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Mit seinem Nazi-Vergleich hat Regensburgs Bischof Müller nicht nur bei Journalisten bundesweit Empörung ausgelöst. Nun versucht das Bistum zu retten, was zu retten ist - und flüchtet sich erneut in die Opferrolle. Erst der Zentralrat der Juden, dann Journalisten - und schließlich auch Kirchen-Vertreter: Mit seinem gewagten Nazi-Vergleich löste der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller bundesweit Empörung aus. Müller hatte am Wochenende in einer Predigt den Medien wegen der Art ihrer Berichterstattung über Missbrauchsfälle eine "Kampagne gegen die Kirche" vorgeworfen und die Berichterstattung in die Nähe der kirchenfeindlichen Haltung der Nationalsozialisten gerückt. Es werde "gefaucht und gezischt gegen die Kirche", monierte Müller. "Die Leute, die vorm Fernsehen sitzen, die Zeitung aufschlagen", würden "manipuliert durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte, durch ständige Wiederholungen von Vorgängen aus alter Zeit". Er forderte die Menschen auf, "Reife des Glaubens zu haben, nicht auf all diese Schalmeien wie 1941 hereinzufallen". Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt und sprach von "Geschichtsfälschung". Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) war nicht weniger aufgebracht und kritisierte die Medienschelte "als skandalöse Polemik" und fordert eine Entschuldigung. Es sei die Aufgabe von Journalisten, kritisch über die Missbrauchsfälle durch Geistliche zu berichten, sagte die stellvertretende DJV-Vorsitzende Ulrike Kaiser. "Bischof Müller polemisiert gegen die Überbringer der schlechten Nachrichten und versucht so offenbar, von den Fakten abzulenken." Der Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, sagte im Bayerischen Rundfunk (BR), Müllers Verhalten helfe nicht weiter, "sondern führt dazu, dass der eine oder andere den Eindruck hat, dass es in der Kirche Kräfte gibt, die letztlich keine Aufklärung wollen". Auch Kurienkardinal Walter Kasper distanzierte sich von der Predigt Müllers. Die Kirche solle jetzt "nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern wir sollen unser eigenes Haus in Ordnung bringen, und dann können es andere auch tun", sagte Kasper, wie der BR berichtete. Das Bistum versucht nun zu retten was zu retten ist - und stellt die Kirche erneut als Opfer der Medien dar. Müller habe nie die Medienberichterstattung zu den Missbrauchsfällen mit der kirchenfeindlichen Haltung des NS-Regimes verglichen. Dies sei "eine fälschende Verzerrung der Aussagen" des Bischofs. Bischof Müller habe sich in der Vergangenheit wiederholt und mit großer Deutlichkeit gegen die Gräueltaten des Nationalsozialismus und deren Verharmlosung ausgesprochen, hieß es. So habe er mehrmals öffentlich ein Verbot der NPD gefordert und dem Traditionalistenbischof Richard Williamson nach dessen Holocaust-Leugnung Hausverbot für die ganze Diözese erteilt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/regensburg-reaktion-auf-nazi-vergleich-das-opfer-die-kirche-1.11475
Regensburg: Reaktion auf Nazi-Vergleich - Das Opfer: die Kirche
00/03/2010
Mit seinem Nazi-Vergleich hat Regensburgs Bischof Müller nicht nur bei Journalisten bundesweit Empörung ausgelöst. Nun versucht das Bistum zu retten, was zu retten ist - und flüchtet sich erneut in die Opferrolle.
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mlsum_de-train-401
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Die katholische Kirche in Österreich glaubte sich gegen den Skandal gefeit - doch nun werden immer neue Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt. In Österreichs Kirche herrscht blankes Entsetzen über zahlreiche Enthüllungen von Kindesmissbrauch durch Kleriker. Relativ zur Größe des Landes ist Österreich mit mehr kirchlichen Missbrauchsfällen konfrontiert als Deutschland. Entsprechend enttäuscht ist die katholische Gemeinde, dass der Papst in seinem Hirtenbrief "nicht einmal einen kurzen Gedanken" auf Österreich und Deutschland gerichtet hat, kritisiert der Generalvikar der Diözese Innsbruck. Laienorganisationen vermissen ein Schuldbekenntnis und klare Worte zu strukturellen Ursachen in der Kirche selbst. Skandalreiche Jahrzehnte Der Verein "Opfer kirchlicher Gewalt" hat sich gebildet, um mit einer Sammelklage Entschädigungen zu erzwingen. Mit weniger als 80.000 Euro pro Fall will man sich nicht begnügen. Dies passiert in einem Land, das sich in seinem Grundbefinden so katholisch fühlt wie kaum ein anderes rundherum. Doch Österreichs Kirche hat skandalreiche Jahrzehnte hinter sich, die dazu beigetragen haben, dass das Land, das noch vor 25 Jahren nominell zu 85 Prozent katholisch war, weithin vom Glauben abfällt. Österreich entsetzt sich besonders, dass sexuelle Übergriffe und Quälereien noch bis in jüngste Zeit angedauert haben. Aus Vorarlberg wird gar gemeldet, in einer Klosterheimschule seien Zöglinge mit Pornofilmen, Alkohol und anderen Drogen traktiert worden, gefolgt von sexuellen Übergriffen bis zur Vergewaltigung. Und da ist noch eine besonders prekäre Sache: Rom selbst hat vor nicht langer Zeit das erste Kirchengerichtsverfahren überhaupt, das in Österreich gegen einen geistlichen Kinderschänder geführt wurde, kassiert. Es ging um einen steirischen Pfarrer und dessen Übergriffe an Kindern in den Jahren 1982 bis 1987. Eltern blieben trotz tauber Ohren und Demütigungen durch die kirchliche Hierarchie hartnäckig. Der Pfarrer wurde nach Jahren "beurlaubt", bald aber wieder mit neuen Gemeinden betraut, mit verhängnisvollen Folgen. Erst nach einem Bischofswechsel 2001, so zeichnet die Wiener Wochenzeitung Falter den Fall nach, kam es zum kirchlichen Prozess vor dem erzbischöflichen Metropolitan- und Diözesangericht in Salzburg. Der Priester wurde für schuldig befunden. Die Glaubenskongregation in Rom aber hob 2006 zu aller Überraschung den Schuldspruch auf: Die Sache sei verjährt. Der Prälat, der damals die Verhandlung führte, erklärt heute ernüchtert, das sei völlig überraschend gekommen, denn man hatte sich vorher abgesichert. "Wir haben die Sache ja von Rom zugewiesen bekommen. Sie können sich denken, wie wir empfinden, wenn unser Urteil plötzlich aufgehoben wird." Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der Erzbischof von Wien den Papstbrief lobt - bis vor kurzem aber noch ganz anders zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche stand.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-in-oesterreich-pornofilme-alkohol-und-drogen-fuer-die-zoeglinge-1.21185
Kirche in Österreich - Pornofilme, Alkohol und Drogen für die Zöglinge
00/03/2010
Die katholische Kirche in Österreich glaubte sich gegen den Skandal gefeit - doch nun werden immer neue Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt.
