinderat am 10.11.1994, (auch) den Bebauungsplan „Unterlohn“ - auch im Bereich des späteren Plangebiets - zu ändern, um auch dort die Zulässigkeit weiterer Verkaufsflächen sortimentsspezifisch zu regeln. 7 Am 10.05.1994/16.02.1995 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin - als 2. Änderung des Bebauungsplans „Unterlohn“ - eine Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan für die Erweiterung eines (bestehenden) Bau- und Heimwerkermarkts mit Gartencenter und einen (bestehenden) Lebensmittelmarkt. 8 Am 18.07.1996 wurde eine weitere Satzung über den „Vorhaben- und Erschließungsplan ´Unterlohn, 5. Änderung´“ für die Erweiterung eines (bestehenden) Elektrofachhandels beschlossen. Diese wurde allerdings nach Betriebsaufgabe durch den Bebauungsplan „Unterlohn, 1. Änderung der 5. Änderung“ vom 25.03.2004 wieder geändert und durch die später im Plangebiet „Unterlohn, 3. Änderung Teil B“ zur Umsetzung des Zentrenkonzepts getrof-fene Festsetzung ersetzt. 9 Auf der Grundlage einer seit November 1996 vorliegenden Fortschreibung des Einzelhandelsgutachtens beschloss der Gemeinderat am 30.07.1998 für das Stadtgebiet ein modifiziertes Zentrenkonzept mit der „Altstadt“ („A-Zentrum“), Versorgungszentren in den Stadtteilen („B-“, „C-“ und „D-Zentren“) sowie einem dezentral gelegenen Versorgungsbereich im Bereich Oberlohn-Süd und Unterlohn-Nord („E-Zentrum“) mit zentraler und überörtlicher Versorgungsfunktion für den „Kofferraumkunden“. Zum E-Zentrum, in dem nach dem Zentrenkonzept nur nicht zentrenrelevante Sortimente erwünscht sind, gehören das Grundstück der Antragstellerin sowie umliegende Betriebe des Einzelhandels. Durch entsprechende Bebauungspläne - u. a. mit der bereits in Aufstellung befindlichen 3. Änderung des Bebauungsplans „Unterlohn“ - sollten Rechtsgrundlagen zur Durchsetzung der im Konzept vorgegebenen Einzelhandelsbeschränkungen in den dezentralen Lagen geschaffen sowie Standorte für wohnungsunverträgliches Gewerbe gesichert werden. 10 Vom 08.03. bis 09.04.1999 wurde der Planentwurf für die 3. Änderung des Bebauungsplans „Unterlohn“ erstmals öffentlich ausgelegt. 11 In der Folge beschloss der Gemeinderat, das Plangebiet in die Teilgebiete „A“ (südlich der Carl-Benz-Straße) und „B“ (nördlich der Carl-Benz-Straße, bis zur Reichenaustraße) aufzugliedern. Im Teilgebiet „B“ sollten nun ausnahmsweise auch Diskotheken zugelassen und der Branchenmix innenstadtrelevanter Sortimente im Einkaufszentrum etwas erweitert werden. 12 Der am 21.10.1999 als Satzung beschlossene Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil A“ trat am 19.01.2000 in Kraft. Mit weiterem Beschluss vom 21.10.1999 schrieb der Gemeinderat sein Zentrenkonzept fort. Bei Vorliegen besonderer Bedingungen sollte die Ansiedlung großflächigen, nicht innenstadtrelevanten Einzelhandels ausnahmsweise auch außerhalb des E-Zentrums zulässig sein. 13 Unter dem 22.03.2000 erhob u. a. auch die Antragsteller eine „Sammeleinwendung“, mit der sich Bewohner des Gewerbegebiets „Unterlohn“ gegen die vorgesehene ausnahmsweise Zulassung von Diskotheken wandten. Es sei absolut unverständlich, weshalb als Standort anstelle des zunächst für die Errichtung einer Diskothek vorgesehenen und inzwischen wegen unzumutbarer Belästigung der Anwohner verworfenen Standorts an der Max-Strohmeyer-Straße nunmehr das weitaus stärker mit Wohneinheiten durchsetzte Gewerbegebiet „Unterlohn“ vorgesehen sei, obwohl dieses ohnehin schon außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt sei. Von morgens 5.00 Uhr bis abends 20.00 Uhr sei das Gebiet starkem Lärm zu- und abfahrender Lkw, der dortigen Betriebe sowie von Be- und Entladungsvorgängen ausgesetzt. Hinzu komme der Pkw-Verkehr zu dem hier stark frequentierten Einzelhandel, der aufgrund der innerstädtischen Parkplatznot permanent zunehme. Mit künftigen zusätzlichen Belastungen sei von abends 20.00 Uhr bis morgens 5.00 Uhr aufgrund von Zu- und Abfahrtsbewegungen der Diskothekenbesucher, damit verbundenem Parksuchverkehr, und nächtlichem Pendelverkehr zu anderen Gaststätten zu rechnen. Der Bebauungsplan solle daher nicht dahin geändert werden, dass künftig – wenn auch ausnahmsweise – Vergnügungsstätten zulässig seien. Aufgrund ihres Rechts auf nächtliche Ruhe bestehe sie auf einer Beibehaltung des derzeit gültigen Bebauungsplans. 14 Mit dem am 02.05.2000 beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Unterlohn, 6. Änderung“ ließ die Antragsgegnerin eine neuerliche Erweiterung der Verkaufsfläche des bereits 1995 erweiterten Bau- und Heimwerkermarkts und die Verlagerung des vorhandenen Lebensmitteldiscounters zu. 15 Der Planentwurf für das verbleibende Plangebiet „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“, bestehend aus den Bereichen „E 2 “ (1.1) und „E 3 “ (Sondergebiet „Einkaufszentrum“, 1.2), wurde vom 08.02.2002 bis zum 08.03.2002 erneut öffentlich ausgelegt. 16 Danach wurde auch der aus dem Sondergebiet für das Einkaufszentrum („Bereich E 3 “) bestehende westliche Teil des Plangebiets abgetrennt, da es sich abzeichnete, dass für diesen Bereich noch gemeinsame Gespräche mit den Grundstückseigentümern zu führen waren. Auch drohte im September 2002 der zeitliche Ablauf einer Veränderungssperre für das übrige - östliche - Plangebiet. 17 Der Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ wurde daraufhin ohne weitere Öffentlichkeitsbeteiligung am 16.05.2002 vom Gemeinderat als Satzung beschlossen. Nach öffentlicher Bekanntmachung trat dieser (nur mehr aus dem Plangebietsabschnitt zwischen Carl-Benz-Straße und Reichenau-straße, östlicher Bereich bestehende) Teil des Bebauungsplans am 14.08.2002 in Kraft. Nach Nr. 1.1.2 der „Textlichen Festsetzungen“ sind in den Gewerbegebieten Vergnügungsstätten und Eros-Center nicht zulässig. Ausgenommen von diesem Ausschluss sind Diskotheken. Diese sind ausnahmsweise zulässig. 18 Nach der Planbegründung vom 08.04.2002 sollten die Versorgungsfunktion der Altstadt und der integrierten Versorgungslagen gestärkt, Flächen für das verarbeitende und das Dienstleistungsgewerbe gesichert und die Ansiedlungsmöglichkeiten für Diskotheken verbessert werden. 19 Hinsichtlich des Plangebietsabschnitts zwischen Carl-Benz-Straße und Reichenaustraße, westlicher Bereich, war das Planverfahren mit der Bezeichnung „Unterlohn, 3. Änderung, Teil C“ fortgeführt worden. Dieser Teil des Bebauungsplans wurde nach einer dritten öffentlichen Auslegung vom 24.02. bis 24.03.2004 am 24.06.2004 als Satzung beschlossen und trat am 04.09.2004 in Kraft. 20 Während eines Revisionsverfahrens gegen das Urteil des Senats vom 31.07.2007 - 5 S 2103/06 - (VBlBW 2008, 185), in dem der Senat inzidenter festgestellt hatte, dass der Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei, führte die Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 214 Abs. 4 BauGB ein ergänzendes Verfahren durch, um die gerügten Verfahrensfehler vorsorglich zu heilen. Ihr Zentrenkonzept hatte sie bereits am 27.07.2006 fortgeschrieben. Nach erneuter öffentlicher Auslegung, während der die Antragstellerin keine Einwendungen mehr erhoben hatte, beschloss der Gemeinderat am 17.07.2008 erneut den Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“, ohne ihn gegenüber dem Plan aus dem Jahr 2002 inhaltlich zu verändern, und setzte ihn nach öffentlicher Bekanntmachung am 09.08.2008 rückwirkend zum 14.08.2002 in Kraft. 21 Noch während des vom Senat infolge einer Zurückverweisung durchzuführenden weiteren Berufungsverfahrens - 5 S 875/09 - führte die Antragsgegnerin im Hinblick auf im Revisionsurteil enthaltene Erwägungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.01.2009 - 4 C 16.07 -, BVerwGE 133, 98) ein zweites ergänzendes Verfahren i. S. des § 214 Abs. 4 BauGB durch. Während der erneuten öffentlichen Auslegung vom 14.10. bis 16.11.2009, auf die durch öffentliche Bekanntmachung vom 06.10.2009 hingewiesen worden war, wandte sich die Antragstellerin unter dem 14.11.2009 erneut gegen die ausnahmsweise Zulässigkeit von Diskotheken im Plangebiet. In diesem befänden sich diverse Wohnungen; allein auf ihrem Grundstück gebe es 9 Wohnungen. Weder die Lärmbelästigung noch die Probleme in Bezug auf die öffentliche Sicherheit seien akzeptabel. Insofern werde auch den Feststellungen im Umweltbericht widersprochen. Eine Diskothek führe zu einer wesentlichen Lärmbelastung. Dass die Probleme im Umfeld von Diskotheken nicht zu handhaben seien, zeige sich auch an den Diskotheken in der Reichenauer Straße. Diese gäben permanent Anlass zu Polizeieinsätzen. Die im „Unterlohn“ bereits vorhandenen und auch ausreichenden Vergnügungsstätten brächten schon genug Lärm während der Nachtzeit mit sich. Die Zulassung weiterer Vergnügungsstätten führte zu einer wesentlichen Entwertung des Gebiets. Sollte es bei der Festsetzung verbleiben, wäre sie in der Nutzung ihres Grundstücks wesentlich eingeschränkt. Dann seien für sie auch die im Bebauungsplan vorgesehenen Nutzungseinschränkungen nicht mehr akzeptabel. Insofern behalte sie sich eine rechtliche Überprüfung hinsichtlich der Beschränkung auf innenstadtrelevante Sortimente vor, um sich ggf. alternative Optionen offenzuhalten. 22 Am 28.01.2010 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin, die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eingegangenen Stellungnahmen entsprechend der Anlage 1 der Sitzungsvorlage zu behandeln (Abwägung) und sodann den Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“, ohne ihn gegenüber dem Plan aus dem Jahr 2008 bzw. 2002 hinsichtlich der in Rede stehenden Festsetzung inhaltlich zu verändern, und setzte ihn nach öffentlicher Bekanntmachung am 06.02.2010 rückwirkend zum 14.08.2002 in Kraft. 23 Nach der Planbegründung (S. 22 f.) vom 11.08.2009/08.10.2009/ 11.12.2009 ließen sich - ähnlich wie beim Handel - auch bei Vergnügungsstätten höhere Grundstückspreise erzielen als beim wohnungsunverträglichen Gewerbe, so dass ein Verdrängungsprozess gegenüber diesen Nutzungen eintreten könne. Eine zu hohe Konzentration von Vergnügungsstätten und ähnlicher Einrichtungen in städtebaulich integrierten Lagen führte indessen zu Nutzungskonflikten mit der Wohnnutzung. Über den Rahmenplan „Altstadt“ sei daher die Konzentration von Vergnügungsstätten in den Kerngebieten der Altstadt stark eingeschränkt worden. Im Innenstadtbereich seien kerngebietstypische Vergnügungsstätten uneingeschränkt und nur in den MK-Gebieten von Petershausen (Zähringerplatz) und Stadelhofen (Kreuzlinger Str.) zulässig. Da beide Standorte in Wohnnutzungen einbettet seien, könnte es bei einem gänzlichen Ausschluss von Vergnügungsstätten in den Gewerbegebieten zu Nutzungskonflikten kommen. Insofern sei es sinnvoll, Vergnügungsstätten dort zwar einzuschränken, aber nicht ganz auszuschließen. Zur Sicherung von Flächen für das verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe, insbesondere das wohnungsunverträgliche Gewerbe, würden Vergnügungsstätten und Eros-Center im Plangebiet ausgeschlossen. Abweichend davon seien Diskotheken ausnahmsweise zulässig, um den Spielraum zur Ansiedlung von Diskotheken zu erhöhen. Die umliegenden Gewerbegebiete seien allerdings mit Wohnungen durchsetzt. Diese seien überwiegend vor Rechtskraft des Bebauungsplanes „Unterlohn“ genehmigt worden, sodass sie Bestandsschutz genössen. Um Nutzungskonflikte auszuschließen, seien daher nur nicht kerngebietstypische Diskotheken gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO zulässig. Im Baugenehmigungsverfahren sei ein entsprechender Nachweis zu führen. 24 Am 09.06.2010 leitete die Antragstellerin beim erkennenden Gerichtshof das Normenkontrollverfahren ein. Soweit die Änderung des Bebauungsplans die ausnahmsweise Zulassung von Diskotheken vorsehe, werde sie in ihren Rechten beeinträchtigt, weshalb der Bebauungsplan unwirksam sei. Die erforderliche Antragsbefugnis sei gegeben, da sie eine Verletzung des drittschützenden planerischen Abwägungsgebots geltend machen könne. Darüber hinaus sei sie durch die Änderung des Bebauungsplans unmittelbar in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG betroffen. Ihre privaten Belange habe sie auch bereits im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfes gegenüber dem Gemeinderat vorgebracht. Ihr Antrag sei auch begründet. Eine möglicherweise eintretende erhebliche Verschlechterung ihrer Wohnsituation sei nach § 1 Abs. 6 Nr. 1 und Abs. 7 BauGB als privater Belang zu berücksichtigen gewesen. Ihre Immobilie sei bislang von 8 weiteren Wohn- bzw. Büroeinheiten umgeben, die bisher ein ruhiges Umfeld gewährleisteten. Nach dem bisherigen Bebauungsplan seien Diskotheken noch nicht zulässig gewesen. Dementsprechend sei 2003 auch ein Bauantrag zum Um-/Ausbau für eine Tanz- und Unterhaltungsgastronomie auf dem (der Klägerin im Verfahren 5 S 875/09 gehörenden) Nachbargrundstück Flst. Nr. 8061/12 abgelehnt worden. Zwar sei sie gehört worden, doch seien „planfremde“ Belange eingestellt worden, weshalb eine „Abwägungsfehleinstellung“ vorliege. Auch seien die Belange falsch gewichtet worden, zumal das Optimierungsgebot nach § 50 BImSchG zu beachten gewesen wäre. Darüber hinaus leide der Bebauungsplan an einer Abwägungsdisproportionalität, weil ihr Interesse nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Ihre Wohnsituation werde durch die Bebauungsplanänderung erheblich verschlechtert. Nach allgemeiner Erfahrung sei der Betrieb von Diskotheken mit einem erhöhten Lärmpegel und Problemen für die öffentliche Sicherheit verbunden. Durch die An- und Abfahrt von Besuchern entstehe Verkehrslärm; Lärmbelästigungen durch Hupen, lautstarkes Unterhalten von Fußgängern bis in den späten Abend und die Nachtstunden hinein seien die Regel. Darüber hinaus sei mit Vandalismus und Auseinandersetzungen unter den Besuchern zu rechnen. Insofern seien bei den bestehenden Diskotheken regelmäßige Polizeieinsätze keine Seltenheit. Die Zulassung von Diskotheken führte zu einer wesentlichen Entwertung des gesamten Gebietes. Im Hinblick auf eine vorsorgliche Ansiedlung von Jugendeinrichtungen sei unberücksichtigt geblieben, dass es allein in diesem Gebiet bereits ca. fünf Diskotheken, Billard- und Bowlingcenter sowie Jugendtreffs und Jugendzentren gebe. Insofern sei der Bedarf an Jugendeinrichtungen mehr als gedeckt. Auch sei die Gewichtigkeit ihres Belangs vollkommen falsch eingeschätzt worden. So seien die durch die Ansiedlung von Diskotheken entstehenden Nutzungskonflikte unberücksichtigt geblieben, welche auch nicht durch eine Beschränkung auf nicht kerngebietstypische Diskotheken verhindert werden könnten. Das Gebiet sei weitgehend mit Wohnungen bebaut, welche Bestandsschutz genössen. Die entstehenden Konflikte wären nach dem Gebot planerischer Konfliktbewältigung von vornherein zu verhindern gewesen. Dass die eintretende Verschlechterung der bestehenden Wohnsituation übersehen worden sei, sei auch offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Der Abwägungsmangel sei auch nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich geworden, da er noch innerhalb der erst seit 06.02.2010 laufenden Frist geltend gemacht worden sei. 25 Die Antragstellerin beantragt, 26 den Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ der Antragsgegnerin vom 28.01.2010 hinsichtlich der in Nr. 1.1.1.2 Satz 2 getroffenen Festsetzung für unwirksam zu erklären. 27 Die Antragsgegnerin beantragt, 28 den Antrag abzuweisen. 29 Hierzu führt sie im Wesentlichen aus: Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. So gälte bei einer Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplanes der Vorgän-gerbebauungsplan aus dem Jahre 1979, der Vergnügungsstätten aller Art, mithin auch kerngebietstypische Diskotheken zulasse. Insofern würde sich die Rechtsposition der Antragstellerin nicht nur nicht verbessern, sondern sogar verschlechtern. Der Antrag wäre freilich auch unbegründet. Dem Bebauungsplan „Unterlohn" von 1979 habe die Baunutzungsverordnung von 1977 zu Grunde gelegen. Danach seien nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten in Gewerbegebieten gemäß § 8 BauNVO noch allgemein zulässig gewesen. Der Bebauungsplan „Unterlohn 3. Änderung Teil B" in der Fassung von 2002 weiche hinsichtlich der mit dem Antrag allein angegriffenen Festsetzung nicht vom Vorgängerbebauungsplan ab. Nach der Offenlage vom März 1999 sei im Hinblick auf zahlreiche Anregungen mit Rücksicht auf die vor 1979 genehmigten Wohnungen die vorgesehene Festsetzung dahingehend geändert worden, dass nur nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten zulässig seien. Während der zweiten öffentlichen Auslegung im Februar 2002 seien zu dieser Thematik keine Anregungen mehr eingegangen. Auch in den rückwirkenden ergänzenden Verfahren sei an dieser Festsetzung nichts mehr geändert worden. In der Bebauungsplanbegründung seien schließlich auf Seite 4 f. die Voraussetzungen der in den Festsetzungen vorgesehenen Maßnahmen zur Ausübung einer dem Gleichheitsgrundsatz gehorchenden Ermessensausübung konkretisiert worden. Der im Bebauungsplan festgesetzte Ausnahmetatbestand und seine Konkretisierung in der Bebauungsplanbegründung entspreche auch § 15 BauNVO; die Konkretisierung beinhalte Gesichtspunkte des Rücksichtnahmegebots, die durch ihre Aufnahme in die Bebauungsplanbegründung gleichmäßig anwendbare Ermessenskriterien darstellten. Aus dem Abwägungstext, der der Stellungnahme der Antragstellerin gegenübergestellt worden sei, ergebe sich, dass deren Interessenlage erkannt und in die Abwägung eingestellt worden sei. Danach habe der Bebauungsplan die Zulässigkeit von Diskotheken im Interesse einer Nutzungsverträglichkeit von Wohnen und Gewerbe eingeschränkt. Sie seien nur ausnahmsweise zulässig, wenn nachgewiesen werde, dass es sich nicht um kerngebietstypische Diskotheken handele, mithin die Lärmrichtwerte der TA-Lärm für Mischgebiete eingehalten würden. Neben der Ansiedlung für Flächen für das wohnungsunverträgliche Gewerbe habe sie auch Vorsorge zur Ansiedlung von Jugendeinrichtungen zu treffen gehabt, wozu auch Diskotheken zählten. Durch die Beschränkung auf nicht kerngebietstypische Diskotheken erhielten die im Gewerbegebiet vorhandenen Wohnnutzungen einen über das übliche Maß hinausgehenden Lärmschutz. Südlich der Carl-Benz-Straße seien Diskotheken ohnehin ganz ausgeschlossen. Der nun ausgewählte Standort sei schließlich gut erschlossen und liege in fußläufiger Nähe zu bereits vorhandenen Diskotheken-standorten im „Oberlohn“, an die mit der Planung angeknüpft werde. Damit werde deutlich, dass die Antragsgegnerin die besondere Lage der Wohngrundstücke in gewerblicher Umgebung gesehen und in die Abwägung eingestellt habe. Auch die Interessenabwägung zwischen dem Schutzanspruch der im Gewerbegebiet und in gewerblicher Umgebung vorhandenen Wohnbebauung und der gewerblichen Nutzung begegne keinen Bedenken. 30 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die dem Senat vorliegenden Bebauungsplanakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Der Bebauungsplan „Unterlohn, 3. Änderung, Teil B“ der Stadt Konstanz vom 28. Januar 2010 wird hinsichtlich seiner Festsetzung in Nr. 1.1.1.2 Satz 2 insoweit für unwirksam erklärt, als nach ihr nicht nur nicht kerngebietstypische, sondern auch kerngebietstypische Diskotheken ausnahmsweise zulässig sind; im Übrigen wird der Antrag abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Finanzgericht 3. Senat
Hessen
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03.05.2010
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft dem Veräußerungspreis auch solche geldwerten Leistungen zugerechnet werden dürfen, die dem Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrages zugeflossen sind. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde: Randnummer 2 Der Kläger wurde vom Beklagten (dem Finanzamt) für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer veranlagt. Während dieses Zeitraums bezog er in erster Linie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Außerdem hatte er bis zum Ende des Jahres 2001 (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Letztere hatten sich bezogen auf eine Eigentumswohnung in dem Gebäude in … . Randnummer 3 Der Kläger hatte die Eigentumswohnung durch notariellen Vertrag vom 03.07.1997 von der A erworben. Letztere hatte sich verpflichtet, die Wohnung zu sanieren und bis zum 30.06.1998 fertig gestellt an den Kläger zu übergeben. Der Kaufpreis hatte 197.000,00 DM betragen. Teilbeträge waren entfallen auf Grund und Boden in Höhe von 10.300,00 DM, auf den Altbau in Höhe von 26.400,00 DM und die Sanierungsleistungen in Höhe von 160.300,00 DM. Ausweislich eines Protokolls vom 31.03.1999 war die A jedoch nicht in der Lage, die Sanierungsverpflichtung zu erfüllen. Deshalb weigerte sich der Kläger, die Wohnung abzunehmen sowie die letzte Kaufpreisrate in Höhe von 6.865,00 DM zu zahlen. In der Folgezeit versuchte er, den Kaufvertrag rückgängig zu machen. Dies scheiterte jedoch an dem Umstand, dass die Firma A zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen war. Randnummer 4 Um den Kaufpreis für die Eigentumswohnung zu finanzieren, hatte der Kläger am 10.07.1997 mit der B einen Darlehensvertrag über die Summe von 197.000,00 DM abgeschlossen. Zur Absicherung des Darlehens hatte er der Bank eine Grundschuld an dem erworbenen Wohnungseigentum bestellt. Randnummer 5 Wegen der weiter vorhandenen Mängel konnte die Wohnung nicht vermietet werden. Da ihm insoweit entsprechende Einnahmen fehlten, war der Kläger nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachzukommen. Randnummer 6 Am 29.10.2002 traf der Kläger mit der B-AG als Rechtsnachfolgerin der B eine Vereinbarung über die Rückabwicklung des am 10.07.1997 abgeschlossenen Darlehensvertrages. Darin legten die Beteiligten „zur Erledigung aller etwaigen Ansprüche aus dem Darlehensverhältnis“ einen Vergleich zu folgenden Bedingungen fest: Die B-AG verpflichtete sich, dem Darlehenskonto des Klägers einen Betrag von 97.199,14 € gutzuschreiben. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, eine etwa verbleibende Restforderung auszugleichen. Des Weiteren sollte die Bank berechtigt sein, die finanzierte Eigentumswohnung auf ihre Rechnung zu verwerten. Der Kläger verpflichtete sich insofern, die Bank zum Verkauf und zur Empfangnahme des Verkaufserlöses sowie zur Ausübung aller Rechte eines Eigentümers und Vermieters der Eigentumswohnung zu bevollmächtigen. Zudem sollten der Bank ab dem 01.10.2002 etwaige Erträge aus der Vermietung der Eigentumswohnung zustehen. Randnummer 7 Durch notariellen Vertrag vom 13.01.2004 verkaufte der Kläger die Eigentumswohnung an die GmbH in zu einem Kaufpreis von 11.750,00 €. In § 2 des Vertrages trat er den Kaufpreisanspruch an die B-AG ab. Gleichzeitig wies er die GmbH an, Zahlungen ausschließlich auf das von der B-AG anzugebende Konto zu leisten. Randnummer 8 Der Kläger erfasste zunächst in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 die Vergleichsvereinbarung vom 29.10.2002 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei brachte er für den „Veräußerungsgewinn“ u.a. Rechtsanwaltshonorare in Höhe von insgesamt 12.253,00 € als Werbungskosten zum Ansatz. Später machte er geltend, die Veräußerung der Eigentumswohnung sei erst im Streitjahr 2004 erfolgt, deshalb komme die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Jahr 2002 nicht in Betracht. Das Finanzamt folge dem Vorbringen des Klägers und ließ dementsprechend den ursprünglich erklärten Veräußerungsgewinn bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002 unberücksichtigt. Randnummer 9 In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 erfasste der Kläger den Kaufvertrag vom 13.01.2004 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG. Er gab an, aus diesem Geschäft einen Verlust in Höhe von 22.832,00 € erlitten zu haben. Den Verlust ermittelte er wie folgt: Veräußerungspreis 11.750,00 € abzgl. Anschaffungskosten ./.106.231,52 € zzgl. Absetzungen für Abnutzung und 71.718,72 € abzgl. Veräußerungskosten ./.67,28 € Verlust 22.830,08 € Randnummer 10 Das Finanzamt wich in Bezug auf den Veräußerungspreis sowie in Bezug auf die gegenzurechnenden Abschreibungsbeträge von der Erklärung des Klägers ab und ermittelte den Veräußerungspreis zunächst wie folgt: Verkaufserlös -- Kaufpreis lt. Vertrag vom 13.01.2004 11.750,00 € -- Erlass lt. Vereinbarung vom 20.10.2002 97.199,14 € -- Summe 108.949,14 € Anschaffungskosten -- Kaufpreis lt. Vertrag vom 03.07.997 197.000,00 DM -- abzgl. letzte Rate ./.6.865,00 DM -- Saldo 190.105,00 DM Abschreibungsbeträge -- bis 2001 in Anspruch genommen ./.87.037,00 DM abzgl. Saldo von Anschaffungskosten und Abschreibungsbeträgen 103.098,00 DM =./.52.713,00 € abzgl. Veräußerungskosten ./.67,28 € Veräußerungsgewinn 56.168,86 € Randnummer 11 Der vorstehenden Berechnung folgend berücksichtigte das Finanzamt bei den sonstigen Einkünften einem (positiven) Betrag von 56.168,00 € und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr 2004 entsprechend fest (Bescheid vom 04.11.2005). Randnummer 12 Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Sinngemäß wandte er sich dagegen, dass das Finanzamt bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auch den im Jahr 2002 vereinbarten Schuldenerlass berücksichtigt hatte. Hierzu trug er im Wesentlichen vor: Die Vereinbarung vom 29.10.2002 beziehe sich allein auf das Kreditgeschäft. Das Rechtsgeschäft über den Verkauf der Immobilie durch Vertrag vom 13.01.2004 sei davon nicht berührt. Der durch die Vereinbarung vom 29.10.2002 begründete Schuldenerlass betreffe auch zeitlich nicht den streitigen Veranlagungszeitraum. Denn nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG hätte allenfalls eine Besteuerung für das Jahr 2002 stattfinden können. Randnummer 13 Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei dem Verkauf im Jahr 2004 und dem Schuldenerlass im Jahr 2002 nicht um zwei eigenständige Rechtsgeschäfte. Vielmehr bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen. Auch die Regelungen des § 11 EStG stünden der Einbeziehung des im Jahr 2002 erfolgten Schuldenerlasses nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müsse bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG von einer Durchbrechung des Zufluss-Abfluss-Prinzips des § 11 EStG ausgegangen werden (Einspruchentscheidung vom 14.02.2006). Randnummer 14 Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die vorliegende Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger sinngemäß vor: Er habe im Streitjahr 2004 keine Einkünfte aus einem Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG gehabt. Durch den Vertrag vom 03.07.1997 habe er von der A eine „Schrott-Immobilie“ erworben. Insofern stelle der Vertrag vom 13.01.2004, durch den er die „Schrott-Immobilie“ an die GmbH veräußert habe, die Rückabwicklung des früheren Rechtsgeschäfts dar. Den in dem letzteren Vertrag festgelegten Kaufpreis habe nicht er, sondern – infolge der Abtretung aller Rechte des Eigentümers – die B-AG erhalten. Mithin sei ihm im Jahr 2004 überhaupt kein Veräußerungserlös zugeflossen. Randnummer 15 Aufgrund des Klägervorbringens hat das Finanzamt seine Berechnungen zur Höhe des streitigen Veräußerungsgewinns nochmals überprüft. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass als Veräußerungsgewinn nur ein Betrag von 32.164,00 € anzusetzen ist. Dementsprechend hat es die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2004 geändert (Bescheid vom 29.08.2006). Den Veräußerungsgewinn hat es nunmehr wie folgt ermittelt: Veräußerungsgewinn 56.168,00 € abzgl. Rechtsanwaltshonorare 12.254,00 € abzgl. „weitergeleiteter“ Kaufpreis 11.750,00 € ./. 24.004,00 € korrigierter Veräußerungsgewinn 32.164,00 € Randnummer 16 Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid über Einkommensteuer 2004 vom 04.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2006 sowie in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29.08.2006 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht angesetzt werden. Randnummer 17 Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Es wiederholt im Wesentlichen seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es u.a. vor: Die Schlussfolgerung, dass zwischen dem Schuldenerlass vom 29.10.2002 und dem Kaufvertrag vom 13.01.2004 ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, werde durch weitere Tatsachen belegt. So handele es sich bei der GmbH um eine Tochtergesellschaft der B-AG. Zudem müsse nach Aktenlage unterstellt werden, dass die hier betroffene Eigentumswohnung tatsächlich einen weit über dem Betrag von 11.750,00 € liegenden Wert gehabt habe. Insofern habe der Kaufvertrag vom 13.01.2004 nur deshalb zu Stande kommen können, weil die GmbH und die B-AG wirtschaftlich miteinander verflochten seien. Randnummer 19 Das Finanzamt hat dem Gericht die die Veranlagungszeiträume 2002 und 2004 betreffenden Einkommensteuerakten vorgelegt. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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VG Berlin 2. Kammer
Berlin
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06.11.2014
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Randnummer 1 Die Kläger begehren den Zugang zu Informationen des Bundesministeriums des Innern betreffend dem Beigeladenen gewährte Subventionen. Randnummer 2 Die Kläger, zwei Journalisten, beantragten mit E-Mails vom 19. Mai und 21. November 2011 beim Bundesministerium des Innern nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Einsicht in die dortige Akte betreffend die Prüfung von Zuwendungen an den Beigeladenen durch die Prüfgruppen des Bundesverwaltungsamtes und des Bundesrechnungshofes (Az. S...). Mit der Schwärzung von Namen, Straßen und Postleitzahlen erklärten sie sich einverstanden. Die Beklagte beteiligte den Beigeladenen; dieser widersprach der Veröffentlichung der Prüfberichte des Bundesrechnungshofes 2004/2005 und des Bundesverwaltungsamtes 2007/2008 sowie aller Unterlagen mit finanziellen Inhalten. Randnummer 3 Mit Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 1. August 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger bezogen auf die Dokumente Nr. 1, 2, 5 bis 7, 9 bis 12, 13, 14 und 15 bis 17 vollständig und bezogen auf die Dokumente Nr. 3, 4 und 8 teilweise ab; im Übrigen gab sie dem Antrag der Kläger statt. Hierzu händigte sie den Klägern eine Teilkopie ihrer Akte S... aus, in der die entnommenen Seiten und geschwärzten Stellen mit den im Bescheid genannten Dokumentennummern gekennzeichnet waren. Zur Begründung der teilweisen Ablehnung des Antrages führte die Beklagte aus: Die Schwärzungen in den Dokumenten Nr. 3, 4 und 8 beträfen personenbezogene Daten Dritter. Bei den identischen Dokumenten Nr. 1 und 13 handele es sich um einen Bericht des Bundesrechnungshofes aus 2004, der als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch eingestuft worden sei. Die identischen Dokumente Nr. 2 und 14 enthielten Details zur finanziellen Lage des Beigeladenen, die Dokumente Nr. 5 bis 7, 9 bis 12 und 15 bis 17 Informationen mit wettbewerbsrechtlicher Relevanz; diese seien als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Beigeladenen vom Informationszugang ausgenommen. Randnummer 4 Soweit ihr Antrag abgelehnt wurde, erhoben die Kläger Widerspruch. Zur Begründung trugen sie vor, einen materiellen Grund für die Einstufung des Berichtes des Bundesrechnungshofes als Verschlusssache habe die Beklagte nicht dargelegt, der bloße Verweis auf die formale Einstufung reiche insofern nicht aus. Die zurückgehaltenen Dokumente enthielten auch keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Vorliegend gehe es um Informationen zu staatlichen Subventionen, um die kein Wettbewerb geführt werde, da die Beklagte diese nach dem Gesetz bzw. nach Maßgabe des Gleichheitsgrundsatzes vergeben müsse. Auch Details zur finanziellen Lage des Beigeladenen stellten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Denn es bestehe keine Wettbewerbssituation, auf die sich die Bekanntgabe dieser Informationen nachteilig auswirken könne. Die Schwärzungen in den Dokumenten Nr. 3 und 4 beträfen Angaben zu Sponsoren des Beigeladenen; hierzu sei ein Einverständnis nicht erklärt worden. Randnummer 5 Mit Widerspruchsbescheid des Bundesministeriums des Innern vom 2. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie habe die Einstufung des Berichtes des Bundesrechnungshofes vom 3. Dezember 2004 als Verschlusssache nochmals überprüft; auch der Bundesrechnungshof halte ausdrücklich an seiner Einstufung fest. Die Dokumente Nr. 5 bis 7, 9 bis 12, 15 bis 17, 2 und 14 enthielten Aufstellungen darüber, wie der Beigeladene die Subvention im Einzelnen verwendet habe. Würden diese Informationen publik, könnten konkurrierende Nationale Olympische Komitees und kommerzielle Sportanbieter Rückschlüsse darauf ziehen, wie sportliche Erfolge durch die gewählte Mittelverteilung zu erreichen seien. Dies wäre mit einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für den Beigeladenen verbunden. Randnummer 6 Am 29. August 2013 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend führen sie aus: Die Regelung des § 96 Abs. 4 BHO schlösse die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes vorliegend nicht aus, denn die streitigen Informationen seien nicht beim Bundesrechnungshof, sondern beim Bundesministerium des Innern erfragt worden. Jedenfalls sperre die Vorschrift des § 96 Abs. 4 BHO nicht jeden Aktenbestandteil der geprüften Stelle, der irgendwie mit der Prüfung des Bundesrechnungshofs im Zusammenhang stehe. Soweit ihr Anspruch durch Inkrafttreten des § 96 Abs. 4 BHO zwischenzeitlich ganz oder teilweise entfallen sei, habe die Beklagte diesen mit seiner späten Entscheidung vereitelt. Da dies dem Grundsatz des fairen Verfahrens widerspreche, müsse das Gericht seiner Entscheidung insoweit die Sach- und Rechtslage vor Inkrafttreten des § 96 Abs. 4 BHO zugrunde legen. Randnummer 7 Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte den Klägern Zugang zu den geschwärzten Passagen in den Dokumenten Nr. 4 und 8 (Sponsorennamen) gewährt und darauf hingewiesen, dass die Sponsorennamen auf der Homepage des Beigeladenen veröffentlicht und damit offenkundig seien. Die Beklagte hat den Klägern in der mündlichen Verhandlung zugesagt, die Seiten 1, 3, 6, 11, 17, 21, 22, 23, 26 des Prüfberichtes des Bundesverwaltungsamtes vom 11. September 2007 (in Dokument Nr. 15) ohne Schwärzungen und dessen Seiten 15, 16 und 18 jeweils geschwärzt um die Angaben des Beigeladenen zugänglich zu machen. Die Kläger haben nach näherer Erläuterung der Beklagten zum jeweiligen Inhalt auf den Zugang zu den Dokumenten Nr. 3, 9 bis 11, 13, 14, 16 und 17, zum internen Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 1. Oktober 2007 nebst dazugehörigem Übersendungsschreiben (in Dokument Nr. 15) sowie zu allen übrigen Seiten des Prüfberichtes des Bundesverwaltungsamtes vom 11. September 2007 (in Dokument Nr. 15) mit Ausnahme der Seiten 27 und 28 verzichtet. Soweit die Beklagte den Klägern den Informationszugang gewährt bzw. zugesagt hat und soweit die Kläger auf den Zugang zu Informationen verzichtet haben, haben die Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Randnummer 8 Die Kläger beantragen zuletzt, Randnummer 9 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums des Innern vom 1. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 2. August 2013 zu verpflichten, ihnen Zugang zu den in den vorgenannten Bescheiden genannten Dokumenten Nr. 1, 2, 5, 6, 7, 12 und die Seiten 27 und 28 des Prüfberichts des Bundesverwaltungsamts vom 11. September 2007 in Dokument 15 zu gewähren, Randnummer 10 sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Randnummer 14 Die Beklagte trägt ergänzend vor: Der Zugang zu Informationen betreffend die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes werde abschließend durch § 96 Abs. 4 BHO geregelt; das Informationsfreiheitsgesetz finde insoweit keine Anwendung. § 96 Abs. 4 BHO schließe den Zugang zu den Dokumenten Nr. 1, 2, 5 bis 7 und Nr. 12 aus, da diese Informationen zur Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes enthielten. Das Dokument Nr. 2 enthalte eine versehentlich gesondert erfasste, jedoch als Verschlussache – Nur für den Dienstgebrauch gekennzeichnete Anlage zum Bericht des Bundesrechnungshofes aus 2004 (Dokument Nr. 1). Dokument Nr. 5 sei ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern an den Bundesrechnungshof vom 6. Mai 2003. Dokument Nr. 6 bestehe aus einem Schreiben des Bundesministeriums des Innern an den Bundesrechnungshof vom 23. Oktober 2003 sowie einem Vermerk des Bundesministeriums des Innern, der der Vorbereitung dieses Schreibens gedient habe und diesem inhaltlich entspreche. Dokument Nr. 7 enthalte einen Vermerk des Bundesministeriums des Innern vom 11. November 2002, der die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes aus 2002 inhaltlich wiedergebe und die Konsequenzen beschreibe, die das Bundesministerium des Innern hieraus gezogen habe. Bei Dokument Nr. 12 handele es sich um die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern vom 17. Januar 2005 zum Bericht des Bundesrechnungshofes vom 3. Dezember 2004. Randnummer 15 Die Dokumente Nr. 2, 5 bis 7 und 12 und 15 enthielten Informationen zur finanziellen Lage des Beigeladenen bzw. zur Höhe der vom Beigeladenen eingeworbenen Sponsorengelder. Das Bundesverwaltungsamt habe im Auftrag des Bundesministeriums des Innern geprüft, ob die ordnungsgemäße Geschäftsführung des Beigeladenen gesichert erscheine. Auf Seite 27 und 28 des Prüfberichtes des Bundesverwaltungsamtes vom 11. September 2007 (in Dokument Nr. 15) werde das Ergebnis dieser Prüfung dargelegt und erläutert. Die Preisgabe dieser Informationen könne sich nachteilig auf die Position des Beigeladenen im Wettbewerb mit den Verbänden anderer Sportarten um die Einwerbung von Sponsoren auswirken. Der Beigeladene sei für die Sicherung seiner Existenz auf die Einwerbung von Sponsorengeldern angewiesen. Dabei sei die Zahl der für den Beigeladenen in Frage kommenden Sponsoren begrenzt. Denn das Vermarktungspotential der von dem Beigeladenen betreuten Sportarten Eisschnelllauf und Short Track sei mit werbeträchtigen Sportarten, wie z.B. Fußball, nicht vergleichbar. Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die betreffenden Akten haben vorgelegen und ihr Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Das Verfahren wird eingestellt soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums des Inneren vom 1. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 2. August 2013 verpflichtet, den Klägern Zugang zu gewähren zu - jenen Teilen des Vermerks der Beklagten vom 11. November 2002 (Dokument 7) über die Konsequenzen, die die Beklagte aus der Prüfung durch den Bundesrechnungshof gezogen hat - den Seiten 27 und 28 des Prüfberichtes des Bundesverwaltungsamts vom 11. September 2007 (in Dokument 15). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen 4/5 und die Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 4. Kammer
Sachsen-Anhalt
