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mlsum_de-train-300
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Verschwörung von "Gotteskriegern" und "Apokalyptikern": Das FBI ermittelt gegen eine militante Gruppe, die mit Bomben die Weltordnung ändern wollte. Diesmal waren es nicht Islamisten. Die US-Ermittlungsbehörden haben nach eigenen Angaben eine Verschwörung militanter Christen gegen die Regierung aufgedeckt. Die Staatsanwaltschaft in Detroit erhob Anklage gegen neun mutmaßliche Mitglieder der militanten Gruppe Hutaree. Sie sollen seit 2008 regelmäßig mit Waffen trainiert und den Bau von Sprengsätzen geübt haben. Die Gruppe habe geplant, einen Polizisten zu töten und anschließend bei dessen Beerdigung Bomben zu zünden, heißt es in der Anklageschrift. Die militante Gruppe habe geglaubt, auf diese Weise "einen Aufstand gegen die Regierung" anzetteln zu können. Die New York Times berichtet, bei den mutmaßlichen Täten handele es sich um christliche Apokalyptiker. Die selbstgebastelten Bomben würden Sprengsätzen gleichen, mit denen auch Rebellen im Irak gegen amerikanische Truppen vorgehen. "Es handelt sich hierbei um eine radikale Randgruppe", wird eine Spezialermittlerin des FBI in Detroit zitiert. Die Gruppe Hutaree sieht sich laut New York Times als "Gotteskrieger gegen die existierende Weltordnung", die nach Auffassung der militanten Gruppe vom Teufel geleitet wird und deshalb bekämpft werden muss. Polizeibeamte seien "Fußkrieger" dieser falschen Weltordnung. Acht der neun Angeklagten waren am Wochenende bei Razzien der Bundespolizei FBI in den US-Staaten Michigan, Indiana und Ohio festgenommen worden. Auch der neunte mutmaßliche Täter wurde in Michigan gefasst. US-Justizminister Eric Holder nannte die Festnahmen "einen Schlag gegen eine gefährliche Organisation, die heute einer Verschwörung beschuldigt wird, Krieg gegen die Vereinigten Staaten zu führen".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/geplanter-anschlag-in-den-usa-bomben-gegen-den-teufel-1.21109
Geplanter Anschlag in den USA - Bomben gegen den Teufel
00/03/2010
Verschwörung von "Gotteskriegern" und "Apokalyptikern": Das FBI ermittelt gegen eine militante Gruppe, die mit Bomben die Weltordnung ändern wollte. Diesmal waren es nicht Islamisten.
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mlsum_de-train-301
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2008 hat Amnesty International mindestens 1718 Hinrichtungen in China dokumentiert. In der aktuellen Statistik fehlt die Volksrepublik - aber nicht, weil Peking auf Todesstrafen verzichtet hat. Amnesty International wirft der chinesischen Regierung vor, jedes Jahr Tausende Hinrichtungen zu verheimlichen. Die Menschenrechtsorganisation forderte China auf, Todesurteile und Hinrichtungen nicht länger als "Staatsgeheimnis" zu behandeln. Aus Protest gegen die Informationspolitik Pekings verzichtet die Hilfsorganisation erstmals in seiner Geschichte in der Todesstrafen-Statistik für das Jahr 2009 auf die Erhebung weltweiter Zahlen - und weigert sich, China aufzulisten. Im Jahr davor hatte Amnesty für die Volksrepublik mindestens 1718 Hinrichtungen dokumentiert, was mehr als 70 Prozent der weltweit vollstreckten Todesurteile bedeutete. Der Menschenrechtsorganisation zufolge lag die Dunkelziffer aber vermutlich "um ein Vielfaches höher". "Die chinesische Regierung behauptet, dass immer weniger Hinrichtungen stattfinden. Wenn das stimmt, warum verheimlichen die Behörden, wie viele Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden?", sagte der zuständige Amnesty-Experte Oliver Hendrich. "Warum hütet Peking die Zahlen wie ein Staatsgeheimnis?" Weltweit mehr als 700 Hinrichtungen Die öffentlich zugänglichen Zahlen erfassten nicht das wahre Ausmaß der Todesstrafe in China. Amnesty International geht davon aus, dass 2009 in China Tausende Menschen heimlich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Die Schätzungen anderer Menschenrechtler reichen für China bis zu 10.000 Hinrichtungen pro Jahr. "China hat mehr Menschen hingerichtet als alle anderen Staaten der Welt zusammen", erklärte Amnesty. In ihrem jüngsten Bericht zur Todesstrafe listet die Menschenrechtsorganisation für 2009 insgesamt 714 Todesurteile in 18 Ländern auf - die Zahlen für China sind darin nicht enthalten. Die meisten vollstreckten Urteile wurden demnach mit mindestens 388 in Iran registriert, gefolgt vom Irak mit mindestens 120 Hinrichtungen. In Saudi-Arabien starben 69 Menschen nach einem Todesurteil und in den USA waren es 52. Todesstrafe für Minderjährige in Iran und Saudi-Arabien Iran und Saudi-Arabien seien die einzigen Länder, die sogar Minderjährige hinrichteten, heißt es in dem Amnesty-Bericht. Ferner ist darin dokumentiert, dass Staaten wie China, Iran und Sudan die Todesstrafe oft zu politischen Zwecken einsetzten, etwa um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Besonders häufig seien Todesurteile nach den Erkenntnissen von Amnesty International nach grob unfairen Verfahren verhängt worden. So waren überdurchschnittlich häufig Arme sowie Angehörige ethnischer, nationaler oder religiöser Minderheiten betroffen. Nichtsdestotrotz dauert der Trend zur Abschaffung der Todesstrafe den Angaben zufolge an: 139 Staaten haben die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft - zuletzt Burundi und Togo für alle Verbrechen. "Weniger Länder als je zuvor vollstrecken die Todesstrafe", erklärte Amnesty-Experte Hendrich. Die Welt schaffe diese "Schande der Menschheit" zunehmend ab.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/todesstrafen-im-jahr-2009-amnesty-china-toetet-heimlich-1.1265
Todesstrafen im Jahr 2009 - Amnesty: China tötet heimlich
00/03/2010
2008 hat Amnesty International mindestens 1718 Hinrichtungen in China dokumentiert. In der aktuellen Statistik fehlt die Volksrepublik - aber nicht, weil Peking auf Todesstrafen verzichtet hat.
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mlsum_de-train-302
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich offen für türkische Schulen in Deutschland gezeigt. "Wenn Deutschland Auslandsschulen in anderen Ländern hat, zum Beispiel in der Türkei, dann kann es natürlich auch die Türkei sein, die Schulen in Deutschland hat", sagte Merkel am Montag in Ankara nach einem Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Entscheidend sei dabei nur, dass es um Zweisprachigkeit gehe. Türkische Schulen dürften keinesfalls "als Ausrede herhalten, nicht Deutsch zu lernen", sagte Merkel. Wie Erdogan gehe es ihr nicht um Assimilierung, wohl aber um eine erfolgreiche Integration. Und "da sind wir sehr gemeinsam", sagte die Kanzlerin. Erdogan sagte, die türkischstämmigen Staatsbürger in Deutschland wollten natürlich ihre Kultur bewahren, aber sich auch integrieren. Gut, verlässlich und vertrauensvoll Erdogan und Merkel bemühten sich nach ihrem ersten Treffen darum, die türkisch-deutschen Beziehungen nach den kritischen Äußerungen der vergangenen Tage wieder als gut, verlässlich und vertrauensvoll darzustellen. Trotz teils gegensätzlicher Auffassungen in der Debatte um türkische Gymnasien in Deutschland, möglichen Sanktionen gegen Iran im Atomstreit und der Frage einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU betonten Merkel und Erdogan, die Beziehungen beider Staaten seien ausgezeichnet. Erdogan sprach von "Freunden und Verbündeten", die "sehr wichtig füreinander" seien und deren tief verwurzeltes Verhältnis Vorbild auch für andere EU-Staaten sein könnte. Merkel lobte die "sehr engen und freundschaftlichen Beziehungen" zwischen beiden Ländern. Schon zuvor hatte die deutsche Delegation das persönliche Verhältnis zwischen Erdogan und Merkel als ausgesprochen gut beschrieben. Beim Thema Atomstreit mit Iran lehnte Erdogan die von Merkel befürworteten Sanktionen gegen Teheran allerdings ab. Es müsse in den Verhandlungen mit der iranischen Führung weiter auf Diplomatie gesetzt werden, sagte er. Frühere Sanktionen hätten sich als untaugliches Mittel erweisen. "Gibt es in der Region Atomwaffen? Ja! Gibt es deswegen Sanktionen? Nein!", sagte Erdogan in Anspielung auf israelische Atomwaffen. Vor Merkels zweitägiger Visite waren die Töne zuletzt immer schärfer geworden. Insbesondere Erdogan war mit harten Angriffen auch gegen Merkel persönlich zitiert worden. Von einem "Hass" gegen die Türken war da die Rede gewesen, von der Frage, ob die Türkei ein "Prügelknabe" geworden sei. Zuvor hatte Merkel Erdogans Ruf nach mehr türkischen Gymnasien in Deutschland ebenso zurückgewiesen wie Ankaras Forderung nach einer Vollmitgliedschaft in der EU. Mit Blick auf türkische Schulen und Gymnasien hatte Merkel eine ganze Liste von Grundschulen und Gymnasien in Deutschland im Gepäck, an denen heute schon Türkisch unterrichtet wird. Mit Blick auf den türkischen Wunsch nach einer EU-Mitgliedschaft sagte Merkel, sie habe inzwischen gelernt, dass der Begriff einer privilegierten Partnerschaft, wie ihn CDU und CSU seit Jahren als Ersatz für eine EU-Mitgliedschaft bevorzugten, in der Türkei "gar keine gute Ausstrahlung hat". Merkel sagte zu, dass die Verhandlungen weiter ergebnisoffen geführt würden und sich als Nächstes auf eine Lösung der Zypern-Frage konzentrieren sollten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-besuch-in-ankara-ein-bisschen-frieden-1.17503
Merkel: Besuch in Ankara - Ein bisschen Frieden
00/03/2010
Geschenk mit Symbolkraft: Kanzlerin Merkel überreicht dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan eine Friedenstaube. Den Schulstreit haben die Regierungschefs erst einmal entschärft.
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mlsum_de-train-303
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Die Abkehr der Liberalen von ihrer Forderung nach raschen Steuersenkungen stößt in der Union auf Zustimmung und stiftet ungeahnte Eintracht in der Koalition. "Ich habe das mit freudigen Gefühlen registriert", sagte CSU-Chef Horst Seehofer zu den Äußerungen von FDP-Politikern, die Entlastungen nicht unbedingt schon im kommenden Jahr umzusetzen. Die CSU sei nach wie vor eine "Partei der Steuersenkungen", aber man wolle "das immer in Einklang bringen mit dem Machbaren", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Nun habe er den Eindruck, dass die FDP dies genauso sehe. Auch andere Unionspolitiker werteten es positiv, dass die FDP von ihrer Forderung nach schnellen Steuersenkungen abrückt. Fraktionsvize Michael Fuchs sagte, es sei wichtig, "den Menschen nicht irgendwelche Versprechungen zu machen, die wir nicht halten können". Die Steuerpolitik war in den vergangenen Wochen einer der größten Streitpunkte zwischen Union und Liberalen. "Die Einlassungen markieren eine freudige Entwicklung", sagte Seehofer mit Blick auf die Äußerungen diverser FDP-Spitzenpolitiker. Diese korrigieren ihre Position bei mehreren Eckpunkten der geplanten Steuerentlastung. Das beginnt bei der Höhe der Entlastungen: Der Koalitionsvertrag sieht Steuererleichterungen "in einem Gesamtvolumen von 24 Milliarden Euro im Laufe der Legislaturperiode" vor. Nach der neuen FDP-Rechnung sind von den 24 Milliarden Euro die Entlastungen vom Jahresanfang abzuziehen. Dazu gehören die 4,6 Milliarden Euro für Familien mit der Anhebung des Kindergelds und Kinderfreibetrags. Hinzu kommen die 2,4Milliarden Euro für Unternehmen und 400 Millionen bei der Erbschaftsteuer. Damit stehen noch gut 16 Milliarden Euro aus. Unklar dabei ist, ob die neu geplante Subvention für forschende Unternehmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro dazugehört. Auch beim Zeitpunkt zeigt sich die FDP flexibler: Niedrigere Steuern kommen für die Partei nun auch in drei Schritten in Frage, von 2011 bis 2013. Ebenso ist für die Liberalen eine Entlastung erst von 2012 an möglich. Außerdem pocht die FDP nicht mehr auf ihr ursprüngliches Konzept. Das sah drei Steuersätze vor: zehn Prozent bis zu einem Einkommen von 20.000 Euro, 25 Prozent (bis 50.000 Euro) und 35 Prozent (ab 50.000 Euro). Jetzt ist die Rede von vier bis fünf Stufen. "Dies nötigt mir ein Schmunzeln ab" FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte am Wochenende argumentiert, es sei die Forderung der CSU gewesen, bereits 2011 die Steuern zu senken, nicht die der FDP. Seehofer entgegnete am Montag: "Dies nötigt mir ein Schmunzeln ab. Bei den Koalitionsverhandlungen hatte ich nicht den Eindruck, dass die FDP uns hinterherhechelt - im Gegenteil." Tatsächlich hatte die CDU 2009 die Forderung der CSU abgeblockt, im gemeinsamen Wahlprogramm konkrete Termine für Entlastungen zu nennen. Die Christsozialen verabschiedeten daraufhin einen eigenen, weitergehenden Wahlaufruf, in dem sie Steuersenkungen für 2011 und 2012 forderten. "Für die CSU ist das nach wie vor Stand der Dinge", sagte Seehofer. In der Koalition habe man sich jedoch darauf geeinigt, erst nach der Mai-Steuerschätzung Konkretes zu beschließen. Daran halte er sich. In der CSU wurde zugleich aufmerksam registriert, dass Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) den Kommunen einen höheren Anteil an den Mehrwertsteuereinnahmen in Aussicht stellte. Die desolate Lage der Kommunalfinanzen zu bessern, hat sich CSU-Chef Seehofer seit Dezember auf die Fahnen geschrieben. Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß sagte der Süddeutschen Zeitung, die Entlastung werde "nicht vernünftiger", wenn sie erst 2012 komme. Die Koalition wolle aber "nicht das Gesicht verlieren". Poß sagte, dass auch ein Tarif mit fünf Stufen und einem Volumen bis zu 15 Milliarden Euro nicht finanzierbar sei. 2012 müsse die Regierung wegen der Schuldenbremse noch mehr sparen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/steuerpolitik-union-freut-sich-ueber-steuer-wende-der-fdp-1.14582
Steuerpolitik - Union freut sich über Steuer-Wende der FDP
00/03/2010
Die Liberalen begraben ihre Forderung nach raschen Steuersenkungen. Bei CSU-Chef Seehofer weckt das "freudige Gefühle".
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mlsum_de-train-304
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Aus Protest gegen das birmanische Wahlgesetz tritt die Partei von Oppositionsführerin Suu Kyi nicht bei den für dieses Jahr geplanten Wahlen an. Kurzmeldungen im Überblick. Die Partei von Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi nimmt nicht an der für dieses Jahr geplanten Wahl in Birma teil. Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) habe entschieden, sich nicht registrieren zu lassen, weil sie das Wahlgesetz für ungerecht halte, sagte ein Sprecher der größten Oppositionspartei. Die in Birma herrschende Militärjunta hatte unlängst ein neues Wahlgesetz erlassen, wonach sich alle Parteien innerhalb von 60 Tagen registrieren lassen müssen. Voraussetzung für die Zulassung ist, dass die Parteien inhaftierte Mitglieder aus ihren Reihen verbannen. Neben der Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi sind zahlreiche weitere führende NLD-Mitglieder in Haft. Die NLD hatte die letzte Wahl im Jahr 1990 gewonnen, sie durfte aber ihr Mandat nie ausüben. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wirft der FDP Wahlbetrug vor, nur wenige Stunden nach dem Überraschungsbesuch von US-Präsident Obama in Afghanistan haben Taliban eine amerikanische Militärbasis angegriffen und Berlin verhält sich weiter zurückhaltend bei der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-opposition-in-birma-boykottiert-wahlen-1.22422
Opposition in Birma boykottiert Wahlen
00/03/2010
Aus Protest gegen das birmanische Wahlgesetz tritt die Partei von Oppositionsführerin Suu Kyi nicht bei den für dieses Jahr geplanten Wahlen an. Kurzmeldungen im Überblick.
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mlsum_de-train-305
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Mit Moskaus roter U-Bahn-Linie spekulierten die Selbstmord-Attentäterinnen nicht nur auf möglichst viele Opfer. Eine Bombe sollte eine Botschaft gegen die Kaukasus-Politik des Kreml senden. Es ist 9.30 Uhr, und einige wissen es offenbar noch nicht. Sie gehen die Treppe hinunter wie immer, drücken ihre Karte an den elektronischen Zähler und laufen durch das Drehkreuz. Als sie am Bahnsteig aus den blechernen Lautsprechern die Durchsagen hören, kehren sie wieder um und rufen mit dem Handy irgendjemanden an. In der wartenden Metro sitzen nur ein paar Menschen, nichts ist so wie sonst. Nur ein kurzes Stück können sie von hier aus jetzt fahren, weiter kommt keiner mehr, alles ist gesperrt. Eine Frau sagt: "Es ist alles furchtbar, natürlich habe ich Angst, aber irgendwie muss ich ja nach Hause." Station Jugo-Sapadnaja, der Beginn der Roten Linie. Hier stiegen vor einer Stunde die beiden Selbstmord-Attentäterinnen ein. Sechs Haltestellen sind sie gefahren, bis "Park Kultury", vier weitere sind es bis zur Lubjanka. Eine schöne Linie eigentlich, vorbei an der Universität, vorbei an den Sperlingshügeln, wo die Metro über der Flusswindung der Moskwa kurz an das Tageslicht auftaucht. Um kurz vor acht Uhr explodierte an der Lubjanka die erste Bombe, um 8.40 Uhr am Park Kultury die zweite. Wer auf möglichst viele Opfer aus ist, hat hier die passende Linie gewählt - und die richtige Uhrzeit. An der Lubjanka ist der Sitz des russischen Inlandsgeheimdienstes, kaum ein klareres Symbol hätten die Täter auswählen können als die Zentrale des FSB, die maßgeblich am Anti-Terror-Kampf im Kaukasus beteiligt ist. Am Park Kultury trifft die Rote Metrolinie auf die Ringlinie. Ein Knotenpunkt. Minutenlang stehen hier morgens die Menschen in einer dichten Traube und warten, dass sie überhaupt auf die Rolltreppe kommen. Die Attentäterin zögerte wohl bei der Einfahrt noch, bis sich die Türen zur Plattform öffneten, ehe sie sich in die Luft sprengte. Später wurde der abgetrennte Kopf einer jungen Frau gefunden, vermutlich der Terroristin, einer Schachidka, wie die Russen die Selbstmord-Attentäterinnen aus dem Kaukasus nennen. "18 bis 20 Jahre alt, kaukasisches Erscheinungsbild", heißt es. Aber so eng pressen sich die Fahrgäste hier, dass er vielleicht auch einer Passagierin gehören könnte. Mindestens 38 Tote und Dutzende Verletzte werden gezählt. Rettungshubschrauber kreisen über den Orten der beiden Katastrophen, Männer mit Helmen schleppen in dunkle Säcke eingewickelte Leichen fort, Teile des Verkehrs werden abgeriegelt und umgeleitet, Einsatzfahrzeuge versuchen, mit Sirenengeheul eine Schneise durch die verstopften Straßen zu schlagen. Mit Tränen in der Stimme klagt eine Frau, dass Taxifahrer den gesperrten Metroverkehr ausnutzten und skrupellos den Preis erhöhten. "Wir sind doch alle Russen, wir sind doch ein Volk." Moskaus größte Schwachstelle Moskau erlebt wieder einmal einen dieser traurigen Tage, die die Stadt in den vergangenen 15 Jahren schon mehrmals durchmachen musste. Das Drama im Musical Nord-Ost, der Anschlag auf ein Rockkonzert, zwei Selbstmord-Attentäterinnen, die sich vor sechs Jahren Sprengstoffgürtel um den Leib schnallten und in der Metro zündeten. Ein paar Jahre war Ruhe, zumindest in Moskau, nun ist der Terror wieder zurück. Präsident Dmitrij Medwedjew ordnete verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an. Hunderte von Polizisten kontrollieren verstärkt an den Metrostationen der Hauptstadt, verlangen Ausweise, landesweit sind die Sicherheitskräfte in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt, an den Zugbahnhöfen, an den Flughäfen. Russland werde den Kampf gegen den Terrorismus ohne Zögern und bis zum Ende durchführen, sagte der Präsident. Und Ministerpräsident Wladimir Putin erklärte, die Terroristen würden gefangen und vernichtet. Aber nicht einmal das mächtige Führungsduo kann Sicherheit in Russland garantieren. Und die Metro ist vielleicht die größte aller Schwachstellen. Überwachungskameras haben die beiden mutmaßlichen Mörderinnen erfasst, sie waren in Begleitung von zwei weiteren Frauen mit slawischem Aussehen, nach denen jetzt gesucht wird. Auch ein Mann mit blauer Jacke, Baseballmütze und weißen Turnschuhen wird verdächtigt, an den Taten beteiligt zu sein.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/moskau-anschlag-auf-u-bahn-blutbad-an-der-roten-linie-1.18112
Moskau: Anschlag auf U-Bahn - Blutbad an der Roten Linie
00/03/2010
Mit Moskaus roter U-Bahn-Linie spekulierten die Selbstmord-Attentäterinnen nicht nur auf möglichst viele Opfer. Eine Bombe sollte eine Botschaft gegen die Kaukasus-Politik des Kreml senden.
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mlsum_de-train-306
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Das neue Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland steht. Doch was passiert mit den Atomwaffen, die ausrangiert werden? Die Verschrottung ist aufwendig - und gefährlich. Nächste Woche werden US-Präsident Barack Obama und sein russischer Kollege Dmitrij Medwedjew in Prag das neue Abrüstungsabkommen zwischen ihren Ländern unterschreiben. Doch von da an ist es ein langer Weg, bis die ausrangierten Atomsprengköpfe verschrottet sind. In den USA werden die einsatzbereiten Bomben außer Dienst gestellt, das ist zunächst ein bürokratischer Akt. Sofern das Militär die Waffen nicht als Reserve einlagert, werden Batterien entfernt, ebenso andere Teile mit begrenzter Lebensdauer, die bei aktiven Sprengköpfen regelmäßig getauscht werden. Sind die Waffen zur Vernichtung vorgesehen, gelangen sie in Hochsicherheitstransportern zur Demontage in die Waffenfabrik Pantex nahe Amarillo in Texas. Hier hat man das nötige Wissen, denn die meisten Bomben wurden Jahrzehnte zuvor in dieser Anlage zusammengebaut. Russland unterhält zwei vergleichbare Einrichtungen, doch ist über die Demontage in Russland kaum etwas bekannt. Die Pantex-Techniker entfernen im ersten Schritt in einem Schutzraum aus Beton mit doppelten Sicherheitstüren alle Bauteile, die nicht direkt zum nuklearen Sprengsatz gehören, etwa die Bombenhülle, Fallschirme oder die Elektronik, die den Sprengkopf scharf schaltet und die Zündung auslöst. Dafür ist Spezialwerkzeug nötig, das für jeden Bombentyp eigens entwickelt werden muss. Manche Arbeitsgänge übernehmen Roboter, manche Schritte der Demontage sind als geheim eingestuft. Die einzelnen Arbeitsschritte folgen einem präzisen Ablauf - im Prinzip der umgekehrten Reihenfolge wie beim Zusammenbau. Der Prozess, der Tage, aber auch Wochen dauern kann, unterscheidet sich von Sprengkopf zu Sprengkopf, doch bleibt am Ende der Kern der Waffe übrig. Er besteht in der Regel aus Plutonium, das von hochexplosivem Sprengstoff umgeben ist. Diese beiden Komponenten zu trennen, birgt das höchste Unfallrisiko. Die Arbeiten finden daher in speziellen Gebäuden statt, die stabile Wände haben, aber ein fragiles Dach, das mit einer sieben Meter dicken Schotterschicht bedeckt ist. Explodiert der Sprengstoff versehentlich, begräbt die Konstruktion das gefährliche Material unter sich. Verschiedene Atomwaffenlabors der USA machen die einzelnen Bauteile unbrauchbar. Komponenten aus hochangereichertem Uran werden in die Y-12-Anlage in Oak Ridge, Tennessee überstellt. Das Metall wird zur Lagerung in Zylinder umgeschmolzen und dann in Brennelementen für Atomkraftwerke weiterverwendet. Es muss dazu mit abgereichertem Uran vermischt werden, um den Anteil des spaltbaren Isotops Uran 235 von mehr als 90 Prozent auf unter fünf Prozent zu senken. Aufwendig und teuer Die USA haben von Russland Brennstoff aus Waffen-Uran gekauft, das für 15.000 Bomben reichen würde, um es aus dem Verkehr zu ziehen. Schwieriger ist die Verwertung von Plutonium. Es kann zwar vermischt mit Uran zu Brennstäben aus Mischoxid verarbeitet werden, doch das ist aufwendig und teuer. Eine geeignete Anlage in den USA ist noch in Bau. Daher lagern die USA die meisten Plutonium-Kerne ein. In den neunziger Jahren wurden in der Pantex-Anlage bis zu 1800 Gefechtsköpfe pro Jahr zerlegt. Zuletzt waren es geschätzt nur mehr etwa 350 pro Jahr. Der Experte Hans Kristensen geht davon aus, dass schon bisher mehr als 4500 Bomben auf ihre Vernichtung warteten. Mit den neuen Abkommen, so meint er, könnte es bis zum Jahr 2030 dauern, bis die USA alle ausgemusterten Sprengköpfe verschrottet haben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/abruestung-atomwaffen-bomben-zu-brennstoff-1.10347
Abrüstung: Atomwaffen - Bomben zu Brennstoff
00/03/2010
Das neue Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland steht. Doch was passiert mit den Atomwaffen, die ausrangiert werden? Die Verschrottung ist aufwendig - und gefährlich.
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mlsum_de-train-307
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Dichtes Gedränge, Sirengeheul und viel Blut: Eindrücke von der Roten Metrolinie -wenige Stunden nach den Terroranschlägen in Moskau, bei denen mindestens 38 Menschen starben. Einige wissen es offenbar noch nicht. Sie gehen die Treppe runter wie immer, halten ihre Karte an den elektronischen Zähler und laufen durch das Drehkreuz. Als sie am Bahnsteig aus den blechernen Lautsprechern die Durchsagen hören, kehren sie wieder um. In der Metro sitzen nur ein paar Menschen, nichts ist so wie sonst. Nur ein kurzes Stück können sie noch fahren, weiter kommt jetzt keiner. Eine Frau sagt, "es ist alles furchtbar, natürlich habe ich Angst, aber irgendwie muss ich ja nach Hause". Station Jugo-Sapadnaja, die Rote Linie. Hier sollen vor einer Stunde die Selbstmordattentäterinnen zugestiegen sein. Sechs Haltestellen sind es bis zur Haltestelle Park Kultury, zehn bis zur Lubjanka. Um kurz vor acht Uhr explodierte an der Lubjanka die erste Bombe, um 8:40 Uhr am Park Kultury die zweite. Wer auf möglichst viele Opfer aus ist, hat hier die passende Linie gewählt, und die richtige Uhrzeit. An der Lubjanka ist der Sitz des russischen Inlandsgeheimdienstes, kaum ein stärkeres Symbol hätten die Täter auswählen können als die Zentrale des FSB. Diese ist maßgeblich am Anti-Terror-Kampf im Kaukasus beteiligt. Am Park Kultury trifft die Rote Metrolinie auf die Ringlinie. Ein Knotenpunkt, an dem morgens die Menschen minutenlang dicht gedrängt stehen, um überhaupt auf die Rolltreppe zu kommen. Acht, neun Millionen Menschen fahren allein in Moskau täglich mit der U-Bahn, alle 60 Sekunden rauscht in den Stoßzeiten eine neue Metro an den Bahnsteig, an dem in dichten Zweier-, Dreier- oder Viererreihen schon wieder die nächsten Fahrgäste warten. Die Metro ist vielleicht die größte Schwachstelle Moskaus. Die Attentäterin wartete bei der Einfahrt noch, bis sich die Türen zur Plattform öffneten, ehe sie sich in die Luft sprengte. Später wurde dort der abgetrennte Kopf einer jungen Frau gefunden, vermutlich der Selbstmörderin. Aber so eng pressen sich die Fahrgäste dort, dass er vielleicht auch einer Passagierin gehörte. Mindestens 38 Tote, Dutzende Verletzte. Rettungshubschrauber kreisen über den Orten der Katastrophe, Teile des Verkehrs werden abgeriegelt und umgeleitet, Einsatzfahrzeuge versuchen mit Sirenengeheul, eine Schneise durch die verstopften Straßen zu schlagen. Moskau erlebt wieder einmal einen dieser traurigen Tage, die die Stadt in den vergangenen 15 Jahren schon mehrmals durchmachen musste. Präsident Dmitrij Medwedjew ordnete verschärfte Sicherheitsmaßnahmen an. Hunderte Polizisten kontrollierten verstärkt an den Metrostationen der Hauptstadt, verlangten Ausweise, landesweit wurden die Sicherheitskräfte in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt, an den Zugbahnhöfen, an den Flughäfen. Russland werde den Kampf gegen den Terrorismus ohne Zögern und bis zum Ende durchführen, sagte der Präsident. Und Ministerpräsident Wladimir Putin kündigte an, die Terroristen würden gefangen und vernichtet. Aber nicht einmal das mächtige Führungsduo kann Sicherheit in Russland garantieren.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/doppelanschlag-in-der-u-bahn-moskaus-wunder-punkt-1.2952
Doppelanschlag in der U-Bahn - Moskaus wunder Punkt
00/03/2010
Dichtes Gedränge, Sirengeheul und viel Blut: Eindrücke von der Roten Metrolinie -wenige Stunden nach den Terroranschlägen in Moskau, bei denen mindestens 38 Menschen starben.
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mlsum_de-train-308
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Nach den Selbstmordanschlägen in Moskau hat der russische Präsident Dmitrij Medwedjew einen unerbittlichen Kampf gegen Extremisten angekündigt. Russland werde ohne zu zögern den "Krieg gegen den Terror" fortsetzen, erklärte Medwedjew. Moskaus Bürgermeisters Jurij Luschkow vermutete tschetschenische Separatisten hinter den Anschlägen. Auch der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, ging von einer Verbindung zu Rebellengruppen im Nordkaukasus aus. Zwei Selbstmordattentäterinnen hatten sich am Montagmorgen während des Berufsverkehrs in der Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt und dabei mindestens 38 Menschen in den Tod gerissen, Dutzende wurden verletzt. Bislang hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt. Dennoch vermuten russische Behörden - wie schon bei früheren Anschlägen - Gruppen aus dem Nordkaukasus hinter den Attentaten. Ob 2009 und 2007 bei Anschlägen auf einen Zug des Newski-Expresses, ob 1996 in der Moskauer U-Bahn: Die Täter blieben zwar unentdeckt, verdächtigt aber wurden Tschetschenen. Nicht ganz zu Unrecht: In den russischen Teilrepubliken Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan wird seit Jahren "ein veritabler Krieg" geführt, erklärt Hans-Henning Schröder, Leiter der Forschungsgruppe Russland an der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Aufgrund des Gewaltpotentials der Region liege der Verdacht nahe, dass der Terror daher kommt. Dennoch will Schröder eine weitere mögliche Tätergruppe erwähnt wissen: Auch russische Rechtsextremisten haben in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge verübt. Doch zurück zum Nordkaukasus, der wahrscheinlicheren Herkunft der Terroristinnen. Russland-Forscher Schröder erklärt: "Bei den russischen Teilrepubliken Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan handelt sich um Regionen mit ethnischen und religiösen Spannungen - ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ist muslimisch - und großem Gewaltpotential. Das liegt auch daran, dass Russland von 1994 bis 2009 in Tschetschenien Krieg führte." Diesen Krieg haben die Russen Schröder zufolge "gewonnen", indem sie Klan-Chef Ramsan Kadyrow zum Präsidenten gemacht und ihm freie Hand gegeben haben, seine Gegner entweder zu vernichten oder mit Geld auf seine Seite zu ziehen. "Mit dieser Strategie hat Moskau großen Erfolg gehabt", so der Experte, denn seitdem sei in Tschetschenien die Gewalt deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig hat sich die Sicherheitslage in Dagestan und Inguschetien allerdings dramatisch verschlechtert. Seit 2004 beschränkten sich die Gewaltakte allerdings mehrheitlich auf die Region, weswegen sie international wie auch in Russland nur wenig Beachtung fanden. Immer wieder hatten kaukasische Rebellengruppen daher damit gedroht, den Terror wieder in das russische Zentralland zurückzubringen. Das scheint mit den Bomben vom Montagmorgen nun passiert zu sein.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlaege-in-moskauer-u-bahn-der-hass-ist-gross-1.4313
"Anschläge in Moskauer U-Bahn - ""Der Hass ist groß"""
00/03/2010
Selbstmordattentäterinnen bringen in Moskau Dutzende Menschen um. Die Behörden verdächtigen Rebellen aus dem Unruheherd Kaukasus, wo seit Jahrzehnten kriegsähnlicher Zustand herrscht.
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mlsum_de-train-309
mlsum_de-train-309
Zu arm, zu groß, zu muslimisch: Diese Ängste bedient Merkel zu Hause, wenn sie die Türkei als EU-Vollmitglied ablehnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht am Montag die Türkei. Um türkische Gymnasien in Deutschland wird es nicht vorrangig gehen, sondern ein weiteres Mal um die Zukunft Europas: Ob die Türkei einen Platz darin hat oder nicht; ob die Europäische Union müde und verzagt durch die Welt stapfen möchte. Zu arm, zu groß, zu muslimisch. Die Angst vor der Türkei speist sich aus diesen drei Punkten. Wenn Merkel die Türkei als EU-Vollmitglied ablehnt, wenn sie stattdessen auch in Ankara erneut für eine "privilegierte Partnerschaft" wirbt, dann bedient sie diese Ängste zu Hause. Es ist keine gute Zeit für die türkischen EU-Ambitionen. Fast ist es, als suchten die Europäer zu verstecken, dass sie schon seit mehr als vier Jahren mit der Türkei über einen Beitritt verhandeln. Erweiterungsmüde ist die EU nun schon länger, das Griechenland-Debakel aber dürfte den Gegenwind für die Türken noch einmal anfachen: bloß keine weiteren Wackelkandidaten! Zeit, daran zu erinnern, wie viel es zu gewinnen gäbe. Hohe Wachstumsraten Zu arm? Ja, der Lebensstandard der Türkei liegt noch unter dem EU-Durchschnitt. Aber: Die Türkei holt rasant auf. Seit 2002 hat das Land mit durchschnittlich sieben Prozent weit höhere Wachstumsraten als jedes andere europäische Land. Deutsche Firmen haben das längst gemerkt: Mehr als 4000 von ihnen sind in der Türkei aktiv. Kein anderer Markt in Europa ist so vielversprechend. Zu groß? Ja, die Türkei ist ein großes Land. Gekoppelt mit ihrer geografischen Lage macht sie genau das zu einem wichtigen Land. Es schickt sich an, Regionalmacht zu werden: naher Osten, Kaukasus, Schwarzmeerländer - zu allen Nachbarn möchte man gute Beziehungen, überall möchte man Einfluss ausüben. Das ist neu. Das wirkt manchmal noch dilettantisch; aber hier ist gewaltiges Potential, das sich die EU zunutze machen könnte. Hinzu kommt die Rolle als Energiekorridor: Wer mehr Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen verlangt, für den ist die Türkei der Schlüssel. Zu muslimisch? Das ist wohl der heikelste, nur selten offen ausgesprochene Punkt: Er ist Quelle für den antitürkischen Populismus, der die Wähler in Deutschland wohl noch viele Wahlkämpfe lang begleiten wird. Der Islam steckt dahinter, wenn es in Berlin heißt, die Kanzlerin wolle nicht, dass "der Charakter" der EU sich ändere. Historisches Experiment Dabei hat die EU in mancherlei Hinsicht nichts dringender nötig, als dass sich ihr Charakter ändere. Gerade hier liegt die größte Chance des Bandes zwischen der Türkei und Europa. Gerade die Tatsache, dass die Türken mehrheitlich gläubige Muslime sind, macht den Prozess der Demokratisierung hier so einmalig. Europa wird gerade Zeuge eines historischen Experiments; und die Chancen stehen nicht schlecht, dass hier ein für allemal all jene eines Besseren belehren werden, die da behaupten, Islam und Demokratie, Islam und Rechtsstaat, Islam und Freiheit vertrügen einander so wenig wie Wasser und Öl. Die viel beschworene "soft power" der EU? Hier zeigt sie sich exemplarisch. Die EU darf stolz darauf sein, wie sehr allein ihr Beispiel und ihr Drängen die Türkei schon verändert haben: Der EU-Prozess war lange die Klammer, die die verfeindeten Lager im Land, Türken und Kurden, Muslime und Laizisten zusammengehalten hat. Und wichtiger noch: Die türkische EU-Mitgliedschaft entzöge den Argumenten der Kulturkämpfer und Terrorpropagandisten den Boden, die die Unversöhnlichkeit zwischen Islam und Christentum auf ewig festschreiben wollen. "Weder Privilegien, noch Partnerschaft" Es ist nicht so, dass die Kanzlerin all den Nutzen nicht sehen würde. Sie möchte es aber billig. Deshalb die Idee der "privilegierten Partnerschaft", die die Türken brüskiert. Sie ist keine Ein-, sie ist eine Ausladung: Die Türken sollen kooperieren bei Handel, Immigration und Energie - gleichzeitig aber weiterhin von allen Entscheidungsmechanismen ferngehalten werden. Die Türkei ist aber schon jetzt in einer Zollunion mit der EU, sie ist Mitglied des Europarats und ihre Fußballer spielen in der Champions League. Merkels Idee brächte den Türken kaum Neues, "weder Privilegien, noch Partnerschaft", wie eine Zeitung titelte. Die Türken halten Merkel zugute, dass sie die türkischen Ambitionen nie offen zu sabotieren suchte. Offiziell hält sich die Kanzlerin an das Prinzip "pacta sunt servanda", im Koalitionsvertrag mit der FDP steht, die 2005 begonnenen Verhandlungen der EU mit der Türkei würden "ergebnisoffen" weitergeführt. Und das wird noch dauern. Türkeigegner suggerieren oft, ein Beitritt des Landes stünde morgen schon bevor. Das ist Unsinn; es kann noch ein Jahrzehnt dauern und mehr. Bis dahin aber werden die Türkei und die EU eine andere sein; und die Welt dazu. Nicht ausgeschlossen, dass die EU dann den Willen findet, die Geschicke des Jahrhunderts mitzugestalten. Dass sie bei künftigen Klimagipfeln, Finanz- oder Energiekrisen den großen Blöcken China, Russland, USA eigenes Gewicht entgegensetzen möchte. Und dass sie dann dankbar ist, den Verbündeten Türkei in ihren Reihen zu haben. Bis dahin wäre mehr Ehrlichkeit wünschenswert in der Debatte über Arbeitsplätze, Immigration oder den Islam. Die Ängste in Europa sind real. Aber die Türkei ist der falsche Sündenbock.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kanzlerin-in-ankara-merkel-und-die-angst-vor-der-tuerkei-1.2015
Kanzlerin in Ankara - Merkel und die Angst vor der Türkei
00/03/2010
Zu arm, zu groß, zu muslimisch: Diese Ängste bedient Merkel zu Hause, wenn sie die Türkei als EU-Vollmitglied ablehnt.
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Sie zündeten ihre Sprengsätze im Berufsverkehr: Zwei Selbstmordattentäterinnen haben sich an zwei Haltestellen der Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt. Sie gehören vermutlich zu einer islamistischen Separatistenbewegung. Bei zwei Selbstmordattentaten in der Moskauer U-Bahn sind am Montagmorgen Dutzende Menschen getötet worden. Zuerst ereignete sich eine Explosion in der Station Lubjanka mitten in der Innenstadt. Unmittelbar über der Haltestelle Lubjanka liegt das Hauptquartier des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB. Nur wenig später gab es eine weitere Detonation an der Haltestelle Park Kultury. Inzwischen haben Sicherheitskräfte an dieser Haltestelle eine weitere scharfe Sprengladung entdeckt: Ein nicht detonierter Sprengstoffgürteil sei entschärft worden, meldete die Staatsagentur Ria Nowosti. Die Explosionen ereigneten sich mitten im Berufsverkehr. Die Moskauer Metro wird täglich von etwa sieben Millionen Menschen genutzt. Passagiere rannten nach den Detonationen weinend und in Panik aus den Bahnhöfen auf die Straßen. "So leben wir!", rief ein aufgelöster Mann immer wieder. Die Sprengstoffanschläge hatten eine Wucht von drei beziehungsweise 1,5 Kilogramm TNT und erfolgten im Abstand von weniger als einer Stunde: der erste um 7:56 Uhr Ortszeit (5:56 Uhr MESZ), der zweite 44 Minuten später. Das russische Zivilschutzministerium sprach von 38 Toten und Dutzenden Verletzen. Zwei Attentäterinnen mit Sprengstoffgürteln Nach ersten Ermittlungen sind die Explosionen auf Selbstmordanschläge zurückzuführen. Der Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow sagte, zwei Attentäterinnen hätten sich in die Luft gesprengt. Nach Angaben des leitenden Staatsanwalts Jurij Sjomin trugen die beiden Frauen Sprengstoffgürtel. Die zweite Selbstmordattentäterin habe einen Gürtel mit Plastiksprengstoff gezündet, als sich die Türen des Zuges an der Haltestelle Park Kultury öffneten, sagte Wladimir Markin, ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Auch die erste Attentäterin habe sich in einem vollbesetzten Zug in die Luft gesprengt. Es wird vermutet, dass es sich bei den Attentäterinnen um sogenannte "Schwarze Witwen" handeln könnte. Die Frauen agieren im Auftrag von extremistischen Bewegungen und sind in der Regel schwarz gekleidet. Schwarzen Witwen haben seit dem russischen Einmarsch in die Kaukasusrepublik Tschetschenien 1999 bereits mehrere schwere Anschläge verübt. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew kündigte nach den erneuten Anschlägen auf das Moskauer U-Bahnnetz an, Russland werde den Kampf gegen den Terrorismus "ohne Zögern und bis zum Ende" fortführen. Bei einer Krisensitzung in Moskau sagte er: "Wir werden unsere Operationen gegen die Terroristen ohne Kompromisse und bis zum Ende führen." Regierungschef Wladimir Putin drohte den mutmaßlichen Hintermännern mit dem Tod. Die "Terroristen" würden "gefangen und vernichtet", sagte Putin laut russischen Nachrichtenagenturen. Medwedjew forderte, die Wachsamkeit überall im Land zu erhöhen. Offenbar seien die bisherigen Vorkehrungen unzureichend gewesen, sagte der Kremlchef weiter. Auf allen Transportstrecken und auf den Flughäfen der russischen Hauptstadt wurden die Einsatzkräfte am Montag in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. In der Vergangenheit hatte die russische Staatsführung Terroranschläge im Land immer wieder als Begründung für eine härtere Politik herangezogen. Die EU sicherte Russland nach den Anschlägen Unterstützung zu. "Die EU steht entschlossen den russischen Behörden bei deren Bemühungen zur Seite, Terrorismus in jeglicher Form zu begegnen", erklärte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel laut seiner Sprecherin. "Wir können es nicht erlauben, dass Gewalt gegenüber Freiheit und Demokratie die Oberhand gewinnt", erklärte Barroso. Er habe dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew und Regierungschef Wladimir Putin seine Solidarität versichert. Zuletzt hatten islamistische Terroristen aus der Konfliktregion im Nordkaukasus immer wieder damit gedroht, im ganzen Land Anschläge zu verüben. Nach Angaben von Ermittlern tragen die Anschläge auf die Metro die Handschrift der Islamisten. Es waren die ersten Anschläge im Moskauer Nahverkehr seit sechs Jahren. Zuletzt sprengte sich 2004 ein Selbstmordattentäter in der U-Bahn in die Luft und riss 41 Fahrgäste mit in den Tod. 250 Menschen wurden verletzt. Bei dem Täter handelte es sich damals um einen Untergrundkämpfer aus dem Nordkaukasus. Racheakt islamistischer Separatisten? Im November vergangenen Jahres kamen bei einem Anschlag auf den Schnellzug Newski Express zwischen Moskau und St. Petersburg 26 Menschen ums Leben. Etwa 100 weitere wurden verletzt. Tage später bekannten sich islamistische Extremisten zu der Tat und kündigten einen "Sabotagekrieg" gegen die "blutige Besatzungspolitik" der russischen Regierung im Kaukasus an. Experten in Moskau vermuten, dass es sich bei dem neuen Anschlag um einen Racheakt islamistischer Separatisten handeln könnte. Diese kämpfen für ein von Moskau unabhängiges Kaukasus-Emirat. Russische Sicherheitskräfte hatten in der Konfliktregion, in der auch das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien liegt, zuletzt Dutzende Rebellen getötet. Die Einsätze gegen die Untergrundkämpfer werden maßgeblich auch vom Geheimdienst FSB gesteuert. Der russische Präsident Dmitrij Medwedjew hatte angesichts einer Vielzahl von Anschlägen in den vergangenen Jahren eine verstärkte "Jagd" auf die Banditen, wie sie offiziell genannt werden, gefordert. Unterdessen äußerte sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erschüttert über die Anschläge auf die Moskauer U-Bahn. "Das ist ein schreckliches Ereignis", sagte sie am Montag am Rande ihrer Türkei-Reise in Ankara. Sie habe dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew ihr tiefes Bedauern übermittelt und hoffe, dass die Anschläge mit mehreren Dutzend Toten schnell aufgeklärt werden können. Die Verbrechen seien ein Rückschlag für die russischen Bemühungen um Sicherheit, sagte Merkel. "Es ist erschütternd, dass solche Anschläge mitten in Moskau möglich waren." Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, es gebe aktuell keine Hinweise auf deutsche Opfer. "Ich gehe zur Stunde davon aus, dass keine Deutschen unter den Opfern sind", sagte Westerwelle in Berlin. "Diese Anschläge in Moskau sind verabscheuungswürdig und durch nichts zu rechtfertigen", so der Minister.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/doppelanschlag-auf-u-bahn-blutiger-terror-in-moskau-1.14138
Doppelanschlag auf U-Bahn - Blutiger Terror in Moskau
00/03/2010
Sie zündeten ihre Sprengsätze im Berufsverkehr: Zwei Selbstmordattentäterinnen haben sich an zwei Haltestellen der Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt. Sie gehören vermutlich zu einer islamistischen Separatistenbewegung.
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Angela Merkel besucht die Türkei - mit einer "privilegierten Partnerschaft" im Gepäck, einem Begriff, der viele Türken brüskiert. Doch ist dies nicht die einzige Konfliktlinie: Welche heiklen Themen die Kanzlerin außerdem erwarten. Ein Überblick. Im Vorfeld von Merkels zweitägiger Türkeireise hat vor allem die Diskussion um türkische Gymnasien in Deutschland Aufsehen erregt. Denn Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit gefragt: "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien - warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?" Erdogan begründete seinen Vorstoß mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler Türken in Deutschland. "Hier hat Deutschland noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt." Dafür hagelte es prompte Kritik von allen Seiten - auch Bundeskanzlerin Merkel machte klar, dass sie von dieser Idee nicht viel hält. Deshalb legte Erdogan kurz vor Merkels Besuch noch mal nach: "Warum dieser Hass gegen die Türkei? Ich verstehe es nicht", sagte er am Wochenende zu türkischen Journalisten. "Das hätte ich von der Bundeskanzlerin Merkel nicht erwartet. Ist die Türkei ein Prügelknabe?" Naben zahlreichen Politikern hatten sich auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen in dieser Debatte zu Wort gemeldet: Im Bild: ein türkisches Mädchen im Türkischunterricht an der Albert-Schweitzer-Schule in Hannover; Foto: dpa
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-merkel-trifft-erdogan-warum-dieser-hass-1.4743
"Türkei: Merkel trifft Erdogan - ""Warum dieser Hass?"""
00/03/2010
Kurz vor Merkels Besuch in Ankara hat Premier Erdogan die Kanzlerin attackiert - im Streit um türkische Gymnasien. Doch dies ist nicht das einzige heikle Thema des Treffens: Ein Überblick in Bildern.