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mlsum_de-train-402
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Nach einer hitzigen Debatte hat das US-Repräsentantenhaus das Gesetz zur Gesundheitsreform mit 219 Stimmen verabschiedet - mit nur drei Stimmen mehr als nötig. Präsident Obama hat somit sein wichtigstes innenpolitisches Ziel erreicht, jedoch nur mit großen Zugeständnissen an seine Kritiker. Sieg für US-Präsident Barack Obama im Ringen um seine Gesundheitsreform: Das Repräsentantenhaus hat am späten Sonntagabend (Ortszeit) mehrheitlich eine Senatsvorlage für Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt gebilligt. Der Präsident kann das Gesetz nun unterzeichnen und damit in Kraft setzen. Es gilt als die umfassendste Sozialreform seit Jahrzehnten. Nach einjähriger hitziger Debatte hat der US-Kongress das Gesetz zur Gesundheitsreform verabschiedet, mit dem erstmals eine obligatorische Krankenversicherung für alle eingeführt wird. Im US-Repräsentantenhaus stimmten am Sonntag 219 Abgeordnete für das im Dezember bereits vom Senat gebilligte Gesetz. 212 Parlamentarier stimmten dagegen. Damit wurde die erforderliche absolute Mehrheit um drei Stimmen übertroffen. US-Präsident Barack Obama hat mit der Gesundheitsreform das wichtigste innenpolitische Ziel seiner Amtszeit erreicht. Das Gesetz ermöglicht 32 Millionen bislang unversicherten Amerikanern eine umfassende Absicherung im Krankheitsfall und bei Unfällen. Es wird erwartet, dass der Präsident die Reform bereits am Dienstag in Kraft setzt. Unabhängig davon findet noch ein Gesetzgebungsverfahren mit Änderungen an der gerade verabschiedeten Reform statt. Das Repräsentantenhaus verabschiedete die entsprechende Vorlage mit 220 zu 211 Stimmen. Dieses Gesetz geht nun noch an den Senat, der ihn durch eine Sonderregelung abschließend mit einfacher Mehrheit der Demokraten verabschieden kann. Kurz nach der Entscheidung trat Präsident Barack Obama vor die Kameras und sagte: "Wir haben weder Misstrauen noch Zynismus noch der Angst nachgegeben. Stattdessen haben wir bewiesen, dass wir immer noch ein Volk sind, dass Großes leisten kann und seine größten Herausforderungen annimmt." Das Abstimmungsergebnis sei "die Antwort auf die Gebete aller Amerikaner, die so inständig gehofft haben, dass etwas getan wird mit einem Gesundheitssystem, das den Versicherungsunternehmen dient, aber nicht den einfachen Leuten". Zum Abschluss einer teilweise emotional geführten Debatte hatte Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi, die Abgeordneten der demokratischen Mehrheitspartei bereits aufgerufen, "Geschichte für unser Land zu schreiben". Die Republikaner bekräftigten bis zuletzt ihre Ablehnung des Reformwerks. Sie kritisierten vor allem die hohen Kosten von fast einer Billion Dollar und das Vordringen staatlicher Regulierung in einen bisher privat geregelten Bereich. Außerdem warnten sie davor, dass die Gesundheitsreform zu Kürzungen bei der bisherigen Krankenversicherung für Senioren mit der Bezeichnung Medicare führen werde. "Wir haben versagt, auf Amerika zu hören", sagte der republikanische Minderheitsführer John Boehner. Eine Billigung des neuen Gesetzes zum Gesundheitswesen mit mindestens 216 Stimmen galt als so gut wie sicher, nachdem eine Gruppe konservativer demokratischer Abgeordneter ihre Ablehnung der Reform aufgegeben hat. Im Gegenzug hatte Obama ihnen zuvor eine Verordnung zugesagt, die ausdrücklich die Finanzierung von Abtreibungen mit Hilfe von Bundesmitteln untersagt. Mit der Reform soll erreicht werden, dass am Ende 95 Prozent der US-Bürger versichert sind. Derzeit sind es 83 Prozent. Die Kosten für den Staat: 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro) über zehn Jahre. Eine Grundversicherung wird für die allermeisten Amerikaner zur Pflicht. Versicherungen dürfen Amerikaner mit existierenden Erkrankungen künftig nicht mehr abweisen. Die bisherige Gesundheitsversicherung für Bedürftige, Medicaid, wird erheblich ausgeweitet. Staatliche Unterstützung erhalten auch Familien mit einem Jahreseinkommen bis 88.000 Dollar (65.000 Euro). Eltern können ihre Kinder bis zu einem Alter von 26 Jahren in ihrer Familienversicherung einbeziehen. Finanziert werden die Ausgaben zum Teil mit einer höheren Abgabenlast für Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 200.000 Dollar (147.600 Euro) bei Ledigen oder 250.000 Dollar (184.500 Euro) bei Verheirateten. Für die Versicherungswirtschaft bedeutet das Gesetz, dass sie einer strengeren Aufsicht der Behörden unterstellt werden. Die Unternehmen der Branche dürfen Versicherungsnehmer nicht mehr wegen ihrer Krankengeschichte ablehnen oder bestehende Verträge kündigen, wenn eine mit hohen Kosten verbundene Krankheit eintritt. Begleitet wurde die Abstimmung im Repräsentantenhaus von Tumulten: Zahlreiche Gegner drängen am Sonntag in das Gebäude ein und machten ihrem Unmut über Obamas Vorhaben lauthals Luft. Auch rund um den Sitz des Kongresses in Washington versammelten sich zahlreiche Demonstranten, die "kill the bill" ("Tötet das Gesetz") skandierten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-obamas-sieg-1.20627