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26.11.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten vorliegend darüber, ob das vorangegangene Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB mit der Folge der Begründung von Zahlungsansprüchen ab 01.06.2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen oder ob zwischen den Parteien ab diesem Zeitpunkt auf der Basis des TVöD-V ein neues Arbeitsverhältnis mit einer Tätigkeit des ... 1971 geborenen Klägers als Rettungssanitäter begründet worden ist. Randnummer 2 Bis zum 31.05.2011 sicherte der ... e.V. (nachfolgend kurz: ...) den Rettungsdienst für den beklagten Landkreis, der im Zuge der Gebietsreform 2007 entstanden war, im Altkreis S ab. Es wurden die Rettungswachen „S“, „R“, „Sch“ und „A“ betrieben. Der ... beschäftigte 41 Arbeitnehmer, darunter seit 30.05.2000 auch den Kläger zu den Bedingungen der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Seit dem 01.06.2011 nimmt der beklagte Landkreis die Aufgaben des Rettungsdienstes selbst wahr. Zu diesem Zweck war bereits zum 01.01.2011 die Betriebssatzung für den Eigenbetrieb Rettungsdienst des Landkreises M-S neu gefasst worden. Außerdem erfolgten Stellenausschreibungen für die Organisation des Rettungsdienstes. Von den etwa 70 Bewerbern wurden mehr als 50 zum 01.06.2011 eingestellt, darunter alle zuvor bei dem ... für den Rettungsdienst im Altkreis S beschäftigten Mitarbeiter. Die Rettungsleitstelle wurde - wie bereits zuvor - durch den beklagten Landkreis weiter betrieben. Der territoriale Zuschnitt für den Rettungsdienst (Altkreis S) blieb unverändert. Außerdem wurden die eingerichteten Rettungswachen an den jeweiligen Standorten weiter genutzt. Das Inventar des ... wurde im Juni 2011 vom beklagten Landkreis zum Preis von insgesamt 10.000,00 € käuflich erworben. Im Januar und Februar 2011 hatte dieser den Auftrag für die Lieferung und den Ausbau von Neufahrzeugen, nämlich 5 Rettungstransportwagen (RTW), 1 Krankentransportwagen (KTW) und 1 Notarztfahrzeug (NFZ) erteilt. Die Fahrzeuge kamen ab dem 01.06.2011 zum Einsatz. Der ... betrieb den Rettungsdienst bis zum 31.05.2011 mit im Jahr 2006 beschafften Fahrzeugen, nämlich 5 Rettungstransportwagen, 1 Krankentransportwagen, 1 Notarzteinsatzfahrzeug. Bis zur vollständigen Auslieferung der neuen Bekleidung für den Rettungsdienst im Juni 2011 versahen die ehemaligen ... -Mitarbeiter ihren Dienst in der bisherigen Bekleidung des ... . Randnummer 3 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein zuvor mit dem ... begründetes Arbeitsverhältnis bestehe mit dem beklagten Landkreis wegen des Betriebsüberganges „Rettungsdienst“ unverändert fort; dieser habe den Rettungsdienst des ... durch eine Vielzahl von Rechtsgeschäften übernommen und führe den Rettungsdienst jetzt in eigener Zuständigkeit. Er nutze hierfür dieselben Rettungswachen mit dem erworbenen Inventar und setze alle ehemaligen Mitarbeiter des ... zeitweise noch in ihrer alten Bekleidung ein. Randnummer 4 Dem stehe die fehlende Übernahme der abgeschriebenen Fahrzeugflotte nicht entgegen. Diese werde regelmäßig auf Kosten der Krankenkasse neu angeschafft. Deshalb komme der Fahrzeugflotte hier keine prägende Bedeutung zu. Wegen des Betriebsübergangs stehe ihm weiterhin eine Vergütung auf der Grundlage der AVR zu. Daraus ergeben sich aus seiner Sicht die hier geltend gemachten Differenzvergütungsansprüche. Randnummer 5 Der beklagte Landkreis hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Rettungsdienst werde durch ihn im Wege der Funktionsnachfolge wahrgenommen. Auch spreche die grundverschiedene Arbeitsorganisation gegen den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit. Das frühere Personal sei nicht übernommen, sondern im Wege der Ausschreibung aus einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt worden. Bei den käuflich erworbenen Inventargegenständen der Rettungswachen handele es sich nicht um wesentliche Betriebsmittel. Prägendes Betriebsmittel des Rettungsdienstes sei allein die Fahrzeugflotte. Diese habe er selbst neu angeschafft und seinen Vorstellungen entsprechend technisch neu ausstatten lassen. Bereits mangels Übernahme der alten Rettungsfahrzeuge des ... scheide ein Betriebsübergang aus. Da dieser fehle, könne der Kläger hieraus auch keine Zahlungsansprüche herleiten. Randnummer 6 Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das im obigen Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Halle Bezug genommen. Mit diesem ist die Klage abgewiesen worden. Der Kläger hat gegen dieses Urteil ordnungsgemäß Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Beide Seiten wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihr bisheriges Vorbringen. Randnummer 7 Der Kläger geht weiterhin davon aus, dass das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 BGB zum 01. Juni 2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen ist. Die Art des betreffenden Unternehmens/Betriebs sei auch über den 31. Mai 2011 hinaus gleich geblieben. Eine stringente Unterteilung von betriebsmittel- und personalgeprägten Betrieben sei nicht stets möglich. Bei personalorientierten Betrieben komme ein Betriebsübergang bereits bei einer Übernahme der Hauptbelegschaft in Betracht. Hier sei zur Absicherung des Rettungsdienstes unter der Leitung des ... ein Personalbestand von ca. 42 Arbeitnehmern erforderlich gewesen. Hinzu seien verschiedene Sachmittel gekommen. Zunächst sei auf die Rettungswachen abzustellen; ein weiteres finde sich in den Rettungswagen. Hinzu kämen betriebsnotwendige Sachmittel und sonstige Gegenstände des Inventars. Die Jahresmiete sei mit 16.800,00 Euro zu beziffern. Für 24 Mitarbeiter ergebe sich eine monatliche Lohnsumme von rund 105.000,00 Euro. Bei alledem komme der Übertragung der sächlichen Betriebsmittel allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Annahme eines Betriebsübergangs zu. Randnummer 8 Das Arbeitsgericht Halle habe nicht berücksichtigt, dass der beklagte Landkreis die wesentlichen materiellen Betriebsmittel, die den Rettungsdienstbetrieb bis zum Übergangszeitpunkt gekennzeichnet hätten, zum 01. Juni 2011 übernommen habe. Das betreffe zunächst die Rettungswachen nebst Inventar und Kommunikationstechnik. Randnummer 9 Darüber hinaus sei die Hauptbelegschaft übernommen worden. Auch die „Kundschaft“ sei übernommen worden, die im Sinne des Patientenkreises zu begreifen sei. Die Ähnlichkeit der vor und nach dem Betriebsübergang verrichteten Tätigkeiten im Rettungsdienst könne kaum angezweifelt werden. Es habe überhaupt keine Unterbrechung der Tätigkeit auf Seiten der Arbeitnehmer stattgefunden. Das Argument des beklagten Landkreises, der Rettungsdienst werde durch Rettungsfahrzeuge mit eingebauter Technik geprägt, trage wenig. Es liege auf der Hand, dass der Rettungsdienstbereich in seiner Funktionalität in erster Linie durch das Personal geprägt sei. Ein Personalaustausch im Falle eines Wegfalls von Personal könne nicht ohne weiteres erfolgen. Die Behauptung des beklagten Landkreises, die zuvor vom ... genutzten Rettungsfahrzeuge für das Rettungsdienstgebiet „Altkreis S“ würden weiter genutzt, treffe nicht zu. Der turnusmäßige Wechsel der Rettungsfahrzeuge vermöge den Betriebsübergang nicht auszuschließen. Vor dem Hintergrund des noch offenen Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens hätten der beklagte Landkreis und der ... außerdem vereinbart, das letzterer die vom beklagten Landkreis neu erworbenen Rettungsfahrzeuge für den Rettungsdienstbereich Altkreis S im Falle des Obsiegens in diesem Rechtsstreit übernehmen werde. Diese Vereinbarung beruhe darauf, dass die Krankenkassen die Rettungswagen nebst eingebauter Medizintechnik für einen bestimmten Zeitraum und für ein Rettungsdienstgebiet nur insgesamt einmal finanzieren würden. Es würden hier auch keine besonderen Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Übernahme der gesamten Belegschaft gegen einen Betriebsübergang sprechen und eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten. Außerdem führt der Kläger aus: Randnummer 10 Wenn der Rettungsdienst betriebsmittelgeprägt sei, sei vorliegend ein Betriebsübergang anzunehmen; die sächlichen Betriebsmittel seien vom beklagten Landkreis übernommen worden. Die Rettungswache und deren Inventar zählten zu den unverzichtbaren Sachmitteln des Rettungsdienstes. Wenn die Rettungsfahrzeuge den eigentlichen Kern des erforderlichen Funktionszusammenhangs im Rettungsdienst ausmachen würden, sei ebenfalls von einem Betriebsübergang auszugehen. Auch die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehenden Betriebsmittel würden dazugehören, wenn diese aufgrund einer Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung der Betriebszwecke eingesetzt werden können. Die Rettungsfahrzeuge seien unstreitig von den Krankenkassen voll finanziert worden. Den jeweiligen Rettungsdiensten sei es auch untersagt, einen etwaigen Restwert der wirtschaftlich abgeschriebenen Rettungsfahrzeuge zu vereinnahmen. In 2011 sei gegenüber den Sozialversicherungsträgern kein Restbuchwert betreffend einzelne Fahrzeuge/Ausstattung derselben angezeigt worden. Es sei auch nicht mitgeteilt worden, dass es zu Veräußerungen gekommen sei. Der beklagte Landkreis sei gehalten gewesen, die gebrauchten Rettungsfahrzeuge zu übernehmen und so lange weiter zu benutzen, bis eine Neufinanzierung durch die Krankenkassen erfolgt sei. Tatsächlich habe sich die Übernahme des Rettungsdienstes vom ... und ... nicht unterschieden. Der beklagte Landkreis habe vielmehr die Rettungsdiensttätigkeit in denselben Gebieten mit denselben Rettungswachen und im Wesentlichen mit demselben Personal fortgesetzt. Randnummer 11 Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 22. Oktober 2014 auf Seite 2 (Bl. 400 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 12 Der beklagte Landkreis führt unter anderem aus, der ... sei nicht Mieter der Liegenschaften in A, Sch und R gewesen, sondern lediglich Untermieter dieser Rettungswachen gewesen. In A und R habe ein Untermietverhältnis mit dem beklagten Landkreis bestanden. Dieser wiederum habe in einem Mietverhältnis mit der M KG und der Stadtverwaltung A gestanden. Auch bezüglich der Rettungswache in Sch sei die ... Untermieter gewesen. Die Rettungswache S habe immer im Eigentum des beklagten Landkreises gestanden. Ebenso sei die Rettungsleitstelle S, S-weg 7, bereits zuvor von dem beklagten Landkreis betrieben worden. Der beklagte Landkreis habe mit der ... keine Vereinbarung geschlossen, wonach dieser die vom beklagten Landkreis beschafften Rettungsfahrzeuge im Falle der gerichtlichen Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche auf Fortführung des Rettungsdienstes im Gebiet des Altkreises S übernehme. Randnummer 13 Das Schreiben des ... vom 08. Juni 2011 könne des beklagten Landkreis nicht zugerechnet werden. Es sei daher keinesfalls unbestritten, dass ein Betriebsübergang zwischen dem ... und dem beklagten Landkreis vereinbart worden sei. Weder die Rettungsfahrzeuge des ... noch die sich darin befindliche Medizintechnik sei bereits abgeschrieben. Randnummer 14 Die betreffenden Fahrzeuge seien beim ... im Burgenlandkreis einschließlich der Medizintechnik auch noch nach dem 01. Juni 2011 weiter im Einsatz. Es sei ohne Probleme möglich, die medizinischen Geräte aus den Rettungsfahrzeugen auszubauen. Die Halterungsvorrichtungen seien darauf bereits eingerichtet. Diese Vorgehensweise sei auch durchaus üblich. Im Übrigen würden auch wirtschaftlich abgeschriebene Fahrzeuge in den Rettungsdiensten in Deutschland üblicherweise noch weiter verwendet. Daneben würden solche Rettungsfahrzeuge üblicherweise als Ersatzwagen innerhalb der Landkreise weitergegeben. Schließlich bestehe die Möglichkeit, abgeschriebene Fahrzeuge umzubauen. All das zeige, dass es dem beklagten Landkreis möglich gewesen wäre, die Rettungsfahrzeuge des ... im Rahmen eines Betriebsübergangs zu übernehmen und auch weiter zu nutzen. Hiergegen habe sich der beklagte Landkreis jedoch entschieden und eigene Rettungsfahrzeuge bereits Anfang des Jahres 2011 in Auftrag gegeben. Diese seien ausweislich der Rechnungen bereits im Mai 2011 geliefert worden. Der beklagte Landkreis habe diese zum 01. Juni 2011 erstmals eingesetzt. Nach alldem sei das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht von dem ... zum 01. Juni 2011 auf den beklagten Landkreis übergegangen. Bei einem Rettungsdienst handele es sich um einen betriebsmittelgeprägten Betrieb, bei dem insbesondere die Rettungsfahrzeuge identitätsprägend seien. Auf die Übernahme des Inventars in den Rettungswachen komme es ebenfalls nicht an. Dies sei nicht identitätsprägend. Da die Rettungsfahrzeuge des ... nicht übernommen worden seien, stehe bereits dieses einem Betriebsübergang entgegen. Das hindere auch nicht der Umstand, dass die Rettungsfahrzeuge durch die Krankenkassen finanziert werden. Der Finanzierungsanspruch beruhe auf § 2 Abs.14 RettDG LSA. Es handele sich hierbei um einen gesetzlichen Anspruch. Der beklagte Landkreis habe sich gerade nicht dazu entschieden, die Fahrzeuge sowie die Medizintechnik des ... zu übernehmen. Randnummer 15 Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 07.03.2013 - 1 Ca 1421/12 - wird als unbegründet zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger verlangt vom beklagten Land Entschädigung nach dem StrEG wegen der Beschlagnahme von PCs und Laptops sowie für angefallene Rechtsanwaltsgebühren. 2 Im Jahre 2007 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften gegen den Kläger. Mit Beschluss vom 30.7.2007 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung des Klägers an, die am 14.8.2007 durchgeführt wurde. Dabei wurden sämtliche PCs und Laptops der Familie des Klägers sichergestellt und beschlagnahmt. Die Computer wurden dem Kläger am 30.4.2008 wieder ausgehändigt. Mit Verfügung vom 9.5.2008 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. 3 Auf Antrag des Klägers stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 30.5.2008 fest, dass der Kläger für den Schaden, der ihm durch den Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts entstanden ist, zu entschädigen ist. Mit Schreiben vom 18.7.2008 beantragte der Kläger die Festsetzung einer Entschädigung unter anderem für den Nutzungsausfall von fünf Computern sowie für die im Ermittlungsverfahren angefallenen Rechtsanwaltsgebühren. Für den Nutzungsausfall setzte der Kläger dabei - gestaffelt nach Alter und Leistungsfähigkeit der beschlagnahmten Geräte - einen Tagessatz zwischen 0,50 Euro und 2,00 Euro an, so dass er für die 261 Tage zwischen der Beschlagnahme und der Rückgabe Beträge zwischen 130,50 Euro und 522,00 Euro verlangte. Mit Verfügung vom 9.9.2008 setzte die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Entschädigung in Höhe von 453,07 Euro für angefallene Fahrtkosten und Rechtsanwaltsgebühren fest und lehnte eine darüber hinausgehende Entschädigung, insbesondere für den geltend gemachten Nutzungsausfall, ab. 4 Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin Entschädigung für den Nutzungsausfall für jeweils einen PC (1,50 Euro x 261 Tage = 391,50 Euro) und einen Laptop (2,00 Euro x 261 Tage = 522,00 Euro). Er trägt vor, seine Familie habe einen Computer zur Internet-Telefonie genutzt, er selbst habe gelegentlich an einem der Geräte gearbeitet, und vor allem sei sein Sohn für das Studium auf die Nutzung eines Laptops angewiesen. Außerdem verlangt er Erstattung der gemäß §§ 2, 13 RVG, Ziff. 4141 VV angefallenen Rechtsanwaltsgebühren für die Verfahrenserledigung in Höhe von 148,75 Euro sowie der für die Kosten der Akteneinsicht angefallenen Umsatzsteuer in Höhe von 2,28 Euro. 5 Der Kläger macht geltend, er sei ersatzberechtigt, weil die Computer in seinem Eigentum gestanden hätten. Er habe zwar nach der Beschlagnahme neue Geräte gekauft. Erstattungsfähig und -pflichtig seien aber - schon wegen der Schadensminderungspflicht des Klägers - nicht die hierfür angefallenen Anschaffungskosten, sondern der Nutzungsausfall an den beschlagnahmten Geräten. Als Anhaltspunkt für die Bewertung dieses Nutzungsausfalls sei auf die durchschnittlichen Mietpreise für entsprechende Geräte abzustellen, die zwischen 3 und 4 Euro täglich anzusetzen seien. Die Erledigungsgebühr sei ersatzfähig, weil nicht auszuschließen sei, dass das Ermittlungsverfahren ohne anwaltliche Vertretung nicht eingestellt worden wäre. 6 Der Kläger beantragt, 7 das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.064,53 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2008 zu zahlen. 8 Das beklagte Land beantragt 9 Klageabweisung. 10 Es bestreitet, dass die beschlagnahmten Computer im Eigentum des Kläger gestanden hätten. Dieser habe im Rahmen der Durchsuchung angegeben, die Geräte gehörten seiner Frau und seinem Sohn. Ersatz für Nutzungsausfall stehe nach dem StrEG aber nur dem Eigentümer zu. Darüber hinaus habe der Kläger keinen konkreten Nutzungsausfallschaden geltend gemacht. Er selbst habe die Geräte kaum genutzt, eine Internet-Telefonanlage funktioniere auch ohne Computer, und die Nutzungen der anderen Familienmitglieder seien nicht erstattungsfähig. Der Ersatz fiktiver Schäden sei dem StrEG fremd. Die angefallenen Rechtsanwaltsgebühren seien schon deshalb nicht nach dem StrEG ersatzfähig, weil sie zur Verteidigung gegen den Schuldvorwurf als solchen, nicht im Zusammenhang mit der entschädigungspflichtigen Strafverfolgungsmaßnahme angefallen seien.
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 391,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2008 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 63 % und die Beklagte 37 %. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 5. Die Berufung wird zugelassen. Streitwert: 1.064,53 Euro.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 4. Senat
Sachsen-Anhalt
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15.02.2019
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Randnummer 1 Die Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wenden sich gegen zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter), mit denen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. März bis zum 30. April 2007 zurückgefordert werden. Randnummer 2 Der 1972 geborene Kläger zu 1. und seine 1972 geborenen Ehefrau, die Klägerin zu 2., standen gemeinsam mit ihren am 9. Mai 1994, 15. September 1997 und ... 2005 geborenen Kindern, den Klägerinnen zu 3. bis 5. beim Beklagten im laufenden Leistungsbezug. Gemeinsam bewohnte die Familie eine Mietwohnung in der P ...straße ... in D ... Die Gesamtmiete betrug ab September 2006 monatlich 359,92 Euro, wovon 220,66 Euro auf die Grundmiete, 128,49 Euro auf die kalten Betriebskosten und 90,00 Euro auf die Heizkosten entfielen. Die Warmwasserbereitung erfolgte zentral. Die Klägerin zu 2. erhielt monatlich Elterngeld in Höhe von 300 Euro. Die Klägerinnen zu 3. bis 5. erhielten jeweils Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 1.151,53 Euro. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte bei den Klägerinnen zu 3. bis 5. als Einkommen jeweils das Kindergeld. Unter Berücksichtigung der geänderten Abschläge für Wasser/Abwasser und Fernwärme bewilligte der Beklagte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 11. Januar 2007 für den genannten Zeitraum monatlich Leistungen in Höhe von 1.203,95 Euro. Randnummer 4 Am 29. Dezember 2006 verstarb die Tante des Klägers E. K ... Diese verfügte über eine Lebensversicherung bei der Öffentlichen Lebensversicherung Sachsen-Anhalt (ÖSA) mit der Versicherungsnummer ..., für die der Kläger im Todesfall als Bezugsberechtigter eingetragen war. Randnummer 5 Die Kläger zu 1. und zu 3. bis 5. schlugen die Erbschaft aus. Randnummer 6 Am 9. Februar 2007 überwies die ÖSA ein Betrag in Höhe von 5.200 Euro auf das gemeinsame Konto der Kläger zu 1. und zu 2. unter der Angabe "VSNR ... Leistung E. K.". Zum Zeitpunkt der Gutschrift betrug der mit der Bank vereinbarte Dispositionskredit 1.600 Euro. Das Konto war zu diesem Zeitpunkt mit 470,54 Euro im Soll. Nach Gutschrift der 5.200 Euro betrug das Guthaben 4.729,46 Euro. Am 1. März 2007 belief sich der Kontostand auf 3.618,62 Euro und am 1. April 2007 auf 2.236,01 Euro. Randnummer 7 Die Kläger teilten dem Beklagten die Auszahlung der Versicherungssumme nicht mit. Im Weiterbewilligungsantrag vom 13. April 2007 gab der Kläger an, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger hätten sich nicht geändert. Randnummer 8 Am 4. Juli 2007 erfuhr der Beklagte durch eine anonyme Anzeige von der Auszahlung der Versicherungssumme an den Kläger. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass ihm bekannt geworden sei, dass dieser eine größere Summe geerbt habe und forderte ihn zur Einreichung der Kontoauszüge ab Januar 2007 bis fortlaufend bzw. der Schenkungsurkunde auf. Mit Schreiben vom 27. Juli 2007 teilte der anwaltlich vertretene Kläger mit, dass er sich zu Lebzeiten um seine Tante gekümmert und diese ihn als Begünstigten ihrer Lebensversicherung eingetragen habe. Da er zum Zeitpunkt der Auszahlung des Betrags von 5.200 Euro auf seinem Konto einen Überziehungskredit in Anspruch genommen hatte, sei dieser ausgeglichen worden. Er habe für sich und seine Familie notwendige Anschaffungen getätigt. Zudem habe er die Wohnung seiner verstorbenen Tante auf eigene Kosten renoviert, um sie nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Ferner habe er sich an den Beerdigungskosten der Tante beteiligt. Trotz Ankündigung waren dem Schreiben keine Rechnungen oder Belege beigefügt. Randnummer 10 Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung durch den Bescheid vom 17. Oktober 2006 für die Zeit vom 1. März bis zum 30. April 2007 gegenüber dem Kläger und den Klägerinnen zu 3. bis 5. teilweise auf und forderte diese zur Erstattung von insgesamt 1.123,52 Euro auf, welche sich wie folgt aufteilen: 549,80 Euro für den Kläger und jeweils 191,24 Euro für die Klägerinnen zu 3. bis 5. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag hob der Beklagte auch gegenüber der Klägerin zu 2. den Bescheid vom 17. Oktober 2006 für die Zeit vom 1. März bis zum 30. April 2007 teilweise auf und forderte diese zur Erstattung von insgesamt 549,82 Euro auf. Die Kläger seien ihrer Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Außerdem hätten sie Einkommen oder Vermögen erzielt, dass zur Minderung ihres Anspruchs geführt habe. Die zu Unrecht gezahlten Leistungen seien zu erstatten. Randnummer 11 Hiergegen erhoben der Kläger mit den Klägerinnen zu 3. bis 5. und die Klägerin zu 2. jeweils mit Schreiben vom 26. November 2007 Widerspruch: Bei der Zahlung aus der Lebensversicherung handele es sich um Vermögen, das unterhalb der Freibetragsgrenze liege, und nicht um Einkommen. Mangels finanzieller Rücklagen hätten die Kläger den Überziehungskredit ihres Kontos in Anspruch nehmen müssen und mit Auszahlung der Versicherungssumme, die allein der Kläger erhalten habe, bestehende Verbindlichkeiten sowie erforderliche Zahnbehandlungskosten ausgeglichen. Mit Schreiben vom 28. November 2008 reichten die Kläger Belege über zahlreiche Ausgaben (Rechnungen von Einrichtungs- und Baumärkten, Versandhäusern, Auto Service GmbH, über zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlung) sowie Kontoauszüge ein. Die Versicherungssumme habe ihnen nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden, so dass kein Rückzahlungsanspruch des Beklagten bestehe. Da die Kläger von der Auszahlung überrascht gewesen seien und diese umgehend für bestehende Verbindlichkeiten hätten ausgeben müssen, habe aus ihrer Sicht keine Veranlassung für eine Meldung gegenüber dem Beklagten bestanden. Randnummer 12 Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2008 zurück: Die Kläger hätten nachträglich Einkommen erzielt, das zur Minderung ihres Leistungsanspruchs geführt habe. Bei der Zahlung aus der Lebensversicherung handele es sich um von Dritten angesparte Mittel. Eine Umschichtung von Vermögen des Klägers habe mit der Zahlung nicht stattgefunden. Dieser Betrag sei als Einkommen zu berücksichtigen und als einmalige Einnahme ab dem Folgemonat des Zuflusses auf sechs Monate verteilt in Höhe von jeweils 836,67 Euro anzurechnen. Randnummer 13 Die Kläger haben am 2. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und vorgetragen, dass die Zahlungen, die der Kläger nach dem Tod seiner Tante erhalten habe, in das Schonvermögen fielen. Es seien zahlreiche Verbindlichkeiten der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Randnummer 14 Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Februar 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Kläger nach der Leistungsbewilligung im Februar 2007 Einkommen erzielt hätten, das zur Minderung ihres Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen geführt habe. Die ausgezahlte Versicherungssumme sei nach § 11 Abs. 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Da die Kläger in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, sei die dem Kläger ausgezahlte Versicherungssumme nach § 9 Abs. 2 SGB II auch bei den anderen Familienangehörigen als Einkommen zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 2008 (B 4 AS 29/07 R) sei jegliches Einkommen zunächst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Zugleich habe das BSG bestätigt, dass einmalige Einnahmen nach § 2 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) ab dem auf den Zufluss folgenden Monat auf sechs Monate aufgeteilt werden könnten. Dies habe der Beklagte umgesetzt. Die durch die Kläger nachgewiesenen Ausgaben könnten nicht von der Versicherungssumme abgesetzt werden. Aufwendungen für Beerdigungskosten seien nicht nachgewiesen worden. Darüber hinaus seien die Kläger ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen, denn sie hätten dem Beklagten nicht mitgeteilt, dass ihnen im Februar 2007 die Lebensversicherungssumme ausbezahlt worden sei. Zu Unrecht erzielte Leistungen seien zu erstatten. Randnummer 15 Die Kläger haben gegen das ihnen am 5. März 2012 zugestellte Urteil am 4. April 2012 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen, dass sie von der ausgezahlten Versicherungssumme notwendige Ausgaben getätigt und bestehende Verbindlichkeiten ausgeglichen hätten. Es habe ansonsten keine Möglichkeit bestanden, den Überziehungskredit auszugleichen. Zudem hätten sie Nachlassverbindlichkeiten ausgeglichen, deren Belege sie nachreichen würden. Die Auszahlungssumme liege unterhalb der Freibeträge. Randnummer 16 Mit Schreiben vom 15. August 2013 hat die Berichterstatterin die Kläger unter Hinweis auf § 106 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Übersendung von Kontoauszügen für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. August 2007 sowie von Nachweisen für Nachlassverbindlichkeiten (insbesondere Beerdigungskosten) aufgefordert. Nach Einreichung der angeforderten Kontoauszüge hat der Berichterstatter die Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2014 erneut zum Vortrag zu den Beerdigungskosten sowie um Nachweis der Bevollmächtigung für die Klägerin zu 2. und die Klägerinnen zu 3. bis 5. aufgefordert. Hierauf haben die Kläger nicht mehr reagiert. Randnummer 17 Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen zu 3. und zu 4. zunächst erklärt, zum Zeitpunkt der Volljährigkeit (9. Mai 2012 bzw. 15. September 2015) über keine Wertgegenstände, Konten, Sparbücher oder Ähnliches verfügt zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. Februar 2019 hat die Klägerin zu 3. erklärt, dass sie ab August 2011 ihre Ausbildungsvergütung in Höhe von ca. 400 bis 420 Euro auf ihr Privatgirokonto erhalten habe. Hiervon habe sie regelmäßig "etwas" an ihren Vater, den Kläger zu 1., gezahlt. Die Klägerin zu 4. hat erklärt, vor ihrem 18. Geburtstag über ein Sparkonto verfügt zu haben. Darauf habe ihre Mutter, die Klägerin zu 2., regelmäßig "kleinere" Einzahlungen vorgenommen. Die Kläger beantragen, Randnummer 18 das Urteil des SG D.-R. vom 15. Februar 2012 und die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2008 aufzuheben. Randnummer 19 Der Beklagte beantragt, Randnummer 20 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 21 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Randnummer 22 Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Hamburg 12. Zivilkammer
Hamburg
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10.08.2010
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Randnummer 1 Die Parteien streiten vorliegend um die rechtliche Zulässigkeit eines Gewinnspielangebots der Beklagten, wie aus den Anlagen K 1 und K 2 ersichtlich. Randnummer 2 Bei dem Kläger handelt es sich um den bundesweit tätigen Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist seit dem Jahr 2002 in die Liste gem. § 4 UKlaG eingetragen. Randnummer 3 Die Beklagte ist im Verlagsgeschäft tätig. In diesem Zusammenhang betreibt sie auch verschiedene Internetpräsenzen. Randnummer 4 Im August 2009 präsentierte die Beklagte auf ihrer Internetseite ein Gewinnspiel wie aus der Anlage K 1 und K 2 ersichtlich. Ziel dieses Gewinnspiels auf Seiten der Beklagten war es, möglichst viele Interessenten zur Freigabe ihrer persönlichen Daten zu Werbezwecken zu bewegen, wobei diesen im Gegenzug hierfür die kostenlose Teilnahme an einem Gewinnspiel mit attraktiven Preisen (wie im Tenor angeführt) angeboten wurde (so genannten Koppelungsangebot). Eine separate Einwilligung in die Datennutzung war nicht vorgesehen. Die Teilnahme am Gewinnspiel setzte neben der Eingabe der persönlichen Daten vielmehr lediglich das Markieren („Opt-in“) eines Kästchen verbunden mit einer Akzeptanz sowohl der Teilnahmebedingungen als auch des Hinweises zur Datennutzung voraus, sowie das abschließende Anklicken des Buttons „Jetzt teilnehmen“. Der Umstand, dass mit letzterem auch dem Erhalt von „interessanten Angeboten von Partnerunternehmen“ zugestimmt wurde, erfuhr der Verbraucher lediglich dann, wenn er dem sich auf der ersten Seite befindlichen Link zur Datennutzung folgte. Wegen der näheren Einzelheiten der konkreten Ausgestaltung des Gewinnspiels wird auf die Anlagen verwiesen. Randnummer 5 Der Kläger ist der Auffassung, die Regelungen des Gewinnspiels stünden im Widerspruch sowohl zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen, wie auch wettbewerbsrechtlichen Regelungen und hielten einer Inhaltsüberprüfung an Hand von §§ 307 ff BGB nicht stand. Randnummer 6 Zunächst fehle es an einer freiwilligen Einwilligung in die Datennutzung, da die angesprochenen Verbraucher durch die ausgelobten Gewinne, welche wie beispielsweise des PKWs mit einem Wert i.H.v. € 38.000,-- sowie der anderen ausgelobten Sachpreise erhebliche Werte darstellten, durch übermäßige Anreize zur Preisgabe ihrer Daten verleitet würden. Randnummer 7 Im Gegensatz zu den potentiellen Gewinnen würden die Verbraucher über den Umfang der von ihnen geforderten Einwilligungserklärung jedoch nur unzureichend aufgeklärt. So fehlten jegliche Angaben dahingehend, mit welchen Angeboten die Verbraucher zukünftig konfrontiert würden. Auch deren Frequenz bliebe im Unklaren. Randnummer 8 Den Verbrauchern würde ferner durch die in Rede stehenden Regelungen auch nicht hinreichend deutlich gemacht, dass der Klick zur Bestätigung der Teilnahmebedingungen auch die Zustimmung enthalte, dass Angebote von Partnerunternehmen per Telefon und E-Mail unterbreitet werden dürften. Auf der Anmeldemaske fehlte darüber hinaus auch jeglicher Hinweis darauf, dass die erteilte Einwilligung widerrufen werden könne, gehe dies doch lediglich aus dem gesonderten Hinweis zur Datennutzung hervor, der mit der Anmeldemaske lediglich verlinkt sei. Randnummer 9 Auf Grund der Tatsache, dass eine gesonderte Erklärung bezüglich der Einwilligung in die Werbung per Telefon und E-Mail nicht erfolge, vielmehr eine zwangsläufige Koppelung zwischen der Teilnahme am Gewinnspiel und der Einwilligung bestünde, erfüllte das streitgegenständliche Gewinnspiel auch nicht die Anforderungen, welche gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG an eine wirksame Einwilligung zu stellen seien. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 22.8.9.2009 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie zur Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. € 200,-- auf. Hierzu konnte sich die Beklagte hingegen nicht entschließen. In diesem Zusammenhang wird auf die zwischen den Parteien gewechselte Korrespondenz gem. den Anlagen K 3 bis K 8 verwiesen. Randnummer 11 Die seiner Abmahnung zu Grunde gelegte Abmahnpauschale, so der Kläger weiter, entspreche der Üblichkeit und sei angemessen. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 wie erkannt. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, Randnummer 15 die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Sie trägt vor, die streitgegenständlichen Klauseln ihres Gewinnspiels seien sowohl datenschutzrechtlich, als auch wettbewerbsrechtlich unbedenklich. Randnummer 17 Die bloße Attraktivität der von ihr ausgelobten Preise vermöge nicht die Wettbewerbswidrigkeit der Ankündigung ihres Preisausschreibens zu begründen. Der angesprochene Verkehr sei – ob der Häufigkeit derartiger Gewinnspiele – hieran bereits gewöhnt und lasse sich daher nicht lediglich wegen etwaiger attraktiver Preise zu einer unkritischen Teilnahme bewegen. Erforderlich für die Annahme einer Unlauterkeit seien vielmehr weitere Umstände, welche vorliegend nicht gegeben seien. Randnummer 18 Auch der Umfang der begehrten Einwilligung sei für die angesprochenen Verbraucher hinreichend deutlich. Eine genaue Erläuterung der Art der zu bewerbenden Angebote, sowie die Frequenz solcher Werbekontakte seien nicht erforderlich. Randnummer 19 Auch die Einwilligung in die Werbung auch von Partnerunternehmen unterliege keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eines besonders hervorgehobenen Hinweises bedürfe es nicht. § 28 Abs. 3 BDSG erlaube vielmehr explizit, personenbezogene Daten für Zwecke der Werbung für fremde Angebote zu nutzen, wenn für den Betroffenen bei der Ansprache zum Zwecke der Werbung die für die Nutzung der Daten verantwortliche Stelle eindeutig erkennbar sei. Dies sei vorliegend der Fall, wie auch der Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit ausreichend sei. Randnummer 20 Entgegen der anders lautenden Auffassung des Klägers unterläge auch die Koppelung eines Gewinnspiels mit der Einwilligung in die Nutzung persönlicher Daten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Lediglich in Fällen, in denen vordergründig andere Dienstleistungen, wie beispielsweise die Teilnahme an einem Rabattsystem, angeboten würde, habe die Einwilligung in E-Mail-Werbung durch ausdrückliche Zustimmung („opt-in“) und getrennt von der Teilnahmeerklärung zu erfolgen. Dies, da die Nutzung der so erlangten persönlichen Daten auch für Werbezwecke für den Verbraucher in einem solchen Fall nicht ersichtlich und mithin überraschend sei. Randnummer 21 Im Streitfall verhalte es sich hingegen gänzlich anders: Sie biete den Teilnehmern am Preisausschreiben ein echtes, offen angebotenes Austauschverhältnis zwischen Erlangung der Teilnahme an einem attraktiven Preisausschreiben und der Preisgabe von Privatsphäre zugunsten von Telefon- und E-Mail-Werbung an. Einer separaten und nur auf die Einwilligung in Werbung bezogenen Erklärung bedürfe es in diesem Fall nicht. Eine solche Form des „Erkaufens“ von Werbe-Einwilligung habe im Übrigen auch der Gesetzgeber für zulässig erachtet. Randnummer 22 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträgen über die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit Verbrauchern, bei denen der Gewinn hochwertiger Artikel (hier: ein Fahrzeug A. Cabriolet – Wert: € 38.000,--; 5 x S. Digitaler Bildschirmrahmen; 2 x P. Flachbildfernseher; 4 x K.) in Aussicht gestellt werden, einzubeziehen, sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Ansprache zu Zwecken der Werbung per Telefon und Email zu berufen: 1) Ja, ich möchte meine Gewinnchance nutzen und erkläre mich damit einverstanden, dass E. und mich künftig per Telefon oder Email über interessante Angebote informieren. 2) Ich akzeptiere die Teilnahmebedingungen und den Hinweis zur Datennutzung . 3) Ihre E-Mail-Adresse, Ihre Telefonnummer und Ihren Namen speichern und verwenden und E. auch über die Dauer des Gewinnspiels hinaus, um Sie künftig über interessante Angebote auch von Partnerunternehmen zu informieren. (Falls Sie keine Informationen mehr erhalten möchten, können Sie der weiteren Nutzung Ihrer Daten für diese Zwecke per Mail an die Adresse [email protected] jederzeit widersprechen.). II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 200,-- nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.1.2010 zu zahlen. III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. IV. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziff. I. des Tenors gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 5.000,-- vorläufig vollstreckbar. Bzgl. der Aussprüche zu Ziff. II. und III. des Tenors ist das Urteil jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat
Berlin
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01.04.2015
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Randnummer 1 Im Streit ist die Versicherungspflicht der Klägerin in der Künstlersozialversicherung (KSV). Die 1982 geborene Klägerin arbeitet als Tänzerin für klassische indische Tänze sowie für Bollywood-Dance und weitere Tanzarten. Randnummer 2 Sie nahm seit 1994 Tanzunterricht, ab 1996 auch in orientalischem Tanz. Ab 1998 studierte sie den klassischen indischen Kathak-Tanz. Im Jahr 2005 schloss sie erfolgreich eine Seniorprüfung der Ausbildung in der Master class an der Pn Universität in C/Indien ab. Parallel dazu wurde sie in Bollywood-Dance ausgebildet. Randnummer 3 Sie gründete 2004 das Ensemble „P“ sowie 2006 die „D“, welche sich der Fusion von klassischem Kathak-Tanz und modernem indischem Tanz – Bollywood-Dance – widmet. Randnummer 4 Seit 2005 unterrichtet sie Bollywood-Dance. Daneben ist sie als Dozentin für Workshops im Bereich Orientalischen Tanz und Bollywood-Dance tätig. Seit 2006 ist sie ferner in einem Ensemble für Taiko (japanische Trommeln) auch als Musikerin tätig. Randnummer 5 Bei den aufgeführten Tanzstücken handelt es sich um eigene Choreografien, in denen die Klägerin unter Grundlage des indischen Tanzes durch Umgestaltungen Verbindungen zum klassischen europäischen Tanz herstellt. Randnummer 6 Der heutige Kathak-Tanz entstammt aus der Fusion von hinduistischer und muslemischer Kultur in Indien. Randnummer 7 Bei „Taiko“ handelte es sich um eine japanische Percussiontechnik. Bei ihren Auftritten als Taiko-Künstlerin ist die Klägerin sowohl als Percussionistin als auch als Tänzerin tätig. Randnummer 8 Unter Einreichung des entsprechenden Fragebogens beantragte die Klägerin am 2. Oktober 2007 bei der Beklagten die Aufnahme in die Künstlersozialkasse ab 1. Oktober 2007. Sie gab an, Tänzerin zu sein. Sie reichte hierzu diverse Unterlagen über ihren Werdegang, laufende und geplante Objekte, Vertragskopien von Engagements sowie Abrechnungen ein. Randnummer 9 Die Beklagte beschied die Klägerin mit Bescheid vom 31. Januar 2008, sie unterliege nicht der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Sie sei nicht Künstlerin im Sinne des § 1 KSVG, da ihre ausgeübte Tätigkeit als Tänzerin keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des Gesetzes sei. Vielmehr trete sie im Rahmen von Banketten und Tanzshow-Veranstaltungen etc. auf. Notwendig sei hingegen die Aufführung von Tänzen im klassischen Werkbereich der darstellenden Kunst, d. h. im Ballett, dem modernen Tanztheater, der Oper oder dem Varieté. Randnummer 10 Die Klägerin erhob Widerspruch. Dass tänzerische Tätigkeit nur dann Kunst sei, wenn sie auf einer klassischen Bühne dargeboten werde, sei unrichtig. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Tänze vor einem Publikum aufgeführt würden. Randnummer 11 Sie wies auf diverse Tanzprojekte hin, bei welchen sie eigene Choreografien aufführe. Randnummer 12 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2008 zurück. Zur Begründung führte sie (nunmehr) aus, die Lehrtätigkeit der Klägerin im Bereich indischer klassischer Tanz sei nicht als Lehre von darstellender Kunst einzustufen, sondern als Vermittlung praktischer Fähigkeiten im Bereich des Breiten- bzw. Freizeitsports. Die allgemeine Verkehrsauffassung, nach der es sich richte, ob eigene schöpferische Darstellungen im Bereich des Sports oder dem der Kunst zuzuordnen seien, spräche hier für Sport. Von sportlicher Betätigung sei nämlich auszugehen, wenn für eine Aktivität ein Regelwerk existiere, das von einem entsprechenden Verband erlassen worden sei. Die von der Klägerin unterrichtete Tanzform zähle zu dem vom Deutschen Tanzsportverband e. V. (DTV) angebotenen Breitensportprogramm. Zum Bereich des Tanzsportes zählten u. a. Kindertanzshows, Jazztanz, Tango argentino, Hiphop, Salsa, Breakdance, historische Tanzvorführungen, Merengue, Flamenco, Stepptanzen, orientalische Tänze, Streetdance sowie Linedance (Bezugnahme auf BSG-Urteil vom 7. Dezember 2006 – B 3 KR 11/06 R –). Die von der Klägerin unterrichtete Tanzform werde in Sportverbänden organisiert und wettkampfmäßig ausgeführt. Auf den Umfang der Kreativität und des Gestaltungsspielraumes komme es nicht an, ebenso wenig, ob bestimmte Schrittfolgen vorgeschrieben seien oder die „freie Improvisation des Tanzpaares“ im Vordergrund stehe. Die Beklagte hat ferner auf das Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 15. Mai 20072007 (L 11 KR 523/07) verwiesen, wonach auch Tänze im Bereich der Folklore nicht als künstlerische Tänze einzustufen seien. Randnummer 13 Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Sie hat Unterlagen eingereicht, aus denen sich Auftritte der Klägerin auf klassischen Bühnen ergeben. Randnummer 14 Zur Begründung hat sie ergänzend ausgeführt, ca. 70 % ihrer Arbeitszeit widme sie dem Bühnentanz sowie dessen Vorbereitung im Rahmen von Tanzaufführungen des klassischen indischen Kathak-Tanzes sowie des modernen Bollywood-Tanzes. Nur 30 % der Zeit entfalle auf das Unterrichten. Randnummer 15 Die Veranstaltungen, in deren Rahmen sie auftrete, seien Varieté. Anders als bei der Folklore handele es sich beim Kathak-Tanz um einen reinen Bühnentanz, der sich über Jahrhunderte entwickelt habe und auch heute noch einem ständigen Wandel unterliege. Er werde direkt für die Bühne choreografiert und mit eigens für den Tanz komponierter Begleitmusik aufgeführt. Das Bewegungsrepertoire sei hoch stilisiert und beruhe auf technischer Präzision in der Ausführung. Um als Kathak-Tänzer gelten zu können, bedürfe es eines langjährigen Studiums in dieser Tanzform. Dieses erfolge an staatlichen oder privaten Akademien. Volkstänze (Folkloretänze) erforderten hingegen keine professionell ausgebildeten Tänzer. Sie dienten der Pflege des Brauchtums. Randnummer 16 Auch in ihrem Tanzunterricht stehe die Vermittlung von eigenen, also von der Klägerin selbst erstellten Choreografien, im Vordergrund. Ziel sei die Aufführung des Stückes durch die Tanzschüler am Ende des Semesters oder im Rahmen von diversen Tanz- und Kulturveranstaltungen. Insoweit lasse sich ihre Arbeit auch als Tanztheater einstufen. Randnummer 17 Die Klägerin hat sich ergänzend auf eine Stellungnahme des Direktors der Kulturabteilung der indischen Botschaft in Berlin vom 30. Juni 2011 berufen, in der der Kathak als einer der klassischen indischen Tänze bezeichnet wird. Randnummer 18 Die Beklagte hat ihre Argumentation wiederholt, dass die Klägerin sich jedenfalls schwerpunktmäßig nicht im klassischen Wirk- und Werkbereich der darstellenden Kunst (Theater, Oper und Varieté) bewege. Randnummer 19 Es gebe keine allgemeine Verkehrsanschauung, welche die Tanzformen der Klägerin als vergleichbar mit dem Ballett einstufe. Randnummer 20 Nach § 2 Satz 1 KSVG unterfielen nur solche Lehrtätigkeiten der Künstlersozialversicherung, die der aktiven Kunstausübung der Schüler dienten. Gegenstand der Lehrtätigkeit müsse die Vermittlung praktischer und theoretischer Kenntnisse sein, die sich auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Unterrichteten bei der Ausübung von Kunst auswirkten. Er erscheine der Beklagten zwar nicht ausgeschlossen, dass sich einzelne Schülerinnen und Schüler der Klägerin dem Bühnentanz zuwendeten. Überwiegend diene der Tanzunterricht aber nicht als Grundlage einer ballettartigen Kunstausübung, sondern der Ausübung von Breiten- bzw. Freizeitsport. Randnummer 21 Das SG hat die Beauftragte des Deutschen Tanzsportverbandes e. V. für den orientalischen Tanz M um Auskunft gebeten. Randnummer 22 Diese hat in ihrer Auskunft vom 8. Juni 2011 u. a. ausgeführt, dass weder „Bollywood-Tanz“ noch „Kathak-Tanz“ als Breitensportdisziplin im DTV betrieben würden. Sie unterlägen überdies – wie auch der orientalische Tanz – keinem tanzsportverbandlichen Regelwerk bzw. Wettbewerbscharakter. Es sei allerdings denkbar, dass es bei entsprechender Interessenlage und Nachfrage durchaus vereinzelte Angebote in Tanzsportvereinen oder in Tanzschulen geben könne. Weder Kathak-Tanz noch Bollywood-Tanz seien verbandlich als Tanzform oder als Tanzsportdisziplin erfasst oder organisiert. Randnummer 23 Mit Urteil vom 11. Dezember 2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 2. Oktober 2007 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die Versicherungspflicht sei ab dem Tag der Meldung bei der Beklagten festzustellen im Sinne der § 1 Nr.1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 S. 1, 11 Abs.1 KSVG. Die Klägerin sei Künstlerin nach § 2 S. 1 KSVG. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Bereich der Tanzlehre oder der Tanzauftritts liege. Beides sei dem Bereich der darstellenden Kunst zuzuordnen. Randnummer 24 Die berufliche Tätigkeit der Klägerin sei ausgehend vom Katalog dem Katalogberuf des Balletttänzers durchaus vergleichbar. Ballett stehe für eine bestimmte Form des Bühnentanzes neben anderen Richtungen, wie z. B. dem Modern Dance (BSG, Urteil vom 1. Oktober 2009 – B 3 KS 3/08 R –). An den meisten Bühnen träten Tänzer nicht nur im klassischen Ballett auf, sondern auch in Opern, Operetten und Musicals (Bezugnahme auf http://infobub.arbeitsagentur.de.berufe-stichwort“bühnentänze“). Daneben gebe es professionellen Tanz auch in Film und Fernsehen. Bei den von der Klägerin angebotenen und dargebotenen Bollywood-Tänzen und Kathak-Tänzen könne eine die darstellende Kunst ausschließende Form des Tanzes als Bestandteil des (professionellen) Spitzen- bzw. Leistungssportes oder des nicht professionellen Breiten-Freizeitsports ausgeschlossen werden. Dass die Klägerin ihre Tänze nicht nur auf klassischer Bühne aufführe, sei unschädlich. Entscheidend sei vielmehr der öffentliche Auftritt. So werde etwa im Bereich der Künstlersozialabgabe (§ 24 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KSVG) lediglich eine öffentliche Darbietung oder Aufführung künstlerischer Werke gefordert. Die Klägerin, die eigene Choreografien eines zeitgenössischen Tanzes (Bollywood) und eines per se Kreativität voraussetzenden klassischen indischen Tanzes entwickele und zur Aufführung bringe, unterfalle sogar dem engen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichtes. Wirkbereich der Kunst meine dabei lediglich, der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk zu verschaffen, d. h. seine Darbietung und Verbreitung (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 3. November 1987 –1 BvR 1257/84, 1 BvR 861/85– juris-Rdnr. 31). Eine Vergleichbarkeit zum klassischen Ballett als Bühnentanz müsse demnach lediglich insofern hergestellt werden, als es sich in Abgrenzung zur Folklore und Sport überhaupt um Tanzkunst handeln müsse, die auf einer öffentlichen „Bühne“ zur Aufführung gebracht werde. Ganz allgemein sei entscheidend für die Einordnung als Kunst die Qualifizierung des öffentlich dargebotenen (Kunst-)werkes als künstlerische Tätigkeit und nicht etwa der selbst gewählte Wirkbereich. Andernfalls seien eine Weiter- und Neuentwicklung von Kunstformen und deren Anerkennung durch das KSVG erhebliche Grenzen gesetzt, insbesondere dann, wenn der Auftrittsort Teil des Kunstwerkes sei (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1984 -1 BvR 812/82- juris – Rdnr. 34 ff.). Diese weite Interpretation des ausreichenden Wirkbereichs entsprechend der allgemeinen Verkehrsanschauung werde durch die Rechtsprechung z. B. im Steuerrecht verfolgt, etwa in der Auslegung des Begriffes „Theater“ im Umsatzsteuerrecht des § 12 Abs. 2 Nr. 7 a) Umsatzsteuergesetz. Zuletzt gingen auch die Veranstalter, für die die Klägerin auftrete, regelmäßig davon aus, dass ihre öffentlichen Darbietungen des Bollywood- und Kathak-Tanzes dem Bereich der Kunst zuzuordnen seien. Randnummer 25 Gegen dieses am 28. Januar 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 22. Februar 2013. Zu deren Begründung hat sie ausgeführt, dass die Klägerin überwiegend Einnahmen aus Unterrichtstätigkeit erziele. Im Mittelpunkt ihres Unterrichts stehe die Vermittlung von Basiselementen des Bollywood-Tanzes. Ziel des Unterrichts sei es nach eigener Darstellung, die Freude an der Vielseitigkeit des Tanzes zu fördern und Choreografien einzustudieren, welche zu verschiedenen Anlässen gezeigt werden könnten. Damit wolle die Klägerin nicht Künstler ausbilden. Die eigenen Tanzauftritte überwögen nach den vorliegenden Informationen nicht, so dass diese eine schwerpunktmäßig künstlerische Tätigkeit nicht begründeten (Bezugnahme u. a. auf den eigenen Internetauftritt der Klägerin unter www.d). Aus den von der Klägerin eingereichten Gewinnaufstellungen ergäben sich Gesamteinkünfte für 2007 bis 2014 aus dem Bereich des Unterrichtes in Höhe von 36.820,33 € und durch Aufführungen ein Gewinn von 29.549,82 €. Diese würde überwiegend in den Bereichen Bollywood- und orientalischer Tanz/Tribal fusion erzielt. Diese ließen sie sich unter dem Oberbegriff der orientalischen Tänze einordnen. Randnummer 26 Auf Nachfrage des Senats hat sie erklärt, Ballettlehrer als Pädagogen im Bereich darstellende Kunst anzuerkennen. Randnummer 27 Sie beantragt, Randnummer 28 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Dezember 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 29 Die Klägerin beantragt, Randnummer 30 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 31 Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, sie unterrichte „eigentlich nur“ Erwachsene. Zwar seien viele freizeitorientiert, sie habe aber auch ambitionierte Kunden. Mittlerweile seien zwei Kunden von ihr selbst professionell tätig. Ziel des Unterrichts sei es jeweils, dass die Schüler selbst Tänze entwickeln und aufführen könnten. Regelmäßig führten die Kursteilnehmer zweimal jährlich von den Tanzstudios organisierte Aufführungen auf. Randnummer 32 Auf die von den Beteiligten eingereichten Unterlagen sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten, der zur Verhandlung vorlag und Gegenstand der Erörterung war, wird ergänzend Bezug genommen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 5. Kammer