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Grausames Massaker im Kongo Im Nordosten Kongos haben ugandische Rebellen ein schweres Massaker verübt. Wie erst jetzt bekannt wurde, kamen bei dem Blutbad im Dezember mindestens 321 Dorfbewohner ums Leben, viele weitere wurden entführt oder verstümmelt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach an diesem Samstag von einem der schlimmsten Verbrechen, das die "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) in ihrer 23-jährigen Geschichte begangen habe. Der Angriff der Rebellen in der Region Makombo dauerte nach Erkenntnissen von Human Rights Watch vier Tage, vom 14. bis 17. Dezember. Die LRA-Kämpfer hätten mindestens zehn Dörfer in der Gegend heimgesucht, die Männer gefesselt oder an Bäume gebunden und sie mit Macheten oder Äxten erschlagen. Ein dreijähriges Mädchen sei bei lebendigem Leib verbrannt worden, heißt es in dem Bericht, der sich auf die Aussagen von Augenzeugen stützt. Etwa 250 Frauen und Kinder wurden entführt und zu einem fast 100 Kilometer langen Gewaltmarsch in die Ortschaft Tapili im Norden des Landes gezwungen. Wer zu langsam war, den töteten die Rebellen. Sie zwangen Kinder, andere Kinder zu erschlagen, die sich den Befehlen widersetzt hatten. Andere Opfer wurden verstümmelt und zur Abschreckung in ihre Dörfer zurückgeschickt. In einem von Human Rights Watch dokumentierten Fall schnitten die LRA-Kämpfer sechs Menschen die Lippen und jeweils ein Ohr ab - als Drohung, "dass jeder, der von der LRA hört oder über sie spricht, auf diese Weise bestraft wird". Warum Bundesverteidigungsminister Guttenberg die FDP warnt und der Lobby-Skandal in Großbritannien immer weitere Kreise zieht: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-grausames-massaker-im-kongo-aufgedeckt-1.16830
Grausames Massaker im Kongo aufgedeckt
00/03/2010
Ugandische Rebellen haben im Nordosten Kongos mindestens 321 Menschen getötet. Das Massaker soll im Dezember verübt worden sein. Kurzmeldungen im Überblick.
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Neue Rolle in der EU: Die Kanzlerin gibt die Politik Helmut Kohls auf und wird in Deutschland gar als Erbin Bismarcks gefeiert. Ist das im Sinne der europäischen Integration? Joschka Fischer (Bündnis 90/Grüne), 61, war Bundesaußenminister von 1998 bis 2005. Er schreibt exklusiv für Project Syndicate und die Süddeutsche Zeitung. Der EU-Gipfel hat einen typisch europäischen Kompromiss zur Krise in Griechenland hervorgebracht, der nicht "Lösung" heißen darf, sondern sich hinter einem "Mechanismus" verbergen muss. Ob er funktioniert, werden wir im April wissen, wenn das Land sich erneut refinanzieren muss. Die Bundeskanzlerin bekam die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für den Fall, dass für Griechenland gezahlt werden muss. Die endgültige Entscheidung darüber bleibt an die Einstimmigkeit in den europäischen Gremien gebunden - und damit unter deutscher Kontrolle. Frankreichs Präsident Sarkozy setzte durch, dass Griechenland im Bedarfsfalle ("Ultima Ratio") doch von den Partnern herausgekauft wird. Für Deutschland hieße dies: bis zu vier Milliarden Euro, und, horribile dictu, das faktische Ende jenes Artikels 125 im Lissabon-Vertrag, der es EU-Ländern verbietet, für die Schulden eines anderen Euro-Landes zu haften oder einzuspringen. Daran ändert auch nichts, dass jetzt viel Wortakrobatik darauf verwendet wird, die Vertragskonformität dieser Entscheidung zu begründen. Darüber hinaus erhielt Sarkozy die verstärkte Wirtschaftskoordination im Europäischen Rat. Der Ausschluss von Vertragssündern ist vom Tisch. Der Kompromiss unterscheidet sich nur durch die IWF-Beteiligung Tatsächlich unterscheidet sich der Beschluss des Europäischen Rats von dem bereits zuvor erreichten Kompromiss im Wesentlichen nur durch die Beteiligung des IWF. Wenn Deutschland den IWF brauchte, wegen seines Bundesverfassungsgerichts und damit die Vertreter der Bundesregierung innenpolitisch das Gesicht wahren konnten - dann stellt sich aber umso mehr die Frage, warum Berlin dafür ein solch einmaliges europapolitisches Desaster anrichten musste? Denn in der Sache könnten mit diesem Kompromiss eigentlich alle Beteiligten leben - wenn, ja wenn nicht jene dramatische Konfrontation gewesen wäre, die diesem Kompromiss voranging. Bis vor kurzem wurde Angela Merkel noch als "Mrs. Europa" gefeiert, heute scheint aber "Frau Germania" zutreffender zu sein. Diese europäische Konfrontation (ein Schelm, der dabei an kommende Wahlen in Deutschland denkt!) hat die EU aber über den Tag hinaus verändert. In den deutschen Medien wird die Kanzlerin als Eiserne Lady wie Thatcher oder gar als Eiserne Kanzlerin wie Bismarck gefeiert. Man kann sich nur an den Kopf greifen über den Verfall des historischen Bewusstseins in unserem Land, denn weder waren Margret Thatcher noch Otto von Bismarck bisher Leitbilder deutscher Europapolitik, und zwar aus zwingenden Gründen! Beide hatten mit der Integration Europas nicht allzu viel oder gar nichts im Sinne. Deutschland verfolgt zunehmend seine engeren Interessen Wie man hierzulande gar auf Bismarck kommen kann, wenn man Europa und damit die deutsch-französische Zusammenarbeit will, bleibt das Geheimnis des deutschen Boulevards. Man könnte dies alles als die üblichen Überzeichnungen abtun, wenn die innenpolitische Reaktion in Deutschland nicht ziemlich genau einem schon seit längerem feststellbaren Trend entspräche: nämlich, dass sich Deutschland aus der Rolle des Motors der europäischen Integration zurückzieht und zunehmend seine engeren nationalen Interessen verfolgt. "Andere tun dies doch auch", lautet darauf die immer lauter werdende Antwort. Dies ist richtig, aber Deutschland ist eben nicht wie die "anderen". Sondern es hat wegen seiner kritischen Größe, seiner Lage und Geschichte eine sehr spezifische Rolle in diesem zwischen nationalen und europäischen Interessen eingeklemmten Gebilde namens EU zu spielen. Wenn Deutschland als Integrationsmotor ausfällt, dann war es das mit der europäischen Integration. Und wenn Deutschland seine engeren nationalen Interessen nicht mehr europäisiert, sondern sie verfolgt wie andere auch, dann wird dies zu einer Renationalisierung innerhalb der EU führen. Die Formel lautete früher: Deutschland gibt und gewinnt Deutschland war bisher immer der Motor der europäischen Integration gewesen, weil die seinen politischen und wirtschaftlichen Interessen entsprach. Zwei Drittel unserer Exporte gehen in die EU, 50 Prozent davon in den Euroraum. Die Formel hieß immer: Deutschland gibt, weil es dadurch gewinnt. Nun aber geht es anders herum. Die Konsequenzen sind absehbar: Die EU wird sich von einem Staatenverbund, der sich Schritt für Schritt weiter integriert und das Ziel eines starken Europas verfolgt, zu einem schwachen Staatenbund zurückentwickeln, der von widerstreitenden nationalen Interessen dominiert wird. Das ist das britische Europakonzept, und auch das Bundesverfassungsgericht wird diese Entwicklung wohl freuen. Diese Wende in der deutschen Europapolitik aber zu einem politischen Geniestreich zu erklären, um den Euro oder gar das europäische Lebenswerk Helmut Kohls zu retten - das ist nicht von dieser Welt, sondern einfach nur noch daneben. Was diese Entwicklung in einem sich dramatisch schnell verändernden internationalen Umfeld mit völlig neuen Akteuren und Dimensionen für die Zukunft der Europäer bedeutet, malt man sich besser nicht aus. Reich, alt und schwach zu sein, verheißt keine gute Perspektive für Europa in der Welt des 21. Jahrhunderts. Warum man sich angesichts dieser Entwicklung überhaupt noch all die Mühe mit dem Lissabon-Vertrag gemacht hat, wird immer unverständlicher, denn für einen Staatenbund ist dieser Vertrag so unnötig wie ein Kropf. Eine deutsch-französische Entfremdung wird die EU schwächen Tatsächlich geht es bei alldem nicht nur um Griechenland, sondern um einen massiven deutsch-französischen Gegensatz, der das latente Misstrauen zwischen den beiden Partnern voll hat ausbrechen lassen und die Gefahr einer dauerhaften Entfremdung in sich trägt. Aus Sicht Berlins will Frankreich nur seine Haushalts- und Verschuldungsprobleme zu Lasten Deutschlands lösen und somit zugleich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit schwächen. Paris hingegen fürchtet, dass die Deutschen mit ihrer Stabilitätsorientierung Frankreich im Euroraum endgültig in die Ecke drängen und wirtschaftlich abhängen wollen. Auch diese anhaltende Entfremdung wird zur Schwächung der EU beitragen. Am kommenden Samstag wird Helmut Kohl, der Ehrenbürger Europas und Kanzler der deutschen Einheit, seinen 80. Geburtstag begehen. Und dann werden sicher wieder viele schöne Reden auf Europa und diesen großen Europäer gehalten werden, die man aber angesichts der trostlosen Lage besser sofort wieder vergisst.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-und-europa-frau-germania-1.10508
Merkel und Europa - Frau Germania
00/03/2010
Neue Rolle in der EU: Die Kanzlerin gibt die Politik Helmut Kohls auf und wird in Deutschland gar als Erbin Bismarcks gefeiert. Ist das im Sinne der europäischen Integration?
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Nein, er bereut nichts. Als Michael Wolski, 61, das Landgericht Darmstadt als verurteilter Steuerhinterzieher verlässt, zeugt seine Miene von Uneinsichtigkeit und Selbstmitleid. Gerade hat ihn der Vorsitzende Richter der 9. Strafkammer, Rainer Buss, anderthalb Stunden lang in harten Worten als notorischen Steuerstraftäter charakterisiert, der mit gefälschten Dokumenten gearbeitet und im Prozess "einen ganzen Parcours von Nebelkerzen" gesteckt habe. Doch der hochgewachsene Anwalt mit dem fahlen Gesichtsausdruck fühlt sich als Opfer. Genauso wie offenkundig seine Ehefrau, die wenige Stunden später ihren Rücktritt als eine der ranghöchsten Richterinnen Hessens erklärt. Karin Wolski, 59, ist bis dahin Mitglied im Staatsgerichtshof von Hessen gewesen. Nun beklagt sie "diffamierende Vorwürfe" gegen ihre Person. "Die vergangenen sechs Monate waren für mich die schwerste Zeit meines Lebens", klagt sie. Ihr hohes Richteramt gebe sie "mit erhobenem Haupt auf und in dem Wissen, mein Amt entsprechend meinem Amtseid gerecht verwaltet und die Verfassung getreulich gewahrt zu haben". Mehr Pathos geht kaum. Dabei hat Karin Wolski nach Auffassung des Gerichts massiv davon profitiert, dass ihr Mann sich die mehr als 25 Jahre ältere, reiche Geschäftsfrau Margit C. gefügig gemacht, ihr Vermögen um Unsummen geplündert und dabei 1,1 Millionen Euro Steuern hinterzogen hat. Die ganze Familie Wolski lebte ein Stück weit von der Großzügigkeit der verliebten 86-Jährigen. Auf die Richterin waren Luxusautos und die Hälfte einer Ferienwohnung auf Mallorca eingetragen - bezahlt von Margit C. Je länger der Prozess gegen Michael Wolski dauerte, desto lauter wurden daher die Forderungen nach dem Rücktritt seiner Frau, der Verfassungsrichterin. Vor allem als klar wurde, dass die Wolskis über Jahre keine Steuererklärungen abgegeben hatten. Am Freitag wurde Michael Wolski zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Der Prozess hat nun ein landespolitisches Nachspiel. Mit dem Darmstädter Urteil im Rücken greift die Opposition an. Eine "skandalöse Zurückhaltung von Finanz- und Justizbehörden gegenüber dem Ehepaar Wolski", kritisierte der Grünen-Parlamentarier Andreas Jürgens. Und die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Heike Hofmann, sieht das Vorgehen der Finanzverwaltung "zumindest in der Nähe der Strafvereitelung". Hofmann saß als Zuhörerin im Gerichtssaal, als Richter Buss die Vermutung "völlig abwegig" nannte, jemand ganz oben im Staate Hessen halte aus Rücksicht auf die in der CDU bestens vernetzte Richterin seine schützende Hand über deren Familie. Vielmehr ist nach Ansicht des Gerichtes der Zustand der hessischen Finanzbehörden verheerend. Jahrelang fragte kein Finanzbeamter die Wolskis nach den fehlenden Steuererklärungen. Buss verwies auf überforderte Finanzbeamte im Zeugenstand. Nicht die Fallzahlen in den Behörden seien zu hoch, sondern deren personelle Ausstattung mangelhaft. Finanzbeamte seien so schlecht ausgebildet, dass sie mutmaßlichen Steuerstraftätern zu Selbstanzeigen rieten, anstatt sie, wie es das Gesetz verlangt, strafrechtlich zu verfolgen. Diese Vorwürfe treffen frontal einen der seit Jahrzehnten engsten Weggefährten von Ministerpräsident Roland Koch: Finanzminister Karlheinz Weimar. Seit Kochs Amtsübernahme 1999 ist der CDU-Politiker auf diesem Posten. Der Fall Wolski "ist nicht gut gelaufen", räumte Weimar Ende Januar im Landtag genervt ein, "da ist in Teilen nicht gut gearbeitet worden." Seine Hoffnung, damit die politische Diskussion um den Fall Wolski zu beenden, erfüllte sich nicht. Im Prozess hagelte es von allen Seiten Ohrfeigen gegen die Finanzbehörden. Ermittler und Verteidiger waren sich ausnahmsweise einig, dass deren Arbeit Wolskis Straftaten erleichtert habe. Es ist nicht das erste Mal, dass Minister Weimar wegen des Zustands seiner Finanzverwaltung unter Beschuss gerät: Mehr dazu lesen Sie auf der nächsten Seite.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fall-wolski-richterin-gibt-auf-diffamierende-vorwuerfe-1.4073
"Fall Wolski: Richterin gibt auf - ""Diffamierende Vorwürfe"""
00/03/2010
Die hessische Verfassungsrichterin Karin Wolski tritt nach der Verurteilung ihres Ehemannes wegen Steuerhinterziehung zurück. Doch ihrer Familie droht weiteres Ungemach.
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Die CDU denkt gar nicht daran, dem Altkanzler den Ehrenvorsitz der Partei zurückzugeben. Zu sehr erinnern seine schwarzen Kassen an die Sponsoring-Affäre der NRW-CDU - mitten im Wahlkampf. Der Wille zu einer Art Versöhnung ist groß, jedenfalls bei vielen der Medien, die Helmut Kohl über Jahrzehnte nicht geschont haben. Und der Wille wird immer größer, je näher Kohls 80. Geburtstag am 3. April rückt. Die selbstkritische Reflexion über den Umgang mit Kohl findet allerdings einseitig statt - Altersmilde andersrum. Von Kohl gibt es kein Signal, dass er seine Ruppigkeit gegenüber der Presse und seine Unverschämtheiten gegenüber einzelnen Journalisten auch nur als solche verstehen würde. In dieser allgemeinen Stimmung, Kohl irgendwie doch in guter Erinnerung behalten zu wollen, fällt schon auf, wie zurückhaltend ausgerechnet die CDU mit ihrem Kanzler der Einheit und Parteichef der schwarzen Kassen umgeht. Nur die Senioren-Union und die Mittelstands-Vereinigung haben vorgeschlagen, Kohl den Ehrenvorsitz wieder anzutragen. Die Resonanz auf diese Idee kann man nicht gerade als Massenbewegung bezeichnen. Christian Wulff, Parteivize und niedersächsischer Ministerpräsident, einer der wenigen, die sich überhaupt äußern, erinnerte jetzt daran, dass Kohl auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre den Ehrenvorsitz selbst niedergelegt habe. Dabei sollte es bleiben, so Wulff ziemlich kühl, zumal der Partei dadurch materiell schwerer Schaden entstanden sei. Hinzu kommt, dass Kohl bis heute die Herkunft von Spenden verschweigt. Rechtsbrecher verdienen andere Ehren. Parteichefin Angela Merkel hat die Frage nach dem Ehrenvorsitz für Kohl zu einer Frage erklärt, die sich nicht mehr stelle. Merkels Verhältnis zu Kohl ist rein funktional: So viel Dankbarkeit wie nötig, so viel Distanz wie möglich. Der Abgrenzung zu ihrem Förderer verdankte sie einen entscheidenden Schritt in ihrer Karriere. Dem Harmoniebedürfnis der eigenen Leute gab sie später nach, indem sie Kohl ins Kanzleramt einlud. Im Wahlkampf 2009 ließ sie sich auf der Terrasse von Kohls Wohnhaus Mozzarella mit Tomaten und Streuselkuchen servieren und anschließend mit dem Altkanzler fotografieren - eiskalt kalkuliert zur Mobilisierung konservativer Wähler. Einen ähnlichen Effekt könnte sich die CDU von der offiziellen Geburtstagsfeier für Kohl erhoffen - vier Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Dann wird wieder der Kanzler der Einheit im Mittelpunkt stehen. Die Debatte um den Ehrenvorsitz wird die CDU-Spitze nicht aufkochen lassen wollen. Schon jetzt sind die Parallelen, die der politische Gegner zwischen der Bimbes-Tradition Kohls und den Sponsoring-Praktiken der nordrhein-westfälischen Christdemokraten zieht, politisch wenig vorteilhaft. Gemessen am CDU-Übervater betreibt die Rüttgers-Truppe ihre Geldsammelaktivitäten indes eher verklemmt: Kohl, so berichten seine Biographen Hans-Joachim Noack und Wolfram Bickerich, nahm schon im rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampf 1959 bei einer Veranstaltung mit Kanzler Adenauer von den 10.000 Besuchern Eintrittsgeld für die Parteikasse.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/helmut-kohl-und-der-cdu-ehrenvorsitz-ehre-wem-ehre-gebuehrt-1.15675
Helmut Kohl und der CDU-Ehrenvorsitz - Ehre, wem Ehre gebührt
00/03/2010
Die CDU denkt gar nicht daran, dem Altkanzler den Ehrenvorsitz der Partei zurückzugeben. Zu sehr erinnern seine schwarzen Kassen an die Sponsoring-Affäre der NRW-CDU - mitten im Wahlkampf.
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US-Präsident Obama macht einen überraschenden Blitzbesuch in Kabul - und drängt den afghanischen Kollegen Karsai zu mehr Einsatz im Kampf gegen die Korruption. Präsident Barack Obama erhöht den Druck auf den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, die Korruption und den Handel mit Heroin zu bekämpfen. Bei einem völlig überraschenden Blitzbesuch in Kabul forderte Obama zudem von Karsai, er solle in seiner Regierung keine Provinzfürsten oder Warlords dulden, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Nach dem Gespräch lobte Obama jüngste militärische Erfolge der US-Truppen und sagte: "Wir müssen aber auch Fortschritte an der zivilen Front machen." Nur so könne das Land zu mehr Sicherheit und Wohlstand gelangen. Das Gespräch dauerte 30 Minuten; ein Washingtoner Regierungsbeamter nannte es "sehr produktiv". Obama lud Karsai für den 12. Mai nach Washington ein. Obama traf während seines nur wenige Stunden dauernden ersten Besuch als US-Präsident in der Nacht zum Montag zudem mit mehr als 2000 der inzwischen mehr als 100.000 US-Soldaten zusammen, die am Hindukusch aufständische Taliban bekämpfen. "Wir werden unseren Job erledigen", rief er den Soldaten zu, sagte aber auch, dass es Rückschläge geben könne. In seiner 15-monatigen Amtszeit hat der Demokrat die Zahl der in Afghanistan mit der Nato kämpfenden US-Soldaten verdreifacht. Allein im Januar und Februar dieses Jahres waren 57 US-Soldaten gefallen, doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Aus Sicherheitsgründen hatte Washington die Reise bis zuletzt geheim gehalten. Nach einer Zwischenlandung auf dem US-Stützpunkt Bagram war Obama per Hubschrauber direkt zum Amtssitz Karsais geflogen. Jim Jones, der nationale Sicherheitsberater Obamas, erklärte, die beiden Präsidenten suchten nach "einer gemeinsamen Wellenlänge". Im Umfeld der afghanischen Wahlen war es zu erheblichen Verstimmungen zwischen Karsai und der US-Regierung gekommen. Botschafter Karl Eikenberry hatte in vertraulichen Memos sogar gewarnt, auch mehr US-Soldaten könnten im Land wenig ausrichten, falls Karsai weiterhin eine korrupte Regierung ohne Vertrauen im Volk führe. Der afghanische Präsident bedankte sich nun "beim amerikanischen Volk für die Hilfe, die Amerika uns in den vergangenen Jahren gegeben hat." Obama traf auch mit Nato-Kommandeur Stanley McChrystal zusammen. Er informierte sich über die alliierte Offensive im hart umkämpften Südosten des Landes. Beobachter erwarteten, dass McChrystal den Präsidenten über seine Pläne informieren wird, die Taliban aus ihrer bisherigen Hochburg in Kandahar zu vertreiben. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hielt sich in Kabul auf. Er informierte sich dort über die Polizeiausbildung und traf McChrystal und seinen afghanischen Kollegen Mohammed Hanif Atmar. Mit Blick auf die Polizeiausbildung sagte er, wichtig sei es, den deutschen Beitrag, den der Polizeimission Eupol, den der USA und der internationalen Gemeinschaft "zu intensivieren und zu koordinieren". Dann sei er optimistisch, dass in Afghanistan noch Erfolgsgeschichte geschrieben werde.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-obama-macht-druck-1.18550
Afghanistan - Obama macht Druck
00/03/2010
US-Präsident Obama macht einen überraschenden Blitzbesuch in Kabul - und drängt den afghanischen Kollegen Karsai zu mehr Einsatz im Kampf gegen die Korruption.
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Deutschland verhandelt erneut mit den USA über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen. Es ist Zeit, ein Zeichen der Solidarität zu senden, denn es geht auch um Berlins Glaubwürdigkeit. Als die USA befreundete Staaten vergangenes Jahr ersuchten, unschuldige Häftlinge aus dem Gefangenenlager Guantanamo aufzunehmen, erhielten sie aus Deutschland einen Korb. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble führte Sicherheitssorgen zur Begründung an, im Kern aber war die deutsche Argumentation simpler: Deutschland nimmt keine Häftlinge auf, weil es das nicht muss. In der Tat hatten die USA keinen Anspruch auf Hilfe, sie baten um einen Freundschaftsdienst. Er wurde ihnen verweigert. Zwischenzeitlich haben fast 40 Staaten ihre Grenzen für Gefangene aus Guantanamo geöffnet. Es sind Staaten darunter, die sich Vorteile davon erhoffen, dem mächtigen Partner einen Gefallen zu tun. Georgien etwa, dessen Image seit dem Krieg mit Russland stark gelitten hat, nahm zuletzt drei Häftlinge auf. Zu den Aufnahmebereiten zählen aber auch etliche europäische Länder. Für sie geht es nicht um wirtschaftlichen oder politischen Gewinn, sondern um Glaubwürdigkeit. Zu den schärfsten Kritikern des vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush rechtswidrig installierten karibischen Kerkers hatten die Staaten der Europäischen Union gehört. Folglich waren und sind sie angesprochen, wenn dessen Nachfolger Barack Obama um Hilfe bei den Aufräumarbeiten bittet. Monate nach der Bundestagswahl ist die Zeit nun auch in Berlin gekommen, ein verspätetes Zeichen der Solidarität zu senden. Verhandelt wird über die Aufnahme einzelner gründlich überprüfter Gefangener. Eine Garantie, dass sie sich nach Jahren im Lager zu mustergültigen Mitbürgern mausern, gibt es nicht. Ein Freundschaftsdienst, der dem Erbringer nichts abverlangt, ist keiner.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aufnahme-von-guantanamo-haeftlingen-verspaetetes-zeichen-1.7479
Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen - Verspätetes Zeichen
00/03/2010
Deutschland verhandelt erneut mit den USA über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen. Es ist Zeit, ein Zeichen der Solidarität zu senden, denn es geht auch um Berlins Glaubwürdigkeit.
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Kurz vor ihrer Ankara-Reise pocht Angela Merkel auf eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Türken. Dazu gehöre, dass "die deutsche Sprache erlernt wird". Integration, die Schule machen soll: In ihrer wöchentlichen Video-Botschaft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Forderung nach einer besseren Integration der in Deutschland lebenden Türken noch einmal bekräftigt. "Wir wollen, dass sich Menschen, die über viele Generationen bei uns leben, in dieses Land integrieren", sagte Merkel in ihrem Podcast. Dabei gehe es nicht um "Assimilation oder die Aufgabe der eigenen Heimat". Es bedeute vielmehr Teilhabe am gesellschaftlichen Erfolg sowie am Arbeits- und Familienleben. "Das bedeutet natürlich, dass die deutsche Sprache erlernt wird und die deutschen Gesetze eingehalten werden", sagte Merkel. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan war zuvor mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland auf breite Ablehnung bei Politikern, Lehrern und türkischstämmigen Deutschen gestoßen. Dazu hatte sich Merkel bereits klar positioniert: Der Passauer Neuen Presse sagte sie: "Das führt aus meiner Sicht nicht weiter, denn grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen." Und weiter: Sie "halte nichts von der Vorstellung, dass alle türkischen Schüler hier auf ein türkisches Gymnasium gehen sollen". Erdogan hatte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit angeregt, türkischstämmige Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien - warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?", fragte er in dem Beitrag. Erdogan begründete seine Forderung mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler der drei Millionen Türken in Deutschland begründet: "Hier hat Deutschland noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt. Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch - und das ist leider selten der Fall." Diese Forderung sorgt in Deutschland weiter für Diskussionsstoff: Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auch SPD-Chef Sigmar Gabriel den Vorstoß zurückgewiesen. Gabriel sagte dem Deutschlandfunk, er könne sich "im Ernst nicht vorstellen, dass wir türkische Gymnasien möglichst noch mit Regierungsauftrag aus der Türkei bei uns aufbauen". Aber: "Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass Türkisch als zweite oder dritte Fremdsprache mehr in Deutschland unterrichtet wird, als das zurzeit der Fall ist." Weil Deutschland immer engere Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei habe, würden die Sprachkenntnisse wichtiger. "Da haben die jungen Leute, die türkische Eltern haben, richtig was zu bieten", sagte Gabriel. Grünen-Chef Cem Özdemir ist empört über die jüngste Türkei-Debatte in Deutschland. "Offensichtlich gibt es eine Allergie gegen alles, was mit der Türkei und der türkischen Sprache zu tun hat", sagte Özdemir der Süddeutschen Zeitung. "Es entsteht fast der Eindruck, Türkisch sei eine Sprache von Aussätzigen", kritisierte Özdemir. Das führe zu Gegenreaktionen und erschwere die Integration. Bundeskanzlerin Angela Merkel warf der Co-Vorsitzende der Grünen vor ihrer Reise in die Türkei vor, die Diskussion bewusst nicht zu entschärfen: "Hier müsste die Kanzlerin gegensteuern. Das tut sie nicht." Das bewiesen auch Merkels an die Türken gerichteten Forderungen nach Gesetzestreue und dem Erlernen der deutschen Sprache. "Wer widerspricht ihr da? Die Tatsache, dass Angela Merkel es vor ihrer Reise so formuliert, zeigt, dass es ihr vor allem um die Innenpolitik geht." In die Beziehungen zur Türkei investiere Merkel nichts, kritisierte Özdemir. Sie vergeude so die Chance, mit ihrem Besuch die Rolle der Türkei als Friedensvermittler im Nahen Osten zu stärken. EU-Vollmitgliedschaft versus 'privilegierte Partnerschaft' Streit zwischen Erdogan und Merkel gibt es auch bezüglich der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei: Erdogan besteht auf einer Vollmitgliedschaft seines Landes in der EU. "Wir führen bereits die Verhandlungen, und zwar auf Vollmitgliedschaft. Für uns gibt es dazu keine Alternative", sagte er. Die Position Merkels für eine sogenannte privilegierte Partnerschaft wies er zurück: "Die EU-Verträge kennen keine 'privilegierte Partnerschaft'. Für die Türkei wäre es ein großer Fehler, darauf einzugehen", betonte Erdogan. . Bundeskanzlerin Merkel warb dagegen für das Modell der "privilegierten Partnerschaft" zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In türkischen Zeitungsinterviews betonte Merkel, Berlin respektiere die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen, doch würden diese ergebnisoffen geführt. Merkel besucht am Montag zum ersten Mal seit vier Jahren wieder die Türkei. Zunächst will sie Erdogan in Ankara treffen. Am Dienstag besucht sie Istanbul und die Hagia Sophia. Themen der politischen Gespräche sind unter anderem die Zukunft des Friedensprozesses im Nahen Osten sowie die Beziehungen zu Iran.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/vor-tuerkei-besuch-merkel-migranten-sollen-deutsch-lernen-1.3406
Vor Türkei-Besuch - Merkel: Migranten sollen Deutsch lernen
00/03/2010
Kurz vor ihrer Ankara-Reise pocht Angela Merkel auf eine bessere Integration der in Deutschland lebenden Türken. Dazu gehöre, dass "die deutsche Sprache erlernt wird".
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Deutliche Worte aus NRW: SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft will nach einem Wahlsieg Steuersenkungen verhindern - und trifft auf eine kompromissbereite FDP. In den Bundesländern stoßen die Koalitionspläne für Steuerentlastungen weiter auf Kritik: Im Fall eines Wahlsiegs bei der Landtagswahl am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen will die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Koalition im Bundesrat blockieren. Die geplanten milliardenschweren Steuersenkungen müssten dringend gestoppt werden, sagte Kraft am Sonntag dem Deutschlandfunk. Das Geld werde benötigt, um in der Bildung voranzukommen oder die Städte Gemeinden wieder handlungsfähig zu machen. "Wir können uns keine Steuersenkungen leisten. Dieser Staat muss handlungsfähig bleiben", sagte Kraft. Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) schloss angesichts der notleidenden Haushalte sogar Steuererhöhungen nicht aus. In der Debatte um geplante Steuerentlastungen zeigt sich die FDP kompromissbereit. Generalsekretär Christian Lindner schloss in der Rheinischen Post Steuersenkungen für 2011 aus. Parteivize Andreas Pinkwart signalisierte Entgegenkommen bei dem geforderten Stufentarif. Bei den Steuerentlastungen sei die FDP "immer vom Jahr 2012 ausgegangen", sagte Lindner. Die Aussage, dass es schon 2011 Steuersenkungen geben müsse, stamme von der CSU. Beim Thema Steuerreform seien die Liberalen zu Gesprächen in der Koalition "immer bereit", sagte Lindner. Entscheidend sei, dass es bald ein einfacheres Steuersystem gebe. Die FDP werde auf ihrem Bundesparteitag im April "praktikable Ideen" vorlegen. Ein entsprechendes Gesetz solle noch in diesem Jahr erarbeitet werden. Auf dem Landesparteitag der FDP in Sachsen erklärte Lindner, in der Steuerpolitik sei es nicht die FDP, die auf der Bremse stehe. Die allgemeine Wirtschaftslage erfordere jedoch Augenmaß. Nicht verhandelbar sei für die FDP allerdings, dass am Ende der Legislaturperiode das Steuerrecht einfacher und eine wirkliche Entlastung für die Menschen spürbar sei. FDP-Parteivize Pinkwart regte angesichts der schlechten Haushaltslage des Bundes an, beim Bundesparteitag im April statt des Drei-Stufen-Tarifs ein Konzept mit vier oder fünf Stufen zwischen dem Eingangssatz von 14 und dem Höchstsatz von 42 Prozent vorzulegen. "Dann kommt man näher an den bisherigen Tarifverlauf heran", sagte Pinkwart der Wirtschaftswoche.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-steuersenkungen-spd-droht-mit-blockade-1.14377
Debatte um Steuersenkungen - SPD droht mit Blockade
00/03/2010
Deutliche Worte aus NRW: SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft will nach einem Wahlsieg Steuersenkungen verhindern - und trifft auf eine kompromissbereite FDP.
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Privilegierte Partnerschaft versus Vollmitgliedschaft: Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Merkel in Ankara haben sich führende Vertreter der deutschen Wirtschaft in die Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei eingeschaltet - und klare Forderungen gestellt. Wenn Angela Merkel an diesem Montag die Türkei besucht, dürfte sich die Begeisterung über den Gast aus Deutschland bei vielen in Grenzen halten: Die Bundeskanzlerin machte schon im Vorfeld ihrer Reise deutlich, dass sie in einigen Punkten anderer Meinung ist als der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan - zum Beispiel in der Frage des EU-Beitrittswunsches Ankaras. So favorisiert Merkel eine "privilegierte Partnerschaft" als Alternative zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Erdogan stellte seinerseits erst jüngst nochmal klar: Etwas anderes als ein EU-Beitritt kommt für die Türkei nicht in Frage. Auch die deutsche Wirtschaft meldete sich jetzt in der Debatte zu Wort - und plädiert für eine weitere Annäherung von Türkei und Europäischer Union (EU). Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mahnte eine "emotionsfreie Diskussion" über die Beitrittsverhandlungen an. Wichtiger Wachstumsmarkt Die Wirtschaftsbeziehungen mit der Türkei entwickelten sich seit Jahren überdurchschnittlich gut. Das Land bleibe absehbar ein Wachstumsmarkt in strategisch bedeutender Lage, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf dem Handelsblatt. "Als Zielmarkt deutscher Exporte ist die Türkei mit 15 Milliarden Euro im Jahr 2008 wichtiger als Japan". Merkel solle sich für die Verlängerung des zum Jahresende von Deutschland gekündigten Doppelbesteuerungsabkommens einsetzen, forderte Schnappauf. Ansonsten drohe die Effizienz der deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen Schaden zu nehmen. "Negativ betroffen wären mehr als 3000 überwiegend mittelständische deutsche Unternehmen. Sie erleben in der Türkei einen immer stärker werdenden Wettbewerb mit Unternehmen aus Russland, Iran und China". Auch RWE-Chef Jürgen Großmann dringt auf eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei: "Europa ist gut beraten, mit der Türkei politisch und wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten." Besonders wichtig sei die Nabucco-Pipeline, die Gas aus der kaspischen Region nach Westeuropa bringen werde. Für westliche Unternehmen biete die Türkei gute Perspektiven vor allem bei Investitionen in die Infrastruktur. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich ebenfalls für ergebnisoffene Verhandlungen hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei aus. Die Entscheidung hänge aber nicht nur davon ab, "ob die Türkei alle Voraussetzungen erfüllt, sondern auch davon, ob die EU in der Lage ist, dieses große Land ohne Gefährdung ihrer politischen, wirtschaftlichen und institutionellen Balance aufzunehmen", sagte Hundt. Hier gebe es allenfalls "mittelfristig" eine Perspektive. Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, die EU-Beitrittsverhandlungen würden unverändert ergebnisoffen geführt. Mit einer entsprechenden Zusicherung hatte Außenminister Guido Westerwelle bei seinem Türkei-Besuch im Januar Kritik des Koalitionspartners CSU ausgelöst. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei sei nicht möglich, erklärte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt damals. Kontroverse über Sprachkenntnisse Merkel will in Ankara und Istanbul auch über die Integration der türkischstämmigen Bürger in Deutschland reden. Dabei gehe es nicht darum, die eigene Heimat aufzugeben, sondern um die Teilhabe am gesellschaftlichen Erfolg, im Arbeits- und im Familienleben, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft am Wochenende. "Das bedeutet natürlich, dass die deutsche Sprache erlernt wird und die deutschen Gesetze eingehalten werden." Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor gut zwei Jahren bei einem Auftritt vor türkischen Landsleuten in Köln vor einer Aufgabe ihrer nationalen Identität in Deutschland gewarnt. Er bezeichnete Assimilation als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und löste damit heftige Reaktionen deutscher Politiker aus. In der vergangenen Woche forderte Erdogan die Gründung türkischer Gymnasien und die Zulassung einer doppelten Staatsangehörigkeit in Deutschland. Merkel lehnt das - wie andere deutsche Politiker - ab.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/vor-merkels-besuch-in-der-tuerkei-deutsche-wirtschaft-wirbt-fuer-die-tuerkei-1.17073
Vor Merkels Besuch in der Türkei - Deutsche Wirtschaft wirbt für die Türkei
00/03/2010
Privilegierte Partnerschaft versus Vollmitgliedschaft: Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Merkel in Ankara haben sich führende Vertreter der deutschen Wirtschaft in die Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei eingeschaltet - und klare Forderungen gestellt.
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Die Bundesregierung verhandelt mit den USA erneut über die Aufnahme von Gefangenen aus dem Lager Guantanamo auf Kuba - doch in der Union regt sich Widerstand. Es ist seit Jahren umstritten und sollte nach dem Willen Barack Obamas eigentlich schon geschlossen sein - doch noch immer sitzen im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba mehr als 180 Terrorverdächtige ein. Unter anderem ist noch nicht geklärt, wohin die Gefangenen gebracht werden sollen. An diesem Wochenende wurde bekannt, dass die Bundesregierung derzeit eine Aufnahme von ehemaligen Häftlingen prüft. Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte, dass es darüber erneut Gespräche mit den USA gebe. "Dabei geht es um einzelfallbezogene Prüfungen", hieß es. Die Entscheidung liege bei Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). Der Spiegel berichtete, eine deutsche Delegation habe vergangene Woche in dem US-Militärgefängnis Gespräche mit Insassen geführt, die für eine Aufnahme infrage kämen. Es gehe um eine Handvoll Gefangener, darunter ein Palästinenser, ein Jordanier und ein Syrer. "Grundsätzliche Sicherheitsbedenken" Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sieht eine Aufnahme einzelner Häftlinge in Deutschland kritisch. "Ich habe grundsätzliche Sicherheitsbedenken bei der Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen", sagte Bosbach der Bild am Sonntag. "Sollten wir trotzdem aus humanitären Gründen ehemalige Häftlinge aufnehmen, müssen alle Sicherheitsbedenken bei jedem einzelnen Ex-Häftling geprüft und ausgeräumt werden." Die USA müssten überzeugend darlegen, warum diese Personen noch nicht freigelassen worden seien, warum die USA sie nicht aufnehmen wollten und warum sie nicht in ihr Heimatland könnten. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung die Aufnahme von Uiguren aus dem Gefangenenlager abgelehnt. Darüber war es zum Streit in der damaligen großen Koalition gekommen. Während seinerzeit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit einer Aufnahme den Kurs von US-Präsident Barack Obama zur Schließung des Lagers unterstützen wollte, lehnte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dies ab. Der Spiegel berichtete, Vertreter des Innenministeriums und des Bundeskriminalamtes hätten sich in Guantanamo ein Bild von den Häftlingen machen wollen. Auf dieser Grundlage werde Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) eine Entscheidung fällen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aufnahme-von-guantanamo-haeftlingen-sorge-um-die-sicherheit-1.4000
Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen - Sorge um die Sicherheit
00/03/2010
Die Bundesregierung verhandelt mit den USA erneut über die Aufnahme von Gefangenen aus dem Lager Guantanamo auf Kuba - doch in der Union regt sich Widerstand.
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Für Obama geht eine der erfolgreichsten Wochen zu Ende. Die Opposition indes schäumt. Seit längerer Zeit schon üben sich die Republikaner in Blockadehaltung. Und nun dürften sich die Fronten noch etwas verhärten. Denn zum Abschluss der Woche platzte Obama der Kragen - und zwar in Bezug auf die Verweigerungshaltung der Republikaner bei der Besetzung wichtiger Behördenpositionen. Kandidaten für Ämter in den Finanz-, Handels- und Heimatschutzministerien warteten im Schnitt seit sieben Monaten auf ihre Bestätigung durch den Senat, erklärte Obama in Washington. Er sehe sich gezwungen, angesichts der nun begonnenen Osterpause des Kongresses 15 Positionen auf Interimsbasis zu besetzen. Obama warf den Republikanern Fundamentalopposition vor. Der Senat habe die Verantwortung, seinen Vorschlägen zuzustimmen oder sie abzulehnen, sagte Obama. Aber die Republikaner hätten das einfach nicht gemacht. Deshalb müsse er nun handeln und die Positionen wenigstens übergangsweise besetzen. Obama musste zum Abschluss seiner erfolgreichen Woche Dämpfer in der Personalpolitik hinnehmen. Sein Kandidat für die Leitung der Behörde für Verkehrssicherheit, der frühere Generalmajor Robert Harding, erklärte am Freitagabend, dass er für das Amt nicht mehr zur Verfügung stehe. Bereits Obamas erster Kandidat für die Transportation Security Administration (TSA), Erroll Southers, hatte im Januar einen Rückzieher gemacht, weil seine Betätigung im Kongress in Frage gestellt schien. Diesmal tauchten Fragen zur Rolle Hardings als Berater der Regierung bei Rüstungsaufträgen auf, wofür der Exgeneral nach seinem Abschied von der Army im Jahr 2001 ein Unternehmen gegründet hatte. Die TSA hat vor allem die Aufgabe, terroristische Bedrohungen im zivilen Luftverkehr abzuwenden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/barack-obama-und-die-republikaner-die-naechste-kraftprobe-1.12050
Barack Obama und die Republikaner - Die nächste Kraftprobe
00/03/2010
Ärger am Ende einer erfolgreichen Woche: Obama wirft den Republikanern Fundamentalopposition vor - und besetzt wichtige Behördenpositionen im Alleingang.
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Die Odenwaldschule sucht den Neuanfang: Fünf Vorstandsmitglieder sind inzwischen zurückgetreten. Doch das reicht nicht aus, findet Opferanwalt Thorsten Kahl. Die von Missbrauchsfällen erschütterte Odenwaldschule in Hessen sucht einen Weg aus der Krise. Der Trägerverein der renommierten Privatschule ist am Samstag zu einer Krisensitzung zusammengekommen - und zieht die Konsequenzen aus dem vor drei Wochen bekanntgewordenen Missbrauchsskandal. Fünf der insgesamt sieben Mitglieder des Vorstands der Odenwaldschule sind zurückgetreten. "Wir machen den Weg frei", begründete die ausgeschiedene Vorsitzende Sabine Richter-Ellermann. "Der Druck der Öffentlichkeit war zu groß." Im Vorstand bleiben nur Schulleiterin Margarita Kaufmann und Geschäftsführer Meto Salijevic. Sie gehören dem Gremium zwingend durch ihre Funktion an. Neuwahlen soll es zu einem späteren Zeitpunkt geben. Voraussichtlich am 29. Mai soll ein neuer Vorstand gewählt werden. Der Frankfurter Anwalt einiger Opfer, Thorsten Kahl, kritisierte hingegen, das Elite-Internat habe es "erneut versäumt, einen sauberen Schlussstrich zu ziehen". Seine Kritik bezog sich auf Geschäftsführer Salijevic. "Dass er nicht zurücktrat, ist eine weitere schallende Ohrfeige für die Opfer." Salijevic deutete an, er werde mit einem neuen Vorstand auch über seine Zukunft reden. Der 57-Jährige war schon beim Aufkommen der ersten Verdachtsfälle 1999 im Amt und gilt deshalb als belastet. "Es geht jetzt darum, den Übergang zu organisieren", sagte er. Die Schule spricht von 33 Missbrauchten, Presseberichten zufolge könnte es bis zu 100 Opfer geben. Acht ehemalige Lehrer werden beschuldigt. Die sexuellen Übergriffe sollen sich in den Jahren 1966 bis 1991 ereignet haben. Vor mehreren Tagen hatte der frühere Schulleiter Gerold Becker in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und die Schüler um Entschuldigung gebeten. In den vergangenen Wochen hatten sich immer mehr ehemalige Schüler gemeldet, die Becker vorwerfen, sie sexuell missbraucht zu haben. Beharrlich hatte Becker, der 73 Jahre alt ist und unter einer schweren Lungenkrankheit leidet, jede Auskunft dazu verweigert. "Vollständige und transparente Aufklärung" Schulleiterin Kaufmann kündigte eine "vollständige und transparente Aufarbeitung" der Vorfälle an. Geplant seien darüber hinaus eine Verbesserung der Personalauswahl, verstärkte Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer und Änderungen in der Struktur der Schule. So solle eine Heimleitung installiert werden. "Die Odenwaldschule hat das Ziel, sich auf gesunde Füße zu stellen." Eine Abordnung ehemaliger Schüler hatte zu Beginn an dem nichtöffentlichen Treffen teilgenommen. In der zweiten Hälfte war dann der Trägerverein unter sich. Das Gremium hat etwa 30 Mitglieder. Gerold Becker arbeitete von 1969 bis 1985 an dem bundesweit bekannten Internat, seit Beginn der siebziger Jahre war er dort auch Direktor. Bereits Ende der neunziger Jahre hatten ihn frühere Schüler beschuldigt, sie missbraucht zu haben. Schon zum damaligen Zeitpunkt waren die Taten jedoch strafrechtlich verjährt. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens der Odenwaldschule meldeten sich in diesem Jahr aber erneut die Opfer, und es kamen viele weitere hinzu, die erst jetzt ihre traumatischen Erlebnisse mitteilten. Außer Becker stehen an der Odenwaldschule noch sieben weitere ehemalige Lehrer unter Verdacht. Die Staatsanwaltschaft in Darmstadt hat Ermittlungsverfahren gegen mehrere Lehrer eingeleitet. Die Missbrauchsopfer erhoben zudem schwere Vorwürfe gegen das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft Darmstadt. Beide Behörden hätten sich 1999, als die Übergriffe Beckers bekannt wurden, durch Untätigkeit ausgezeichnet, so der Anwalt der Opfer. Die Odenwaldschule zählt zu den bekanntesten Einrichtungen der Reformpädagogik in Deutschland. Sie wird im nächsten Monat 100 Jahre alt. Auf der Liste ihrer ehemaligen Schüler stehen bekannte Namen. Dazu zählen der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, der Schriftsteller Klaus Mann und ein Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der im Spiegel sein Schweigen zu den Vorgängen gebrochen hat. Sein 2008 gestorbener Sohn Andreas hatte Ende der 60er Jahre in der Wohngruppe des Haupttäters und Schulleiters Gerold Becker gelebt. Weder er noch seine Frau hätten von den Missbrauchsfällen "Kenntnisse gehabt, auch nicht durch Andreas", sagte Weizsäcker dem Nachrichtenmagazin. Missbrauchsverdacht an weiterer Reformschule Unterdessen sind in einer Reformschule im Schwarzwald nach einem Zeitungsbericht Hinweise auf bisher nicht bekannt gewordene Missbrauchsfälle in den fünfziger und sechziger Jahren aufgetaucht. Die Birklehof-Schule in Hinterzarten kündigte in einem dem Tagesspiegel am Sonntag vorliegenden Rundschreiben eine Überprüfung der eigenen Einrichtung an, die aus einem Internat und einem Gymnasium besteht. "Es scheint, dass Verfehlungen Einzelner insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren vorgekommen sind", hieß es in dem Schreiben. Den Angaben zufolge wurde eine Rechtsanwältin als unabhängige Ansprechpartnerin beauftragt, der mögliche Missbrauchsfälle gemeldet werden könnten. Lehrer am Birklehof war dem Bericht zufolge von 1953 bis 55 auch der in Berlin lebende Reformpädagoge Hartmut von Hentig. Er versicherte der Zeitung, in der Zeit, in der er in Birklehof gewesen sei, habe er von keinen derartigen Ereignissen gehört. Hentig ist der Lebensgefährte des ehemaligen Schulleiters der Odenwaldschule, Gerold Becker. Vor wenigen Tagen hatte er den Vorwurf zurückgewiesen, von den Vorfällen an der Odenwaldschule gewusst zu haben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-an-schulen-weitere-schallende-ohrfeige-fuer-die-opfer-1.23315
"Missbrauch an Schulen - ""Weitere schallende Ohrfeige für die Opfer"""
00/03/2010
Die Odenwaldschule sucht den Neuanfang: Fünf Vorstandsmitglieder sind inzwischen zurückgetreten. Doch das reicht nicht aus, findet Opferanwalt Thorsten Kahl.