USA: Gesundheitsreform - Obamas Sieg
00/03/2010
Nach einer hitzigen Debatte hat das US-Repräsentantenhaus das Gesetz zur Gesundheitsreform mit 219 Stimmen verabschiedet - mit nur drei Stimmen mehr als nötig. Präsident Obama hat somit sein wichtigstes innenpolitisches Ziel erreicht, jedoch nur mit großen Zugeständnissen an seine Kritiker.
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mlsum_de-train-403
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Nach langer Pause redet Bundespräsident Köhler wieder, doch viel zu sagen hat er nicht: Warum das Staatsoberhaupt enttäuscht hat - und mehr tun muss, als am Rand zu stehen. Der Bundespräsident redet wieder. Er hat, lange Monate nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, zu seiner Sprache zurückgefunden. Vielleicht hatte er sich die Kritik an seiner Verflüchtigung zu Herzen genommen; vielleicht war er auch bisher zu abgelenkt gewesen von den heftigen Querelen in seinem Präsidialamt. Wie dem auch sei: Man hört jedenfalls nun, nach der langen Pause, umso genauer hin, was Horst Köhler zu sagen hat. Es ist nicht viel. Köhler sagt, dass die ersten Monate der zweiten Regierung Angela Merkels "enttäuschend" gewesen seien. Das ist erstens allgemein bekannt und zweitens auch ein wenig ungeschickt, weil es an die Redensart über denjenigen denken lässt, der mit dem Finger auf andere zeigt. Dieser sollte bekanntlich bedenken, dass drei Finger seiner Hand auf ihn selbst zurückweisen. Der wiedergewählte Bundespräsident hat nämlich nicht minder enttäuscht; und dabei ist er schon erheblich länger im Amt als die von ihm kritisierte Bundesregierung - und er hat es noch dazu um einiges leichter als diese. In seiner ersten Amtszeit hat Horst Köhler die Leichtigkeit des Amts ausgereizt und genossen. Er hat die Sehnsucht der Menschen nach einem Staatsoberhaupt befriedigt, das nicht so gewichtig daherkommt und nicht so geschwollen redet, wie es viele Polit-Profis tun. Köhler war der freundliche und mahnende Nachbar im Frack. Mehr als nur freundliche Worte Das hat für die erste Amtszeit genügt. Jetzt genügt es nicht mehr. Es genügt nicht mehr, einfach nur anders zu sein. Die Probleme der Gesellschaft sind so groß, die Verschuldung ist so hoch und die Sehnsucht nach Orientierung so stark, dass ein Präsident ein wenig mehr tun muss, als nur am Wegrand zu stehen und ein paar freundliche Worte zu finden. Früher, als die alten Leute noch nicht in Altenheimen saßen, sondern noch auf dem Bänkchen vor ihrem Haus, waren sie zuständig für das, was heute Kommunikation heißt - also für den meist belanglosen, aber gleichwohl wichtigen nachbarschaftlichen Schwatz. Die Großmutter redete über den Gartenzaun hinweg vom Wetter und gab den Leuten, die auf der Straße vorbeikamen, Ratschläge darüber, ob man heute wohl die Beete gießen muss oder nicht. Und der Großvater redete davon, dass der Schuppen jetzt endlich gründlich renoviert werden sollte, bevor er zusammenfällt. Für diese Art der unverbindlich-liebenswürdigen Kommunikation - über Reformen, Benzinpreise oder über den Klimawandel - ist heutzutage der Bundespräsident zuständig. Der Mann aus dem Schloss Bellevue steht sozusagen am nationalen Gartenzaun, er grüßt alle, sagt ein nettes Sprüchlein oder räsoniert über dies oder das. Aber das allein, so nett es sein mag, reicht nicht mehr. Die Menschen wollen Lebenserfahrung spüren und, ja auch dies, Weisheit. In diesen Zeiten muss sich auch ein Staatsoberhaupt ein wenig mehr anstrengen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesident-horst-koehler-der-mann-von-nebenan-1.23606
Bundespräsident Horst Köhler - Der Mann von nebenan
00/03/2010
Nach langer Pause redet Bundespräsident Köhler wieder, doch viel zu sagen hat er nicht: Warum das Staatsoberhaupt enttäuscht hat - und mehr tun muss, als am Rand zu stehen.