Rheinland-Pfalz
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18.01.2018
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über Freizeitausgleich und eine sog. Krankheitspauschale im Zusammenhang mit krankheitsbedingt ausgefallenen Bringeschichten. Randnummer 2 Der 1963 geborene Kläger ist seit 1985 bei der Beklagten als Prüfmechaniker im Dreischichtbetrieb beschäftigt. Er ist Mitglied des Betriebsrats im Werk A-Stadt. Die Beklagte beschäftigt in diesem Werk ca. 290 Arbeitnehmer. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Hohlglaserzeugungsindustrie, Landesgruppe Rhein-Weser, idF. vom 04.07.1992 (MTV 1) Anwendung. Weiter ist der Manteltarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband der deutschen Glasindustrie und der Industriegewerkschaft BCE vom 02.12.2002 (MTV 2) auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 36,2 Stunden. Randnummer 3 In einer Betriebsvereinbarung vom 26.10.2015 zum "VK-5-Schichtbetrieb mit einer 36,2 Stundenwoche"(BV Schichtbetrieb), die am 01.11.2015 in Kraft getreten ist, ist auszugsweise folgendes geregelt: Randnummer 4 "… Randnummer 5 2. Geltungsbereich Randnummer 6 Diese Betriebsvereinbarung gilt … für alle Mitarbeiter in vollkontinuierlicher Arbeitsweise im Werk A-Stadt, … Randnummer 7 3. Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung Randnummer 8 Die Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung erfolgt im Rahmen eines 5-Schichtsystems mit dem vorwärtsrollierenden Rhythmus 2 Frühschichten, 2 Spätschichten, 2 Nachtschichten auf der Basis von 33,6 Stunden/Woche. Randnummer 9 Die Einteilung der Mitarbeiter auf die jeweiligen Schichten erfolgt durch die Werkleitung in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Randnummer 10 4. Erreichung der tariflichen Arbeitszeit Randnummer 11 Zur Erreichung der tariflichen Arbeitszeit von 36,2 Stunden ist es notwendig, je Mitarbeiter im VK-Bereich, 17 Bringeschichten zusätzlich zu dem unter Ziffer 3 genannten vorwärts rollierenden Rhythmus abzuleisten. Randnummer 12 5. Bringeschichten und Urlaubsanspruch Randnummer 13 Die zur Erreichung der tariflichen Arbeitszeit von 36,2 Stunden notwendigen 17 Bringeschichten aus Ziffer 4 werden um 3 zusätzlich bezahlte Freischichten gemäß "Tarifvertrag über zusätzlich bezahlte Freischichten" sowie um 2 Tage Tarifurlaub gemindert, so dass 12 Bringeschichten und 28 Tage Tarifurlaub für die Planung verbleiben. Randnummer 14 … Randnummer 15 Spätestens bis zum 30. November ist der Urlaubsplan zu erstellen und dabei mindestens 24 Tage des Jahresurlaubs im Voraus zu planen. Randnummer 16 6. Umgang mit Bringeschichten Randnummer 17 6.0 Grundsätzliches Randnummer 18 6.0.1 Die Verplanung der Bringeschichten erfolgt durch einen Ausschuss der Schichtleiter mit Unterstützung des Betriebsrates. Randnummer 19 6.0.2  Zusammen mit der Jahresurlaubsplanung des Mitarbeiters werden 5 der Bringeschichten von vorneherein gegen Urlaub eingetauscht und mit verplant. Siehe hierzu Punkt 5. Randnummer 20 6.0.3 Sollten sich beide Parteien über die Ableistung von Bringeschichten nicht einigen können, so sind Betriebsrat und Werkleitung zu informieren. Diese entscheiden dann gemeinsam verbindlich. Randnummer 21 6.0.4 Es wird sichergestellt, dass die Bringeschichten, die zu leisten sind, innerhalb des Kalenderjahres erbracht werden können. Sollte es aus krankheitsbedingten Gründen ausnahmsweise zum Jahresende noch zu leistende Zusatzschichten geben, werden diese auf das Folgejahr übertragen. Die Bringeschichten aus dem Vorjahr sind bis spätestens zum 28.02. des Folgejahres zu leisten und werden durch den jeweiligen Schichtleiter verplant. Randnummer 22 6.0.5 … Randnummer 23 6.0.6 Die Mitarbeiter können in Absprache mit ihrem Vorgesetzten unter Berücksichtigung der jeweiligen Qualifikation untereinander Schichten und Bringeschichten tauschen. Randnummer 24 6.1. Langfristige Verplanung (Jahresplanung) Randnummer 25 … Randnummer 26 6.2. Kurzfristige Verplanung (Bedarfsplanung) Randnummer 27 … Randnummer 28 6.3  Krankheit Randnummer 29 Sollte ein Mitarbeiter durchgehend für 18 schichtplanmäßig anfallende Arbeitstage wegen Krankheit ausfallen, so wird eine nicht verplante Bringeschicht als erstes als erbracht verrechnet. Randnummer 30 …" Randnummer 31 In der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerregelung vom 15.04.2013, die am 01.01.2014 in Kraft getreten ist, war auszugsweise folgendes geregelt: Randnummer 32 " 6.1. Langfristige Verplanung (Jahresplanung) Randnummer 33 6.1.1 Mindestens 8 Bringeschichten müssen je Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Urlaubsplanung fest verplant werden. Randnummer 34 … Randnummer 35 6.2. Kurzfristige Verplanung (Bedarfsplanung) Randnummer 36 6.2.1 Um kurzfristige Ausfälle von Mitarbeitern (z.B. Krankheit, Urlaubswunsch etc.) kompensieren zu können, bleiben max. 4 Bringeschichten bei der Jahresplanung je Mitarbeiter stehen. Randnummer 37 …" Randnummer 38 Im November 2014 wurden auf einem Formblatt Urlaubstage für das Jahr 2015 vom Kläger beantragt und vom Vorgesetzten genehmigt. Im unteren Teil des Blattes finden sich folgende Eintragungen: Randnummer 39 " Zu leistende Bringeschichten : Randnummer 40 am: 14.01.15 Früh am: 15.01.15 Früh am: 11.07.15 Nacht am: 12.07.15 Nacht am: 24.07.15 Früh am: 11.08.15 Mittag am: 22.08.15 Mittag am: 09.10.15 Nacht am: 10.10.15 Nacht am: 30.10.15 Mittag Randnummer 41 Bringeschichten in Absprache mit dem MA eingeteilt. Randnummer 42 Datum: 28.11.14 Vorgesetzter: (Unterschrift) Mitarbeiter: (Unterschrift)" Randnummer 43 Der Kläger erkrankte am 09.10.und 10.10.2015 arbeitsunfähig, so dass er die am 28.11.2014 im Formblatt eingetragenen Bringeschichten nicht leisten konnte. Die Beklagte plante für ihn deshalb am 01.12. und 19.12.2015 zwei Bringeschichten, die der Kläger auch leistete. Wäre der Kläger nicht erkrankt, hätte er bis 30.11.2015 alle 12 Bringeschichten für das Jahr 2015 bereits geleistet. Am Jahresende 2015 wurden für den Kläger auf einem Formblatt für das Jahr 2016 erneut 10 Bringeschichten geplant, ua. eine Schicht am 28.03.2016 (Mittag). Am 28.03.2016 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Randnummer 44 Mit seinem Klageantrag zu 1) verlangt der Kläger für die am 01.12. und 19.12.2015 geleistete Arbeit einen bezahlten Freizeitausgleich von 2,5 Tagen, weil er iSv. § 6 Ziff. 3 MTV 2 Mehrarbeit geleistet habe, die nach Ziff. 4 durch bezahlte Freizeit einschließlich des Mehrarbeitszuschlags von 25% auszugleichen sei. Mit seinem Klageantrag zu 2) verlangt er für drei Krankheitstage jeweils eine Pauschale ("Mehrverdienst Krank"), weil er wegen seiner Erkrankungen am 09.10. und 10.10.2015 sowie am 28.03.2016 keine Schichtzulagen verdient hat (2 x € 45,86, 1 x € 50,17). Randnummer 45 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, Randnummer 46 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn 2,5 Arbeitstage für geleistete Mehrarbeit bezahlt freizustellen, Randnummer 47 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm € 141,89 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 48 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 49 die Klage abzuweisen. Randnummer 50 Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25.04.2017 stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, dem Kläger stehe gem. § 6 Ziff. 4 MTV 2 der geltend gemachte Freizeitausgleich zu. Er habe am 01.12. und 19.12.2015 Mehrarbeit geleistet. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen, die Bringeschichten vom 09.10. und 10.10.2015, die er infolge seiner Arbeitsunfähigkeit nicht geleistet habe, nachzuholen. Durch die Festlegung der Bringeschichten im November 2014 sei die Arbeitspflicht des Klägers konkretisiert worden. Wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung sei eine Nachholung nicht zulässig. Der Hinweis der Beklagten auf eine vermeintlich gegenteilige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 13.02.2002 - 5 AZR 470/00) verfange nicht. Die erbrachte Arbeitszeit des Klägers am 01.12. und 19.12.2015 stelle mithin Mehrarbeit iSd. § 6 Ziff. 3 MTV 2 dar. Da der Kläger am 09.10. und 10.10.2015 sowie am 28.03.2016 erkrankt gewesen sei, stehe ihm die der Höhe nach nicht streitige Pauschalabgeltung für die wegen Arbeitsunfähigkeit entfallenen Schichtzulagen gem. § 17 MTV 1 zu. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 25.04.2017 Bezug genommen. Randnummer 51 Gegen das am 19.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 19.06.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 21.08.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einem am 21.08.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet. Randnummer 52 Sie macht geltend, die Klage sei unbegründet. Ein Anspruch des Klägers auf bezahlte Freistellung für geleistete Mehrarbeit bestehe nicht. Der Kläger habe keine Stunden geleistet, die über die von ihm zu erbringende wöchentliche Arbeitszeit hinausgingen. Die von ihm am 01.12. und 19.12.2015 geleisteten Bringeschichten seien geschuldet gewesen, um die arbeits- und tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu erfüllen. Seine Arbeitsleistung am 01.12. und 19.12.2015 könne mithin keine Mehrarbeit iSd. § 16 Ziff. 3 MTV 2 darstellen. Der Umstand, dass der Kläger sowohl am 09.10. als auch am 10.10.2015 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, ändere daran nichts. Dem Kläger sei die Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht unmöglich geworden. Von einer Unmöglichkeit der Arbeitsleistung wäre nur dann auszugehen, wenn die vom Kläger geschuldete Arbeitsleistung als absolute Fixschuld zu qualifizieren sei oder die Arbeitsleistung im vereinbarten Erfüllungszeitraum nicht hätte nachgeholt werden können. Dies sei nicht der Fall. Die Bringeschichten am 09.10. und 10.10.2015 seien nicht deshalb zu einer absoluten Fixschuld geworden, weil sie bereits im November 2014 verplant worden seien. In der Verplanung der Bringeschichten liege keine Ausübung ihres Direktionsrechts. Die Annahme des Arbeitsgerichts, durch die Verplanung der Bringeschichten seien die Pflichten des Klägers konkretisiert worden, so dass eine Nachholung der Arbeitsleistung wegen des Fixschuldcharakters ausgeschlossen sei, verkenne den Charakter der BV Schichtbetrieb und lasse außer Acht, dass die Bringeschichten nicht allein durch sie (die Beklagte) festgelegt worden seien. Der Zeitpunkt, zu dem die Bringeschichten zu leisten seien, werde nicht einseitig festgelegt, sondern sei das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Der Arbeitnehmer habe dabei laut BV Schichtbetrieb ausdrücklich das Recht, Vorschläge zurückzuweisen. Erst wenn der Arbeitnehmer zwei Vorschläge zurückgewiesen habe, könne der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Bringeschicht einseitig festlegen. Vorliegend sei es - auch nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts - nicht zu einer einseitigen Bestimmung des Leistungszeitpunkts für die Bringeschichten gekommen. Vielmehr seien diese einvernehmlich auf den 09.10. und 10.10.2015 festgelegt worden. Deshalb sei die Feststellung des Arbeitsgerichts falsch, sie habe die Leistungspflicht konkretisiert, die zwei Bringeschichten seien vielmehr gemeinsam festgelegt worden. Schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Ziff. 6.0.6 BV Schichtbetrieb ergebe sich, dass die Bringeschichten auch nach der Verplanung keine absolute, sondern lediglich eine relative Fixschuld darstellten. In Ziff. 6.0.6 sei geregelt, dass Mitarbeiter ihre Schichten und Bringeschichten grundsätzlich tauschen können. Durch diese Regelung werde der Wille beider Parteien deutlich, die Arbeit für beide Seiten flexibel zu regeln und die Möglichkeit zu schaffen, Bringeschichten innerhalb des relevanten Jahreszeitraums nachzuholen. Es sei deshalb auch unbeachtlich, ob sie (die Beklagte) die geplanten Bringeschichten zwischenzeitlich aufgehoben habe oder nicht. Das Arbeitsgericht verkenne durchgehend, dass die Parteien die Möglichkeit, Bringeschichten nachzuholen, vorgesehen und gewünscht haben. So sei es Zweck der BV Schichtbetrieb, eine flexible Handhabung der Arbeitszeit sicherzustellen. Da es sich bei den Bringeschichten auch nach deren Verplanung um eine relative Fixschuld handele, sei die Arbeitsleistung erst dann iSv. § 275 BGB unmöglich geworden, wenn sie innerhalb des Jahreszeitraums nicht mehr nachgeholt werden könne. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Für die Annahme einer relativen Fixschuld spreche auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 13.02.2002 - 5 AZR 470/00 - Rn. 81). Das Bundesarbeitsgericht habe festgestellt, dass Bringeschichten im Grundsatz nachgeholt werden können. Es handele sich mithin bei den Bringeschichten innerhalb des relevanten Jahreszeitraums um relative Fixschulden. Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ergebe sich nicht, dass dem Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit während der Zeitschuldenphase entsprechend der konkret ausgefallenen Arbeit eine auszugleichende Zeitschuld zustehe. Dies sei nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts in der og. Entscheidung vielmehr nur deshalb der Fall gewesen, weil die Zusatzschichten und Schichtverlängerungen von vornherein im Einzelnen feststanden. Vorliegend sei es so, dass die Bringeschichten innerhalb des Jahreszeitraums nach dem Parteiwillen auch dann nachgeholt werden können, wenn sie bereits fest verplant worden seien. Dass eine solche Regelung im Allgemeinen zulässig sei und insbesondere keine Benachteiligung des Arbeitnehmers darstelle, habe das Bundesarbeitsgericht in der og. Entscheidung festgehalten. Dem Kläger seien die im Oktober 2015 ausgefallenen Arbeitszeiten demnach auch nicht nach den Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes gutzuschreiben. Der Zweck der BV Schichtbetrieb spreche gegen eine Qualifizierung der Bringeschichten als absolute Fixschuld. Hintergrund der BV Schichtbetrieb sei, dass sie (die Beklagte) etwaige Ausfälle von Arbeitnehmern aufgrund von Urlaub oder Krankheit nur durch ein flexibles Schichtsystem und den ungestörten Betriebsablauf gewährleisten könne. Dies habe sich auch den Arbeitnehmern erschlossen. Deshalb habe sie sich mit dem Betriebsrat auf das Schichtsystem geeinigt, dass in der BV Schichtbetrieb geregelt sei. Nach der getroffenen Regelung solle die "Ist"-Arbeitsleistung der Arbeitnehmer am Ende des einjährigen Erfüllungszeitraums dem tarifvertraglich vorgegebenen "Soll" an zu leistender Arbeitszeit entsprechen. Leiste der Arbeitnehmer hingegen keine Bringeschichten, sei sein Saldo an Arbeitszeit negativ. Dabei solle ein Teil der zu leistenden Bringeschichten bereits langfristig verplant werden. Komme es jedoch vor, dass ein Arbeitnehmer diese Bringeschichten aufgrund von Krankheit nicht wahrnehmen könne, werde dieser Fall durch die kurzfristig planbaren Bringeschichten eines anderen Arbeitnehmers aufgefangen. Damit das Soll an Arbeitszeit am Ende des Abrechnungszeitraums durch den krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitnehmer dennoch erfüllt sei, habe er die krankheitsbedingt nicht wahrgenommene Bringeschicht nachzuholen. Andernfalls würde der Arbeitnehmer, dessen Bringeschicht krankheitsbedingt von Kollegen übernommen wurde, am Ende die gleiche Vergütung wie seine Kollegen erhalten, obwohl er die tarifliche Arbeitszeit gerade nicht erfüllt habe. Auch der Wortlaut der BV Schichtbetrieb mache deutlich, dass die Nachholung von Arbeitszeit vorgesehen sei. So sei in Ziff. 6.3 BV Schichtbetrieb geregelt, dass Bringeschichten erst nach einem krankheitsbedingten Arbeitsausfall von durchgehend 18 Schichten erlassen werden. Sofern also umgekehrt kein Arbeitsausfall über einen Zeitraum von durchgehend 18 Schichten vorliege, würden zu leistende Bringeschichten nicht erlassen. Dieser Umkehrschluss sei offensichtlich. Schließlich werde gem. Ziff. 6.0.4 BV Schichtbetrieb sichergestellt, dass die Bringeschichten, die zu leisten seien, innerhalb des Kalenderjahres erbracht werden können. Lediglich wenn ausnahmsweise am Jahresende aus Krankheitsgründen noch zu leistende Zusatzschichten offen seien, würden diese auf das Folgejahr übertragen. Dh. nichts anderes, als dass Bringeschichten nachzuarbeiten seien, wenn ein Arbeitnehmer daran gehindert sei, sie zum geplanten Zeitpunkt zu leisten. Lege man die Klausel zutreffend aus, ergebe sich, dass die Parteien die Nacharbeitung von Bringeschichten, die aufgrund von Krankheit ausgefallen seien, für so wichtig erachtet haben, dass sie sogar einen Übertrag in das Folgejahr geregelt haben, für den Fall, dass eine Nacharbeitung innerhalb des Jahreszeitraums nicht möglich sein sollte. Im Übrigen spreche auch die tatsächliche Handhabung der Bringeschichten dafür, dass mit diesen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers erfüllt und keine Mehrarbeit geleistet werden sollte. Weder sei das betriebsinterne Verfahren zur Genehmigung von Überstunden eingehalten noch seien die Arbeitszeiten am 01.und 19.12.2015 im Zeitjournal als Mehrarbeit ausgewiesen worden. Der Kläger habe zudem bereits in dem für den Monat Oktober ausgehändigten Zeitjournal erkennen können, dass die ursprünglich für den 09.10. und 10.10.2015 verplanten Bringeschichten noch nicht abgeleistet waren. Dem Kläger stehe auch keine sog. Krankheitspauschale zu. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er gehindert gewesen wäre, seine Arbeit zu einem bestimmten Tag zu erfüllen und es ihm nicht möglich gewesen wäre, die Arbeitsleistung nachzuholen. Randnummer 53 Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich, Randnummer 54 das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 25.04.2017, Az. 6 Ca 961/16, abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 55 Der Kläger beantragt, Randnummer 56 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 57 Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Randnummer 58 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 25. April 2017, Az. 6 Ca 961/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 8. Kammer
Hessen
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11.08.2015
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Die Parteien streiten um Differenzlohnansprüche des Klägers für die Monate Juni 2013 bis Oktober 2013. Der Kläger wird bei der Beklagten seit dem 1. November 1999 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 2. November 1999 (Bl. 29 ff. d. A.), der "Zusatzvereinbarung vom Arbeitsvertrag vom 2. November 1999" vom 1. September 2000 (Bl. 32 d. A.) sowie der Arbeitsvertrags-Änderung vom 24. November/2. Dezember 2008 (Bl. 33 d. A.) als Fuhrparkleiter im Umfang von 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 2.583,33 beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Die Beklagte erbringt Fahrdienstleistungen für Menschen mit Behinderungen. Sie wird hierbei im Rahmen eines mit der A geschlossenen Subunternehmervertrags tätig. Deren Kostenträger ist die Stadt Frankfurt am Main. Nach vorangegangenem Arbeitskampf schloss die Beklagte am 9. Mai 2012 mit der Gewerkschaft ver.di folgende Vereinbarung (Bl. 55 d. A.): "1. Es herrscht Einvernehmen, dass bei Bestätigung dieser Vereinbarung, der Anwendungstarifvertrag zum TVöD bis 31.05.12 unterschrieben werden und zum 01.07.12 in Kraft treten soll. 2. verdi erklärt sich bereit, bei Nachweis von nicht kostendeckenden Refinanzierungsvereinbarungen, deren mangelnde Kostendeckung sowohl aus der Anwendung des Tarifvertrages, als auch aus Restrukturierungserfordernissen des Betriebs resultiert, in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, dem B die wirtschaftliche Existenz im notwendigen Restrukturierungsprozess zu sichern. Für diesen Fall vereinbaren die Parteien den Abschluss eines Notlagentarifvertrages. 3. Sollte im wirtschaftlichen Ergebnis nach Ablauf des Notlagentarifvertrages eine Überdeckung entstehen, ist dieser Betrag den Mitarbeiterinnen in noch zu vereinbarender Form gutzubringen." Weiterhin schlossen sie unter dem 29. Mai 2012 eine "Verfahrensvereinbarung für den Fall einer existenzgefährdenden Notlage". Diese sieht vor, dass zwischen den Tarifvertragsparteien Sondierungsgespräche über den Abschluss eines Notlagentarifvertrags aufzunehmen sind, wenn die sich aus dem abzuschließenden Anwendungstarifvertrag ergebenden Personalkostensteigerungen eine wirtschaftliche Notlage der Beklagten herbeiführen. Ziff. 1 regelt insofern, dass Sondierungsgespräche zwischen den Tarifvertragsparteien innerhalb von zwei Wochen nach Anzeige der Notlage durch die Beklagte gegenüber ver.di aufgenommen werden. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird im Übrigen auf Bl. 56 f. d. A. Bezug genommen. Die Beklagte schloss gemeinsam mit ihrer Schwesterorganisation, dem B, unter dem "13. Dezember 2011" mit Wirkung zum 1. Juli 2012 mit der Gewerkschaft ver.di einen Anwendungstarifvertrag, nach dessen § 2 auf die mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse mit tarifgebundenen Arbeitnehmern der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen vom 13. September 2005 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet. § 3 regelt die Überleitung der Beschäftigten in den TVöD, insbesondere deren Stufenzuordnung. Unter § 5 ist ua. die Begrenzung der Entgelttabellenwerte nach den Anlagen zum TVöD (VKA) für die Zeit ab 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2014 auf 90 % und die Reduzierung der Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD für das Jahr 2012 auf 50 v. H. des dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten Entgelts vorgesehen. § 4 Abs. 3 und Anlage 1 zum Anwendungstarifvertrag vom 13. Dezember 2011 sehen eine von §§ 12, 13 TVöD abweichende Zuordnung der Berufe und Tätigkeiten zu Bereichen und Entgeltgruppen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Anwendungstarifvertrages wird im Übrigen auf Bl. 34 ff. d. A. verwiesen. Nach der dem Betriebsrat von der Beklagten in der Folge vorgelegten Liste (Bl. 45 f. d. A.) ist der Kläger ab dem 1. Juli 2012 in die Entgeltgruppe 10, Stufe 5 eingruppiert. Nach der dem Anwendungstarifvertrag beigefügten Anwendungstabelle vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 beträgt das Vollzeitgehalt in der Entgeltgruppe 10, Stufe 5 € 3.464,76. Die Tabellenentgelte des TVöD wurden zum 1. Januar 2013 um 1,4% erhöht. Zum 1. August 2013 erfolgte eine Entgelterhöhung um weitere 1,4 %. Zum 1. März 2014 kam es zu einer weiteren linearen Entgelterhöhung um 3,0%, mindestens jedoch um einen Garantiebetrag von € 90,00. Nach § 6 Abs. 1b TVöD beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 39 Wochenstunden. Im Juni 2012 zeigte die Beklagte gegenüber ver.di das Bestehen einer Notlage an. Im August 2012 wurden von den Tarifvertragsparteien Sondierungsgespräche zum Abschluss eines Notlagentarifvertrags aufgenommen. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 bestätigte die C der Geschäftsführung der Beklagten auf deren Anfrage ua. die Notwendigkeit "eines unverzüglich abzuschließenden Notlagentarifvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 3 Jahren". Zwischen den Tarifvertragsparteien geführte Gespräche über den Abschluss eines Notlagentarifvertrags blieben erfolgslos. Unter dem 16. Mai 2013 erhielt die Beklagte ein Schreiben von ver.di, mit dem offiziell die Beendigung der Verhandlungen über einen Notlagentarifvertrag bekannt gegeben wurde. Die Beklagte rechnete ab dem 1. Juli 2012 nicht auf Grundlage des Anwendungstarifvertrages ab, sondern zahlte die Gehälter wie zuvor auf arbeitsvertraglicher Grundlage aus. Mit Schreiben vom 6. September 2012 (Bl. 26 der Vorverfahrensakte 8 Ca 377/13) machte der Kläger Lohndifferenzen aus der tariflichen Eingruppierung für den Monat August 2012 geltend. Am 5. Juni 2014 erhob die Beklagte bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Az. 5 Ca 3958/14 Klage gegen die Gewerkschaft ver.di. Mit dieser verfolgt sie das Ziel, einen Notlagentarifvertrag des Inhalts abzuschließen, dass der Anwendungstarifvertrag vom 13. Dezember 2011 für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2015 ausgesetzt wird. Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von Lohndifferenzen weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er könne von der Beklagten nach dem Anwendungstarifvertrag Vergütungsdifferenzen in Höhe von jeweils € 1.020,02 brutto monatlich für Juni und Juli 2013 beanspruchen. Darüber hinaus könne er für die Monate August bis Oktober 2013 Vergütungsdifferenzen in Höhe von € 1.070,47 brutto monatlich verlangen. Der Kläger hat beantragt , die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.020,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.020,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2013 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.070,47 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2013 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.070,47 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2013 zu zahlen; die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.070,47 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2013 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt , die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie zahle zu Recht weiter die vertragsgemäße Vergütung aus. Sie sei bis zum Abschluss eines Notlagentarifvertrages berechtigt, gegenüber ihren Mitarbeitern ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen. Für den Abschluss des Tarifvertrages sei - wie aus den Vereinbarungen vom 9. und 29. Mai 2012 ersichtlich - Geschäftsgrundlage gewesen, dass bei nicht ausreichender Kostendeckung eine entsprechende ausgleichende tarifliche Regelung erfolgen werde. Eine Störung der Geschäftsgrundlage könne auch bei Tarifverträgen zu einem entsprechenden Anpassungsanspruch führen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage mit am 3. Dezember 2013 verkündetem Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es - kurz zusammengefasst - ausgeführt, dass der Kläger Anspruch auf das Tabellenentgelt in Höhe von 90 % habe. Der Beklagten stehe kein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB zu. Selbst wenn ver.di sich tarifwidrig verhalte, sei dies eine Frage, welche die tarifvertraglichen Beziehungen zwischen der Beklagten und ver.di betreffe, die jedoch keine Auswirkungen auf das individualrechtliche Arbeitsverhältnis der Parteien habe. Ein etwaiger Gegenanspruch der Beklagten wegen überzahlten Gehalts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sei noch nicht einmal entstanden, geschweige denn fällig. Es sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar, welche Auswirkungen der Abschluss eines Notlagentarifvertrages auf die streitgegenständliche Vergütung haben werde. Wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage könne sich die Beklagte nicht auf die Einrede eines gegenüber der Gewerkschaft bestehenden Anpassungsanspruchs berufen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausginge, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliege, weil sich die Gewerkschaft einer Anpassung bzw. dem Abschluss eines Notlagentarifvertrages entziehe, führe dies nicht dazu, dass die Beklagte die Entgeltzahlung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern verweigern könne. Nach der Schuldrechtsreform sei die Rechtslage so, dass nach § 313 Abs. 1 BGB lediglich ein Anspruch auf Anpassung bestehe. Das Fehlen der Geschäftsgrundlage könne zwar auch einredeweise geltend gemacht werden, allerdings nur vom Verpflichteten und nicht von Personen, die nicht Vertragspartei seien. Gegen das Urteil vom 3. Dezember 2013, das der Beklagten am 19. Februar 2014 zugestellt worden ist, hat sie mit am 13. März 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 20. Juni 2014 durch am 3. Juni 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte macht mit der Berufung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die mit dem Anwendungstarifvertrag einhergehenden Vergütungserhöhungen hätten aus dem Zuwendungsvolumen der Kostenträger nicht finanziert werden können. Für sie, die Beklagte, sei es - anders als für ihre Schwesterorganisation - nicht gelungen, bei den Zuwendungsgebern entsprechende Erhöhungen durchzusetzen. Die Vereinbarung eines Tarifvertrages vor dem Hintergrund der bekannten Kostensituation sei für sie nur deshalb möglich gewesen, weil sie auf die Zusage der Gewerkschaft vertraut habe, bei nicht ausreichender Kostendeckung durch die Zuwendungsgeber ggf. im Rahmen eines Notlagentarifvertrages eine Anpassung durchzuführen. Es sei klar gewesen, dass eine dauerhafte Finanzierung über den Kostendeckungsbetrag der Zuwendungsgeber hinaus nicht funktionieren werde. Die Beklagte ist der Auffassung, sie hätte nach Abschluss eines Notlagentarifvertrages einen fälligen Anspruch auf Rückzahlung des hier klageweise geltend gemachten Differenzbetrages. Der Anspruch auf Abschluss eines Notlagentarifvertrages sei fällig und entstanden. Das schlage auf die Fälligkeit der dem Zurückbehaltungsrecht zugrundeliegenden Gegenforderung durch. Unabhängig vom Bestand des Zurückbehaltungsrechts ergebe sich die Begründetheit ihrer Einrede auch aus Treu und Glauben. Bei Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, die hier darin bestanden habe, dass bei nicht ausreichender Kostendeckung eine entsprechende ausgleichende tarifliche Regelung erfolgen werde, verkenne das Arbeitsgericht die besondere vorliegende Konstellation. Sie, die Beklagte sei durchaus Verpflichtete, denn sie werde aus dem in seiner Geschäftsgrundlage gestörten Tarifvertrag in Anspruch genommen. Sie sei auch diejenige, die eine Anpassung des Tarifvertrages verlangen könne. Die Einrede werde demnach aber von ihr als der richtigen Partei erhoben. Die Beklagte beantragt , das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Dezember 2013-8 Ca 5824/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt , die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er ist der Auffassung, ein Rückerstattungsanspruch der Beklagten bestehe nicht, da nicht absehbar sei, dass es überhaupt zum Abschluss eines Notlagentarifvertrages komme, sei es völlig ungewiss, ob und wenn, wann überhaupt ein Rückerstattungsanspruch und vor allem auch in welcher Höhe eintrete. Ein Zurückbehaltungsrecht bestehe nicht. Die Voraussetzungen für die Störung einer Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Dies sei insbesondere deshalb nicht der Fall, weil der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag habe bewusst sein müssen, dass sie eine Anpassung der Vergütung gegenüber der A nicht werde erzielen können. Ein möglicher Anspruch gegen die Gewerkschaft ver.di betreffe nur den schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages und könne nicht zu einem Zurückbehaltungsrecht gegenüber ihm, dem Kläger, führen. Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. Dezember 2013 - 8 Ca 5824/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.020,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2013 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.020,02 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2013 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.068,99 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2013 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.068,99 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2013 zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.068,99 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem zugunsten der Beigeladenen ein Bauvorbescheid zur Errichtung und für den Betrieb eines geothermischen Kraftwerks im Außenbereich auf dem Gemeindegebiet der Klägerin verlängert und zugleich ihr diesbezüglich versagtes Einvernehmen ersetzt wurde. 2 Am 15.01.2008 beantragte die Muttergesellschaft der Beigeladenen die Erteilung eines Bauvorbescheids zur Errichtung und für den Betrieb eines geothermischen Kraftwerks auf dem Grundstück FIst.Nr. ... auf der Gemarkung der Klägerin. Gegenstand des Bauvorbescheids war die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des geplanten Vorhabens gemäß Darstellung im (nachgereichten) Lageplan vom 31.03.2008, der u.a. ein Betriebsgebäude, eine Pumpenhalle sowie eine Trafostation auf dem Vorhabengrundstück aufweist. Das Vorhabengrundstück liegt im Außenbereich. Ein Bebauungsplan existiert nicht. Der Flächennutzungsplan „...“ des Nachbarschaftsverbandes Mannheim-Heidelberg in der Fassung vom 18.03.2009 weist das Grundstück als Fläche für Versorgungsanlagen mit der Zweckbestimmung „Elektrizität“ aus; zuvor war für das betreffende Grundstück im Flächennutzungsplan eine Grünfläche mit der Sondersignatur „Sport- und Freizeitfläche“ vorgesehen. 3 Im Hinblick auf den am 15.01.2008 beantragten Bauvorbescheid erteilte der Ausschuss für Technik und Umwelt der Klägerin mit Beschluss vom 25.02.2008 sein Einvernehmen gemäß § 36 BauGB. 4 Auf Antrag der Klägerin auf Zulassung einer Abweichung vom Ziel des Regionalplans „Unterer Neckar" des Verbands Region Rhein-Neckar im Bereich ihres Gemeindegebiets ließ das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Schreiben vom 08.08.2008 die Abweichung von der in der Raumnutzungskarte des Regionalplans „Unterer Neckar“ festgelegten regionalen Grünzäsur zu, soweit dies zur Realisierung des geplanten Geothermiekraftwerks auf dem Grundstück FIst.Nr. ... auf Gemarkung der Klägerin in dem im Antrag der Gemeinde vom 16.06.2008 dargestellten Umfang erforderlich war. 5 Mit Bescheid 03.11.2008 erteilte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis daraufhin den beantragten Bauvorbescheid. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. 6 Mit Schreiben vom 27.09.2011 stellte die Beigeladene einen Antrag auf Verlängerung des Bauvorbescheids um weitere drei Jahre. Mit Beschluss des Ausschusses für Technik und Umwelt vom 07.11.2011 versagte die Klägerin ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB zur beantragten Verlängerung des Bauvorbescheides. Mit Schreiben vom 12.12.2011 teilte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis der Klägerin mit, dass es beabsichtige, das versagte Einvernehmen gemäß § 54 Abs. 4 LBO zu ersetzen. Hierzu hörte das Landratsamt die Klägerin an und gab ihr bis zum 19.01.2011 Gelegenheit, erneut über das Einvernehmen zu entscheiden. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 16.01.2012 versagte die Klägerin ihr Einvernehmen erneut. 7 Mit Bescheid vom 28.02.2012 ersetzte das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis das gemeindliche Einvernehmen der Klägerin und verlängerte den Bauvorbescheid um weitere drei Jahre. Hiergegen legte die Klägerin am 30.03.2012 Widerspruch ein: Die Errichtung eines geothermischen Kraftwerks im Außenbereich sei nicht privilegiert. Es fehle tatbestandlich am Erfordernis der Ortsgebundenheit einer solchen Anlage. 8 Mit Bescheid vom 25.07.2012 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch der Klägerin zurück: Die Sach- und Rechtslage habe sich seit der (erstmaligen) Erteilung des Bauvorbescheides am 03.11.2008 nicht geändert. Das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig. Geplant seien der Bau und der Betrieb eines geothermischen Kraftwerkes. Nach der Betriebsbeschreibung werde bei der hier geplanten hydrothermalen Erdwärmenutzung über eine oder mehrere Bohrungen heißes Wasser an die Oberfläche gepumpt; diesem werde mit Hilfe von Wärmetauschern die Wärme entzogen und zur Stromerzeugung verwendet. Somit diene das Vorhaben der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Das geplante Vorhaben sei in Bezug auf die gegebenen geologischen Voraussetzungen für eine Geothermienutzung ortsgebunden. Auf die Möglichkeit von Schrägbohrungen von einem anderen Standort aus - unter Umständen verbunden mit einem zusätzlichen Aufwand und zusätzlichen Risiken - müsse sich die Beigeladene nicht verweisen lassen. Bauplanungsrechtliche Gründe für die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens seien nicht gegeben. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 30.07.2012 zugestellt. 9 Am 30.08.2012 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Sie beantragt, 10 den Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 28.02.2012 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 25.07.2012 aufzuheben. 11 Zur Begründung führt sie aus: Die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens sei zu Unrecht erfolgt und verletze sie in ihren Rechten. Der Beklagte gehe zu Unrecht von einer Privilegierung des streitgegenständlichen Vorhabens im planungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB aus. Eine Privilegierung als Vorhaben der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität und Wärme nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB scheide für geothermische Anlagen aus. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB diene nicht als Auffangtatbestand für Vorhaben aller Energiebereiche. Die alleinige Privilegierung wegen der Versorgungsfunktion würde zu einer Aufweichung dessen führen, was § 35 BauGB bezwecke, nämlich den Außenbereich grundsätzlich von Bauvorhaben frei- und im Übrigen solchen Vorhaben vorzubehalten, die tatsächlich auf einen Außenbereichsstandort zwingend angewiesen seien. Die jüngsten Ereignisse in Zusammenhang mit der Geothermie - u.a. Erschütterungen, Beben und Gasaustritte bei bestehenden Anlagen - zeigten, dass es sich um eine Technik handele, die noch nicht ausgereift sei und sich somit noch in einem Erforschungs- bzw. Entwicklungsstadium befände. Der Gesetzgeber habe bewusst für derartige Erforschungen und Entwicklungen im Energiebereich nur den Bereich Wind- und Wasserenergie nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit einer Privilegierung im Außenbereich versehen. Nicht erfasst seien andere Energiebereiche. Weiter müssten Betriebe i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, die der öffentlichen Energieversorgung dienen sollen, zusätzlich ortsgebunden sein, um eine Privilegierung für sich in Anspruch nehmen zu können. Die Bejahung der Ortsgebundenheit für das konkrete Vorhaben sei im bisherigen Verwaltungsverfahren und insbesondere im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe nicht ausreichend und überzeugend begründet worden. Die Ausführungen seien abstrakt und ohne Vorhabenbezug. Allein die Tatsache, dass die Möglichkeiten von Schräg- bzw. abgelenkten Bohrungen existierten, zeige, dass eine Ortsgebundenheit nicht gegeben sei. Denn an einer spezifischen Gebundenheit fehle es, wenn der Standort im Vergleich mit andere Stellen zwar Lagevorteile (auch wirtschaftlicher Art) biete, das Vorhaben aber nicht damit stehe oder falle. Insoweit sei auch der Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Die Beigeladene habe bislang keine geologischen Gründe dargetan und belegt, aus denen hervorgehe, dass eine solche Anlage bzw. die bauplanungsrechtlich zu beurteilenden Betriebs- und Kraftwerkgebäude, ausschließlich am gegenständlichen Standort zu verwirklichen sei. In Anbetracht der prinzipiellen regionalen Eignung des Oberrheingrabens sei es daher gerade nicht auszuschließen, dass es mehrere potentielle Standorte für das Vorhaben in dem vorliegend für die Ortsgebundenheit maßgeblichen Bezugsrahmen gebe. Allein die Möglichkeit einer aus geologischen Gründen ertragreichen Erdwärmenutzung am konkreten Standort könne die Ortsgebundenheit für sich nicht begründen. 12 Der Beklagte beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14 Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend führt er aus: Das geothermische Kraftwerk der Beigeladenen sei eine Anlage der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Aus dem Wortlaut von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB folge, dass sich das Erfordernis der Ortsgebundenheit auf den „gewerblichen Betrieb“ beschränke. Es handele sich bei der Anlage zur öffentlichen Versorgung einerseits und dem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb andererseits um zwei selbständige Privilegierungstatbestände, da sie sich in sachlicher Hinsicht unterscheiden würden. Ungeachtet dessen sei auch die Ortsgebundenheit des geplanten geothermischen Kraftwerkes gegeben. Die Anlage nutze das spezifische Erdwärmevorkommen im Oberrheingraben für die Gewinnung von Elektrizität. Selbst nach der engen Auslegung des Merkmals der Ortsgebundenheit liege diese hier wegen der geographischen und geologischen Eigenart des Oberrheingrabens und der lediglich an bestimmten Stellen vorhandenen ausreichend heißen Wasservorkommen vor. Die Errichtung der Anlage stehe und falle im Hinblick auf die konkreten geologischen Verhältnisse des Oberrheingrabens, da sie nicht an beliebig vielen Stellen im Außenbereich flächendeckend errichtet werden könne, wie es etwa bei Windkraftanlagen der Fall sei. 15 Die Beigeladene beantragt, 16 die Klage abzuweisen. 17 Zur Begründung führt sie aus: Das gemeindliche Einvernehmen sei zu Recht ersetzt und der beantragte Verlängerungsbescheid erteilt worden. Sie sei Inhaberin einer vom Landesbergamt erteilten Erlaubnis gemäß § 7 BBergG zur Aufsuchung des bergfreien Bodenschatzes Erdwärme i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b BBergG für das Aufsuchungsfeld „Schwetzingen". Unter den sie beschränkenden wirtschaftlichen und bohrtechnischen Prämissen habe sie für ihr Vorhaben insgesamt drei mögliche Standorte innerhalb des Aufsuchungsfelds identifiziert. Im Suchgebiet seien keine als Gewerbe- oder Industriegebiet ausgewiesenen Flächen vorhanden. Als Standort des geplanten geothermischen Kraftwerks komme vorliegend nur der Außenbereich in Betracht. Von diesen Außenbereichsflächen seien weiter die Flächen ungeeignet, die im Bereich der bei Hochwasser überflutungsgefährdeten Rheinauen südwestlich und westlich des Siedlungsbereichs der Klägerin lägen. Eine Geothermie-Anlage könne an überflutungsgefährdeten Standorten nicht errichtet werden, weil bei der Stromerzeugung wassergefährdende Stoffe (z.B. Isopentane sowie Butan) verwendet würden. Der identifizierte potentielle Standort auf dem Gebiet der Gemeinde Ketsch sei frühzeitig ausgeschieden, weil die Gemeinde Ketsch bereits im Januar 2008 mitgeteilt habe, dass sie ein Geothermie-Projekt ablehne. Am Ende sei der jetzt gewählte Standort übrig geblieben. Die nunmehr erhobene Klage sei bereits unzulässig. Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Nachdem sie ihr Einvernehmen zum Bauvorbescheid vom 03.11.2008 erteilt habe, sei sie bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht berechtigt, dieses im Rahmen der Verlängerung des Bauvorbescheids zu versagen. Die Klägerin sei mit Einwendungen gegen die - von ihr zuvor bejahte - bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens ausgeschlossen. Im Übrigen sei die unzulässige Klage auch unbegründet. Bei dem geplanten Vorhaben handele es sich um eine gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Anlage im Außenbereich. Insbesondere sei das Vorhaben auch ortsgebunden. Wesentliche Kriterien insoweit seien, dass der Vorhabenstandort im Gebiet der bergrechtlichen Aufsuchungserlaubnis liege und die besonders geeigneten Störungs- / Bruchzonen vom Vorhabenstandort aus mit vertretbarem Aufwand und nach technisch Möglichem erschlossen werden könnten. 18 Die Kammer hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung informatorisch im Hinblick auf die Kriterien der konkreten Standortwahl befragt. Hierbei hat diese u.a. ausgeführt, die vorliegend geplante hydrothermale Erdwärmenutzung erfolge mittels Aufschließung und Nutzung von natürlich vorhandenen heißthermalen Wässern. Bei der Standortwahl sei die Beschaffenheit des Untergrunds einerseits sowie die Genehmigungsfähigkeit des potentiellen Standorts anderseits maßgeblich. Für die Stromerzeugung werde Thermalwasser mit einer Temperatur von über 130°C benötigt. Dieses Wasser finde man in natürlich vorhandenen Störungs- und Bruchsystemen, die durch Horizontal- / Blattverschiebungen von Gesteinseinheiten entstanden seien. Weiter seien hierfür Gesteine erforderlich, die hart genug seien, um durch geologische Spannungen zerbrochen zu werden und in einer Tiefe lägen, in denen Temperaturen von über 130°C vorherrschten. Zusätzlich müsse die Bruchzone eine Größe und Ausdehnung haben, die eine Ergiebigkeit von mehr als 80 l/s Thermalwassergewinnungsrate erwarten lasse. Nicht jede Bruchzone sei geeignet. Geeignet seien grundsätzlich sich öffnende Brüche, während zusammengedrückte, geschlossene Brüche problematisch seien und oft zu ergebnislosen Bohrungen führten. Weiter sei zu beachten, dass die geologische Schichtenfolge im Oberrheingraben bohrtechnisch teilweise schwierig sei, u.a. soweit Tone, Tonsteine und wenig verfestigte Meeresablagerungen vorhanden seien. Bei der anzuwendenden Bohrungstiefe von ca. 3.500 m könne mit einer Schrägbohrung keine Entfernung von mehr als 1 bis 1,5 km bis zum eigentlichen Bohrziel überwunden werden. 19 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die Akten des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis (2 Bände), die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe (1 Band) sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 7. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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28.08.2013
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Randnummer 1 Streitig ist zwischen den Beteiligten eine Entgeltbegrenzung nach dem Gesetz zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) bezogen auf den Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis 30. November 1988. Randnummer 2 Der 1940 geborene Kläger übernahm zum 1. Januar 1985 die Position als 1. Sekretär der Industriekreisleitung der SED Seeverkehr und Hafenwirtschaft A-Stadt. Ab dem 1. Dezember 1988 war er dann Mitglied des Sekretariats der Bezirksleitung, vor 1985 war er zweiter Sekretär gewesen. Der Jahresbruttoverdienst bewegte sich im streitigen Zeitraum im Bereich von 35.000,00 bis 36.300,00 Mark. Der Kläger war in der freiwilligen zusätzlichen Altersversicherung für hauptamtliche Mitarbeiter der SED/PDS versichert (gem. Anlage 1 Nr. 27 AAÜG). Randnummer 3 Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) nahm als Zusatzversorgungsträger in einem Feststellungsbescheid vom 3. Juni 1997 für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 31. Dezember 1989 eine Entgeltbegrenzung für hauptamtliche Mitarbeiter der SED nach Anlage 5 zu § 6 AAÜG (in der seinerzeitigen Fassung) vor. Für das Jahr 1985 wurden anstelle des Bruttojahresverdienstes von 35.000,00 M lediglich 10.651,00 M, für 1986 statt 36.000,00 M 11.110,00 M, für 1987 statt 36.000,00 M 11.591,00 M und für 1988 statt 36.330,00 M 12.012,00 M rentenrechtlich angerechnet. Randnummer 4 Gegen diesen Bescheid legte der Kläger (ohne eine nähere Begründung) u.a. gegen die oben dargestellten Kürzungen im streitigen Zeitraum Widerspruch ein. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 1997 zurückgewiesen mit der Begründung, die Begrenzung der Entgelte im Feststellungsbescheid sei auf Grundlage der Vorschriften in § 6 Abs. 2 AAÜG (Anlagen 4 und 5) erfolgt. Der Versorgungsträger sei nicht berechtigt, vom Gesetz abweichende Entscheidungen zu treffen. Randnummer 5 Mit der am 19. September 1997 vor dem Sozialgericht (SG) A-Stadt erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die in den Jahren 1985 bis 89 vorgenommenen Entgeltbegrenzungen gewandt. Randnummer 6 Im Rahmen einer am 30. März 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung einigten sich die dort anwesenden Verfahrensbeteiligten seinerzeit auf ein Ruhen des Verfahrens. Randnummer 7 Am 18. Oktober 2005 wurde durch den nunmehrigen Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme – B. – eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Der Gesetzgeber sei den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BverfG, Beschluss vom 23. Juni 2004) nachgekommen und habe § 6 Abs. 2 AAÜG durch das 1. Gesetz zur Änderung des AAÜG vom 21. Juni 2005 neu gefasst. Im daraufhin eingeleiteten Überprüfungsverfahren sei klägerseits mitgeteilt worden, dass von Januar 1985 bis November 1988 eine Tätigkeit als Erster Sekretär und zuvor als Zweiter Sekretär der Industriekreisleitung der SED Seeverkehr und Hafenwirtschaft ausgeübt worden sei. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2005 sei die Entgeltbegrenzung für die Zeit vom 1. Dezember 1988 bis 31. Dezember 1989 aufgehoben worden. Für die Zeit vom 1. Januar 1985 bis 30. November 1988 bleibe die bisherige Entgeltbegrenzung aufgrund der Tätigkeit als Erster Sekretär bestehen. Randnummer 8 Hiergegen hat der Kläger eingewendet, dass er Erster Sekretär einer Industriekreisleitung eines Kombinates der DDR gewesen sei. Somit habe er keine Verantwortung für einen territorialen Stadt- oder Landbereich sondern lediglich für einen Teil der Mitglieder der SED im Kombinat getragen. Industriekreisleitungen hätten andere Aufgaben und Befugnisse gehabt als Kreisleitungen und Weisungsbefugnisse gegenüber dem MfS/AfNS seien nicht umfasst gewesen. Randnummer 9 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 10 den Feststellungsbescheid der PDS als Zusatzversorgungsträger vom 3. Juni 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1997 in der Fassung des Änderungsbescheides der Beklagten vom 13. Oktober 2005 dergestalt abzuändern, dass die Entgeltbegrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 1. Januar 1985 bis 30. November 1988 aufgehoben wird. Randnummer 11 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum zum Personenkreis des § 6 Abs. 2 Nr. 3 des 1. AAÜG-ÄndG gehöre. Randnummer 14 Unmittelbar vor dem zum 8. Juli 2010 geladenen Verhandlungstermin hat der Vorsitzende der 7. Kammer am 7. Juli 2010 ein Telefonat mit einem Herrn Dr. H. – Leiter der Außenstelle A-Stadt der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – geführt und hierzu in einem Telefonvermerk festgehalten: „Gegenstand des Gesprächs war der Versuch der Klärung der Rechtsfrage, ob ein Erster Sekretär der Industriekreisleitung der SED für Seeverkehr und Hafenwirtschaft als Erster Sekretär der SED Kreisleitung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 3 AAÜG gilt, weil er ggf. über eine rechtliche oder faktische Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS bzw. AfNS im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 1 StUG verfügte. Herr Dr. H. konnte diese Frage nicht abschließend beurteilen, schätzt jedoch aufgrund seiner bisherigen Forschungsarbeit ein, dass eine solche Weisungsbefugnis des Ersten Sekretärs der Industriekreisleitung wohl nicht gegeben war. Er begründete dies mit der unterschiedlichen hierarchischen Einordnung der Industriekreisleitungen im Vergleich zu den SED-Kreisleitungen auf territorialer Ebene. Die Kreis- und Bezirksleitungen der SED auf territorialer Ebene seien in den Organisations- und Einsatzstrukturen von SED und MfS dem MfS gegenüber weisungsbefugt gewesen. Dies folge aus Einsatz- und Strukturplänen für die Organisation im Friedens- und Kriegsfall. So habe z.B. auf territorialer Ebene die Funktion eines Bezirks- und Kreiseinsatzleiter bestanden, der im Einsatzfall den Kräften des MfS vorgesetzt gewesen wäre. Auch sei der Abteilungsleiter der Abteilung „Hafen“ des MfS A-Stadt dem 1. Stellvertreter des Leiters der Bezirksverwaltung A-Stadt des MfS zugeordnet gewesen. Soweit sich auch die Kreisdienststelle A-Stadt des MfS mit der Überwachung der Deutschen Seereederei der DDR und dem VEB Kombinat Seeverkehr und Hafenwirtschaft befasst habe, sei diese direkt dem Minister für Staatssicherheit unterstellt gewesen, so dass wohl auch auf Grund dieser Tatsache eine Verknüpfung von MfS und Industriekreisleitung der SED für Seeverkehr und Hafenwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 5 Nr. 1 StUG nicht gegeben gewesen sei.“ Randnummer 15 Gestützt auf diese Aussage hat das SG die Entgeltbegrenzung mit Urteil vom 8. Juli 2010 für den noch streitbefangenen Zeitraum aufgehoben. Der Kläger sei nicht unter den Personenkreis gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 AAÜG zu subsumieren. Ausgehend vom gesetzgeberischen Willen (Drucksache 15/5314) seien u.a. solche Funktionen im Parteiapparat der SED einer Entgeltbegrenzung zu unterwerfen, die mit einer rechtlichen und/oder faktischen Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS/AfNS verbunden waren. Mit einer solchen Weisungsbefugnis sei ein Sekretär der SED Kreisleitung schon in seiner Funktion als Vorsitzender der Kreiseinsatzleistung ausgestattet gewesen. Eine vergleichbare Einbindung in quasi – militärische Strukturen – habe aber bei einem Sekretär einer Industriekreisleitung nicht vorgelegen. Eine Industriekreisleitung habe bei bestimmten, volkswirtschaftlich herausragenden Betrieben mit besonderen Verbindungen zum Ausland eine Überwachungsfunktion auszuüben gehabt. Es sei dabei nicht zu verkennen, dass allein aufgrund dieser herausragenden Position Verbindungen einer Industriekreisleitung zur Kreisdienststelle bzw. Bezirksverwaltungen der MfS gleichsam zwingend bestanden haben müssen, zumal in solchen Betrieben eigene Objektdienststellen des MfS existiert haben dürften. Eine Weisungsbefugnis im gesetzgeberischen Willen des § 6 Abs. 2 AAÜG sei damit aber nicht verbunden gewesen. Der Kläger habe auch keine Position auf der höchsten Ebene des Kadernomenklatursystems der DDR inne gehabt. Randnummer 16 Gegen das ihr am 2. August 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. August 2010 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, für bestimmte zusatzversorgungsberechtigte Personengruppen sei nicht der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst i.S.d. § 6 Abs. 1 AAÜG zu Grunde zu legen, sondern als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zum AAÜG. Hierzu gehörten u.a. der Erste und Zweite Sekretär der SED Bezirks- oder Kreisleitung. Mit der Neuregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG erfolge die Begrenzung ausschließlich funktionsgebunden. Neben den Kreisleitungen, die mit der territorialen Gliederung der Kreise als Verwaltungseinheiten übereinstimmten, habe es funktionale Kreisleitungen gegeben, wie Industriekreisleitungen, Kreisleitungen der Ministerien, Akademien und Universitäten. Diese funktionellen Kreisleitungen seien aufgrund wirtschaftlicher oder anderer Schwerpunktaufgaben gebildet worden. Eine besondere Rolle unter den funktionalen Kreisleitungen hätten die Industriekreisleitungen gehabt. Zur Absicherung des politischen Einflusses in wirtschaftlich bedeutsamen Bereichen seien diese bereits Anfang der 50ziger Jahre entstanden. Später seien auch in den größeren Kombinaten Industriekreisleitungen gebildet worden. In den Statuten der SED sei keine Unterscheidung hinsichtlich der Struktur und der Befugnisse einer territorialen und einer funktionalen Kreisparteiorganisation vorgenommen worden. Für die Durchsetzung der Aufgaben der Landesverteidigung hätten im Verantwortungsbereich der funktionalen Kreisparteileitung im Bereich der Wirtschaft analog zu den Kreiseinsatzleitungen sog. Koordinierungsgruppen gebildet werden sollen. Als Vorsitzender der Koordinierungsgruppe sei der Erste Sekretär der funktionalen Kreisleitung vorgesehen gewesen. Damit sei eine Einbindung in eine militärische Struktur verbunden gewesen. Der Vorsitzende einer Industriekreisleitung habe die gleichen Rechte und Pflichten wie der Vorsitzende der Kreisleitung der SED gehabt. Zur Stützung dieser Argumentation hat die Beklagte zahlreiche Unterlagen u.a. zum Aufbau der SED, der Kreiseinsatzleitungen sowie Gründung der Industriekreisleitung Seeverkehr und Hafenwirtschaft zu den Akten gereicht. Randnummer 17 Die Beklagte beantragt, Randnummer 18 das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juli 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 19 Nach Hinweis des Senates, dass gegenüber der Beklagten als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme ein Antrag auf Begrenzung von Entgelten auf die Beitragsbemessungsgrenze nicht statthaft sei, hat der Kläger insoweit die Klage zurückgenommen. Randnummer 20 Im Übrigen beantragt der Kläger, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8.   Juli 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Partei des Demokratischen Sozialismus vom 3. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1997 in der Fassung des Bescheides der Beklagten vom 13. Oktober 2005 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt festzustellen, dass die Zeit von Januar 1985 bis November 1988 nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 Nr. 3 AAÜG fällt. 2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Zwischen den Beteiligten sind der Umfang eines unfallbedingten Zahnschadens sowie die Kosten für die Zahnsanierung umstritten. 2 Der 19... geborene, als Kraftfahrer beschäftigte Kläger erlitt am 09.11.2011 einen Arbeitsunfall: beim Aussteigen aus einem LKW-Führerhaus prallte er mit dem linken Fuß und dem Kopf gegen die zurückschwingende Fahrertür. Der Orthopäde Dr. C. diagnostizierte am 11.11.2011 als Gesundheitsstörungen eine Prellung des linken oberen Sprunggelenks ohne Anhalt für eine knöcherne Verletzung und erachtete den Kläger als weiter arbeitsfähig (vgl. H-Arzt-Bericht vom selben Tag). 3 Bei einem Telefonat am 20.01.2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten außerdem einen unfallbedingten Zahnschaden geltend und legte hierzu den Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. S. (geschätzte Behandlungskosten insgesamt: 2874,54 Euro) vor. In ihrem „Bericht Zahnschaden“ vom 13.03.2012 führte Dr. S. u.a. aus, der Kläger habe sie erstmals am 12.12.2011 aufgesucht; unfallbedingt seien die Zähne 13, 16 und 17 geschädigt und die Brücke im Oberkiefer rechts (Zähne 13 bis 16) abgebrochen. Eine „neue Sanierung“ sei erforderlich. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme des Zahnarztes Dr. R. ein. Dieser führte u.a. aus, Dr. S. habe ihm bei einer telefonischen Rücksprache versichert, unfallbedingt seien allein der Bruch der Brücke 13 bis 16, der Verlust des Brückenpfeilerzahns 16 und die Schädigung der hier vorhandenen Prothese; dagegen habe sie eine unfallbedingte Schädigung auch des Zahns 17 sowie der Zähne bzw. Kronen der Zähne 12 bis 22 ausdrücklich verneint. Die von Dr. S. mit Heil- und Kostenplan vom 25.01.2012 beantragte Versorgung sei zur Therapie der Unfallfolgen notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich, soweit es die Kronenneuversorgung des Zahnes 13 und die Erneuerung der Modellgussprothese betreffe. Die hierfür anfallenden Kosten seien von der Beklagten zu tragen. Diese beliefen sich auf 509,22 Euro zuzüglich gesondert nachzuweisender Material- und Laborkosten. Die Kronenneuversorgung der Zähne 12 bis 22 und die Kronenversorgung des Zahnes 13 sei im Rahmen der Gesamtplanung zwar sinnvoll, jedoch nicht unfallbedingt. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und übernahm die Kosten für den Ersatz der Zahnbrücke 16 bis 13, die Kronenneuversorgung des Zahnes 13 sowie die Erneuerung einer Modellgussprothese im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dem geltenden Gebührenverzeichnis könne er Kosten für die prothetische Behandlung in Höhe von 509,22 Euro zuzüglich Material- und Laborkosten übernehmen. Die Kronen(neu)versorgung der Zähne 12 bis 22 und des Zahns 17 sei unfallunabhängig erforderlich; die hierfür anfallenden Kosten seien deshalb ggfs. von der Krankenkasse des Klägers zu übernehmen (Bescheid vom 18.06.2013). 4 Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei es unfallbedingt auch zu einer Schädigung des Zahnes 17 und der Kronen der Zähne 12 bis 22 gekommen. Für die unfallbedingte Gebisssanierung seien Kosten im Umfang von 6.267,82 Euro anzusetzen, weshalb die von der Beklagten als ausreichend erachteten Kosten zu gering seien. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: die Zähne 12 bis 22 und 17 bzw. deren Kronen seien durch den Arbeitsunfall nicht betroffen gewesen. Der unfallbedingt erforderliche Behandlungsaufwand an den Zähnen 13 bis 16 betrage für das zahnärztliche Honorar 509,22 Euro zuzüglich Material- und Laborkosten. Weitere Kosten seien nicht zu übernehmen (Widerspruchsbescheid vom 31.10.2013). 5 Deswegen hat der Kläger am 02.12.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt er neben der Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens vor, zu den von Dr. R. ermittelten Gebührenpositionen sei eine Wiederherstellung des durch den Unfall erlittenen Zahnschadens nicht möglich. Insbesondere habe die Beklagte die Gebühren für den Ersatz der unfallbedingt beschädigten Prothese unberücksichtigt gelassen. Überdies könne sich die Beklagte nicht auf die Stellungnahme des Dr. R. stützen. Denn diese unterliege einem Beweisverwertungsverbot, weil die Beklagte seine - des Klägers - Unterlagen ohne seine Zustimmung und ohne Hinweis auf sein Widerspruchsrecht an Dr. R. weitergeleitet habe. Mit dieser Weitergabe sei er - der Kläger - nicht einverstanden. Er bestreite das Vorliegen eines Beratungsvertrages zwischen der Beklagten und Dr. R.. Ergänzend legt der Kläger ein Schreiben von Dr. S. vom September 2013 vor. 6 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Auskunft des Arztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. Z. als sachverständiger Zeuge. Dr. S. hat dem Gericht nochmals ihr an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtete Schreiben vom September 2013 übersandt. 7 Der Kläger beantragt, 8 den Bescheid vom 18. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2013 abzuändern, eine Schädigung des Zahns 17 und der Zähne bzw. der Kronen der Zähne 12 bis 22 als weitere Unfallfolgen festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Zahnsanierung entsprechend dem Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. S. vom 25. Mai 2012 in gesetzlichem Umfang zu übernehmen. 9 Die Beklagte beantragt, 10 die Klage abzuweisen. 11 Unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Dr. R. erachtet sie die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Darin habe sie konkret zahnärztliches Honorar in Höhe von 509,22 Euro sowie die hiermit korrespondierenden und im Einzelnen noch nachzuweisenden Material- und Laborkosten dem Grunde nach übernommen. Die Material- und Laborkosten könne sie vorab naturgemäß nicht exakt beziffern. Die Kosten für eine Kronenversorgung der Zähne 12 bis 22 und des Zahns 17 könne sie nicht übernehmen, weil diese Zähne nicht unfallbedingt geschädigt seien. Die Stellungnahme des Dr. R. unterliege keinem Beweis für Wertungsverbot, weil dieser für sie als interner ärztlicher Berater auf der Grundlage eines Beratungsvertrages, und damit als Teil ihrer Organisation, tätig geworden sei. Damit handele es sich bei der Weitergabe von Daten des Klägers an Dr. R. nicht um eine Datenübermittlung an einen Dritten oder eine andere Stelle außerhalb des Unfallversicherungsträgers. 12 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 3. Senat
Berlin
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10.09.2015
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Randnummer 1 Die Antragsteller wenden sich gegen die von dem Antragsgegner erlassene Schülerbeförderungssatzung, mit der der zuvor bestehende satzungsgemäße Anspruch auf Einbindung in einen Schülerspezialverkehr (Beförderung mit von dem Antragsgegner angemieteten Fahrzeugen) eingeschränkt worden ist. Randnummer 2 Eines der Kinder der Antragsteller, der am 30. August 2000 geborene T..., der mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern in wohnt, besucht seit dem Schuljahr 2011/2012 das M...Gymnasium in C.... Derzeit ist er Schüler der 9. Klasse. Es handelt es sich um eine Schule mit besonderer Prägung gemäß § 8a BbgSchulG. Randnummer 3 Der Sohn der Antragsteller wurde nach seiner Aufnahme an das M.-Gymnasium zunächst gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 4, 5 Abs. 1 lit. b), 6 der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis S... vom 23. April 2009 (Amtsblatt für den Landkreis S... Nr. 5 vom 9. Mai 2009, S. 1), geändert durch Erste Änderungssatzung vom 28. Juni 2011 (Amtsblatt für den Landkreis S... Nr. 7 vom 9. Juli 2011, S. 1) wegen unzumutbarer Fahr- und Wartezeiten bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel täglich im Schülerspezialverkehr, d.h. mit von dem Antragsgegner angemieteten Kraftfahrzeugen, von N... nach C... befördert. Die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort und der besuchten Schule beläuft sich auf rund 30 km. Randnummer 4 Die bei Aufnahme an das M,-Gymnasium maßgeblichen Satzungsregelungen lauteten im Einzelnen wie folgt: Randnummer 5 § 2 Anspruchsberechtigung Randnummer 6 […] Randnummer 7 (4) Für die im Absatz 1 genannten Schüler besteht der Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für den Weg zwischen der Wohnung und der nach § 106 BbgSchulG zuständigen bzw. nächsterreichbaren Schule der gewählten Schulform bzw. Schule mit besonderer Prägung entsprechend § 8a BbgSchulG. […] Randnummer 8 § 5 Beförderungsarten Randnummer 9 (1) Die Beförderung erfolgt Randnummer 10 a) vorrangig durch öffentliche Verkehrsmittel, sofern deren Benutzung entsprechend § 6 zumutbar ist, oder Randnummer 11 b) mit vom Landkreis S... angemieteten Kraftfahrzeugen im Rahmen des freigestellten Verkehrs nach der Freistellungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung (Schülerspezialverkehr) oder Randnummer 12 c) in begründeten Ausnahmefällen mit sonstigen Fahrzeugen. Randnummer 13 § 6 Zumutbare Fahr- und Wartezeiten Randnummer 14 (1) Fahrzeiten Randnummer 15 die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist in der Regel zumutbar, wenn die Fahrtzeiten (einschließlich Wartezeiten für Umsteigen) Randnummer 16 - für Schüler der Primarstufe (Klassen 1-6) 45 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 17 - für Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 7-10) 60 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 18 - für Schüler der Sekundarstufe II 120 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 19 nicht übersteigt. Randnummer 20 […] Randnummer 21 Diese Schülerbeförderungssatzung wurde abgelöst durch die Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis S... vom 9. Januar 2014, die mit Wirkung vom 1. August 2014 ohne Übergangsregelung in Kraft trat (Amtsblatt für den Landkreis S... Nr. 2, S. 4). Die danach für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Regelungen lauten wie folgt: Randnummer 22 § 2 Anspruchsberechtigung Randnummer 23 (1) Anspruchsberechtigt im Sinne dieser Satzung sind volljährige Schüler sowie die gesetzlichen Vertreter von minderjährigen Schülern, sofern diese im Landkreis S... wohnen bzw. im Landkreis S... ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben und Randnummer 24 1. eine allgemeinbildende Schule in öffentlicher Trägerschaft oder Randnummer 25 2. [….] besuchen oder Randnummer 26 […] Randnummer 27 (4) Für die im Absatz 1 genannten Schüler besteht der Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für den Weg zwischen der Wohnung und Randnummer 28 1. der nach § 106 BbgSchulG zuständigen bzw. nächsterreichbaren Schule der gewählten Schulform im Landkreis S... oder in Trägerschaft des Landkreises S... Randnummer 29 2. einer Schule mit besonderer Prägung entsprechend § 8a BbgSchulG Randnummer 30 3. der nächsterreichbaren Schule mit Leistung-und Begabungsklassen. Randnummer 31 (5) Für anspruchsberechtigte Schüler, die die nächsterreichbare weiterführende Schule im Landkreis S... oder in Trägerschaft des Landkreises S... besuchen und die öffentliche Verkehrsmittel nutzen können, werden die Fahrkosten des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auch dann in voller Höhe erstattet, wenn die gewählte Schule nicht die kostengünstig nächsterreichbare Schule der jeweiligen Schulform im Land Brandenburg ist. Jedoch gelten in diesem Ausnahmefall nicht die in § 6 geregelten zumutbaren Fahr- und Wartezeiten und es besteht kein Anspruch auf Beförderung mit einem Schülerspezialverkehr im Sinne § 5 Abs. 1 Satz 2. Randnummer 32 […] Randnummer 33 § 5 Beförderungsarten Randnummer 34 (1) Die Beförderung erfolgt Randnummer 35 a) vorrangig durch öffentliche Verkehrsmittel, sofern deren Nutzung entsprechend § 6 zumutbar ist, oder Randnummer 36 b) mit vom Landkreis S... angemieteten Kraftfahrzeugen im Rahmen des freigestellten Verkehrs nach der Freistellungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung (Schülerspezialverkehr) oder Randnummer 37 c) in begründeten Ausnahmefällen mit sonstigen Fahrzeugen. Randnummer 38 Schüler, die eine Schule mit besonderer Prägung im Sinne § 8a BbgSchulG besuchen und die auf eigenen Wunsch dort keinen Wohnheimplatz beanspruchen, haben keinen Anspruch auf Einbindung in einen Schülerspezialverkehr. Dasselbe gilt für Schüler, die auf eigenen Wunsch eine andere als die zuständige oder nächsterreichbare Schule besuchen. Randnummer 39 § 6 Zumutbare Fahr- und Wartezeiten Randnummer 40 (1) Fahrzeiten Randnummer 41 Fahrzeit ist die Zeitdifferenz zwischen den Haltestellen am Wohnort und der jeweils nächstgelegenen Haltestelle am Schulort, die in der kürzesten Fahrzeit vom ÖPNV angefahren werden kann. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist in der Regel zumutbar, wenn die Fahrzeit (einschließlich Wartezeiten für Umsteigen) Randnummer 42 - für Schüler der Primarstufe (Klassen 1-6) 45 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 43 - für Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 7-10) 60 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 44 - für Schüler der Sekundarstufe II 120 Minuten in einer Richtung (Hin-oder Rückfahrt) Randnummer 45 nicht übersteigt. Randnummer 46 […] Randnummer 47 Der Antragsteller zu 1., der Vater des Schülers T..., hat im eigenen Namen am 15. April 2014 bei dem Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gestellt. Der Antrag der Antragstellerin zu 2., die als Mutter ebenfalls sorgeberechtigt ist, datiert vom 27. Juli 2015. Randnummer 48 Die Antragsteller halten insbesondere § 5 Abs. 1 Satz 2 der Schülerbeförderungssatzung des Antragsgegners (SBS) vom 9. Januar 2014 für mit höherrangigem Recht unvereinbar, soweit danach Schülern, die Schulen mit besonderer Prägung besuchen und keinen Wohnheimplatz in Anspruch nehmen, die Beförderung im Schülerspezialverkehr versagt wird. Damit entledige sich der Antragsgegner seiner Verantwortung für Schüler ohne vernünftige Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr und erlege den Eltern ohne jede Rücksicht auf das Alter und die Entwicklung der Kinder eine zwangsweise Unterbringung in einem Wohnheim auf. Dies verstoße in Bezug auf im ländlichen Raum lebende Kinder gegen den Gleichheitsgrundsatz und verhindere die Wahl einer Schule mit besonderer Prägung im Sinne von § 8a BbgSchulG, deren Besuch gemäß § 3 Abs. 2 BbgSchulG gefördert werden solle. Randnummer 49 Durch die Satzungsänderung werde das Wahlrecht der Eltern in unzumutbarer Weise beschnitten, die Satzung greife in deren verfassungsrechtlich verbürgtes Erziehungsrecht sowie das Recht der Schüler auf Bildung in nicht hinnehmbarer Weise ein. Durch eine Unterbringung im Wohnheim würden die Schüler dem elterlichen Einfluss entzogen, die erforderliche familiäre Unterstützung werde ihnen genommen und ihre familiären und sozialen Kontakte reduziert. Dies verstoße gegen die staatliche Pflicht zur Familienförderung. Vor diesem Hintergrund sei der dem Satzungsgeber zustehende Gestaltungsspielraum überschritten, zumal da mit der Satzungsänderung keine Ausweitung des Öffentlichen Nahverkehrs einhergehe. Die von der Satzung angestrebten Einspareffekte seien sehr gering und müssten hinter der Schwere des Eingriffs zurückstehen. Randnummer 50 § 5 Abs. 1 Satz 2 SBS sei im Übrigen zu unbestimmt. Das Wort „dort“ könne u.a. so verstanden werden, dass das Wohnheim der Schule angegliedert sein müsse. Daran fehle es hier, weil das Wohnheim von der Stadt C... betrieben werde. Randnummer 51 Unabhängig davon habe der Antragsgegner bereits bestehende Schulverhältnisse nicht berücksichtigt und verstoße damit gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dem Sohn der Antragsteller sei ein Schulwechsel ohnehin nicht möglich, weil er z.B. aufgrund seiner Begabung am Mathematikunterricht einer höheren Klasse teilnehme und als 2. Fremdsprache Latein erlerne. Die Satzung sei abwägungsfehlerhaft, weil der Satzungsgeber den Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt und die Folgen nicht bedacht habe. Randnummer 52 Die Antragsteller könnten auch nicht auf eine fiktive Fahrtkostenerstattung verwiesen werden, weil diese unverhältnismäßig gering sei. Dadurch werde der Zugang zu Teilen des Bildungssystems vom Einkommen abhängig gemacht. Der Antragsgegner könne durch eine geschickte Routenplanung die Kosten senken. Randnummer 53 Hinzu komme, dass der Antragsgegner die Fahrtkostenerstattung rechtsmissbräuchlich als Instrument dazu nutze, Schüler aus anderen Gebietskörperschaften abzuwerben und Schülerströme zu lenken. Dies sei sachwidrig. Abgesehen davon gelte für den hier betroffenen Personenkreis der von dem Antragsgegner behauptete Sparzwang offensichtlich nicht. Insoweit sei auch § 2 Abs. 5 SBS unwirksam. Randnummer 54 Die Antragsteller beantragen, Randnummer 55 die Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis Spree-Neiße vom 9. Januar 2014 für ungültig zu erklären. Randnummer 56 Der Antragsgegner beantragt, Randnummer 57 den Normenkontrollantrag zurückzuweisen. Randnummer 58 Er hält die angegriffene Satzung für rechtmäßig. Grund für deren Erlass sei die äußerst angespannte Haushaltslage, insbesondere das von dem Ministerium des Inneren zu genehmigende Haushaltssicherungskonzept, gewesen. Die Einsparung belaufe sich auf rund 30.518 € im Schuljahr 2014/2015. In diesem Zeitraum würden 431 im Landkreis S... ansässige Schülerinnen und Schüler Schulen mit besonderer pädagogischer Prägung des Landes Brandenburg besuchen. Der Antragsgegner habe im Schuljahr 2013/2014 mehr als 39.000 € für die Beförderung im Schülerspezialverkehr zu Schulen besonderer pädagogischer Prägung aufgewandt. In Härtefällen (z.B. aus medizinischen, durch ärztliches Attest nachgewiesenen Gründen) könne der Schülerspezialverkehr auch bei fehlender Inanspruchnahme eines Wohnheimplatzes ausnahmsweise nach § 5 Abs. 1 Satz 1 c) SBS durchgeführt werden. Davon habe der Antragsgegner in einem Fall Gebrauch gemacht. Randnummer 59 Es treffe zwar zu, dass den Antragstellern keine Beförderung ihres Sohnes im Schülerspezialverkehr mehr bewilligt werde, wenn dieser keinen Wohnheimplatz in Anspruch nehme. Es würden jedoch gemäß § 7 Abs. 6 SBS fiktive Fahrtkosten erstattet. Viele Eltern hätten die Möglichkeit, mit Hilfe der fiktiven Fahrtkostenerstattung private Fahrgemeinschaften zu organisieren oder zumindest ihre Kinder mit dem eigenen Pkw zu einer Bushaltestelle oder einem Bahnhof zu befördern, um so die Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs unter zumutbaren Bedingungen zu bewerkstelligen. Der Sohn der Antragsteller könne - ggf. mit dem Fahrrad - die nur 4 km von seinem Wohnhaus entfernte Bushaltestelle in D... oder die nur 2,8 km entfernte Haltestelle G... erreichen und von dort aus nach C... fahren. Randnummer 60 Der satzungsgemäße Ausschluss von der Einbindung in den Schülerspezialverkehr sei mit höherrangigem Recht vereinbar und bewege sich innerhalb des dem Antragsgegner eingeräumten Gestaltungsspielraums. Ein Verstoß gegen Art. 29 der Verfassung des Landes Brandenburg liege aber selbst dann nicht vor, wenn Eltern, die keinen Wohnheimplatz in Anspruch nehmen wollten, nur noch ein Schulwechsel übrig bleibe. Randnummer 61 Ebenso wenig verstoße § 5 Abs. 1 Satz 2 SBS gegen das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip. Es bedürfe keiner Übergangsregelung, weil der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht berührt sei. Da die Fahrtkostenerstattung jeweils nur für ein Schuljahr gewährt werde, entfalte die angegriffene Regelung keine Rückwirkung. Die Satzung sei im Februar 2014 rechtzeitig bekannt gemacht worden und erst zum darauffolgenden Schuljahr 2014/2015 in Kraft getreten. Selbst wenn man eine unechte Rückwirkung hinsichtlich derjenigen Schüler unterstelle, die bei Inkrafttreten der Satzung bereits eine Schule mit besonderer Prägung besucht hätten, sei dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handele sich um eine Kürzung freiwillig gewährter Leistungen, womit die Betroffenen jederzeit rechnen müssten. Die Regelung sei hier im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an der Kostenminimierung gerechtfertigt. Randnummer 62 Eine Ungleichbehandlung bestehe auch nicht insoweit, als § 2 Abs. 5 SBS vom 9. Januar 2014 eine Kostenerstattung vorsehe, wenn die nächsterreichbare weiterführende Schule außerhalb des Landkreises S... liege, der Schüler jedoch nicht diese, sondern die nächsterreichbare Schule im Landkreis S... besuche. Dies gelte nur unter der Bedingung, dass die Schule mit öffentlichem Personennahverkehr erreicht werden könne und ein Schülerspezialverkehr sei zudem ausgeschlossen. Diese Regelung verfolge im Hinblick auf große demographische Probleme das Ziel, eine ausreichende Zahl von Schulen im ländlichen Raum zu sichern. Zugleich werde hierdurch der defizitäre öffentliche Personennahverkehr im Gebiet des Landkreises S... gefördert. Randnummer 63 Schließlich sei die Schülerbeförderungssatzung mit schulrechtliche Vorschriften vereinbar. §§ 3, 4 BbgSchulG richteten sich nicht an den Antragsgegner, sondern an die Schule bzw. das Land Brandenburg. Unabhängig davon führe eine - unterstellte - Unwirksamkeit von § 5 Abs. 1 Satz 2 der Schülerbeförderungssatzung nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung, sondern nur zu einer Teilnichtigkeit, weil es sich um eine abtrennbare Regelung handele.