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Die von Missbrauchsfällen erschütterte Odenwaldschule in Hessen sucht einen Weg aus der Krise. Der Trägerverein der renommierten Privatschule ist am Samstag zu einer Krisensitzung zusammengekommen - und zieht die Konsequenzen aus dem vor drei Wochen bekanntgewordenen Missbrauchsskandal. Fünf der insgesamt sieben Mitglieder des Vorstands der Odenwaldschule sind zurückgetreten. "Wir machen den Weg frei", begründete die ausgeschiedene Vorsitzende Sabine Richter-Ellermann. "Der Druck der Öffentlichkeit war zu groß." Im Vorstand bleiben nur Schulleiterin Margarita Kaufmann und Geschäftsführer Meto Salijevic. Sie gehören dem Gremium zwingend durch ihre Funktion an. Neuwahlen soll es zu einem späteren Zeitpunkt geben. Voraussichtlich am 29. Mai soll ein neuer Vorstand gewählt werden. Die Schule spricht von 33 Missbrauchten, Presseberichten zufolge könnte es bis zu 100 Opfer geben. Acht ehemalige Lehrer werden beschuldigt. Die sexuellen Übergriffe sollen sich in den Jahren 1966 bis 1991 ereignet haben. Vor mehreren Tagen hatte der frühere Schulleiter Gerold Becker in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und die Schüler um Entschuldigung gebeten. In den vergangenen Wochen hatten sich immer mehr ehemalige Schüler gemeldet, die Becker vorwerfen, sie sexuell missbraucht zu haben. Beharrlich hatte Becker, der 73 Jahre alt ist und unter einer schweren Lungenkrankheit leidet, jede Auskunft dazu verweigert. "Vollständige und transparente Aufklärung" Schulleiterin Kaufmann kündigte eine "vollständige und transparente Aufarbeitung" der Vorfälle an. Geplant seien darüber hinaus eine Verbesserung der Personalauswahl, verstärkte Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer und Änderungen in der Struktur der Schule. So solle eine Heimleitung installiert werden. "Die Odenwaldschule hat das Ziel, sich auf gesunde Füße zu stellen." Salijevic deutete an, er werde mit einem neuen Vorstand auch über seine Zukunft reden. Der 57-Jährige war schon beim Aufkommen der ersten Verdachtsfälle 1999 im Amt und gilt deshalb als belastet. "Es geht jetzt darum, den Übergang zu organisieren", sagte er. Die Schule spricht von 33 Betroffenen aus den Jahren 1966 bis 1991. Acht Lehrer werden beschuldigt. Eine Abordnung ehemaliger Schüler hatte zu Beginn an dem nichtöffentlichen Treffen teilgenommen. In der zweiten Hälfte war dann der Trägerverein unter sich. Das Gremium hat etwa 30 Mitglieder. Gerold Becker arbeitete von 1969 bis 1985 an dem bundesweit bekannten Internat, seit Beginn der siebziger Jahre war er dort auch Direktor. Bereits Ende der neunziger Jahre hatten ihn frühere Schüler beschuldigt, sie missbraucht zu haben. Schon zum damaligen Zeitpunkt waren die Taten jedoch strafrechtlich verjährt. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens der Odenwaldschule meldeten sich in diesem Jahr aber erneut die Opfer, und es kamen viele weitere hinzu, die erst jetzt ihre traumatischen Erlebnisse mitteilten. Außer Becker stehen an der Odenwaldschule noch sieben weitere ehemalige Lehrer unter Verdacht. Die Staatsanwaltschaft in Darmstadt hat Ermittlungsverfahren gegen mehrere Lehrer eingeleitet. Die Missbrauchsopfer erhoben zudem schwere Vorwürfe gegen das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft Darmstadt. Beide Behörden hätten sich 1999, als die Übergriffe Beckers bekannt wurden, durch Untätigkeit ausgezeichnet, so der Anwalt der Opfer. Die Vorfälle haben auch bundesweit eine Debatte über die Reformpädagogik entfacht, der sich die Odenwaldschule verpflichtet fühlt. Missbrauchsverdacht an weiterer Reformschule Unterdessen sind in einer Reformschule im Schwarzwald nach einem Zeitungsbericht Hinweise auf bisher nicht bekannt gewordene Missbrauchsfälle in den fünfziger und sechziger Jahren aufgetaucht. Die Birklehof-Schule in Hinterzarten kündigte in einem dem Tagesspiegel am Sonntag vorliegenden Rundschreiben eine Überprüfung der eigenen Einrichtung an, die aus einem Internat und einem Gymnasium besteht. "Es scheint, dass Verfehlungen Einzelner insbesondere in den fünfziger und sechziger Jahren vorgekommen sind", hieß es in dem Schreiben. Den Angaben zufolge wurde eine Rechtsanwältin als unabhängige Ansprechpartnerin beauftragt, der mögliche Missbrauchsfälle gemeldet werden könnten. Lehrer am Birklehof war dem Bericht zufolge von 1953 bis 55 auch der in Berlin lebende Reformpädagoge Hartmut von Hentig. Er versicherte der Zeitung, in der Zeit, in der er in Birklehof gewesen sei, habe er von keinen derartigen Ereignissen gehört. Hentig ist der Lebensgefährte des ehemaligen Schulleiters der Odenwaldschule, Gerold Becker. Vor wenigen Tagen hatte er den Vorwurf zurückgewiesen, von den Vorfällen an der Odenwaldschule gewusst zu haben.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-odenwaldschule-mitglieder-des-vorstands-treten-zurueck-1.3191
Missbrauch - Odenwaldschule: Mitglieder des Vorstands treten zurück
00/03/2010
"Der Druck der Öffentlichkeit war zu groß": Der Vorstand der Odenwaldschule zieht die Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal.
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Neue Details im Missbrauchsskandal um einen katholischen US-Priester: Kirchliche und staatliche Einrichtungen sollen die Opfer ignoriert haben. In Deutschland ist ein weiterer Fall bekannt geworden. In den USA gibt es neue Enthüllungen über Missbrauchsfälle unter dem Dach der Kirche. Wie die New York Times berichtet, haben sich mehrere gehörlose Jungen, die in den vergangenen Jahrzehnten von einem katholischen Priester missbraucht wurden, an kirchliche und staatliche Behörden gewandt - vergeblich. Dort sei man ihren Klagen nicht weiter nachgegangen. Die Gehörlosen hätten bei anderen Priestern, bei mehreren Bischöfen sowie bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft um Hilfe gesucht, schreibt das Blatt unter Berufung auf Dokumente und Aussagen der Missbrauchten. In dem Fall geht es um bis zu 200 Missbrauchsopfer einer Gehörlosenschule im US-Bundesstaat Wisconsin. Im Mittelpunkt steht den Angaben zufolge der 1998 gestorbene Priester Lawrence Murphy. 1996 habe der Erzbischof von Milwaukee, Rembert G. Weakland, den damaligen Chef der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, in zwei Briefen informiert, der spätere Papst habe aber nicht geantwortet. Vertreter des Vatikans vor US-Gerichten? Der Osservatore Romano bestätigte in dem Leitartikel, dass Murphy sich 1998 auch selbst an Ratzinger wandte. In dem Brief habe er mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit darum gebeten, ein kricheninternes Verfahren gegen ihn einzustellen. Auf das Schreiben reagierte demnach Ratzingers damaliger Stellvertreter Tarcisio Bertone. Er habe den Erzbischof von Milwaukee darum gebeten, in dem Fall eine "Wiedergutmachung" zu erreichen. Murphy hatte laut New York Times von 1950 bis 1974 in der Schule für gehörlose Kinder gearbeitet. Nach den Vorwürfen wurde er versetzt, durfte aber weiter mit Kindern arbeiten. Die Zeitung stützt sich auf Dokumente, die sie von Anwälten von Missbrauchsopfern erhielt. Murphy starb 1998, ohne dass er je seines Kirchenamtes enthoben wurde. "Dieser Mann hätte für lange Zeit im Gefängnis sein sollen", klagte ein Opfer. "Pater Murphy dachte dauernd an Sex mit Kindern, und er ist damit durchgekommen." Demnächst könnten möglicherweise auch Vertreter des Vatikans vor US-Gerichte geladen werden. Bei Bundesgerichten in zwei Bundesstaaten lägen derzeit Missbrauchsklagen gegen den Kirchenstaat vor, schreibt die Washington Post . Zunächst habe aber der Supreme Court über diese Klagen zu entscheiden. Auch die Regierung habe ein Wort mitzureden, ob der Vatikan als ausländischer Staat Immunität genießt. Neuer Missbrauchsverdacht im Bistum Osnabrück Unterdessen ist im katholischen Bistum Osnabrück ein neuer Missbrauchsverdacht gegen einen Geistlichen bekanntgeworden. Ein Priester aus dem Emsland sei von seinen Ämtern entbunden worden, sagte ein Sprecher der Diözese. Der Geistliche habe am Freitag in einem Gespräch mit Bischof Franz-Josef Bode die Vorwürfe eingeräumt und sich auch der Staatsanwaltschaft gestellt. In einem Brief an die Gemeinden schrieb Bischof Bode, er sei erschüttert und voller Trauer über diesen Fall: "Vertrauen ist gebrochen. Es ist schwer, die Gedanken und Gefühle zu ordnen. Auch darum ist es gut, dass eine unabhängige Instanz das Geschehene prüft." Das Opfer des Priesters hatte sich bei der Bistumsleitung gemeldet. Kurienkardinal fordert "Großreinemachen" Umkehr und Buße tun - vor dem Hintergrund der zahlreichen Missbrauchsfälle in aller Welt muss die katholische Kirche nach Ansicht des deutschen Kurienkardinal Hans Kaspers verlorenes Vertrauen wiedergewinnen. Und das wiederum gehe nur mit einer "Kultur der Aufmerksamkeit und des Mutes und ein Großreinemachen". Der Weg der Erneuerung sei unumkehrbar, sagte Kasper der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. Zugleich aber nahm er Papst Benedikt XVI. in Schutz. Dieser sei der erste gewesen, der die Notwendigkeit einer härteren Haltung gegenüber Tätern erkannt habe. Angriffe gegen ihn gingen über die Grenzen von Gerechtigkeit und Loyalität hinaus, sagte Kasper, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ist. Auch Vatikansprecher Federico Lombardi betonte in Radio Vatikan, die Autorität des Papstes sei durch die Missbrauchsskandale nicht erschüttert worden. Die Disziplinarbehörden des Vatikans hätten "Unterstützung und Führung der Bischöfe bei der Bekämpfung und dem Vernichten der Schande des Missbrauchs, wo immer sie geschieht, bestätigt". Die Art und Weise, in der sich die Kirche dem Problem stelle, sei entscheidend für ihre moralische Glaubwürdigkeit.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsfaelle-in-katholischer-kirche-das-schweigen-der-hirten-1.15055
Missbrauchsfälle in katholischer Kirche - Das Schweigen der Hirten
00/03/2010
Neue Details im Missbrauchsskandal um einen katholischen US-Priester: Kirchliche und staatliche Einrichtungen sollen die Opfer ignoriert haben. In Deutschland ist ein weiterer Fall bekannt geworden.
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Verschwiegen, verdrängt, verjährt - diese Trias ist ein Charakteristikum im Umgang mit jenen unerträglich vielen Missbrauchsfällen in Kirche, Schulen, Internaten, Vereinen, Familien, die derzeit in einer Woge immer neuen Offenbarungen an die Öffentlichkeit drängen. Jeden Tag ein neuer Fall, fast jeden Tag eine neue Institution: Eine traurige Ermüdung setzt ein, und der Schock über versagende Autoritäten sowie bröckelnde Gewissheiten paart sich mit der ratlosen Frage: Warum kamen - und kommen - viele Täter oft so lange, zu lange oder für immer davon? Mütter schauen weg Gelitten, geredet, nicht gehört - das ist die zweite Trias, die Missbrauch begleitet wie eine schwarze, hohe Mauer. Denn natürlich haben viele Opfer Signale der Not gesendet; Kinder, denen Gewalt angetan wird, tun das. Aber diese wurden nicht erkannt, ignoriert. Jugendliche werden depressiv, entwickeln Essstörungen, werden Bettnässer, ritzen sich die Haut auf, kämpfen mit Leistungsabfall - all das sind keine zwingenden, aber mögliche Indikatoren für Missbrauch, die verstanden sein wollen. Kinder haben gesprochen, haben sich ihren Eltern anvertraut; ihnen wurde nicht geglaubt, weil nicht sein darf, was Lebensgewissheiten in Frage stellt. Psychologen, die Missbrauchsopfer behandeln, berichten immer wieder darüber, dass Väter sich an Mädchen vergehen - und Mütter wegschauen. Weil sie sonst ihre Ehemänner stellen, Konsequenzen ziehen, eigenen Traumata begegnen müssten. Jugendlichen, die Misshandlungen oder Missbrauch in scheinbar ehrbaren Einrichtungen andeuteten, wurde nicht geglaubt, weil weltliche und göttliche Hierarchien in Frage gestellt würden, hätte man die Klagerufe ernst genommen. Und weil Kinder als Opfer lästig sind, weil ihre Not Solidarität, Zeit und Entscheidungen erfordert. Liebe gegen Angst Geschämt, geschwiegen, gestorben - das ist die dritte Trias, die Missbrauch prägt. Der seelische Tod ist nicht selten die Folge von Gewalterfahrungen: Dass Vertrauen missbraucht, Gefühl manipuliert und Abhängigkeit ausgenutzt wurde, nimmt Opfern den Atem, manchmal ein Leben lang. Wenn der Vater von der Tochter, der Lehrer vom Schüler Sex erzwingt, steht Liebe oder Loyalität gegen Angst; es steht die Scham, Opfer zu sein, gegen die innere Autonomie, Verhasstes zu verneinen. Missbrauch in der Familie bleibt oft unentdeckt, weil Kinder ihre Familie schützen, geliebte Menschen - und auch sich selbst - nicht bloßstellen wollen. Missbrauch von Männern an Jungen ruft doppelte Scham hervor: Homosexualität gilt bis heute, trotz aller Toleranz, als eine Art Makel; wer sich als Pädophilie-Opfer outet, fürchtet den Ekel in den Augen der anderen. An der Scham erstickt Geschwiegen, geschämt, Suizid begangen: Erwachsene, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden, haben ein drei bis vier Mal höheres Selbstmordrisiko als andere Menschen. Die Berichte über Missbrauch an katholischen Einrichtungen und an der Odenwaldschule enthielten, in Nebensätzen, einige Mal den Hinweis darauf, dass Zeugen nicht mehr befragt werden könnten, weil sie in den Tod gegangen seien. Den Freitod wählt, wer an seiner Scham erstickt. Nun plötzlich wird viel geredet, gestanden, gebeichtet - manchmal befreit, oft gequält. Warum erst jetzt? Natürlich auch, weil Lehrer, Vorgesetzte und Behörden sich nicht mehr entziehen können und die Hoffnung der Opfer auf Gehör wächst. Aber vor allem, weil in der Menge die Sicherheit zunimmt, mit dem eigenen Schicksal zwar gesichtslos zu sein - aber doch mitgetragen zu werden. Nach wie vor wollen die meisten Erwachsenen, die in ihrer Kindheit oder Jugend Missbrauch erlebt haben, anonym bleiben; sie wollen vermeiden, dass sie in der Öffentlichkeit mit Schuldgefühlen, Unverständnis, vor allem aber mit Ablehnung konfrontiert werden, weil sie geschwiegen haben. Dabei hat oft nur das Schweigen die Würde gerettet.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/schweigen-um-missbrauch-es-kann-nicht-sein-was-nicht-sein-darf-1.1195
Schweigen um Missbrauch - Es kann nicht sein, was nicht sein darf
00/03/2010
Leidende Kinder sind lästig: Missbrauchsopfern wurde lange nicht geglaubt, weil ihre Nöte Mut und Solidarität erfordert hätten.
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Ist gar nicht der Rheinländer, sondern der Westfale die wahre Frohnatur? Das 6700-Seelen-Dorf Legden in Nordrhein-Westfalen nimmt landesweit am meisten Vergnügungssteuer ein. Der Ort, an dem Milch und Honig fließen, liegt mitten in der westfälischen Provinz. Das zumindest lässt die Höhe der Vergnügungssteuer vermuten, die jährlich die Kassen von Legden füllt, einer kleinen Gemeinde im Münsterland. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat das 6700-Seelen-Dorf das landesweit höchste Aufkommen der Sondersteuer. Die Abgabe wird sozusagen auf alles erhoben, was den Menschen Spaß macht. Und den gibt es in dem kleinen Örtchen nicht zu knapp: Im Jahr 2008 flossen satte 262.900 Euro Vergnügungssteuer in die Kassen der Kommune. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes sind das 38,70 Euro pro Einwohner. Steuern auf Tanzveranstaltungen, Freudenhäuser - in Köln waren das im selben Zeitraum schlappe 9,66 Euro pro Kopf. Ist der Westfale also die wahre Frohnatur? "Die Leute in Legden sind gut drauf", versichert Legdens Bürgermeister Friedhelm Kleweken (CDU). Das allein sei jedoch nicht der Grund für die hohe Vergnügungssteuer. 90 Prozent der Einnahmen kämen vom "Dorf Münsterland", einem Veranstaltungsort, der nach Angaben der Betreiber "nur zu dem Zweck erbaut wurde, Menschen zum Feiern zusammenzubringen." Das bestätigt auch Omid Reghat, der Direktor der westfälischen Vergnügungsmeile: "Wir sind das älteste Partydorf Deutschlands", erzählt er. Die Legdener Bürger wundert das hohe Steuer-Aufkommen daher nur wenig. "Die Kegelvereine werden doch busseweise dahin gekarrt", erzählt eine ältere Dame. An Touristen hat sie sich längst gewöhnt. 190.000 Besucher kommen jährlich ins Dorf Münsterland. "Die wissen ganz genau: Bei uns kann man Party machen", sagt Omid Reghat. "Spaß haben" wollen auch die Mitglieder eines Tennisvereins, die an diesem Abend im "Partytreff Kornkasten" auf der Vergnügungsmeile zusammengekommen sind. Mehr als 350 Kilometer Fahrt von der Pfalz bis nach Legden hätten sie hinter sich, erzählt der 43-jährige Michael und das alles nur, um zu feiern. "Wenn woanders die Bürgersteige hochgeklappt werden, geht es hier erst richtig los", sagt eine Mitarbeiterin des Partydorfs. 72 Festangestellte und 180 Aushilfskräfte sind dort für das Vergnügen der Gäste zuständig. Beim Thema Steuern hört der Spaß für die Betreiber jedoch auf: Die Kommune erhebe 22 Prozent auf den Eintritt in die Partymeile. Laut Direktor Reghat zahle das Dorf Münsterland dadurch rund 22.000 Euro Vergnügungssteuer im Monat. Von landesweit 396 Kommunen verzichten nur sechs auf die Sondergabe, über die Städte und Gemeinden individuell entscheiden. "Es ist klar, dass uns solche Kosten sehr stören", sagt Reghat. "Wir wollen das Geld ja auch nicht sparen, wir wollen es wieder investieren." Gewinn sei durch die Steuerabgabe "im Moment nicht drin". Für Legdens Bürgermeister ist die Sondersteuer jedoch nötig, um Geld in die schlecht gefüllten Kassen der Kommune zu bringen: "Unterm Strich sind wir eine finanzschwache Gemeinde", betont Kleweken. 90 Prozent der Vergnügungssteuer-Einnahmen kämen vom Dorf Münsterland. "Spielhallen haben wir nicht - und auch kein Rotlichtmilieu." Also doch nichts mit Milch und Honig? Die Gäste aus der Pfalz haben es zumindest "null bereut", dass sie den weiten Weg auf sich genommen haben. "Einfach mal ein paar freie Tage mit Freunden verbringen, tanzen und ein Bierchen trinken", das könne man in Legden gut. "Es haben sich sogar schon Ehepaare bei uns kennengelernt", erzählt Direktor Reghat. Künftig sollen diese Paare dort ihr Eheversprechen erneuern können. Nur noch eine Kirche fehle in dem Partydorf, meint der Direktor, dann sei es endgültig "das Las Vegas des Münsterlandes".
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunen-in-geldnot-las-vegas-im-muensterland-1.14887
Kommunen in Geldnot - Las Vegas im Münsterland
00/03/2010
Ist gar nicht der Rheinländer, sondern der Westfale die wahre Frohnatur? Das 6700-Seelen-Dorf Legden in Nordrhein-Westfalen nimmt landesweit am meisten Vergnügungssteuer ein.
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Überall in Deutschland werden massenweise neue Tempo-30-Schilder montiert. Mit dem Wohl der Menschen hat das wenig zu tun. Das Schild kostet etwa 16 Euro, Halterung, Mehrwertsteuer und Versandkosten kommen bei der Bestellung noch hinzu. Die Zahl 30 steht dort in Schwarz auf weißem Grund, umrandet von einem roten Kreis. "Tempo 30" ist eines der unbeliebtesten Schilder bei deutschen Autofahrern, denn es zwingt sie, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Die Zeichen stehen vor Schulen, Seniorenheimen oder in Wohngebieten. Sie sollen Fußgänger, vor allem Kinder und alte Menschen, vor Rasern schützen. Die sind in Deutschland, wo es auf Autobahnen immer noch kein allgemeines Tempolimit gibt, besonders zahlreich unterwegs. Doch jetzt, nach dem langen Winter, breitet sich in Rekordgeschwindigkeit eine neue Langsamkeit in vielen Städten und Gemeinden aus: Auf immer mehr Straßen werden neue Tempo-30-Schilder montiert. Das aber hat wenig mit dem Wohl der Menschen zu tun. Es schützt vor allem Stoßdämpfer, Reifen und Achsen. Und zwar vor den Schlaglöchern, Rissen und Furchen, die der Frost dem Asphalt zugefügt hat. Weil das Geld für die Sanierung fehlt, heißt es immer öfter: bremsen statt reparieren. "Das ist ein Trend, den wir in ganz Deutschland beobachten", sagt Wiebke Dammann vom ADAC: "Statt zu reparieren, werden Schilder aufgestellt und die Geschwindigkeit herabgesetzt." Weil der Winter 2010 besonders hart war, hat diese Maßnahme Hochkonjunktur. Die Kommunen haben in den vergangenen Tagen Bilanz gezogen, welche Schäden Schnee und Frost auf ihren Straßen angerichtet haben. Das Ergebnis fällt verheerend aus. Der ADAC schätzt die Kosten für die nötigen Reparaturen allein auf den kommunalen Straßen auf drei Milliarden Euro. In den vergangenen drei Jahren lag dieser Betrag durchschnittlich bei einer Milliarde. Angesichts der angespannten Finanzlage in Städten und Gemeinden sind deshalb Notlösungen und kreative Maßnahmen gefragt. Ein neuer Straßenbelag kostet mindestens 40 Euro pro Quadratmeter. Da wird der Griff zum billigen Schild für viele Kommunen zur Verlockung. Im Hamburger Bezirk Mitte schützen plötzlich 120 neue Zeichen mit der berüchtigten 30 den unbedachten Autofahrer vor der Fahrt ins Schlagloch und dem anschließenden Besuch in der Werkstatt. Im Bezirk Harburg ist wegen Schäden auf 19 Straßen das Tempo auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt. Der NDR rief dieser Tage gar einen bundesweiten Notstand an Tempo-30-Schildern aus. Ganz so schlimm ist es nicht, doch in den Straßenmeistereien rund um die Hansestadt findet sich kaum noch eines der begehrten Zeichen. Lieferfristen für die Schilder liegen bei den Herstellern derzeit zwischen sieben und zehn Tagen. Die Lager sind weitgehend leer, es müsse neu produziert werden, heißt es. Weil die Temperatur im Norden Deutschlands am stärksten zwischen mild und frostig schwankte, sind hier die Schäden am größten und Schilder am gefragtesten. Auch Hannover wird zunehmend ausgebremst. In Berlin ist es fast schon Tradition, dass statt des Teer-Wagens, mit dem Schlaglöcher geflickt werden, der Lkw mit den Schildern an den rissigen Stellen der Straßen vorfährt. Sind die Schilder einmal aufgestellt, kostet es die Kommunen meist viel Überwindung, sie später wieder einzusammeln. "Gängige Praxis. Erst bremsen, dann überlegen", sagt Michael Wißing von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und ergänzt: "Wenn das so weitergeht, ist bald ganz Berlin eine einzige Tempo-30-Zone."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunen-spar-oder-stirb-rasende-entwicklung-zur-langsamkeit-1.22345
Kommunen: Spar oder stirb! - Rasende Entwicklung zur Langsamkeit
00/03/2010
Überall in Deutschland werden massenweise neue Tempo-30-Schilder montiert. Mit dem Wohl der Menschen hat das wenig zu tun.
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Was wusste die Kanzlerin? Nach Grünen und Linke fordert nun auch die SPD eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss. Franz Josef Jung (CDU) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werden nicht die ranghöchsten Zeugen vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags bleiben. Nach den Grünen und der Linke hat sich nun auch die SPD für eine Vorladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgesprochen. Die Opposition will, dass die Kanzlerin ihre Kenntnisse in der Kundus-Affäre dem Untersuchungsausschuss darlegt. Der SPD-Obmann in dem Gremium, Rainer Arnold, sagte der Bild-Zeitung: "Es gibt Fragen, die letztlich nur die Kanzlerin beantworten kann." Die Opposition kann Merkel ohne Zustimmung der schwarz-gelben Koalition vor den Untersuchungsausschuss laden. Hintergrund ist eine erst jetzt aufgetauchte E-Mail, aus der hervorgeht, dass das Kanzleramt schon am Morgen des 4. September 2009 Hinweise auf zivile Opfer des von der Bundeswehr angeforderten Luftangriffs in Afghanistan hatte. Am Freitag hatten bereits Grüne und Linke eine baldige Vernehmung Merkels zur Kundus-Affäre verlangt. Ab Mai werden Koalition und Opposition von Sitzung zu Sitzung abwechselnd über die Zeugen entscheiden. Ob die Kanzlerin noch vor der Sommerpause geladen wird, ist offen. Als nächster Zeuge ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) für den 22. April geladen. Er war durch unterschiedliche Aussagen zur militärischen Angemessenheit des Luftschlags mit bis zu 142 Toten und Verletzten unter Druck geraten. Am Donnerstag hatte der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Er bezeichnete das Vorgehen des deutschen Oberst Georg Klein als "nachvollziehbar". Dieser habe seinerzeit den Befehl zur Bombardierung zweier Tanklaster am 4. September vorigen Jahres in Nord-Afghanistan in zwei Telefonaten mit ihm, Jung, sehr glaubhaft begründet. Die Affäre um den Luftschlag von Kundus kostete nicht nur dem ehemaligen Verteidigungsminister das Amt: Der damalige Generalinspekteur Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Peter Wichert waren am 25. November von Jungs Nachfolger Guttenberg entlassen worden, weil Guttenberg sich in der Kundus-Affäre von den beiden Spitzenleuten unzureichend informiert gefühlt hatte. SPD wirft Merkel Versäumnisse vor Doch Politiker nicht nur der Opposition vermuten, dass Jung ebenso wie Schneiderhan und Wichert ein Bauernopfer für Guttenberg waren. Der neue Minister hatte Anfang Dezember seine ursprüngliche Einschätzung, der Luftschlag von Kundus sei nicht nur angemessen, sondern unvermeidlich gewesen, revidiert und den Angriff nun als militärisch nicht angemessen bewertet. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf Merkel Versäumnisse bei der Aufklärung des umstrittenen Bombardements von Kundus vor. Er sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung , im Kanzleramt seien wenige Stunden nach dem Luftschlag Informationen über zivile Opfer angekommen. "Nach dem größten Angriff deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg hätte sich die Kanzlerin natürlich sofort kümmern müssen." Zur Klärung der Frage, ob und wieviele Zivilpersonen verletzt oder getötet worden seien, habe das Kanzleramt alle Möglichkeiten. Der CDU-Verteidigungsexperte Andreas Schockenhoff nahm Merkel in Schutz und verwahrte sich gegen den Vorwurf, sie habe sich nicht früh genug um Aufklärung gekümmert. Schockenhoff erwiderte, Merkel habe am 6. September und in den folgenden Tagen öffentlich auf die Möglichkeit ziviler Opfer bei dem Luftangriff hingewiesen. "Die Behauptung, Angela Merkel sei mit der Bombardierung bei Kundus und ihren Folgen nicht offen umgegangen, ist bösartig." Der SPD gehe es nur darum, Merkel im Wahlkampf vor der Abstimmung in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai anzugreifen. "Die SPD betreibt das Spiel der Taliban", sagte Schockenhoff. Bericht: Ministerium hielt Unterlagen zurück Unterdessen berichtet der Spiegel von neuen Verschleierungsvorwürfen gegen das Verteidigungsministerium: Demnach soll aus Akten des Verteidigungsministeriums hervorgehen, dass die Behörde unter damaliger Führung von Jung nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der Justiz Informationen bewusst vorenthielt. Mitte September habe der Rechtsberater des Einsatzführungsstabs in Abstimmung mit der Abteilung Recht des Ministeriums verfügt, dass der Staatsanwaltschaft wichtige Dokumente zum Tathergang "nicht übermittelt werden" sollten. Entsprechend sei auch der sogenannte Feldjägerbericht, der die Erkenntnisse der Militärpolizei in Kundus enthielt, der Ermittlungsbehörde vorenthalten worden. Am 1. Oktober beschlossen drei Juristen aus Einsatzführungsstab, Einsatzführungskommando und Verteidigungsministerium, "eine Weitergabe des Berichts an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zunächst" zurückzustellen, berichtet der Spiegel. Die Justizbehörde hatte damals Vorermittlungen gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein durchgeführt, der bei Kundus zwei entführte Tanklastwagen bombardieren ließ.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-ausschuss-spd-will-merkel-befragen-1.12311
Kundus-Ausschuss - SPD will Merkel befragen
00/03/2010
Was wusste die Kanzlerin? Nach Grünen und Linke fordert nun auch die SPD eine Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss.
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Es ist nicht genug, dass der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei den Regionalwahlen mit einer herben Schlappe rechnen muss: In seiner Post fanden sich nun Drohungen - und eine Kugel. In Italien haben Unbekannte einen Drohbrief an Regierungschef Silvio Berlusconi geschickt. Der Brief an Berlusconi und andere führende Politiker seiner Partei Volk der Freiheit (PDL) sei in der Post von Linate, einem Vorort von Mailand, entdeckt worden, teilte die Polizei mit. Die Sendung sei an Berlusconis Privatadresse in der Gegend von Mailand geschickt worden und habe eine Kugel enthalten. Die Absender drohten Berlusconi, er werde "wie eine Maus enden". Weiter ging in einem Sortierzentrum der Post in Mailand ein mit einem Sprengsatz versehenes Paket in Flammen auf, das an Innenminister Roberto Maroni gerichtet war. Dabei sei ein Mitarbeiter der Post leicht verletzt worden. Dem Politiker der rechten Partei Lega Nord sei in einem beigefügten Drohbrief vorgeworfen worden, nichts gegen Vergewaltigungen in Sammellagern für illegal Eingewanderte zu unternehmen. Die Gruppe Informelle Anarchistische Föderation (FAI) bekannte sich nach Angaben der Präfektur zu der Drohsendung an den Minister. Der FAI wurde bereits angelastet, im Dezember in der Mailänder Bocconi-Universität einen Brandsatz deponiert zu haben. In Italien finden am Sonntag und Montag Regionalwahlen statt. Es ist der letzte Urnengang vor den für 2013 geplanten Parlamentswahlen, daher gilt die Abstimmung als wichtiger Testlauf für Berlusconi gilt. Doch schwindende Beliebtheit und gleich mehrere Skandale machen dem italienischen Ministerpräsidenten momentan zu schaffen. Die Wirtschaftskrise, ein neuer Korruptionsskandal und Ermittlungen über mögliche Einflussnahmen auf Fernsehberichterstattung haben Berlusconis Popularität sinken lassen. Er muss nicht nur mit einer erstarkenden Linken, sondern auch mit Gewinnen seiner konservativen Partner auf Kosten seiner Partei PDL rechnen. Die Lega Nord möchte ihre Erfolgsgeschichte in Norditalien fortsetzen und durch Stimmengewinne ihren Einfluss ausbauen, wodurch sie möglicherweise auch mehr Ministerposten im Kabinett in Rom bekommen könnte. Innerhalb der PDL schickt sich Parlamentspräsident Gianfranco Fini an, seinen Anspruch auf die Nachfolge des 73 Jahre alten Ministerpräsidenten zu festigen. Die Gründung seiner neuen Bewegung Generation Italien wurde als direkte Herausforderung von Berlusconis Führungsanspruch verstanden. Doch so leicht gibt sich Berlusconi nicht geschlagen. Er tut das, was er bei sinkender Beliebtheit immer getan hat: Er geht zum Angriff über und spielt seinen Charme aus. Seitdem ist er wieder öfter im Fernsehen zu sehen. Zwar sendet die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt RAI vor den Wahlen keine politischen Formate, in den Medien von Berlusconi ist das aber nicht der Fall.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/regionalwahlen-in-italien-berlusconi-droht-unheil-1.4339
Regionalwahlen in Italien - Berlusconi droht Unheil
00/03/2010
Es ist nicht genug, dass der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei den Regionalwahlen mit einer herben Schlappe rechnen muss: In seiner Post fanden sich nun Drohungen - und eine Kugel.
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Rüttgers will nicht mit den Grünen, die SPD nicht mit den Linken und eine große Koalition ist auch unerwünscht. Vor der Landtagswahl bringen sich die Parteien um alle Machtoptionen. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen könnte es zu einer Schockstarre wie vor eineinhalb Jahren in Hessen kommen. Dort hatten die Parteien im Vorfeld alle rechnerisch möglichen Koalitionen aus politischen Gründen ausgeschlossen - eine Parlamentsmehrheit konnte nur erreichen, wer wackelte. In NRW manövrieren sich die Parteien derzeit in ein ähnliches Dilemma. Umfragen prophezeien weder eine schwarz-gelbe noch eine rot-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Landtag. Rechnerisch möglich wären allerdings eine Koalition von CDU und Grünen oder eine Zusammenarbeit von SPD, Grünen und der Linkspartei. Letzteres hat SPD-Chef Sigmar Gabriel nun allerdings ausgeschlossen. "Niemand behauptet ernsthaft, dass diese Partei in NRW zur Regierung fähig oder auch nur bereit ist"; sagte er der Welt am Sonntag. Das wisse auch Oskar Lafontaine. Den Wählern der Linken gab Gabriel zu bedenken, nur Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) könne ein Interesse daran haben, dass die Linkspartei in den Landtag einziehe. "Das ist der Strohhalm, an den er sich klammert, weil er hofft, dass es dann für SPD und Grüne nicht reicht." Prognosen sehen die Linkspartei derzeit bei sieben Prozent, Rot-Grün kommt ohne die Linke auf etwa 45 Prozent. In einer möglichen schwarz-grünen Regierung in NRW sieht Gabriel keine Bedrohung für die SPD: "Schwarz-Grün wäre in erster Linie eine Bedrohung für die Grünen. Die meisten Grünen wollen solch ein Bündnis nicht." Mit der CDU könne man keine vernünftige Bildungspolitik machen, auch Gemeinsamkeiten in der Atom- und Energiepolitik seien nicht erkennbar. Auch Jürgen Rüttgers hat einem schwarz-grünen Bündnis nach der Landtagswahl am 9. Mai eine klare Absage erteilt. "Ich möchte nicht mit den Grünen koalieren", sagte der Ministerpräsident dem Hamburger Abendblatt. Auf die Frage, ob er Hamburgs Erstem Bürgermeister Ole von Beust und Saarlands Regierungschef Peter Müller (beide CDU) wegen ihrer Bündnisse mit den Grünen um Rat gebeten habe, sagte Rüttgers: "Ich kenne beide seit langem und bin mit beiden befreundet. Aber ich musste mir bisher keinen Ratschlag bei ihnen holen und habe auch nicht vor, das zu tun." Er wolle vielmehr die Koalition mit der FDP fortführen, bekräftigte Rüttgers. Die CDU habe mit der FDP "eine gute Arbeit geleistet", und nur in dieser Koalition gebe es "stabile Verhältnisse". Als eigenes Wahlziel nannte er "mehr als 40 Prozent". Aktuelle Wahlumfragen werden ihm da nicht viel Hoffnung machen. Die meisten Institute sehen die CDU unter 40 Prozent.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/landtagswahl-nordrhein-westfalen-gefaehrliches-koalitions-mikado-1.9035
Landtagswahl Nordrhein-Westfalen
00/03/2010
Rüttgers will nicht mit den Grünen, die SPD nicht mit den Linken und eine große Koalition ist auch unerwünscht. Vor der Landtagswahl bringen sich die Parteien um alle Machtoptionen.
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Steuersenkungen, neue Fahrradwege - als Silvio Berlusconi jüngst in Rom vor Anhängern seiner Partei Popolo della Libertà (PDL) auftrat, sparte er nicht mit populistischen Versprechen. "Und in drei Jahren werden wir auch den Krebs besiegen", versicherte er seinen Wählern sogar. Eine mutige Zusage, aber schließlich sind am Sonntag und Montag in 13 der 20 Regionen des Landes mehr als 44 Millionen Bürger zu Wahlen aufgerufen. Zudem werden die Verwaltungen von vier Provinzen (Landkreisen) sowie 463 Kommunen gewählt, darunter Venedig. Die Regionen entsprechen in etwa den deutschen Bundesländern, haben jedoch keine Vertretung in der nationalen Politik. Im Wesentlichen stehen sich die Wahlbündnisse der Mitte-links- und der Mitte-rechts-Parteien gegenüber. Partito Democratico: Hoffnung der Opposition Unter ihnen ist die größte Kraft die PDL von Ministerpräsident Berlusconi. Vor allem im Norden des Landes spielt aber die mit ihm verbündete Lega Nord eine wichtige Rolle. Teilweise kandidiert die PDL auch mit der postfaschistischen Partei Die Rechte. Mitte-rechts regiert derzeit nur in zwei der 13 Regionen. Stärkster Faktor der Mitte-links-Gruppierungen ist die größte Oppositionspartei, die Partito Democratico (PD). Sie tritt in verschiedenen Bündnissen an, unter anderem mit der Partei Italia dei Valori und den Grünen. Die christlich-bürgerliche Partei UDC kooperiert in vier Regionen mit Mitte-links, in dreien mit Mitte-rechts. Silvio Berlusconi, der sich gern auf die breite Zustimmung des Volkes beruft, hofft auf ein positives Signal für die restlichen drei Jahre seiner Amtszeit. "Wenn die Linke gewinnt, wird Italien weniger frei sein", rief er auf der Demonstration in Rom und erhob so die Regionalvoten zur nationalen Lagerwahl. Regierung ohne Vertrauen der Bürger Für den Regierungschef kommen die Abstimmungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Eine Umfrage im März zeigte deutliche Vertrauensverluste für die Regierung. Gegen den Regierungschef laufen Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Nötigung einer öffentlichen Institution. Er soll auf einen Kommissar der Kommunikationsaufsicht Druck ausgeübt haben, eine kritische Sendung abzusetzen. Belastet ist seine Regierung auch durch einen großen Korruptionsskandal in der Zivilschutzorganisation. Und Parlamentspräsident Gianfranco Fini, sein Parteigenosse, widersetzt sich Berlusconis Plan, den Regierungschef künftig direkt wählen zu lassen. Das wahre Debakel der letzten Wochen aber war der Ausschluss der PDL-Wahlliste für die Provinz Rom in Latium mit mehr als vier Millionen Einwohnern. Dies war für Berlusconi auch der Anlass, zur Großdemo in Rom zu rufen. Die PDL hatte Wahlunterlagen zu spät und unvollständig eingereicht. Es wird spekuliert, dass bis zuletzt Kandidaten ausgetauscht werden sollten. Alle Versuche von Regierung und Partei scheiterten, per Dekret oder Gericht die Wahlzulassung zu erzwingen. Lesen Sie auf Seite zwei, wieso einigen Kandidaten die Nähe zur Mafia nachgesagt wird und die Zahl der Nichtwähler steigen soll.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-vor-regionalwahl-in-drei-jahren-besiegen-wir-den-krebs-1.9166
"Italien vor Regionalwahl - ""In drei Jahren besiegen wir den Krebs"""
00/03/2010
Große Versprechungen: Mit zweifelhaftem Populismus mobilisiert Italiens Premier Berlusconi vor der Regionalwahl seine Anhänger.
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Das knappe Wahlergebnis zeigt: So einigermaßen funktioniert die junge Demokratie im Irak. Doch sie leidet unter ein paar üblen Krankheiten. Der Noch-Machthaber gibt den schlechten Verlierer: Der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki nörgelt vor Fernsehkameras am Ergebnis der Parlamentswahl herum, will es vor Gericht in Frage stellen. Schwer zu sagen, ob er dafür handfeste Beweise hat. Fakt ist, dass die Abstimmung vom 7. März äußerst knapp ausgefallen ist: Gegen Maliki und zu Gunsten seines Herausforderers Ijad Allawi. Wäre in den Hinterzimmern der Wahlkommission wirklich im großen Stil manipuliert worden bei der Auszählung der Stimmen, hätten die Fälscher wohl eindeutigere Machtverhältnisse geschaffen als eine Mehrheit von nur zwei Sitzen für ihren Sieger. So bleibt der erste Eindruck, dass die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz der Saddam-Diktatur die Stimmung widerspiegelt: Die Iraker haben genug von den schiitischen Islamisten-Politikern, die mit der Religion Staat machen wollen. Die irakische Demokratie funktioniert einigermaßen Sie suchen einen durchsetzungsfähigen Regierungschef, der ihnen Sicherheit garantiert vor Selbstmordattentätern und Autobomben. Und sie setzen auf einen sich weltlich gebenden Mann, der die verfeindeten Volksgruppen unter seiner Führung wieder vereinigt: Der Wahlsieger Allawi ist selbst Schiit, aber gewählt haben ihn offenbar vor allem Sunniten. Bei genauerem Hinsehen sind die Verhältnisse komplizierter. Erkennbar ist, dass die Iraker auch diesmal entlang ihrer Glaubens- oder Volkszugehörigkeit gewählt haben. Ein Teil der Schiiten hat die noch immer starke Islamisten-Allianz mit ihren Turban-Politikern gewählt. Der andere Teil stimmte für den Schiiten Maliki. Insgesamt haben sie alle aber "schiitisch gewählt". Die Kurden, bis ins Mark kurdisch-nationalistisch, haben ihr Kreuz wie zu erwarten geschlossen bei den Kurdenparteien gemacht. Und der säkulare Wahlsieger Allawi? Ist er wirklich der Mann, der alle irakischen Volksgruppen repräsentiert? Mitnichten. Der Wahlsieger hat vor allem die Stimmen der Sunniten bekommen. Die sind Dank eigenen Verschuldens in den letzten Jahren politisch heimatlos geworden. Da sie keinen eigenen Mann in vorderster Wahlfront hatten, haben sie jetzt den Säkularisten Allawi unterstützt. Die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein hat gezeigt: Die Demokratie im Irak funktioniert so einigermaßen. Aber die üblen irakischen Krankheiten kann sie bisher nicht überwinden: Die ethnisch-religiöse Zersplitterung zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden. Die starke Personalisierung von Politik hin zum Ideal eines "Mannes der harten Hand". Und die klassisch-nahöstliche Eselei, hinter jedem nicht ins eigene Weltbild passenden Ereignis sofort eine Verschwörung dunkler Mächte zu vermuten. Das zeigt: Auch im Irak lebt Demokratie nicht allein vom Wahlakt. Sie bedarf einer sich erst im Lauf der Jahrzehnte ausbildenden politischen Kultur. Die anstehende Regierungsbildung wird zeigen, wie viel von dieser demokratischen Substanz im Nach-Saddam-Irak bereits vorhanden ist. Da keines der Parteienbündnisse genug Stimmen für eine Alleinregierung bekommen hat, müssen sich die Gruppen nun zusammen raufen und ein arbeitsfähiges Kabinett bilden - unter der Führung Allawis, Malikis oder irgend eines anderen Politikers. Das ist die nächste Bewährungsprobe für die noch immer schwachbrüstige Demokratie im Irak.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-im-irak-schwach-auf-der-brust-1.5508
Wahl im Irak - Schwach auf der Brust
00/03/2010
Das knappe Wahlergebnis zeigt: So einigermaßen funktioniert die junge Demokratie im Irak. Doch sie leidet unter ein paar üblen Krankheiten.
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Die Währungspolitik der Kopf-Europäerin Merkel könnte den Euro sichern - und das Erbe des großen Gefühls-Europäers Kohl retten. Kanzler Helmut Kohl war ein großer Gefühls-Europäer. Hätten sich die griechischen Probleme noch zu seiner Zeit gestellt, er wäre aus seinem Gefühl heraus großzügiger und freigiebiger gewesen als Angela Merkel. Sie ist eine Kopf-Europäerin: Für sie ist Europa so etwas wie ein eingetragener Verein, die Staaten sind da Mitglieder. Für Kohl dagegen war und ist Europa eine weitverzweigte Familie. EU-Gipfel waren daher für ihn ein Treffen der armen, der reichen und buckligen Verwandtschaft. Für die Kanzlerin Merkel handelt es sich bei EU-Gipfeln um Vereins-Vorstandsitzungen. Das prägt die Art, die Probleme anzugehen. Kohl hätte gesagt, dass die griechischen Probleme letztlich europäische Probleme sind, und also von den Europäern intern geregelt werden müssen; er hätte sich also die Einschaltung des Internationalen Währungsfonds in Washington verbeten. Diese interne Lösung - billige Kredite für Griechenland - hätte viel gekostet: unter anderem sehr viel deutsches Geld. Kohl hat diese Kosten zu seiner Zeit stets in Kauf genommen; er hat, wenn es um europäische Interessen ging, nationale deutsche Interessen im Zweifel zurückgestellt, weil für ihn europäische Interessen im Zweifel langfristig doch wieder deutsche Interessen waren. Solche Gefühls-Europäerschaft führte aber auch dazu, dass Länder wie Griechenland Mitglied der Eurozone wurden, obwohl alle wussten, dass Griechen & Co die Stabilitätskriterien nur mit Schummeleien erfüllen konnten. Die Schummeleien waren politisch gewollt. Die heutigen Schwierigkeiten resultieren daraus. Es existiert zwar der Euro, aber keine institutionalisierte Möglichkeit der Prävention, um eine Misswirtschaft wie die griechische zu verhindern; es gibt auch keine zuverlässigen Mechanismen, um in und auf Krisensituationen zu reagieren. Wenn Wackelländer augenzwinkernd aufgenommen wurden, kann man sie wegen Wackelns nicht später wieder hinauswerfen; es hätte sich aber die Pflicht ergeben, das Wackeln in diesen Ländern zu beenden. Das konnte aber nicht geschehen, weil es keine vertraglichen Möglichkeiten dafür gab; der Vertrag ging ja von stabilen Ländern aus. Das heißt: Es braucht neue Verträge, in denen solche präventiven Mittel und repressiven Mechanismen eingeführt werden; es braucht den Europäischen Währungsfonds, der dieses vorsieht. Der jetzige Griechenland-Hilfsplan ist allererste Hilfe am Unfallort: Er stoppt die Währungs-Spekulation und schrammt dabei am Rande der Legalität entlang, nämlich am Rande der geltenden Verträge. Er verschafft aber damit der EU die Luft und die Zeit, die sie braucht, um die derzeitigen Verträge klug zu ändern. Die vermeintlich geizige, die vermeintlich Anti-Kohlsche-EU-Politik Angela Merkels könnte also eine etwas komplizierte Einleitung für eine neue Währungspolitik sein, die den Euro wirklich sichert. Eine solche Politik brächte das Gefühls- und das Kopf-Europa, das Kohl- und Merkel-Europa, wieder zusammen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/deutsche-europapolitik-angela-merkel-frau-anti-kohl-1.7576
Deutsche Europapolitik - Angela Merkel - Frau Anti-Kohl?
00/03/2010
Die Währungspolitik der Kopf-Europäerin Merkel könnte den Euro sichern - und das Erbe des großen Gefühls-Europäers Kohl retten.
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Bevor die Cheonan an der Seegrenze zu Nordkorea sank, feuerte die Besatzung einen Warnschuss ab: Gegen eine nordkoreanische Bedrohung - oder einen Vogelschwarm? Nordkorea ist offenbar nicht in den Untergang eines Schiffs der südkoreanischen Marine im Gelben Meer verwickelt. Dies legten die bisherigen Untersuchungen nahe, sagte ein hochrangiger südkoreanischer Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Yonhap. Die Unglücksursache sei jedoch weiterhin unklar. Das südkoreanische Kriegsschiff war am Freitag während einer Patrouillenfahrt vor der Insel Baengyeong nahe der umstrittenen Seegrenze zu Nordkorea gesunken. Spekulationen über einen Angriff Nordkoreas 46 Seeleute werden nach dem Untergang der Cheonan noch vermisst. 58 der 104 Seeleute an Bord konnten gerettet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Seoul mit. Nach ersten Spekulationen über einen Angriff eines Kriegsschiffs aus dem Norden bemühte sich die südkoreanische Regierung um eine Beruhigung der Situation. Es sei nicht klar, ob Nordkorea mit dem Vorfall zu tun habe, sagte eine Sprecherin. Es werde auch untersucht, ob eine Explosion im Innern des Schiffes zu dem Untergang geführt haben könnte. Dem Verteidigungsministerium zufolge war am Freitag aus noch ungeklärter Ursache ein Loch im Rumpf entstanden, nachdem das Schiff einen Warnschuss auf ein unbekanntes Objekt abgefeuert hatte. Nach jüngsten Vermutungen könne es sich dabei aber nicht um ein anderes Schiff, sondern um einen Vogelschwarm gehandelt haben. In südkoreanischen Medien hieß es unter Berufung auf Regierungsvertreter, dass es nach Auswertung von Satellitenbildern und anderen Informationen keine Hinweise für Aktivitäten des nordkoreanischen Militärs in dem Seegebiet gebe. Präsident Lee Myung Bak forderte in einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts, in alle Richtungen zu ermitteln. Die Spekulationen über einen Angriff Nordkoreas hatten zuvor die südkoreanische Währung Won belastet und für Unruhe an der Wall Street gesorgt. Die rivalisierenden Staaten hatten sich im November erstmals seit sieben Jahren wieder ein Feuergefecht im Gelben Meer geliefert. Dabei waren die beteiligten Schiffe beschädigt worden. Zwischen den beiden Nachbarn hatten in jüngster Zeit die Spannungen nach Manövern der südkoreanischen Streitkräfte mit der US-Marine zugenommen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nordkorea-vs-suedkorea-suedkoreanisches-marineschiff-gesunken-1.21795
Nordkorea vs. Südkorea - Südkoreanisches Marineschiff gesunken
00/03/2010
Bevor die Cheonan an der Seegrenze zu Nordkorea sank, feuerte die Besatzung einen Warnschuss ab: Gegen eine nordkoreanische Bedrohung - oder einen Vogelschwarm?