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mlsum_de-train-404
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Die Entscheidung naht: US-Präsident Obama musste viele Kompromisse machen für seine Gesundheitsreform. Kritiker sagen, es sei nur ein Schatten übrig. Der Präsident kam gleich zur Sache. "Ist dieser Gesetzentwurf perfekt?", fragte Barack Obama am Samstag, als er auf den Kapitolshügel in Washington gefahren war, um die Kongressabgeordneten seiner Partei auf die große Entscheidung über die Gesundheitsreform am Sonntag einzustimmen. "Natürlich nicht", gab er selbst die Antwort. Viele Punkte seien nicht Teil der Reform, die er sich gewünscht hätte. Und vieles sei nicht aufgenommen, was sich mancher Abgeordnete gewünscht hätte. Dennoch sei der Vorschlag der wichtigste Schritt zur Reform des US-Gesundheitswesens seit fast einem halben Jahrhundert. Auf alle Fälle sei er ein "ungemeiner Fortschritt gegenüber dem Status quo". Da wird ihm kaum einer seiner Parteifreunde widersprochen haben. Trotzdem hat es Abstriche gegenüber den ursprünglichen Vorstellungen gegeben. Für die Parteilinke ist die Reform nur mehr ein Schatten ihrer selbst, verwässert durch Zugeständnisse und Absprachen. Vor allem eines stört sie: der Verzicht auf die sogenannte public option, die Einrichtung einer staatlichen Krankenversicherung, genauer gesagt von 50 staatlichen Versicherungen in den 50 Bundesstaaten. Obama selbst hatte diese Lösung favorisiert, sie aber nie zum unabdingbaren Teil der Reform erklärt. Jetzt soll es von den Bundesstaaten organisierte Krankenversicherungsbörsen geben, in denen die privaten Unternehmen ihre Policen anbieten können. Die staatliche Aufsicht stellt sicher, dass die Policen den gesetzlichen Auflagen genügen. Konkurrenz einer staatlichen oder einer genossenschaftlich organisierten Kasse muss das amerikanische Versicherungsgewerbe also nicht mehr fürchten. Konservative Demokraten hatten vor allem die enormen Kosten der Reform im Blick. Ihnen war das Unterfangen - wie den Republikanern - suspekt angesichts der Belastungen, denen der Etat durch das Konjunkturpaket ja bereits ausgesetzt ist. Deshalb hatte Obama die Parole ausgegeben, dass die Reform nicht die Grenze von einer Billion Dollar überschreiten dürfe. Diese Bedingung erfüllt der zwischen den Demokraten im Repräsentantenhaus und Senat ausgehandelte Kompromiss. Er prognostiziert Kosten von 940 Milliarden Dollar im Laufe des kommenden Jahrzehnts. Dem gegenüber stehen Ausgabenreduzierungen im Gesundheitswesen, die das staatliche Defizit in den kommenden zehn Jahren um 138 Milliarden Dollar, im folgenden Jahrzehnt um weit mehr als eine Billion Dollar senken sollen. Das wurde vom parteiunabhängigen Congressional Budget Office, sozusagen den Bundesrechnungsprüfern, bestätigt. Das erleichterte den finanzpolitisch konservativen Demokraten die Zustimmung. Streit um Finanzierung von Abtreibungen Bis zuletzt umstritten blieb die Frage, inwieweit durch die Reform Abtreibungen indirekte staatliche Zuschüsse erhalten könnten. Eine Reihe demokratischer Abgeordneter hatte deshalb ihre Zustimmung versagt. Um sie doch noch zu gewinnen, hatte Obama angeboten, nach Verabschiedung der Reform ein Dekret zu erlassen, das die Finanzierung von Abtreibungen mit Steuermitteln verbietet. Zwei Bedingungen, die Obama für elementar erklärt hatte, erfüllt die Reform: 32 Millionen Amerikaner, die nicht versichert sind, dürften eine Police bekommen. Das sind rund zwei Drittel derer, die bislang keine Versicherung haben. Um das zu erreichen, soll ein Strafgeld eingeführt werden, das Versicherungsverweigerer zahlen müssten. Das Repräsentantenhaus hat die Summe dafür auf 695 Dollar pro Jahr verringert. Wer wenig verdient, muss künftig auch weniger Steuern zahlen, um sich nun die Versicherung leisten zu können. Unternehmen müssen nicht grundsätzlich für die Versicherung ihrer Angestellten Sorge tragen. Das war ursprünglich geplant gewesen. Allerdings müssen Firmen mit 50 und mehr Angestellten laut Reform eine Strafsteuer von 2000 Dollar pro Beschäftigten zahlen, wenn sie den Arbeitnehmern nicht eine Versicherung anbieten. Wenn Obama die Abstimmung gewinnt, dürfen die Versicherungen niemandem mehr den Schutz verweigern, weil er früher schon mal krank war. Auch dürfen sie Schwerkranken die Versicherung dann nicht mehr einfach kündigen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-alles-andere-als-perfekt-1.22759
USA: Gesundheitsreform - Alles andere als perfekt
00/03/2010
Die Entscheidung naht: US-Präsident Obama musste viele Kompromisse machen für seine Gesundheitsreform. Kritiker sagen, es sei nur ein Schatten übrig.