Der Antrag wird zurückgewiesen. Die Kosten des Normenkontrollverfahrens tragen die Antragsteller. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 8. Senat
Hessen
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10.11.2011
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides des Beklagten, mit dem ihr untersagt worden ist, zwei abgepackte Räucherlachsprodukte in Verkehr zu bringen, ohne sie als „aufgetaut“ zu kennzeichnen. Randnummer 2 Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 untersagte der Landrat des Hochtaunuskreises der Klägerin das Inverkehrbringen der Erzeugnisse „X... Echter Räucher-Lachs“ und „Y... Echter Räucher-Lachs“ in Fertigpackungen ohne den Hinweis „aufgetaut“. Zur Begründung heißt es, die von der Klägerin vertriebenen Räucherfischprodukte würden in den Produktionsbetrieben im EU-Ausland geräuchert, gefroren, in Scheiben geschnitten, sodann abgepackt und gefroren oder tiefgefroren an die Klägerin geliefert. Die Klägerin lagere die Produkte in diesem Zustand, taue sie bei entsprechender Kundennachfrage auf, versehe sie mit Etiketten, die u.a. Angaben zur Haltbarkeit enthielten, und bringe sie in diesem Zustand bei Temperaturen im unteren einstelligen Plus-Bereich in den Verkehr. Eine Kennzeichnung mit dem Wort „aufgetaut“ werde nicht aufgebracht. Dies sei aber erforderlich, denn es handele sich um „Lebensmittel in Fertigpackungen“ i.S.d. § 1 LMKV (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2464), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3011). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a, § 4 Abs. 5 LMKV müsse das Produkt zusätzlich mit der Angabe „aufgetaut“ versehen werden, wenn (1) das Lebensmittel gefroren oder tiefgefroren war und (2) die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen. Randnummer 3 Diese Voraussetzungen seien erfüllt, insbesondere könne bei einem Durchschnittsverbraucher ein Irrtum herbeigeführt werden. Maßgeblich sei, ob die unterlassene Kennzeichnung für einen Kaufentschluss maßgeblich sein könne. Da im Handel sowohl Räucherlachs in Fertigpackungen angeboten werde, der nur gekühlt aber nicht gefroren worden sei, als auch die zuvor gefrorenen Produkte, wisse der Verbraucher ohne entsprechenden Hinweis nicht, um welches Produkt es sich jeweils handele. Von Bedeutung sei dabei, dass ein Produkt durch das Gefrieren Qualitätseinbußen erleiden könne. Randnummer 4 Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2009 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass zwar die Produkte während des Produktions- bzw. Herstellungsprozesses gefroren bzw. tiefgefroren würden. Es läge jedoch keine Irreführung im Sinne des § 4 Abs. 5 LMKV vor. Insoweit müsse auf die Verkehrsauffassung zurückgegriffen werden. Randnummer 5 Es sei von jeher und auch aktuell üblich, dass verarbeitete Fischerzeugnisse wie z.B. Räucherlachs im Rahmen der Herstellung oder Lagerung Tiefgefrier- oder Gefrierprozessen ausgesetzt seien und im gekühlten Zustand an Verbraucher abgegeben würden, ohne dass ein entsprechender Hinweis als „aufgetaut“ erfolge. Außerdem schreibe das Europäische Recht in bestimmten Fällen eine Gefrier- bzw. Tiefkühllagerung zwingend vor. So müssten nach Anhang III, Abschnitt VIII, Kapitel III D der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 bestimmte Fischereierzeugnisse – wie z.B. auch kaltgeräucherter, freilebender atlantischer und pazifischer Lachs – über einen Zeitraum von mindestens 24 Stunden bei einer Temperatur von – 20 ° Celsius oder darunter im gesamten Erzeugnis gefroren werden. Dementsprechend gebe es im Bereich des kaltgeräucherten Wildlachses überhaupt keine Erzeugnisse, die nicht gefroren bzw. tiefgefroren gewesen seien. Dies entspreche daher der normalen Produktionsbeschaffenheit. Randnummer 6 Nach der früheren, inzwischen aufgehobenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Fischhygiene-Verordnung sei ein „aufgetaut“-Hinweis nur bei aufgetauten, bearbeiteten Fischerzeugnissen notwendig gewesen, nicht aber bei verarbeiteten Erzeugnissen. Die Produkte der Klägerin stellten verarbeitete Produkte in diesem Sinne dar, so dass ein „aufgetaut“-Hinweis früher nicht erforderlich gewesen sei. Die nunmehr geltende Vorschrift des § 4 Abs. 5 LMKV habe nichts an der Unterscheidung ändern wollen. Zudem habe sich aufgrund der früheren Rechtslage auch eine Verkehrsauffassung herausgebildet, dass für verarbeitete Fischerzeugnisse wie von der Klägerin vertrieben, ein „aufgetaut“-Hinweis nicht erforderlich sei. Weiter handele es sich bei dem Tiefgefrieren der Ware zum Schneiden in dünne Scheiben (Slicen) um einen technologischen Herstellungsschritt, der absolut üblich und auch notwendig sei. Diese jahrelange Produktions- und Kennzeichnungspraxis der Lebensmittelwirtschaft bestimme ebenso die Verkehrsauffassung, da bei industriell durch Maschinen geschnittene, in Fertigverpackungen vakuumiert angebotener Ware es sich nahezu ausschließlich um Ware handele, die in gefrorenem Zustand geschnitten worden sei. Deshalb könne auch der Hinweis des Beklagten auf mehrere verschiedene Produktionsmethoden (hart geschnittene und weich geschnittene Ware) nicht greifen, da der weit überwiegende Anteil der am Markt befindlichen Produkte, die im SB-Bereich zu erwerben seien, nach vorherigem Gefrieren bzw. Tiefgefrieren aufgeschnitten worden sei. Randnummer 7 Schließlich führe das Gefrieren bzw. Tiefgefrieren zu keiner Wertminderung. Sowohl aus dem Unterschungsergebnis des Hessischen Landeslabors vom 30.09.2009 als auch aus dem Sachverständigengutachten des Sachverständigen für Qualitätskontrollen von Fischen, Fischwaren und Fischfeinkost Andree Osterloh vom 9. Februar 2009 ergebe sich, dass durch den Tiefgefrierprozess die Konsistenz des Produktes gut erhalten bleibe und eine qualitative Wertminderung des Lebensmittels gerade nicht eintrete. Randnummer 8 Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei beabsichtigt gewesen, mit § 4 Abs. 5 LMKV eine Veränderung der Rechtslage herbeizuführen, so dass nicht mehr zwischen bearbeiteten und verarbeiteten Erzeugnissen unterschieden würde. Die frühere Regelung des § 9 Abs. 2 der Fischhygiene-Verordnung habe keine Geltung mehr. Randnummer 9 Die Unterlassung der Kennzeichnung „aufgetaut“ sei unter zwei Aspekten geeignet, bei einem Durchschnittsverbraucher einen Irrtum herbeizuführen. Zum einen, weil es für die Herstellung von Räucherlachs nebeneinander im gleichen Zeitraum mindestens zwei unterschiedliche zum Einsatz kommende Produktionsmethoden gäbe - einmal tiefgefroren, einmal nicht -, so dass sich eine konkrete Verbrauchererwartung und Verkehrsauffassung nicht habe bilden können. Zum anderen aufgrund des Umstandes, dass die Ware tiefgefroren transportiert und gelagert werde, letzteres unter Umständen monatelang. Dies führe zu einer geminderten Produktqualität, welche bei einem wiederholten Einfrieren und Auftauen zu erheblichen Einbußen hinsichtlich der Qualität des Lebensmittels führe. Randnummer 10 Mit Schriftsatz vom 28. April 2010, bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am gleichen Tage eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Klagebegründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Randnummer 11 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Klage mit Urteil vom 30. Juli 2010 – 5 K 1045/10.F -, der Klägerin zugestellt am 13. August 2010, abgewiesen und die Berufung zugelassen. Auf dieses Urteil wird wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, der Antragstellung und zur Darstellung der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Randnummer 12 Mit Schriftsatz vom 25. August 2010, bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eingegangen am 27. August 2010, hat die Klägerin Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Mit am selben Tage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz vom 13. Oktober 2010 hat sie die Berufung begründet. Randnummer 13 Die Klägerin stützt die Berufung im Wesentlichen auf die bereits im Widerspruchsschreiben und in der Klagebegründung angeführten Gründe. Dabei verweist sie erneut darauf, dass es an einer für § 4 Abs. 5 LMKV notwendigen Irreführung mangele, da die Produkte nicht von der Verkehrsauffassung abwichen. Die Verkehrsauffassung sei bei der Beurteilung der Frage einer Irreführung entscheidend. Diese könne anhand vieler Quellen ermittelt werden, die vorliegend für eine entsprechende Verkehrsauffassung sprächen, die eine „aufgetaut“ Kennzeichnung unnötig mache. Hierzu verweist die Klägerin erneut darauf, dass § 4 Abs. 5 LMKV keine umfassende Kennzeichnungspflicht vorsehe. Außerdem schrieben bestimmte rechtliche Normen, wie die europäischen Hygieneverordnungen für Lebensmittel tierischen Ursprungs, die Gefrier- bzw. Tiefkühllagerung von Fischerzeugnissen zwingend vor. Randnummer 14 Die Klägerin ist der Ansicht, aufgehobene Rechtsvorschriften, wie etwa die in § 9 Fischhygiene-Verordnung vorgesehene unterschiedliche Kennzeichnungsregelung zwischen verarbeiteten und bearbeiteten Fischerzeugnissen prägten die Verkehrsauffassung noch immer. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach der Verordnungsgeber durch die Aufgabe der Regelung eine solche Unterscheidung nicht mehr habe treffen wollen, sei gerade nicht zutreffend. Vielmehr sei, so die Klägerin, für die Änderung ausschlaggebend gewesen, dass auf Gemeinschaftsebene das Hygienerecht für alle Mitgliedsstaaten durch Verordnungen vereinheitlicht worden sei. Randnummer 15 Die von der Klägerin vertriebenen streitgegenständlichen Produkte würden gerade solche verarbeiteten Produkte darstellen, bei denen nach früherer Rechtslage nach der Fischhygiene-Verordnung keine Kennzeichnung zu erfolgen hatte. Es komme bei der Bestimmung der Verkehrsauffassung auch nicht darauf an, dass der Verbraucher sämtliche juristischen Ausgestaltungen beherrsche. Er erwarte aber zumindest, dass die Produkte den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Insoweit bemängelt die Klägerin, der pauschale Verweis auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg in den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts erfülle nicht die Anforderungen einer hinreichenden Urteilsbegründung. Randnummer 16 Auch die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches sprächen gegen eine entsprechende Irreführung. Diese sähen für Räucherfisch unter anderem die Herstellung aus tiefgefrorenem Fisch vor, wodurch deutlich werde, dass es nicht unüblich sei, Gefrier- bzw. Tiefgefrierprozesse im Rahmen der Herstellung zu verwenden. Randnummer 17 Schließlich seien zur Bestimmung der Verkehrsauffassung die herkömmlichen Handelsbräuche heranzuziehen. So verließen sich die Verbraucher darauf, dass ein Produkt unter einer ihnen bekannten Bezeichnung die übliche und allgemein anerkannte Beschaffenheit aufweise. Dies gelte insbesondere bei technologischen Herstellungsprozessen, bei denen den Verbrauchern Einzelheiten des notwendigen Herstellungsprozesses unbekannt seien. Entscheidend sei insoweit, ob die Methoden üblich seien, was vorliegend etwa bei dem Gefrier- bzw. Tiefgefrierprozess zum Slicen der Fall sei. Bei industriell durch Maschinen geschnittenen, in Fertigverpackungen vakuumiert angebotenen Waren handele es sich nahezu ausschließlich um Waren, die im gefrorenen Zustand geschnitten worden seien. Darüber hinaus sei das Gefrieren- bzw. Tiefgefrieren nötig, um die Produkte, die zum Großteil im Ausland hergestellt würden, nach Deutschland zu transportieren. Eine entsprechende Kennzeichnungspflicht für alle auf diese Weise eingeführten Waren würde einen starken Eingriff in die europäische Warenverkehrsfreiheit darstellen. Randnummer 18 Auch das Verwaltungsgericht gehe, so die Klägerin, zutreffend davon aus, dass kein SB-Räucherlachs in den Regalen liege, welcher nicht Gefrier- bzw. Tiefgefrierprozessen ausgesetzt gewesen sei. Bei einer Betrachtung müssten nur diese Produkte herangezogen werden und nicht auch die Premiumprodukte, die direkt an der Bedientheke aufgeschnitten würden. Der Verbraucher unterscheide sehr wohl zwischen abgepackter und loser Ware, so dass eine getrennte Betrachtung geboten sei. Randnummer 19 Auch fehle es an der erforderlichen Relevanz eines möglichen Irrtums. Selbst ein entsprechender Irrtum aufgrund eines fehlenden „aufgetaut“-Hinweises sei nicht für die Kaufentscheidung eines Verbrauchers relevant. Maßgeblich für eine solche Relevanz sei vielmehr die Frage, ob das Produkt im Wert gemindert sei. Dies sei bei den streitgegenständlichen Produkten aber gerade nicht der Fall. Es bestehe insbesondere keine Minderung des Nähr- und Genusswertes. Hierzu bezieht sich die Klägerin insbesondere auch auf das Gutachten des Sachverständigen Osterloh sowie des Instituts für Bakteriologie und Hygiene, Prof. Dr. Carsten Gissel, vom 6. Januar 2009. Außerdem eigneten sich die Produkte auch zu einem erneuten Einfrieren durch den Endverbraucher. Das Verwaltungsgericht sei insoweit in keiner Weise auf die Gutachten eingegangen und komme in seiner Entscheidung ohne nähere Begründung zu gegenteiligen Ergebnissen, etwa im Hinblick auf einen Qualitätsverlust durch nochmaliges Einfrieren durch den Endverbraucher. Auch sei pauschal auf mögliche neue Risiken durch ein längerfristiges Einfrieren verwiesen worden, ohne solche Risiken zu benennen. Randnummer 20 Schließlich gehe das Verwaltungsgericht bei der Bestimmung des Irrtumsbegriffes in § 4 Abs. 5 LMKV unzutreffend davon aus, dass hier ein anderes Verständnis zugrunde liege als dies bei § 11 LFGB der Fall sei. Richtig sei es aber, auch hier darauf abzustellen, ob eine Wertminderung vorliege. Daran fehle es aber gerade. Randnummer 21 Abschließend verweist die Klägerin darauf, hinsichtlich der Beurteilung einer möglichen Irreführung könne nicht der Umstand einer bestimmten Lagerdauer etwa in gefrorenem oder tiefgefrorenem Zustand entscheidend sein. Dies sei ausschließlich relevant für eine mögliche Kennzeichnung als „gelagert“. Randnummer 22 Die Klägerin beantragt, in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2010 – 5 K 1045/10.F – den Bescheid des Beklagten vom 11. Dezember 2009 und den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 aufzuheben. Randnummer 23 Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 24 Der Beklagte begründet seinen Antrag im Wesentlichen mit den zuvor angeführten Argumenten aus dem Bescheid und dem Widerspruchsbescheid. Randnummer 25 Ergänzend verweist der Beklagte darauf, entscheidend sei auch, dass die Produkte nicht nur kurz für den Herstellungsprozess des Slicens gefroren bzw. tiefgefroren würden, sondern auch nach dem Verpacken in diesem Zustand transportiert und teilweise über Monate eingelagert würden. Eine Lagerung in diesem Zustand sei insbesondere nicht aus technologischen Gründen notwendig. Es gebe keine Hindernisse für die Klägerin, nach dem Slicen die Produkte zu verpacken und dann unmittelbar in den Handel zu geben. Randnummer 26 Weiter gebe es tatsächlich Produkte, die ohne entsprechenden Gefrier- bzw. Tiefgefrierprozess geschnitten würden und so in Vakuumverpackungen, d. h. nicht nur an Bedientheken, vertrieben würden. Ein Transport leicht verderblicher Ware sei per Luftfracht grundsätzlich auch ohne Gefrier- bzw. Tiefgefrierprozess möglich. Randnummer 27 Abschließend weist der Beklagte auf die ab 01.01.2011 neu geltende Regelung des Art. 58 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 (ABl. L 343/1 vom 22.12.2009) hin, wonach Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit aufgestellt würden. Nach Art. 58 Abs. 5 Buchstabe h) müsse ein entsprechender Hinweis erfolgen, ob das Fischerzeugnis zuvor tiefgefroren war. Diese Regelung habe insbesondere Auswirkungen auf die Verkehrsauffassung bei den Verbrauchern. Randnummer 28 Dem Senat liegen die Beiakten des Beklagten (1 Ordner) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juli 2010 - 5 K 1045/10.F - wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die in zweiter Instanz entstandenen Kosten zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin 1. Kammer
Berlin
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11.01.2016
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer unbefristeten Genehmigung für die regelmäßige Durchführung seines sog. Projektes „.... Hierfür uniformiert er sich wie ein ehemaliger DDR-Grenzsoldat und stellt sich mit einem Tisch für Informationsmaterial (90 cm x 60 cm x 60 cm) vor ein Mauersegment am P.... Wegen seines genauen Standortes wird auf die im Verwaltungsvorgang befindlichen Abbildungen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2015 Bezug genommen. Derart kostümiert unterhält er sich – ggfs. auch fremdsprachig – mit Touristen, lässt sich mit ihnen fotografieren und teilt nachgemachte Visa-Stempel der ehemaligen DDR aus. Nach den Beobachtungen der Mitarbeiter des Ordnungsamtes Mitte dauern die Gespräche mit den Interessenten zwischen einer und drei Minuten. Auf die Frage nach einer Entgeltlichkeit des Angebots antwortet der Kläger nach seinen Angaben: „Es kostet nichts, aber eine Spende in Höhe von 2,00/3,00 Euro wäre schön.“ Randnummer 2 Am 24. Juli 2013 beantragte der Kläger beim Bezirksamt Mitte von Berlin für sein Projekt eine Sondernutzungserlaubnis. In einer Anlage zu dem Antrag beschrieb er seine Tätigkeit: „[…] Mit Freunden und Studenten sind wir bemüht, das Verständnis der Deutschen Geschichte den Besuchern näherzubringen, indem wir als DDR Grenzsoldaten die Geschichte des originalen Mauerverlaufs am P... wiedergeben. Dies ist nur am abgebildeten Kartenausschnitt möglich, da hier der Mauerverlauf auf dem Pflaster markiert ist und der Grenzübergang vom P... stattfand. Möglichst authentisch bemühen wir uns, den Grenzverlauf und den ehemaligen Grenzübertritt am P...zur Zeit der Berliner Mauer den Interessierten mit den nötigen Utensilien, wie z.B. alte „DDR Stempel“ und historischem Berliner DDR Visum und informativen Postkarten zum Mauerverlauf, zu vermitteln, indem wir Informationen zur Grenzüberschreitung von Ost- nach Westberlin mithilfe der historischen DDR Stempel erklären. Dazu nutzen wir die Postkarte, die den Grenzverlauf der Berliner Mauer und die Grenzübergänge zeigt. Für die Erinnerung des Grenzübergangs können die Besucher sich diese als Visum stempeln lassen und als Informationsmaterial mitnehmen. Zudem beantworten wir Fragen zur Berliner Mauergeschichte und vermitteln damit das geschichtliche Wissen für die Besucher. […]“. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 17. September 2013 lehnte das Bezirksamt den Antrag ab. Es wies darauf hin, dass für die vom Kläger begehrte Straßennutzung eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich sei. Daneben bedürfe es aufgrund der in § 13 des Berliner Straßengesetzes geregelten Konzentrationswirkung keiner separaten Sondernutzungserlaubnis. Die Erteilung der notwendigen Ausnahmegenehmigung lehnte es mit der Begründung ab, dass die Tätigkeit des Klägers als gewerbliche Dienstleistungserbringung zu werten sei. Diese sei an der gewünschten Stelle nicht genehmigungsfähig. Denn der P... sei ein Areal von herausragender städtebaulicher und touristischer Bedeutung, das in seinem architektonischen Erscheinungsbild dem interessierten Betrachter möglichst unverfälscht erhalten bleiben solle. Zudem symbolisiere der konkrete Ort die Erinnerung an die Berliner Mauer, zu deren Gedenken das Land Berlin ein umfangreiches Konzept erstellt habe. Nutzungen, wie die des Klägers, seien darin nicht vorgesehen. Die vom Kläger beabsichtigte Nutzung stünde den öffentlichen Interessen Berlins, die städtebauliche Wirkung und Funktionalität des P... zu erhalten sowie in angemessener Form der Deutschen Teilung zu gedenken, entgegen. Randnummer 4 Gegen die Versagung der beantragten Genehmigung legte der Kläger am 7. Oktober 2013 Widerspruch ein. Hierzu trug er u.a. vor, dass es sich beim Mauergedenken nicht um eine exklusive, originäre oder gar hoheitliche Aufgabe des Landes Berlin handele und die Nutzung sich überdies in das Konzept des Landes Berlin einfüge. Aus Ziffer 2.4.3 des Konzeptes ergebe sich das Erfordernis, die „wenigen und vereinzelt dank hartnäckigster Initiative geretteten Mauerreste“ durch das „Schaubedürfnis von Einzel- und Gruppenbesucher“ befriedigende Zusatzangebote zu ergänzen. Dem werde das Nutzungskonzept des Klägers gerecht. Auch der durch das Bezirksamt Mitte von Berlin am 17. Dezember 1990 beschlossene Negativkatalog für den fliegenden Handel im Bezirk Mitte sei nicht einschlägig, da es sich nicht um eine gewerbliche, sondern um eine Tätigkeit informativer und darstellender Art handele. Randnummer 5 Den Widerspruch wies das Bezirksamt mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2014 zurück. Es hielt an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Genehmigung fest. Insbesondere sei es die Aufgabe des Landes Berlin zu entscheiden, ob Sondernutzungen dem öffentlichen Interesse am Mauergedenken zuzurechnen seien. Diesem Gedenken entsprächen die Aktivitäten des Klägers, die ganz überwiegend der Unterhaltung der Anwesenden und der Erzielung von Einnahmen dienten, bei objektiver Betrachtung nicht. Auch müsste im Falle der Gestattung der Tätigkeiten des Klägers aus Gleichbehandlungsgründen anderen Antragstellern entsprechendes zugestanden werden. Es stünde zu befürchten, dass marktähnliche Zustände einträten, die am begehrten Standort unerwünscht seien. Randnummer 6 Mit der am 13. Mai 2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vertritt die Auffassung, dass es sich um eine künstlerische Aufführung handele, die genehmigungsfrei sei. Zumindest aber bestehe ein Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung. Randnummer 7 Der Kläger beantragt, Randnummer 8 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2014 zu verpflichten, ihm eine Ausnahmegenehmigung für seine Tätigkeit im Rahmen des Projektes „... vor dem Mauersegment am P... zu erteilen. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und führt hierzu ergänzend aus, dass die vom Kläger als „grenzhistorische Darbietungen“ bezeichneten Tätigkeiten keine gemeingebräuchliche Kunst darstellten und vergleichbare Aktivitäten im Wirkungskreis des Bezirks-amtes Mitte von Berlin nicht geduldet würden. Es handele sich auch nicht um Spontankunst. Vielmehr plane der Kläger ein Geschäft, das er mit gewisser Regelmäßigkeit an einem festen Standort wiederhole. Am konkreten Standort sei die begehrte Straßennutzung auch verkehrsgefährdend, weil Menschentrauben entstünden, wenn Reisebusse das Mauersegment ansteuerten. Fußgänger müssten dann auf den Radweg ausweichen. Randnummer 12 Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Randnummer 13 Am 12. Mai 2015 hat das Gericht in der Sache mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung wurde der vom Kläger genutzte Standort via google maps in Augenschein genommen. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Die Entscheidung wurde vertagt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung erklärt. Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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VG Hamburg 7. Kammer
Hamburg
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05.10.2022
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Ausübung eines städtebaulichen Vorkaufsrechts an einem von ihr verkauften Grundstück zugunsten der Beigeladenen. Randnummer 2 Die Klägerin, eine … begonnene Kommanditgesellschaft, ist Inhaberin eines Speditionsbetriebs und Eigentümerin des … m² großen Grundstücks A-Straße X (Flurstück … der Gemarkung … – im Folgenden: Grundstück). Das Grundstück grenzt südlich an die A-Straße, östlich an B-Straße und reicht nördlich bis an den C-Kanal. Es ist straßenseitig mit einem … errichteten zweigeschossigen Gebäude mit Büroflächen und einer Wohnung sowie mit einer Gewerbehalle bebaut; der rückwärtige Bereich ist vollständig versiegelt. Die Klägerin nutzt das Grundstück im Rahmen ihres Unternehmens für Verwaltungs- und Umschlagstätigkeiten sowie zum Abstellen von Lastkraftwagen. Randnummer 3 Laut einem von der Klägerin beauftragten und dieser erstatten Verkehrswertgutachten betrug der Verkehrswert des Grundstücks zum Stichtag 4. August 2020 XXX Euro. Laut einer dem Gutachten beigefügten und darin verwerteten Altlastenauskunft handelt es sich um eine einer Kontamination verdächtige Fläche. Randnummer 4 Das Grundstück gehört zu den im Einzelnen benannten und in einer Anlage zeichnerisch dargestellten Flurstücken, an denen der Beklagten gemäß § 1 Abs. 1 und Anlage 1 der auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützten Verordnung über die Begründung eines Vorkaufsrechts im Bereich des Billebogens mit den Stadträumen „Billebecken und Billstraße“, „Neuer Huckepackbahnhof“ und „Stadteingang Elbbrücken“ vom 17. Dezember 2019 (HmbGVBl. S. 521 – im Folgenden: BillebogenVorkVO) ein Vorkaufsrecht zusteht. Randnummer 5 Es liegt zudem im Geltungsbereich des Baustufenplans Hamm-Marsch vom 3. April 1951 (Amtl.Anz. S. 767), erneut festgestellt am 14. Januar 1955 (HmbGVBl. S. 61), der insoweit ein Industriegebiet nach der Baupolizeiverordnung ausweist. Randnummer 6 Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 12. Mai 2021 (Urkundenrollennr. … des Notars … mit Amtssitz in …) verkaufte die Klägerin das Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe von XXX Euro an die Y GmbH & Co. KG (im Folgenden: Erstkäuferin). Die durch Gesellschaftsvertrag mit Datum 26. Januar 2021 gegründete Erstkäuferin ist eine unter der gleichen Geschäftsanschrift wie die Klägerin, nämlich dem streitgegenständlichen Grundstück, geschäftsansässige Kommanditgesellschaft mit dem gesellschaftsvertraglichen Zweck der „nutzbringenden Verwaltung und Verwertung von Grundstücken“. Der Kaufvertrag vom 12. Mai 2021 sieht u.a. vor: Randnummer 7 „§ 1 Randnummer 8 […] ist Eigentümerin des nachfolgenden Grundbesitzes […] Das Grundstück ist bebaut mit einem Bürohaus. Randnummer 9 […] Randnummer 10 Das Grundbuch ist wie folgt belastet Randnummer 11 […] Abteilung III [es folgen acht Eintragungen zu Grund- und Rentenschulden, u.a. zu lfd. Nr. 4] Randnummer 12 Die Rechte Abteilung III Nr. 2, 5 bis 10 […] werden lediglich dinglich übernommen. […] Randnummer 13 Der Verkäufer wird das Eigentum an dem Kaufgegenstand darüber hinaus lastenfrei in Abt. II und III des Grundbuchs liefern, […]. § 2 Randnummer 14 […] 4. […] Der Verkäufer sichert zu, dass er keinerlei Kenntnis von eventuellen Bodenverunreinigungen, Kontaminationen oder Schadstoffen auf der Liegenschaft hat.“ Randnummer 15 „§ 3 Randnummer 16 Der Kaufgegenstand wird dem Käufer am 30.06.2021 zum Besitz übergeben, […]. […] Die Wohnung […] ist ungekündigt vermietet; […]. […] Darüber hinaus ist der Vertragsgegenstand nicht vermietet. Der Vertragsgegenstand ist insoweit dem Käufer vollständig geräumt und besenrein zu übergeben.“ Randnummer 17 „§ 6 Randnummer 18 […] Der Notar hat auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde nach §§ 24 ff. BauGB hingewiesen. […] Im Falle der vollständigen oder teilweisen Ausübung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts ist jeder Vertragsteil zum Rücktritt von diesem Vertrag berechtigt. […] Die Vertragsparteien wurden auch darüber belehrt, dass zur Sicherung des Anspruches auf Übertragung des Eigentums die Eintragung einer Vormerkung für den Käufer möglich ist. Es soll eine solche Vormerkung nicht eingetragen werden.“ Randnummer 19 Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags gestalteten sich die – seither unveränderten – Beteiligungsverhältnisse der Kaufvertragsparteien folgendermaßen: Gesellschafter der Klägerin waren die X GmbH als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin einerseits und Z als alleiniger Kommanditist andererseits. Die Geschäftsanteile der persönlich haftenden X GmbH wiederum wurden von der X GmbH & Co. KG, der Klägerin, selbst (Nr. 1, zum Nennbetrag i.H.v. … Euro) und Z – insoweit als Rechtsnachfolger seiner im Jahr 2020 verstorbenen, aber noch in der letzten Gesellschafterliste eingetragenen Ehefrau … – (Nr. 2, zum Nennbetrag i.H.v. … Euro) gehalten. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer dieser persönlich haftenden Gesellschafterin waren Z und U. Die Gesellschafter der Erstkäuferin waren Z als alleiniger Kommanditist und die Y GmbH als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin. Alleingesellschafter der Letzteren war wiederum Z, der auch alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft war. Die jeweiligen Geschäftsführer bzw. persönlich haftenden Gesellschafter sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Randnummer 20 Auf Mitteilung des beurkundenden Notars erhielt die Beklagte am 17. Mai 2021 Kenntnis des Inhalts des Kaufvertrags vom 12. Mai 2021. Randnummer 21 Auf ein Schreiben der Beklagten vom 9. Juni 2021, die beabsichtigte Ausübung des Vorkaufsrechts an dem Grundstück zugunsten der Beigeladenen mitteilend, erklärte der, nach Telefonvermerk der Beklagten „überrumpelt“ wirkende, Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Klägerin, Z, am Folgetag gegenüber dem Sachbearbeiter der Beklagten, dass er sich enteignet fühle. Eigentlich wolle er das Grundstück gar nicht verkaufen. Der Verkauf habe nur stattgefunden, weil sein Neffe das Unternehmen fortführen wolle. Randnummer 22 Durch einfachschriftliche Vereinbarung vom 16. Juni 2021 vereinbarten die Klägerin und die Erstkäuferin sodann die Aufhebung des Kaufvertrags vom 12. Mai 2021. Randnummer 23 Ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes Wertgutachten des Sachverständigen … vom 20. Juni 2021 ergab für das Grundstück einen aktuellen Verkehrswert in Höhe von YYY Euro. Randnummer 24 Mit Mitteilungen jeweils vom 24. Juni 2021 wandten sich für die Klägerin sowohl Z persönlich als auch ihr nunmehriger Prozessbevollmächtigter an die Beklagte und teilten weiter mit: Z beabsichtige, sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen und seinem Neffen seine Gesellschaftsanteile zu übertragen. Das Grundstück, das für die Unternehmensfortführung benötigt werde, solle aber in seinem Besitz bleiben; über die Grundstücksgesellschaft erhalte er die für die Alterssicherung erforderlichen Einkünfte. Der durch einen Gutachter ermittelte Kaufpreis sei insoweit Teil eines Gesamtkonzepts, das zugleich die Spedition erhalten solle. Randnummer 25 Unter dem 30. Juni 2021 gab die Beigeladene eine Verpflichtungserklärung gegenüber der Beklagten ab, in der es heißt: Randnummer 26 „Die [Beklagte] hat mit der Drucksache 20/14117 ‚Stromaufwärts an Elbe und Bille‘“ vom 30. Dezember 2014 elf Fokusräume für eine städtebauliche Entwicklung des Hamburger Ostens identifiziert. Mit der Drucksache 21/1394 vom 25. August 2015 wurde die Gründung der [Beigel.] als 100%ige Tochter der städtischen HafenCity Hamburg GmbH zum Zweck der Operationalisierung der städtebaulichen Entwicklung im Fokusraum Billebogen beschlossen. Ziel der Entwicklung des Fokusraums Billebogen ist die Schaffung ‚moderner Industrie- und Gewerbestrukturen‘, die ‚urbanistische Aktivierung […] der Arbeitsplatzqualitäten‘ und die ‚Entwicklung eines positiven Raumbildes […] für einen positiven innovationsorientierten Veränderungsprozess‘. Randnummer 27 In Erfüllung des aus den Drucksachen […] resultierenden Auftrags zur Stadtentwicklung […] erarbeitet die [Beigel.] u.a. für die in § 1 der Billebogen-Vorkaufsrechtsverordnung genannten Grundstücke Konzepte, um das Gebiet unter Berücksichtigung vorhandener gewerblicher Nutzungen stadträumlich und -wirtschaftlich zu mobilisieren, gewerbliche Bauflächen mit besonderen Nutzungs- und Gestaltungsansprüchen zu entwickeln, Verkehrsflächen neu zu ordnen und Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen […]. […] Randnummer 28 1. Verwendungszweck Randnummer 29 Das Grundstück befindet sich im zentralen Bereich des Stadtentwicklungsraums Billebogen zwischen der S-Bahn-Station Rothenburgsort und den sich bereits in städtischer Hand befindenden Entwicklungsflächen rund um die ehemalige Schule am Bullenhuser Damm. Das Quartier soll mit einer innerstädtischen Dichte und ca. sechsgeschossigen Typologien für gewerbliche Produktion und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben bebaut werden. Der Straßenraum soll besser gefasst und die Wegebeziehungen zwischen S-Bahn-Station und dem weiteren Quartier durch publikumsbezogene Erdgeschossnutzungen aufgewertet werden. Hierzu prüft die [Beigel.] im Rahmen einer optimierten Straßenführung ohne Mittelinsel die Verschiebung der östlichen Grundstücksgrenzen [an der A-Straße] analog zu bereits bestehenden Straßenumbauplanungen im Bereich [der A-Straße] nördlich der [D-Straße]. Randnummer 30 Hiermit verpflichtet sich die [Beigel.], das […] Grundstück zu dem vorbenannten Zweck zu verwenden. Randnummer 31 Die [Beigel.] ist seit 2015 dabei, in den unterschiedlichen Teilgebieten des Billebogens hierzu die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Schrittweise wurden Funktionspläne für den Neuen Huckepackbahnhof, den Stadteingang Elbbrücken […] und die Flächen südlich des Billebeckens (Verfahren laufend bis Ende 2021) erarbeitet. Die Flächen entlang der [A-Straße] werden ebenso sukzessiv der weiteren Planung unterzogen. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte unterstützt als zuständige Behörde die [Beigel.] mit der Durchführung hoheitlicher Bauleitplanverfahren. Randnummer 32 […] die städtebaulichen Zielsetzungen [lassen sich] nur im Quartierskontext entwickeln und umsetzen. Insofern bedarf es nicht etwa einer bereits förmlich konkretisierten Planungsabsicht oder gar einer ausgearbeiteten Planung für das Grundstück, zum dessen Erwerb zu einem frühen Planungsstadium erfolgt. […] Dabei stehen die städtebaulichen Maßnahmen zum Erwerbszeitpunkt noch nicht konkret fest, sondern sind noch näher auszuarbeiten, zumal deren Planung auch je nach Umfang der im Ergebnis erworbenen Grundstücke variabel angepasst werden muss. Für das auf der Grundlage der Billebogen-Vorkaufsrechtsverordnung auszuübende Vorkaufsrecht ist vor diesem Hintergrund erforderlich, aber auch ausreichend, dass Planungsvorstellungen zur Lösung städtebaulicher Konflikte existieren. Randnummer 33 2. Verwendung innerhalb angemessener Frist Randnummer 34 […] Bei Gründung der [Beigel.] wurde der Entwicklungshorizont für den Stadtentwicklungsraum Billebogen auf einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren geschätzt. Dementsprechend ist die Billebogen-Vorkaufsrechtsverordnung (zunächst) bis zum 31. Dezember 2035 befristet […]. Randnummer 35 Die [Beigel.] verpflichtet sich […], das Grundstück innerhalb eines angemessenen Zeitraums, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2035, der vorbezeichneten zweckentsprechenden Verwendung zuzuführen.“ Randnummer 36 Wegen des übrigen Inhalts wird auf die Sachakte Bezug genommen (SA I, lfd. Bl. 114 ff.). Randnummer 37 Auf Anregung der zwischenzeitlich mit dem Vorkaufsfall befassten Kommission für Bodenordnung der Beklagten wurden mit weiterem Anhörungsschreiben vom 2. Juli 2021 Nachfragen zur beabsichtigten Unternehmensfortführung auf dem Grundstück an die Klägerin und an die Erstkäuferin gerichtet, u.a. zur zukünftigen Planung für den Standort A-Straße X, insbesondere ob bauliche Veränderungen auf dem Grundstück vorgesehen seien, zur Gestalt der zukünftigen Miet- oder Pachtverhältnisse, sowie, weshalb bei der geltend gemachten Betriebsfortführung am Standort im Kaufvertrag eine Übergabe in vollständig geräumtem Zustand vereinbart worden sei. Hierzu fand am 7. Juli 2021 ein Anhörungsgespräch unter Beteiligung von Vertretern der Beigeladenen statt. Nach den Angaben der Beklagten führte die Klägerin aus, dass gewährleistet werden solle, dass das Grundstückseigentum in Zʼ Familie bleibe und später seinen Erben zufalle; die rechtliche Konstruktion sei aus steuerrechtlichen Gründen gewählt worden. Wie die Fortführung des Speditionsbetriebs auf dem Kaufgrundstück nach dessen Veräußerung gewährleistet sei, sei seitens der Klägerin unbeantwortet geblieben. Eine seitens der Beigeladenen in Aussicht gestellte Vereinbarung eines Pachtvertrags für die weitere Nutzung des Grundstücks nach Ausübung des Vorkaufsrechts habe die Klägerin abgelehnt, da dies nicht mit dem vollwertigen Eigentum vergleichbar sei, zumal die Zahlung eines marktüblichen Pachtzinses von 10.000,- Euro die Spedition in die Insolvenz triebe. Der Vorschlag, dass man sich bei dem Pachtzins im Sinne der Klägerin einigen könne, etwa in der ohnehin im Verhältnis zur Erstkäuferin vorgesehenen Höhe, sei ebenfalls abgelehnt worden; zur Höhe des in Aussicht genommenen Pachtzinses habe sich die Klägerin nicht äußern wollen. Randnummer 38 Am 8. Juli 2021 fasste die Kommission für Bodenordnung den Beschluss, dem Erwerb des Grundstücks durch Vorkaufsrechtsausübung zum Kaufpreis oder zum gutachterlich ermittelten Verkehrswert alternativ einem freihändigen Erwerb zuzustimmen. Die Kommission ergänzte die ansonsten angenommene Beschlussvorlage um den Zusatz, sie gehe davon aus, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts Beklagte und Beigeladene umgehend Gespräche mit der Klägerin aufnähmen, um eine Fortführung der Spedition zu ermöglichen, soweit dies für die Beklagte in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen geschehen könne. Randnummer 39 Mit Bescheid vom 9. Juli 2021 übte die Beklagte unter Berufung auf § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. der BillebogenVorkVO i.V.m. § 27a Abs. 1 Satz 1 BauGB das gesetzliche Vorkaufsrecht hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks zu Gunsten der Beigeladenen aus. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Randnummer 40 Ein Vorkaufsrecht im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, also in einem Gebiet, in dem die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht ziehe und zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung Flächen bezeichne, an denen ihr ein Vorkaufsrecht zustehe, sei am Grundstück aufgrund der Vorkaufsrechtverordnung entstanden. Es liege auch ein Kaufvertrag mit einem Dritten vor, wie es für den Vorkaufsfall erforderlich sei. Denn trotz weitgehender Personenidentität sei U lediglich auf Seiten der Klägerin persönlich haftende Gesellschafterin. Ohnehin sei keine Identität zwischen Käufer und Verkäufer gegeben, wenn zwar wirtschaftlich betrachtet auf Verkäufer- und Käuferseite dieselben Personen ständen, etwa als Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften, die beteiligten Gesellschaften – wie hier – jedoch jeweils rechtsfähig seien. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei auch im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Die streitgegenständliche Fläche werde für die zukünftige städtebauliche Entwicklung benötigt; die aktuelle Nutzung entspreche nicht den Entwicklungszielen, wie sie aus der Bürgerschafts-Drucksache 20/14117 hervorgingen, da das Grundstück in der Fläche größtenteils als nächtlicher Lkw-Parkplatz sowie für Umschlagtätigkeiten genutzt werde und die Bebauung nur einen geringen Teil in Anspruch nehme. Sie beabsichtige zudem, einige Grundstücke unter Einbezug heutiger Infrastrukturflächen zu arrondieren. Das Quartier um das Grundstück, das sich zentral im maßgeblichen Stadtentwicklungsraum Billebogen befinde, solle mit einer innerstädtischen Dichte und ca. sechsgeschossiger Typologie für gewerbliche Produktion, Labor, Forschung und Entwicklung bebaut werden. Der Straßenraum solle besser gefasst werden und die Wegebeziehungen sollten zwischen S-Bahn-Station und dem weiteren Quartier durch publikumsbezogene Erdgeschossnutzungen aufgewertet werden. In diesem Zusammenhang prüfe die Beigeladene eine optimierte Straßenführung der B-Straße mit einer Verschiebung der östlichen Grundstücksgrenze analog zu bereits bestehenden Straßenumbauplanungen nördlich der D-Straße. Die städtebauliche Neuordnung bedürfe zudem der räumlichen und zeitlichen Koordination von Grundstücksentwicklung und Infrastrukturumbau, was nur sie, die Beklagte, und die dazu befähigte Beigeladene sicherstellen könnten. Sie, die Beklagte, habe sich für die städtebauliche Entwicklung des Billebogens einen Zeithorizont von mindestens 20 Jahren gesetzt, um schrittweise durch Grundstücksankäufe, Arrondierungen und Infrastrukturumbauten die Voraussetzungen für die Entwicklung im Sinne des Senatskonzepts „Stromaufwärts an Bille und Elbe“ zu schaffen. Die Beigeladene trage Sorge, dass das Grundstück innerhalb dieser Zeit entsprechend der planerischen Zielsetzung entwickelt werde. Das Vorkaufsrecht dürfe gemäß § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auch zugunsten der Beigeladenen ausgeübt werden, da diese sich ihr, der Beklagten, gegenüber durch dem Bescheid beigefügte Erklärung vom 30. Juni 2021 verpflichtet habe, das Grundstück entsprechend der städtebaulichen Zielsetzung zweckgemäß und außerdem binnen angemessener Frist, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2035, zu verwenden, und dazu auch in der Lage sei. Eine Abwendung der Vorkaufsrechtsausübung nach § 27 Abs. 1 BauGB sei nicht angeboten worden und sei auch ausgeschlossen. Ein privates Betreiben sei nicht möglich, da die möglicherweise herzurichtenden öffentlichen Infrastrukturflächen nach dem Hamburgischen Wegegesetz öffentlich gewidmet und aus dem Grundbuch ausgeschieden werden sollen und grundsätzlich eine Bebauung innerstädtischer Dichte mit ca. sechsgeschossiger Typologie geplant sei. Die konkret geplante Verwendung des Grundstücks sei derzeit noch nicht hinreichend bestimmt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts, die in ihrem Ermessen stehe, sei auch verhältnismäßig. Bei der vorzunehmenden Abwägung der Interessen von Verkäuferin und Käuferin am Vollzug des Kaufvertrags mit dem öffentlichen Erwerbsinteresse, müssten erstere zurücktreten. Insbesondere sei die Vorkaufsrechtsausübung geeignet, das Ziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erreichen, da es die Beigeladene als Eigentümerin in der Hand habe, eine Nutzung entsprechend der städtebaulichen Ziele sicherzustellen. Die Vorkaufsrechtsausübung sei auch erforderlich. Die insoweit in Betracht kommende gütliche Einigung mit den Kaufvertragsparteien sei kategorisch abgelehnt worden. In der Abwägung zwischen dem Allgemeinwohl und der Rechtsposition und der Interessen der ursprünglichen Kaufvertragsparteien, sei die Ausübung auch angemessen. Die Fortführung des Speditionsunternehmens der Klägerin sei nicht notwendig durch einen Eigentumserwerb der Beigeladenen gefährdet, zumal sie, die Beklagte, auch kein Interesse habe, den Betrieb der Klägerin zu schädigen. Vielmehr könne das Unternehmen auch nach Vorkaufsrechtsausübung zunächst am Standort fortgeführt und durch sie, die Beklagte, und die Beigeladene bei der Entwicklung einer zukünftigen Unternehmensperspektive an einem neuen Standort unterstützt werden. Allerdings sei die Glaubwürdigkeit der klägerischen Aussagen, das Grundstück zukünftig selbst nutzen zu wollen, dadurch erschüttert, dass die mehrfache Nachfrage, wie dies rechtlich gesichert sei, nicht beantwortet worden sei. Der Kaufvertrag sehe hingegen vor, dass das Grundstück mit Ausnahme der Wohnung im Obergeschoss des Bürogebäudes unvermietet und geräumt und besenrein übergeben werde, auch wenn Z zu verstehen gegeben habe, dass diese Formulierung aus einer Vertragsvorlage des Notars stamme und nicht umgesetzt werden solle. Auch der Vorschlag der Beigeladenen, dass man sich hinsichtlich des Pachtzinses nach der Ausübung des Vorkaufsrechts im Sinne der Klägerin einigen könne, indem beispielsweise der Pachtzins vereinbart werde, den die Klägerin der Erstkäuferin zu zahlen beabsichtigt habe, sei kategorisch abgelehnt worden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei das öffentliche Interesse an der dauerhaften Sicherung der städtebaulichen Entwicklung im Sinne des Allgemeinwohls als vorrangig zu bewerten. Eine besondere finanzielle Belastung des Z als Alleingesellschafter der Erstkäuferin sei nicht festzustellen. Sein angegebenes Interesse an einer finanziellen Altersabsicherung werde auch im Falle eines Vorkaufs gewährleistet sein, da er den Kaufpreis in voller Höhe zur Verfügung hätte, ohne mit Verbindlichkeiten gegenüber der Bank belastet zu sein. Randnummer 41 Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 erhob die Klägerin Widerspruch. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht vorlägen. Ein Kaufvertrag mit einem Dritten sei wegen wirtschaftlicher Identität von Käufer- und Verkäuferseite nicht gegeben. Die Beklagte unterliege einem Irrtum, wenn sie davon ausgehe, U sei auf Seiten der Klägerin Gesellschafterin. Im Übrigen könne ein Vorkaufsrecht nur durch Kaufverträge ausgelöst werden, die ein Umsatzgeschäft darstellten, woran es fehle, wenn die Veräußerung nur der Vermögensneuordnung innerhalb einer Unternehmensgruppe diene. Nichts anderes als eine solche Neuordnung sei der Verkauf an die Erstkäuferin, da deren Grund allein in der Sicherstellung der Fortführung des Unternehmens in Verbindung mit der finanziellen Absicherung von Z liege. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts unverhältnismäßig sei; die Fortführung des Betriebs werde durch die Ausübung des Vorkaufsrechts unmöglich. Ein langfristiger Pachtvertrag für die Klägerin sei entworfen und stehe zum Abschluss bereit, die Höhe der Pacht werde sich nach dem Betriebsergebnis der letzten drei Jahre richten. Da die letzte Bilanz erst vor Kurzem erstellt worden sei, sei die endgültige Pachthöhe noch nicht festgelegt. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass bauliche Änderungen auf dem Grundstück geplant seien. Z werde auch ganz erhebliche finanzielle Einbußen erleiden, schon weil der von der Beklagten zu zahlende Kaufpreis weit unter dem tatsächlichen Wert des Grundstücks liege. Auch dieser Kaufpreis werde ihm nicht ungeschmälert zur Verfügung stehen, da er den Betrieb kostenträchtig abzuwickeln hätte. Randnummer 42 Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus: Randnummer 43 Der Hinweis, U sei keine Gesellschafterin der Klägerin, wie auch der Umstand, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung dieselbe natürliche Person, nämlich Z, allseits auftrete, erschüttere nicht die Annahme, dass der tatbestandlich erforderliche Kaufvertrag mit einem Dritten gegeben sei. Seien Käufer und Verkäufer nicht identisch, liege regelmäßig ein Kaufvertrag mit einem Dritten vor. Die Klägerin als Verkäuferin und die Erstkäuferin seien aber schon mit Blick auf die Bezeichnungen der Kaufvertragsparteien im Kaufvertrag zweifelsfrei nicht identisch. Der Umstand, dass wirtschaftlich betrachtet auf beiden Seiten dieselbe natürliche Person, Z, auftrete, sei unbeachtlich, weil es auf die Rechtsfähigkeit der jeweiligen Kaufvertragspartei abstellen müsse. Klägerin und Erstkäuferin seien aber voneinander unabhängig gegründete, jeweils rechtsfähige Gesellschaften. Die Behauptung, der Kaufvertrag diene einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung, rechtfertige nichts anderes. Wäre diese tatsächlich gewollt gewesen, hätten die Kaufvertragsparteien das gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäft auf andere Art und Weise abwickeln müssen. Die Fälle in der Rechtsprechung, in denen der Begriff des „Dritten“ bei konzerninternen Umstrukturierungen verneint worden sei, beträfen ohnehin überwiegend Konstellationen mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor der Anerkennung von deren Rechtsfähigkeit oder Vorkaufsrechte an Gesellschaftsanteilen, die hier nicht in Rede ständen. Würde bei dem Verkauf an eine gesondert rechtsfähige Person ein Verkauf an einen „Dritten“ verneint, so könnte im Übrigen das Vorkaufsrecht leicht durch einen „Share Deal“ umgangen werden. Die Widerspruchsausführungen änderten auch mit Blick auf die Ermessensausübung nichts am Entscheidungsergebnis. Der Verweis auf die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Ausübungsbescheid sei zwar fehlerhaft, aber erkennbar nur ein redaktionelles Versehen. Die weitere Abwägung im Ausgangsbescheids, auf den verwiesen werde, sei am richtigen Ziel der Vorkaufsrechtsverordnung orientiert. Die hiergegen gerichteten Ausführungen der Klägerin seien nicht schlüssig: Die angeführten Beweggründe, eine Sicherstellung der Fortführung des Unternehmens mit der langen Familientradition auf dem streitbefangenen Grundstück und die finanzielle Absicherung der Klägerin (sic!) seien durchaus nachvollziehbar und legitim. Es erschließe sich aber nicht, warum die Klägerin einen „echten“ Kaufvertrag abgeschlossen und keine andere Gestaltung gewählt habe, wenn ihr der Erhalt des Eigentums überhaupt wichtig gewesen sei und sie die Sicherstellung der Fortführung des Unternehmens im Sinne gehabt habe. In Anbetracht dessen scheine es sich um eine reine Schutzbehauptung zu handeln. Gleiches gelte für die Ausführungen zur Höhe des Kaufpreises, die in sich widersprüchlich seien. Im Anhörungsverfahren habe die Klägerin mitteilen lassen, dass der Kaufpreis auf gutachterlicher Basis festgelegt worden sei, während der nunmehrige Vortrag darauf ziele, dass der Kaufpreis erkennbar gering sei. Auch die Behauptung, der Fortbestand des Speditionsbetriebs sei nur am gegenwärtigen Standort möglich, erscheine zweifelhaft, da nähere Gründe dafür offenblieben. Soweit die Klägerin suggeriere, dass der Verkauf des Grundstücks an die Beigeladene gleichbedeutend sei mit dem zwingenden Ende der Existenz des Speditionsbetriebs, gehe dies jedenfalls fehl. Auch in der selbst gewählten Konstellation bedürfe es für die Fortsetzung des Speditionsbetriebs einer vertraglichen Grundlage. Eine solche hätten sie und die Beigeladene der Klägerin wiederholt angeboten, was aber kategorisch abgelehnt worden sei. Randnummer 44 Am 20. Oktober 2021 hat die Klägerin Klage, zunächst in subjektiver Klagehäufung auch gegen die (nunmehrige) Beigeladene, erhoben. Nachdem sie die Klage gegen die Beigeladene zurückgenommen hatte, ist das Verfahren insoweit durch Beschluss vom 17. Februar 2022 abgetrennt (7 K 739/22) und durch Beschluss vom 24. Februar 2022 eingestellt worden. Randnummer 45 Zur Begründung ihrer Klage wiederholt die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und ergänzt: Eine wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der Beigeladenen scheide schon mangels zweckgemäßer Verwendung in angemessener Frist aus. Es lägen gegenwärtig noch keinerlei konkrete städtebauliche Planungen oder Umsetzungspläne vor, so dass auch die konkret geplante Verwendung des Grundstücks nicht hinreichend bestimmt sei. Wenn diese erst bis ins Jahr 2035 konkretisiert werden müsse, sei eine Zuführung des Grundstücks zu seinem Verwendungszweck bis Ende 2035 aber offensichtlich unmöglich. Im Übrigen sei § 28 Abs. 3 BauGB analog anzuwenden. Denn der Kaufpreis liege deutlich unter dem Verkehrswert von ungefähr drei Millionen Euro. Auch auf § 26 Nr. 1 BauGB werde verwiesen. Hinsichtlich der Fortführung des Unternehmens sei es, anders als wohl die Beklagte und Beigeladene meinten, auch entscheidend, wer Eigentümer sei. Mit der Beklagten als Eigentümerin wäre diese unmöglich, weil die geplanten und für die Fortführung des Speditionsbetriebs zwingend notwendigen baulichen Veränderungen, eine Halle am Kanal und eine Halle für Langgüter, nicht durchgeführt würden. Randnummer 46 Nachdem sie zunächst den Antrag angekündigt hatte, den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2021, Az. … sowie den Widerspruchsbescheid vom 28.09.2021, Az. …, aufzuheben und festzustellen, dass ein Vorkaufsrecht an dem Grundstück A-Straße X, Flurstück … der Gemarkung … mit einer Größe von … m² nicht ausgeübt wurde, beantragt die Klägerin zuletzt, Randnummer 47 den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2021, Az. …, sowie den Widerspruchsbescheid vom 28.09.2021, Az. …, aufzuheben. Randnummer 48 Die Beklagte beantragt, Randnummer 49 die Klage abzuweisen. Randnummer 50 Zur Begründung ihres Antrags nimmt sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug, vertieft diese und ergänzt: Die Verwaltung sei für die Prüfung des Vorkaufsfalles auf klare, im Zweifel bereits aus dem Kaufvertrag selbst erkennbare Eigentumsverhältnisse angewiesen. Entgegen der Ansicht der Klägerin seien auch die Voraussetzungen des § 27a BauGB erfüllt. Die angemessene Frist sei sowohl in der Verpflichtungserklärung als auch im Ausübungsbescheid angegeben worden. An deren Bestimmung seien keine zu strengen Anforderungen zu stellen, gerade weil eine solche Frist mit schwierigen Prognosen über den weiteren Verlauf der städtebaulichen Planung verbunden sei. Angemessen sei eine Frist, die bei nicht zu kleinteiliger Betrachtung erforderlich sei, um die Maßnahme zu planen und durchzuführen. Für die städtebauliche Entwicklung habe sie sich hier einen Zeithorizont von 20 Jahren gesetzt, weil nur so die schrittweise durch Grundstücksankäufe, Arrondierungen und Infrastrukturumbauten die Voraussetzungen für die Entwicklung geschaffen werden könnten. Es bedürfe nach der Vorschrift keiner konkreten Planungen zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts und es sei auch nicht sachgerecht bei einem Vorkauf zugunsten der Beigeladenen erhöhte Anforderungen an die Konkretisierung zu stellen. Weshalb die Klägerin meine, eine Zuführung des Grundstücks zu seinem Verwendungszweck bis Ende des Jahres 2035 sei unmöglich, erschließe sich nicht. Auf Nachfrage des Gerichts zum seinerzeitigen und aktuellen Stand der Planungen für das streitgegenständliche Grundstück gibt sie weiter an, dass die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen bereits im Jahr 2014 einen städtebaulichen und freiraumplanerischen Entwurf in Auftrag gegeben habe, in dem für das Grundstück neben der straßenräumlichen Änderung der B-Straße die Errichtung eines trapezförmigen Gebäudekubus vorgesehen sei. Dieser Entwurf sei auszugsweise der Bürgerschafts-Drucksache 20/14117 vom 30. Dezember 2014 beigefügt gewesen. § 28 Abs. 3 BauGB sei entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hier nicht analog anzuwenden. Auch der Ausschluss des Vorkaufsrechts nach § 26 Nr. 1 BauGB sei nicht auf Kaufverträge zwischen Gesellschaften anwendbar. Sie konkretisiert, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts zu dem Zweck geschehe, durch die Zusammenlegung der zwei richtungsgetrennten Fahrbahnen B-Straße auf eine beiden Richtungen dienende, zusätzliches Bauland in die Entwicklung einzubringen; Planungen hierfür lägen für den Bereich nördlich der D-Straße bereits vor, südlich davon – wo das streitgegenständliche Grundstück liegt – nur mangels verfügbarer Grundstücke nicht. Hinsichtlich der Suche nach einem Alternativstandort für die Klägerin sei sie außerdem nicht untätig, sondern sei bereits am 12. Juli 2021 an die hierfür hamburgweit zuständige Stelle in Kontakt getreten. Ein Ersatzstandort habe noch nicht ausfindig gemacht werden können. Randnummer 51 Die Beigeladene beantragt, Randnummer 52 die Klage abzuweisen. Randnummer 53 Sie ist der Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig: Der Vorkaufsfall sei gegeben. Bei der Erstkäuferin handle es sich um eine Dritte im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i.V.m. § 463 BGB. Dabei komme es weder auf die Beteiligungsverhältnisse noch eine wirtschaftliche Betrachtung an. Es sei vielmehr, schon zur Vermeidung von Umgehungen, formal auf die Rechtsfähigkeit der jeweiligen Vertragspartei abzustellen, die für die beiden beteiligten Kommanditgesellschaften ohne Weiteres zu bejahen sei. Ältere Rechtsprechung, die auf eine Personenidentität zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft abstelle, lasse sich nur vor dem Hintergrund erklären, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts seinerzeit die Rechtsfähigkeit abgesprochen worden sei. Auf die Beweggründe für den Kaufvertrag, hier die angeführte Vermögensneuordnung, komme es nicht an, da sich eine solche Einschränkung im Wortlaut der maßgeblichen §§ 24 Abs. 1 BauGB und 463 BGB nicht finde. Einen Schutz der Kaufvertragsparteien vor dem Vorkaufsrecht sehe das Gesetz nur in Gestalt der hier nicht einschlägigen Ausschlussgründe des § 26 BauGB vor. Im Übrigen hätte, wenn tatsächlich von Anfang an eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung im Vordergrund gestanden hätte, nichts näher gelegen, als dies vertraglich so zu bezeichnen und nicht als Kaufvertrag zu gestalten. Das Vorkaufsrecht habe die Beklagte nach § 27a Abs. 1 Nr. 1 BauGB auch zu ihren, der Beigeladenen, Gunsten ausüben dürfen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das im Einzelfall einschlägige Vorkaufsrecht, hier das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, bildeten die Leitplanken für die erforderliche Konkretisierung des Verwendungszwecks und die angemessene Frist im Hinblick auf das Grundstück. Förmlich konkretisierte Planungsabsichten bedürfe es für das Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aber nicht; auch städtebauliche Entwicklungskonzepte, Rahmenplanungen und sonstige informelle städtebauliche Planungen genügten. Die Konkretisierung der geplanten Verwendung des Grundstücks im Einzelfall orientiere sich an diesen Vorgaben und erfordere ebenfalls keine weitergehende Detailschärfe. Dies gelte zumal angesichts der Komplexität ihrer Aufgabe. Vor diesem Hintergrund könne keine Rede davon sein, dass die geplante Verwendung nicht hinreichend konkretisiert sei. Das Vorkaufsrecht sei hier auf die städtebaulichen Maßnahmen, wie sie sich aus der Drucksache 20/14117 „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ vom 30. Dezember 2014 ergäben, gestützt. Im Stadtentwicklungsraum „Billebogen“ würden die Flächen entlang der A-Straße sukzessiv der weiteren Planung unterzogen. Auch dem Merkmal der angemessenen Frist werde Genüge getan. Die Beigeladene ist ebenfalls der Auffassung, dass die Ermessensausübung durch die Beklagte fehlerfrei erfolgt sei und schließt sich den Ausführungen der angefochtenen Bescheide mit u.a. der Maßgabe an, dass zwar eine Diskussion von (Entscheidungs-)Alternativen innerhalb des Ermessensspielraums erforderlich sei, dies aber nicht bedeute, dass die Beklagte der Klägerin alternative Standorte anzubieten habe. Die Ausübung des Vorkaufsrechts wäre nur dann unverhältnismäßig, wenn der Klägerin keinerlei zeitnahe Perspektive aufgezeigt werde, was hier jedoch geschehen sei. Ihr, der Beigeladenen, Ansatz sei es, im Hinblick auf die Vertragsbedingungen eines etwaigen Nutzungsvertrags zwischen der Klägerin und der Erstkäuferin bei der Konzeption einer vertraglichen Grundlage für eine interimsweise Weiternutzung des Grundstücks zu berücksichtigen. Dazu habe die Klägerin keine hinreichenden Angaben gemacht. Im Hinblick auf ein Alternativstandort sei sie, die Beigeladene, ebenfalls nicht untätig geblieben, sondern befinde sich in Abstimmung mit der zuständigen Stelle. Anforderungen an das Alternativgrundstück habe die Klägerin allerdings erst auf mehrfache Nachfrage und nach Ablauf von Monaten benannt. Randnummer 54 In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den aus der Anlage 4 zur Drucksache 22-2938 der Bezirksversammlung des Bezirksamts Hamburg-Mitte vom 3. Mai 2022 ersichtlichen Stand der städtebaulichen Planungen im Anwendungsbereich der Vorkaufsrechtsverordnung mit den Beteiligten erörtert; wegen des Inhalts der Drucksache und den Erklärungen der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 5. Oktober 2022 Bezug genommen. Randnummer 55 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und die Prozessakte Bezug genommen.