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Der US-Präsident kann nach dem Triumph bei der Gesundheitsreform den ersten großen Erfolg in der Außenpolitik verbuchen: ein Abrüstungsabkommen mit Russland. Für den amerikanischen Präsidenten ist dies eine bedeutende Woche, wohl die beste seiner bisherigen Amtszeit. Am Dienstag konnte Barack Obama die Gesundheitsreform, sein wichtigstes innenpolitisches Vorhaben, nach erschöpfendem Ringen unterzeichnen. Zum Wochenende nun kann er seinen ersten wirklich großen außenpolitischen Erfolg verbuchen: die Einigung mit Russland auf die weitere Verringerung der Atom-Arsenale beider Mächte - ebenfalls nach ermüdendem Verhandlungsmarathon. Damit löst Obama sein Versprechen ein, die unter George W. Bush abgebrochenen Verhandlungen wiederzubeleben und die Zahl der Sprengköpfe sowie Trägersysteme deutlich zu reduzieren - um rund ein Drittel. Mehr ist immer denkbar, dennoch dürfte die Einigung das Verhältnis zwischen beiden Mächten entkrampfen und die Tür zu weiteren Abrüstungsgesprächen öffnen. Zweifellos hat der Verzicht auf die Raketenabwehr in Europa, wie sie Bush geplant hatte, die Einigung erst ermöglicht. Allerdings muss Obama den Vertrag nun durch den Senat bringen. Eine Ratifizierung dort ist kein Selbstläufer. Schon haben führende Republikaner vor einem Ausverkauf amerikanischer Interessen und dem einseitigen Verzicht auf die Installation von Raketenabwehrsystemen gewarnt. Obama wird das mit dem Hinweis kontern, dass der neue Vertrag in dieser Beziehung dem Start-Vorgängerabkommen folgt. Das wurde vom republikanischen Präsidenten George Bush senior 1993 unterzeichnet und vom Senat ratifiziert. Wenn man die Ausdauer zum Maßstab nimmt, mit der Obama um Gesundheitsreform und den neuen Abrüstungsvertrag gerungen hat, wird ihm die Ratifizierung auch gelingen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/abruestungsdeal-mit-moskau-obamas-comeback-1.15128
Abrüstungsdeal mit Moskau - Obamas Comeback
00/03/2010
Der US-Präsident kann nach dem Triumph bei der Gesundheitsreform den ersten großen Erfolg in der Außenpolitik verbuchen: ein Abrüstungsabkommen mit Russland.
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Das Bündnis des schiitischen Politikers Ijad Allawi hat bei der Parlamentswahl im Irak die meisten Stimmen erhalten. Das gab die Wahlkommission am Freitagabend in Bagdad bekannt. Auf dem zweiten Platz landete die Rechtsstaat-Koalition des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Maliki zog das Ergebnis in einer ersten Reaktion in Zweifel. Er deutete an, er werde das Resultat anfechten. "Wir bestehen darauf, dass die Wahlzettel erneut von Hand ausgezählt werden", hatte zuvor einer seiner Vertrauten gesagt. Malikis Rechtsstaat-Koalition hatte ihre Forderung nach Neuauszählung zuvor mit angeblichen Manipulationen begründet. Sie wollte sich an das Verfassungsgericht wenden. Ausländische Beobachter hatten die Wahl und die Auszählung als weitgehend korrekt bezeichnet. Knapper Vorsprung Auf Allawis Al-Irakija-Liste entfallen laut Wahlkommission 91 der 325 Mandate. Auf dem zweiten Platz landete mit 89 Sitzen die Rechtsstaat-Koalition Malikis. Den dritten Platz belegte die religiöse Schiiten-Allianz von Ammar al-Hakim und Muktada al-Sadr mit 70 Mandaten. Die Kurden-Allianz darf 42 Abgeordnete ins Parlament entsenden. Die US-Regierung sprach von einer "wichtigen Etappe in der demokratischen Entwicklung des Irak". Außenamtssprecher Philip Crowley beglückwünschte die Iraker zu dem Votum. Es gebe keine Hinweise auf verbreiteten Wahlbetrug. Premier Maliki wird bis zur Bildung einer neuen Regierung weiter amtieren. Die Zusammenstellung eines Kabinetts wird schwierig. Da keine der großen Parteiengruppen eine klare Mehrheit erzielt hat, sind langwierige Koalitionsgespräche unvermeidlich. Je länger die Regierungsbildung dauert, desto näher rückt der Abzugstermin der US-Kampftruppen. Washington will bis Ende August die Einheiten abziehen. Von den derzeit fast 100.000 US-Soldaten im Irak sollen etwa 50.000 bleiben. Diese werden großteils Ausbilder und Berater sein. Nachdem die zweite Parlamentswahl nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein trotz zahlreicher Anschläge erfolgreich verlaufen war, hatte es bei der Auszählung von Anfang an Probleme gegeben. Sie war immer wieder verzögert worden, das Computersystem zusammengebrochen. Malikis Zweifel an der Wahlkommission wirkten jedoch aufgesetzt: Er hatte sich zu Beginn der Auszählung unter Berufung auf erste Zahlen selbst zum Sieger erklärt. Nun sagte er: "Diese Ergebnisse sind nicht endgültig." Vielleicht würde sich ja zeigen, dass einige der Kandidaten gegen Recht verstoßen hätten oder in Terror verwickelt seien. Unterstützung der Sunniten Der offizielle Sieger Allawi ließ sich von seinen Wählern feiern. Vor seinem Haus in Bagdad marschierten Musikkapellen und jubelnde Anhänger auf. Auch in anderen Städten wie Mossul wurde gefeiert. Allawi sagte dem TV-Sender al-Scharkija, er werde sich bemühen, die Beziehungen zwischen dem Irak und den anderen arabischen Staaten zu verbessern. Wie sich im Verlauf der Auszählung zeigte, konnte Allawi die Unterstützung der Sunniten gewinnen: Die sunnitische Minderheit hatte die erste Parlamentswahl 2005 boykottiert und sich so ins politische Aus gebracht. Der säkulare Allawi bietet den Sunniten nun die Chance, sich wieder in den politischen Prozess einzuschalten. Der 65-jährige Allawi, ein Arzt, gilt als Wunschkandidat Washingtons. Er war vor der ersten Parlamentswahl 2005 kurzzeitig Regierungschef des Irak, nachdem ihn der damalige Übergangsregierungsrat auf Drängen der USA eingesetzt hatte. Vor dem Sturz Saddam Husseins hatte Allawi fast 30 Jahre im Exil gelebt, die meiste Zeit davon in Großbritannien. In dieser Zeit soll er sehr enge Kontakte zu US- und britischen Geheimdiensten geknüpft haben. Allawi ist ein säkularer Schiit. Er gilt wie Maliki als Politiker der harten Hand. Bekannt wurde sein Satz: "Wir werden mit der Härte des alten Regimes zurückschlagen, aber ohne dessen Brutalität". Dazu passend wird im Irak erzählt, dass Allawi in einem Bagdader Gefängnis 2004 eigenhändig Gefangene erschossen habe. Verhasst ist er vor allem den religiösen Extremisten. Muqtada al-Sadr, heute einer der wichtigsten schiitischen Politiker, nannte Allawi einst "schlimmer als der Teufel". Bereits 1978 versuchte ein Attentäter im Auftrag des irakischen Geheimdienstes, Allawi nachts in London mit der Axt zu erschlagen - Allawi kam schwer verletzt davon. Wenige Stunden vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse wurden mindestens 42 Menschen bei einem Doppelanschlag im Norden des Landes getötet. 65 Menschen seien verletzt worden, als die beiden Sprengsätze am Freitag auf einem Markt in Chalis, etwa 80 Kilometer nördlich von Bagdad, detonierten, teilte die Polizei mit.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/parlamentswahl-im-irak-knapper-sieg-fuer-die-opposition-1.7869
Parlamentswahl im Irak - Knapper Sieg für die Opposition
00/03/2010
Iraks früherer Regierungschef Allawi hat bei der Parlamentswahl eine knappe Mehrheit errungen. Premier Maliki will das Ergebnis allerdings nicht anerkennen.
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Wenn nächsten Sonntag Wahl wäre - würde Guido Westerwelle kein gelbes Wunder erleben. Einer Umfrage zufolge verliert der Außenminister und FDP-Chef dramatisch an Zuspruch. Kurzmeldungen im Überblick. Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle hat im aktuellen ZDF-Politbarometer dramatisch an Zuspruch verloren. Mit einem Negativrekord von minus 1,3 Punkten (zuvor minus 0,9) auf einer Skala von minus fünf bis plus fünf rutschte er auf Platz zehn der Liste der wichtigsten Politiker ab. Nie zuvor schnitten demnach ein Außenminister oder ein FDP-Vorsitzender im Politbarometer schlechter ab. Die Liste der wichtigsten Politiker führt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Knapp auf Platz zwei liegt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Es folgen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU), SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). In der politischen Stimmung verbesserten sich CDU und CSU um einen Punkt auf 40 Prozent. Die SPD legte um zwei Punkte auf 28 Prozent zu. Klare Verluste fuhr dagegen die FDP ein, die drei Punkte einbüßte und nun bei nur noch sechs Prozent liegt. Bei der Bundestagswahl im September waren die Liberalen noch auf 15 Prozent gekommen. Die Linke liegt derzeit bei elf Prozent, die Grünen kommen auf 13 Prozent. Die Union hält weiter an Gorleben als Atommüll-Endlager fest, Obama kann die Israelis nicht von sich überzeugen und Gesundheitsminister Rösler stellt ein Arzneimittel-Sparpaket vor: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-guido-ohne-fans-1.6467
Guido ohne Fans
00/03/2010
Wenn nächsten Sonntag Wahl wäre - würde Guido Westerwelle kein gelbes Wunder erleben. Einer Umfrage zufolge verliert der Außenminister und FDP-Chef dramatisch an Zuspruch. Kurzmeldungen im Überblick.
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Washington und Moskau haben sich auf ein Abrüstungsabkommen geeinigt, das den ausgelaufenen Start-Vertrag ersetzen soll. Die Zahl der Atomwaffen soll um 25 Prozent verringert werden. Die USA und Russland haben sich nach auf ein Abrüstungsabkommen geeinigt, mit dem die Zahl der Atomwaffen um 25 Prozent verringert werden soll. Das Abkommen soll den Start-Vertrag von 1991 ersetzen, der im Dezember vergangenen Jahres auslief. Der 1991 unterzeichnete Vertrag gilt als Grundpfeiler der Rüstungskontrolle. "Mit diesem Abkommen senden die USA und Russland - die beiden weltgrößten Atommächte - ein klares Signal, dass wir führen wollen", sagte US-Präsident Barack Obama vor Journalisten im Weißen Haus. Das Abkommen stehe für zwei zentrale Ziele seiner Präsidentschaft: die atomare Abrüstung und die Verbesserung der amerikanischen Beziehungen zu Russland. "Wenn die USA und Russland effektiv zusammenarbeiten können, ist das im Interesse beider Staaten und der Sicherheit weltweit", sagte Obama. Obama hatte zuvor in einem Telefonat mit dem russischen Staatschef Dmitrij Medwedjew die letzten offenen Punkte des neuen Vertragswerks geklärt. Beide Staaten wollen in dem "Neuen Start-Vertrag" eine Beschränkung auf etwa 1550 Atomsprengköpfe festschreiben. Zugelassen werden ferner 700 Trägerraketen oder schwere Bomber. Nach den bisherigen Regelungen müssen die USA und Russland ihre Arsenale bis 2012 auf 1700 bis 2200 Atomsprengköpfe verkleinern. Die US-Regierungskreise berichteten, Washington habe verhindert, dass die Frage der umstrittenen US-Raketenabwehr in dem Vertrag erwähnt wird. Außerdem hätten die Amerikaner durchgesetzt, dass beide Seiten einander über Raketentests informieren müssten. In dieser Frage hatte sich Russland bisher widerwillig gezeigt, weil es eine neue Generation von Interkontinentalraketen entwickelt. Der Abrüstungsvertrag sieht demnach neue Kontrollmechanismen vor, die weniger umständlich und teuer sein sollen als nach der alten Regelung. Medien hatten zuvor berichtet, dass Russland und die USA den neuen Abrüstungsvertrag noch vor dem Gipfeltreffen zur Atomsicherheit am 12. und 13. April unterzeichnen wollten. Die Unterhändler beider Seiten ringen seit Monaten um den letzten Schliff für das neue Abkommen zur atomaren Abrüstung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/atomwaffenarsenal-russland-und-usa-ruesten-ab-1.3476
Atomwaffenarsenal - Russland und USA rüsten ab
00/03/2010
Washington und Moskau haben sich auf ein Abrüstungsabkommen geeinigt, das den ausgelaufenen Start-Vertrag ersetzen soll. Die Zahl der Atomwaffen soll um 25 Prozent verringert werden.
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Seit fünf Monaten sucht die schwarz-gelbe Koalition eine gemeinsame Idee. CDU-Umweltminister Norbert Röttgen, 44, und FDP-Generalsekretär Christian Lindner, 31, beide aus Nordrhein-Westfalen, plädieren wenige Wochen vor der Landtagswahl für eine moderne Ausrichtung der sozialen Marktwirtschaft. Das "Duett" ist auch ein Zeichen: Röttgen, Vertrauter der Kanzlerin und stets schwarz-grüner Umtriebe verdächtig, bekennt sich zur Koalition mit der FDP. Deutschland steht vor enormen Herausforderungen, die Ordnung verlangen. Wir brauchen erstens Wachstum, wenn wir den demographischen Wandel und die globale Arbeitsteilung ohne Wohlstandsverluste bewältigen wollen. Wachstum setzt Freiheit voraus, weil nur die marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung Initiative belohnt und das in der Gesellschaft dezentral vorhandene Wissen mobilisiert. Zweitens kann sich diese Freiheit aber gegen ihre eigenen ökonomischen und ökologischen Grundlagen wenden, wenn sie von der Übernahme von Verantwortung für nachhaltige Entwicklungen entbunden wird - das bezeugen die krisenhaften Exzesse der jüngsten Vergangenheit. An Strahlkraft verloren Die Beschleunigung und die Globalisierung der Marktprozesse sowie der von ihnen ausgehende Produktivitätsdruck erhöhen zugleich drittens die individuellen Anforderungen an Qualifikation und Flexibilität - der Preis politischer Untätigkeit wären in Deutschland bislang unbekannte soziale Unsicherheit und Ungleichheit. Die Antwort auf diese Herausforderungen ist die soziale Marktwirtschaft. Sie hat allerdings - als Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell - an Strahlkraft verloren. Nicht wenige ziehen mehr staatliche Steuerung vor, obwohl längst eine Neudefinition der Staatsaufgaben nötig ist. Worin ist dieses Vertrauensdefizit begründet? Der Ordnung der Freiheit wohnt "ein der Ausgestaltung harrender, progressiver Stilgedanke" (Alfred Müller-Armack) inne. Tatsächlich wurden die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft aber einerseits nicht konsequent eingehalten und andererseits angesichts neuer Rahmenbedingungen zu lange nicht weiterentwickelt. Die soziale Marktwirtschaft zu erneuern, das ist der Gestaltungsauftrag der christlich-liberalen Koalition. Die soziale Marktwirtschaft "in die neue Zeit zu setzen" heißt, ihre gesellschaftliche Friedensidee als ihre eigentliche kulturelle Errungenschaft wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Es ist die Verbindung von Fortschritt und sozialem Ausgleich, von Teilhabe und Leistungsgerechtigkeit, die wir anstreben. Wir öffnen neue Spielräume für individuelle Kreativität, indem wir privates Engagement und Staatstätigkeit durch bürokratisches und fiskalisches Augenmaß wieder in eine neue Balance bringen. Die Vermessung der Freiheit Unsere Freiheit muss sich an der Freiheit nachfolgender Generationen und an der Freiheit der Menschen an anderen Orten unserer Welt messen lassen. Wir streben diese ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit aber nicht gegen den Markt an, sondern indem wir die Dynamik seiner Wettbewerbsordnung in ihren Dienst stellen. Wir schaffen neue Sicherheit und faire Teilhabechancen über eine Kultur der Neugier und über ein vernetztes Bildungswesen, das keine Sackgassen kennt und niemanden zurücklässt. Drei Beispiele, wofür die christlich-liberale Koalition einstehen sollte: Leistungsfähige Finanzmärkte schaffen Wachstum, weil sie beispielsweise Kapital für Innovationen auch in frühen Entwicklungsphasen bereitstellen. Sie halten zur effizienten Mittelverwendung an. Und mit neuen Finanzinstrumenten sichern sich auf den Weltmärkten agierende Unternehmen gegen Währungs- und Rohstoffrisiken ab. Von dieser dienenden Funktion für die sogenannte Realwirtschaft haben sich die Finanzmärkte abgekoppelt. Die Finanzmarktkrise hat die Ordnungsbedürftigkeit des Finanzmarktes aufgezeigt. Verkümmerte ethische Maßstäbe Vieles, was wir vor und während der Krise gesehen haben, widerspricht dem Geist und den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft: Ethische Maßstäbe waren verkümmert, Denken häufig auf Quartalsberichte verkürzt, Grundsätze der Haftung wurden klein geschrieben - Akteure, die von hohen Renditen profitiert haben, haben Risiken auf die Gemeinschaft abgewälzt. Die Folgen treffen so in vielen Fällen gerade diejenigen, denen kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. So werden Vermögenswerte und Vertrauen gleichermaßen vernichtet. Für unsere Antwort auf die Finanzmarktkrise müssen Transparenz, Verantwortlichkeit und realwirtschaftlicher Nutzen maßgeblich sein. Durch falsche Regelsetzung konnten Freiheit und Verantwortung, Risiko und Haftung zu lange getrennt werden. Auch auf den Finanzmärkten gilt aber der Grundsatz: Eigentum verpflichtet. Das magische Dreieck von Rendite - Risiko - Sicherheit muss um Nachhaltigkeit erweitert werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/plaedoyer-fuer-schwarz-gelb-eine-neue-ordnung-mit-bewaehrten-prinzipien-1.17816
Plädoyer für Schwarz-Gelb - Eine neue Ordnung mit bewährten Prinzipien
00/03/2010
In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung plädieren CDU-Umweltminister Röttgen und FDP-Generalsekretär Lindner für eine Besinnung auf die soziale Marktwirtschaft.
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Verordnete Osterruhe: Mit Streitereien sind keine Wahlen zu gewinnen. Darum soll bis zur NRW-Wahl Ruhe herrschen im schwarz-gelben Gebälk. Vielleicht schaffen sie es ja, frei nach dem Kabarettisten Dieter Nuhr, jetzt einfach mal die Klappe zu halten. Wenigstens in den kommenden sechs Wochen bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Nichts wünschen sich die Besonnenen in der schwarz-gelben Koalition sehnlicher. Bitte, bitte, keine römischen Ausfälle à la Guido Westerwelle. Keine Söder'schen und Dobrindt'schen Blutgrätschen, keine Familienfreuden auf Regierungsreisen, keine derzeit ohnehin nicht lösbaren Spiegelfechtereien um Steuersenkungen und Gesundheitsreformen. Die Koalition hat sich in den wenigen Monaten seit der Bundestagswahl beinahe selbst zerlegt. Ohne erkennbares Zutun der Oppositionsparteien wird sie Woche für Woche mit desaströsen Umfragewerten bestraft. Eine Umfrage-Mehrheit im Bund hat Schwarz-Gelb schon seit Wochen nicht mehr. Und in Düsseldorf erscheint es von Mal zu Mal unwahrscheinlicher, dass Jürgen Rüttgers (CDU) sein schwarz-gelbes Bündnis nach der Landtagswahl noch fortführen kann. Schohn mahnt der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, an Rhein und Ruhr hätten ja lange die Sozialdemokraten regiert. Das sei kein klassisches CDU-Land. Union und FDP müssten jetzt "die Nerven behalten". Darum: Ruhe bitte! Doch es reicht offenbar nicht, den Zeigefinger an den Mund zu führen. Da muss schon mehr her. Zum Beispiel ein Schulterschluss zwischen CDU-Mann und Umweltminister Norbert Röttgen und FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Beide sind noch verhältnismäßig jung, oder wirken zumindest so. Beide kommen aus Nordrhein-Westfalen. Beide wissen: Wenn Schwarz-Gelb dort verlorengeht, dann waren die innerkoalitionären Streitereien der vergangenen Wochen Pipifax gegen den Sturm, der danach losbrechen wird. Ein Papier mit Symbolkraft In der Süddeutschen Zeitung haben Röttgen und Lindner jetzt einen gemeinsamen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie versuchen, neue Anforderungen an die soziale Marktwirtschaft zu definieren. Mehr Ökologie und Nachhaltigkeit, mehr unternehmerische Freiheit, mehr Realwirtschaft, weniger Finanzkapitalismus. Auf diese Formel verkürzt lässt sich der Text zusammenfassen. Viel Neues steht also nicht drin. Von Symbolkraft aber ist, dass diese beiden Politiker sich zusammengetan haben. Manchen in der Koalition wird das vorkommen wie ein Pakt unter Feinden, der Text wie eine Art Waffenstillstandsabkommen. Röttgen steht notorisch unter Verdacht, die Grünen mehr zu mögen als die FDP. Lindner hingegen steht für eine FDP, der Westerwelle - wenn nicht gewollt, so doch gebilligt - mit seinen Äußerungen zum Sozialstaat einen rechtspopulistischen Zug gegeben hat. Aber weder ist Röttgen ein Grüner, noch Lindner ein neoliberaler Hassprediger. Der FDP-Mann hat kürzlich ein Papier zur Reform des Sozialstaates aufgelegt, zu dem selbst aufrechte Sozialdemokraten sagen, dass so was der SPD vor der Bundestagswahl durchaus hätte helfen können. Beide zeigen den Weg auf, mit dem Union und FDP möglicherweise besser vorankommen als mit Gepolter, Geätze und Gestöhne. Nennen wir es mal: Mut zur Sachlichkeit und - als Botschaft an die Oberstreithansel aus CSU und FDP - das Ganze bitte geräuscharm. Passend verbreitete NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, er wolle nicht mit den Grünen regieren. Natürlich sei Schwarz-Geld die beste Wahl. Die Koalitionsverhandlungen als FDP-Roadshow Seit sie zusammen regieren, wird in der FDP gejammert, die Kollegen von der Union hielten sich nicht an Absprachen. Sie wollten die Liberalen nur über den Tisch ziehen mit dem Ziel, die FDP wieder unter zehn Prozent zu drücken. In der Tat ist die FDP mit ihren 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl der CDU und vor allem der CSU einige Prozentpunkte zu groß geworden. Andererseits war die FDP nach der Wahl derart im Siegesrausch, dass Parteichef Guido Westerwelle die Koalitionsverhandlungen kurzerhand in eine FDP-Roadshow mit Guidomobil verwandelte. Die andere Seite konnte nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern. So verhandelte die Union Finanzierungsvorbehalte und vage Begriffe wie "möglichst" an den entscheidenden Stellen in den Text der Koalitionsvereinbarung hinein. Sonst hätte es wohl bis Weihnachten keine Einigung gegeben. Ziel war es, die FDP der harten Realität auszusetzen. Jeder FDP-Minister sollte am eigenen Leib spüren, dass Haushaltsdisziplin im wahren Leben nichts zu tun hat mit dem Formulieren von Maximalforderungen in Wahlprogrammen. Das Erstaunliche ist nur, dass es so lange dauert, bis die Liberalen zur Vernunft kommen. Und mulmig wird einem, dass so eine Strategie überhaupt nötig war. Vielleicht ist in dieser Woche ja ein erster Schritt gemacht worden. Das letzte koalitionskracherne Nachbeben provozierte Anfang der Woche der bayerische Gesundheitsminister und Talkshow-Dauergast Markus Söder (CSU) mit seinem Alternativmodell für eine Gesundheitsreform. Seitdem ist erstaunlicherweise Ruhe. In der Frage Steuerreform scheint die FDP - langsam, aber sicher - zu verstehen, dass die Menschen die FDP nicht mehr verstehen. Einerseits ist gerade der mit 80 Milliarden Euro größte Schuldenetat der bundesrepublikanischen Geschichte verabschiedet worden. Andererseits glaubt die FDP, zusätzliche 20 Milliarden Euro für die Mittelschicht seien kein Problem. Seriösen Haushältern muss es gefallen haben, dass nach ersten Medienberichten über einen Steuersenkungsschritt noch vor der Landtagswahl in NRW das Projekt umgehend kassiert wurde. Stattdessen scheint die Koalition dazu übergehen zu wollen, das Land zu regieren. FDP-Jungstar und Gesundheitsminister Philipp Rösler setzt sich durch mit seinem Plan, den Pharmaherstellern die Preise zu diktieren. Die lange strittige Reform der Jobcenter ist durch. Die Managerhaftung wird neu geregelt. Das Bafög soll erhöht, ein Stipendienprogramm aufgelegt und forschenden Unternehmen sollen Steuernachlässe gewährt werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelb-jetzt-lieber-mal-die-klappe-halten-1.9892
Schwarz-Gelb - Jetzt lieber mal die Klappe halten
00/03/2010
Verordnete Osterruhe: Mit Streitereien sind keine Wahlen zu gewinnen. Darum soll bis zur NRW-Wahl Ruhe herrschen im schwarz-gelben Gebälk.
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mlsum_de-train-342
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Material ermüdet und Technologien ändern sich: Deshalb ist es fahrlässig, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern. Es gibt energiepolitisch Wichtigeres zu tun. Ein Kernkraftwerk ist kein Fahrrad. Ein Fahrrad lässt sich flicken, schweißen, beliebig oft überholen; und würde es nicht vorher ausgetauscht oder geklaut - womöglich würde es ewig halten. Bei Kernkraftwerken liegen die Dinge anders. Es mag sich vieles daran reparieren und modernisieren lassen. Aber seine Struktur bleibt immer gleich: Aus einem alten Siedewasserreaktor wird eben keine moderne Druckwasseranlage. Seine Wände lassen sich nicht mal eben so sehr verdicken, dass es jeden Flugzeugabsturz überlebt. Ein Atomkraftwerk ist nichts für die Ewigkeit, auch wenn mancher in der Union das nicht glauben mag. Auf Drängen der Unionsfraktion wird die Koalition nun prüfen, ob sich die Laufzeiten der deutschen AKWs auch auf insgesamt 60 Jahre verlängern lassen. Für die Kraftwerke, von denen die ältesten übrigens die meisten Störungen aufweisen, wäre das keine besonders beruhigende Dimension. Material ermüdet, Technologien ändern sich - was die Koalition da treibt, ist nuklearer Leichtsinn. Vor allem aber verstellt die Debatte den Blick aufs Notwendige. Denn ungeachtet ihrer Laufzeiten wird sich eines nicht ändern: Deutschlands Reaktoren sind Auslaufmodelle. Neue werden angesichts der Widerstände nicht mehr errichtet werden; zumal es längst bessere Technologien gibt. Aufgabe dieser Koalition wäre es, über die Zeit nach der Kernkraft nachzudenken, die Weichen für eine alternative, klimafreundliche Stromversorgung zu stellen. Mit immer neuen Plänen für die Atomkraft aber hintertreibt die Koalition diese Aufgabe. Anstatt Konzepte für ein neues Energiesystem auf den Weg zu bringen, gibt sie Garantien für ein altes. Zumindest bis zum ersten ernsten Zwischenfall.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/atomkraft-verlaengerung-der-laufzeiten-nuklearer-leichtsinn-1.10121
Atomkraft: Verlängerung der Laufzeiten - Nuklearer Leichtsinn
00/03/2010
Material ermüdet und Technologien ändern sich: Deshalb ist es fahrlässig, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern. Es gibt energiepolitisch Wichtigeres zu tun.
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mlsum_de-train-343
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Alle wettern gegen den türkischen Premier: Nun hat auch die Bundeskanzlerin klargestellt, dass sie nichts von türkischen Gymnasien in Deutschland hält. Oft zieht es Angela Merkel bei unangenehmen Fragestellungen vor, einfach zu schweigen, die Situation auszusitzen. Umso schwerer wiegt nun ihre Ablehnung türkischer Gymnasien in Deutschland: "Das führt aus meiner Sicht nicht weiter, denn grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen", stellte die Bundeskanzlerin in der Passauer Neuen Presse klar - und das nur wenige Tage vor ihrer Reise in die Türkei. Merkel sagte, sie "halte nichts von der Vorstellung, dass alle türkischen Schüler hier auf ein türkisches Gymnasium gehen sollen". Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit angeregt, türkischstämmige Kinder in ihrer Muttersprache zu unterrichten. "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien - warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?", hatte Erdogan gefragt. Er hatte seinen Vorschlag mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler der drei Millionen Türken in Deutschland begründet: "Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch - und das ist leider selten der Fall." Auch nach dem Abitur sollten seine Landsleute in Deutschland eine türkisch geprägte Ausbildung verfolgen können. Kritik von allen Seiten Für seine Ideen erntete Erdogan Kritik von allen Seiten. Vorhersehbar waren negative Äußerungen von Unionspolitikern - schließlich stehen CDU und CSU der Türkei ohnehin kritisch gegenüber und lehnen auch den EU-Beitritt des Landes ab. So sagte der CDU-Politiker und innenpolitische Experte Wolfgang Bosbach dem Kölner Stadt-Anzeiger, er "glaube nicht, dass es die Integration fördern würde, wenn wir türkische Gymnasien einrichten, in denen der Unterricht in türkischer Sprache abgehalten wird". Und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nannte Erdogans Forderungen im Gespräch mit Spiegel Online "im Vorfeld des Besuchs unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel" einen "Affront". Doch auch Politiker anderer Parteien, Menschenrechtsvertreter und Schulexperten missbilligten Erdogans Vorstoß. So warf die SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz dem türkischen Regierungschef im ZDF vor, er spiele mit Emotionen. "Nationaler Ton" Und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele griff Erdogan scharf an. "Mir gefällt der nationale Ton überhaupt nicht", sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete der Saarbrücker Zeitung. Er "fürchte, dass es innenpolitische Gründe sind, um für die türkische Community in Deutschland auf dem nationalen Instrument zu spielen. Das halte ich nicht für gut und richtig." Migranten könnten in Deutschland "überhaupt nur am Leben teilnehmen und vorankommen", wenn sie die deutsche Sprache beherrschten. Lesen Sie auf Seite 2, welche weiteren Themen Angela Merkel auf ihrer Türkei-Reise ansprechen wird.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-tuerkische-schulen-merkel-kontra-erdogan-1.1548
Debatte um türkische Schulen - Merkel kontra Erdogan
00/03/2010
Alle wettern gegen den türkischen Premier: Nun hat auch die Bundeskanzlerin klargestellt, dass sie nichts von türkischen Gymnasien in Deutschland hält.
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Die Bundeswehr wirbt um Sympathie und Nachwuchs - und nutzt dafür auch einen Schießsimulator. Darf die Bundeswehr so vor Schülern auftreten und für sich werben? Kritiker befürchten, schon Kinder würden so "auf Kurs gebracht". Es sollte ein Informationstag über "marktgängige Berufe bei der Bundeswehr" werden, für den 50 Schüler des Berufsbildungszentrums Plön in Schleswig-Holstein kürzlich in die Heeresflugabwehrschule Todendorf gefahren waren. So hatte es zumindest - und zwar ausschließlich - im Konzept der Bundeswehr gestanden, das Schulleiter Axel Böhm im Vorfeld erhalten hatte. Dass neben kriegsfernen Berufen wie Mechaniker oder Bürokaufmann auch ein Schießsimulator eine Rolle spielen würde, ahnte vorher keiner. Und erst recht nicht, dass die Schüler dort mit Handfeuerwaffen Zielübungen machen dürften, darunter - entgegen den Vorschriften der Bundeswehr - sogar Minderjährige. "Das war vorher nicht ersichtlich. Dafür hätte ich nie Unterrichtszeit bereitgestellt, wir wären nicht hingefahren", sagt Böhm heute. Einige Monate zuvor hatte ein Soldat, wie regionale Medien berichten, in einer anderen Kaserne vor begeisterten Achtklässlern aus Ostholstein geprahlt, als er das computeranimierte Schieß-Kino vorführte: "Tausend Mal besser als die Spielkonsole zu Hause." Dies sind - nach jetzigem Stand - Einzelfälle, doch sie befeuern eine Grundsatzfrage: Wie darf die Bundeswehr in Schulen auftreten und somit auch in gewisser Weise für sich selbst werben? Jüngst haben die Kultusminister von fünf Bundesländern mit der Bundeswehr Rahmenabkommen geschlossen, mit denen die Armee offizieller Bildungspartner wird: für Vorträge von Jugendoffizieren, für Lehrer-Schulungen in Sicherheitsfragen oder Exkursionen in Kasernen. Etwa in Rheinland-Pfalz, wo das Ministerium aber ausdrücklich betont, man intensiviere auch den Kontakt zu Kirchen oder Friedensdiensten, um "einen gleichberechtigten Beitrag zur Demokratieerziehung" zu ermöglichen. Neben Rheinland-Pfalz handelt es sich nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung um das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. In Hessen wird derzeit intern an einer solchen Vereinbarung gearbeitet, in Bayern "das sehr hochwertige Angebot" geprüft, heißt es. Thema Sicherheit in den Schulen unterentwickelt "Wir stellen seit Jahren fest, dass das Thema Sicherheit und Verteidigung in den Schulen unterentwickelt ist", sagt ein Bundeswehrsprecher. Es gehe um ein "gesellschaftliches Signal", um den klassischen Auftrag der politischen Bildung. Man wolle die Lehrer unterstützen und "entlasten" und dabei auch "durchaus selbstkritisch" sein. Berufsmöglichkeiten würden nur dann erörtert, wenn dies von der Schule so gewünscht werde. Gerade bei den Jugendoffizieren gehöre Nachwuchsfindung absolut nicht zu den Aufgaben. Vielleicht zeige aufgrund der Informationen jemand Interesse für die Bundeswehr und lasse "sich animieren" - der Offizier gehe aber nicht aus diesem Grund in die Schulen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-an-schulen-kameraden-im-klassenzimmer-1.15788
Bundeswehr an Schulen - Kameraden im Klassenzimmer
00/03/2010
Die Bundeswehr wirbt um Sympathie und Nachwuchs - und nutzt dafür auch einen Schießsimulator. Darf die Bundeswehr so vor Schülern auftreten und für sich werben? Kritiker befürchten, schon Kinder würden so "auf Kurs gebracht".
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Der pädophile Pfarrer H. arbeitete nach seiner Versetzung nach München wieder mit Kindern zusammen. Kardinal Ratzinger wusste davon - und schwieg. Papst Benedikt XVI., damals in seiner Funktion als Erzbischof in München, wusste mehr über die Wiedereinsetzung des pädophilen Pfarrers H, als der Vatikan zunächst zugegeben hatte. Das berichtet die New York Times und beruft sich auf Aussagen von Kirchenmitarbeitern. Es geht um Pfarrer H., jenen Geistlichen, der als Kaplan von Essen nach München kam, weil er Kinder sexuell missbraucht hatte. Am 15. Januar 1980 leitete Erzbischof Joseph Ratzinger ein Treffen des Ordinariatsrats des Bistums. Die Causa H. stand neben Todesfällen von Priestern, dem Kauf eines Gemäldes und dem Umgang mit Einwanderern als Tagesordnungspunkt auf der Agenda des Treffens. Trotz bekannten Missbrauchsfällen wieder in Jugendarbeit eingesetzt Tagespunkt 5d besteht aus dem Antrag, dem pädophil aufgefallenen Pfarrer H. aus Essen eine Therapie sowie Kost und Logis in München zu gewähren. Der Ordinatsrat stimmte diesem Vorschlag zu. Über eine Wiederaufnahme seiner Pfarrertätigkeiten wurde nicht entschieden. Wie ausführlich sich Ratzinger zum Fall des Kaplans, der in Essen mehrere Jungen missbraucht hatte, geäußert hat, ist nicht bekannt. Pastor Friedrich Fahr, der mit der Aufklärung des Falls H. von Anfang an betraut war, hielt jedoch nach dem Treffen laut New York Times außergewöhnlich engen Kontakt zu Kardinal Ratzinger. Ratzinger wurde über die Wiedereinsetzung des Pfarrers informiert Am 20. Januar 1980, nur fünf Tage nach dem Beschluss des Ordinariatsrats, beschloss Generalvikar Gerhard Gruber, Pfarrer H. in München ohne jegliche Einschränkung für Gemeindetätigkeiten mit Jugendlichen und Kindern wiedereinzusetzen. Wie nun bekannt wurde, erhielt Joseph Ratzinger über diesen Beschluss eine schriftliche Bestätigung - und ignorierte den Vorfall. Sofort nach seiner Ankunft in München, am 1. Februar 1980, arbeitete Pfarrer H. wieder als Priester. Eine Therapie begann er erst in der darauffolgenden Zeit. Sein damaliger Therapeut, Doktor Werner Huth, wollte die Behandlung des damals 32-Jährigen zunächst ablehnen. "Er zeigte wenig Einsicht in das, was geschehen war, er war nicht bereit, sich zu hinterfragen, es mangelte eklatant an Introspektionsfähigkeit, es gab bei ihm kaum das Bewusstsein, dass er sich ändern muss", sagte Huth gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Von Anfang an habe er das Erzbistum gewarnt vor dem wenig einsichtsfähigen Mann. Er habe mit dem damaligen Weihbischof Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen geredet, auch mit Generalvikar Gruber. Gruber wies in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung alle Vorwürfe von sich: "Nachdem, was mir die Therapeuten sagten, war es möglich, dass der Pfarrer wieder eingesetzt wird." Therapeut Huth zeichnet ein anderes Bild des Geistlichen: "Ich habe ihm drei Auflagen gemacht: Erstens muss er sich von Kindern und Jugendlichen fernhalten, zweitens darf er keinen Alkohol trinken, drittens muss er sich einen Supervisor suchen, der ihn kontrolliert." 1986 wurde H. zu 18 Monaten Haft auf Bewährung wegen Kindesmissbrauch verurteilt - er hatte mit Jugendlichen in seiner Privatwohnung Pornofilme angeschaut und sie zum Onanieren animiert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-benedikt-xvi-fatales-schweigen-1.2141
Papst Benedikt XVI. - Fatales Schweigen
00/03/2010
Der pädophile Pfarrer H. arbeitete nach seiner Versetzung nach München wieder mit Kindern zusammen. Kardinal Ratzinger wusste davon - und schwieg.
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Beanstandung von Verfahrensfehlern und Drohungen gegen Demokraten: Republikaner und Gegner des Gesetzes haben alles versucht, Obamas Gesundheitsreform doch noch zu kippen - vergeblich. In aufgeheizter Stimmung wurde die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama am Donnerstag endgültig verabschiedet. Nach dem Senat billigte das Repräsentantenhaus eine Reihe technischer Änderungen. Unterdessen klagen demokratische Abgeordnete, die sich für das innenpolitische Kernanliegen von Präsident Barack Obama stark gemacht hatten, über Drohungen gegen sie. 220 Abgeordnete stimmten für den Änderungsentwurf zur Gesundheitsreform, 207 votierten dagegen. Als die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, das Ergebnis verkündete, gab es neben Jubel auch Buh-Rufe. Einschüchterungsversuche gegen Demokraten Die erneute Befassung des Repräsentantenhauses war notwendig geworden, weil die oppositionellen Republikaner nach der Abstimmung vom Sonntag Verfahrensfehler beanstandet hatten. Im Senat wurde der Änderungsentwurf am Donnerstag mit 56 zu 43 Stimmen verabschiedet. Kein Republikaner votierte dafür, auch drei demokratische Abgeordnete stimmten mit Nein. Es wird erwartet, dass US-Präsident Obama das Gesetz mit seiner Unterschrift in den nächsten Tagen endgültig in Kraft setzt. Der demokratische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, sagte dem Nachrichtensender CNN, mehr als zehn Demokraten hätten Drohungen erhalten, in einem Büro der Abgeordneten Louise Slaughter sei eine Fensterscheibe mit einem Stein eingeworfen worden. Slaughter selbst sagte am Donnerstag, ihr sei telefonisch mit Heckenschützen gedroht worden. Nach mehr als einem Jahr scharfer Debatte hatte die Reform, die erstmals in der Geschichte der USA fast allen Bürgern Zugang zu einer Krankenkasse sichern soll, am vergangenen Sonntag die wichtigste parlamentarische Hürde passiert. Mit knapper Mehrheit hatten die Abgeordneten für ein Reformpaket gestimmt, das der Senat bereits im Dezember verabschiedet hatte, sowie für einen Änderungsentwurf. Am Dienstag setzte Obama die Reform mit seiner Unterschrift in Kraft. Um die historische Gesundheitsreform gegen den geschlossenen Widerstand der Republikaner durchzusetzen, hatten sich die Demokraten eines gesetzgeberischen Tricks bedient. Nach dem üblichen Verfahren hätten beide Gesetzeskammern nach der Verabschiedung separater Entwürfe einen gemeinsamen Kompromiss ausarbeiten und über diesen dann nochmals abstimmen müssen. Da die Republikaner aber seit einer Senatsnachwahl im Januar über eine Sperrminorität verfügen, hätte der Kompromissentwurf den Senat nicht mehr passiert. Deshalb billigte das Repräsentantenhaus am Sonntag zunächst den Senatsentwurf und beschloss dann eine Reihe von Änderungen (Reconciliation Bill), mit denen sich am Donnerstag wiederum der Senat befassen musste - für die Zustimmung zu dem 150 Seiten starken Änderungsentwurf reichte jedoch die einfache Mehrheit im Senat. Die Gesundheitsreform soll stufenweise bis 2018 in Kraft treten. Sie soll in den kommenden Jahren bis zu 32 Millionen unversicherten Amerikanern die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse ermöglichen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-gesundheitsreform-letzte-huerde-genommen-1.20915
Letzte Hürde genommen
00/03/2010
Beanstandung von Verfahrensfehlern und Drohungen gegen Demokraten: Republikaner und Gegner des Gesetzes haben alles versucht, Obamas Gesundheitsreform doch noch zu kippen - vergeblich.
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Elisabeth Noelle-Neumann ist tot. Sie führte nach dem Krieg als Erste Meinungsumfragen in Deutschland ein und polarisierte nicht nur mit ihrer "Schweigespirale". Bis ins hohe Alter nahm Elisabeth Noelle-Neumann lebhaften Anteil an Dingen, die sie angingen. Ihr Leben hat sie nicht enttäuscht. Das Institut für Demoskopie in Allensbach ist stets erfolgreich gewesen. Elisabeth Noelle-Neumann hatte keinen Anlass zur Resignation. Sie behielt die Kraft, an sich selbst zu glauben. Und so glaubte sie auch an andere und setzte sich ein - für Doktorandinnen und Autoren zum Beispiel, die sie für begabt hielt. Die Tochter des Fabrikanten Ernst Noelle wurde 1916 in Berlin geboren. Wie damals üblich, absolvierte sie ihr Studium in verschiedenen Fächern, darunter Zeitungswissenschaften und "Amerikakunde", an verschiedenen Universitäten. 1937 erhielt sie die Gelegenheit, ein Jahr in den Vereinigten Staaten zu verbringen. Der Aufenthalt an einer amerikanischen Journalistenschule hat ihr Leben geprägt: Dort lernte sie die Demoskopie kennen. Später sagte sie: "Ich war begeistert von der Möglichkeit, die Meinung einer ganzen Bevölkerung verlässlich abzubilden." Dass man mit den Massen rechnen musste, war eine Idee, die auch in Nazi-Deutschland hoch im Kurs stand, nur dass sie im Dritten Reich mit der Vorstellung verknüpft war, dass man die Massen berechnen musste, um sie besser einsetzen zu können. Elisabeth Noelle-Neumann hat von sich gesagt, dass sie "nie mit den Nazis verknüpft" gewesen sei. Allerdings war sie von Hitler fasziniert, wie sie berichtete: Als sie - als"Zellenführerin" im Nationalsozialistischen Studentenbund - mit Gefährtinnen auf den Obersalzberg wanderte, sei sie Hitler quasi in die Arme gelaufen. Den Tag, sagte sie, hätten sie und die übrigen Mädchen sehr genossen. Politisch lag ihr die CDU nahe Als junge Journalistin lernte sie dann auch andere NS-Größen kennen, so Joseph Goebbels, der sie zu seiner Adjutantin machen wollte, woran sie durch eine Krankheit gehindert wurde. Nach dem Krieg heiratete sie den CDU-Politiker Erich Peter Neumann. Mit ihm zusammen gründete sie 1947 in dem kleinen, nahe dem Bodensee gelegenen Ort Allensbach ihr Institut für Demoskopie. Dass sie der CDU nahestand, bezeichnete sie als einen Zufall: Kurt Schumacher habe sich für ihre Untersuchungen nicht interessiert, Konrad Adenauer aber sehr wohl. Politisch lag die CDU ihr allerdings auch näher als andere Parteien. Ihre Methoden, was auch so viel heißt wie: die Ergebnisse der Umfragen, wurden vielfach kritisiert. Weil ihr Institut das erste war, das nach dem Krieg gegründet wurde, war es auch das erste, das die Schwächen der Demoskopie demonstrierte. Bringen Meinungsumfragen die Meinung der Betroffenen zutage? Oder entsprechen die Ergebnisse nicht den Meinungen der Fragesteller, die ihre Fragen so formulieren, dass die Ergebnisse dann eben so ausfallen, wie es erwartet, wenn nicht gar gewünscht wird? Zur Ehre des Allensbacher Instituts ist zu sagen, dass es bei elf Bundestagswahlen zwischen 1957 und 1994 die Ergebnisse mit einer Abweichung von im Schnitt nicht mehr als einem Prozent vorhersagte. Interessanterweise gehörte auch Franz Josef Strauß zu denen, die Elisabeth Noelle-Neumann kritisierten. Seine Behauptung, sie habe eine Umfrage "manipuliert", führte zu einem Prozess, der zugunsten Noelle-Neumanns entschieden wurde. "Die Schweigespirale" In den sechziger Jahren verhalf Helmut Kohl Frau Noelle-Neumann zu einem Lehrstuhl an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, wo sie das Institut für Publizistik aufbaute. Bis zu ihrer Emeritierung wirkte sie dort als Direktorin. Auch an anderen Universitäten hat sie gelehrt und - in den neunziger Jahren - an der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, womit die Russen einmal mehr zeigten, dass sie sich dem westlichen Denken geöffnet hatten. Etliche Bücher hat Noelle-Neumann publiziert, am berühmtesten ist jenes, in dem sie ihre Theorie über "Die Schweigespirale" entwickelte: Die Minderheit verstumme in dem Maße, wie sie sich in der Minderheit wähne. Die Idee, die dem Laien einleuchten mag, wurde von Fachleuten bezweifelt, außerdem vermissten sie empirische Belege. Noelle-Neumann mag gedacht haben, dass bei all den Umfragen, die ihr Institut veranstaltete, eine halbwegs freischwebende Argumentation auch einmal zulässig sei. Ihr Institut hat sie vor einigen Jahren in eine Stiftung umgewandelt. Die Auflage: Für die Wissenschaft, nicht für private Interessen soll das Institut arbeiten. Elisabeth Noelle-Neumann ist am Donnerstag in Allensbach im Alter von 93 Jahren friedlich verstorben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/elisabeth-noelle-neumann-ist-tot-frau-professor-allensbach-1.8521
Elisabeth Noelle-Neumann ist tot - Frau Professor Allensbach
00/03/2010
Elisabeth Noelle-Neumann ist tot. Sie führte nach dem Krieg als Erste Meinungsumfragen in Deutschland ein und polarisierte nicht nur mit ihrer "Schweigespirale".
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Die Regierung erwägt nach SZ-Informationen, den letzten Reaktor erst 2050 abzuschalten. Ob ein Atomkraftwerk überhaupt so lange durchhält, ist nicht klar. Die deutschen Kernkraftwerke sollen nach Plänen der schwarz-gelben Koalition bis zu 60 Jahre lang laufen dürfen. Die beteiligten Ministerien hätten sich darauf geeinigt, auch eine Verlängerung der Laufzeiten um 28 Jahre förmlich prüfen zu lassen, erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Regierungskreisen. Damit hat sich innerhalb der Union das atomkraftfreundliche Lager gegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) durchgesetzt. Erst in der vorigen Woche hatten sich Umweltministerium, Kanzleramt und Wirtschaftsministerium darauf geeinigt, vier verschiedene Szenarien für die Laufzeit-Verlängerung durchrechnen zu lassen. Danach sollten die beauftragten Institute eine Verlängerung um fünf, zehn, 15 und 20 Jahre berücksichtigen. Röttgen hatte bisher dafür geworben, die Verlängerung der Laufzeiten auf etwa acht Jahre zu begrenzen. Andernfalls ergebe sich eine "neue sicherheitstechnische Bewertung". Die Kraftwerke seien "nicht auf 60, sondern auf 40 Jahre" ausgelegt, hatte Röttgen in einem Interview gesagt. Nach dem bisher geltenden Atomgesetz müssen die Reaktoren abgeschaltet werden, sobald sie eine Strommenge erzeugt haben, die 32 Jahren Betrieb entspricht. Der Korridor für eine Verlängerung dieser Laufzeit verschiebt sich aber nach der Einigung der drei Ressorts deutlich nach hinten. Zwar sollen weiterhin vier Szenarien berechnet werden, nun aber für eine Verlängerung um vier, zwölf, 20 und 28 Jahre. Letzteres hätte zur Folge, dass der letzte deutsche Reaktor erst nach 2050 abgeschaltet würde. "Damit ist noch keine Vorentscheidung getroffen", sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen der SZ. "Es handelt sich lediglich um vorläufige Berechnungen." Dem Schwenk war eine Intervention der Unionsfraktion vorausgegangen. Deren Spitze hatte sich am Montag darauf verständigt, auch 28 Jahre längere Laufzeiten zu prüfen. In Briefen an die beteiligten Ressorts forderte Unions-Fraktionschef Volker Kauder, dies auch in die Planungen für das energiepolitische Konzept der Bundesregierung aufzunehmen. Die Modell-Berechnungen sollen die Grundlage für dieses Konzept sein. Darauf basierend will der Bund im Oktober entscheiden, in welchem Umfang die Laufzeiten der 17 Kernkraftwerke verlängert werden sollen. Röttgen hatte bisher dafür geworben, die Reaktoren dann abzuschalten, wenn erneuerbare Energien einen Anteil von 40 Prozent an der Stromversorgung haben. Nach bisherigen Plänen sollte bis 2050 allerdings die Stromversorgung schon weitgehend auf erneuerbare Quellen umgestellt sein. Die Opposition äußerte sich empört. Die Union konterkariere mit den Plänen ihr Ziel, die erneuerbaren Energien auszubauen, sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. "Wer die Atomlaufzeiten verlängert, der bringt den Ausbau erneuerbarer Energien zum Erliegen." Bärbel Höhn, Fraktionsvize der Grünen, bezeichnete den Vorstoß als "sicherheitspolitisch verantwortungslos". Er zeige, "dass die atompolitischen Hardliner in der Union wieder Oberwasser bekommen". Die Industrie begrüßte die Kurskorrektur. "Längere Laufzeiten von insgesamt 60 Jahren werden die Strompreise stark dämpfen", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Werner Schnappauf. International lassen zwar Staaten wie die USA und die Niederlande eine Laufzeit von 60 Jahren zu. Ob die Reaktoren so lange durchhalten, ist aber nicht erforscht. Im Schnitt sind die weltweit 438 Reaktoren gut 25 Jahre alt. Der älteste deutsche Reaktor, der hessische Block Biblis A, ging 1974 ans Netz.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/rueckschlag-fuer-umweltminister-roettgen-60-jahre-laufzeit-fuer-atomkraftwerke-1.15396
Rückschlag für Umweltminister Röttgen - 60 Jahre Laufzeit für Atomkraftwerke
00/03/2010
Die Regierung erwägt nach SZ-Informationen, den letzten Reaktor erst 2050 abzuschalten. Ob ein Atomkraftwerk überhaupt so lange durchhält, ist nicht klar.