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mlsum_de-train-405
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Krisentreffen ohne konkretes Ergebnis: Die Koalitionsspitzen haben sich zumindest bei der geplanten Bankenabgabe genähert. Die Politiker von FDP und Union schielen auch auf die Wahl in NRW. Die schwarz-gelbe Koalition will nach den internen Konflikten der vergangenen Monate wieder in die Offensive kommen. Bei einem Treffen am Sonntagabend im Kanzleramt näherten sich die Spitzen der Koalition vor allem bei der geplanten Schaffung eines Krisenvorsorgefonds an, in den die Banken einzahlen müssten. Zudem soll es noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai erste Aussagen zur geplanten Steuerreform geben. Auch Änderungen bei Hartz IV sind im Gespräch. Der Vize-Kanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle sagte nach dem Treffen: "Die Dinge finden zueinander und wir haben konkrete Fortschritte bei Bankenregulierung und Bankenverantwortung erreicht." Ein anderer Teilnehmer der Runde sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es zeichnet sich eine differenzierte Lösung ab." Das Konzept von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht nach SZ-Informationen vor, dass die Kreditinstitute einen geringen Teil ihrer Gewinne an den Bankenrettungsfonds Soffin abführen. Sollte ein Geldhaus in Schieflage geraten, würde in Zukunft zunächst der Soffin Eigenkapitalhilfen gewähren. Die Höhe der Abgabe könnte sich nach der Bilanzsumme richten, von der die Summe der Kundeneinlagen abgezogen wird. Institute mit hohen Kundeneinlagen - also insbesondere Sparkassen und Volksbanken - würden damit weniger stark belastet als die Großen der Branche, die ihr Geld vor allem im sogenannten Investmentbanking verdienen. Union und FDP liegen derzeit in den Meinungsumfragen sowohl im Bund als auch in NRW hinter der Opposition zurück. Sollte die Wahl an Rhein und Ruhr verlorengehen, wäre auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat dahin. Die Koalition wäre dann bei allen wichtigen Beschlüssen auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen Sozialdemokraten oder Grüne mitregieren. Wie aus Koalitionskreisen verlautete, wollen Union und FDP deshalb noch vor dem 9. Mai eine Reihe von Beschlüssen fassen, die den Bund möglichst wenig Geld kosten, den Bürgern aber zeigen, dass die Regierung handlungsfähig ist. Dazu zählen neben der Bankenabgabe unter anderem Änderungen bei den Hinzuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte zudem an, dass die Regierung sich noch vor der Landtagswahl zur geplanten Steuerreform äußern werde. "Wir können das konkretisieren und werden das auch tun, was machbar ist", sagte sie im Deutschlandfunk. Noch vor wenigen Tagen hatte die Regierung einem entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung widersprochen. Merkel erklärte, abschließende Aussagen zur Steuerreform würden folgen, sobald die Ergebnisse der Steuerschätzung ausgewertet seien. "Das heißt also: Alle Antworten werden wir vor dem 9. Mai (...) nicht geben können", sagte sie. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten erhöhten zugleich den Druck auf die FDP, ihre Steuersenkungswünsche zu überdenken. Der baden-württembergische Regierungschef Stefan Mappus und sein saarländischer Kollege Peter Müller erklärten, sie könnten größeren Steuererleichterungen im Bundesrat nicht zustimmen. Ähnlich kritisch äußerte sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. An dem Treffen im Kanzleramt nahmen Merkel, Schäuble, die Parteichefs Westerwelle und Horst Seehofer (CSU) teil, zudem die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Birgit Homburger (FDP) sowie CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Westerwelle und Friedrich lobten danach das gute Gesprächsklima.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelbes-spitzentreffen-banken-muessen-bluten-1.19712
Schwarz-gelbes Spitzentreffen - Banken müssen bluten
00/03/2010
Krisentreffen ohne konkretes Ergebnis: Die Koalitionsspitzen haben sich zumindest bei der geplanten Bankenabgabe genähert. Die Politiker von FDP und Union schielen auch auf die Wahl in NRW.