Der Bescheid vom 9. Juli 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 28. September 2021 werden aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2. Senat
Berlin
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20.11.2014
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Randnummer 1 Die am 2... Juli 1993 geborene Klägerin begehrt ein Visum zum Kindernachzug zu ihrer im Bundesgebiet lebenden Mutter; beide sind philippinische Staatsangehörige. Randnummer 2 Die Klägerin lebt gemeinsam mit ihrem im August 1992 geborenen Bruder, der am Down-Syndrom leidet, und dem Onkel (mütterlicherseits) im Haus der Mutter auf den Philippinen. Der Vater der Klägerin starb im Juli 1997. Ihre Mutter, die im Januar 2003 ihren deutschen Ehemann R... geheiratet hatte, reiste im April 2007 zur Familienzusammenführung in das Bundesgebiet ein. Sie unterstützt die Klägerin und deren Bruder mit monatlichen Zahlungen, im Zeitraum von August 2008 bis Juni 2009 in Höhe von 250,00 bis 511,00 Euro. Randnummer 3 Die Klägerin und ihr Bruder beantragten Anfang Dezember 2008 bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Manila Visa zum Familiennachzug zu ihrer Mutter. Nachdem die beigeladene Ausländerbehörde ihre Zustimmung verweigert hatte, lehnte die Botschaft die Visaerteilung mit Bescheid vom 21. September 2009 und erneut mit Remonstrationsbescheid vom 28. Oktober 2009 ab, weil der Lebensunterhalt der aus der Klägerin, ihrem Bruder, der Mutter und deren Ehemann bestehenden Bedarfsgemeinschaft nicht gesichert sei. Ein atypischer Fall, der ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Dem Nachzugsbegehren des Bruders der Klägerin, der bei Antragstellung bereits das 16. Lebensjahr vollendet gehabt habe, stehe zudem entgegen, dass dieser weder die deutsche Sprache beherrsche noch bei ihm eine positive Integrationsprognose gestellt werden könne; Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Härte seien nicht ersichtlich. Randnummer 4 Auf die Klage der Klägerin und ihres Bruders hat das Verwaltungsgericht Berlin durch das ihnen am 10. Mai 2011 und der Beklagten sowie der Beigeladenen am 11. Mai 2011 zugestellte Urteil die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein Visum zum Kindernachzug zu erteilen; die Klage des Bruders der Klägerin hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Nachzugsbegehren des Bruders der Klägerin scheitere schon an den besonderen Erteilungsvoraussetzungen. Die Klägerin hingegen habe einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG (in der bis zum 5. September 2013 geltenden Fassung). Insbesondere sei die allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowohl im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin als auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erfüllt. Zwar reiche das verfügbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft nicht für einen Nachzug der Klägerin und ihres Bruders. Da das Nachzugsbegehren des Bruders jedoch erfolglos bleibe, sei ein Vorrang des Nachzugsbegehrens der Klägerin anzunehmen, auch wenn ihre Mutter keine bestimmte Rangfolge der beiden Nachzugsbegehren angegeben habe. Bezogen auf den Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin sei von einem monatlichen Nettoverdienst ihrer Mutter aus der Beschäftigung bei der P... GmbH in Höhe von 1.528,08 Euro auszugehen; hiervon seien die Werbungskostenpauschale in Höhe von 100,00 Euro abzuziehen und das Kindergeld in Höhe von 164,00 Euro hinzuzurechnen. Dieses Einkommen in Höhe von 1.592,08 Euro übersteige den Bedarf der aus der Klägerin, ihrer Mutter und deren Ehemann bestehenden Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.553,00 Euro. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betrage das Nettoeinkommen der Mutter 1.255,51 Euro monatlich; hinzu komme ein monatlicher Nettoverdienst ihres Ehemannes von 392,00 Euro. Unter Berücksichtigung des Kindergeldes in Höhe von 184,00 Euro decke das Gesamteinkommen von 1.831,51 Euro den Bedarf von 1.664,48 Euro. Randnummer 5 Der Senat hat mit Beschluss vom 21. August 2012 den Antrag des Bruders der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Auf Antrag der Beigeladenen hat er die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat. Randnummer 6 Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beigeladene geltend, das Verwaltungsgericht habe bezogen auf den Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin übersehen, dass die Mutter auch gegenüber ihrem damals noch minderjährigen Sohn unterhaltspflichtig gewesen sei und deshalb die gesetzlichen Unterhaltsansprüche bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens hätten abgezogen werden müssen. Dabei komme der Höhe des tatsächlich gezahlten Unterhalts regelmäßig eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Die Mutter der Klägerin habe nach ihrem eigenen Vorbringen ihre beiden Kinder mit monatlichen Zahlungen zwischen 250,00 und 500,00 Euro unterstützt. Selbst wenn von dem Einkommen (in Höhe von 1.592,08 Euro) lediglich der auf den Bruder der Klägerin entfallende niedrigste Betrag von 125,00 Euro (1/2 von 250,00 Euro) abgezogen werde, deckte das verbleibende Einkommen von 1.467,08 Euro nicht mehr den Bedarf von 1.553,00 Euro. Unabhängig von der Indizwirkung der tatsächlichen Zahlungen der Mutter sei jedenfalls das bei Vollendung des 16. Lebensjahres der Klägerin den Bedarf übersteigende Einkommen von nur 39,08 Euro zu gering gewesen, um zu einer positiven Prognoseentscheidung zu gelangen. Dieser Betrag hätte für den Unterhaltsanspruch des Bruders der Klägerin nicht ausgereicht. Problematisch sei auch, dass der Stiefvater der Klägerin nach eigenen Angaben Altschulden aus der Zeit vor der Ehe mit deren Mutter habe. Randnummer 7 Die Beigeladene beantragt, Randnummer 8 das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. April 2011 abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte unter Aufhebung des gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheides ihrer Botschaft in Manila vom 21. September 2009 und unter teilweiser Aufhebung des gegenüber der Klägerin erlassenen Remonstrationsbescheides vom 28. Oktober 2009 verpflichtet worden ist, der Klägerin ein Visum zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrer im Bundesgebiet lebenden Mutter zu erteilen. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, Randnummer 10 die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen. Randnummer 11 Die Klägerin trägt vor, ihre Mutter bestimme nunmehr, dass ihrem Nachzug der erste Rang eingeräumt werde. Der Lebensunterhalt sei zu den maßgeblichen Zeitpunkten gesichert (gewesen). Bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens ihrer Mutter dürften weder die Werbungskostenpauschale noch der Freibetrag für Erwerbstätigkeit abgezogen werden. Darüber hinaus sei (auch) für den Zeitpunkt der Vollendung ihres 16. Lebensjahres am 2... Juli 2009 das Einkommen ihres Stiefvaters zu berücksichtigen. Die Unterhaltsverpflichtung der Mutter gegenüber ihrem Sohn dürfe nicht in Höhe der tatsächlichen Zahlungen in Abzug gebracht werden. Eventuelle Entbehrungen ihrer Mutter zugunsten ihrer Kinder dürften sich nicht zu ihren Lasten auswirken. Randnummer 12 Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte (drei Bände) sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Halbhefter) und der Beigeladenen (zwei Halbhefter) Bezug genommen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beigeladene trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beigeladene darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Kiel 5. Zivilkammer
Schleswig-Holstein
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26.07.2019
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Randnummer 1 Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche in Verbindung mit dem Kauf eines Kraftfahrzeugs geltend, das vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffen ist. Randnummer 2 Der Kläger erwarb mit Rechnung vom 06.06.2011 von der … GmbH … das streitgegenständliche Fahrzeug, den Neuwagen vom Typ VW Sharan Comfortline Blue Motion Technology 2,0 l TDI, Fahrzeugidentnummer … zu einem Kaufpreis von 36.138,10 €. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kaufvertrags wird auf Anlage K1 verwiesen. Randnummer 3 Der Kläger erwarb das Fahrzeug als Privatperson. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA189 ausgestattet. In dem Fahrzeug war eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt und dann einen besonderen Modus aktiviert (sogenannte Umschaltlogik). In diesem Modus wird die Rückführung von Abgasen im Vergleich zu dem normalen Betriebsmodus verändert, wodurch die nach der Euro5-Norm vorgegebenen NOX-Grenzwerte während des Durchfahrens des NEFZ eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb wird dieser Modus deaktiviert, wodurch es zu einem höheren Schadstoffausstoß kommt. Durch das Gebrauchmachen der Motorensteuerungsgerätesoftware erlangte die Beklagte die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug. Randnummer 4 Dieser Dieselmotor wurde serienmäßig in diversen Fahrzeugmodellen der Beklagten sowie derer Konzernunternehmen verbaut. Randnummer 5 Das Kraftfahrtbundesamt verpflichtete die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2015 bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem ausgestatteten Motor des Typs EA189, die aus Sicht des Bundesamtes unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Beklagte entwickelte ein Update für die Motorensteuerungsgerätesoftware, wonach das Fahrzeug nur noch über einen einheitlichen Betriebsmodus verfügt. Das Kraftfahrtbundesamt sieht das Aufspielen des Updates als obligatorisch an. Randnummer 6 Der Kläger nutzte das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Kauf. Randnummer 7 Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 lag die Kilometerleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs bei 140.424 Kilometer. Die erteilte EG-Typengenehmigung für das Fahrzeug wurde vom Kraftfahrtbundesamt bislang nicht widerrufen. Randnummer 8 Durch anwaltliches Schreiben vom 22.11.2017 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung auf, den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzuzahlen Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs. Insoweit wird auf die Anlage K2 verwiesen. Randnummer 9 Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 13.12.2017 ab. Es wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Randnummer 10 Der Kläger behauptet, er habe sich für das streitgegenständliche Fahrzeug damals entschieden, da er dies für ein besonders umweltfreundliches und wertstabiles Fahrzeug gehalten habe. Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihn vorsätzlich und in sittenwidriger Art und Weise geschädigt, da der Softwareeinbau mit Wissen und Wollen des Vorstandes der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte treffe im Übrigen für die internen Entscheidungsvorgänge eine sekundäre Darlegungslast. Der Kläger habe aufgrund der sittenwidrigen Täuschung durch die Beklagte kein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug erworben, und somit ein für ihn nachteiliges Geschäft abgeschlossen, worin der Schaden zu sehen sei. Die Beklagte hafte wegen sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB sowie ebenfalls aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB. Randnummer 11 Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 18.937,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des im Tenor zu 1 bezeichneten Fahrzeugs. Randnummer 12 Der Kläger beantragt nunmehr , Randnummer 13 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.839,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke VW Sharan Comfortline Blue Motion Technology 2,0 l TDI, Fahrzeugidentnummer … Randnummer 14 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus einem Betrag von 36.138,10 € Zinsen in Höhe von 4 % p.a. für die Zeit vom 06.06.2011 bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 15 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der klagenden Partei Schadensersatz zu zahlen, für weitere Schäden, die aus der Manipulation des im Klagantrag zu Ziffer 1 näher bezeichneten Fahrzeugs durch die Beklagte resultieren. Randnummer 16 4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet, Randnummer 17 5. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.514,63 € freizustellen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Die Beklagte behauptet, das klägerische Fahrzeug verfüge nicht über eine unzulässige Abschaltvorrichtung. Durch die Freigabebestätigung des Kraftfahrbundesamtes für das Softwareupdate stehe fest, dass es nach Durchführung des Softwareupdates zu keinen negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, Co2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen komme. Die Beklagte hätte gegenüber der Klägerseite keine unzutreffenden Angaben über die Emissionswerte gemacht. Des Weiteren liege nach Auffassung der Beklagtenseite kein Vermögensschaden vor. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.839,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs der Marke VW Sharan Comfortline Blue Motion Technology 2,0 l TDI, Fahrzeugidentnummer …. 2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1 genannten PKW in Annahmeverzug befindet. 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.100,51 € freizustellen. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 34 % und die Beklagte 66 %. 6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % das auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckten Betrages leistet.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat
Berlin
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16.01.2014
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt im Wege der Überprüfung die Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bzw. eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 zuzüglich einer Erhöhung wegen besonderen beruflichen Betroffenseins von 10, einen Beschädigtengrundrente sowie eine Ausgleichsrente für Schwerbeschädigte und einen Berufsschadensausgleich aufgrund zu Unrecht erlittener DDR-Haft nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Verbindung mit dem Häftlingshilfegesetz (HHG). Randnummer 2 Die am 1951geborene Klägerin befand sich im Zeitraum vom 20. April 1974 bis zum 15. Oktober 1975 aufgrund Urteils des Kreisgerichtes vom 3. Juli 1974 (Az: ) wegen versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts in Strafhaft in verschiedenen Haftanstalten der DDR. Nach Verbüßung der Haft wurde sie in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Mit Bescheinigung des Senators nach § 10 Abs. 4 HHG vom 16. Januar 1976 wurde der Klägerin bescheinigt, dass sie wegen des von ihr erlittenen Gewahrsams zum Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG gehöre und dass Ausschließungsgründe nach § 2 HHG nicht vorlägen. Randnummer 3 Die Klägerin, die gelernte Fachverkäuferin für Textil ist, arbeitete mit Unterbrechung für eine Tätigkeit als Auskunftsassistentin beim Fernmeldeamt bis zur ihrer Inhaftierung in ihrem erlernten Beruf. Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik war sie in verschiedenen Berufen tätig. Seit dem Jahr 2002 bezieht sie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Buch. Randnummer 4 Auf den Versorgungsantrag der Klägerin anerkannte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Oktober 1976 ein abklingendes Zwölffingerdarmgeschwür als Schädigungsfolge des erlittenen Gewahrsams unter Gewährung einer Versorgungsrente nach einer MdE von 30 ab 1. Dezember 1976. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Dezember 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1979 änderte der Beklagte seine Entscheidung dahingehend ab, dass ab dem 1. Februar 1979 eine Ulcusnarbe an der Hinterwand des Bulbus als Schädigungsfolge mit Anspruch auf Heilbehandlung anerkannt wurde; die Schädigungsfolge bedinge jedoch kein MdE mehr, so dass eine Rente nicht mehr gewährt werden könne. Einen Verschlimmerungsantrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1996 ab. Randnummer 5 Auf den Antrag der Klägerin vom 17. Dezember 2001 ließ der Beklagte die Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D begutachten. In seinem Gutachten vom 16. Juni 2004 gelangte der Gutachter nach körperlicher Untersuchung der Klägerin zu der Einschätzung, dass als Schädigungsfolge eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung und Teilsymptomatik einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung gegeben sei, die eine MdE von 40 bedinge. Dem folgend änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 7. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 seine bisher ergangenen Entscheidungen gemäß § 44 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches X. Buch (SGB X) mit Wirkung vom 1. Januar 1997 (§ 44 Abs. 4 SGB X) dahingehend ab, dass eine entsprechende Schädigungsfolge unter Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einer MdE von 40 anerkannt wurde. Die Erhöhung wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleiches lehnte der Beklagte indes ab. Randnummer 6 Die Klägerin hat am 26. April 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Erhöhung der MdE auch unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs weiterverfolgt. Es läge eine schwere Persönlichkeitsstörung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, die eine MdE von 50 bis 70 rechtfertige. Randnummer 7 Mit Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2010 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Versorgungsrente nach einer MdE von 50 bis 70. Eine schwere Persönlichkeitsstörung lasse sich in Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. D und sowie des im Rentenverfahren (Az: ) erstatteten Gutachtens der Ärztin für Psychiatrie G vom 23. Februar 2010 nicht ableiten. Danach bestünden keine erheblichen familiären Probleme durch Kontaktverlust. Auch sei eine berufliche Gefährdung nicht gegeben. Randnummer 8 Gegen den ihr am 15. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16. August 2010, einem Montag, Berufung eingelegt, mit der sie die Gewährung einer Beschädigtengrundrente- und Ausgleichsrente nach einer MdE von 50 zuzüglich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 und einen Berufsschadensausgleich geltend macht. Randnummer 9 Der Senat hat nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2011 den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25. Juni „2012“ (gemeint ist wohl 2013) gelangt der Sachverständige nach Begutachtung der Klägerin vom 21. August 2012 und vom 8. März 2013 zu der Einschätzung, dass eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung als Schädigungsfolge gegeben sei, die seit dem 1. Januar 1997 eine MdE bzw. einen GdS von 50 bedinge. Randnummer 10 Die Klägerin ist der Ansicht, dass dem Sachverständigengutachten zu folgen sei. Wegen des besonderen beruflichen Betroffenseins sei jedoch ein Zuschlag von 10 zu gewähren. Randnummer 11 Die Klägerin beantragt, Randnummer 12 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 7. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Oktober 1976, den Bescheid vom 27. Dezember 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1979 und den Bescheid vom 8. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1996 zu ändern, eine chronische posttraumatische Belastungsstörung und andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung als Schädigungsfolgen festzustellen und der Klägerin ab dem 1. Januar 1997 eine Beschädigtengrundrente sowie eine Ausgleichsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit/ einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 zuzüglich eines besonderen beruflichen Betroffenseins von 10 und einen Berufsschadensausgleich zu gewähren. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Dem Sachverständigen Dr. K könne mit Blick auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie B vom 27. August 2013 nicht gefolgt werden. Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Akten des Verfahrens L 27 R 735/10 Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2010 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 7. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 verpflichtet, den Bescheid vom 12. Oktober 1976, den Bescheid vom 27. Dezember 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 1979 und den Bescheid vom 8. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 1996 zu ändern, eine chronische posttraumatische Belastungsstörung und eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung als Schädigungsfolgen festzustellen und der Klägerin eine Beschädigtengrundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit/ einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 ab dem 1. Januar 1997 zu gewähren. Es wird festgestellt, dass die Klage hinsichtlich der Rechtsfolgen des besonderen beruflichen Betroffenseins und des Berufsschadensausgleichs weiterhin bei dem Sozialgericht Berlin anhängig ist. Die im Berufungsverfahren erhobene Klage auf Zuerkennung einer Ausgleichsrente wird abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Die Kostenentscheidung über die noch bei dem Sozialgericht anhängige Klage bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22. Senat
Berlin
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22.11.2012
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vormerkung der Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit. Randnummer 2 Die 1948 geborene Klägerin besuchte ab dem 01. September 1963 die Erweiterte Oberschule „A“ in S (EOS). Vom 02. Mai 1967 bis zum 16. Juni 1967 unterzog sie sich dort mit Erfolg der Reifeprüfung. Ebenfalls am 01. September 1963 hatte die Klägerin beim VEB Fahrzeug- und Gerätewerk S S (VEB) auch eine Lehrausbildung als Dreher mit gleichzeitigem Besuch der Betriebsschule des VEB begonnen, die sie mit erfolgreicher Ablegung der Facharbeiterprüfung am 21. Juli 1967 abschloss. Randnummer 3 Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 03. April 2007 die Zeiten bis zum 31. Dezember 2000 verbindlich fest. Dabei wurden als Anrechnungszeittatbestände vorgemerkt: Randnummer 4 18.06.1965 - 30.04.1967 Schulausbildung 01.05.1967 - 31.05.1967 Schulausbildung 01.06.1967 - 16.06.1967 Schulausbildung/Überbrückungszeit 17.06.1967 -30.06.1976 Schulausbildung/Überbrückungszeit 01.07.1967 - 31.08.1967 Schulausbildung/Überbrückungszeit Randnummer 5 Die Zeit vom 18. Juni 1964 bis 17. Juni 1965 wurde nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt, da die Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt worden sei. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 31. Juli 2009 stellte die Beklagte die Zeiten bis 31. Dezember 2002 verbindlich fest, soweit diese nicht früher festgestellt worden waren. Die Anerkennung der Zeit vom 01. September 1963 bis 31. August 1967 als Beitragszeit wurde abgelehnt, da nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung nicht bestanden habe. Randnummer 7 Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2010 zurück: Dem Begehren der Klägerin, die Zeit des Abiturs mit Berufsausbildung vom 01. September 1963 bis 31. August 1967 als Beitragszeit zur gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne von § 248 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzuerkennen, könne nicht entsprochen werden. Jugendliche, die die EOS besucht und neben dem Besuch der Oberschule eine Berufsausbildung durchgeführt hätten, hätten als Schüler gegolten. Bei ihnen habe der Besuch der Schule im Vordergrund gestanden. Die Teilnehmer an den Ausbildungsformen „Abitur mit Berufsausbildung“ hätten nicht der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlegen, so dass für den Zeitraum der beruflichen Ausbildung keine Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI anzuerkennen sei. Randnummer 8 Hiergegen hat die Klägerin am 01. März 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben mit der Begründung, dass sie bezüglich ihrer Lehrausbildung wie ein Lehrling der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung der DDR unterlegen habe. Randnummer 9 Das SG hat in seiner Entscheidung als „sinngemäßen“ Antrag der Klägerin zugrunde gelegt, Randnummer 10 den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit nach § 248 Abs. 3 SGB VI anzuerkennen. Randnummer 11 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Sie hat im Wesentlichen auf ihre Begründung im angegriffenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Randnummer 14 Durch Gerichtsbescheid des SG vom 12. November 2010 ist die Klage abgewiesen worden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt, dass weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt überhaupt erzielt habe und davon Beiträge zur Sozialversicherung der DDR abgeführt worden seien. Die Klägerin habe im Formular zum Antrag auf Kontenklärung vom 03. Dezember 2005 selbst angegeben, dass ihr im streitigen Zeitraum kein Lehrlingsgehalt gezahlt worden sei, da zur gleichen Zeit das Abitur abgelegt worden sei. Darüber hinaus hat es ausgeführt, dass zwar der in der betrieblichen Ausbildung befindliche Lehrling nach der Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten - SVO - vom 21. Dezember 1961 pflichtversichert und beitragspflichtig gewesen sei, es sich bei dem Schüler der EOS mit Berufsausbildung um einen anderen Fall gehandelt habe. Denn mit Wirkung vom 01. Januar 1963 seien durch die „Anordnung über die Planung und Finanzierung der Berufsausbildung an den erweiterten Oberschulen“ vom 04. Dezember 1962 (AO-EOS 1962) die Schüler der EOS, die neben dem Abitur eine Lehre mit Abschluss eines Facharbeiterbriefes erwerben konnten, Schüler der EOS geblieben und keine Lehrlinge des Ausbildungsbetriebes gewesen. Dies werde insbesondere in § 6 der genannten Anordnung deutlich, der bestimmt habe, dass für Schüler während der Ausbildungstage und Praktika Versicherungsschutz wie beim polytechnischen Unterricht bestand (Bezugnahme auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. März 2008, L 3 R 1166/07). Für die Zeit ab dem 01. Januar 1965 habe darüber hinaus § 1 Abs. 3 der „Verordnung über Entgelt und Versicherungsschutz für Oberschüler während der beruflichen Ausbildung vom 03. November 1964“ (VO-EOS 1964) gegolten, wonach die Schüler der EOS während der beruflichen Ausbildung ausdrücklich nicht der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung unterlegen hätten. Randnummer 15 Gegen den ihr am 20. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17. Dezember 2010 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass ein entscheidendes Kriterium für die Annahme einer versicherungspflichtigen Lehrzeit neben einer gleichzeitigen Schulausbildung die Tatsache sei, dass die Lehrzeit nicht wie normal drei, sondern vier Jahre gedauert habe (vom 01. September 1963 bis 31. August 1967). Es habe somit ein „duales“ Ausbildungsverhältnis bestanden. Sie ist der Meinung, dass sie ein Lehrlingsentgelt bezogen habe, von dem Beiträge zur Sozialversicherung der DDR entrichtet worden seien. Nachweise hierfür könne sie nicht mehr erbringen. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen, Randnummer 17 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 31. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2010 zu verpflichten, die Zeit vom 01. September 1963 bis zum 31. August 1967 als Beitragszeit vorzumerken. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 20 Sie verweist auf die Eintragungen im Arbeits- und Sozialversicherungsausweis der Klägerin, wonach eine Entgeltzahlung aus dem Lehrverhältnis beim VEB nicht eingetragen sei, und wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Randnummer 21 Unterlagen über die von der Klägerin bereits eingereichten hinaus, die weiteren Aufschluss über die behaupteten Versicherungs- und Beitragspflichten bzw. Beitragszahlungen der Klägerin geben könnten, konnten nicht ermittelt werden. Randnummer 22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der bei gezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 10. Kammer
Saarland
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28.10.2010
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Randnummer 1 Der Kläger ist ehemaliger Halter eines VW Golf Kombi, welcher im Zuständigkeitsbereich des Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen ...-… … zum Straßenverkehr zugelassen war. Randnummer 2 Unter dem 28.03.2008 teilte die Polizeiinspektion A-Stadt dem Beklagten mit, dass bei einer Überprüfung des Fahrzeugs des Klägers festgestellt worden sei, dass dieses aus dem Motorraum Öl verliere. Der Beklagte forderte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 09.04.2008 zur Beseitigung des festgestellten Mangels und zum Nachweis der Mängelbeseitigung innerhalb von zehn Tagen auf. Randnummer 3 Nachdem der Nachweis einer Mängelbeseitigung durch den Kläger unterblieb, untersagte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 21.05.2008 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 5 FZV die Benutzung des Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr und forderte ihn zur Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II bzw. der Betriebserlaubnis sowie der Kennzeichenschilder binnen drei Tagen nach Zustellung des Bescheides auf. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die zwangsweise Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges durch den Vollstreckungsdienst angedroht und erklärt, dass diese Maßnahme nur dadurch abgewandt werden könne, dass der Kläger vor Ablauf der Frist den Nachweis erbringe, dass die Mängel beseitigt worden seien oder das Fahrzeug außer Betrieb gesetzt worden sei. Als Verwaltungsgebühr wurde auf der Grundlage von Nr. 254 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr ein Betrag von 30,60 Euro einschließlich Auslagen festgesetzt und der Kläger zugleich darauf hingewiesen, dass eine weitere Gebühr bis zu 286,00 Euro fällig werde, sollten Folgemaßnahmen durch den Vollstreckungsdienst erforderlich werden. Randnummer 4 Hiergegen hat der Kläger am 27.05.2008 bei Gericht erfolglos um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. In dem sein Eilrechtsschutzbegehren zurückweisenden Beschluss vom 30.06.2008, 10 L 503/08, hat die erkennende Kammer dargelegt, dass sich der Bescheid des Beklagten vom 21.05.2008 als offensichtlich rechtmäßig erweise. Aufgrund der dokumentierten polizeilichen Feststellungen sowie des Berichts des TÜV Rheinland vom 26.03.2008 stehe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass das auf den Kläger zugelassene Fahrzeug aus dem Motor Öl verliere und sich damit nicht in vorschriftsmäßigem Zustand befinde. Der Beklagte habe daher, nachdem er dem Kläger eine angemessene Frist zum Nachweis der Mängelbeseitigung gesetzt habe, ohne dass ein solcher Nachweis erbracht worden sei, die Benutzung des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr gemäß § 5 Abs. 1 FZV untersagen dürfen. Die Verpflichtung des Klägers zur Vorlage der Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II sowie der Kennzeichenschilder zwecks Entstempelung beruhe auf den §§ 5 Abs. 2, 14 FZV. Randnummer 5 Unter dem 09.07.2008 beauftragte der Beklagte den Vollstreckungdienst mit der Entstempelung der Kennzeichen des klägerischen Fahrzeuges und der Einziehung des Fahrzeugscheins wegen nicht nachgewiesener Mängelbeseitigung. Dieser nahm die zwangsweise Entstempelung, nachdem zuvor zunächst zehn vergebliche Vollstreckungsversuche unternommen worden waren, am 03.09.2008 vor. Randnummer 6 Mit an den Kläger gerichteten Schreiben vom 04.09.2008 setzte der Beklagte die Gebühren für die Inanspruchnahme des Vollstreckungsdienstes auf 286,00 Euro fest und forderte den Kläger zu deren Begleichung auf. Randnummer 7 Am 19.09.2008 wurde das Fahrzeug des Klägers außer Betrieb gesetzt. Randnummer 8 Gegen die Gebührenfestsetzung vom 04.09.2008 legte der Kläger mit Schreiben vom 05.10.2008 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er anführte, dass eine rechtmäßige Gebührenfestsetzung einen förmlichen Bescheid voraussetze. Randnummer 9 Mit an den Kreisrechtsausschuss des Beklagten gerichteten, dort per Fax am 27.08.2009 um 7.57 Uhr eingegangenem Schreiben teilte der Kläger mit, dass er den auf 9.45 Uhr anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung wegen einer akuten Zuckerentgleisung nicht wahrnehmen könne und demnach ausreichend entschuldigt sei. Randnummer 10 Mit Bescheid vom 18.09.2009 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2009 zurück und setzte eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 316,60 Euro fest. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die von dem Kläger am Sitzungstag vorgelegte „Entschuldigung“ wegen einer akuten Zuckerentgleisung einer Entscheidung nicht entgegenstehe, da der angegebene Grund nicht belegt sei, und weiter dargelegt, dass sowohl die gebührenpflichtige Betriebsuntersagung vom 21.05.2008 als auch die Gebührenfestsetzung vom 04.09.2008 rechtmäßig seien. Für die Betriebsuntersagung sei zu Recht auch eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 30,60 Euro festgesetzt worden. Nach den §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt i.V.m. Gebühren-Nr. 254 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr sei für Amtshandlungen nach der StVZO eine Gebühr zwischen 14,30 Euro und 286,00 Euro zu entrichten. Da es sich bei der Betriebsuntersagung um eine derartige Maßnahme handele und sich die in Ansatz gebrachte Gebühr von 30,60 Euro am unteren Ende des Gebührenrahmens bewege, sei die Gebühr der Höhe nach nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die mit Bescheid vom 04.09.2008 geltend gemachten Kosten für die Tätigkeit des Vollstreckungsdienstes in Höhe von 286,00 Euro, die ihre Grundlage ebenfalls in Gebühren-Nr. 254 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr fänden. Das der Kostenfestsetzung zugrunde liegende Tätigwerden des Vollstreckungsdienstes sei rechtmäßig gewesen. Bei Nichtbefolgung staatlicher Gebote seien diese in der Regel zwangsweise durchzusetzen. Nachdem der Kläger seiner Verpflichtung zum Nachweis der Mängelbeseitigung nicht nachgekommen sei, sei es daher auch nicht unverhältnismäßig gewesen, den Vollstreckungsdienst mit der zwangsweisen Entstempelung des klägerischen Fahrzeuges zu beauftragen. Durch die Teilnahme mängelbehafteter Fahrzeuge am Straßenverkehr drohten unabsehbare Schäden. Die Voraussetzungen für die Anwendung von Vollstreckungsmaßnahmen hätten vorgelegen. Die Betriebsuntersagung vom 21.05.2008 habe einen vollziehbaren Verwaltungsakt dargestellt. Gegen die Höhe der fälligen und verschuldensunabhängigen Gebühr bestünden keine Bedenken. Der Standort des klägerischen Fahrzeuges sei von dem Vollstreckungsdienst insgesamt zehnmal angefahren worden. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand rechtfertige im konkreten Fall die Festsetzung der Höchstgebühr. Die Höhe der Widerspruchsgebühr folge aus Gebühren-Nr. 400 Satz 1 GebOSt. Randnummer 11 Mit Gebührenrechnung vom 28.09.2009 forderte der Beklagte den Kläger zur Begleichung der bestehenden Forderung in Höhe von insgesamt 322,50 Euro bis zum 02.11.2009 auf. In der Gebührenrechnung waren dabei unter der Bezeichnung „Schülerförderung und Asyl gen.“ als Position 1 die Widerspruchsgebühr in Höhe von 316,60 Euro und als Position 2 Zustellgebühren in Höhe von 5,90 Euro ausgewiesen. Randnummer 12 Am 26.10.2009 hat der Kläger gegen den ihm am 29.09.2009 zugestellten Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Beklagten Klage erhoben. Randnummer 13 Der Kläger weist darauf hin, dass sich seine Klage gegen die Nutzungsuntersagung sowie die Gebührenanforderung vom 04.09.2009 richte, und macht im Weiteren geltend, dass die Untersagung der Nutzung seines Fahrzeuges durch den Beklagten jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. Die Feststellung, dass sein Fahrzeug aus dem Motorraum Öl verliere, treffe nicht zu. Der TÜV habe anlässlich der Vorführung seines Fahrzeuges am 26.03.2008 keine Mängel festgestellt, die für den weiteren Betrieb seines Fahrzeuges erheblich gewesen seien. Aufgrund des ihm am Samstag, dem 24.05.2008, zugestellten Schreibens vom 21.05.2008 habe die Frist erst am darauffolgenden Montag zu laufen begonnen. Zu diesem Zeitpunkt sei die von dem Beklagten festgelegte Dreitagesfrist aber bereits abgelaufen gewesen. Er betrachte das Schreiben vom 21.05.2008 daher als rechtlich unzulässig und nicht ergangen. Dem Verwaltungsakt fehle aus formellen Gründen die Rechtskraft. Des Weiteren sei die Kostenrechnung vom 28.09.2009 unverständlich, weil in dieser unter der Bezeichnung „Schülerförderung und Asyl gen.“ ein Betrag in Höhe von 322,50 Euro ausgewiesen sei. Mit diesem Titel habe aber die vorliegende Sache nichts zu tun. Zudem bedürfe es für die Gebührenrechnung eines Bescheides. Die Entscheidung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten sei schon deshalb aufzuheben, weil sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Obwohl er zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss des Beklagten am 27.08.2009 ausreichend entschuldigt gewesen sei, habe dieser seine Entschuldigung ignoriert und ihm damit die Möglichkeit genommen, seine Rechtsposition darzulegen. Die Entscheidung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten leide daher an einem gravierenden formellen Rechtsfehler. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, Randnummer 15 den Bescheid des Beklagten vom 21.05.2008 sowie dessen Gebührenfestsetzung vom 04.09.2008, jeweils in der Gestalt des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.08.2009 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses beim Beklagten vom 18.09.2009, und die Gebührenrechnung des Beklagten vom 28.09.2009 aufzuheben. Randnummer 16 Der Beklagte beantragt, Randnummer 17 die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Der Beklagte nimmt Bezug auf die angefochtenen Entscheidungen und weist ergänzend darauf hin, dass es sich bei der Bezeichnung „Schülerförderung und Asyl gen.“ lediglich um eine interne, aus Gründen der Kostenrechnung eingeführte Bezeichnung handele, mit der die einzelnen Widerspruchsverfahren kostenmäßig unterteilt würden, und die aus programmtechnischen Gründen an dieser Stelle nur abgekürzt wiedergegeben sei. Die vollständige Bezeichnung laute „Schülerförderung, Asylbewerberleistungsgesetz, gemeindliche Verwaltungsakte und sonstige Widerspruchsverfahren“. Darunter falle auch das Widerspruchsverfahren des Klägers. Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss des Beklagten rüge, sei darauf zu verweisen, dass es sich bei der vom Kläger angefochtenen Betriebsuntersagung und der damit verbundenen Gebührenfestsetzung um strikt gebundene Verwaltungsakte handele, so dass in der Sache keine andere Entscheidung hätte ergehen können. Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Eilrechtsschutzverfahrens 10 L 503/08 sowie die beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten und des Kreisrechtsausschusses beim Beklagten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein 4. Senat
Schleswig-Holstein
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13.11.2012
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen ein ihn betreffendes Vereinsverbot. Randnummer 2 Der aus der Vorläuferorganisation Chicanos MC A-Stadt hervorgegangene, nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes unter Berufung auf die offizielle Website des Klägers im Frühjahr 2009 gegründete Bandidos MC Prospect Chapter A-Stadt ist ein nicht eingetragener Verein mit Sitz in A-Stadt. Eine schriftliche Vereinssatzung des Chapter A-Stadt ist nicht bekannt; unstreitig hat sich jedoch der Kläger an die vom Bevollmächtigten als Anlage K 1 zur Klagebegründung vom 18. Februar 2011 eingereichten Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ (Articles of Association of the “Bandidos MC“ Motorcycle Club) gebunden gefühlt, wegen deren Wortlaut auf Blatt 72 - 79 PA verwiesen wird. Randnummer 3 Die Bandidos-Bewegung, der sich der Kläger als zugehörig versteht, besteht nicht als einheitlicher Verein, sondern verfügt über zahlreiche sogenannte „Chapter“ weltweit. In Europa nimmt das National Chapter, in Deutschland das Chapter „Bandidos MC Germany“ eine übergeordnete Funktion wahr. Die darunter befindlichen einzelnen Chapter sind auf bestimmte Territorien bezogene, organisatorisch selbstständige Clubs, die ihrerseits über Supporter-Clubs, z.B. den „MC Chicanos“ oder den „MC Contras“ verfügen. Nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes befindet sich der Kläger seit dem 14. November 2009 im sogenannten „Probationary-Status“, der letzten Zwischenstufe zur Vollmitgliedschaft des örtlichen Chapter in der weltweiten Bandidos-Bewegung. Organisation und Tätigkeit des Klägers beschränken sich nach den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes auf das Land Schleswig-Holstein. Randnummer 4 Der Beklagte stellte nach Einholung des mit Schreiben vom 20. April 2010 vorsorglich erteilten Benehmens des Bundesministerium des Inneren mit an den Kläger - zu Händen der namentlich genannten 17 Vereinsmitglieder - gerichteter Verfügung vom 21. April 2010 fest, dass der Zweck und die Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen und der Kläger sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Der Verein wurde verboten und aufgelöst. Seine Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen sowie die Verbreitung oder öffentliche oder in einer Versammlung praktizierte Verwendung von Kennzeichen wurden untersagt. Das Vermögen des Vereins wurde beschlagnahmt und eingezogen. Mit Ausnahme der Einziehung des Vermögens wurde der Bescheid für sofort vollziehbar erklärt. Randnummer 5 Der Beklagte begründete seine Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Klägers den Strafgesetzen zuwider liefen, mit unter Ziffern 1 bis 15 im Einzelnen aufgelisteten Straftaten von Vereinsmitgliedern, deren Verfolgung sich teilweise im Stadium von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren befänden, teilweise bereits zu rechtskräftigen Urteilen geführt hätten. Wegen der im Einzelnen bezeichneten Straftaten wird auf die auf Seite 8 bis 15 der Verbotsverfügung (Bl. 97 - 103 der Beiakte A) bezeichneten Sachverhalte Bezug genommen. Die eigentliche Zweckbestimmung sei nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren oder die gemeinsame Teilnahme an Veranstaltungen, sondern eine Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor gegenüber der verfeindeten Organisation der Hells Angels und ihrer Unterstützer-Vereinigungen in Schleswig-Holstein. Die Straftaten stünden in einem inneren und teilweise äußeren Zusammenhang mit den tatsächlichen strafgesetzwidrigen Zielen und Zwecken des Vereins. Sie seien mit Wissen und Billigung der verantwortlichen Funktionsträger des Vereins begangen worden. Die hierarchische Gliederung innerhalb des Vereins stelle sicher, dass zumindest die Funktionsträger über nahezu alle für den Verein bedeutende Strafttaten der einzelnen Mitglieder unterrichtet seien und ggfs. solche Straftaten auch steuernd beeinflussen könnten. Die unterschiedlichen Tatbeteiligungen der einzelnen Mitglieder ergäben sich dabei mit Zufallscharakter aus der jeweiligen Verfügbarkeit einzelner Mitglieder oder Supporter. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Taten sich aus bestimmten Situationen heraus ergäben, in denen nicht alle Mitglieder als Täter verfügbar vor Ort seien. Insbesondere die Tat in der Gaststätte S... in A-Stadt vom 13. Januar 2010 (unter Ziff. 14 der Verbotsverfügung aufgelistet) zum Nachteil von 3 Mitgliedern des rivalisierenden „Red Devils MC A-Stadt“ sei von 8 Vereinsmitgliedern gemeinschaftlich aber ohne langfristigen Tatplan verübt worden. Diese Tat sei einem allgemeinen Muster gefolgt: Zumeist sei die Tatgelegenheit für die Vereinsmitglieder nicht planbar. Nach dem Erkennen einer Gelegenheit durch einen Funktionsträger folge eine Meldung an alle Vereinsmitglieder per Telefonkette. Alle zeitlich und örtlich verfügbaren Mitglieder begäben sich unverzüglich zu einem vereinbarten Treffpunkt und verlegten sich sodann in mehreren Kraftfahrzeugen zum Tatort, wo die Tat begangen werde. Zu diesem Zeitpunkt seien zumindest einige der Mitglieder mit Stichwaffen bewaffnet, von denen brutal Gebrauch gemacht werde. Das gemeinsame Auftreten werde durch das Tragen der Kutten unterstützt. Alle anwesenden Mitglieder seien mit diesem Vorgehen einverstanden. Nach der Tat würden alle Vereinsmitglieder gemeinsam flüchten. Im Falle des vorgenannten Angriffes seien die Mitglieder vom Lokal S... in das Haus des Präsidenten B........ geflüchtet, welches zugleich als Clubhaus fungiere. Dort seien sie festgenommen worden. Randnummer 6 Durch den Verein werde den Mitgliedern und der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Verein hinter seinen Mitgliedern stehe. Der Präsident B........ sei in seiner Position belassen worden, obwohl gegen ihn wegen schwerer Straftaten staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren durchgeführt würden. Auch stelle die finanzielle und persönliche Unterstützung straffällig gewordener Vereinsmitglieder durch den Verein eine Konkretisierung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins dar. Nach der Satzung der “Bandidos-Nation“ sei vorgesehen, dass jedes Vereinsmitglied, welches im Gefängnis sitze, eine finanzielle Unterstützung erhalte. Alle Chapter müssen sich um die jeweiligen Mitglieder kümmern. Eine Distanzierung von dem strafgesetzwidrigen Verhalten einzelner Mitglieder sei durch den Kläger nicht erfolgt. Die im Einzelnen aufgelisteten Straftaten seien vor dem Hintergrund des zunehmend gewalttätig und offen ausgetragenen Konfliktes zwischen den Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt als Teil der an diesem Konflikt beteiligten gesamten Bandidos-Bewegung und den diversen sogenannten Chartern des Hells Angels MC und seiner Supporter-Clubs einzuordnen. Vor diesem Hintergrund sei auch der Vorfall an der BAB 7 vom 12. September 2009 (aufgelistet unter Ziff. 8, S. 11 der Verbotsverfügung - Bl. 100 der Beiakte A) zu sehen, bei dem das Krad des Vereinsmitgliedes Thomas K....... durch einen Pkw, dessen Halter der Präsident des Hells Angels MC Charter Flensburg war, gerammt worden sei. Daraufhin hätten Vereinsmitglieder des Klägers zwei Insassen des vermuteten Begleitfahrzeuges des flüchtigen Täters angegriffen. In einem Gespräch am 21. Januar 2010 habe der Vereinspräsident B........ der Polizei gegenüber ausdrücklich erklärt, dass sich Mitglieder des Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt zukünftig auch in anderen schleswig-holsteinischen Städten mit ihren Kutten und den Vereinsemblemen zeigen würden und dabei auch tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern konkurrierender MC´s in Kauf nehmen würden, um das Tragen von Kutten außerhalb der Stadt A-Stadt durchzusetzen. Der erklärte Vereinszweck der “Territorialherrschaft“ in A-Stadt solle durchgesetzt werden und eine entsprechende “Territorialherrschaft“ konkurrierender Vereinigungen außerhalb A-Stadts solle in Frage gestellt werden. Randnummer 7 Die Ausstattung der Mitglieder des Klägers mit Waffen sei zwar durch schriftliche Satzung nicht festgeschrieben, müsse aber anhand stereotyp festgestellter Verhaltensmuster als praktizierte Regel angesehen werden, die zu einer ständigen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft befähige. Die festgestellte ständige Nachrüstung mit Hieb- und Stichwaffen selbst nach polizeilichen Sicherstellungen sei auf dem Hintergrund des erklärten “Krieges“ zwischen den Hells Angels und den Bandidos zu sehen. Dass diese Nachrüstung in kürzester Zeit geschehe, sei unter anderem dadurch belegt, dass am 29. Juni 2009 bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden wurde und dieser noch am selben Tage in der öffentlichen Gaststätte S... in A-Stadt eine Machete mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm mit sich geführt habe. Dies indiziere eine allgemeine, durch den Verein geförderte Verhaltensweise. Dementsprechend sei eine Vielzahl der Vereinsmitglieder bereits wegen waffenrechtlicher Straftaten auffällig geworden, was aus den unter Ziff. 1, 2, 3 u. 7 aufgelisteten Tatbeständen hervorgehe. Randnummer 8 Soweit das Vereinsverbot darauf gestützt wurde, dass sich Zweck und Tätigkeit des Vereins gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, verwies der Beklagte auch auf die sich aus den Satzungsregelungen des Vereins “Bandidos MC Europe“ ergebende Absage an das Gewaltmonopol des Staates und die Etablierung einer eigenen Rechtsordnung unter Inkaufnahme der Verwirklichung von strafrechtlichen Verstößen. Randnummer 9 Das Vereinsverbot sei verhältnismäßig, weil es die organisierte strafgesetzwidrige Tätigkeit im Rahmen der Durchsetzung vermeintlicher Macht- und Territorialansprüche gegenüber rivalisierenden verfeindeten Vereinen unterbinden solle. Hierfür reiche es nicht mehr aus, nur einzelne Mitglieder oder Funktionsträger des Vereins strafrechtlich zu belangen. Vor dem Hintergrund der gewichtigen Straftaten sei das Vereinsverbot angemessen und verhältnismäßig. Ein bloßes Betätigungsverbot bei gleichzeitigem Fortbestehen des Vereins wäre zur Wahrung der Rechtsordnung nicht ausreichend. Hinzukomme, dass mit dem Vereinsverbot die Verfestigung der Struktur des Vereins vom Status eines „Prospect“-Chapters über den „Probationary“-Chapter zu einem vollgültigen Status zeitnah verhindern könne. Randnummer 10 Der Kläger hat am 26. Mai 2010 Klage gegen die Verbotsverfügung erhoben. Randnummer 11 Er ist der Auffassung, der Bescheid sei schon aus formellen Gründen rechtswidrig, weil die nach § 87 LVwG gebotene Anhörung des Betroffenen nicht erfolgt sei. In der Verbotsverfügung würden keine Tatsachen mitgeteilt, derentwegen der Beklagte eine sofortige Entscheidung ohne Anhörung für notwendig halten durfte. Auch würden keine Tatsachen mitgeteilt, auf deren Grundlage auf ein relevantes Vereinsvermögen geschlossen werden könnte. Deshalb sei auch ein Beiseiteschaffen von Vereinsvermögen nicht nachvollziehbar zu befürchten gewesen. Beweismaterial wie Westen oder sonstige Abzeichen würden im Übrigen nicht vom Verein, sondern von den einzelnen Mitgliedern direkt bei “Bandidos MC Europe“ käuflich erworben. Letztlich könne aber die Frage der Notwendigkeit einer Anhörung vor Erlass der Verbotsverfügung dahingestellt bleiben, weil die Verbotsverfügung jedenfalls materiell rechtswidrig sei. Die Ausführungen zur Zurechenbarkeit von Straftatbeständen beruhten nicht auf festgestellten Tatsachen, sondern auf Vermutungen und Behauptungen. Die Ausführungen des Beklagten, wonach die eigentliche Zweckbestimmung des verbotenen Vereins nicht einmal vorrangig das gemeinsame Motorradfahren sei, stehe im Widerspruch zu der weiteren - zutreffenden - Ausführung, dass sich der Kläger an den Satzungsregelungen des “Bandidos MC Europe“ orientiere, welche in Artikel 6 Ziff. 8 gerade vorschrieben, dass alle Mitglieder und Kandidaten ein Motorrad der Marke Harley Davidson fahren müssten. Der Bescheid sei an den Kläger, zu Händen von 17 namentlich benannten - angeblichen - Vereinsmitglieder adressiert worden. Von diesen seien aber Peter B......, Andreas B……, Meick K......, Martin L......., Thorsten R..... Sch..... und Christian G...... im Zeitpunkt der Verbotsverfügung vom 21. April 2010 nicht Mitglied des Klägers gewesen. Von den übrigen 11 Mitgliedern hätten lediglich 3 zu diesem Zeitpunkt noch kein Motorrad und 2 noch keinen Motorradführerschein gehabt. Sie seien aber dabei gewesen, die entsprechende Fahrerlaubnis zu erwerben bzw. sich gerade eine entsprechende Maschine zu kaufen. Insofern habe sich der Kläger nicht sklavisch den Satzungsregelungen des „Bandidos MC Europe“, an denen er sich grundsätzlich orientiere, unterworfen. So sei beispielsweise von „Anwärtern“ nicht verlangt worden, dass sie bereits eine Harley Davidson besäßen, sondern es habe genügt, wenn sie bestrebt gewesen seien, sich in absehbarer Zeit eine solche Maschine zuzulegen. Lediglich für die Vollmitgliedschaft sei das entsprechende Motorrad verlangt worden. Auch habe man von jedweder finanzieller Unterstützung beschuldigter Mitglieder abgesehen. Die behauptete eigentliche Zweckbestimmung einer Gebiets- und Machtentfaltung auf dem kriminellen Sektor werde im Bescheid nicht dargelegt. Es fehle eine konkrete Bezugnahme auf Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel, Schutzgelderpressung oder ähnliches samt Darlegung der Zusammenhänge. Dort sei nur von Boxveranstaltungen, Konzerten, Rockfestivals, Personenschutz und Türsteherdiensten vor Discotheken und allgemein vom Markt der Sicherheitsdienstleistungen die Rede. Dies betreffe legale Dienstleistungen. Belastbare Fakten für die Behauptung, dass der Kläger versucht habe, konkurrierende Vereinigungen entweder aus einem illegalen Markt oder mit illegalen Mitteln aus einem legalen Markt zu verdrängen, habe der Beklagte nicht geliefert. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass sich der Kläger zu wirtschaftlichen Zwecken gegründet hätte oder überhaupt wirtschaftlich mit den Hells Angels konkurrieren würde. Der Kläger habe nichts unternommen, um die „Hells Angels“ und ihre Supporter-Clubs aus Schleswig-Holstein zu verdrängen, um deren vermeintliche Geschäftsfelder zu übernehmen. Vielmehr habe er sich in A-Stadt gegründet und habe dort schlichtweg in Ruhe gelassen werden wollen. Die Auseinandersetzungen mit den Hells Angels hätten begonnen, weil diese grundsätzlich kein Chapter des Bandidos MC in Schleswig-Holstein hätten dulden wollen. Für eine frühere Distanzierung gegenüber dem Vizepräsidenten Peter B...... habe kein Anlass bestanden, da Herr B...... gegenüber den übrigen Mitgliedern der Bandidos stets angegeben habe, bei der Tat vom 13. Januar 2010 den Tatort erst betreten zu haben, als das Geschehen bereits vorbei gewesen sei. Die vom Beklagten unter Ziff. 1 - 15 aufgelisteten Straftaten reichten zur Annahme einer prägenden Zurechnung nicht aus. Meick K...... sei im Dezember 2009, Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss der Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen worden. Grund für den Ausschluss von Meick K...... sei dessen vom Beklagten in der Verbotsverfügung aufgeführtes Verhalten, Grund für den Ausschluss von Peter B...... dessen nicht länger hinnehmbare Tendenz zu Waffen- und Gewaltdelikten gewesen. Die Erklärung des Beklagten in der Verfügung vom 21. April 2010, dass Meick K...... mittlerweile in ein anderes Chapter des Vereins gewechselt sei, mache sich der Kläger ausdrücklich zu Eigen. Damit reduziere sich die Zahl der überhaupt für ein Vereinsverbot in Frage kommenden Straftaten auf 8. Die Munition und das Messer, die Gegenstand der Verurteilungen in den Fällen Nr. 1 und 2 gewesen seien, hätten sich auf Grund individueller Entscheidungen im Besitz der jeweiligen Vereinsmitglieder befunden. Entsprechendes gelte für die Tat Nr. 3. Eine forcierte Gesamtbewaffnung des Klägers beziehungsweise eine Ausstattung der Mitglieder des Klägers im Sinne einer praktizierten Regel habe nicht stattgefunden. Es möge ja sein, dass das ehemalige Mitglied K...... gegenüber einer Frau, die ihre Einnahmen aus Prostitution weitgehend an ihn habe abgeben müssen, damit argumentiert habe, das Geld diene der bevorstehenden Bewaffnung des Klägers. Tatsächlich habe Meick K...... jedoch ausschließlich zur persönlichen Bereicherung gehandelt. Die Tat Nr. 4 sei offensichtlich nicht im Zusammenhang des Herrn H...... als Mitglied des Klägers, sondern als Anhänger politischen rechten Gedankenguts zu sehen. Die Taten Nr. 5 bis 7 würden möglicherweise ein bezeichnendes Licht auf die Persönlichkeit des ehemaligen Mitglieds B...... werfen, seien jedoch nicht geeignet, eine strafrechtswidrige Zweckbestimmung des Klägers zu begründen. Wegen der Tat Nr. 8 sei letztlich nur Meick K...... strafrechtlich verurteilt worden, wobei eine unreflektierte emotionale Reaktion auf das Erleben der vorsätzlich herbeigeführten Verletzung des Thomas K....... naheliege. Mit einer Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC dürfte dies wenig zu tun haben. Die Taten Nr. 9 und Nr. 14 seien dem Kläger nicht zuzurechnen, weil - wie bereits ausgeführt - die Verurteilten Meick K...... beziehungsweise Peter B...... ausgeschlossen worden seien. Die Tat Nr. 11 spiegele einen strafbaren „Zeitvertreib“ des Mitglieds H...... wieder, der nicht ernsthaft dem Kläger zugeordnet werden könne. Entsprechendes gilt für die Tat Nr. 10, wegen derer das ehemalige Mitglied B...... verurteilt worden sei. Gleiches gelte für die Tat Nr. 12, mit der das Mitglied H...... anscheinend ein persönliches Mütchen habe kühlen wollen (dichtes Auffahren mit dem Motorrad und anschließend Zeigen des Mittelfingers in Richtung Polizeibeamte). Im Fall Nr. 15 seien mittlerweile sämtliche gegen Mitglieder des Klägers eingeleitete Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der identifizierte Beschuldigte G.... sei gerade nicht und zu keinen Zeitpunkt Mitglied des Klägers gewesen. Es treffe nicht zu, dass Mitglieder des Klägers ständig Hieb- oder Stichwaffen am Körper tragen. Das vom Beklagten für eine Nachrüstung in kürzester Zeit angeführte Beispiel sei falsch. Zwar habe die Polizei bei einer Wohnungsdurchsuchung bei dem Vereinsmitglied Thomas K....... ein Butterflymesser gefunden, die fragliche Machete sei jedoch später von der Polizei im Wagen des Mario Steen gefunden und nicht etwa von Thomas K....... im S... mitgeführt worden. Eine angebliche „Zuständigkeit“ eines „Sergeant at Arms“ für Ausrüstung und Bewaffnung der Mitglieder des Klägers sei schlichtweg erfunden. Die vom Beklagten getätigten Ausführungen, wonach sich die Zwecke und Tätigkeiten des Klägers gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten, seien schlicht nicht belegt. Randnummer 12 Herr B....... sei zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmachten für den jeweiligen Prozessbevollmächtigten Vereinspräsident gewesen. Entgegen seiner Ankündigung gegenüber der Polizei sei er nicht zurückgetreten. Herr B....... habe mit Rücksicht auf seine schwerkranke Lebensgefährtin, welche mittlerweile verstorben sei, sich durch die Ankündigung gegenüber der ständigen Inanspruchnahme durch die Polizei „Luft“ verschaffen wollen. Da nach Art. 7 Nr. 3 der Satzung auch der Vizepräsident den Verein allein hätte vertreten können, habe er der Polizei mit dem Verweis auf Peter B...... aus seiner Sicht auch einen korrekten Ansprechpartner genannt. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, Randnummer 14 den Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 aufzuheben. Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Der Beklagte ist der Auffassung, die Darstellung, wonach das Mitglied Peter B...... wenige Tage vor Kenntnis von der Verbotsverfügung durch Mehrheitsbeschluss aus dem Verein ausgeschlossen worden sei, widerspreche den Erkenntnissen des Landeskriminalamtes über die interne Funktionsverteilung bei dem Kläger in den Tagen vor der Zustellung der angegriffenen Verbotsverfügung. Der bis dahin amtierende Präsident, B........, habe am 21. April 2010 gegenüber einem Polizeivollzugsbeamten seine Absicht erklärt, sein Amt innerhalb des Vereins niederzulegen und am 24. April 2010 demselben Polizeivollzugsbeamten mitgeteilt, dass er mit sofortiger Wirkung sein Amt als Präsident niederlege und die innere Führung des Vereins ab sofort dem bisherigen Vizepräsidenten Peter B...... obliege. Dies gehe aus dem in der Anlage übermittelten Vermerk des Beamten hervor. Es sei davon auszugehen, dass der Rücktritt entgegen dem klägerischen Vortrag tatsächlich erfolgt sei. Sofern Herr B....... das Amt später wieder ausgeübt habe, ändere das an der Bewertung des Telefonats vom 21. April 2010 nichts. Randnummer 18 Das Mitglied Peter B...... sei noch 5 Tage vor der Zustellung der Verfügung nicht nur Mitglied, sondern in herausgehobener Stellung Funktionär des Klägers gewesen, dem darüber hinaus noch 5 Tage vor dem Vereinsverbot weitergehende Verantwortung übertragen wurde. Der Ausschluss sei vollständig unglaubhaft und als reine nachträgliche Schutzbehauptung zu werten. Bis zu dessen Verhaftung seien diesbezügliche Bestrebungen nicht vorgetragen worden. Gegen einen Ausschluss sprächen auch die Ergebnisse einer Telekommunikationsüberwachung der Mitglieder des Klägers, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Zeitraum um die Verhaftung des Herrn B...... am 27. April 2010 herum durchgeführt wurde. Hieraus gehe hervor, dass die Verlobte des Herrn B...... nach dessen Verhaftung Zugriff auf in der Wohnung von Herrn B...... befindliche, vereinseigene Geldmittel haben sollte, die unter anderem für eine anwaltliche Verteidigung benötigt würden. Von einer Distanzierung oder einem Ausschluss des Herrn B...... sei in den abgehörten Telefonaten nicht die Rede gewesen. Randnummer 19 Auch der angebliche Ausschluss von Meick K...... müsse als unsubstantiierte Schutzbehauptung zurückgewiesen werden. Unstreitig sei Meick K...... bis zum 09. Dezember 2009 sogar Präsident des klagenden Vereins gewesen. Zudem sei er noch am 02. Juni 2010 und bei anderen Gelegenheiten in der Kleidung des Vereins angetroffen worden. Seine Mitgliedschaft nach diesem Zeitpunkt sei zwar nicht eindeutig feststellbar. Eine eindeutige Distanzierung des Vereins von seiner Person sei jedoch nicht schlüssig vorgetragen worden. Randnummer 20 Die Mitgliedschaft der anderen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführten, angeblich nicht dem Verein angehörenden Mitglieder sei für das vorliegende Verbotsverfahren letztlich nicht von Bedeutung, da einzig Andreas B…. an einer dem Verein zuzurechnenden Straftat beteiligt war oder sein könnte, nämlich an der Tat vom 13. Januar 2010 im Schnellrestaurant S... in A-Stadt (Nr. 14 der angefochtenen Verfügung). Diese Tat sei allerdings von einer Mehrzahl von Mitgliedern des Klägers gemeinsam verübt worden. Randnummer 21 Die Verbotsverfügung sei unabhängig vom Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen jedenfalls formell und materiell rechtmäßig. Einer vorherigen Anhörung des Klägers habe es gem. § 87 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 LVwG nicht bedurft. Die Anhörung hätte einen Ankündigungseffekt gehabt, der es dem Kläger ermöglicht hätte, seine vereinsinterne Infrastruktur, sein der Einziehung unterliegendes Vermögen sowie insbesondere bei dem Vollzug der angefochtenen Verfügung aufzufindende weitere Beweismittel für die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke des Vereins zu verschleiern oder aus dem räumlichen Zugriffsbereich des Beklagten zu entfernen. Der Beklagte habe entgegen der Auffassung des Klägers auch vermuten dürfen, dass Vereinsvermögen vorhanden war. Zwar verfüge der Kläger nicht über ein eigenes Vereinsheim, sondern wickle das Vereinsleben in den privaten Häusern und Wohnungen seiner Mitglieder ab. Allerdings sei vor dem Wohnhaus des Vereinspräsidenten B........, wo sich die Mitglieder auch regelmäßig getroffen hätten, ein Hinweisschild auf den Kläger fest angebracht, so dass sich das Wohnhaus des Präsidenten als organisatorisch verfestigter Sitz des Klägers darstellte. Auf dieser Grundlage habe der Beklagte vermuten dürfen, dass sich im Wohnhaus des damaligen Präsidenten ein abgeschlossener Bereich des Klägers oder zumindest eindeutig dem Kläger zuzuordnende Sachen oder Unterlagen befanden, die als Vereinsvermögen oder als Beweismittel der Beschlagnahme unterlagen. Daneben sei auch eine Beschlagnahme von Beweismitteln möglich erschienen, insbesondere hinsichtlich in dem faktischen Vereinsheim des Klägers vorhandener elektronischer Datenträger oder Papier, woraus sich eine Zuordnung weiterer Straftaten oder straffälliger Mitglieder zum Verein hätte ergeben können. Auch der nunmehr erfolgte nachträgliche Vortrag, wonach zwei Mitglieder ausgeschlossen worden seien, lasse ein gewisses öffentliches Interesse an der Vermeidung eines Ankündigungseffektes erkennen: Der Kläger hätte in einem solchen Falle den (im Falle des Peter B...... wiederlegten und im Falle des Meick K...... unsubstantiiert behaupteten) Ausschluss besonders gewalttätiger Mitglieder vortäuschen können, um einem Vereinsverbot zu begegnen. Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05. August 2009 (BVerwGE 134, 275 ff) ergebe sich, dass selbst ein Verein, dessen Satzung die Verfolgung strafgesetzwidriger Zwecke ausschließe und dessen überwiegende Tätigkeit nicht in der Begehung, Unterstützung oder Billigung von Straftaten liege, in Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufe könne, wenn dieser Verein neben der in der Satzung festgelegten Tätigkeit auch eine - und sei es nur am Rande - den Verein prägende strafgesetzwidrige Tätigkeit ausübe. Der Umstand, dass der Verein daneben auch nicht strafgesetzwidrige Tätigkeiten durchführe und offizielle Satzungen, Ordnungen und Regeln des Vereins nicht ausdrücklich die Begehung von Straftaten zum Gegenstand des Klägers machten, seien deshalb für die Frage des strafgesetzwidrigen Zwecks ohne Belang. Der Kläger könne deshalb nicht aus der Anerkennung der von ihm überreichten Satzungsbestimmungen belegen, er sei lediglich ein reiner Motorradclub. Auch komme es nicht darauf an, dass der Kläger nach seiner Darstellung eine Gebiets- und Machtentfaltung lediglich auf dem Markt von Sicherheitsdienstleistungen entfalte, bei welchem es sich um einen legalen Markt handele. Der Vorwurf laute nicht dahingehend, der Kläger versuche eine Marktmacht auf einem illegalen Markt zu erlangen, sondern vielmehr, dass der Kläger mit illegalen, weil strafgesetzwidrigen Methoden eine Marktmacht auf einem Markt zu erlangen suche, indem er konkurrierende Vereinigungen zu verdrängen suche. Die in der Verbotsverfügung unter Nr. 8, 9, 11 13, 14 und 15 genannten Straftaten dienten durchgängig der Durchsetzung eigener Interessen des Klägers unmittelbar gegenüber der maßgeblichen konkurrierenden Vereinigung des Hells Angels MC, namentlich gegenüber den örtlichen Chartern in Kiel und Flensburg, sowie gegenüber deren Supporter-Club Red Devils MC. Auch wenn einzelne Taten - so die Strafvorwürfe Nr. 2, 4 und 12 - für sich genommen nicht ausreichend wären, ein Verbot des Klägers zu begründen, so fügten sie sich doch unterstützend nahtlos in die Zurechnung des strafgesetzwidrigen Zwecks einer territorialen Machtentfaltung des Klägers ein. Die Taten zu Nr. 11, 13 und 15 seien unter Verwendung der Kennzeichen des Vereins, in den Fällen zu Nr. 13 und 15 auch von mehreren Mitgliedern gemeinsam und in Anwesenheit weiterer Mitglieder begangen worden. Die Straftaten zu 1 und 2 stellten sich als Teil der gerade zum Tatzeitraum forcierten Gesamtbewaffnung des Klägers dar und stünden damit in einem eindeutigem Bezug zum Kläger als Verein, da ein gemeinsam gefasster Gruppenwille bzw. eine Anordnung der maßgeblichen Funktionsträger des Klägers umgesetzt wurde. Randnummer 22 Bereits die Straftaten Nr. 9 ( gemeint ist offensichtlich der Vorfall vom 12. September 2009 an der BAB 7 - Nr. 8 - ), Nr. 13, 14 und 15 rechtfertigten nach den Grundsätzen, die der Senat im Verfahren 4 KS 2/10 aufgestellt habe, jeder für sich allein, bei gemeinsamer Betrachtung aber erst recht das Vereinsverbot. Wenn der Kläger ausführe, die Tat Nr. 13 entspreche einem häufiger unter Angehörigen von Motorradclubs anzutreffendes Phänomen, dass man sich gegenseitig Insignien abnehme, so stelle dies eine Verharmlosung dar. Randnummer 23 Auch die in der Verbotsverfügung getroffene Feststellung, dass sich der Kläger gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte, sei rechtmäßig. Ausreichend aber auch erforderlich sei es insoweit, wenn ein Verein seine eigene Ordnung partiell an die Stelle der verfassungsmäßigen Ordnung setze und seine eigene Ordnung gegenüber Mitgliedern und Nichtmitgliedern ggfs. gewaltsam, jedenfalls aber unter Ausschluss der verfassungsmäßigen Ordnung in Gestalt des staatlichen Gewaltmonopols durchsetze. Dies sei der Fall, wenn er eigene Gewalt zur Durchsetzung seiner vereinseigenen Ziele als legitimes Mittel ansehe und eine staatliche Sanktion seiner Gewaltausübung im Rahmen des staatlichen Gewalt- und Strafmonopols ablehne und zu behindern suche. Nach diesen Maßstäben betätige sich der Kläger kämpferisch-aggressiv gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Straftaten belegten, dass der Kläger explizit Gewalt anwende oder androhe, um seine eigenen Interessen insbesondere gegen konkurrierende Vereinigungen durchzusetzen oder aber auch, um sich einem Zugriff durch staatliche Behörden zu entziehen. Dafür, dass sich der Kläger unmittelbar gegen verfassungsrechtlich legitimierte staatliche Maßnahmen zur Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols richte, dienten die Straftaten zu Nr. 4, 5, 10 und 12 als Beleg. Außerdem übe der Kläger über seine Mitglieder Einfluss auf außenstehende Dritte aus, um diese von einer Kooperation mit staatlichen Behörden abzuhalten. Derlei Einschüchterungsversuche würden auch durch die Straftaten der einzelnen Vereinsmitglieder belegt. Im Strafverfahren Nr. 14 habe die Große Strafkammer bei dem Landgericht Kiel die vom Beklagten aus Gründen des Zeugenschutzes gem. § 96 StPO abgegebene Sperrerklärung als hinreichend begründet akzeptiert, um von einer unmittelbaren Vernehmung der Quelle abzusehen und stattdessen einen Polizeivollzugsbeamten als Quelle vom Hörensagen zu vernehmen. Die Einschüchterung möglicher Zeugen werde auch durch die Niederschrift über eine richterliche Zeugenvernehmung vom 30. Dezember 2010 im Verfahren 24 Gs 276/10 (Strafverfahren zu Nr. 13) belegt, welches als Anlage B 3 (Bl. 124 ff der Prozessakte) übersandt werde. Insgesamt ergebe sich, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Ziele und Vorstellungen für sich in Anspruch nehme, legitimerweise Gewalt anzuwenden und damit das staatliche Gewaltmonopol negieren zu dürfen und somit die verfassungsmäßige Ordnung in Gestalt des aus dem Demokratie- und dem Rechtstaatsprinzip fließenden staatlichen Gewaltmonopols fortlaufend kämpferisch-aggressiv zu untergraben. Randnummer 24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Strafverfahrensakten bzw. die hieraus gefertigten Kopien verwiesen, welche den Beteiligten zur Einsicht übersandt worden sind und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Randnummer 25 Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung zwei Hauptbeweisanträge gestellt, wegen deren Inhalt auf das Verhandlungsprotokoll vom 13. November 2012 Bezug genommen wird.
Der Bescheid des Beklagten vom 21. April 2010 wird hinsichtlich seiner Ziffer 1 insoweit aufgehoben, als darin festgestellt wurde, dass der Verein „Bandidos MC Probationary Chapter A-Stadt“ sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 3. Senat
Hessen
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21.09.2022
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Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und der Merkzeichen „B“ und „H“. Die 1978 geborene Klägerin stellte erstmals mit Schreiben vom 14. März 2015 einen Antrag auf Anerkennung einer Behinderung bei dem beklagten Land. Das beklagte Land zog diverse medizinische Unterlagen bei (Sachverständigengutachten zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II von dem Psychiater und Psychotherapeuten Dr. K. vom 23. Februar 2015, Stellungnahme der Neurologin und Psychiaterin Dr. R. (Deutsche Rentenversicherung Hessen) nach Aktenlage vom 21. Mai 2015 (unter Auswertung von psychiatrischen Berichten von Dr. D. vom 2. Juni 2008 und 6. Mai 2015), Stellungnahme Dr. S. (ärztliche Untersuchungsstelle der Deutschen Rentenversicherung Hessen) vom 17. Juni 2015 und Gutachten des MDK vom 14. Oktober 2015). Aus der Stellungnahme von Dr. S. vom 17. Juni 2015 ergibt sich, dass es bereits 2002 zu Verhaltensauffälligkeiten der Klägerin in Form von aggressiven Handlungen gegenüber Polizei und Militär gekommen sei. Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 23. Februar 2015 die Diagnose Autismus, höchstwahrscheinlich vom Untertypus eines hochfunktionalen Autismus mit sehr stark ausgeprägter Einschränkung der Fähigkeiten im sozialen Bereich; außerdem bestehe der Verdacht auf phasenweise auftretende begleitende depressive Episoden im Rahmen der Grunderkrankung sowie auf kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen und wahnhaften Anteilen. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2015 lehnte die Pflegekasse basierend auf dem MDK-Gutachten vom 14. Oktober 2015 Leistungen ab, da keine Pflegebedürftigkeit bei der Klägerin bestehe. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der Unterlagen stellte das beklagte Land bei der Klägerin mit Bescheid vom 3. November 2015 einen GdB von 50 fest und berücksichtigte hierbei als Funktionsbeeinträchtigung „seelische Störungen“. Die Voraussetzungen zur Feststellung von Merkzeichen lägen nicht vor. Der hiergegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde von dem beklagten Land mit Widerspruchsbescheid vom 13. November 2015 zurückgewiesen und der Bescheid wurde bestandskräftig. Es folgten eine später widerrufene Verzichtserklärung der Klägerin auf die Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht, woraufhin der GdB schließlich mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 4. Juli 2016 erneut – wie bereits mit Bescheid vom 3. November 2015 festgestellt – mit 50 festgestellt wurde, und ein erfolgloses Neufeststellungsverfahren (Bescheid vom 21. Oktober 2016, Widerspruchsbescheid vom 17. November 2016), in dessen Rahmen weitere ärztliche Atteste und Befundunterlagen vorgelegt wurden. Der Psychiater Dr. C. (Vitos Gießen-Marburg gGmbH (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie)), bei dem sich die Klägerin seit Dezember 2015 in ambulanter psychiatrischer Behandlung befindet, teilte insoweit in einem fachärztlichen Attest vom 26. April 2016 mit, dass die Verdachtsdiagnose eines Asperger-Syndroms bei der Klägerin bestätigt wurde, ohne komorbide psychische Störungen. Außerdem wurde ein weiterer ausführlicherer Arztbrief von Dr. C. und Kollegen vom 27. Juni 2016 vorgelegt sowie eine Bescheinigung des Diplom-Psychologen F. vom 6. Oktober 2016, bei dem sich die Klägerin seit dem 11. November 2015 unter den Diagnosen Asperger-Syndrom und spezifische isolierte Phobien in psychotherapeutischer Behandlung befindet. Mit Schreiben vom 15. Februar 2017 stellte die Klägerin erneut einen Änderungsantrag bei dem beklagten Land und begehrte einen „angemessenen“ GdB sowie die Merkzeichen „H“ und „B“. Sie sei im öffentlichen Raum sowie im Straßenverkehr praktisch hilflos und im Grunde ständig auf eine Begleitperson angewiesen, die mit ihren Einschränkungen vertraut sein müsse. Denn es träten extreme Panikattacken auf, wenn sie Polizeifahrzeuge auch nur aus mehreren hundert Metern sehe. Aufgrund der bestehenden Verhaltensstörung und einem gleichzeitigen Aggressionspotenzial gegen die Polizei komme es bei Begegnungen mit Polizeibeamten bei Personenkontrollen zwangsläufig zu Eskalationen mit körperlicher Gewalt, Zwangseinweisung oder Inhaftierung. Die Klägerin legte ein für die Agentur für Arbeit Limburg-Wetzlar erstelltes psychologisches Gutachten der Diplom-Psychologin M. vom 2. Dezember 2016 vor. Danach liege bei der Klägerin eine psychische Behinderung vor, welche in ausgeprägtem Maße aufgrund irrealer, rigider Erlebens- und Verhaltensmuster und unzureichender Bewältigung von Ängsten und emotionalen Dysregulationen mit geringen Bewältigungskompetenzen für Anforderungen in Leistungs- und Sozialkontext verbunden seien. Das beklagte Land lehnte den Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 4. April 2017 ab. Der GdB betrage weiterhin 50 und die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und H lägen nicht vor. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren holte das beklagte Land einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin E. vom 27. April 2017 ein, wonach ein hochfunktionaler Asperger-Autismus mit phobischer Ängsten und Impulskontrollstörung bestehe. Es sei eine gravierende Einschränkung der Umstellungsfähigkeit sowie der Akzeptanz von Regeln gegeben sowie eine massiv eingeschränkte Frustrationstoleranz und Kritikfähigkeit. Es bestünden irreale Verhaltens- und Erlebensmuster. Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. P. ergebe sich aus dem psychologischen Gutachten von der Diplom-Psychologin M. vom 2. Dezember 2016 eine Zunahme der Verhaltensstörungen im Vergleich zu 2015, welche einen GdB von 60 rechtfertige. Die Voraussetzungen für Merkzeichen seien nicht gegeben. Daraufhin half das beklagte Land dem Widerspruch insoweit ab, als der GdB ab dem 15. Februar 2017 auf 60 erhöht wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2017 zurückgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin am 13. Juli 2017 Klage bei dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) erhoben und begehrt die Feststellung eines GdB von 100 sowie der Merkzeichen B und H. Sie leide an einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz aufgrund ihrer Erkrankung und benötige regelmäßige Unterstützung bei der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr sowie bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Es sei eine ständige Überwachung durch eine Vertrauensperson in der Öffentlichkeit unabdingbar. Die Auffälligkeiten seien erstmals 2002 mit dem Auszug aus dem Elternhaus dokumentiert worden. Der GdB von 60 werde ihren tatsächlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gerecht, sondern sei höher zu bewerten. Die Klägerin hat Unterlagen zu diversen Vorfällen mit der Polizei vorgelegt. Da sie Angst vor der Polizei habe, reagiere sie mit einer Vermeidungshaltung. Sie vermeide den Aufenthalt in Innenstädten, Bahnhöfen oder anderen öffentlichen Plätzen, auf denen sie jederzeit damit rechnen müsse, dass eine erhöhte Polizeipräsenz bestehe. Sowohl im Kontakt mit der Polizei als auch in Situationen mit viel Publikumsverkehr benötige sie Unterstützung durch eine Begleitperson. Die Klägerin hat außerdem einen Bescheid des Kreisausschusses des Lahn-Dill-Kreises vom 10. Januar 2018 vorgelegt, mit dem ihr eine Eingliederungshilfe in Form einer Kostenübernahme für die Betreuung durch den Fachdienst „Offene Hilfen“ der Lebenshilfe C-Stadt im Umfang von 20 Stunden pro Monat bewilligt wurde. Die Klägerin trägt vor, das Merkzeichen B zu benötigen, um mit der Betreuungsperson den öffentlichen Nahverkehr nutzen zu können. Außerdem könnte die Begleitperson dann neben ihr außen in der Sitzreihe Platz nehmen und sie vor dem Trubel abschirmen, der erfahrungsgemäß dort herrsche. Darüber hinaus leide sie unter einer starken Angst vor Anfeindungen wegen eines ihres der Öffentlichkeit oft unklaren Geschlechts; auch insoweit würde eine Begleitperson Schutz und Unterstützung bieten. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei Dr. C. vom 6. März 2018 sowie bei dem Diplom-Psychologen F. vom 10. Mai 2018 eingeholt. Dr. C. teilte mit, dass die Klägerin sich dort zuletzt am 26. September 2017 vorgestellt habe und im Behandlungszeitraum keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Herr F. gab an, dass im noch andauernden Behandlungsverlauf eine leichte Verbesserung eingetreten sei, wenngleich weiterhin eine multimorbide und deutlich psychopathologische, behandlungsbedürftige Störung vorliege. Außerdem hat die Klägerin ein Attest ihrer behandelnden Hausärztin Dr. E. vom 28. Mai 2019 sowie eine Stellungnahme des Diplom-Psychologen F. vom 17. Mai 2019 vorgelegt, wonach durch eine längerfristige Psychotherapie zwar habe erreicht werden können, dass die Klägerin die grundsätzliche Angst vor Polizeikontrollen besser bewältigen könne, eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne Begleitperson jedoch weiterhin nicht möglich sei. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil 6. Juni 2019 abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Feststellung der Merkzeichen „B“ und „H“ noch auf einen höheren GdB. Die Autismus-Erkrankung der Klägerin gehe mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einher und sei mit einem GdB von 60 angemessen bewertet. Denn die Klägerin lebe alleine und könne ihren Haushalt eigenständig führen. Sie habe – wenn auch wenige – soziale Kontakte in Form ihrer Partnerin. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen „H“ lägen nicht vor. Es sei weder erkennbar noch vorgetragen, dass die Klägerin, die ihren Haushalt alleine führen könne, für eine Reihe von häufig und regemäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfe. Dies habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ oder „Gl“ vorlägen, seien ebenfalls nicht gegeben, so dass auch das Merkzeichen „B“ bereits aus diesem Grund nicht anerkannt werden könne. Im Übrigen stellten auch die von der Klägerin vorgetragenen Gründe für die Merkzeichen „B“ – insbesondere Unterstützung bei Begegnungen mit Polizeibeamten – keinen den Vorgaben der VMG entsprechenden Berechtigungsgrund dar. Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 15. Juli 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Juli 2019 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt und verfolgt ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Ausführungen weiter. Sie benötige aufgrund ihrer seelischen Störung – dem Asperger-Syndrom – mit kognitiven Einschränkungen und Verhaltensstörungen während der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwar nicht dauernd Hilfe, es müsse jedoch dauernd eine Begleitperson zur Verfügung stehen, um ihr im Falle einer Personenkontrolle durch die Polizei behilflich zu sein. Es handele sich um eine spezifische Problematik im Zusammenhang mit der Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs, da dort die zu erwartende Polizeipräsenz im Vergleich zu anderen Orten wesentlich höher sei. Sie lebe allein in ihrer eigenen Wohnung, könne die Haushaltsführung überwiegend alleine bewältigen und benötige zwar in diesem Bereich keine Wohn-Betreuung. Jedoch sei eine Wohn-Betreuung – um die sie sich im Falle der Zuerkennung des Merkzeichens „B“ umgehend bemühen werde – außerhalb der Wohnung erforderlich, um öffentliche Verkehrsmittel benutzen zu können. Ihr einziger sozialer Kontakt bestehe mit ihrer Partnerin, welche sie manchmal besuche. Ihre Partnerin sei jedoch aufgrund einer Intelligenzminderung verbunden mit Orientierungsproblemen bei der Zurücklegung des Weges selbst auf Hilfe angewiesen. Bei fehlender Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei keine Teilhabe in der Gemeinschaft möglich. Auch der Umstand, dass bei ihr ein unklares Geschlecht bestehe, stelle schon alleine eine schwerwiegende soziale Beeinträchtigung dar und rechtfertige einen GdB von 100 sowie das Merkzeichen „B“. Auch wenn ihr Fall nicht in der Versorgungsmedizinverordnung korrekt aufgeführt sei, so bestehe doch ein klarer Grund für die Zuerkennung der Merkzeichen „H“ und „B“. Die Klägerin hat den Hilfeplan „offene Hilfen“ vom 10. Januar 2018 vorgelegt. Danach gestalte die Klägerin ihre Freizeit nach ihren Möglichkeiten eigenständig und nach ihren Vorstellungen. Sie besuche z.B. regelmäßig ihre Eltern und fahre viel Fahrrad. Ihre Freizeit verbringe sie vorwiegend allein, da im nahen Umfeld kein eigener Freundes- und Bekanntenkreis bestehe. Aufgrund ihrer Behinderung sei es ihr nicht möglich, an Veranstaltungen teilzunehmen, die in Innenstädten lägen. Situationen mit viel Publikumsverkehr seien nicht ohne Begleitung möglich, da starke Ängste bestünden, in eine Polizeikontrolle zu geraten. Außerdem hat die Klägerin ein fachärztliches Attest zur Vorlage bei der Krankenkasse von Dr. C. vom 30. September 2019 übersandt, wonach die psychotherapeutische Behandlung bei dem Diplom-Psychologen F. insoweit erfolgreich gewesen sei, als sich die Klägerin mittlerweile wieder im öffentlichen Raum bewegen könne. Es bestehe aber weiterhin eine ausgeprägte Phobie vor Verkehrs- und Personenkontrollen durch behördliche Personen sowie nachfolgenden Erregungszuständen. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Juni 2019 sowie den Bescheid des beklagten Landes vom 4. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihr einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen „B“ und „H“ festzustellen. Das beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Nach Auffassung des beklagten Landes hätten sich aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen keine Hinweise ergeben, welche eine abweichende Beurteilung begründen können. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass in Erwägung gezogen wird, von der Möglichkeit der Entscheidung des Rechtsstreits durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gebrauch zu machen. Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des beklagten Landes verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Juni 2019 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Frankfurt 9. Kammer
Hessen
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08.01.2007
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Randnummer 1 Der Kläger ist Professor an der Fachhochschule Frankfurt am Main und begehrt die vorläufige Berechnung seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten. Der am 30. Juni 1952 geborene Kläger wurde mit Wirkung zum 1. September 1997 als Professor in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum beklagten Land berufen. Zunächst war er in die Besoldungsgruppe C 2 eingruppiert. Mit Erlass vom 16. November 2004 wurde er in ein Amt der Besoldungsgruppe C 3 eingewiesen. Randnummer 2 Seine Hochschulausbildung hatte der Kläger in der früheren DDR absolviert und dort am 30. September 1983 seine Promotion abgelegt. In der Zeit vom 16. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 1981 war er als wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität Dresden tätig. Zwischen dem 1. Januar 1981 und dem 13. Oktober 1989, dem Tag seiner Ausreise aus der DDR, arbeitete er bei der Fa. R. in der DDR zunächst als Konstrukteur, später als Gruppenleiter im Bereich elektrische und mechanische Konstruktion. Zwischen dem 1. Februar 1990 und dem 31. August 1997 arbeitete er als Entwicklungs- und Konstruktionsingenieur im Bereich Gerätetechnik bei der Fa. L.-H. AG in Frankfurt am Main und wandte dort unter anderem CA-Techniken an. Diese hatte er während seiner früheren Tätigkeit in der DDR nicht angewandt. Bei der Fa. L.-H. AG war er im Bereich Forschung und Entwicklung eingesetzt. Im Entwicklungsbereich befasste er sich unter anderem mit CAD-Arbeiten einschließlich der Einführung eines neuen CA-Systems. Er nahm maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung, Konstruktion, Produktion einer neuen Generation von LASER Belichtern für Druckplatten. Es handelte sich um innovative Produkte, die am Beginn einer neuen Produktlinie des Unternehmens standen. Bei der Fa. L.-H. AG war er zunächst als Konstrukteur, später als Gruppenleiter für mechanische und elektrische Konstruktion eingesetzt. Randnummer 3 Der Ernennung zum Professor an der Fachhochschule Frankfurt am Main lag die Stellenausschreibung in der Zeitung „Die Zeit“ vom 20. September 1996 zugrunde. Dort wurde für den Fachbereich Feinwerktechnik ein Professor, eine Professorin der Besoldungsgruppe C 2 BBesG im Fachgebiet „Feinwerk-Konstruktion mit Schwerpunkt CA-Techniken“ gesucht, wobei der Bewerber, die Bewerberin über umfangreiche Erfahrungen in Simulation und Kostenoptimierung verfügen sollte. Randnummer 4 Am 23. April 2003 beantragte der Kläger die Feststellung seiner ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten. Unter dem 29. April 2003 stellte die vormalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte den Versicherungsverlauf des Klägers unter Berücksichtigung seiner in der DDR zurückgelegten Zeiten beruflicher Tätigkeit fest. Mit Schreiben vom 12. April 2006 stellte das Regierungspräsidium Kassel die ruhegehaltsfähige Dienstzeit bei angenommener Fortdauer des Beamtenverhältnisses bis zum Übertritt in den Ruhestand nach Erreichen des 65. Lebensjahres auf 22,08 Jahre fest (Bl. 13-17 d. A.). Dabei erkannte es die Promotionszeit im Umfang von 2 Jahren als ruhegehaltsfähige Dienstzeit an. Die sonstigen vor der Ernennung absolvierten Beschäftigungszeiten wurden dagegen im Hinblick auf § 12b BeamtVG nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anerkannt. Der Bescheid wurde am 26. April 2006 zur Post gegeben. Randnummer 5 Der Kläger hat am 24. Mai 2006 Klage erhoben und wendet sich gegen die Nichtberücksichtigung seiner Beschäftigungszeit bei der Firma L.-H. AG. Erst dort habe er die beruflichen Erfahrungen erworben, die für die Erlangung der Professur nötig gewesen seien. In der Ausschreibung sei auf die Beherrschung von CA-Techniken abgestellt worden. Die entsprechenden Verfahren habe er erst seit 1990 angewandt. In seiner Tätigkeit in der DDR habe er diese Techniken und Verfahren nicht angewandt, also dort auch nicht die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse erwerben können. Deshalb dürfe das beklagte Land nicht darauf abstellen, bereits mit seiner Tätigkeit für die Fa. R. habe der Kläger die nötigen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse zur Erlangung der Professur erworben. Randnummer 6 Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 12. April 2006 den Beklagten zu verpflichten, a) die Promotionszeit vom 16.10.1977 bis zum 31.091983 im gesetzlichen Höchstumfang von 2 Jahren, b) die Tätigkeitszeit bei der Firma L. AG vom 01.02.1990 bis zum 31.08.1997, c) sowie die Tätigkeitszeit als Professor an der FH Frankfurt am Main vom 01.09.1997 bis zum voraussichtlichen Eintritt in den Ruhestand vom 01.10.2017als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten anzuerkennen. Randnummer 7 Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Es weist darauf hin, dass sowohl die Promotionszeit wie auch die Dienstzeiten als Professor bereits in vollem Umfang im angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden seien. Im Übrigen stehe § 12b BeamtVG der Berücksichtigung weiterer Beschäftigungszeiten entgegen, da entsprechend Ziff. 12.1.16 der Verwaltungsvorschriften zum BeamtVG davon auszugehen sei, dass die für die Professur nötigen beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse zum frühestmöglichen Zeitpunkt erworben worden seien. Die maximal anerkennungsfähigen 10 Jahre beruflicher Tätigkeit seien bereits durch die beruflichen Tätigkeiten in der DDR verbraucht. Randnummer 9 Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge sowie ein Band den Kläger betreffende Personalakten des Beklagten liegen vor und sind Grundlage der Entscheidung. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird darauf und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Das beklagte Land wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 12. April 2006 verpflichtet, den Kläger hinsichtlich der Anerkennung der hauptberuflichen Tätigkeit bei der Firma ... zwischen dem 1. Februar 1990 und dem 31. August 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben das beklagte Land zu 2/3 und der Kläger zu 1/3 zu tragen. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen.
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Finanzgericht des Saarlandes 2. Senat
Saarland
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26.02.2014
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Randnummer 1 Die Klägerin streitet mit der Beklagten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Rückzahlung von Kindergeld fordert, das an die Tochter der Klägerin, Frau T (* XX. XX 1986), ausbezahlt worden ist. Randnummer 2 Am 9. Oktober 2008 ging bei der Beklagten ein Antrag auf Zahlung von Kindergeld für Frau T ein (KiG, Bl. 37 ff.). Dieser Antrag trug den Namenszug („A“) der Klägerin. Die Unterschrift war jedoch – wie mittlerweile unstreitig ist – gefälscht (Bl. 15). Mit an die Klägerin adressiertem Bescheid vom 7. November 2008 (KiG, Bl. 46) wurde zu deren Gunsten Kindergeld für Frau T ab September 2008 festgesetzt. Die Auszahlung erfolgte in der Folge auf das im (gefälschten) Kindergeldantrag angegebene Konto von Frau T bei der Volksbank D (KiG, Bl. 48). Randnummer 3 Mit Schreiben vom 16. Juli 2009 (KiG, Bl. 50) und Juni 2010 (KiG, Bl. 57), die von der Klägerin unterschrieben worden sind (KiG, Bl. 68), bat diese die Beklagte jeweils um eine Änderung des Anweisungskontos ihrer Tochter. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 (KiG, Bl. 60) informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Zeit ab November 2008 nicht nachgewiesen worden seien. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 (KiG, Bl. 61) teilte die Klägerin mit, sie habe kein Kindergeld erhalten. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 5. Oktober 2012 (KiG, Bl. 86) hob daraufhin die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeiträume April bis September 2009 sowie ab Juni 2010 auf und forderte von der Klägerin das für die Zeiträume April bis September 2009 und Juni 2010 bis Februar 2011 gezahlte Kindergeld i.H. von 2.640 Euro von dieser zurück. Randnummer 6 Hiergegen legte die Klägerin am 30. Oktober 2012 Einspruch ein (KiG, Bl. 100). Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2013 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (KiG, Bl. 127 ff.). Randnummer 7 Hiergegen hat die Klägerin am 2. August 2013 Klage erhoben (Bl. 1). Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 5. Oktober 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2013 insoweit aufzuheben, als dieser die Erstattung von 2.640 Euro zum Gegenstand hat. Randnummer 9 Die Klägerin macht geltend, die Beklagte sei zur Rückforderung nicht berechtigt, da das Kindergeld, dessen Rückforderung begehrt werde, jeweils auf ein Konto ihrer Tochter und nicht auf ihr eigenes geflossen sei. Allenfalls ihre Tochter, nicht aber sie selbst, sei zur Rückzahlung verpflichtet. Nachweislich sei die Unterschrift auf dem Kindergeldantrag gefälscht gewesen. Randnummer 10 Die Klägerin trägt vor, sie selbst habe vom Wegfall der Fördervoraussetzungen und der Weiterzahlung des Kindergeldes keine Kenntnis gehabt. Ihre Tochter habe schon damals nicht mehr bei ihr im Haushalt gelebt. Zudem sei sie, die Klägerin, gesundheitlich sehr beeinträchtigt. Eine 1997 aufgetretene Gehirnblutung habe ganz erhebliche Störungen der Gedächtnisleistungen zur Folge gehabt. Auf Grund dessen habe sie nicht mehr erfassen können, was sie unterschrieben habe. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Der Senat hat mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2013, zugestellt am 29. Oktober 2013 (Bl. 33), die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat am 29. November 2013 (Bl. 35) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Sie hat zur Dokumentation des aktuellen Gesundheitszustands erneut den Arztbrief vom 6. März 2013 vorgelegt (Bl. 38). Randnummer 13 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
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