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Das Sponsoring bei Parteiveranstaltungen der CDU in NRW und Sachsen ist mit dem Parteiengesetz vereinbar. Die Opposition ist empört. Kurzmeldungen im Überblick Sponsoring-Affäre verstößt nicht gegen Parteiengesetz Das Sponsoring bei Parteiveranstaltungen der CDU in Nordrhein-Westfalen und Sachsen hat nicht gegen das Parteiengesetz verstoßen. Zu diesem Ergebnis ist die Bundestagsverwaltung in einer rechtlichen Prüfung gelangt. In allen untersuchten Fällen seien vereinbarte und tatsächlich erbrachte Gegenleistungen nicht zu beanstanden gewesen, teilte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Donnerstag mit. Auch die Gesprächskontakte von Unternehmen mit Spitzenpolitikern waren nach Ansicht der Parlamentsexperten Teil der bei solchen Sponsoring-Vereinbarungen typischen Verabredungen. Nach Darstellung der Parteien habe es sich bei den Politiker-Auftritten an Unternehmensständen lediglich um Begrüßungen oder Danksagungen gehandelt. Ebenfalls nicht bestätigt habe sich der durch "fahrlässig formulierte Werbeangebote" hervorgerufene Verdacht, dass mit bestimmten Sponsorzahlungen verdeckte oder unzulässige Spendenzahlungen geleistet worden seien. Nach Lammerts Worten sollte eine rechtliche Präzisierung der Sponsoring-Praxis dennoch dringend geprüft werden. Das Thema sei aber "kompliziertes Terrain" und daher kurzfristig kaum zu lösen. Die NRW-CDU reagierte mit Erleichterung auf die Entscheidung. "Wir sind erfreut und erleichtert", sagte Generalsekretär Andreas Krautscheid dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Wir haben in den letzten Wochen sehr umfangreiche Anstrengungen unternommen, um dem Bundestagspräsidenten eine angemessene Entscheidungsgrundlage zu präsentieren." "Wir haben die ganze Zeit gewusst, dass das rechtlich in Ordnung war", sagte der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer der Mitteldeutschen Zeitung. Als "schwer nachvollziehbar" kritisierten die Grünen die Entscheidung Lammerts. "Die 'Rent-a-Ministerpräsident-Affäre' mit einer Nicht-Beanstandung in der schwierigen Lage vor seinen Oberst abzuschließen, ist erstaunlich und wirft Fragen auf", sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck. Nach Berichten zu Gesprächsangeboten mit den CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) und Stanislaw Tillich (Sachsen) gegen Bezahlung war eine Kontroverse über das Sponsoring entbrannt. Die Opposition warf der CDU deswegen Käuflichkeit vor und forderte eine Klarstellung im Parteiengesetz. Wie der UN-Menschenrechtsrat das Minarett-Verbot bewertet, ob für Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition in Frage käme und wer neuer Wehrbeauftragte der Bundeswehr ist: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-sponsoring-kein-verstoss-gegen-parteiengesetz-1.11451
Sponsoring - kein Verstoß gegen Parteiengesetz
00/03/2010
Das Sponsoring bei Parteiveranstaltungen der CDU in NRW und Sachsen ist mit dem Parteiengesetz vereinbar. Die Opposition ist empört. Kurzmeldungen im Überblick
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Der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hält den Luftschlag von Kundus nach wie vor für "nachvollziehbar". Vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags schilderte Jung am Donnerstag, dass der deutsche Oberst Georg Klein seinen Befehl zur Bombardierung zweier Tanklaster am 4. September vorigen Jahres in Nord-Afghanistan seinerzeit in zwei Telefonaten mit ihm, Jung, sehr glaubhaft begründet habe. Klein habe die Gefahr eines Angriffs auf das deutsche Feldlager gesehen und sei davon ausgegangen, dass der Luftschlag nur Taliban und deren Verbündete treffen würde. Er habe keinen Anlass gesehen, der Darstellung Kleins keinen Glauben zu schenken, sagte Jung. Nicht äußern wollte sich Jung zu der Frage, ob er die Einschätzung seines Nachfolgers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teile, der Angriff sei militärisch nicht angemessen gewesen. Darüber habe er mit Guttenberg auch nicht gesprochen, sagte Jung. Die Vernehmung Jungs galt auch der Frage, warum er tagelang an der Version festgehalten hatte, unter den Opfern des Bombenangriffs habe es keine Zivilisten oder Unbeteiligte gegeben. Nach eigenen Aussagen vor dem Ausschuss haben hohe Generäle schon am Vormittag nach dem nächtlichen Angriff das Ministerium darauf hingewiesen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zivile Opfer gegeben habe. Auch der damalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan will Jung in einem Telefonat am Mittag des 4. September, einem Freitag, gewarnt haben, er solle bei seinen Aussagen zu zivilen Opfern Vorsicht walten lassen. Schwierige Lage Diese Hinweise auf mögliche zivile Opfer seien bei ihm am 4. September jedoch nicht angekommen, versicherte Jung. Er habe sich vor allem verpflichtet gefühlt, sich in der schwierigen Lage vor seinen Oberst stellen zu müssen. Außerdem habe er den Informationen aus erster Hand von Klein vertraut. Angesichts der zahlreichen Berichte über mögliche zivile Opfer, die allerdings nicht gesichert gewesen seien, habe er aber bereits im Laufe des Sonntags ebenfalls auf diese Möglichkeit hingewiesen. Er sei aber auch heute noch der Ansicht, dass die überwiegende Zahl der Opfer des Luftschlags Taliban gewesen seien. Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Peter Wichert waren am 25. November von Jungs Nachfolger Guttenberg entlassen worden, weil Guttenberg sich in der Kundus-Affäre von den beiden Spitzenleuten unzureichend informiert gefühlt hatte. Diese Entscheidung gab Guttenberg einen Tag später im Bundestag bekannt. Am Abend des selben Tages versicherte Jung, der mittlerweile Bundesarbeitsminister geworden war, im Plenum, er habe Parlament und Öffentlichkeit stets korrekt über seinen Kenntnisstand zu Kundus unterrichtet. Einen Rücktritt lehnte er ab. Am nächsten Tag trat Jung dann doch zurück. Er übernehme damit "Verantwortung für die Informationspolitik gegenüber dem Minister bezüglich der Ereignisse vom 4.September", sagte Jung zur Begründung. "Bauernopfer" für Guttenberg Politiker nicht nur der Opposition vermuten, dass Jung ebenso wie Schneiderhan und Wichert ein "Bauernopfer" für Guttenberg waren. Der neue Minister hatte Anfang Dezember seine ursprüngliche Einschätzung, der Luftschlag von Kundus sei nicht nur angemessen, sondern unvermeidlich gewesen, revidiert und den Angriff nun als militärisch nicht angemessen bewertet. Diese Kehrtwende habe Guttenberg mit der Darstellung, er sei falsch beraten worden, plausibel machen wollen, heißt es unter Abgeordneten. Für Aufregung sorgte am Donnerstag eine Meldung von Spiegel Online, derzufolge schon um acht Uhr am 4. September im Kanzleramt eine Meldung des Bundesnachrichtendienstes über zivile Opfer vorgelegen habe. Nach Angaben der Bundesregierung handelte es sich dabei allerdings lediglich um die Wiedergabe einer entsprechenden Meldung des britischen Senders BBC. Ebenfalls am Donnerstag wurde Bundeswehr-Oberst Klein in Karlsruhe von der Bundesanwaltschaft vernommen. Sie hat ein offizielles Ermittlungsverfahren nach dem Völkerstrafrecht eingeleitet. Es gebietet, dass militärische Führer die Verhältnismäßigkeit zwischen ihren Operationen und der Gefahr ziviler Opfer wahren müssen. Kleins Anwalt Bernd Müssig sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Klein wolle ohne Einschränkung aussagen. Der Oberst habe großes Interesse daran, dass der von ihm angeordnete Luftangriff objektiv, umfassend und abschließend aufgeklärt werde und dass keine Zweifel blieben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/u-ausschuss-zu-kundus-jung-verteidigt-luftschlag-nach-wie-vor-1.21272
U-Ausschuss zu Kundus - Jung verteidigt Luftschlag - nach wie vor
00/03/2010
Ex-Verteidigungsminister Jung schildert die Ereignisse vom 4. September. Möglicherweise war die Regierungsspitze früh über zivile Opfer informiert.
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Netanjahu in der Honigfalle: Beim Treffen im Weißen Haus ließ Präsident Obama den Premier spüren, was er von Israels Provokationen hält. Als er am Ende ins Flugzeug stieg, verspätet und ermattet, da raffte sich Benjamin Netanjahu noch einmal auf zu einem staatsmännischen Schlussakkord: "Wir versuchen, einen goldenen Mittelweg zu finden, um den Friedensprozess zusammen mit den USA voranzubringen und zugleich die Politik aller israelischen Regierungen fortzuführen." Es war der Versuch zu beschreiben, warum der israelische Regierungschef mit leeren Händen, zerzaustem Kopf und einem Koffer voller Hausaufgaben aus Amerika zurückkehrt. Auf der Suche nach dem goldenen Weg ist er in Washington in manche Sackgasse geirrt und auf manches Stoppschild gestoßen. Präsident Barack Obama höchstselbst hat ihn spüren lassen, dass die alte Siedlungsbau-Politik und die neuen Anstrengungen im Friedensprozess nicht zusammenpassen. Netanjahu weiß nun: Washington war ein Wendepunkt. Auf dem langen Rückflug dürfte er sich gewünscht haben, die Reise erst gar nicht angetreten zu haben. Dabei hatte es doch anfangs so viele schöne Versöhnungszeichen gegeben nach all den hässlichen Worten im Streit um israelische Baupläne im arabischen Ostteil von Jerusalem: Der alte Freund und Vize-Präsident Joe Biden fand Zeit für ein Dinner, Außenministerin Hillary Clinton betonte zuckersüß und felsenfest die Freundschaft zu Israel, im Kongress erntete Netanjahu Applaus, und seine Rede bei der einflussreichen israelischen Lobby-Organisation Aipac war ohnehin ein Heimspiel in Amerika. Doch all das war nur die Ouvertüre dafür, was in Israel nun als "Honigfalle" gesehen wird, in die Netanjahu tappte. Nach diesem Auftakt hatte er sich wohl zu sicher gefühlt. Zur eigenen Hybris kam das Pech, dass in seiner Regierung Dilettantismus und Chuzpe miteinander koalieren. Während er sich den Weg zu einem Treffen mit Präsident Obama ins Weiße Haus bahnte, wurden in der Heimat wieder einmal zur Unzeit Pläne für ein jüdisches Projekt im arabischen Viertel Scheich Dscharrah veröffentlicht. Obama musste das als weitere Provokation verstehen und das zahlte er zurück mit einem Empfang, über den nun ein israelischer Kommentator spottet, man hätte Netanjahu behandelt wie "den letzten Wesir von Unter-Senegal". Vom Treffen hinter verschlossenen Türen gibt es kein gemeinsames Foto und schon gar keine gemeinsame Erklärung. Konträre Ansichten prallten im Oval Office aufeinander, und nach 90 Minuten, so wird berichtet, sei Obama einfach aufgestanden und zum Abendessen mit Michelle und den Kindern entschwunden. "Ich bin nicht weit weg, lasst es mich wissen, wenn es was Neues gibt", soll er gesagt haben. Nach dem Essen schenkte der Präsident dem Gast noch 35 Minuten - aber immer noch kein Verständnis. Obama soll sehr deutlich gemacht haben, dass er von Israels Regierung positive Signale im Siedlungsstreit erwartet. Am nächsten Tag legte der Präsident die Leitlinien der Nahost-Politik bei einer ungewöhnlichen Videokonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und dem britischen Premier Gordon Brown fest. Netanjahu muss bewusst geworden sein, dass nun der Wind von allen Seiten bläst. Abgeschirmt im abhörsicheren zweiten Stock der israelischen Botschaft in Washington begannen nun hektische Telefonate. Israels Regierungschef sagte alle weiteren Termine ab und verschob am Ende sogar noch seine Abreise. Doch ohne Klärung flog er nach Hause. Für ihn war es eine harte Landung auf dem Boden der Tatsachen. In Jerusalem angekommen eilte er am Donnerstag zu einer Krisensitzung mit seinen wichtigsten Ministern. Er muss nun ausloten, wie weit er gehen kann bei den Zugeständnissen, die Obama von ihm fordert, um die Palästinenser zu neuen Verhandlungen zu bewegen. Doch im Kabinett sitzt zum Beispiel Innenminister Eli Jischai von der ultra-orthodoxen Schas-Partei, der am selben Tag verkündete: "Ich danke Gott dafür, dass mir das Privileg gegeben wurde, als Minister Tausende neue Wohnungen in Jerusalem genehmigen zu können." Oder er hat es mit Außenminister Avigdor Lieberman von den Rechtsnationalen zu tun, der selbst in einer Siedlung im Westjordanland lebt. Ein "goldener Mittelweg" ist da für Netanjahu nicht in Sicht, nur ein finsteres Dilemma: Es rückt der Tag näher, an dem er sich entscheiden muss - zwischen Siedlungsbau und Friedensverhandlungen, zwischen seinen Koalitionspartnern und der Freundschaft zu den USA.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/netanjahu-bei-obama-wie-der-wesir-von-unter-senegal-1.10851
Netanjahu bei Obama - Wie der Wesir von Unter-Senegal
00/03/2010
Netanjahu in der Honigfalle: Beim Treffen im Weißen Haus ließ Präsident Obama den Premier spüren, was er von Israels Provokationen hält.
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"Gedächtnis der Deutschen": Die bekannte Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle ist gestorben. Sie gründete das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut, das Institut für Demoskopie Allensbach. Als "Gedächtnis der Deutschen", "Herrin der Zahlen" oder "Pythia vom Bodensee" ist sie bezeichnet worden: Elisabeth Noelle, früher Noelle-Neumann, Pionierin der Meinungsforschung in Deutschland, ist am Donnerstag im Alter von 93 Jahren in Allensbach am Bodensee gestorben. Sie sei am Mittag in ihrem Haus in Allensbach eingeschlafen, sagte ein Sprecher des Instituts. Jahrzehntelang hat sie mit wissenschaftlichen Methoden das Fühlen und Denken der Deutschen durchleuchtet. Selbst dem Glück wollte die Sozialforscherin auf die Spur kommen. "Glück muss ich messen können", sagte sie einmal. Das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut hatte sie 1947 zusammen mit ihrem Mann, dem CDU-Abgeordneten und Journalisten Erich Peter Neumann, in dem Bodensee-Städtchen gegründet. Das war nicht ohne Widerstand abgegangen. Der neuen wissenschaftlichen Disziplin schlug zuerst nur Ablehnung entgegen. "Wir wurden ausgelacht", berichtete sie über den schwierigen Beginn. Ohnehin hat sie sich stets als Außenseiterin gefühlt. "Wissenschaftler müssen - genau wie Künstler - unbedingt ertragen können, Außenseiter zu sein", sagte sie. Auch ihr zweiter Mann war ein Wissenschaftler. Der Kernphysiker Heinz Maier-Leibnitz starb im Dezember 2000. Seit seinem Tod verwendete sie nur noch ihren Mädchennamen Noelle. Mit ihrem Lebensthema war Noelle erstmals 1937/38 während eines Studienaufenthalts in den USA in Kontakt gekommen. 1916 in Berlin geboren, hatte sie zunächst Philosophie, Geschichte und Zeitungswissenschaften studiert. Zurück in Deutschland machte sie die Untersuchung der öffentlichen Meinung zum Thema ihrer Doktorarbeit ("Meinungs- und Massenforschung in den USA"). Darauf folgte eine Karriere als Journalistin in der Nazi-Zeit. 1964 wurde sie als Professorin an die Universität Mainz berufen, wo sie sich der Aufbruchstimmung der 68er Jahre widersetzte. Im Laufe der Jahrzehnte hat Allensbach Millionen von Menschen in Deutschland befragt. Die repräsentativen Umfragen betreffen alle Bereiche von Politik über Wirtschaft bis zu Konsum, Kultur und Religion. Die Demoskopen haben die Lebenseinstellung der Deutschen, ihre Hoffnungen und Ängste, Vorlieben und Abneigungen unter die Lupegenommen. 95 feste Mitarbeiter und rund 2000 nebenberufliche Interviewer sind heute für das Institut tätig, dessen Leitung sich Noelle von 1988 an mit Renate Köcher geteilt hatte. Um die Zukunft als unabhängiges, wissenschaftliches Institut zu sichern, wurde es 1996 in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. Einen besonderen Namen hat sich Allensbach mit der politischen Meinungsforschung gemacht. Seit 1957 veröffentlicht das Institut am Tag vor wichtigen Wahlen Prognosen, die jahrzehntelang kaum vom Endergebnis abwichen. Doch seit der Bundestagswahl im September 2005 ist das Umfragewesen in eine tiefe Krise geraten. Zahlreiche Auszeichnungen Nicht nur Allensbach, auch andere Meinungsforschungsinstitute hatten einen klaren Sieg für ein schwarz-gelbes Regierungsbündnis vorhergesagt. Die Union verfehlte jedoch ihr Ziel gründlich und musste mit der SPD koalieren. Die Demoskopen erklärten ihre Schlappe mit der Abneigung des Wählers, sich in die Karten schauen zu lassen, und mit der schwindenden Parteienbindung. Gegen ihr Image als "Haus-Demoskopin" der CDU hat sich Noelle stets gewehrt. 95 Prozent aller Umfragen im Auftrag der CDU seien von anderen Instituten erstellt worden, behauptete sie. Ex-Kanzler Helmut Kohl (CDU) gehörte zu ihren engsten Freunden, die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) war ihr "Hausblatt", in dem sie vorzugsweise veröffentlichte. Für ihre Arbeit hat Noelle zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seit 1976 war sie außerdem Ehrenbürgerin von Allensbach, wo sie in einer kleinen Villa mit traumhaftem Seeblick jahrzehntelang wohnte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/allensbach-gruenderin-elisabeth-noelle-ist-tot-1.24206
Allensbach-Gründerin - Elisabeth Noelle ist tot
00/03/2010
"Gedächtnis der Deutschen": Die bekannte Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle ist gestorben. Sie gründete das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut, das Institut für Demoskopie Allensbach.
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Franz Josef Jung war Verteidigungsminister, als Oberst Klein befahl, zwei Tanklaster zu bombardieren. Im November trat der CDU-Politiker zurück - und spricht nun vor dem Ausschuss. Franz Josef Jung (CDU) sagt vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Er war wegen seiner Informationspolitik als Verteidigungsminister nach dem Luftschlag Anfang September 2009 unter Druck geraten und wenige Wochen später von seinem neuen Amt als Arbeitsminister zurückgetreten. Bei dem Bombardement wurden bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt. Für die Befragung von Jung an diesem Donnerstag im Ausschuss sind sechs Stunden angesetzt. Dabei wird es unter anderem darum gehen, warum das Verteidigungsministerium nach dem Angriff auf zwei Tanklaster so lange gebraucht hat, um zivile Opfer einzuräumen. Zudem wird es um den Informationsfluss innerhalb der Bundesregierung gehen und um die Frage, welche Sachlage Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei der Amtsübergabe vorgefunden hat. Auch Kanzlerin Merkel gerät nach den jüngsten Berichten in Bedrängnis: Sie hatte die Existenz ziviler Opfer nach dem Angriff zwar nicht verneint, allerdings äußerte sich die Regierungschefin erst Tage später erstmals zu dem Bombardement. Die Kanzlerin soll nach dem Willen der Opposition ebenfalls bald als Zeugin vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen, der Termin ist allerdings noch offen. Für sueddeutsche.de berichtet Thorsten Denkler live von der Sitzung des Untersuchungsausschusses mit Jung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-untersuchungsausschuss-auftritt-des-franz-josef-jung-1.14783
Kundus-Untersuchungsausschuss - Auftritt des Franz Josef Jung
00/03/2010
Franz Josef Jung war Verteidigungsminister, als Oberst Klein befahl, zwei Tanklaster zu bombardieren. Im November trat der CDU-Politiker zurück - und spricht nun vor dem Ausschuss.
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Keine Woche ist es her, da hat Papst Benedikt XVI. einen Hirtenbrief geschrieben. Der Papst erklärt, dass er den Missbrauch von Minderjährigen in Irland bedauert - und greift die irischen Bischöfe an für ihre "schweren Fehleinschätzungen" im Umgang mit den dortigen Übergriffen. Gleich zu Beginn schreibt Ratzinger. "Ich kann die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs nur teilen, das so viele von Euch beim Erfahren dieser sündhaften und kriminellen Taten und der Art der Autoritäten der Kirche, damit umzugehen, erfahren haben." Nun hat die New York Times brisante neue Dokumente veröffentlicht. Und die wecken erhebliche Zweifel, an der Art, wie die Autorität Joseph Ratzinger mit einem schweren Missbrauchsfalls umgegangen ist. Der amerikanische Priester Lawrence C. Murphy hat über Jahrzehnte bis zu 200 gehörlose Jungen sexuell missbraucht. Murphy wurde im Jahr 1950 Lehrer und später Rektor an der renommierten St. John's School for the Deaf, einer Schule für Gehörlose im US-Bundesstaat Wisconsin. Pfarrer Murphy ist bereits im Jahr 1998 gestorben - als Priester, der weder vom kirchlichen noch staatlichen Justizsystem belangt worden ist. Dabei waren Murphys Übergriffe offenbar so massiv und zahlreich, dass seine Taten früh ans Licht kamen. In den Dokumenten der New York Times findet sich sogar ein Flugblatt aus dem Jahr 1974, das Opfer vor der Kirche in Milwaukee verteilt hatten. Darauf zu sehen ist ein Bild Murphys unter der Überschrift: "Most Wanted". Im Jahr 1993 schickt Rembert G. Weakland, der Erzbischof der Diözese Milwaukee, Murphy zu einem Sozialpädagogen. Der legt dort ein umfangreiches Geständnis ab und räumt ein, dass die Vorwürfe gegen ihn der Wahrheit entsprechen. Weitere drei Jahre vergehen, bis der Bischof sich dazu durchringt, Konsequenzen für den Triebtäter in Erwägung zu ziehen. Lesen Sie auf Seite zwei, wie Kardinal Ratzinger auf mehrere Anfragen nicht reagiert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/katholische-kirche-papst-benedikt-und-der-missbrauch-1.3100
Papst Benedikt und der Missbrauch
00/03/2010
Ein Priester missbrauchte gehörlose Jungen. Wie die vatikanische Glaubenskongregation und ihr damaliger Chef Kardinal Ratzinger den Fall verharmlost haben.
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Osama bin Laden meldet sich zu Wort: Sollte Amerika die Drahtzieher von 9/11 hinrichten, werde das Terrornetzwerk US-Bürger töten. Auch zu Obama äußert sich der Al-Qaida-Kopf - und vergleicht ihn mit Bush. Osama bin Laden meldet sich wieder zu Wort: Er droht mit der Tötung von US-amerikanischen Geiseln, wenn die Angeklagten im Prozess um die Terroranschläge vom 11. September 2001 hingerichtet werden sollten. Dies berichtet der arabische Sender al-Dschasira auf seiner Website. Eine Hinrichtung von Khalid Scheich Mohammed würde ein Todesurteil für alle Amerikaner bedeuten, die in die Hände von al-Qaida gerieten. Die Audiobotschaft wurde vom Fernsehsender al-Dschasira ausgestrahlt. Mohammed befindet sich in US-Gewahrsam. Die Regierung von US-Präsident Barack Obama berät noch darüber, wo sein Prozess stattfinden soll. Scheich Mohammed war im März 2003 in Pakistan verhaftet worden. Später wurde er in das US-Gefangenenlager Guantánamo gebracht. Er soll vor dem 11. September schon an der Planung mehrerer Terroranschläge beteiligt gewesen sein. In seiner aktuellsten Audio-Botschaft sagt Bin Laden, US-Präsident Barack Obama sei in die Fußstapfen seines Vorgängers George W. Bush getreten. Er führe den Krieg in Afghanistan auf die gleiche Art und Weise. Auch seine Art, mit Gefangenen umzugehen, sei nicht anders als die seines Vorgängers. "Die Politiker im Weißen Haus begingen früher Ungerechtigkeiten gegen uns und tun das noch immer", wird der Terrorführer bei al-Dschasira zitiert. Er kritisierte vor allem die fortdauernde Besetzung Palästinas durch Israel. Zuletzt hatte sich Bin Laden am 24. Januar mit einer Audiobotschaft zu Wort gemeldet - damals hatte er behauptet, für den gescheiterten Anschlag des Nigerianers Umar Farouk Abdulmutallab auf das US-Flugzeug verantwortlich zu sein. Dieser wollte am 25. Dezember 2009 ein Flugzeug, das von Amsterdam auf dem Weg nach Detroit war, in die Luft sprengen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/al-qaida-audiobotschaft-bin-laden-droht-den-usa-1.16142
Al-Qaida: Audiobotschaft - Bin Laden droht den USA
00/03/2010
Osama bin Laden meldet sich zu Wort: Sollte Amerika die Drahtzieher von 9/11 hinrichten, werde das Terrornetzwerk US-Bürger töten. Auch zu Obama äußert sich der Al-Qaida-Kopf - und vergleicht ihn mit Bush.
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"Sie sind tot!": Nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform erhalten demokratische US-Abgeordnete wie Bart Stupak Morddrohungen. Das FBI ermittelt. Nach der Verabschiedung der umstrittenen Gesundheitsreform in den USA sind demokratische Abgeordnete Opfer von Übergriffen und Morddrohungen geworden. In einem Fall wurden Ziegelsteine durch die Bürofenster eines Parlamentariers geworfen. Der Fraktionschef der Demokraten, Steny Hoyer, teilte mit, insgesamt zehn Parlamentarier hätten mittlerweile um Polizeischutz für sich und ihre Familienangehörige gebeten. Eine Sprecherin des FBI erklärte, ihre Behörde, die Polizei des Regierungsbezirks sowie andere Stellen hätten Ermittlungen aufgenommen. US-Präsident Barack Obama hatte das historische Gesetz am Dienstag unterzeichnet. Der Senat befasst sich zurzeit noch mit einem Änderungspaket, das bereits vom Abgeordnetenhaus verabschiedet worden ist. Im Visier ist unter anderem der Parlamentarier Bart Stupak aus Michigan, ein Abtreibungsgegner. Er hatte am Sonntag der Reformvorlage zugestimmt, aber erst nach Zusicherungen, dass vom Staat bezuschusste Krankenversicherungen auch künftig nicht für Abtreibungen aufkommen. Bereits während der Abschluss-Debatte im Abgeordnetenhaus hatte ihn der republikanische Abgeordnete Randy Neugebauer aus Texas als "Baby-Killer" beschimpft. Nach Medienberichten wurde mittlerweile in Stupaks Büro eine Nachricht mit dem Wortlaut hinterlassen: "Sie sind tot. Wir wissen, wo Sie leben. Wir werden Sie kriegen." Stupaks Parteikollegin Louise Slaughter erhielt nach Angaben von Politico bereits in der vergangenen Woche einen Anruf mit der Drohung, dass Heckenschützen losgeschickt würden, um Kinder von Unterstützern der Reform umzubringen. Außerdem seien die Scheiben in Slaughters New Yorker Büro und dem einer anderen Parlamentarierin in Arizona eingeschlagen worden. Während der monatelangen Debatte waren die Emotionen auf beiden Seiten hochgekocht. Auch nach der Abstimmung am Sonntag blieb der Tonfall martialisch. Die ehemalige republikanische Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Sarah Palin, schrieb über Twitter: "Kein Rückzug, stattdessen - Nachladen" ("Don't Retreat, Instead - Reload"). Die New Yorker Demokratin Louise Slaughter warf den Republikanern vor, durch "verschlüsselte Rhetorik" die Stimmung aufzuheizen. So habe der Vorsitzende des Nationalkomitees der Republikaner, Michael Steele, in einem Interview mit Fox News davon gesprochen, die Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi für die Wahl im November "in die Schusslinie" zu bringen. Der Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus John Boehner erklärte dagegen auf Fox, Gewalt und Drohungen seien inakzeptabel. Stattdessen sollten die Amerikaner sich zur Wahl anmelden oder als Freiwillige beim Wahlkampf helfen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-morddrohungen-gegen-us-demokraten-1.16125
USA: Gesundheitsreform - Morddrohungen gegen US-Demokraten
00/03/2010
"Sie sind tot!": Nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform erhalten demokratische US-Abgeordnete wie Bart Stupak Morddrohungen. Das FBI ermittelt.
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Schwerer Vorwurf in der New York Times: Trotz vieler Warnungen habe der Vatikan nichts gegen einen US-Priester unternommen, der hundertfach Jungen sexuell missbraucht haben soll. Mehrfach hatten amerikanische Bischöfe den Vatikan gewarnt, doch die Kardinäle in Rom haben nichts gegen einen US-Priester unternommen, der bis zu 200 gehörlose Jungen sexuell missbraucht haben soll. Das ist die jüngste Geschichte, die in den USA für Aufregung sorgt. Nach einem Bericht der New York Times klagten US-Bischöfe, die Angelegenheit könne die Kirche in eine peinliche Lage bringen. Die Kardinäle im Vatikan zeigten sich davon offenbar wenig beeindruckt. Auch Kardinal Joseph Ratzinger - inzwischen Papst Benedikt XVI. - sei untätig geblieben. Die New York Times beruft sich auf Dokumente, die sie nach eigenen Angaben von Anwälten erhalten hat, die Kläger gegen das Erzbistum von Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin vertreten. Daraus gehe hervor, dass sich Kirchenvertreter zwar über die Frage auseinandergesetzt hätten, ob der Priester aus seinem Amt entfernt werden solle. Aber die Kirche vor einem Skandal zu schützen, habe die allerhöchste Priorität gehabt. Im Mittelpunkt stand demnach der 1998 verstorbene Priester Lawrence Murphy, der von 1950 bis 1974 in einer bekannten Schule für gehörlose Kinder arbeitete. 1996 habe der damalige Kardinal Ratzinger auf zwei Briefe des damaligen Erzbischofs von Milwaukee, Rembert G. Weakland, zu dem Fall nicht geantwortet, so die New York Times. Acht Monate später habe Kardinal Tarcisio Bertone aus der vatikanischen Glaubenskongregation die Bischöfe in Wisconsin angewiesen, ein geheimes kircheninternes Verfahren einzuleiten, das zur Entfernung Murphys aus dem Amt führen könne. Bertone stoppte die Prozedur nach Angaben der Zeitung dann aber wieder, nachdem Murphy beim deutschen Kardinal Ratzinger schriftlich dagegen protestiert habe. Murphy argumentierte demnach, er habe bereut, sei krank und der Fall außerdem gemäß der Kirchenregeln bereits verjährt. In den ihr vorliegenden Unterlagen finde sich keine Antwort Ratzingers, heißt es in der New York Times. Insgesamt wurden nach dem Bericht der Zeitung drei hintereinander amtierende Erzbischöfe in Wisconsin über den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch in Kenntnis gesetzt, jedoch informierte keiner von ihnen die Behörden. So sei Murphy auch nie von einem staatlichen Gericht zur Rechenschaft gezogen worden. Erzbischof Weakland habe die Vorwürfe gegen Murphy 1993 von einem besonders geschulten Sozialarbeiter untersuchen lassen. Murphy habe ausgesagt, dass er etwa 200 Jungen belästigt habe. Er habe aber keine Reue gezeigt. Der Priester sei 1974 in aller Stille in eine Diözese im nördlichen Wisconsin versetzt worden. Dort habe er bis zu seinem Tod weiter in Gemeinden, Schulen und - laut einer Klageschrift - im Jugendstrafvollzug Umgang mit Kindern und Jugendlichen gehabt. Vatikansprecher Federico Lombardi nannte es in der Zeitung einen "tragischen Fall". Der Vatikan habe erst 1996 von den Vorfällen Kenntnis erhalten. Die US-Behörden hätten den Fall untersucht und nicht weiterverfolgt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-missbrauch-in-katholischer-kirche-und-wieder-schwieg-ratzinger-1.18851
USA: Missbrauch in katholischer Kirche - Und wieder schwieg Ratzinger
00/03/2010
Schwerer Vorwurf in der New York Times: Trotz vieler Warnungen habe der Vatikan nichts gegen einen US-Priester unternommen, der hundertfach Jungen sexuell missbraucht haben soll.
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Das Ende eines langen Streits: Eine Spitzenrunde der Parteien rettet die Jobcenter in ihrer derzeitigen Form - mit einer Grundgesetzänderung. Mehr als zwei Jahre nach dem Verfassungsgerichtsurteil gegen die Hartz-IV-Jobcenter ist der Weg frei für eine Neuordnung. Eine Spitzenrunde aus Vertretern von Union, FDP und SPD vereinbarte in Berlin eine Grundgesetzänderung. Die ursprünglich von der schwarz-gelben Koalition geplante Aufspaltung der Jobcenter in getrennte Aufgaben für Arbeitsagenturen und Kommunen ist damit abgewendet. Die 6,8 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld II werden von der Änderung nicht viel merken: In der Praxis ändert sich wenig. Künftig sollen jedoch bis zu 110 statt derzeit 69 Kommunen die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in Alleinregie mit dem Geld vom Bund übernehmen. Das wäre ein Viertel aller 438 Jobcenter bundesweit. "Wir werden gemeinsam eine Grundgesetzänderung auf den Weg bringen", sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nach dem einstündigen Treffen. Die Langzeitarbeitslosen hätten nun Sicherheit: "Auch in Zukunft gibt es die Hilfe aus einer Hand." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, es sei nicht alltäglich, dass die größte Oppositionsfraktion der Regierung aushelfe. Schwarz-Gelb braucht die SPD Es gehe aber um die bestmögliche Betreuung der Hartz-IV-Bezieher, sagte Steinmeier. Dahinter müssten "oberflächliche, parteitaktische Überlegungen" zurückstehen. Die SPD habe zudem erreicht, dass die Sperrung von 900 Millionen Euro für Arbeitsmarktmaßnahmen im Bundeshaushalt aufgehoben und 3200 bisher befristete Stellen in der Arbeitsverwaltung in dauerhafte Jobs umgewandelt würden. An der Spitzenrunde nahmen auch die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, sowie die Verhandlungsführer der Bundesländer teil. Zur Änderung der Verfassung sind Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erforderlich. Dafür benötigen Union und FDP die SPD. Ein erster Anlauf für eine Einigung war vor einem Jahr am Widerstand der Unions-Fraktion im Bundestag gescheitert. Ohne Neuregelung müssten alle Jobcenter 2011 in Zuständigkeiten für Kommunen und Arbeitsagenturen aufgespaltet werden. Ende 2007 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Kooperation von Bund und Kommunen verstoße gegen das Grundgesetz. Verabschiedung vor Sommerpause möglich In das Grundgesetz soll nun der Artikel 91e neu aufgenommen werden. Darin wird geregelt, dass der Bund und die Kommunen zur Betreuung der Hartz-IV-Bezieher gemeinsame Einrichtungen bilden dürfen. Dies soll bundesweit die Regel sein. Die Zahl der Optionskommunen kann um bis zu 41 auf 110 erhöht werden. Die 23 Kommunen, in denen die Aufgaben derzeit getrennt wahrgenommen werden, müssen sich für eines der Modelle entscheiden. Ein zusätzliches Bundesgesetz soll weitere Details regeln, wie etwa eine bessere Betreuung der Langzeitarbeitslosen in den Jobcentern durch eine höhere Zahl von Arbeitsvermittlern. Die Bundesregierung will bereits kommenden Mittwoch die Eckpunkte der Neuregelung beschließen. Die Gesetzentwürfe sollen das Kabinett am 21. April passieren. Eine Verabschiedung durch Bundestag und Bundesrat wäre damit noch vor der Sommerpause möglich. In den Jobcentern werden die Anträge auf Arbeitslosengeld II bearbeitet sowie Fördermaßnahmen und soziale Hilfen auf den Weg gebracht. Bisher arbeiten Kommunen und Arbeitsagenturen in 346 Jobcentern eng zusammen. 69 Kommunen erhielten bei der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 aber die Option, die Betreuung in Alleinregie zu übernehmen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelb-und-spd-einigen-sich-aufspaltung-der-jobcenter-verhindert-1.17579
Schwarz-Gelb und SPD einigen sich - Aufspaltung der Jobcenter verhindert
00/03/2010
Das Ende eines langen Streits: Eine Spitzenrunde der Parteien rettet die Jobcenter in ihrer derzeitigen Form - mit einer Grundgesetzänderung.
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Wegen "Verfahrensfehlern" müssen die Abgeordneten erneut über Zusatzverordnungen zu Gesundheitsreform abstimmen. Obamas Jahrhundertwerk tritt aber trotzdem in Kraft. Die US-Abgeordneten müssen noch einmal über das Zusatzgesetz zur Gesundheitsreform abstimmen. Wegen "Verfahrensfehlern" in zwei strittigen Punkten seien die Reformzusätze noch einmal an das US-Repräsentantenhaus zurückgegeben worden, ließ Harry Reid, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, über einen Sprecher verkünden. 219 Demokraten der 431 Mitglieder des Repräsentantenhauses hatten die Großreform am Sonntag nach heftiger Debatte verabschiedet. US-Präsident Barack Obama hat das Gesetz am Dienstag unterzeichnet. Die Abgeordneten der Demokraten hatten gehofft, alle Änderungswünsche und Kritikpunkte der Republikaner entkräften und damit ablehnen zu können. In zwei Punkten, die komplexe Budgetregelungen betreffen, war dies jedoch nicht gelungen. Es handelt sich laut Politico um 16 Zeilen in dem 153-seitigen Entwurf, die nichts mit der eigentlichen Reform zu tun hätten. Diese ist durch die Unterzeichnung auch bereits rechtskräftig. Die neuerliche Abstimmung über Einzelheiten des Änderungspaketes stellt jedoch kaum ein großes Problem für die Demokraten und den Präsidenten dar. Nach Einschätzung der New York Times wird dieser von den Republikanern durchgesetzte Schritt jedoch nicht dazu führen, dass die als "historisch" eingestufte Reform gestoppt werden kann. Im Vorfeld haben die Demokraten das Beipaket so geschnürt, dass es einen Bezug zum Haushalt hat. Nach Kongressregeln reicht bei derartigen Vorlagen zur Verabschiedung eine einfache Mehrheit von 51 Stimmen aus. Ohne dieses "Reconciliation" genannte Manöver hätten die Demokraten im Senat 60 Stimmen - also mehr als sie zur Zeit haben - aufbieten müssen, um Blockadetaktiken der Republikaner zu verhindern. Das Prozedere sieht vor, dass nach der Abstimmung im Senat, wo die Demokraten über eine Mehrheit verfügen, das Repräsentantenhaus über die beiden strittigen Punkte abstimmen muss. Kein einziger republikanischer Abgeordneter hatte im Repräsentantenhaus für Obamas Prestigeprojekt gestimmt, das sie für "sozialistisch" halten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-repraesentantenhaus-muss-nochmals-abstimmen-1.15201
USA: Gesundheitsreform - Repräsentantenhaus muss nochmals abstimmen
00/03/2010
Wegen "Verfahrensfehlern" müssen die Abgeordneten erneut über Zusatzverordnungen zu Gesundheitsreform abstimmen. Obamas Jahrhundertwerk tritt aber trotzdem in Kraft.
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Um einen Teil der schwarz-gelben Mehrwertsteuersenkung abzugreifen, führen findige Kommunalpolitiker eine Bettensteuer ein. Der Hotelverband hält das für verfassungswidrig. Billiger hätte es werden sollen, in deutschen Hotels zu übernachten. Mehr ausländische Gäste sollten kommen, Touristen länger bleiben - so hatte es sich die Koalition aus Union und FDP gedacht, als sie im Koalitionsvertrag festlegte, dass die Mehrwertsteuer für Hotel-Übernachtungen nur noch sieben Prozent betragen soll. Das Steuergeschenk aus Berlin hat allerdings nun findige Stadtkämmerer auf eine Idee gebracht: Die Hoteliers sollen helfen, die Finanzlöcher der Städte und Gemeinden zu stopfen. Mehrere Kommunen wollen von den Zusatzeinnahmen der Hotels profitieren - und so könnten Übernachtungen bald teurer werden statt billiger. Die Kölner sind die Ersten: Am Dienstagabend hat der Stadtrat mit den Stimmen von SPD und Grünen die "Bettensteuer" beschlossen. Wer in einem Hotel in der Stadt übernachtet, soll künftig fünf Prozent des Zimmerpreises für die Förderung der Kultur bezahlen. Seit die Pläne bekannt sind, haben sich mehr als 20 Kommunen in Köln erkundigt. Unter anderem interessieren sich Augsburg, Bochum, Erfurt, Essen, Freiburg, Heidelberg und Stuttgart für die Hotel-Abgabe. "Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz verlieren wir in diesem Jahr bis zu 30 Millionen Euro", sagt der Kölner Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans. Er muss allein in diesem Jahr ein Loch von mehr als 500 Millionen Euro stopfen. Die bundesweite Steuersenkung für Hotels kam ihm da gelegen: "Unsere Abgabe ist keine zusätzliche Belastung für die Hotellerie, sondern wir verringern lediglich den Vorteil, den die Hotels aus der Mehrwertsteuersenkung ziehen", sagt er. Statt zwölf Prozentpunkten Ermäßigung sei es nun eben nur noch knapp die Hälfte. SPD und Grüne halten die Idee der Kommunen als legitimen Widerstand gegen Steuergeschenke aus Berlin auf Kosten der Kommunen - die Hotelbesitzer dagegen reden von Spitzfindigkeit. Nur fünf Prozent der Gäste würden das Kulturangebot der Stadt nutzen, die meisten würden Messen besuchen, heißt es bei der Kölner Dependance der Hotelvereinigung Dehoga. "Verfehlter Finanzausgleich" Ihr Vorsitzender Wilhelm Wichert sagt, man fühle sich geschröpft: "Ein verfehlter Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird auf dem Rücken unserer Branche ausgetragen," sagt er. Der Verband hält - wie die Rathaus-Opposition von CDU und FDP - die Bettensteuer schlicht für verfassungswidrig. Kommunen dürften nur Steuern erheben, die nicht mit Bundessteuern gleichartig sind. Die Bettensteuer entspreche aber der Umsatzsteuer, schreiben Verfassungsrechtler in einem Gutachten für die Hoteliers. Zudem erwarte die Stadt durch die neue Abgabe Mehreinnahmen von 20 Millionen Euro - durch die bundesweite Steuersenkung für Hotels würden ihr aber nur 200.000 Euro entgehen. Das sei unverhältnismäßig, argumentiert der Hotelverband. Er will gegen das Gesetz klagen, sollte das FDP-geführte Innenministerium von Nordrhein-Westfalen der Bettensteuer zustimmen - und so verhindern, dass andere Städte es Köln nachmachen. Die Sorgen der Kölner Hotelbesitzer, dass die Gäste wegbleiben, könnte jedoch unbegründet sein. Die Stadt Weimar hat vor fünf Jahren eine Übernachtungssteuer eingeführt; im verganganen Jahr hat sie 504.000 Euro für die Stadtkasse eingenommen. Und trotzdem sind die Übernachtungs-Zahlen jedes Jahr gestiegen. Weimar hat nun zur Hotel-Steuer ein Infoblatt für klamme Kommunen herausgegeben. Es findet reißenden Absatz.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunen-in-not-bettensteuer-in-hotels-1.17756
Kommunen in Not - Bettensteuer in Hotels
00/03/2010
Um einen Teil der schwarz-gelben Mehrwertsteuersenkung abzugreifen, führen findige Kommunalpolitiker eine Bettensteuer ein. Der Hotelverband hält das für verfassungswidrig.
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Auch wenn die anderen Staaten zetern: Nach dem griechischen Fiasko zwingt Merkel Europa zur Disziplin. Schließlich steht das politische Werk ganzer Generationen auf dem Spiel. Deutschland durchlebt gerade seine schwerste außenpolitische Krise seit Jahrzehnten. Nicht, dass es viele gemerkt hätten. Aber die Krise hat Deutschland isoliert in Europa, so, wie das Land lange nicht mehr isoliert war. Deutschland scheint plötzlich wieder zurückzufallen in jene unselige Zeit, in der es als der europäische Unruhestifter wahrgenommen wurde, als der Hegemon. Diesmal als der Währungshegemon. Nach zu vielen Kriegen mit zu vielen Toten hat sich Deutschland auf seine zivile Kraft besonnen - seine Wirtschaftsleistung. Es hat Institutionen geschaffen, die es als Hegemon in der Mitte des Kontinents mit den Nachbarn versöhnen sollten. Deutschland hat dabei aber die alte Schulhofregel ignoriert: Der Primus ist niemals beliebt. Die Nachbarn sehen in Deutschland wieder den Taktgeber, den Allesbestimmer, den Besserwisser. In Griechenland zeichneten sie Hakenkreuz-Fahnen. In Großbritannien feierten die Euro-Gegner ein Fest: Sie waren schon immer von der Phantasie erfüllt, dass die Deutschen nach zwei misslungenen militärischen Versuchen die gemeinsame Währung nutzen könnten, um Europa zu beherrschen. Der erste Dominostein Und nun können es alle sehen: Deutschland profitiert mit der gemeinsamen Währung unproportional stark vom gemeinsamen Markt; es dominiert mit niedrigeren Löhnen, größerer Leistung und besserer Qualität die europäischen Exporte und schafft so Abhängigkeiten, die kleinere Volkswirtschaften nicht ausgleichen können. Deutschland lebt gut als Dealer, und die Süchtigen kaufen Mercedes und BMW. Staatsanleihen - griechische zum Beispiel - wurden in der Vergangenheit bevorzugt auch von deutschen Banken gezeichnet. Griechenland ist nun der erste Dominostein, der unter der Doppellast von Weltwirtschaftskrise und innerer Schwäche, begünstigt durch Mauscheleien und Betrug, zu kippen droht. Portugal und Spanien sind sturzgefährdet. Aber Deutschland zeigte sich zuletzt hartherzig. Hilfe sei keine zu erwarten, ließ die eiserne Kanzlerin ausrichten. Einen europäischen Finanzausgleich, Hartz IV für Staaten, könne es nicht geben, weil das die Regeln nicht erlaubten. Die Regeln: Wer das europäische Desaster in der Währungspolitik verstehen will, der muss die Regeln anschauen. Diese Regeln waren nicht gemacht für den Mehrfachschlag aus Weltwirtschaftskrise, Megadefizit und Betrug. Die Regeln waren nicht gedacht für den Staatsbankrott. Die Regeln waren aber sehr wohl entworfen, um den Wirtschaftshegemon Deutschland zum Diener aller europäischen Volkswirtschaften zu machen. Lesen Sie weiter, was das alte Nationalstaatsdenken die EU gefährdet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-griechenland-krise-eiserne-kanzlerin-merkel-1.10925
EU: Griechenland-Krise - Eiserne Kanzlerin Merkel
00/03/2010
Auch wenn die anderen Staaten zetern: Nach dem griechischen Fiasko zwingt Merkel Europa zur Disziplin. Schließlich steht das politische Werk ganzer Generationen auf dem Spiel.