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mlsum_de-train-406
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Der Hirtenbrief von Benedikt XVI. an Irlands Katholiken ist zwar ehrlich und betroffen, doch entscheidend ist, was der Papst nicht gesagt hat. Papst Benedikt XVI. hat einen ehrlich betroffenen Brief an die Katholiken in Irland geschrieben, das muss man ihm zugestehen. Er spricht schonungslos offen von "Scham" und "Reue" angesichts der Gewalt, die Priester und Ordensleute Kindern und Jugendlichen angetan haben. Er bittet die Opfer und ihre Familien um Vergebung; er macht den Tätern klar, welches Verbrechen sie begangen haben, wie abgrundtief sie die Kinder verraten haben, die im Namen Jesu zu ihnen kamen. Er zeigt, warum gerade die Kirche in ihrer Existenz getroffen ist, wenn Menschen, die in Gottes Namen sprechen sollen, Kinder sexuell missbrauchen oder sadistisch quälen. Er kritisiert die Vertuschungen mancher Bischöfe, kündigt an, dass der Vatikan die Zustände in einigen Bistümern Irlands untersuchen möchte. Das ist ein Signal an andere Länder: Kommt ihr mit dem Problem nicht alleine zurecht, dann kommen wir und sehen nach dem Rechten. Nie wieder soll es so werden wie in den USA und Irland, wo über Jahrzehnte auch Bischöfe sexuellen Missbrauch von Kirchenmitarbeitern deckten. Das alles hat Papst Benedikt sich auch nicht einfach unter dem Druck immer neuer Missbrauchsfälle ausgedacht, die nun öffentlich werden. Joseph Ratzinger steht seit Jahren dafür, dass die Kirche scharf und klar gegen sexuelle Übergriffe vorgeht, er hat auch im Vatikan mächtige Kirchenmänner wie den Gründer der reaktionären Legionäre Christi nicht geschont, als gegen ihn der Vorwurf laut wurde, er habe sich an Minderjährigen vergangen. Ausgesprochen respektabel - und zugleich unzureichend So gesehen, ist der Brief Benedikts an die irischen Bischöfe ausgesprochen respektabel. Noch nie hat ein Papst so klar und demütig gesagt, dass sexueller Missbrauch anvertrauter Menschen den Kern des Glaubens trifft. Und trotzdem wird das Schreiben die katholische Kirche nicht aus der Krise führen, in die sie da geraten ist. Trotzdem bleibt es, bei allem ehrlichen Bemühen, unzureichend. Unzureichend bleibt das Schreiben, weil es sich doch nur an die irische Kirche wendet, den einen Satz ausgenommen, dass alles hier Gesagte auch irgendwie den Rest der Welt betrifft. Der Brief lokalisiert damit ein Problem, das die gesamte Weltkirche betrifft, weil überall in der Welt Priester und Ordensleute mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, überall die Gefahr besteht, dass pädophile oder gewalttätige Männer die Nähe zu Kindern missbrauchen. Er erweckt den Eindruck, dass hier und da die eine oder andere Ortskirche gefehlt hätte. Tiefergehende Fragen an die Gesamtstruktur der Kirche, die Probleme ihrer Ausbildung, die Krise der priesterlichen Lebensform, dem Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit - alles dies klammert der Papst aus, und auch, dass er selbst in einem Fall direkt betroffen ist, als ein wegen sexuellen Missbrauchs aufgefallener Priester in Ratzingers Amtszeit im Erzbistum München und Freising gleich wieder in einer Gemeinde eingesetzt und später abermals straffällig wurde. Der Kirche in Deutschland hätte ein Wort des Papstes gut getan, er hat nicht den Mut gefunden, es auszusprechen. Im Video: Der Papst hat sich in seinem mit Spannung erwarteten Hirtenbrief an die Katholiken in Irland bei den Opfern sexueller Gewalt entschuldigt Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/katholische-kirche-missbrauchsfaelle-der-weltfremde-papst-und-die-verpasste-chance-1.19456
Katholische Kirche: Missbrauchsfälle - Der weltfremde Papst und die verpasste Chance
00/03/2010
Der Hirtenbrief von Benedikt XVI. an Irlands Katholiken ist zwar ehrlich und betroffen, doch entscheidend ist, was der Papst nicht gesagt hat.
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mlsum_de-train-407
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Kurz vor der Abstimmung über das wichtigste Projekt seiner Amtszeit beschwört US-Präsident Obama die Demokraten. Auch die Gegner der Gesundheitsreform kämpfen bis zuletzt - mit Protesten vor dem Kapitol. Kurz vor der Kampfabstimmung im Repräsentantenhaus hat US-Präsident Barack Obama an die Abgeordneten seiner Partei appelliert, die Gesundheitsreform zu verabschieden. "Ich weiß, unter welchem Druck Sie stehen", sagte Obama seinen Demokraten und forderte sie auf, nicht einzuknicken. "Dies ist einer dieser Momente, dies ist eine dieser Zeiten, in denen man wirklich zu sich sagen kann: Verdammt noch mal, das ist genau der Grund, warum ich hier bin!" "Es liegt in Euren Händen. Lasst es uns zu Ende bringen", sagte Obama kämpferisch. Die Reform sei das Produkt eines "schwierigen Prozesses", sagte er. Obama ging auf zahlreiche Streitpunkte ein - etwa die Sorge, der Staat könnte die Kosten für Abtreibungen übernehmen oder sich zu sehr in das Privatleben einmischen. "Tut es nicht für mich. Tut es nicht für die Demokratische Partei. Tut es für das amerikanische Volk", appellierte Obama im Cannon House Office Building des Kongresses an die Demokraten. Die Kongresskammer wollte an diesem Sonntag über den Umbau des 2,5 Billionen Dollar teuren Gesundheitswesens abstimmen. Allerdings gab es nicht nur bei den Republikanern Zweifler. Auch in Obamas eigenem Lager war das Vorhaben bis zuletzt umstritten, weshalb er um die nötige Mehrheit von 216 Stimmen der derzeit 431 Mitglieder bangen musste. Demokraten sind optimistisch Nach einer Reihe von Gesprächen hinter verschlossenen Türen und dem Kapitol-Besuch des Präsidenten zeigten sich die Demokraten aber siegesbewusst. "Ganz klar: Wir glauben, dass wir die Stimmen zusammenhaben", sagte der Mehrheitsführer der Regierungspartei im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer. Geradezu euphorisch äußerte sich der einflussreiche demokratische Abgeordnete John Larson im Fernsehsender ABC: "Wir haben die Stimmen. Wir werden heute Geschichte schreiben." Er stellte das Reformvorhaben in eine Reihe mit historischen Entscheidungen unter den früheren Präsidenten Franklin Roosevelt, der das Sozialversicherungsgesetz auf den Weg gebracht hatte, und Lyndon B. Johnson, in dessen Amtszeit die sogenannte Medicaid für arme Menschen in den USA ins Leben gerufen wurde. Die Abgeordneten sollen zunächst über eine Vorlage abstimmen, die vom Senat bereits abgenickt wurde. Da diese in mehreren Punkten aber auf Widerstand in den Reihen der Demokraten stößt, wird zusätzlich über ein Änderungspaket abgestimmt, über das dann auch noch - vermutlich kommende Woche - die Senatoren befinden müssen. Über Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt wird seit neun Monaten erbittert gerungen. Sie soll 32 Millionen Amerikanern eine Krankenversicherung verschaffen, die bisher keinen Schutz haben. Zahlreiche Amerikaner lehnen die Reform ab, weil sie unter anderem steigende Kosten und eine Verschlechterung der Versorgung befürchten. Demonstrationen vor dem Kapitol Vor dem Kapitol demonstrierten tausende Gegner des Reformvorhabens. In Anspielung an einen Action-Thriller skandierten sie "Kill the Bill" (Tötet das Gesetz). Auf Spruchbändern bezeichneten sie den Präsidenten und sein Reformvorhaben als "sozialistisch". Der republikanische Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, sagte, für die Demokraten in Washington sei es höchste Zeit, auf die Stimme des amerikanischen Volkes zu hören.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-abstimmung-ueber-gesundheitsreform-tut-es-fuer-amerika-1.9547
"USA: Abstimmung über Gesundheitsreform - ""Tut es für Amerika!"""
00/03/2010
Kurz vor der Abstimmung über das wichtigste Projekt seiner Amtszeit beschwört US-Präsident Obama die Demokraten. Auch die Gegner der Gesundheitsreform kämpfen bis zuletzt - mit Protesten vor dem Kapitol.
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Seit Wochen berichten deutsche und internationale Medien über Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen. Nun hat der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks die Medien scharf angegriffen. Demnach habe Müller in seiner Predigt die aktuelle Berichterstattung mit der kirchenfeindlichen Haltung des NS-Regimes verglichen. Der Bischof habe die Katholiken aufgerufen, der Kirche treu zu bleiben, "so wie auch damals die Katholiken und Katholikinnen treu gewesen sind, der Kirche Jesu Christi". Die Süddeutsche Zeitung hat ebenfalls zahlreiche Artikel über Missbrauchsfälle veröffentlicht. Annette Ramelsberger, Ressortleiterin des Bayern-Teils, beschrieb in der Ausgabe vom 19. März 2010 in folgendem Text, wie die SZ vorgeht, wenn sich Missbrauchsopfer bei der Redaktion melden. "Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat den Medien eine "wichtige Rolle bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen" bescheinigt. Journalisten müssten dabei mithelfen, sagte Marx am Donnerstag (18.3.2010, d. Red.) im fränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen. Zugleich bat er die Berichterstatter, mit Informationen sorgsam umzugehen, damit Menschen nicht leichtfertig in Verruf gerieten, zum Beispiel durch die Veröffentlichung anonymer Anschuldigungen. Marx' Appell zeigt, auf welch schmalem Grat Journalisten bei ihren Berichten über Missbrauch in Kinderheimen, Internaten und Schulen gehen. Die Zahl der Menschen, die sich an die Süddeutsche Zeitung wenden und davon erzählen, wie sie als Kinder und Jugendliche missbraucht wurden, steigt weiterhin - auch weil viele Opfer mehr Vertrauen zu Journalisten haben als zu Vertretern der Institutionen, in denen sie misshandelt wurden. Seit den ersten Veröffentlichungen über Fälle im Berliner Canisius-Kolleg erreichen die SZ täglich neue Berichte von Betroffenen, die über zum Teil lange zurückliegende Übergriffe berichten, die ihnen selbst aber noch sehr präsent sind. Gleichzeitig steigt die Zahl der Leser, die beklagen, sie hätten nun genug über das Thema gelesen. In diesen Klagen schwingt der Vorwurf mit, es gehe den Journalisten nicht um Aufklärung, sondern um eine Kampagne gegen die katholische Kirche. So hat sich auch der Sprecher von Papst Benedikt XVI. geäußert, nachdem die SZ vergangene Woche als erstes Medium darüber berichtete, dass in Benedikts Amtszeit als Münchner Erzbischof ein pädophiler Priester in der Gemeindearbeit eingesetzt wurde und später wieder Kinder missbrauchte. Viele dieser Leserklagen erreichen den Bayernteil, in dem besonders viel berichtet wurde. Das liegt daran, dass mit Kloster Ettal und dem Regensburger Domspatzen-Internat zwei Einrichtungen liegen, in denen sich Übergriffe, Demütigung und Brutalität besonders manifestiert haben. Die SZ geht allen Hinweisen sorgfältig nach. Sie berichtet nicht über einen Verdacht, den jemand in E-Mails oder am Telefon äußert. Die Redakteure sprechen mit den Betroffenen, sie treffen sich oft mit ihnen. Sie erleben dabei häufig zutiefst erschütterte Menschen, die unter Tränen erzählen, was ihnen der Kaplan, der Jugendleiter, der Pfarrer angetan haben. Die Journalisten lesen die Pfarrbriefe jener Gemeinden, wo Täter arbeiteten. Sie recherchieren bei den Bistümern. Wenn die SZ einen solchen Fall veröffentlicht, dann stützt sie sich auf eidesstattliche Versicherungen der Opfer - und hat die mutmaßlichen Täter bereits vorher mit dem Vorwurf konfrontiert. Die SZ entwickelt keinen Verfolgungseifer, denn: Eine Zeitung ersetzt nicht den Staatsanwalt. Sie darf sich auch nicht zum Mittel der späten Rache der Opfer machen, die so lange zögerten, ihre Erlebnisse zu erzählen, bis sie strafrechtlich verjährt waren. Und die nun am liebsten die Zeitung machen ließen, zu was sie selbst als Kind nicht fähig waren: den Täter an den Pranger stellen. Die Zeitung muss sich zurückhalten. Schließlich gilt auch für Straftäter ein Resozialisierungsgebot: Wer sich jahrelang nichts mehr hat zu Schulden kommen lassen, dem darf man seine Taten nicht immer wieder vorhalten. Die SZ achtet darauf, dass sie die Balance hält zwischen öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrecht. Zurückhaltung heißt auch, nicht jeden, wenn auch noch so schlimmen Einzelfall, darzustellen. Im Mittelpunkt der Berichterstattung steht das Versagen von Systemen, von Elite-Internaten wie der Odenwaldschule oder Kloster Ettal. Und die Süddeutsche Zeitung konzentriert sich auf Verhaltensmuster, die Missbrauch erst möglich machen: das systematische Verschweigen von Pädophilie und die Wagenburg-Mentalität in der Kirche wie auch die Verharmlosung von Übergriffen bei sogenannten Reformpädagogen. Es geht der Berichterstattung auch darum, weiteres Versagen, weiteren Missbrauch zu verhindern - dadurch, dass die Verantwortlichen nicht mehr wegsehen können."