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Wer Angela Merkel diese Woche auf dem Kleinen Parteitag der CDU gesehen hat, der hatte nicht das Gefühl, eine Frau vor sich zu haben, die allein mit der Kraft ihrer Worte einen ganzen Kontinent einen kann. Die Rede lausig, der Beifall müde, und der einzige Delegierte, der sich in der anschließenden Debatte über die Ansprache der Parteichefin zu Wort meldete, war ein wahlkämpfender Landespolitiker namens Jürgen Rüttgers. Und doch scheint der Bundeskanzlerin in dieser Woche genau das zu gelingen: Sie setzte durch, dass der Internationale Währungsfonds den im Schuldensumpf versinkenden Griechen zu Hilfe eilen soll, und beendete damit, zumindest vorerst, einen seit Wochen andauernden Streit innerhalb der Europäischen Union. Sie überzeugte den Franzosen Nicolas Sarkozy, sie stoppte den Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, vor allem aber hielt sie ihren eigenen Finanzminister davon ab, seinem griechischen Amtskollegen mit deutschem Steuergeld zur Seite zu springen und damit die europäischen Verträge zu brechen. Ausgerechnet ihn, den Durch-und-durch-Juristen Wolfgang Schäuble. Es ist viel geschrieben worden über Angela Merkel und Wolfgang Schäuble in den vergangenen Tagen. Über ihr angeblich zerrüttetes Verhältnis. Über ihre Sprachlosigkeit und ihr gegenseitiges Misstrauen. Nichts davon stimmte in dieser Zuspitzung, und doch ist richtig: In 20 Jahren gemeinsamer Arbeit sind sich die heutige Kanzlerin und ihr Finanzminister, die frühere CDU-Generalsekretärin und ihr damaliger Parteichef, fremd geblieben. Ihr persönliches Verhältnis ist nicht schlecht, es existiert gar nicht. Es entschwand während der CDU-Spendenaffäre Ende des vergangenen Jahrzehnts, als der Vorsitzende sein Amt aufgeben musste und die Generalsekretärin beherzt zugriff. Und es kam nicht wieder, als Merkel Schäuble später den Weg ins Amt des Bundespräsidenten verbaute. Ihre Beziehung zueinander ist heute eine ausschließlich berufliche, eine fast schon beängstigend nüchterne. Als Merkel Schäuble im Herbst vergangenen Jahres fragte, ob er ihr Finanzminister werden wolle, zögerte der alte Haudegen ein paar Sekunden lang. "Sie werden's mit mir aushalten müssen", sagte er dann. "Ich bin loyal, aber unbeweglich - auf eine freundliche Art stur." Merkels Reaktion ist nicht überliefert, aber man liegt wohl nicht ganz falsch, wenn man annimmt, dass sie lächelnd nickte. Denn exakt einen solchen Sturkopf wird sie brauchen, um den in der Wirtschaftskrise völlig aus dem Ruder gelaufenen Bundeshaushalt wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Allerdings handelte sie sich mit der Sturköpfigkeit auch einen neuen Politikstil im Finanzministerium ein. Merkels Verhältnis zu Schäubles Amtsvorgänger Peer Steinbrück war durch die Finanzkrise geprägt gewesen. Sie bescherte der CDU-Chefin und dem damaligen SPD-Vize beinahe wöchentlich einen Blick in den Abgrund und schweißte sie ungewöhnlich eng zusammen. Absprachen wurden auf dem ganz kurzen Dienstweg getroffen, ohne jedes bürokratische Brimborium, sowohl zwischen Merkel und Steinbrück selbst, als auch zwischen ihren Mitarbeitern.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kanzlerin-merkel-und-minister-schaeuble-fremde-weggefaehrten-1.9502
Kanzlerin Merkel und Minister Schäuble - Fremde Weggefährten
00/03/2010
Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister sind in der Krise aufeinander angewiesen. Trotz 20 gemeinsamer Jahre sind sie sich fremd. Ihr persönliches Verhältnis ist nicht schlecht - denn es existiert nicht.
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Die von der EU mitgeplante Erdgasleitung Nabucco wird frühestens im Jahr 2018 und damit vier Jahre später als bisher geplant in Betrieb gehen. Das sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Die Pipeline, die Gas aus Zentralasien nach Europa transportieren und damit die Abhängigkeit der Europäer von russischen Lieferungen verringern soll, sei dennoch "ein Prestigeprojekt der Europäischen Union", erklärte Oettinger. In trockenen Tüchern seien die Planungen für die 3300 Kilometer lange Leitung allerdings noch nicht. "Ich hoffe, wir werden 2010 den endgültigen Beschluss fassen, die Leitung zu bauen", erklärte der Deutsche. In den vergangenen Monaten seien die Chancen dafür deutlich gestiegen. Noch im September vergangenen Jahres habe die Wahrscheinlichkeit bei höchstens dreißig Prozent gelegen. "Jetzt sind es ungefähr 65 Prozent", sagte der Unionspolitiker. Bis sie tatsächlich Gas liefern könne, "wird es aber wohl 2018 werden". Nabucco werde definitiv nicht ein mögliches Gasproblem im Winter 2013 lösen können. Der Energiekommissar erklärte, die EU investiere 200 Millionen Euro für die Entwicklung der Röhre. Im Juli werde in Brüssel oder Istanbul eine Konferenz mit allen Partnern organisiert. Die bisherigen Planungen sahen vor, dass Nabucco bereits von 2014 an Erdgas nach Europa transportieren sollte. Die voraussichtlichen Baukosten wurden mit 7,9 Milliarden Euro angegeben. Eigentümer der Leitung sollten mit jeweils etwa 16,7 Prozent die Unternehmen Botas (Türkei), Bulgarian Energy (Bulgarien), MOL (Ungarn), OMV (Österreich), RWE (Deutschland) und Transgas (Rumänien) sein. RWE bestritt die Verzögerung. Nabucco solle "2014 in Betrieb gehen", sagte ein RWE-Sprecher in Essen. Neben Nabucco sollen zwei weitere Leitungen die Europäer mit Erdgas versorgen. Beide sollen deutlich eher in Betrieb genommen werden. Oettinger rechnet damit, dass die Ostsee-Pipeline Nordstream in zwei Jahren Gas aus Russland nach Europa bringt. Das Projekt sorgte vor allem in der Planungsphase für negative Schlagzeilen, weil Deutschland und Russland die Anrainerstaaten der Ostsee unzureichend informierten. Oettinger räumte ein, die Verhandlungen seien "sehr undiplomatisch" verlaufen. Inzwischen sei Nordstream "auf einem guten Weg", zuletzt habe Polen seine Bedenken aufgegeben. Oettinger kündigte an, dass die bisherige Haupttransportleitung für russisches Gas in den kommenden drei Jahren renoviert werde, "ansonsten bekommen wir technische Probleme, die größer sein werden als die politischen, die wir bisher mit der Ukraine und Russland hatten". Aufgrund des Ausfalls müsse auch der dritte Neubau, die Leitung Southstream, gebaut werden. Oettinger unterstrich, dass er für die Energie-Außenpolitik der EU zuständig sein werde. Eine entsprechende Vereinbarung sei kürzlich mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso unterzeichnet worden. In den vergangenen Tagen seien einige Beamte des bisherigen außenpolitischen Dienstes in sein Ressort gewechselt. Die EU-Außenbeauftragte Lady Catherine Ashton stimme ihre energiepolitischen Gespräche im Ausland mit ihm ab.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/erdgas-aus-zentralasien-nabucco-pipeline-kommt-spaeter-1.13820
Erdgas aus Zentralasien - Nabucco-Pipeline kommt später
00/03/2010
Energiekommissar Günther Oettinger gesteht die Verzögerung eines EU-Prestigeprojekts ein: Die Gasleitung aus Zentralasien wird frühestens 2018 fertig.
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Sicherheitskräfte in Saudi-Arabien haben offenbar eine Welle von Terror-Attacken auf lebenswichtige Einrichtungen im Königreich verhindert. Mehr als hundert mutmaßliche Mitglieder des Al-Qaida-Netzwerks seien verhaftet worden, teilte das Innenministerium am Mittwoch mit. Selbstmord-Anschläge auf Einrichtungen der Ölindustrie sollen unmittelbar bevorgestanden haben. Nur knapp die Hälfte der Festgenommenen sind den Angaben zufolge saudische Staatsbürger, die meisten anderen stammen aus dem Jemen. Vom Nachbarland aus sollen die Kämpfer auch gelenkt worden sein. Saudi-Arabien gilt als eigentliche Heimstätte des Al-Qaida-Terrors, weil hier einst der Milliardärssohn Osama bin-Laden sowie Tausende andere zum Heiligen Krieg nach Afghanistan aufgebrochen waren. Auch 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001 stammten aus dem Königreich. Mittlerweile aber hat sich der Schwerpunkt in den Jemen verlagert, der mit seiner schwachen Zentralregierung und seinen zerklüfteten Stammesgebieten den Terroristen reichlich Raum zum Rückzug gewährt. Vor gut einem Jahr hatten sich die saudischen und jemenitischen Teile des Netzwerkes zusammengeschlossen - unter Führung eines jemenitischen Vertrauten von bin Laden namens Nasir al-Wahaschi alias Abu Basir. Die Gruppe nennt sich "Al-Qaida der Arabischen Halbinsel" und hat sich auch zu dem nur knapp vereitelten Anschlag auf ein amerikanisches Passagierflugzeug auf dem Weg nach Chicago an Weihnachten bekannt. Der verhinderte Attentäter Umar Faruk Abdulmutallab aus Nigeria soll bei seiner Vernehmung ausgesagt habe, er sei von al-Qaida im Jemen für die Tat trainiert worden. Anschlag auf den Terror-Beauftragten Die Gruppe hat mehrmals angekündigt, dass sie Ölanlagen, Sicherheitskräfte sowie Ausländer ins Visier nehmen wolle. Oberstes Ziel ist der Sturz des saudischen Königshauses, dem eine "unheilige" Allianz mit den USA zur Last gelegt wird. Ende August schickte die Organisation einen Selbstmord-Attentäter zu dem für Terrorismus-Bekämpfung zuständigen Prinzen Mohammed bin Naif. Der Sohn des Innenministers überlebte aber den Anschlag in Dschiddah. Sensibelstes Ziel sind jedoch die Ölanlagen des weltweit größten Öl-Exporteurs. Hier könnten die Terroristen gleich zwei Feinde treffen: das konservative Königshaus sowie den vom Rohstoff abhängigen Westen. Mehr als tausend Quellen sind in Betrieb, dazu noch riesige Verarbeitungseinrichtungen. Zum Schutz dieser Anlagen wurde in den letzten Jahren eine mehr als 30.000 Mann umfassende Spezial-Polizeieinheit aufgebaut. Repression und Rehabilitation Die neue Gefahr aus dem Jemen, mit dem Saudi-Arabien eine 1800 Kilometer lange Grenze teilt, bedroht jedoch die Erfolge, die saudische Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terror erzielt haben. Seit einer blutigen Anschlagsserie in den Jahren 2003 und 2004 wurden Dutzende mutmaßlicher Al-Qaida-Mitglieder getötet und Tausende Verdächtige festgenommen. Neben der Repression setzen die Saudis auch auf Rehabilitation. In Umerziehungslagern sollen Terroristen, darunter auch Entlassene aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo, durch religiöse Unterweisungen und die Wiedereingliederung in ihre Familien von Anschlägen abgehalten werden. Doch al-Qaida kann immer wieder neue Kräfte aufbieten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/saudi-arabien-polizei-vereitelt-terrorwelle-1.2424
Polizei vereitelt Terrorwelle
00/03/2010
Die saudische Polizei nimmt mehr als 100 mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen fest. Sie sollen Selbstmordanschläge auf Ölanlagen geplant haben.
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Nach dem Treffen von US-Präsident Obama mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu kam aus dem Weißen Haus: nichts. Doch auch das sagt viel über die Beziehung der beiden aus. Bei seinem USA-Besuch durfte der israelische Regierungschef mehr als 90 Minuten mit dem Präsidenten Barack Obama im Oval Office reden - eigentlich eine Ehre. Doch wie sauer die US-Regierung auf Benjamin Netanjahu ist, zeigte sich danach. Kein öffentlicher Händedruck im Rosengarten, keine Pressekonferenz im East Room, ja, nicht einmal ein schales Statement oder Bilder des Treffens gab das Weiße Haus heraus. Deswegen waren die Medien bei der Beurteilung des Meetings auf Spekulationen angewiesen und widersprachen sich dabei. Das Gespräch sei "positiv" verlaufen, behaupten Nachrichtenagenturen unter Berufung auf israelische Regierungskreise. US-Medien wie die New York Times und Politico lesen eher Differenzen und gespannte Beziehungen im politischen Kaffeesatz. Der Verzicht auf die üblichen Ehren, die einem Staatsgast im Weißen Haus zuteilwerden, ist eine deutliche Rüge für Netanjahu, der die US-Regierung in den vergangenen Wochen sehr verärgert hat. Höhepunkt war, dass Israel verkündete, 1600 neue Wohnungen im arabisch besetzten Ostteil Jerusalems zu bauen - während gleichzeitig US-Vizepräsident Joe Biden in Israel weilte. Dieses Timing empfand die US-Regierung als "Beleidigung" und "Affront". Der israelische Botschafter in Washington sah sogar "die schwerste Krise seit den siebziger Jahren" heranziehen. International gilt der Bau jüdischer Wohnviertel in Ostjerusalem als illegal. Schwierige Standpunkt-Suche Die Wogen zu glätten, ist Netanjahu bei seinem Besuch nicht gelungen - versucht hat er es allerdings auch nicht wirklich. Denn der Satz "Jerusalem ist keine Siedlung, Jerusalem ist unsere Hauptstadt", den Netanjahu bei seiner Rede vor dem American Israel Public Affairs Committee (Aipac) aussprach, kam bei Obama erwartungsgemäß nicht gut an. Die US-Regierung hatte von Beginn an Probleme, im Nahostkonflikt den richtigen Standpunkt zu finden. Obama trat sein Amt kurz nach Israels Gaza-Offensive an, die die Friedensbemühungen der Bush-Regierung faktisch beendete. Trotzdem verpflichtete sich der neue Präsident ohne Zwang, die Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes zur Top-Priorität zu machen: Schon in den ersten Stunden telefonierte er mit den Machthabern der Region, wenige Tage später ernannte er mit George Mitchell einen Sondergesandten. Angesichts des jahrzehntelangen Konfliktes war diese Ankündigung eher naiv, wie Obama bald selbst feststellen musste. In den vergangenen Monaten erlebte er, wie machtlos das Weiße Haus im Nahostkonflikt ist. Obwohl der Präsident mit scharfen Worten den Bau neuer jüdischer Siedlungen verurteilte, laufen die Baumaschinen weiter. Dass der Sondergesandte Mitchell ständig im Krisengebiet präsent ist, scheint Netanjahu nicht zu beeindrucken. Und mit seinen aktuellen Auftritten vor dem Aipac und dem amerikanischen Kongress signalisierte der israelische Premier dem US-Präsidenten ebenfalls, dass seine Handlungsmacht im Nahostkonflikt beschränkt ist. Denn die amerikanischen Abgeordneten stehen weiterhin wie ein Fels hinter Israel. Auch ohne den Nahostkonflikt hat Obama viel zu tun Obama kann und darf gegenüber dem befreundeten Staat nicht zu viel Härte zeigen - sonst bekommt er sofort innenpolitische Probleme. Als der Präsident vergangenes Jahr zum ersten Mal die rhetorische Keule gegenüber Israel auspackte, hatte er sofort eine von zwei Dritteln der Kongressmitglieder unterzeichnete Beschwerde auf dem Tisch. Netanjahu ist ein schwieriger Partner für Obama, denn er ist ein Hardliner der ganz alten Schule. Nach seiner Wahl sah die Süddeutsche Zeitung einen "Zeitsprung in die neunziger Jahre". Der israelische Premier verweigert sich dem Fortschritt im Nahost-Friedensprozess, will eine Zwei-Staaten-Lösung auf jeden Fall verhindern und lehnt die Idee ab, im Friedensprozess mit Iran zu kooperieren. Doch es liegt nicht nur daran, dass Obama im Nahost-Konflikt bislang so wenig Erfolg vorweisen kann. Ein Teil der Schuld trifft den Präsidenten selbst. Denn der Nahostkonflikt hat es nur symbolisch ganz oben auf Obamas Agenda geschafft - faktisch war der US-Präsident in seinem ersten Amtsjahr mit der Finanzkrise, der Gesundheitsreform und anderen innenpolitischen Baustellen mehr als ausgelastet.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/barack-obama-trifft-netanjahu-donnerndes-schweigen-1.1482
Barack Obama trifft Netanjahu - Donnerndes Schweigen
00/03/2010
Nach dem Treffen von US-Präsident Obama mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu kam aus dem Weißen Haus: nichts. Doch auch das sagt viel über die Beziehung der beiden aus.
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Roberto Scarpinato, 57, ist leitender Oberstaatsanwalt des Anti-Mafia-Pools in Palermo und eine Schlüsselfigur im Kampf gegen das organisierte Verbrechen Italiens. Der Sohn eines sizilianischen Richters war den bekannten Mafia-Jägern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1989 an die Behörde gefolgt und baute sie nach der Ermordung beider Weggefährten 1992 aus. Erstmals richtete Scarpinato eine Abteilung ein, die bei Verbrechen im Zusammenhang mit Politik und Wirtschaft ermittelt. Im Prozess um kriminelle Verstrickungen des früheren Ministerpräsidenten Giulio Andreotti war er Chefankläger. Andreotti wurde wegen Verjährung freigesprochen. SZ: Signor Scarpinato, in den vergangenen Jahren ist die kalabrische 'Ndrangheta durch Brutalität ins Bewusstsein gerückt. Wie gefährlich sind diese Clans? Roberto Scarpinato: Die 'Ndrangheta ist eine Gruppe hochkrimineller Unternehmer, deren Struktur wir noch besser verstehen lernen müssen. Ihr ist es gelungen, Bosse in Freimaurerlogen zu platzieren. Da gibt es nun eine geheime Führungsebene namens "La santa", der Kopf. Die 'Ndrangheta wächst also. Doch im Gegensatz zur sizilianischen Mafia hatte sie bisher nur begrenzten Einfluss auf die Politik. SZ: In Deutschland prägte zuletzt der sechsfache Mafia-Mord von Duisburg das Bild vom organisierten Verbrechen. Es entstand der Eindruck, da haben ein paar Brutalos aus einem kalabrischen Bergnest die Möglichkeit, Terror zu machen und Einfluss auf die deutsche Wirtschaft zu nehmen. Wie kann das möglich sein? Scarpinato: Dieses Bild wurde leider von den Medien geprägt. Doch der wirklich gefährliche Teil der Mafia ist unsichtbar, vor allem in Ländern, in denen sie investiert. Nehmen Sie die sizilianische Mafia. Hochintelligente, bürgerliche Verbrecher: Ärzte, Mittelständler oder Juristen, die immer erfolgreicher gesellschaftliche Schlüsselpositionen besetzen und ihre Kinder auf die Universität schicken. Oder schauen wir auf die russische Mafia, die in einem kapitalistischen System stark geworden ist, das nach unseren Schätzungen heute zu 70 Prozent vom organisierten Verbrechen betroffen ist und nun große Teile der Weltwirtschaft beeinflusst. SZ: Zuletzt haben Ermittler immer wieder darauf hingewiesen, dass 'Ndrangheta-Familien die deutsche oder die Schweizer Wirtschaft unterwandern. Scarpinato: Mafia-Investitionen haben in Deutschland ja eine lange Geschichte, sizilianische Clans haben bereits in den 80er Jahren hier Geld gewaschen. Nach dem Mauerfall begannen sie, vor allem in Immobilien sowie in die Energie- und in die Müllwirtschaft zu investieren. Heute sind sie eher in der Finanzwelt aktiv. Die 'Ndrangheta dagegen hat sich auf die Gastronomie und Hotellerie spezialisiert. SZ: Wie muss man sich diese wirtschaftliche Betätigung vorstellen? Scarpinato: Wie eine Tumorzelle, die wächst und streut. Diese kriminelle Zelle erwirbt ein Hotel oder ein Restaurant; dort werden fünf, sechs Menschen platziert, die das Geschäft im Sinne dieser Clans nutzen und ausbauen. Natürlich darf man das nicht kleinreden, wenn die 'Ndrangheta in Bochum eine Pizzeria eröffnet, aber es ist ein Entwicklung, die sich durch Ermittler gut kontrollieren lässt. Im Vergleich zu unseren wirklichen Problemen ist es ein Witz. SZ: Was ist das eigentliche Problem? Scarpinato: Wir müssen aufhören, so zu tun, als beschränke sich die Mafia auf wenige Krisenregionen. Es geht um ganze Staaten, die unterwandert werden. Indem die Mafia dort Verbündete an zentralen Stellen platziert. Das kann der Vertreter einer Schweizer Bank, ein Politiker oder ein Mailänder Spitzenanwalt sein. Ein Schulterschluss zwischen traditioneller Mafia und Funktionären. Und derzeit entwickelt sich die organisierte Kriminalität zu komplexen kriminellen Großsystemen, die undurchschaubar werden. SZ: Das klingt wie eine Verschwörungstheorie. Einige deutsche Ermittler halten das auch für Panikmache. Scarpinato: Die Probleme zeigen sich aber an vielen Stellen. Etwa in Russland, wo sich das organisierte Verbrechen mit Personen aus Politik, Wirtschaft oder Finanzwelt zusammengetan hat. Das Kapital, das global verschoben wird, ist enorm. Zudem sehen Analysten mit Sorge die Bedeutung des chinesischen und indischen Wirtschaftswachstums für das organisierte Verbrechen. Wenn sich diese Raten aufrecht erhalten lassen, haben die Chinesen in 20 Jahren dieselbe Kaufkraft wie der Westen. Das würde nicht nur bedeuten, dass China das neue Dorado des Drogenkapitalismus wird, sondern auch dass illegale Märkte die legalen an Bedeutung übertroffen haben. Alle alten Mafia-Geschichten sind nur noch Folklore. SZ: Uns Deutschen erscheint es schon schwer vorstellbar, dass in der Osteria um die Ecke Geld gewaschen wird. Scarpinato: Ich weiß. Trotzdem geht es eher darum, ob und in welchem Ausmaß sich internationale Syndikate in deutsche Schlüsselindustrien einkaufen werden. Leider wissen wir nicht, welche Aktienpakete etwa die russische Mafia erwirbt oder wer hinter bestimmten multinationalen Investorengruppen steht. Dazu kommt, dass die organisierte Kriminalität auf Deregulierung hinarbeitet und dass Politiker zunehmend einknicken. SZ: Welche Größenordnung haben die Investitionen der Mafia in Deutschland? Scarpinato: Das ist kaum seriös zu beziffern. Ich kann zwei andere Zahlen nennen: In Palermo haben wir allein in den letzten zwei Jahren drei Milliarden Euro illegaler Gelder beschlagnahmt. In einer einzigen Stadt! Zudem schätzen wir, dass es uns gelingt, etwa ein Prozent der Umsätze aus dem Drogengeschäft sicherzustellen. Der Rest entgeht uns. Legale und illegale Märkte sind immer enger verflochten, was es nahezu unmöglich macht, illegale Investitionen zu beziffern. Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie viel Mafia-Geld in legales umgewandelt wird und warum Deutschland einen leichten Markt darstellt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/italienische-mafia-als-mafioso-wuerde-ich-in-deutschland-investieren-1.6460
"Italienische Mafia - ""Als Mafioso würde ich in Deutschland investieren"""
00/03/2010
Roberto Scarpinato, Italiens wichtigster Mafia-Jäger, über den Siegeszug des organisierten Verbrechens, Drogenlegalisierung - und frühes Aufstehen.
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Vielleicht sollte sich der Wirtschaftsrat der CDU in Wirtschaftsrat der FDP umbenennen. Zumindest für seine Mitglieder hat die CDU abgewirtschaftet. Kurt Lauk versucht zu retten, was zu retten ist und lobt die "ungeheure" Arbeit der Kanzlerin in der Griechenland-Krise auf der europäischen Ebene. "Das müssen Sie sich mal vorstellen", sagt der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, lugt über seine Halbbrille hervor und hebt den Zeigefinger. "Alleine gegen 26." Pause. Es nützt nichts. Was hängen bleibt von dieser Pressekonferenz zur Sicht der Unternehmer in der CDU auf die schwarz-gelbe Bundesregierung, ist ein Wort: Desaster. Keine Rede mehr vom Wunschbündnis Der Wirtschaftsrat hat das Umfraginstitut TNS Emnid beauftragt, die eigene Mitgliedschaft über ihre Wahrnehmung von der neuen Regierung zu befragen. Die erste schlichte Frage lautet: "Wie beurteilen Sie den Start der neuen CDU/CSU/FDP-Bundesregierung?" Die Antworten müssen ernüchternd sein für Regierungschefin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP). Beide haben schließlich immer von einer Wunschkoalition gesprochen. Es wäre keine Überraschung, wenn nur eine Minderheit der Befragten ein positives Verhältnis zu dieser Traumkoalition entwickelt hätte. Doch dass offenbar niemand, mit anderen Worten, kein einziger von 2459 Befragten mit "sehr gut" auf die Frage nach dem Start antwortete, ist schon eine ziemliche Breitseite. 85 Prozent der Befragten sagen stattdessen, der Start sei "eher schlecht" bis "schlecht" verlaufen. Von Wunschbündnis kann wohl keine Rede mehr sein: Nur sieben Prozent der befragten Unternehmer sagen, die "bürgerliche Koalition hebt sich positiv von der großen Koalition ab". Dafür attestieren 65 Prozent der Regierung, zu wenig wirtschaftspolitisches Profil zu zeigen. Der Wirtschaftsrat der falschen Partei? Im Fokus der Kritik steht die eigene Partei: Über die Hälfte sieht eine "zunehmende Sozialdemokratisierung" der Union. Geradezu vernichtend aber ist der Wert, den die Unternehmer in der CDU ihrer Union in punkto "wirtschaftspolitischer Sachverstand" zubilligen. Den sehen in der Union nur noch 19 Prozent der Befragten. Der Wirtschaftsrat ist offenbar in der falschen Partei verankert. Er müsste sich umgehend der FDP anschließen. Auffällig ist nämlich, dass sich der Forderungenkatalog des Wirtschaftsrates um Präsident Kurt Lauk liest wie bei der FDP abgeschrieben. Zwar sehen die Befragten die Hauptverantwortlichen für das schlechte Erscheinungsbild der Koalition in FDP und CSU. Doch wenn es um Kopfpauschale, Kürzungen im Sozialwesen, einfaches Steuersystem oder die Abschaffung des Mittelstandsbauches geht, bei dem Bezieher mittlerer Einkommen überproportional hohe Steuern zahlen, da liegt der Rat voll auf FDP-Linie. Nicht umsonst haben bei der Wahl viele Unionswähler zur FDP rübergemacht, in der Hoffnung, dort könnten sich ihre wirtschaftsliberalen Träume erfüllen. Bei Kürzungen fährt der Rat groß, nein ganz groß auf. Vier Milliarden Euro bei Hartz IV, 14 Milliarden Euro, wenn der ermäßigte Mehrwertsteuersatz abgeschafft und flächendeckend auf 19 Prozent angehoben wird. Umsatzsteuerbetrug bekämpfen bringt weitere 15 Milliarden. Subventionen weg und zwar, wie Lauk sagt, "am besten mit der Rasenmähermethode", spült noch mal zwölf Milliarden in die Kassen. 26 Milliarden können durch ein effizienteres Beschaffungswesen von Bund, Ländern und Kommunen zusammenkommen. Das da noch keiner dran gedacht hat. "Große Steuerreform ist nicht darstellbar" Sparfähige Milliarden, wohin das Auge reicht also. Alles in allem kommt der CDU-Wirtschaftsrat auf 100 Milliarden Euro, die die öffentlichen Haushalte zu viel ausgeben. Wenn es so einfach wäre, wäre Lauk sicher ein guter Kanzlerkandidat. Doch welche Leistung, welche Subvention konkret er abschaffen will, das sagt Lauk nicht. Er denkt da lieber in "großen Paketen" die geschnürt werden müssen. Sonst verzettele man sich im Klein-Klein. Vielleicht um sich doch etwas von der FDP abzugrenzen, wettert Lauk noch kurz aber ungeschickt gegen Steuersenkungen. Lauk: "Wir haben seit vielen Jahren über unsere Verhältnisse gelebt. In dieser Situation ist eine große Steuerreform mit Entlastungen von 40 bis 60 Milliarden Euro nicht darstellbar." Recht hat er. Nur: In der Höhe fordert das im Moment gar keiner. Tatsächlich geht es um höchstens 19 Milliarden Euro. Wie der Wirtschaftsrat dazu steht, lässt Lauk offen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wirtschaftsrat-der-cdu-breitseite-fuer-merkel-1.23743
Wirtschaftsrat der CDU - Breitseite für Merkel
00/03/2010
Vielleicht sollte sich der Wirtschaftsrat der CDU in Wirtschaftsrat der FDP umbenennen. Zumindest für seine Mitglieder hat die CDU abgewirtschaftet.
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Vor der Ankarareise von Kanzlerin Merkel macht der türkische Ministerpräsident Erdogan Druck: Er plädiert für türkische Gymnasien in Deutschland - und die EU-Vollmitgliedschaft. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Einführung von türkischen Gymnasien in Deutschland vorgeschlagen. "In der Türkei haben wir deutsche Gymnasien. Warum sollte es keine türkischen Gymnasien in Deutschland geben?", sagte Erdogan der Wochenzeitung Die Zeit. Der Ministerpräsident begründete seinen Vorstoß mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler der drei Millionen Türken in Deutschland. "Hier hat Deutschland noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt. Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch, und das ist leider selten der Fall", wurde Erdogan weiter zitiert. Für die Zeit nach dem Abitur schlägt er auch eine türkisch geprägte Ausbildung in Deutschland vor. "Wir gründen gerade die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul. Warum gründen wir nicht auch eine bei Ihnen?", sagte der Ministerpräsident. Es gebe da ein entsprechendes Bedürfnis. Das sei in seinen Augen kein Luxus, sondern ein Beitrag zur Integration. Erdogan beharrt auf EU-Vollmitgliedschaft Der türkische Ministerpräsident sprach sich außerdem für die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit in Deutschland aus. "Auch wenn jemand seine Staatsbürgerschaft ablegt, kann er seine ethnische Herkunft nicht ändern", bekräftige Erdogan. Zurzeit werde ja viel über doppelte Staatsangehörigkeiten gesprochen. "Ich finde es sehr bedauerlich, dass Deutschland zu den Ländern in der Europäischen Union gehört, die das nicht zulassen", sagte der Ministerpräsident. Kurz vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara Anfang kommender Woche besteht Erdogan auf einer Vollmitgliedschaft seines Landes in der EU. "Wir führen bereits die Verhandlungen, und zwar auf Vollmitgliedschaft. Für uns gibt es dazu keine Alternative", sagte er dem Bericht zufolge. Die Position Merkels für eine sogenannte privilegierte Partnerschaft wies er zurück: "Die EU-Verträge kennen keine 'privilegierte Partnerschaft'. Für die Türkei wäre es ein großer Fehler, darauf einzugehen", betonte Erdogan. Die meisten anderen EU-Länder akzeptierten diesen Vorschlag ohnehin nicht. Bundeskanzlerin Merkel warb dagegen für das Modell der "privilegierten Partnerschaft" zwischen der Europäischen Union und der Türkei. In türkischen Zeitungsinterviews betonte Merkel, Berlin respektiere die seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen, doch würden diese ergebnisoffen geführt. In dem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit mehreren Zeitungen skizzierte Merkel, wie eine "privilegierte Partnerschaft" aussehen könnte. Eine Partnerschaft würde in einer Einigung zwischen Brüssel und Ankara bei 27 oder 28 Kapiteln der laufenden Beitrittsverhandlungen bestehen, sagte sie. Insgesamt gibt es 35 Verhandlungskapitel. Lediglich bei der Integration der europäischen und türkischen Institutionen würden einige Bereiche ausgespart, sagte die Bundeskanzlerin.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-tuerkeibesuch-erdogan-pocht-auf-tuerkische-gymnasien-in-deutschland-1.7470
Merkel: Türkeibesuch - Erdogan pocht auf türkische Gymnasien in Deutschland
00/03/2010
Vor der Ankarareise von Kanzlerin Merkel macht der türkische Ministerpräsident Erdogan Druck: Er plädiert für türkische Gymnasien in Deutschland - und die EU-Vollmitgliedschaft.
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Die Ex-SPD-Ministerin Christine Bergmann wird oberste Kämpferin des Bundes gegen Missbrauch. Auch der Runde Tisch ist beschlossene Sache. Um die Prävention und Aufklärung sexuellen Missbrauchs kümmert sich von staatlicher Seite künftig ein Runder Tisch. Das beschloss das Kabinett am Mittwoch in Berlin und setzte gleichzeitig die frühere Familienministerin Christine Bergmann (SPD) als Beauftragte ein. Der Runde Tisch soll aus 40 Teilnehmern bestehen und am 23. April erstmals tagen. Das Gremium will sich mit "sexuellem Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich" beschäftigen. Es soll unter anderem Antworten darauf geben, welche Hilfe und Unterstützung die Opfer benötigen, was nach Übergriffen zu tun ist und wie sie sich vermeiden lassen. Nur noch eine Runde Zunächst war geplant, dass Familienministerin Kristina Schröder und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) einen Runden Tisch zur Prävention veranstalten, während Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein Gremium zu Entschädigungsfragen und rechtlichen Schlussfolgerungen einrichten wollte. Jetzt wird es ein einziges Gesprächsforum geben. Die neue Beauftragte Bergmann ist 70 Jahre alt und wurde in Dresden geboren. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bergmann trat direkt nach der Wende 1989 der SPD bei. 1990 wurde sie zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt, von April bis Juli 2004 war sie kommissarische Landesvorsitzende. Von 1995 bis 2004 war sie Mitglied des Parteivorstandes. Von Mai 1990 bis Januar 1991 stand Bergmann als Präsidentin der Berliner Stadtverordnetenversammlung vor. Von Oktober 1991 bis Oktober 1998 war sie Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen. Von 1998 bis 2002 war sie Bundesfamilienministerin. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hatte zuvor den Umgang der Bundesregierung mit den Missbrauchsfällen an Schulen und in kirchlichen Einrichtungen scharf kritisiert. "Der Staat hat versagt", sagte Künast im ZDF. Umso mehr könne jetzt nicht ein Runder Tisch installiert werden, "der nur folgenlos redet." Künast griff auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Sie glaube, dass die Kanzlerin die Diskussion über Runde Tische zugelassen habe, weil sie sich nicht getraut habe, "scharfe Worte und wirklich klare Worte zu sprechen". Künast forderte die Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/ex-familienministerin-bergmann-wird-missbrauchsbeauftragte-1.6375
Ex-Familienministerin - Bergmann wird Missbrauchsbeauftragte
00/03/2010
Die Ex-SPD-Ministerin Christine Bergmann wird oberste Kämpferin des Bundes gegen Missbrauch. Auch der Runde Tisch ist beschlossene Sache.
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Viele Unternehmen sind mit der FDP von Guido Westerwelle eng verzahnt. Wie eng, das zeigt das Beispiel TellSell Consulting. Wenn es in der FDP etwas zu feiern gibt, ist Frank Baumgärtner nicht weit. Der 47-Jährige führt die Geschäfte der TellSell Consulting GmbH, die in Frankfurt/Main und im schweizerischen Steuerparadies Zug sitzt, sowie Repräsentanzen in Wien und Peking hat. Der Fall Baumgärtner zeigt, wie gut eine einzelne Firma mit einer Partei verdrahtet sein kann - zum Nutzen beider Seiten. Von TellSell profitiert die FDP des Außenministers Guido Westerwelle. Hier hat sich ein Unternehmen - in Harmonie mit einigen Firmen - an der Peripherie einer Partei eingenistet. Und seit diese Partei Teil der Bundesregierung ist, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Geschäfte noch besser florieren. Baumgärtner hat viele gute Kontakte, die er gerne nutzt, um zugunsten der FDP Fundraising-Veranstaltungen zu organisieren. An solchen Abenden wird in lockerer Atmosphäre die Spendenbereitschaft möglicher Geldgeber erhöht. Am Firmensitz von TellSell, in direkter Nachbarschaft zur Frankfurter Universität, lädt der Experte für Telefonmarketing regelmäßig auf eigene Kappe zu solchen Euro-Terminen ein. Die FDP wird dabei von den Gästen gut mit Spenden bedacht. Anfang 2006 gab sich FDP-Chef Guido Westerwelle bei einem von Baumgärtners Abenden selbst die Ehre. "100 Tage große Koalition - Eine erste Bilanz!", war das Thema im kleinen, erlesenen Kreis. Nach Westerwelles Vortrag habe sich ein "reger Gedankenaustausch" entwickelt, heißt es in einer TellSell-Mitteilung. Im November 2007, kurz vor der Hessen-Wahl, war dann FDP-Finanzfachmann Hermann Otto Solms bei exquisitem Fingerfood zu Gast in der Reihe der Networking Events, wie die Geldsammeltermine bei TellSell heißen. Solms ist als Bundesschatzmeister der FDP zudem oberster Spendensammler seiner Partei. Das Fernziel des Solms-Abends wurde schon im Veranstaltungstitel deutlich: "Hessen wählt - Der Anfang vom Ende der großen Koalition?" Die große Koalition war zwei Jahre später tatsächlich am Ende. Und der Beraterbetrieb TellSell hat dazu mit seinen knapp 50 Mitarbeitern einen bescheidenen Beitrag geleistet. Auch Westerwelle persönlich hat von der Hilfsbereitschaft Baumgärtners profitiert. Er saß bis zum 1. Oktober 2009 im vierköpfigen Beirat der TellSell Consulting. Dafür strich er - ausweislich seiner veröffentlichungspflichtigen Angaben auf der Bundestagswebsite - mindestens 7000 Euro im Jahr ein. Erst Ende September 2009, kurz nach der Bundestagwahl, gab der Parteivorsitzende den Job auf. Da war es nicht mehr lange hin bis zum honorigen Außenministeramt. Was genau Westerwelle für seinen Beiratsposten tun musste, ist nicht bekannt. Der liberale Politiker schweigt beharrlich zu solchen Details seines Geschäftstriebs. Auch TellSell-Geschäftsführer Frank Baumgärtner will auf telefonische Nachfrage von sueddeutsche.de öffentlich nicht Stellung nehmen. Doch auf der Internetseite seiner Firma lässt sich nachlesen: "Unsere Beiräte öffnen für Sie Türen und bringen Sie mit relevanten Ansprechpartnern zusammen." Einer wie Westerwelle, der sich die Partei untertan gemacht hat, kann da durchaus behilflich sein. Bei TellSell mischt, über mehrere Ecken, übrigens auch der einschlägig bekannte Reisefreund Cornelius Boersch mit, der inzwischen schon zweimal den Außenminister auf Tour begleitet hat. Boerschs Schweizer Beteiligungsfirma Mountain Super Angel AG ist über die BWS AG mit rund zehn Prozent an dem Unternehmen des FDP-Fundraisers Baumgärtner dabei. Frank Baumgärtner, das leuchtende Beispiel Der Marketingspezialist war mit den Jahren immer tiefer ins liberale Beziehungsgeflecht eingedrungen. Vorläufiger Höhepunkt: Bei der Feier zum 80. Geburtstag des FDP-Denkmals Hans-Dietrich Genscher im März 2007 im Sarrasani-Zelt am Berliner Hauptbahnhof mit mehr als 1500 Gästen trat TellSell als einer der Hauptsponsoren auf. Im Dezember 2008 hielt Baumgärtner bei einer Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann Stiftung einen wegweisenden Vortrag. Thema: "Was politische Parteien vom Management in Unternehmen lernen können." Er beschreibt darin beispielsweise das ideale Parteimitglied: Es sollte ein "aktiver Sympathisant" sein, der "Zeit und Geld" spendet sowie als "Multiplikator bei Fundraising" arbeitet. Er ist immer auch ein bisschen Kunde und Dienstleister. Frank Baumgärtner ist dafür selbst ein leuchtendes Beispiel. Das dürfte auch dem damaligen FDP-Bundesgeschäftsführer und Westerwelle-Intimus Hans-Jürgen Beerfeltz imponiert haben. Beerfeltz zählt zu den Mitinitiatoren des Bürgerfonds, den die Partei 2001 mit großen Zielen eingerichtet hat. Der Fonds ist eine Art Unterabteilung mit eigenem Geschäftsführer im Thomas-Dehler-Haus, der FDP-Parteizentrale in Berlin. Jeder Spendeneuro an den Bürgerfonds kommt direkt der FDP zugute. 2001 versprach Westerwelle noch, bis zur Bundestagswahl 2002 rund neun Millionen Euro einzusammeln. Die Rechnung ist nicht ganz aufgegangen. Im Superwahljahr 2009 sammelte der Fonds bei zusammen 4000 Spendern 2,1 Millionen Euro ein - ein einsames Rekordergebnis.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/die-netzwerke-der-fdp-fdp-fundraising-dinner-partei-1.9265
Die Netzwerke der FDP - FDP - Fundraising-Dinner-Partei
00/03/2010
Viele Unternehmen sind mit der FDP von Guido Westerwelle eng verzahnt. Wie eng, das zeigt das Beispiel TellSell Consulting.
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Die erste Aufregung hat sich gelegt. Trotzdem beschäftigt der Umbau der deutschen Entwicklungsgesellschaften nach wie vor die Phantasie vieler Politiker und Beteiligter. Nachdem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durch seine Ankündigung erst einmal viel Wirbel auslöste, sind es jetzt vor allem die betroffenen Bundestagsabgeordneten, die für die künftigen Standorte werben. Weitere Details der Reform dagegen werden derzeit nicht bekannt und auch nicht im Ministerium verhandelt. Auf Anregung des Hauses von Minister Dirk Niebel sitzen Arbeitsgruppen der drei Organisationen DED (Deutscher Entwicklungsdienst), GtZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) und Inwent (Internationale Weiterbildung) zusammen, um selbst Vorschläge für die Fusion zu entwerfen. Offen gekämpft wird im Augenblick vor allem um Standorte. Zunächst waren es zwei prominente CDU-Politiker, die mit Verve für Bonn als künftigem Sitz der neuen Organisation eintraten. So warben Bundesumweltminister Norbert Röttgen und der neue Generalsekretär der NRW-CDU, Andreas Krautscheid, in einem gemeinsamen Appell für die alte Bundeshauptstadt. Krautscheid betonte, Bonn eigne sich "hervorragend für eine weitere Konzentration der Kompetenzen im Bereich der Technischen Zusammenarbeit". Röttgen ergänzte, eine Stärkung des Standorts als Zentrum der Entwicklungspolitik sei "sowohl zweckmäßig als auch inhaltlich sinnvoll". Kaum hatten sich die beiden, der eine Bezirks-, der andere Kreisvorsitzender der CDU, zu Wort gemeldet, rührten sich auch vier von fünf Bonner Bundestagsabgeordneten. Unter Federführung des Sozialdemokraten Ulrich Kelber werben dabei Katja Dörner (Grüne), Paul Schäfer (Linke) und Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) für die alte Bundeshauptstadt. In einem gemeinsamen Aufruf schreiben sie, es liege "auf der Hand", den Standort und den Vorstandsvorsitz nach Bonn zu verlegen. Das entspräche zudem den Zielen des Bonn-Berlin-Gesetzes, das eine Konzentration der Entwicklungspolitik in Bonn vorsehe. Zugleich warnen die vier davor, diese Debatte mit anderen Diskussionen zu verquicken. Hintergrund ist, dass es derzeit Überlegungen gibt, die Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) von Bonn nach Frankfurt zu verlegen. Kein Wunder, dass - zumal in Bonn - mancher auf Ausgleich bedacht ist. Einer allerdings hält sich bei alldem raus, es ist der fünfte Bundestagsabgeordneten aus der alten Hauptstadt. Der Mann heißt Guido Westerwelle, ist Außenminister - und mag sich offenbar noch nicht festlegen. Doch bei den eigentlichen Fusionsverhandlungen führt derzeit nicht die Politik das Wort. Stattdessen suchen die Organisationen DED, GtZ und Inwent in Arbeitsgruppen nach Antworten auf zwei Fragen. Erstens: Wie könnten sogenannte Fusionsgewinne aussehen? An welcher Stelle also würden durch eine Fusion Arbeit, Aufgaben und Stellen frei werden, weil man sie in einer neuen Organisation nicht doppelt brauchen wird? Und zweitens: Wie könnte ein gemeinsames, identitätsstiftendes Geschäftsmodell für eine fusionierte große deutsche Entwicklungsorganisation aussehen? An diesem Mittwoch wird Niebel zunächst dem Kabinett und dann auch der Öffentlichkeit Grundzüge der Reform vorstellen. Er wird dabei aber wohl noch keine Details nennen. Klar ist nur, dass die drei Gesellschaften verschmelzen werden, dass die neue Organisation wohl auch einen neuen Namen erhalten wird - und dass über den Sitz der Geschäftsführung noch nicht entschieden ist. Das liegt auch daran, dass noch mancher Parteifreund und mancher Koalitionspartner bei Niebel vorstellig werden dürfte, um für Eschborn (den Hauptsitz der GtZ), für Bonn, womöglich gar für Berlin zu werben. Kämpfen und werben werden darüber hinaus auch die zu fusionierenden Organisationen. Legendär ist die Erzählung, dass so mancher Geschäftsführer bei früheren Fusionsplänen ganze Weinkisten darauf verwettete, die Pläne des Ministeriums zu durchkreuzen. Derlei Wetten dürften diesmal nicht mehr von Erfolg gekrönt sein.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/reform-der-entwicklungsarbeit-kampf-um-den-besten-platz-1.6311
Reform der Entwicklungsarbeit - Kampf um den besten Platz
00/03/2010
Entwicklungsminister Niebel will sein Haus völlig neu organisieren - und stößt damit auf den Widerstand der Hilfsorganisationen.
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Herzlich ist anders: Beim Empfang des israelischen Ministerpräsidenten im Weißen Haus fehlten Pressekonferenz und Fototermin. Netanjahu verteidigte die Siedlungspolitik - in Ostjerusalem gibt es wieder neue Baupläne. Die Stadtverwaltung von Jerusalem hat am Mittwoch den Bau von 20 weiteren Wohnungen im arabischen Ostteil der Stadt genehmigt. Das Projekt wird von einem Geschäftsmann in den USA finanziert, der ein altes Hotel abreißen und an dessen Stelle Apartments für jüdische Bewohner bauen will. Die Entscheidung folgt der Genehmigung für den Bau von 1.600 Wohnungen, die zu einer schweren Belastung im Verhältnis zwischen Israel und den USA geführt hat. Diese Spannungen konnten offenbar auch bei einem Besuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Weißen Haus nicht ausgeräumt werden. In Abkehr von den üblichen Gepflogenheiten gab es dabei am Dienstag weder einen Fototermin zu Beginn noch eine abschließende Erklärung vor Journalisten. Das Gespräch zwischen US-Präsident Barack Obama und Netanjahu am Dienstag im Oval Office dauerte etwa eineinhalb Stunden. Danach blieb Netanjahu weiter im Weißen Haus und sprach mit seinem Beraterstab, ehe er Obama um eine weitere Unterredung bat. Daraufhin sprachen die beiden Regierungschefs noch einmal 35 Minuten miteinander, wie ein US-Regierungsbeamter mitteilte. Ein Gespräch in "guter Atmosphäre" Das Treffen verlief nach israelischen Angaben zufolge positiv und habe in einer "guten Atmosphäre" stattgefunden, teilte das Büro Netanjahus am Mittwoch in Jerusalem mit. Vertreter beider Seiten wollten sich im Tagesverlauf weiter über die Vorschläge unterhalten, die bei dem Gespräch aufgekommen seien. Das Weiße Haus äußerte sich nicht zum Ton der Unterredung. Die US-Regierung hat Israel scharf kritisiert, weil während eines Besuchs von Vizepräsident Joe Biden in Jerusalem der Bau von 1.600 Wohnungen im arabischen Teil von Jerusalem genehmigt wurde. Vor dieser Entscheidung hatten sich die USA noch optimistisch über die baldige Aufnahme indirekter Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern gezeigt. Herzlicher als im Weißen Haus fiel der Empfang für Netanjahu im US-Kongress aus. Die Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte, der Kongress stehen "stets an der Seite Israels." Der republikanische Fraktionschef John Boehner erklärte: "Wir haben nirgendwo auf der Welt einen festeren Verbündeten als Israel." Dennoch sei es derzeit ein "schwieriger Zeitpunkt" in den Beziehungen zwischen den USA und Israel. Haltung zum Wohnungsbau verteidigt Netanjahu dankte dem Kongress für die von ihm als herzlich und parteiübergreifend bezeichnete Unterstützung. Auch verteidigte er die Haltung seiner Regierung zum Bau von Wohnungen in Ostjerusalem. Dies sei bereits seit dem Sechstagekrieg von 1967 üblich, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros im Gespräch mit Pelosi. Vor dem Treffen mit Obama drohte Netanjahu laut Medienberichten mit einem einjährigen Einfrieren der Nahost-Friedensverhandlungen, wenn die USA an ihrem Widerstand gegen den israelischen Siedlungsbau in Jerusalem festhielten. "Wenn die Amerikaner die von den Palästinensern gestellten unzumutbaren Forderungen bezüglich eines Einfrierens der Bautätigkeit in Jerusalem unterstützen, droht der politische Prozess ein Jahr lang blockiert zu werden", wurde Netanjahu von israelischen Journalisten zitiert, die ihn auf seiner USA-Reise begleiteten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/besuch-im-weissen-haus-kalte-schulter-fuer-netanjahu-1.18099
Besuch im Weißen Haus - Kalte Schulter für Netanjahu
00/03/2010
Herzlich ist anders: Beim Empfang des israelischen Ministerpräsidenten im Weißen Haus fehlten Pressekonferenz und Fototermin. Netanjahu verteidigte die Siedlungspolitik - in Ostjerusalem gibt es wieder neue Baupläne.
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Ist Terror eine Gefahr bei uns? Oder sind wir hysterisch? CDU-Mann Bosbach und die Grüne Antje Vollmer offenbaren: Wir wissen es nicht genau. Wilhelm Schmidbauer ist ein besonnener Mann. Als Münchens Polizeipräsident ist er für die Sicherheit in der sichersten Großstadt der Republik verantwortlich. Wenn dieser Mann sagt: "Ich kann Sie nicht beruhigen", klingt seine Stimme so, als würde er sagen: "Ich kann Sie beruhigen." Und wenn er sagt: "Der Terrorismus ist angekommen in Deutschland", klingt das so, als würde er sagen: "Der Frühling ist angekommen in Deutschland." Antje Vollmer ist eine höfliche Frau. Als ehemalige Vizepräsidentin des Bundestages weiß sie, was sich in einer gepflegten Diskussion gehört und was nicht. Deshalb sagt sie nicht: "Herr Schmidbauer, Sie sind hysterisch", sondern: "Ich bin eine bekennende Anti-Hysterikerin." Wahrscheinlich würden sich die höfliche Frau Vollmer und der besonnene Herr Schmidbauer gut verstehen, wenn sie über den Frühling sprächen. Doch an diesem Abend sprechen sie über islamistischen Terrorismus. Und da könnte der Dissens größer kaum sein. Wolfgang Bosbach und Ulrich Schneckener komplettieren die Diskussionsrunde des Stadtforums im Haus der Süddeutschen Zeitung - und ergänzen die beiden Pole: der erfahrene CDU-Innenpolitiker Bosbach auf Seiten des Polizeipräsidenten, der renommierte Terrorismusexperte Schneckener auf Seiten der Grünen-Politikerin. Zahl der "Topgefährder" steigt an Das Thema des Abends: "Zwischen Terrorangst und Hysterie". Ein weites Feld. Es geht zurück bis zu den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001 und reicht zu den gescheiterten Sauerland-Terroristen, die verheerende Bombenanschläge auf deutschem Boden geplant hatten und vor kurzem zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden sind. Es führt von den Kriegen in Afghanistan und im Irak zur Integration von Muslimen in Deutschland. Bosbach, derzeit Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, lässt keinen Zweifel: Er sieht die Bedrohung durch Terrorismus für Deutschland unvermindert hoch. "Wir gehen davon aus, dass in Deutschland 1100 gewaltbereite Islamisten leben", sagt der CDU-Mann. Die Zahl der Drohungen sei nach der Bundestagswahl zwar zurückgegangen, doch die Zahl der Menschen, die als "Topgefährder" eingestuft werden, steige weiter an. Von solchen Zahlen lässt sich Antje Vollmer nicht beeindrucken und konstatiert: "Der Westen hat sich in die Bedrohung hineinphantasiert." Die Grünen-Politikerin kreidet der Politik an, die Angst der Menschen gezielt zu instrumentalisieren. Die Hysterie nach dem 11. September sei genutzt worden, die Bevölkerung in einen "vorbereitenden Kriegszustand" zu versetzen, sagt Vollmer. Dabei sei die westliche Gesellschaft im Kern durch Terrorismus nie grundsätzlich gefährdet gewesen. Auch Terrorforscher Schneckener plädiert für mehr Gelassenheit und gibt zu bedenken, dass Terrorismus "nicht durch das wirkt, was er tut, sondern dadurch, wie auf ihn reagiert wird". Das Geschäft der Terroristen sei, den Angegriffenen zu einer Reaktion zu provozieren. Terrorismus nicht mit Krieg bekämpfen Eine solche Reaktion war der Feldzug gegen die Taliban in Afghanistan. Wenige Wochen nach dem 11. September haben die Amerikaner - unterstützt von Deutschland und vielen anderen Alliierten - den Einsatz am Hindukusch beschlossen. "Warum hat der Westen nicht versucht, mit anderen Mitteln Druck auszuüben?", will Schneckener wissen. Er und Vollmer - so viel ist schnell klar - halten Krieg anders als Bosbach für keine adäquate Methode, Terrorismus zu bekämpfen. In die Diskussion um den Afghanistan-Einsatz will sich Polizeichef Schmidbauer erst gar nicht einmischen. Was für ihn zählt, ist die Sicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Und dafür fordert er mehr Instrumente - Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung sind oben auf der Wunschliste. Bei Bosbach rennt Schmidbauer damit offene Türen ein. Vollmer hält die Möglichkeiten der Polizei hingegen für ausreichend. Die 66-Jährige setzt ihre Hoffnung in die Muslime selbst - und in ihre Integration in Deutschland. "Es gibt Möglichkeiten, die Terroristen zu begreifen, zu berechnen und zu überwinden", sagt Vollmer. Deshalb lobt sie sogar einen CDU-Politiker: Wolfgang Schäuble, weil er die Islamkonferenz auf den Weg gebracht hat.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorangst-in-deutschland-ewige-allgemeine-verunsicherung-1.3297
Terrorangst in Deutschland - Ewige allgemeine Verunsicherung
00/03/2010
Ist Terror eine Gefahr bei uns? Oder sind wir hysterisch? CDU-Mann Bosbach und die Grüne Antje Vollmer offenbaren: Wir wissen es nicht genau.
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Piraterie ist am Horn von Afrika ein einträgliches Geschäft. Wie viel Lösegeld genau sie für einen gekaperten Frachter zahlen, verraten die Reedereien aber meistens nicht. Doch angeblich sind mehrere Millionen US-Dollar durchaus üblich. Es gibt in dem verarmten Bürgerkriegsland Somalia wohl kaum eine andere Branche, die so hohe Gewinne verspricht. Dieses Grundproblem muss früher oder später jeder lösen, der die Seeräuberei bekämpfen will. Die US-Regierung hat dazu nun eine radikale Idee entwickelt: Sie will es mit Hilfe von Anti-Terror-Gesetzen international verbieten, dass Lösegeld an Piraten gezahlt wird. Die Reedereien sind wegen des Vorschlags, der noch intern diskutiert wird, in heller Aufregung. Sie fürchten um die Sicherheit ihrer Mannschaften. Die dänische Zeitung Berlingske Tidene berichtete am Dienstag, dass der internationale Reederverband ICS seine Mitglieder aufgefordert habe, bei ihren jeweiligen Regierungen gegen die US-Initiative zu kämpfen. Peter Hinchliffe vom ICS bestätigt, man sei sehr besorgt. Die somalischen Seeräuber seien zudem gewöhnliche Kriminelle, keine Terroristen. Diese Meinung wird aber nicht von allen geteilt. Einige Beobachter warnen schon länger davor, dass die Verbindungen zwischen den Piraten und den radikal-islamischen Al-Shabaab-Milizen in Somalia enger werden. Al-Shabaab werden gute Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt. Die Befürchtung ist, dass die Lösegeld-Millionen letztlich in die Planung von Anschlägen fließen könnten. In den USA ist die somalische Piraterie ein großes Thema, seit im April 2009 die Maersk Alabama am Horn von Afrika überfallen und ihr amerikanischer Kapitän gekidnappt wurde. US-Spezialtruppen beendeten das Geiseldrama mit gezielten Schüssen, drei Entführer starben. In Washington wurde danach der Ruf nach einer härteren Gangart laut. Die nun gestartete Initiative greift diese Forderungen auf. Sie zielt darauf ab, die somalischen Empfänger des Lösegelds mit Hilfe des UN-Sicherheitsrats weltweit als Terroristen zu ächten. "Der Vorschlag ist menschenverachtend" Jede Zahlung an sie wäre dann verboten. Die Überlegung dahinter ist einfach: Eine Branche, die keine Gewinne macht, geht ein. Die Reeder aber brächte das in ein Dilemma. Zahlen sie nicht, riskieren sie das Leben ihrer Mannschaft. Zahlen sie trotz Verbots, müssen sie Strafen befürchten. Unter anderem dürften sie dann wohl keine amerikanischen Häfen mehr anlaufen. "Der Vorschlag ist menschenverachtend", sagt Jan-Thiess Heitmann, Justitiar beim Verband Deutscher Reeder (VDR). Derzeit befinden sich in Somalia etwa zwölf Schiffe und mehr als 200 Seeleute in der Gewalt von Piraten. Ein Lösegeldverbot könne da Leben kosten, sagt Heitmann. Er hält die Idee der USA auch für unvereinbar mit dem Grundgesetz, schließlich gelte die Arbeitgeber-Fürsorgepflicht. Die Bundesregierung hat ein juristisches Gutachten zu der Frage erstellt und teilt die Bedenken. Einer Sprecherin des Verkehrsministeriums zufolge lehnt Berlin das Ansinnen aus Washington ab. Lösegeld müsse eine Option bleiben, sagt sie, was freilich nicht heiße, dass es immer gezahlt werden solle. Falls Washington sich durchsetzt, würde vermutlich kaum noch ein Reeder Schiffe durch den Suez-Kanal und den Golf von Aden schicken. Die Strecke ist eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt. Am schlimmsten betroffen wäre der Osten Afrikas, meint Heitmann. Dort könne man einige Häfen dann gar nicht mehr anlaufen, mit verheerenden Folgen für die ganze Region.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/us-plaene-piraten-in-die-pleite-treiben-1.11545
US-Pläne - Piraten in die Pleite treiben
00/03/2010
Piraterie ist ein einträgliches Geschäft. Die US-Regierung will deshalb Lösegeldzahlungen für gekaperte Schiffe verbieten. Eine radikale Idee. Die Reedereien sind in heller Aufregung.
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US-Präsident Obama ist nett zu Israels Premier Netanjahu, der Streit um den Siedlungsbau ist zu den Akten gelegt. Doch klar ist auch: Amerika und Israel verfolgen keinen gemeinsamen Kurs mehr. Sie wollen wieder Freunde sein. Wort- und gestenreich haben Amerikaner und Israelis nach dem großen Knall nun ihren Bund bekräftigt. US-Außenministerin Hillary Clinton verspricht, die USA stünden "felsenfest" an Israels Seite, Präsident Barack Obama empfängt Premierminister Benjamin Netanjahu zum Plausch im Weißen Haus, und am Ende der politischen Schmuserei sind zwei Dinge klar. Erstens: Der Streit um Israels jüngste Baupläne im arabischen Ostteil von Jerusalem wird zu den Akten gelegt. Zweitens: Der nächste Streit kommt bestimmt. Denn hinter all den Freundschaftsbekundungen und Sicherheitsgarantien tut sich ein Graben auf in den Beziehungen zwischen den USA und Israel. In den Kernfragen - im nahöstlichen Friedensprozess ebenso wie im Umgang mit der iranischen Atombedrohung - verfolgen die beiden Regierungen einen konträren Kurs. So will Washington binnen zwei Jahren einen Palästinenserstaat gegründet sehen, und ein Gutteil von Obamas außenpolitischer Glaubwürdigkeit ist mit einem Erfolg in Nahost verknüpft. Die Regierung in Jerusalem aber hat es damit gar nicht eilig und scheut vor allem notwendige Konzessionen wie die Aufgabe von Siedlungen. In der Iran-Frage setzt Obama immer noch darauf, mit einer möglichst breiten internationalen Koalition das Teheraner Regime durch Sanktionen in die Knie zu zwingen. Im Hintergrund aber gefährdet Israel diese zweifellos mühsame Politik mit seinen Angriffsdrohungen. Sehr deutlich war aus Washington nun überdies zu hören, dass Israels Siedlungs-Politik die Sicherheit der US-Soldaten in Irak und Afghanistan verschlechtere. Und nicht einmal der beste Freund darf ungestraft gegen Amerikas ureigenste Interessen arbeiten. Der jüngste Streit um den Bau von 1600 neuen Wohnungen in Ramat Schlomo war also vor allem ein willkommener Anlass für die Obama-Administration, Israels Premier einmal Grenzen aufzuzeigen. Netanjahu, der sich gern als größter Taktierer diesseits des Jordans feiern lässt, sollte nach allen Regeln der diplomatischen Kunst eine Lektion erteilt werden. Nicht nur aus den USA kam ein Trommelfeuer von Vorwürfen und Forderungen, auch die EU und die Vereinten Nationen wurden eingespannt. Schließlich wurde sogar Angela Merkel ins Feld geschickt, die Kanzlerin gilt als größte Freundin Israels. Offenbar auf Bitten Washingtons las auch sie Netanjahu am Telefon die Leviten wegen der Siedlungspolitik. Deutlicher geht es kaum. Die Frage ist nur, ob der israelische Premier die Botschaft wirklich schon verstanden hat. Zwar hat er vor seiner Abreise in die USA ein ganzes Bündel von Zugeständnissen gemacht, die den Start neuer Friedensgespräche mit den Palästinensern erleichtern sollen - von der Lockerung der Gaza-Blockade bis zur Freilassung palästinensischer Gefangener. Nur so hat er sich die Eintrittskarte fürs Weiße Haus am Dienstagabend verdient. Aber in der Kernfrage des Streits hat er nicht nachgegeben, und auch auf amerikanischem Boden hat er darauf beharrt: Bauen in ganz Jerusalem ist seiner Regierung heilig. Jerusalem sei keine Siedlung, sagt Netanjahu, sondern Israels Hauptstadt. Tatsächlich setzt er damit nur eine Politik fort, die alle israelischen Regierungen in den vergangenen 40 Jahren verfolgt haben. Die USA haben das zum Beispiel noch bei Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert stillschweigend geduldet. Aber Olmert hat auch anders als Netanjahu ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern geführt. Dass die US-Regierung nun den Streit um die Jerusalemer Baupläne für beendet erklärt, hat vor allem einen Grund: Sie hat gegenüber Netanjahu ihren Punkt gemacht, nun will sie nach vorn blicken und endlich die indirekten Friedensgespräche starten. Hier wird sich erweisen, wie weit die Freundschaft wirklich trägt. Und Präsident Obama wird sehen wollen, wie viel Netanjahu dafür zu tun bereit ist.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-und-die-usa-schmusen-und-schimpfen-1.1258
Israel und die USA - Schmusen und Schimpfen
00/03/2010
US-Präsident Obama ist nett zu Israels Premier Netanjahu, der Streit um den Siedlungsbau ist zu den Akten gelegt. Doch klar ist auch: Amerika und Israel verfolgen keinen gemeinsamen Kurs mehr.
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Die Sozialdemokraten wollen in Nordrhein-Westfalen regieren - zur Not auch mit Hilfe der Linkspartei. Die SPD will sich nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl ein Regierungsbündnis mit der Linkspartei offenhalten. Der Generalsekretär der NRW-SPD, Michael Groschek, sagte am Dienstag in Düsseldorf, die Parteiführung werde bis zum Wahltag am 9. Mai keine definitive Absage an eine Koalition mit der Linken machen. "An der Linie wird sich auch nichts ändern", sagte Groschek. Die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hatte die Linkspartei in den vergangenen Monaten stets für "derzeit nicht regierungswillig und regierungsfähig" erklärt. Mit der "Derzeit"-Formulierung will sich Kraft eine rot-rot-grüne Bündnisoption ebenso offen halten wie die Landes-Grünen. Zuletzt hatte es zunehmende Spekulationen gegeben, die SPD werde ein Linksbündnis wenige Wochen vor der NRW-Wahl klipp und klar ausschließen, um die Rot-Rot-Kampagne der CDU-Regierungspartei ins Leere laufen zu lassen. Dagegen bekräftigte SPD-General Groschek, "aus heutiger Sicht" werde es weder Änderungen noch Präzisierungen bei den Aussagen zur Linkspartei geben. Ziel der Sozialdemokraten sei es, stärkste Fraktion im Landtag zu werden und "ein rot-grünes Bündnis zum Erfolg zu führen", betonte Groschek. Um dieses Ziel zu erreichen, setze die SPD auf eine möglichst hohe Wahlbeteiligung. Damit solle die Hürde für einen Einzug der Linkspartei in den Düsseldorfer Landtag erhöht werden. In etwa 30 besonders umkämpften Wahlkreisen werde die SPD ganz gezielt bei den Anhängern der Grünen um die Erststimme für ihre Kandidaten werben. Rütters gebärde sich "wie ein Halbstarker" Bei der Landtagswahl am 9. Mai haben die Wähler erstmals zwei Stimmen. In den Umfragen liegen SPD und Grüne mit dem Regierungslager von CDU und FDP Kopf an Kopf bei jeweils 45 Prozent. Für die Linkspartei werden sechs Prozent prognostiziert. Groschek warf Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) vor, er führe angesichts seines drohenden Machtverlusts "einen hundertprozentigen Oppositions-Wahlkampf mit Pöbel-Plakaten". Rüttgers habe seine Inszenierung als "über den Parteien schwebender Bürgerpräsident" aufgegeben und gebärde sich wie ein "Halbstarker". Der CDU-Landesparteitag am vorigen Wochenende habe "die Wiederauferstehung des Rüpel-Rüttgers" erlebt. Dort hatte der Regierungschef den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel als "charakterlos", "hemmungslos" und "eine Schande für die Politik" bezeichnet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-in-nordrhein-westfalen-der-unbedingte-wille-zur-macht-1.21983
Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen - Der unbedingte Wille zur Macht
00/03/2010
Die Sozialdemokraten wollen in Nordrhein-Westfalen regieren - zur Not auch mit Hilfe der Linkspartei.
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mlsum_de-train-377
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66 Jahre hat es gedauert, bis diese Verbrechen ihre Ahndung finden konnten. Im Sommer 1944 hat Heinrich Boere, heute 88 Jahre alt, in den von deutschen Truppen besetzten Niederlanden drei Menschen erschossen. 1949 wurde er dafür von einem Sondergerichtshof in Amsterdam zum Tod verurteilt, später zu lebenslanger Haft begnadigt. Aber da hatte sich Heinrich Boere schon längst der holländischen Justiz entzogen. 1947 war er aus einem Kriegsgefangenenlager entflohen, sieben Jahre hielt er sich in Holland versteckt, dann überquerte er die deutsche Grenze und ließ sich in seinem Geburtsort Eschweiler als Bergmann nieder. Seit 1976 lebt er als Rentner in einem Seniorenheim. Nie hat er geheiratet - er habe ja, sagte er einmal, jeden Tag fürchten müssen, abgeholt zu werden. Zivilisten mussten sterben, weil sie "deutschfeindlich" waren Jetzt hat ihn seine Vergangenheit eingeholt: Das Landgericht Aachen verurteilte ihn wegen Mordes in drei Fällen zu lebenslanger Haft. Der Urteilsbegründung folgte er teilnahmslos, zeitweise schien es, als sei er eingeschlafen. Ob er das Urteil wirklich begriffen hat, ist ungewiss - vielleicht bleibt es ja auch folgenlos für ihn. Bis zur Rechtskraft können aller Voraussicht nach noch Jahre vergehen. Die Opfer der drei Morde waren Zivilisten, die von den Nazi-Besatzern als deutschfeindlich eingestuft und deshalb als Zielpersonen für Vergeltungsaktionen ausgesucht worden waren. Fritz Bicknese, 56, Apotheker in Breda und Vater von zwölf Kindern, Teunis de Groot, 42, Fahrradhändler in Voorschoten, Vater von fünf Kindern, und Frans Willem Kusters, 28, Prokurist, ebenfalls in Voorschoten. Keiner von ihnen war je an bewaffneten Widerstandsaktionen gegen die Deutschen beteiligt gewesen. "Niederträchtige und feige" Exekutierungen Am 14. Juli 1944 kurz vor zehn Uhr abends betrat Heinrich Boere mit einem zweiten SS-Mann, beide in Zivil, die Apotheke Fritz Bickneses. Boere fragte: "Bist du Bicknese", und als dieser bejahte, zog er eine schussbereite Pistole aus der Manteltasche und erschoss den Apotheker. In gleicher Weise ging er am 3. September bei dem Fahrradhändler Teun de Groot vor. Morgens um halb acht klingelten die Mörder an der Haustür, forderten de Groot, der im Schlafanzug war, auf, sich zu legitimieren, und schossen sofort. Nur eine Stunde später klingelten sie bei Frans Willem Kusters. Ihn nahmen sie, weil sie ihn nicht in Anwesenheit seiner Ehefrau erschießen wollten, im Auto mit und täuschten eine Panne vor. Kusters versuchte davonzulaufen, aber Boere und sein Kumpan töteten ihn mit mehreren Schüssen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/verurteilter-ss-mann-boere-mord-an-der-haustuer-1.15481
Verurteilter SS-Mann Boere - Mord an der Haustür
00/03/2010
"Niederträchtig und feige": In Aachen ist der ehemalige SS-Mann Heinrich Boere zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe ist ungewiss.
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Wegen dreifachen Mordes haben die Richter den 88-jährigen Nazi-Verbrecher Boere zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Anwälte hatten gefordert, das Verfahren einzustellen. Wegen dreifachen Mordes hat nun das Aachener Landgericht den Nazi-Verbrecher Heinrich Boere zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 88-Jährige hatte in dem Prozess gestanden, 1944 als Mitglied des SS-Killerkommandos "Feldmeijer" drei niederländische Zivilisten erschossen zu haben. In seiner Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter: "Es waren Morde, die an Niederträchtigkeit und Feigheit kaum zu überbieten waren - außerhalb der Anständigkeit eines jeden Soldaten." Mit dem Urteil folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde hatte die Taten als heimtückische und meuchlerische Morde bewertet. Boere sei ein überzeugter Nazi gewesen und habe als Spion im Widerstand Landsleute ans Messer geliefert. Die Verteidigung hatte die Einstellung des Verfahrens verlangt - oder im Falle einer Verurteilung eine Höchststrafe von sieben Jahren. Der Ex-Bergmann hatte zwar zugegeben, im Juli und September 1944 in Breda, Voorschoten und Wassenaar drei Niederländer erschossen zu haben: einen Apotheker, einen Fahrradhändler und einen leitenden Angestellten. Das Bewusstsein, ein Verbrechen zu begehen, fehlte Doch der heute in einem Altenheim lebende Angeklagte hatte sich auf einen Befehlsnotstand berufen: Bei Befehlsverweigerung habe ihm die Todesstrafe oder die Einlieferung in ein Konzentrationslager gedroht. Er habe damals nicht in dem Bewusstsein gehandelt, ein Verbrechen zu begehen. Die drei Morde Boeres zählen zu den mindestens 54 sogenannten "Silbertannen-Morden", die das "Sonderkommando Feldmeijer" der "Germanischen SS in den Niederlanden" während des Zweiten Weltkriegs begangen hat. Die Opfer waren Niederländer, die im Widerstand aktiv waren oder von den Nazis als antideutsch gesonnen angesehen wurden. Boere war wegen der drei ihm zur Last gelegten Morde bereits 1949 von einem Sondergericht in Amsterdam in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden, die Strafe wurde im Nachhinein in lebenslängliche Haft umgewandelt. Justizbehörden arbeiteten nicht zusammen Allerdings war dem SS-Mann die Flucht aus niederländischer Haft gelungen. Nachdem er zunächst in den Niederlanden untergetaucht war, floh er später nach Deutschland, wo er jahrzehntelang unbehelligt blieb - unter anderem, weil offenbar die Kooperation zwischen der niederländischen und der damals jungen bundesdeutschen Justiz nicht funktionierte. Das Urteil gegen Boere markiert das Ende eines der letzten NS-Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ns-prozess-in-aachen-hoechststrafe-fuer-ss-mann-boere-1.18348
NS-Prozess in Aachen - Höchststrafe für SS-Mann Boere
00/03/2010
Wegen dreifachen Mordes haben die Richter den 88-jährigen Nazi-Verbrecher Boere zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Anwälte hatten gefordert, das Verfahren einzustellen.
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mlsum_de-train-379
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Dem Sturmlauf der Konservativen zum Trotz gelingt es Obama, ein historisches Gesetz zu verabschieden. Bei den Republikanern mischt sich in die Empörung auch Selbstkritik - zu Recht. Natürlich, in ihren Reaktionen überschlagen sich die konservativen Kräfte wieder einmal: "Der größte Machtmissbrauch und die schlimmste Arroganz, die Washington je gesehen hat" überschreibt eine Kommentatorin für den Sender Fox News ihre Abrechnung mit dem Gesetz, das nicht wenige als historisch ansehen. Das Repräsentantenhaus hat die Senatsvorlage für Präsident Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben, die Gesundheitsreform, mehrheitlich gebilligt. Seit Mitte der sechziger Jahre hat das Parlament in den USA nicht mehr ein solch gewichtiges sozialpolitisches Gesetz verabschiedet. Obama wird es voraussichtlich im Laufe des Dienstags unterschreiben. Für manche steht fest: Seine erste Legislaturperiode ist jetzt schon ein Erfolg. Der Mann hat Geschichte geschrieben. In die Geschichte eingehen werden indes aber auch die vergangenen 14 Monate, in denen dem amerikanischen Volk eine Schlacht sondersgleichen geboten wurde. Verglichen mit dem populistischen und propagandistischen Sturmlauf der US-Konservativen rund um die Tea-Party-Bewegung wirken die verbalen Scharmützel in Berlin - zwischen Regierung und Opposition oder zwischen Regierungspartei und Regierungspartei - wie Friedensgespräche. Wie eine wildgewordene Herde Elefanten rannten die Republikaner - in Anlehnung an ihr Wappentier - gegen die Reform an. Tyrann Obama, der sich über den Wählerwillen hinwegsetzt. Der Sozialist, der die Vereinigten Staaten in ein kommunistisches Land verwandeln will: Den Gegnern der Gesundheitsreform war kein Vergleich zu krude, als dass er nicht zur Verunglimpfung der Demokraten und ihres Projekts "Health Care" herangezogen werden konnte. Bis kurz vor der Abstimmung agitierten republikanische Abgeordnete gegen das Gesetz und wollen auch jetzt, nach dem Votum, weiter dagegen vorgehen. So planen mindestens zehn Bundesstaaten - darunter auch demokratisch regierte -, gegen Health Care zu klagen. Obamas erklärtes wichtigstes innenpolitisches Vorhaben zum Scheitern zu bringen, ihn, der den Wechsel versprochen hatte, als Luftnummer bloßzustellen, die Demokraten als ineffiziente Dampfplauderer zu enttarnen, das waren die Ziele der Republikaner, die sich vor mehr als einem Jahr zu einer weitreichenden Entscheidung hinreißen ließen: Beim Thema "Health Care" sollte Fundamentalopposition betrieben werden. Die laute Tea-Party-Bewegung erlebte regen Zulauf, in den Townhall Meetings bekamen die Abgeordneten die Wut der Bürger zu spüren. Doch am Ende half die Mobilmachung nichts. Das Gesetz tritt in Kraft - und stellt die Republikaner vor ein großes Problem. Was passiert, sobald die Bürger in den kommenden Monaten merken, dass sich die schrillen Kassandrarufe der Konservativen nicht bewahrheiten werden? Wenn sich die USA nicht in China verwandeln, sondern das Gesetz tatsächlich mehr Amerikanern hilft, gesund zu bleiben oder gesund zu werden? In die Wut über den verlorenen Kampf mischt sich bei den Konservativen auch Selbstkritik. Die Republikaner mögen sich noch feiern dafür, den Boden für womöglich erfolgreiche Kongresswahlen im November bereitet zu haben, indem sie dem Ärger über die Regierung eine Plattform gaben. Doch nach Ansicht von David Frum, einem bekannten konservativen Journalisten und ehemaligen Berater von George W. Bush, haben es sich die Konservativen zu großen Teilen selbst zuzuschreiben, diese "schlimmste Abstimmungsniederlage seit den sechziger Jahren" kassiert zu haben. Ja, die total überhitzte Debatte hat einerseits die Menschen mobilisiert. Doch viel mehr fällt ins Gewicht, dass den Republikanern durch sie der Handlungsspielraum genommen wurde. Wie sollen konservative Abgeordnete auch in der Sache verhandeln und eigene, in ihren Augen bessere Alternativen ins Spiel bringen, wenn "Health Care" als reines Teufelszeug verschrien wird? "Wir folgten den radikalsten Stimmen in der Bewegung", schreibt Frum, "und sie führten in diese demütigende und unumkehrbare Niederlage". Die konservativen Kräfte haben den Meinungsmachern in den Radio- und Fernsehanstalten die Wortführerschaft überlassen. "Die Niederlage für die freie Marktwirtschaft und die republikanischen Werte ist in Wahrheit ein Sieg für die konservative Unterhaltungsindustrie" verurteilt Frum Lautsprecher wie Glenn Beck oder Rush Limbaugh. "Ihre Zuhörer werden nun noch zorniger und noch frustrierter und noch enttäuschter sein" - und in größerer Zahl ihr Radio oder Fernsehgerät einschalten. Was für die Republikaner aber beinahe noch schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass Obama den Amerikanern zeigen konnte, wie ernst er es mit seiner Politik des Wechsels, mit dem "Change", meint. Nun kann ihm nicht mehr vorgeworfen werden, nur Reden zu schwingen, statt Taten zu vollbringen. In den letzten Tagen vor der Abstimmung galt seine gesamte Konzentration der Reform. Geplante Reisen nach Australien und Indonesien wurden kurzfristig abgesagt. Der Präsident setzte Zeichen. Der Einsatz, der ihn auch bei diversen Reden wieder zur Hochform aus Kandidaten-Zeiten auflaufen ließ, hat sich gelohnt. Ein Berater der Demokraten bringt auf politico.com die Bedeutung dieses verabschiedeten Gesetzes für die erste Obama-Amtsperiode auf den Punkt: "Jeder Demokrat und viele Unabhängige werden sagen: 'Ach du Sch... Dieses Obama-Ding war ernst gemeint. Er hat wirklich getan, was er gesagt hat.' Der politische Wert dieser Meinung ist unermesslich." Je lauter die Konservativen nun bis November das Gesetz verteufeln, desto eher erscheinen sie nach Obamas erstem großen Gesetz als schlechte Verlierer. Ob sich auch der Furor in der Bevölkerung so lange aufrechterhalten lässt - vor allem vor dem Hintergrund, dass sich jene apokalyptischen Warnungen vor dem Ende der USA nicht bewahrheiten werden - gilt als zweifelhaft. Bessert sich etwa die wirtschaftliche Situation bis dahin, wird der Groll gegenüber der Regierung lange nicht so groß sein. Auch wenn die "Health Care" zu greifen beginnt, sehen viele den Rückhalt für die Konservativen bröckeln. Aus den aufrechten Patrioten, zu denen sich die Republikaner stilisierten, könnten dann sture Neinsager werden. Ein Versprechen wird Obama in Zukunft indes nicht mehr einlösen können. Als er ins Weiße Haus zog, wollte er überparteilich regieren. Das wird ihm mit diesen Konservativen nicht mehr gelingen. "Hell, no, you can't!" - "Zum Teufel nein, Sie können nicht!" warf der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, bei der Debatte um die finale Abstimmung den Demokraten an den Kopf. Doch, sie konnten. Und sie werden auch in Zukunft - ganz ohne Hilfe der Republikaner.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-republikaner-und-gesundheitsreform-wuetende-elefanten-1.11803
US-Republikaner und Gesundheitsreform - Wütende Elefanten
00/03/2010
Dem Sturmlauf der Konservativen zum Trotz gelingt es Obama, ein historisches Gesetz zu verabschieden. Bei den Republikanern mischt sich in die Empörung auch Selbstkritik - zu Recht.
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Extremistische Gewalttaten nehmen in Deutschland rasant zu: Die meisten Straftaten gehen noch immer auf das Konto der extremen Rechten - doch linke Gewalt holt in der Statistik auf. In Hamburg zünden Linksautonome Polizeiautos an, in Berlin hetzen Neonazis im Wahlkampf gegen Politiker mit Migrationshintergrund. Auch wenn nicht alle extremistischen Straftaten im vergangenen Jahr für solche Schlagzeilen sorgten: Mehr Menschen als je zuvor haben 2009 aus politischen Gründen randaliert, gesprayt und zugeschlagen. Die Zahl politisch motivierter Straftaten stieg um 6,7 Prozent auf fast 34.000 Delikte an, wie das Bundesinnenministerium meldet. Für den Anstieg ist vor allem die Zunahme linksextremer Gewalt verantwortlich: Zum ersten Mal fielen linker Gewalt mehr Menschen zum Opfer als gewalttätigen Übergriffen aus der rechten Szene. Bei linksextrem motivierter Kriminalität war demnach ein Zuwachs von fast 40 Prozent zu verzeichnen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zeigte sich besorgt - auch als oberster Dienstherr der Polizei. Mehr als die Hälfte der Körperverletzungen waren Angriffe auf Polizeikräfte, sagte de Maizière. In fast allen anderen Fällen sei die Gewalt gegen rechte Kräfte gerichtet gewesen. Für den einzigen Todesfall vor politischem Hintergrund sind laut Innenministerium rechtsextreme Täter verantwortlich. Straftaten aus der rechten Szene, zu denen nicht nur Gewalttaten gehören, machten auch 2009 das Gros der politisch motivierten Delikte aus: Zwei Drittel werden rechtsextremen, ein Drittel wird linksextremen Kreisen zugerechnet. Mit 19.500 Straftaten ist rechte Gewalt und Kriminalität damit auf dem zweithöchsten Stand seit 2001. Zwar wurde im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang von 4,7 Prozent registriert. Rechne man allerdings Propagandadelikte wie Hakenkreuz-Schmiereien aus der Statistik heraus, heißt es aus dem Innenministerium, sei bei den rechtsextremistischen Straftaten sogar ein leichter Zuwachs zu registrieren - um 0,6 Prozent. Immer häufiger verschwimmen die Grenzen zwischen politischer Gewalt und unpolitischem Vandalismus. So sei die Zahl linksextremistisch motivierter Brandstiftungen stark gestiegen, sagte de Maizière. Allein in der Hauptstadt brannten im vergangenen Jahr mehr als 200 Autos.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/extremistische-gewalt-in-deutschland-land-der-schlaeger-1.4225
Extremistische Gewalt in Deutschland - Land der Schläger
00/03/2010
Extremistische Gewalttaten nehmen in Deutschland rasant zu: Die meisten Straftaten gehen noch immer auf das Konto der extremen Rechten - doch linke Gewalt holt in der Statistik auf.
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Diplomatische Krise nach dem Mord von Dubai: Weil für die Tat britische Pässe gefälscht wurden, weist Großbritannien einen Botschaftsangehörigen Israels aus. Die britische Regierung in London war bislang ein enger Verbündeter Israels, doch der Mord an dem Hamas-Funktionär Mahmud al-Mabhuh in Dubai stürzt das Verhältnis der beiden Staaten in eine Krise. Nach einem Bericht der BBC wird die Regierung zwei Monate nach der Tat einen israelischen Diplomaten ausweisen, weil sie Israel bezichtigt, britische Pässe kopiert zu haben, die später bei dem Mord verwendet wurden. Wer zur Persona non grata erklärt werden soll, sei nicht bekannt. Es handele sich jedoch nicht um Israels Botschafter Ron Prosor, sondern um einen seiner Mitarbeiter. Die britische Regierung hatte Botschafter Prosor bereits im Februar einbestellt, von weiteren Konsequenzen aber abgesehen. Nun liegen London offenbar Beweise für die Passfälschung vor - und nun handelt Außenminister David Miliband. Miliband will sich im Laufe des Tages vor dem Parlament zu der Ausweisung äußern. Der BBC zufolge wird Großbritannien Israel nicht offiziell für den Mord an Mabhuh verantwortlich machen. Die Zeitung Daily Telegraph berichtet allerdings, dass die Regierung den israelischen Sicherheitsdiensten sehr wohl öffentlich die Passfälschungen vorhalten wird. Ein deutliches Signal Außenminister Miliband hatte den Einsatz britischer Pässe bei dem Mord als "Skandal" und "unerhört" bezeichnet und von der Regierung in Tel Aviv volle Kooperation gefordert. Israel dementiert nach wie vor, dass der Mord von seinem Geheimdienst Mossad begangen wurde. Die Polizei in Dubai ist dagegen davon überzeugt - und die britische Regierung offenbar auch. Dem Daily Telegraph zufolge bestellte das Außenministerium in London Botschafter Prosor am Montagabend ein. Die Ausweisung eines seiner Untergebenen soll ein deutliches Signal in Richtung Tel Aviv senden, wie verärgert Großbritannien über die Passfälschungen sei. Mabhuh wurde am 19. Januar bei einem Attentat im Luxushotel Bustan Rotana in Dubai umgebracht. Er wird von Israel für die Entführung und Ermordung zweier Soldaten zu Beginn der ersten Intifada in den achtziger und neunziger Jahren und für Waffenschmuggel im Auftrag der Hamas verantwortlich gemacht. Bei seiner Ermordung waren neben den gefälschten britischen Pässe auch Reisedokumente aus mehreren anderen EU-Staaten verwendet worden, darunter auch ein deutscher.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/mutmasslicher-mossad-mord-in-dubai-london-wirft-israelischen-diplomaten-raus-1.9765
Mutmaßlicher Mossad-Mord in Dubai - London wirft israelischen Diplomaten raus
00/03/2010
Diplomatische Krise nach dem Mord von Dubai: Weil für die Tat britische Pässe gefälscht wurden, weist Großbritannien einen Botschaftsangehörigen Israels aus.
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Cicciolina hat vorgemacht, wie frau den Sprung aus den Pornofedern auf das politische Parkett schafft: Das selbsternannte Schnuckelchen (italienisch: la cicciolina) entblößte auf Wahlkampfveranstaltungen schon mal ihre Brüste. So viel Körpereinsatz honorierten die Italiener 1987 mit einem Sitz im Parlament. Anna Arrowsmith hat einen ähnlich wohlklingenden Namen wie Cicciolina (bürgerlich Ilona Staller) - und auch in ihren politischen Ambitionen gleichen sich der italienische Sexfilmstar und die britische Porno-Produzentin: Wenn im Mai auf der Insel gewählt wird, will die 38-Jährige als Kandidatin der Liberaldemokraten im südenglischen Bezirk Gravesham einen Platz im Unterhaus ergattern. Sie hat die Haare schön wie Merkel Eine Passion für Porno und Politik haben die beiden Frauen gemeinsam, doch ihre Wahlkampfstrategien könnten unterschiedlicher kaum sein: Das fängt schon beim Erscheinungsbild an. Cicciolina pflegte eine lange, wasserstoffblonde Mähne, Anna trägt dagegen Bob, kinnkurz und brünett. Die Frisur ähnelt der der deutschen Kanzlerin: Angela Merkels Haarschnitt strahlt zwar keine Erotik, dafür aber Effizienz und Professionalität aus. Dazu passt, dass sich Arrowsmith auf ihrer offiziellen Kandidaten-Homepage in hellem Streifenhemd und schwarzem Jacket präsentiert. Auf annaforgravesham.org.uk erfährt man, dass Anna einen Bachelor in "Film und Video" sowie einen Master in Philosophie hat. Schwerpunkt ihres Studiums: Gender-Philosophie. "Anna wurde Großbritanniens erste Regisseurin für Erwachsenenfilme, als sie merkte, dass es ihrem großen Interesse an den Rechten der Frau am dienlichsten ist, wenn sie die Erwachsenenindustrie von innen heraus verändert", ist da zu lesen. Ihre Produktionsfirma "Easy on the Eye" habe in zwölf Jahren 250 frauen- und paarfreundliche Filme herausgebracht. Die Akademikerin halte Vorträge an Universitäten - über ihre Arbeit, Feminismus und Filmtheorie. Außerdem ist sie Mitglied in der Organisation "Feminists Against Censorship" und wurde für ihr berufliches Engagement, laut Webseite, unter anderem mit dem internationalen Good For Her Feminist Award ausgezeichnet. Als Intellektuelle des "Erwachsenenfilms" präsentiert sich Anna Arrowsmith. Das Pfui-Wort "Porno" wird vermieden. So entsteht auch der Eindruck, bei dem ominösen Good For Her Feminist Award handele es sich um eine Ehrung für verdiente Frauenrechtlerinnen. Dabei heißt der Preis richtig Good For Her Feminist Porn Award - und ist eine Auszeichnung der Sexfilm-Industrie. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich das Sauberfrau-Image von Anna Arrowsmith mit einem Klick in Luft auflöst.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-parlamentswahl-wie-viel-porno-vertragen-pruede-briten-1.16336
Großbritannien: Parlamentswahl - Wie viel Porno vertragen prüde Briten?
00/03/2010
Kreuz für die Sünde: Anna Arrowsmith kandidiert für das Unterhaus. Sie produziert hauptberuflich "feministische Erwachsenenfilme".
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Die Erlebnisberichte jener, die als Kind missbraucht wurden, werden immer detaillierter. Aber was genau ist sexueller Missbrauch? Und was, wenn die Erinnerung trügt? In der öffentlichen Diskussion, anders als im erzieherischen Alltag, scheint kaum Klarheit darüber zu bestehen, welche Form der Nähe zwischen Erwachsenen und Kindern als normal angesehen werden soll, wo der Übergriff beginnt und ob und welche Folgen solche Übergriffe nach sich ziehen können. Der Bremer Soziologe Michael Schetsche bemerkt zu den Zweifelsfällen in dem 1994 erschienenen Sammelband Handbuch sexueller Missbrauch: "Die gleiche Interaktion zwischen einem Erwachsenen und einem Kind kann als 'normal' akzeptiert, als 'Pädophilie' begrenzt toleriert oder als 'Triebverbrechen' bzw. 'sexuelle Gewalt' moralisch verurteilt und rechtlich verfolgt werden." Was versteht man eigentlich unter sexuellem Missbrauch von Kindern? Wenn man über den Begriff der rohen Gewalt hinausgeht, wird die Definition kompliziert. Kinder sind keine asexuellen Wesen. Eltern kennen die Zeichen kindlicher Sexualität, die in der Fachliteratur dargestellt wird. René Spitz, der Begründer der psychoanalytisch-empirischen Säuglings- und Kleinkindforschung in den dreißiger Jahren, hat als Erster "genitale Spiele" von Säuglingen beschrieben. Enger Körperkontakt, Streicheln, Kuscheln und eine ausgiebige Reinlichkeitsprozedur für Kinder werden als Voraussetzungen für eine gesunde Sexualentwicklung angesehen. Wenn also die normale körperliche Interaktion zwischen Kindern und Erwachsenen so schwer zu unterscheiden ist von der sexuellen Misshandlung, müssen weitere Kriterien in die Missbrauchs-Definition eingehen. Der Berliner Erziehungswissenschaftler Reinhart Wolff schlägt eine Definition vor, die den Schaden zur Bedingung macht: "Die sexuelle Misshandlung ist eine unter Ausnutzung einer Macht- oder Autoritätsposition (erzwungene) sexuelle Aktivität eines Erwachsenen mit einem/r Minderjährigen in der Form der Belästigung, der Masturbation, des oralen, analen oder genitalen Verkehrs oder der Nötigung oder Vergewaltigung (also des angedrohten oder tatsächlichen gewaltsamen Verkehrs), die zu einer körperlichen oder seelischen Schädigung bzw. zu einer Entwicklungsstörung führt und die das Wohl und die Rechte eines/r Minderjährigen beeinträchtigt."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sexueller-missbrauch-trieb-trauma-und-kind-1.14313
Trieb, Trauma und Kind
00/03/2010
Die Erlebnisberichte jener, die als Kind missbraucht wurden, werden immer detaillierter. Aber was genau ist sexueller Missbrauch? Und was, wenn die Erinnerung trügt?
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Frankreichs Präsident in Bedrängnis: Nicolas Sarkozy bildet nach der herben Wahlpleite die Regierung um - doch Streiks setzen seine Regierung weiter unter Druck. Auf die herbe Schlappe der konservativen UMP bei den Regionalwahlen hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit einer Kabinettsumbildung reagiert. Prominentester Abgang: Arbeitsminister Xavier Darcos, der am Sonntag in der Region Aquitaine mit nur 28 Prozent kläglich am Kandidaten der Sozialisten gescheitert war. Er wird vom bisherigen Haushaltsminister Erik Woerth ersetzt, wie der Élysée-Palast am Montagabend bekanntgab. Die von der Sozialistischen Partei (PS) angeführte Linke hatte am Sonntag landesweit fast 54 Prozent der Stimmen erzielt und in 21 von 22 Regionen auf dem Festland gewonnen. Das Elsass bleibt die letzte Bastion der UMP. Damit fiel der Triumph der Linken noch deutlicher aus als 2004, als sie mit knapp 50 Prozent 20 Regionen erobert hatten. Besorgniserregend für Sarkozy zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl war zudem das starke Ergebnis des rechtsradikalen Front National (FN), der landesweit 9,2 Prozent holte. Premier Fillon hatte die Niederlage eingeräumt und erklärt, er übernehme seinen Teil der Verantwortung. Anders als nach Wahlschlappen üblich bot der Regierungschef aber nicht seine Demission an. Neben Darcos verlor auch der linke Politiker Martin Hirsch seinen Job als Hoher Kommissar für Jugend und Soziales. Neu an Bord holte Sarkozy unter anderen den Chirac-Vertrauten Francois Baroin für Haushalt. Baroin, ein Vertrauter von Ex-Staatschef Jacques Chirac, gilt als Kritiker im eigenen Lager. Er hatte Präsident Sarkozy zuletzt vorgeworfen, zu viele Nicht-UMP-Politiker auf Regierungsposten gesetzt zu haben. Mit der Kabinettsumbildung reagierte Sarkozy auf den Frust in den eigenen Reihen. Viele konservative Stammwähler sind von Präsidenten und seiner als hektisch und undurchdacht empfundenen Reformpolitik enttäuscht. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft trugen zum Popularitätsverlust des Präsidenten bei. Gestärkt gehen die Sozialisten aus der Wahl hervor, allen voran ihre Vorsitzende Martine Aubry. Sie richtete den Blick nach vorn und rief am Montag Grüne und Kommunisten auf, sich an der Vorwahl zur Auswahl eines sozialistischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2012 zu beteiligen. Zusätzlich unter Druck gerät Sarkozy durch die anhaltenden Proteste gegen seine Reformpolitik und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Am (morgigen) Dienstag werden der Zugverkehr, der öffentliche Nahverkehr, Schulen und Kindertagesstätten bestreikt. Die Gewerkschaften haben zu Demonstrationen in mehr als 70 Städten aufgerufen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-sarkozy-wirft-minister-aus-seiner-regierung-1.13587
Frankreich - Sarkozy wirft Minister aus seiner Regierung
00/03/2010
Frankreichs Präsident in Bedrängnis: Nicolas Sarkozy bildet nach der herben Wahlpleite die Regierung um - doch Streiks setzen seine Regierung weiter unter Druck.
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Die guten Kontakte zur Regierung nutzen, vielleicht ein lukratives Geschäft anschieben - britische Ex-Minister bieten bereitwillig ihre Dienste an. Kleine Gefälligkeiten erhalten bekanntlich die Freundschaft. Manchmal ölen sie darüber hinaus das parlamentarische und gesetzgeberische Getriebe. Wenn sie auch noch messbare Spuren auf dem eigenen Bankkonto hinterlassen, dann gibt es eigentlich nichts mehr zu klagen. Dies jedenfalls scheint die Überzeugung des früheren britischen Ministers Stephen Byers zu sein. Er findet nach wie vor nichts dabei, dass er sich selbst und sein früheres Amt in den Dienst privater Unternehmen stellte, die Einfluss auf die Regierungsarbeit nehmen wollten. Versteckte Kamera "Wie ein Taxi" könne man ihn mieten, hatte sich der Labour-Politiker gerühmt. Für ein Honorar von 5000 Pfund pro Tag würde er, falls gewünscht, auch vertrauliche Informationen aus der Downing Street, dem Amtssitz des Premierministers, beschaffen. Selbstgefällig breitete er seine Leistungsbilanz aus: Für einen Kunden habe er einen Deal mit dem Transportministerium eingefädelt, für die Supermarktkette Tesco sei er beim Wirtschaftsministerium erfolgreich vorstellig geworden. Was Byers nicht wusste: Ein Gesprächspartner war kein Industrievertreter, sondern ein Journalist. Eine versteckte Kamera zeichnete alles auf. Abgeordneter wollte "offen gestanden, Geld machen" Ebenfalls enttarnt wurden Ex-Gesundheitsministerin Patricia Hewitt und Geoff Hoon, der früher mehrere Ressorts verwaltet hatte. Beide Politiker boten dem vermeintlichen Auftraggeber an, ihre alten Kontakte im Regierungsapparat spielen zu lassen. Ihr Honorar: Jeweils 3000 Pfund am Tag. Hoon war besonders ehrlich: Er wolle, sagte er, "offen gestanden, Geld machen". Byers hat mittlerweile erklärt, dass er in dem aufgezeichneten Gespräch seine Einflussmöglichkeiten und Erfolge schamlos übertrieben habe. Aber er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, da er sich im Rahmen der Vorschriften bewegt habe, die für Abgeordnete gelten. Damit hat er sogar recht: Lobby-Tätigkeiten sind Unterhausabgeordneten nicht untersagt, sie müssen Einkünfte nur melden. Ex-Minister müssen sich freischaffende Tätigkeiten in den ersten zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt von einer Parlamentsbehörde genehmigen lassen. Bemühungen, das Lobby-Wesen in Westminster zu reformieren, sind bislang fehlgeschlagen. Vier Wochen vor der Wahl Der jüngste Skandal Großbritanniens, der gemeinsam von Sunday Times und dem TV-Sender Channel 4 wenige Wochen vor der Unterhauswahl aufgedeckt wurde, dürfte das Vertrauen der Wähler in ihre Politiker nicht gerade erhöht haben. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Ruf des Parlaments und ihrer Repräsentanten nachhaltig Schaden genommen, nachdem bekannt geworden war, wie großzügig zahlreiche Abgeordnete die Spesenregeln ausgelegt hatten, damit sie sich bereichern konnten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-parlamentarier-zu-mieten-5000-pfund-am-tag-1.12527
Parlamentarier zu mieten - 5000 Pfund am Tag
00/03/2010
Die guten Kontakte zur Regierung nutzen, vielleicht ein lukratives Geschäft anschieben - britische Ex-Minister bieten bereitwillig ihre Dienste an.
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Der Reformflügel der Linken kritisiert den Entwurf des Grundsatzprogramms - weil er Koalitionen erschwert. Schließlich wolle man regieren, statt immer nur dagegen zu sein. In der Linken mehren sich die kritischen Stimmen zum Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm der Partei. "Das liest sich wie: Wir gegen den Rest der Welt, die Linke gegen das Kartell der neoliberalen Parteien", sagte der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich der Süddeutschen Zeitung zum Duktus des Entwurfs. Liebich ist Sprecher des Forums demokratischer Sozialismus, in dem sich der Reformflügel der Partei sammelt. Es müsse darum gehen, für neue gesellschaftliche Mehrheiten zu werben, sagte Liebich. Das am Wochenende präsentierte Papier sei zwar ein "guter Kompromiss und eine Diskussionsgrundlage", es gebe aber noch "ernsthafte Differenzen". Der Entwurf, der für eine neue Wirtschaftsordnung eintritt, war von einer Programmkommission erarbeitet worden. Bis Ende 2011 will die Partei über das neue Grundsatzprogramm entscheiden. Liebich bemängelte vor allem die im Programmentwurf aufgestellten Hürden für Regierungsbeteiligungen. "Ich finde, dass es sich lohnt, für Regierungsbeteiligungen in Kommunen, Ländern und auf Bundesebene zu streiten", betonte er. Im Entwurf heißt es, die Linke werde sich "an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen vornimmt, Sozial- oder Arbeitsplatzabbau betreibt". Nicht in Frage kämen auch Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland. Gegen "rote Linien" "Wir sollten selbstbewusster sagen, was wir wollen statt rote Linien zu ziehen", forderte Liebich, dessen Berliner Landesverband sich in einer Koalition mit der SPD befindet. Zu gering geschätzt werde im Entwurf auch der Wert des Parlamentarismus. "Wir, die wir aus der DDR kommen, wissen die Fähigkeiten von Parlamenten durchaus zu schätzen", sagte der 37-Jährige. Auch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sprach sich am Montag gegen "rote Linien" in Bezug auf Regierungsbeteiligungen aus. Diskutiert werden müsse auch über die Eigentumsfrage, kündigte Liebich an. "Die Linke kämpft für eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse", heißt es im Entwurf. "Einige Kollegen aus den alten Bundesländern setzen zu viel Hoffnung in etwas, was sie so noch nicht hatten und mal ausprobieren wollen. Da muss man die Erfahrung der untergegangenen DDR mit einfließen lassen", forderte er. Er befürworte aber die Vergesellschaftung von Unternehmen etwa im Energiesektor. Die Erfahrungen mit dem Sozialismus in der DDR müssten indes stärker berücksichtigt werden, verlangte Liebich: "Die DDR ist nicht nur an mangelnder Demokratie gescheitert, sondern auch, weil sie wirtschaftlich nicht lebensfähig war."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/richtungsstreit-bei-der-linken-gegen-den-rest-der-welt-1.1694
Richtungsstreit bei der Linken - Gegen den Rest der Welt
00/03/2010
Der Reformflügel der Linken kritisiert den Entwurf des Grundsatzprogramms - weil er Koalitionen erschwert. Schließlich wolle man regieren, statt immer nur dagegen zu sein.
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mlsum_de-train-387
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Früher wurden hinter Klostermauern junge Männer zur Keuschheit gefoltert. Das System wirkt nach - heute fliehen sexuell unfähige Männer dorthin. Martin Kutz, Jahrgang 1939, war bis 2004 Wissenschaftlicher Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Er lehrte Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Die Diskussion zum Kindesmissbrauch tut so, als seien einzelne pädophile Priester und Erzieher das Problem. Möglich wurden die Taten jedoch auf der Basis eines Erziehungssystems, das religiös begründet und historisch gewachsen ist. Das, was heute den Abscheu einer aufgeklärten demokratischen Gesellschaft hervorruft, wurde im 17. und 18. Jahrhundert aus religiösen Gründen erfunden. Ausbildung zur Gottwohlgefälligkeit Dieses Erziehungssystem war eine Konsequenz aus Reformation und Gegenreformation. Als die theologischen Argumente unter den streitenden Konfessionen verfestigt waren, wurde das sogenannte gottwohlgefällige Leben zu einem genauso wichtigen Ausweis der Rechtgläubigkeit wie die Dogmentreue. In dieser Situation entwickelten die gegenreformatorischen neuen Orden der katholischen Kirche - allen voran die Jesuiten - ein Konzept zur gottwohlgefälligen Knabenerziehung für das aufstrebende französische Bürgertum. Der Historiker Philippe Ariès hat in seiner Geschichte der Kindheit schon vor Jahrzehnten diese Entwicklung geschildert. Gottwohlgefällig, das hieß: ein katholisch dogmenfester Glaube, die Unterwerfung unter den Führungsanspruch der Kirche und - ein sexualfeindliches Leben. In einer Zeit, die ähnlich sexualisierte Alltagserfahrungen wie heute als normal empfand, bedeutete genau diese Welt die größte Anfechtung für den rechtgläubigen Menschen. Deshalb musste der junge Mensch aus dieser Welt herausgerissen und hinter hohen Internatsmauern vor ihrem Einfluss geschützt werden. Da gleichzeitig das französische Bildungswesen völlig darniederlag, wurde dem Zögling eine für damalige Verhältnisse hochmoderne und solide Ausbildung geboten, die im Wesentlichen auf die Berufe des Priesters, Staatsbeamten und Richters vorbereitete. Die Ausbildung in diesen Kollegs braucht uns heute nicht zu interessieren, wohl aber die Erziehungsmechanismen. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie damals junge Menschen zur Keuschheit geprügelt wurden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-kirche-zucht-und-orden-1.11571
Missbrauch in der Kirche - Zucht und Orden
00/03/2010
Früher wurden hinter Klostermauern junge Männer zur Keuschheit gefoltert. Das System wirkt nach - heute fliehen sexuell unfähige Männer dorthin.
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Großbaustelle Gesundheitsreform: Präsident Obama könnte das Gesetz bereits am Dienstag unterzeichnen. Doch die Republikaner lassen nicht locker, sie kündigen eine Klage an. Die US-Republikaner geben sich im Kampf um die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama nicht geschlagen. Wenige Stunden nach der Verabschiedung des Großvorhabens im Repräsentantenhaus drohten sie am Montag, alles zu unternehmen, um die noch ausstehende Senatsabstimmung über anhängende Änderungen für die Demokraten so schwierig wie möglich zu machen. Zugleich kündigten mindestens zehn Bundesstaaten an, Klage einzureichen, weil sie ihre verfassungsmäßig geschützte Souveränität gefährdet sahen. "Die Gesundheitsreform, die vom Repräsentantenhaus vergangene Nacht verabschiedet wurde, verletzt eindeutig die US-Verfassung und die Souveränität jedes Bundesstaates", erklärte der Generalstaatsanwalt vom US-Bundesstaat Florida, Bill McCollum. Er ist Republikaner und kandidiert bei den Kongresswahlen im Herbst als Gouverneur. Die Klage gegen die Gesundheitsreform wird von den Generalstaatsanwälten der US-Bundesstaaten South Carolina, Nebraska, Texas, Utah, Pennsylvania, Washington, North Dakota, South Dakota und Alabama mitgetragen. Die Bundesstaaten befürchten, dass sie einen Großteil der durch die Reform entstehenden Lasten tragen müssen, ohne ausreichend Unterstützung vom Bund zu erhalten. "Das wird ein holpriger Ritt im Senat", sagte der republikanische Senator John Cornyn dem Sender MSNBC. Seine Partei will erreichen, dass einige der vorgesehenen Änderungen im Senat abgelehnt werden und deshalb ans Repräsentantenhaus zur erneuten Abstimmung zurückgereicht werden. Dadurch könnte sich die Debatte gegen den Willen der Demokraten weiter in die Länge ziehen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios gilt allerdings als gering, da die Regierungspartei bei der Abstimmung über die Änderungen im Senat lediglich eine einfache Mehrheit benötigt. Sie verfügt über 59 Stimmen in der 100-köpfigen Kammer. Präsidialamtssprecher Robert Gibbs zeigte sich daher zuversichtlich, dass Obama bereits am Dienstag das Gesetz unterzeichnen werde. Er gehe außerdem nicht davon aus, dass die angekündigten Klagen der Bundesstaaten die Reform kippen könnten, sagte Gibbs. Diese Ansicht teilten auch Experten. "Der Kongress verfügt ganz klar über die Autorität, diese Art von Gesetz zu verabschieden", sagte etwa Mark Rosen von Chicago-Kent College of Law. Obamas Partei will das Thema rechtzeitig vor den Kongresswahlen im Herbst vom Tisch haben, um eine ähnliches Debakel wie bei der Senatsnachwahl in Massachusetts zu vermeiden. Dort mussten die Demokraten ihren seit fast einem halben Jahrhundert gehaltenen Sitz an Scott Brown, den Herausforderer der Republikaner abgeben, weil dieser die Reformgegner für sich mobilisieren konnte. Die Republikaner wollen deshalb gerade nicht locker lassen, und die Gesundheitsreform zu einem der zentralen Wahlkampfthemen machen. Die Bevölkerung ist in der Debatte gespalten, Obamas Beliebtheitswerte sind im Zuge der Zankereien auf um die 50 Prozent gefallen. Der Umbau des 2,5 Billionen Dollar teuren Gesundheitswesens ist Obamas bislang wichtigstes innenpolitisches Vorhaben. Gut ein Jahr lang wurde um die Reform leidenschaftlich im gesamten Land gestritten, bevor die Abgeordneten im Repräsentantenhaus am späten Sonntagabend knapp dafür stimmten und so Obama den bisher größten Triumph seiner Amtszeit bescherten. Durch das neue Gesetz sollen 32 Millionen Menschen in den USA eine Krankenversicherung erhalten, die bisher keinen Schutz haben. Außerdem sollen eine allgemeine Versicherungspflicht eingeführt und bestimmte Praktiken der Versicherer verboten werden, etwa die Ablehnung von Kunden wegen bestehender Vorerkrankungen. Mit der Zustimmung im Repräsentantenhaus kann das Gesetz vom Präsidenten unterschrieben und in Kraft gesetzt werden. Die Abgeordneten verabschiedeten aber zudem ein Ergänzungsgesetz mit Änderungen, über das der Senat im Laufe der Woche noch befinden muss. Die Wall Street ließ sich von den sich abzeichnenden weiteren Rangeleien zunächst nicht beeindrucken. Besonders Aktien von Krankenhausbetreibern und Pharmakonzernen legten zu, was den New Yorker Börsen insgesamt zu Gewinnen verhalf.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-republikaner-attackieren-obamas-sieg-1.6894
USA: Gesundheitsreform - Republikaner attackieren Obamas Sieg
00/03/2010
Großbaustelle Gesundheitsreform: Präsident Obama könnte das Gesetz bereits am Dienstag unterzeichnen. Doch die Republikaner lassen nicht locker, sie kündigen eine Klage an.
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Horst Köhler plädiert für höhere Spritpreise - der Umwelt zuliebe. Doch Verkehrsminister Ramsauer wehrt ab und versammelt weitere Kritiker hinter sich. Lange war es still um ihn - und für sein Schweigen musste sich Horst Köhler viel Kritik gefallen lassen. Nun hat sich der Bundespräsident geäußert - doch sein Vorschlag, die Spritpreise der Umwelt zuliebe zu erhöhen, stößt auf wenig Gegenliebe. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat der Forderung nach einer Erhöhung der Benzinpreise klar widersprochen. Die Öko- und Spritsteuer im Benzinpreis habe bislang keinerlei Lenkungswirkung entfaltet, sagte er der Bild-Zeitung. Es werde Auto gefahren "wie eh und je". Willkommene Rechtfertigung für Ölmultis Kritik kam auch von dem SPD-Verkehrsexperten Hans-Joachim Hacker. "Das ist keine gute Botschaft", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Der Benzinpreis sollte nicht von Seiten des Staates noch weiter nach oben getrieben werden, sagte der Bundestagsabgeordnete. Dies würde insbesondere die Logistikunternehmen belasten und wäre kontraproduktiv. ADAC und der Auto Club Europa (ACE) wehren sich ebenfalls gegen Köhlers Vorstoß. ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner warnte in der Bild-Zeitung: "Die Bemerkung könnte missverstanden werden und den Ölmultis als willkommene Rechtfertigung dienen, weiter Preiswucher zu betreiben." Der Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel von der Universität Bremen nannte die Äußerungen des Bundespräsidenten "Gift für die Konjunktur". Hickel sagte der Bild-Zeitung: "Öl wird ohnehin immer teurer - deshalb ist der Vorschlag Gift für die Konjunktur, schwächt die Autobranche und ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen Pendler. Ökologische Vernunft kann nicht über den Benzinpreis herbeigesteuert werden." Köhler hatte dem Nachrichtenmagazin Focus gesagt: "Auch auf die Gefahr hin, mich jetzt mit vielen anzulegen: Wir sollten zum Beispiel darüber nachdenken, ob der Preis von Benzin nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte." Der Preis sei immer noch das stärkste Signal, damit Menschen ihr Verhalten änderten. So könne die Wirtschaft in Deutschland umweltgerechter gestaltet werden, argumentierte der Bundespräsident.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/erhoehung-der-spritpreise-steilvorlage-fuer-gierige-oelmultis-1.3906
Erhöhung der Spritpreise - Steilvorlage für gierige Ölmultis
00/03/2010
Horst Köhler plädiert für höhere Spritpreise - der Umwelt zuliebe. Doch Verkehrsminister Ramsauer wehrt ab und versammelt weitere Kritiker hinter sich.
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Ministerpräsident Rüttgers fordert Klarheit: Vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen sollen die Grundzüge der geplanten Steuersenkungen klar sein. Die Grundzüge der von Schwarz-Gelb geplanten Steuersenkungen müssen nach dem Willen von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers noch vor der Landtagswahl in seinem Bundesland bekannt sein. Rüttgers bekräftigte vor der CDU-Präsidiumssitzung seine Vorbehalte gegen Steuersenkungen, wenn es dadurch Abstriche in anderen Bereichen gebe. Die Kommunen dürften nicht wegen eines geringeren Steueraufkommens gezwungen werden, Kindergärten schließen zu müssen. Die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sicherte Rüttgers die Hilfe der Bundesregierung im Wahlkampf zu. "Wir werden Euch mit voller Kraft unterstützten". Dies werde sich auch in der Arbeit der Bundesregierung und der Bundestagsfraktion niederschlagen, sagte Merkel in einer Rede auf dem kleinen Parteitag der CDU in Berlin. CDU-Generalsekretär Gröhe bremste unterdessen die Hoffnungen auf umfangreiche Steuerentlastungen. "Es kann die Fortsetzung des Entlastungskurses nur geben in einem Umfang, der auch Schuldenbremse inklusive kommunaler Handlungsfähigkeit sicherstellt", sagte Gröhe, der auf dem kleinen CDU-Parteitag in Berlin mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt worden ist. US-Bankenausschuss stimmt für Finanzreform, EU will Hilfen für Haiti erhöhen, Rösler offen für Mindestlohn in der Pflegebranche: Weitere Kurzmeldungen im Überblick.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-ruettgers-macht-druck-1.23722
Rüttgers macht Druck
00/03/2010
Ministerpräsident Rüttgers fordert Klarheit: Vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen sollen die Grundzüge der geplanten Steuersenkungen klar sein.
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Kritik an der Arbeit von Schwarz-Gelb, Gezänk in der Koalition und miese Umfragewerte sind für Angela Merkel kein Grund zum Gram: Die Kanzlerin feiert ihre Regierung. In vielem gehen die Meinungen der schwarz-gelben Regierungskoalition auseinander, doch in einem scheinen sich CDU-Chefin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle einig: Unangenehmen Wahrheiten begegnet man am besten, indem man sie einfach ignoriert. Ungeachtet der Unstimmigkeiten der vergangenen Monate und des überwiegend negativen Zeugnisses, das Bevölkerung und Medien der Regierung ausstellen, fällt das Fazit von Bundeskanzlerin Merkel zur bisherigen Arbeit von Schwarz-Gelb positiv aus. "Wir haben eine gute Bilanz vorzuweisen nach 145 Tagen", sagte sie bei einer Sitzung des Bundesausschusses ihrer Partei in Berlin. Die Koalition habe nicht nur die schwierigen Verhandlungen über den Bundeshaushalt 300 Tage früher als die letzte Regierung abschließen können, sondern die Bürger durch verschiedene Maßnahmen um insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro entlasten können. Dies sei besonders wichtig, da infolge der Wirtschaftskrise in diesem Jahr der Konsum einzubrechen drohe. In ihrer Rede vor dem kleinen Parteitag der CDU hob Merkel erneut die Bedeutung der Wahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai auch für Schwarz-Gelb im Bund hervor. Sie appellierte an die Delegierten, gemeinsam dafür zu kämpfen, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in der "Herzkammer des Industriestandorts Deutschland" fortbestehen könne. Die 48 Tage bis zur Wahl würden darüber entscheiden, ob die Politik in der christlich-liberalen Koalition fortgesetzt werden könne. "Ich sage deutlich, ich will das", hob Merkel hervor. Es sei für Deutschland "ganz wichtig, dass wir am 9. Mai Erfolg haben". Lobend äußerte sich die Chefin der Christdemokraten, im Gegensatz zu vielen anderen, darüber hinaus zum Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. "Die Bundeskanzlerin begrüßt, dass der Papst sowohl die Wiedergutmachung geschehenen Unrechts als auch die Notwendigkeit besserer Prävention für die Zukunft offen anspricht", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin. Nach Angaben von Wilhelm begrüßt die Kanzlerin auch die Erklärung der bayerischen katholischen Bischöfe zum Umgang mit Missbrauchsfällen. Die Bischöfe fordern eine juristische Meldepflicht bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch in der Kirche. Die Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz verpflichten die Kirche bisher nur bei einem erhärteten Verdacht und bei nicht verjährten Fällen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-zu-schwarz-gelb-der-glanz-einer-schwachen-bilanz-1.10863
Merkel zu Schwarz-Gelb - Der Glanz einer schwachen Bilanz
00/03/2010
Kritik an der Arbeit von Schwarz-Gelb, Gezänk in der Koalition und miese Umfragewerte sind für Angela Merkel kein Grund zum Gram: Die Kanzlerin feiert ihre Regierung.
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Angela Merkel findet, dass die Menschen in ganz Deutschland die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalitionen verdient haben. Wenn das alles ist, meint es die Kanzlerin nicht wirklich gut mit ihnen. Die Kanzlerin traut sich was: Angela Merkel findet, dass nicht nur die Menschen in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalitionen in Düsseldorf und Berlin verdient haben. So hat sie es auf dem kleinen Parteitag der CDU gesagt. Merkel beweist Mut, nach den ersten fünf Monaten ihrer neuen Regierung ein solches Statement abzugeben. Wenn das alles ist, was die Deutschen verdient haben, meint es die Kanzlerin nicht wirklich gut mit ihnen. Diese Laxheit passt zu Merkels Auftritt insgesamt. In einer knappen halben Stunde hat sie vor der versammelten CDU-Prominenz ihre sattsam bekannten Punkte runtergenudelt. Sie hat von der Steuerpolitik über die Gesundheitsreform bis zum Atomausstieg wieder und wieder den Rahmen abgesteckt, aber nichts dafür getan, dass man mal etwas vom Bild erahnen könnte. Bei den Gemeindefinanzen hat sie gegen Denkverbote plädiert, auf einen eigenen Gedanken jedoch verzichtet. Und weil es so schön ist, gibt es jetzt noch eine Kommission in der Partei, die sich mit Chancengerechtigkeit beschäftigen soll. Die Aussprache zur Rede fiel aus. Niemand wollte was sagen. Nur Jürgen Rüttgers berichtete notgedrungen noch ein bisschen aus dem Wahlkampf in NRW und von seinen Verdiensten beim Autobahnbau. Hermann Gröhe, der zu wählende Generalsekretär, las eine Rede ab, in der so viele Plattitüden enthalten waren, dass es für einen Großhandel gereicht hätte. Wenn dieser kleine Parteitag, diese organisierte Inspirationslosigkeit mehr gewesen sein sollte als eine Momentaufnahme, dann muss man zu dem Ergebnis kommen, dass es der CDU schlecht geht. Verdammt schlecht.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kleiner-parteitag-der-cdu-parteitag-der-lustlosen-1.14345
Kleiner Parteitag der CDU - Parteitag der Lustlosen
00/03/2010
Angela Merkel findet, dass die Menschen in ganz Deutschland die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalitionen verdient haben. Wenn das alles ist, meint es die Kanzlerin nicht wirklich gut mit ihnen.
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Ein Jahrhundertgesetz, verabschiedet mit nicht einer einzigen Stimme der Republikaner: Selten war die Trennung der politischen Lager in den USA so hasserfüllt. Der US-Präsident hat sein politisches Meisterwerk vollbracht - und die Rolle des Versöhners aufgegeben. Thomas Jefferson, Amerikas Apostel für die Botschaft der Demokratie, hat vor 220 Jahren alles Nötige gesagt, was es braucht, um sein Land auch im Jahr 2010 noch zu verstehen. "Die Tyrannei der Legislative ist gegenwärtig die größte Bedrohung, und sie wird es für viele Jahre bleiben", schrieb Jefferson in einem Brief an James Madison, seinen Nachfolger im Präsidentenamt der noch jungen Vereinigten Staaten. Vor der Regierung hatte Jefferson keine Furcht, sie hielt er für kontrollierbar. Es war das Parlament, das mit seiner despotischen Art geradezu Eifersucht beim ersten Mann im Staate auslöste. Und so hat Barack Obama, Jeffersons 41. Nachfolger im Präsidentenamt, nun ebenfalls seine besondere Erfahrung mit der Macht des Parlaments gemacht. Die Demokraten verabschiedeten mit ihrer unbarmherzigen Mehrheit die Gesetze zur Gesundheitsreform, verschafften ihrem Präsidenten einen nicht zu wiederholenden politischen Triumph und nahmen so in gewisser Weise Rache für die Jahre der Demütigung und Ausgrenzung als Minderheit im Kongress. Ein Jahrhundertgesetz, verabschiedet mit nicht einer einzigen Stimme aus dem Lager der republikanischen Minderheit - selten war die Trennung der politischen Lager in den USA so schroff und hasserfüllt. Die schrille Auseinandersetzung im Kongress ist für Amerika nicht ungewöhnlich: "Nichts ist so unwiderstehlich wie die tyrannische Kraft, die im Namen des Volkes befiehlt", schrieb der französische Politiker Alexis de Tocqueville, der vielleicht bekannteste Therapeut, der sich mit Amerikas Gefühlslage beschäftigte. Diese Kraft, so Tocqueville nach dem Studium des US-Systems, mag in moralische Stärke gekleidet sein, die sich aus der Mehrheit ableitet. "Aber sie handelt mit der Entscheidungskraft, der Geschwindigkeit und der Hartnäckigkeit eines einzelnen Mannes." Da ist es also zu sehen, das doppelte Gesicht der amerikanischen Demokratie: Die Mehrheit ist unbarmherzig im Umgang mit der Minderheit - aber nur so lässt sich andererseits die Erneuerungsfähigkeit eines Systems erklären, das nach einem demokratischen Wechsel mit gleicher Radikalität und Euphorie in die andere Richtung marschiert. Die Welt hat all diese Extreme in den letzten Jahren zur Genüge erlebt: Die Gnadenlosigkeit einer parlamentarischen Mehrheit im Umgang mit einem Präsidenten, der ein Verhältnis mit einer Praktikantin pflegte; die Taubheit eines Parlaments im Umgang mit Folter und falschem Krieg; die Regeneration des politischen Systems binnen eines Wahlzyklus; und nun der von der Minderheit als Tyrannei empfundene Gesetzgebungsprozess auf dem Weg zu dem neuen Gesundheitssystem - der wichtigsten und größten Sozialreform, die Amerika in einem halben Jahrhundert erlebt hat. Mit dem von Tocqueville so saftig beschriebenen "despotischen Geschmack und Instinkt" hat Barack Obama nun sein politisches Meisterwerk vollbracht, seine erste, aber womöglich auch wichtigste Leistung im Präsidentenamt - womöglich gar seine einzige, die bleiben wird. Denn Obama hat mit der Abstimmung im Repräsentantenhaus die Rolle des Versöhners aufgegeben. Dieser Präsident wird nicht mehr den überparteilichen Vater der Nation geben - er kann es nun nicht mehr. Obama musste seine Partei mit autoritärer Macht die Mehrheitsverhältnisse klar machen lassen: Ich oder die anderen - das war die Alternative. Obama entschied sich für sein eigenes politisches Überleben. Hätte er die Reform aufgegeben oder weiter nach einer parteiübergreifenden Mehrheit gesucht, dann wäre er weich und entscheidungsunfähig erschienen. Einen weichen Präsidenten aber wählen die Amerikaner nicht mehr. Die Gesundheitsreform ist eine große politische Leistung, ein Bauwerk, das erst in Jahren - nach Neuwahlen und vielen Gerichtsentscheidungen - gefestigt sein wird. Politisch hat sie den Präsidenten in das Lager der Demokraten zurückgeholt und seiner rhetorischen Beliebigkeit und Großzügigkeit ein hartes Fundament verpasst. Viele Amerikaner, nicht nur die Anhänger der Republikaner, mögen es ablehnen, dass sie der Staat zu einem privatwirtschaftlichen Versicherungsgeschäft nötigt. Solche Entscheidungen treffen sie lieber alleine. Aber Obamas Zielstrebigkeit wird ihnen mittelfristig Respekt abnötigen. Obama hat eine soziale Reform in den USA durchgesetzt, die ihm möglicherweise schon deswegen nicht gedankt wird, weil die Nutznießer - die große Zahl der bisher Unversicherten - im Zweifel nicht wählen gehen. Der parlamentarische Kraftakt hat ihn ein Jahr, viele Stimmen und den Heiligen-Mythos gekostet. Dafür durfte Obama, wenn er es nicht vorher schon wusste, eine wichtige Erfahrung machen: Amerika ist keine Konsensdemokratie. Das Land lebt von der Tyrannei der Mehrheit. Es absorbiert die politischen Extreme dank seiner Größe und Schwerfälligkeit. All das macht Gesetze nicht haltbar und Reformen nicht notwendigerweise dauerhaft. Um so mehr gebührt dem Präsidenten Anerkennung dafür, dass er der Gefahr nicht ausgewichen ist. Seine Risikoprämie wird sich erst in knapp drei Jahren berechnen lassen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-gesundheitsreform-obama-schlaegt-zurueck-1.18758
US-Gesundheitsreform - Obama schlägt zurück
00/03/2010
Ein Jahrhundertgesetz, verabschiedet mit nicht einer einzigen Stimme der Republikaner: Selten war die Trennung der politischen Lager in den USA so hasserfüllt. Der US-Präsident hat sein politisches Meisterwerk vollbracht - und die Rolle des Versöhners aufgegeben.
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"Kill the bill"-Plakate und "Babymörder"-Rufe: Bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform von Präsident Obama ging es am Ende um Leben und Tod - und dann wieder um gar nichts. Barack Obama wollte als US-Präsident Gräben überbrücken und die Polarisierung der amerikanischen Politik überwinden. Es ist ihm nicht gelungen. Während das Repräsentantenhaus über die Gesundheitsreform debattierte, protestierten in Washington Tausende gegen das Gesetz. "Kill the bill!", skandierten sie (dt.: Tötet das Gesetz!) und sie drohten mit einem "Gemetzel im Herbst", also bei den nächsten Kongresswahlen. Schon gegen Obamas Steuerreform waren vor Monaten zahlreiche Konservative auf die Straße gegangen. Mit Hilfe der aggressiven Tea Party-Bewegung und der ehemaligen Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Sarah Palin, haben sie ein Meinungsklima gegen den Präsidenten und seine Reformen geschaffen. Hitzig ging es auch bei der Debatte im Kapitol zu. Die Beschimpfungen gipfelten im Ruf "Babymörder!" für den Abgeordneten Bart Stupak, einem demokratischen Abtreibungsgegner, der vor dem Repräsentantenhaus für den Entwurf der Regierung argumentierte. Dass die Reform nur mit einer hauchdünnen Mehrheit verabschiedet wurde - kein einziger Republikaner stimmte dafür und auch einige demokratische Abgeordnete votierten gegen den Präsidenten - zeigt, wie parteipolitisch aufgeladen die Stimmung in Washington ist. Es ist also fast folgerichtig, dass der am Ende entscheidende Punkt das Thema Abtreibung war, eines der polarisierendsten Themen der amerikanischen Politik. Mehrere konservative Demokraten hatten damit gedroht, der Reform nicht zuzustimmen, falls sie staatliche Gelder zur Finanzierung von Abtreibungen einsetze. Obama jedoch war auf ihre Stimmen angewiesen, um eine Mehrheit zusammenzubekommen. Vertreter des Weißen Hauses verhandelten also bis zuletzt mit den demokratischen Abtreibungsgegnern, als deren Wortführer Bart Stupak auftrat, um die Details eines Reformzusatzes, der noch einmal klarstellt: Der Staat finanziert keine Abtreibungen. Das nämlich ist in den USA seit 1976 durch das Hyde Amendment verboten. Das Magazin New Yorker bewertete den Zusatz für die Reform treffend als "most consequential and most inconsequential", also als den folgenreichsten und zugleich unbedeutendsten Kompromiss in der amerikanischen Geschichte. Er ist wichtig, weil es nur so möglich war, die Gesundheitsreform zu verabschieden. Und er ist unwichtig, weil er gar nichts ändert, sondern nur die geltende Gesetzeslage zur Finanzierung von Abtreibungen anerkennt. Dass der Reformzusatz offensichtlich ein guter Kompromiss war, ist daran zu erkennen, dass Kritik von links und rechts erschallt. Nancy Northup vom Center for Reproductive Rights kritisierte, dass die Reform einer von vornherein verfehlten Politik Glaubwürdigkeit schenke. Der Vorsitzende von Americans United for Life, Charmaine Yoest, beklagte, dass der Zusatz Abtreibungen nicht ausreichend einschränke.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/barack-obama-und-abtreibung-es-lebe-die-reform-1.3257
Barack Obama und Abtreibung - Es lebe die Reform
00/03/2010
"Kill the bill"-Plakate und "Babymörder"-Rufe: Bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform von Präsident Obama ging es am Ende um Leben und Tod - und dann wieder um gar nichts.
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Frankreichs Linke hat bei der Regionalwahl einen triumphalen Sieg über die Rechte von Präsident Sarkozy errungen. Diese konnte nur das Elsass halten. Die oppositionelle Linke in Frankreich hat am Sonntag einen triumphalen Sieg über die Rechte von Präsident Nicolas Sarkozy errungen. Hochrechnungen zufolge stimmten bei der zweiten und entscheidenden Runde der Regionalwahlen im Landesdurchschnitt 50,7 Prozent der Wähler für ein Linksbündnis aus Sozialisten, Grünen und Linksfront. Die rechte Liste um Sarkozys UMP-Partei kam auf 35,5 Prozent. Künftig werden 21 der 22 Regionen des französischen Mutterlandes von der Linken regiert. Bisher bestimmte sie bereits in 20 Regionen. Von den zwei Regionen, die die Rechte hielt, konnte die UMP nur das Elsass verteidigen. Korsika ging dagegen nun auch an die Linke. Premierminister François Fillon (UMP) räumte am Abend die Niederlage ein: "Wir haben nicht überzeugt." Die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal sprach dagegen von einer "Wahl der Hoffnung" und einem "Sieg für das ganze Land". Außer Sozialisten, Grünen und Linksfront kann sich auch der rechtsextreme Front National als Sieger der Regionalwahlen fühlen. Obwohl die Partei von Jean-Marie Le Pen in der zweiten Runde nur in zwölf Regionen antreten durfte, kam sie im Landesdurchschnitt auf neun Prozent. Le Pen selbst erzielte mit seinem Front National als Spitzenkandidat in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur sogar 22,9 Prozent. Die Rechtsextremen, die in den vergangenen Jahren etliche Niederlagen einstecken mussten, haben sich damit in der französischen Politik zurückgemeldet. Landesweit erhielten sie 9,2 Prozent der Stimmen. Für die nationale Politik besonders bedeutend ist der Wahlausgang in der Region Poitou-Charentes. Hier siegte die bisherige sozialistische Regionspräsidentin Royal mit mehr als 61 Prozent. Die gegen Sarkozy gescheiterte Präsidentschaftskandidatin von 2007 trat sofort nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnung vor die Kameras. Die Regionen seien Bastionen gegen die "unwirksame und ungerechte Politik" Sarkozys, sagte sie. Die innerparteiliche Konkurrentin der Sozialisten-Chefin Martine Aubry war in letzter Zeit in ihrer Partei ins Abseits geraten. Ihr glänzender Wahlsieg eröffnet Royal nun wieder Aussichten auf eine neue Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012. Enttäuscht von der Politik Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag nur bei 49 Prozent. Obwohl die Regionen wichtige Kompetenzen haben, etwa bei der Raumordnung und der Wirtschaftsförderung, werden sie von den Bürgern wenig beachtet. Zudem blieben viele Franzosen den Wahlurnen fern, weil sie von der Politik im Allgemeinen und von Präsident Sarkozy im Besonderen enttäuscht sind. Einen kleinen Erfolg errang die UMP des Präsidenten immerhin auf der Insel Réunion im indischen Ozean, die sie von der Linken eroberte. Die anderen französischen Übersee-Départements werden auch künftig links regiert. Nach ihrem Erfolg bei den Kommunalwahlen kann sich die linke Opposition nun erstmals seit langem Hoffnungen machen, die Rechte um Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen 2012 zu schlagen. In der UMP dürfte sich dagegen die Kritik an Sarkozy verstärken. Am Dienstag wollen die UMP-Abgeordneten zusammenkommen, um über die Wahlniederlage und ihre Folgen zu sprechen. Damit muss sich auch der Élysée-Palast beschäftigen. Sarkozy ließ am Sonntagabend mitteilen, er werde auf die Botschaft der Wähler hören. Voraussichtlich wird es eine Kabinettsumbildung geben. In Paris gilt es jedoch als unwahrscheinlich, dass der Präsident seinen populären Premier Fillon entlässt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/regionalwahlen-in-frankreich-niederlage-fuer-den-praesidenten-1.5610
Regionalwahlen in Frankreich - Niederlage für den Präsidenten
00/03/2010
Frankreichs Linke hat bei der Regionalwahl einen triumphalen Sieg über die Rechte von Präsident Sarkozy errungen. Diese konnte nur das Elsass halten.
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Ein historischer Sieg für Obama, urteilen die US-Zeitungen einhellig. Doch sie monieren, dass sich der Präsident auf politische Ränkespiele eingelassen hat, um die Gesundheitsreform durchzupeitschen. Die amerikanischen Tageszeitungen werten das Ja zur Gesundheitsreform durchweg als "historischen Sieg" - doch die Medien kritisieren, wie sich Obama die Stimmen einiger skeptischer Abgeordneter gesichert hat. So nennt etwa die Washington Post die Abstimmung einen "historischen Sieg". Andere Blätter halten sich eher zurück: "Ein bedeutender Sieg", titelt das konservative Boulevardblatt USA Today und die Los Angeles Times schreibt von einem "historischen ersten Schritt". Der Abstimmung im Repräsentantenhaus sind erbitterte Debatten vorausgegangen. Im Mittelpunkt standen zum einen der Vorwurf der Republikaner, die Reform trage sozialistische Züge, zum anderen die Frage nach der Finanzierung der billionenschweren Reform. So fragen nun auch Chicago Tribune und New York Times: "Um welchen Preis?" Dabei hat die Chicago Tribune die tatsächlichen Kosten im Blick: Obama wolle eine Billion Dollar in das Gesundheitssystem investieren und gleichzeitig die Staatsverschuldung um 138 Milliarden Dollar zurückfahren - da müsse sich jemand verrechnet haben, befindet das Blatt. Die Idee sei gut, werde aber falsch umgesetzt, lautet das Resümee: "Die Demokraten haben gut daran getan, das Thema anzugehen, aber haben bei der Umsetzung elendig versagt." Die Autoren der New York Times heben hingegen auf den politischen Preis ab, den Obama für die Zustimmung zu seiner Reform bezahlen muss. Es handle sich um die tiefgreifendste Reform seit Jahrzehnten, heißt es in der ausführlichen Analyse. Aber ob das Gesetz den Demokraten langfristig politische Erfolge sichere, sei fraglich. Trotzdem halten die Autoren anerkennend fest: "Ob es eine historische Errungenschaft ist oder politischer Selbstmord für seine Partei - vielleicht beides - Obama hat sich da durchgesetzt, wo Präsident Bill Clinton scheiterte, als er das amerikanische Gesundheitssystem reformieren wollte." Obama sei allerdings gescheitert, die politische Kultur in Washington zu revolutionieren - schließlich wollte er weg von politischen Ränkespielen und parteipolitischen Grabenkämpfen, hin zu einer rationalen Diskurskultur. "Mr. Obama hat etwas verloren - für immer. Das Versprechen, dass ihm vor weniger als eineinhalb Jahren zum Sieg verholfen hat, ist gebrochen: das Versprechen, die politischen Ränkespiele durch Vernunft und ruhigen Diskurs zu ersetzen." Ähnlich kommentiert auch die Washington Post: Die Debatte habe jene "politischen Machtspiele befeuert, die Obama mindern wollte". Es bleibe anzuwarten, so der Tenor der Kommentare, wie die Reform bei den Wählern ankommt - das werde sich bei den Kongresswahlen im November zeigen. Vorerst, schreibt jedenfalls USA Today, habe das Votum der Abgeordneten Obama noch mächtiger gemacht - zu einem Präsidenten, der sein Wahlversprechen eingelöst hat, den Wandel anzuschieben. Auch für die Los Angeles Times ist noch nichts entschieden. Über die Reform urteilt die Zeitung: "Selten wurde etwas so Gutes von so vielen Amerikanern als Bedrohung ihrer Existenz und wahrgenommen." Mit Blick auf den Senat, der die letzten Änderungen an dem Gesetz noch billigen muss, glaubt die L.A. Times: "Der Kampf ist noch nicht vorbei; das Schlachtfeld hat sich nur verlagert."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/presseschau-gesundheitsreform-obama-maechtiger-als-zuvor-1.7245
"Presseschau: Gesundheitsreform - ""Obama mächtiger als zuvor"""
00/03/2010
Ein historischer Sieg für Obama, urteilen die US-Zeitungen einhellig. Doch sie monieren, dass sich der Präsident auf politische Ränkespiele eingelassen hat, um die Gesundheitsreform durchzupeitschen.
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mlsum_de-train-397
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"Passagen, die ich so nie geschrieben hätte" Bodo Ramelow dringt auf Änderungen im Programmentwurf und sieht die Pläne zur Verstaatlichung im Einklang mit Grundgesetz und Bibel. Bodo Ramelow, Jahrgang 1956, ist Vorsitzender der Linken-Fraktion im Thüringer Landtag und somit Oppositionsführer. Ramelow, der Mitglied im Vorstand der Linken ist, zählt zum realpolitischen Flügel seiner Partei. sueddeutsche.de: Herr Ramelow, der Entwurf des Linken-Parteiprogramms liegt vor uns auf dem Tisch. Sie sind nicht zufrieden mit dem Papier? Bodo Ramelow: Ich bin froh, dass der Entwurf nun vorliegt. Und ich bin froh um alle Widersprüche, die zu einer Kontroverse führen. sueddeutsche.de: Das klingt nicht gerade euphorisch. Ramelow: In dem Text finden sich Passagen, die ich so nie geschrieben hätte. Wenn wir beispielsweise von der Pressefreiheit reden, dann bedeutet das für mich: Redaktionsstatute. sueddeutsche.de: Dieser Ausdruck findet sich nicht im Entwurf, stattdessen der Terminus: "Demokratisch kontrollierte Medien". Ramelow: Nach meinem Dafürhalten ist damit die Stärkung innerer Pressefreiheit gemeint. Nicht der Konzern soll über Inhalte entscheiden, sondern seine Journalisten als Träger der vierten Gewalt, so meint es auch das Grundgesetz. Uns geht es um Freiheit, nicht um Zensur. sueddeutsche.de: Warum schreibt Ihre Partei das nicht genauso, sondern etwas von Medienkontrolle? Ramelow: Mir ist die Problematik bewusst, das ist holperig und anders lesbar. Die Linke darf nie in den Ruch kommen, die Pressefreiheit zu beschneiden. Deshalb ist eine Debatte über solche Textstellen nun notwendig. sueddeutsche.de: Sehen Sie auch Änderungsbedarf beim Thema Verstaatlichung von Banken? Ramelow: Sicher, auch hier muss man diskutieren und präzisieren. Aber der Handlungsbedarf ist doch offenkundig und zeigt sich auch dieser Tage wieder: Die hiesigen Banken haben sich unter den staatlichen Schutzschirm - 470 Milliarden Steuergeld - gestellt. Und nun zocken dieselben Geldhäuser gegen Griechenland. Das ist eine nationale Schande. Da ist zuvor ein Generalfehler gemacht worden. sueddeutsche.de: Der da wäre? Ramelow: Der Staat hätte die Hilfe an Bedingungen knüpfen müssen. Man hätte das vorgestreckte Steuergeld an Eigentumsrechte binden müssen, Geld gegen Eigentum. Die Schweden haben das so gemacht. Das hat nichts mit Zwangsverstaatlichung zu tun. sueddeutsche.de: Über die entsprechenden Einlassungen im Programmentwurf dürften vor allem die Betonköpfe und DDR-Nostalgiker in Ihrer Partei frohlocken. Ramelow: Einspruch! Hier geht es nicht um volkseigene Banken. Hier geht es darum, dass wir unvorstellbar viel Steuergeld in den Bankensektor pumpen, und null Einfluss darauf haben, was damit passiert. Die Banken denken nämlich nicht daran, in Krisenzeiten ebenso solidarisch zu handeln. Es geht schlichtweg um Eigentumserwerb. Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Prognose Ramelow zur anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen abgibt und was er zu Hardlinern in der Linken zu sagen hat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bodo-ramelow-passagen-die-ich-so-nie-geschrieben-haette-1.14838
"Bodo Ramelow - ""Passagen, die ich so nie geschrieben hätte"""
00/03/2010
Bodo Ramelow dringt auf Änderungen im Programmentwurf und sieht die Pläne zur Verstaatlichung im Einklang mit Grundgesetz und Bibel.
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Am Ende also hat es doch gelangt. Nach einer mäandernden, mehr als einjährigen Diskussion, nach Zugeständnissen hier und Nachbesserungen dort, deren Weiterungen nur Experten wirklich überschauen können, nach einer Zitterpartie bis zum Schluss hat das US-Repräsentantenhaus die Gesundheitsreform gebilligt. Nun kann Präsident Barack Obama das Reformgesetz unterschreiben und in Kraft setzen. Das ist von enormer Bedeutung für Amerika - und seine Präsidentschaft. Alles andere wäre einer Katastrophe für ihn gleichgekommen. Politisch brauchte er den Erfolg. Sonst hätten er und seine Partei, die Demokraten, wenig vorzuweisen, wenn im Herbst der Kongress neu gewählt wird. Wie sehr die Reform den Demokraten bei den Wählern indes wirklich helfen wird, ist keineswegs ausgemacht. Zu erbittert wurde die Diskussion geführt, als dass sich die aufgewühlten Gemüter schnell wieder beruhigen ließen. Noch lehnt eine Mehrheit der Bevölkerung die Reform ab. Der Präsident hofft, dass die Amerikaner die Vorzüge der Reform erkennen werden, nun da sie eingeführt wird. Das könnte sich als Wunschdenken erweisen. Dabei ist die Reform von der Sache her zwingend geboten. Es ist ein Skandal, dass ein Sechstel aller Menschen in den Vereinigten Staaten ohne Krankenversicherung auskommen muss. Das bedeutet nur allzu oft, dass sie erst zum Arzt gehen, wenn es zu spät ist. Oder aber, dass Krankenkassen sich Patienten einfach entledigen, deren Behandlung ihnen zu teuer wird. Mit beiden Missständen räumt diese Reform auf. Und wenn die Berechnungen stimmen, wird sie auch die Kosten des ausufernden amerikanischen Gesundheitswesen eindämmen. Zwar bei weitem nicht so weitreichend, wie es nötig wäre. Aber ein Anfang ist gemacht. Die Republikaner haben den Untergang des American Way of Life heraufbeschworen, das Ende des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen über das eigene Schicksal. Das ist eine groteske Verzerrung der tatsächlichen Absichten und Folgen der Reform und menschenverachtend gegenüber den Millionen, die sich im bisherigen System keine Versicherung haben leisten können. Das Gezeter dürfte weitergehen, kaum dass die Tinte Obamas unter dem Reformgesetz trocken sein wird. Die Aktivisten der Tea-Party-Bewegung werden nicht nachlassen, die Reform als Teufelswerk zu brandmarken. Die Republikaner werden versuchen, sie im Wahlkampf auszuschlachten. Konservative Gouverneure wollen gegen die Reform klagen und deren Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Obama darf indes die kommenden Wochen und Monate nicht darauf verwenden, die richtige und so wichtige Reform zu verteidigen. Er wird seinen Kritikern nur mit einem den Wind aus den Segeln nehmen können: Wenn er sich ohne Wenn und Aber erkennbar auf die Ankurbelung der US-Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze konzentriert. Wenn ihm das gelingt, kann er hoffen, dass irgendwann die Mehrheit der Amerikaner die Notwendigkeit der Reform einsieht. Aber nur dann.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-gebilligt-obama-und-sein-langer-weg-1.13407
USA: Gesundheitsreform gebilligt - Obama und sein langer Weg
00/03/2010
Nach langem Streit beschließt das Repräsentantenhaus die Gesundheitsreform. Ein Sieg für Präsident Barack Obama - doch seine Hauptaufgabe ist eine andere.
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Zuwanderungsstopp, eine starke Elite und das Recht des Stärkeren in der Politik: Eine Studie zeigt, dass ein Teil des deutschen Offiziersnachwuchses ein sehr zweifelhaftes Weltbild hat. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Darauf sind Bundestag und Streitkräfte gleichermaßen stolz, soll dies doch den Primat der Politik und die Verankerung der Soldaten in der Gesellschaft belegen. Immerhin elf Prozent der jungen Offiziere in der Bundeswehr sind allerdings laut einer Studie dafür, die Macht des Parlaments einzuschränken. Und sogar 45 Prozent sind der Ansicht, dass die Abgeordneten zu viel reden, statt das Notwendige zu tun. Ende 2007 beschloss das Verteidigungsministerium, die "politische Landkarte" des Offiziersnachwuchses zu erkunden. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr wurde beauftragt, 2300 Studierende an den beiden Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und in München, allesamt junge Offiziere, zu befragen - zu ihrer Zufriedenheit mit dem Studium, zu ihren beruflichen Perspektiven und eben zu ihren politischen Einstellungen. Wenngleich die Studie den gelegentlich geäußerten Verdacht widerlegt, die Armee sei ein Sammelbecken Rechtsradikaler, so ergibt sie doch in Teilen ein "Weltbild, das für Offiziere der Bundeswehr als 'nicht unproblematisch' eingestuft werden kann", wie die Verfasser schreiben. Die große Mehrheit der Befragten, 70 Prozent, fühlt sich durch CDU und CSU am besten vertreten. Nur vier Prozent sahen ihre politische Heimat bei den rechtsextremen Parteien NPD, DVU und Republikaner. Dieser geringe Prozentsatz sei "sehr positiv zu bewerten", heißt es in der Studie. Doch immerhin 13 Prozent der Befragten ließen deutliche Sympathien für das Gedankengut der sogenannten Neuen Rechten erkennen. Der Verfassungsschutz definiert die "Neue Rechte" als eine geistige Strömung, die sich um eine Intellektualisierung des Rechtsextremismus bemüht. Sie berufe sich auf antidemokratische Denker, die in der Weimarer Republik Wegbereiter des Nationalsozialismus waren. Sie wolle letztlich den demokratischen Verfassungsstaat delegitimieren und das politische System grundlegend verändern. Bei Fragen nach den politischen Zielen der Neuen Rechten stimmten 38 Prozent der Forderung zu, Deutschland solle wieder von einer starken Elite geführt werden. 25 Prozent waren dafür, die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland zu stoppen. Zwölf Prozent meinten, man müsse dafür sorgen, dass sich in Politik und Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzt. Dass deutsche Interessen gegenüber dem Ausland "hart und energisch" durchgesetzt werden müssten, bejahten sogar 44 Prozent jener jungen Offiziere, die mit Sicherheit einen guten Teil ihrer Dienstzeit in Auslandseinsätzen verbringen werden. Insgesamt sei die Zustimmung zur Neuen Rechten unter jungen Zivilisten doppelt so hoch wie unter den Offizieren, versuchen die Verfasser der Studie zu beruhigen. Gleichwohl mahnt der scheidende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe, die Studie "sehr ernst zu nehmen". Soweit diesen politischen Zielen bewusst zugestimmt werde, stelle sich die Frage, ob diese Soldaten jederzeit für die freiheitlich-demokratische Ordnung des Grundgesetzes eintreten wollten, schrieb Robbe in seinem jüngsten Jahresbericht. Darin hat Robbe auch kritisch angemerkt, dass das Ministerium die Studie bis jetzt "unter Verschluss" gehalten habe. Erst einen Tag, bevor Robbe vorigen Dienstag seinen Jahresbericht veröffentlichte, stellte das Sozialwissenschaftliche Institut die Studie still und leise auf seine Webseite.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/deutsche-bundeswehr-offiziere-die-rechtsverteidiger-1.21971
Deutsche Bundeswehr-Offiziere - Die Rechtsverteidiger
00/03/2010
Zuwanderungsstopp, eine starke Elite und das Recht des Stärkeren in der Politik: Eine Studie zeigt, dass ein Teil des deutschen Offiziersnachwuchses ein sehr zweifelhaftes Weltbild hat.
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