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/in-eigener-sache-kein-verfolgungseifer-1.13989
In eigener Sache - Kein Verfolgungseifer
00/03/2010
Die Süddeutsche Zeitung berichtet seit Wochen über die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen. Annette Ramelsberger beschreibt, wie die SZ vorgeht, wenn sich Missbrauchsopfer melden.
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Das Ende des Zölibats? Einst wurde man für diesen Vorschlag fast gelyncht. Aber in vielen Heiligengeschichten war eine Katastrophe bereits der Anlass zur Umkehr - warum nicht auch heute? Als vor bald tausend Jahren den Priestern die Ehelosigkeit verordnet wurde, wagten es in Deutschland nur drei Bischöfe, diese römischen Dekrete zu verkünden. Der Bischof von Passau wurde von seinem Klerus ums Haar gelyncht, als er das tat. Das hat sich im Lauf der Zeit sehr geändert. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden diejenigen fast gelyncht, die den Zölibat aufheben wollten. Der Vatikan tat so, als sei die Pflicht zur Ehelosigkeit der Priester das elfte Gebot. Es wurde so getan, als sei der Zölibat heilige Pflicht. Nur Abtrünnige stellten das in Frage, Leute wie Martin Luther. Das ist vorbei. Heute sind es die Treuesten der Treuen, die den Zwang zur Ehelosigkeit in Frage stellen. Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, hat das unlängst getan, als er sagte, die Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit sei theologisch nicht notwendig. Pflichtzölibat für Priester aufheben? Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, hat sich dafür ausgesprochen, den Pflichtzölibat für die Priester aufzuheben. Und soeben hat auch Odilo Lechner, der frühere Abt der Benediktinerklöster St. Bonifaz und Andechs, dafür geworben; die Abschaffung des Zölibats sei etwas, so sagte er, "was der Kirche nottut und was die Gemeinden brauchen". Das ist ein Satz, den die meisten Katholiken unterschreiben. Der verheiratete Priester gilt ihnen nicht mehr als lutherische Verirrung, sondern als kluge Option. Ginge es nach dem Kirchenvolk - es würde den Artikel 23 der Confessio Augustana von 1530 auch in das katholische Kirchenrecht schreiben: "Der Priester darf heiraten, weil Gottes Schöpfungsordnung die Ehe vorsieht." Aber in der katholischen Kirche geht es nicht nach dem Kirchenvolk, sondern nach den Päpsten, und die haben sich bisher nicht beirren lassen: nicht davon, dass Jesus die Ehelosigkeit von seinen Jüngern nicht gefordert hat; nicht davon, dass Petrus, der "erste Papst" verheiratet war; und auch nicht davon, dass am Beginn der priesterlichen Ehelosigkeit vor tausend Jahren höchst irdische Beweggründe standen: Die Pfründe der Kirche sollte nicht durch Vererbung an Kinder beeinträchtigt werden. Von solchen Begründungen hat sich der Zölibat zwar gelöst - aber gelockert hat er sich nicht. Die Mißbrauchs-Skandale sind ein GAU für die Kirche, eine globale Katastrophe. Diese Katastrophe funktioniert aber womöglich wie eine Zeitmaschine: Sie schüttelt und rüttelt die Kirche so, dass am Ende eine Erkenntnis steht, die es ohne Katastrophe nicht gegeben hätte. Wenn es theologisch nicht notwendig ist, ein Zölibats-Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Zölibats-Gesetz zu machen. Die Lockerung des Pflichtzölibats wird zwar das Missbrauchs-Problem nicht lösen, aber es kann ein Beitrag sein zu seiner Linderung. In vielen Heiligengeschichten war eine Katastrophe der Anlass zur Umkehr. Warum soll es in der Geschichte der katholischen Kirche nicht auch so sein?
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/zoelibat-und-missbrauch-das-ende-des-elften-gebots-1.1399
Zölibat und Missbrauch - Das Ende des elften Gebots
00/03/2010
Das Ende des Zölibats? Einst wurde man für diesen Vorschlag fast gelyncht. Aber in vielen Heiligengeschichten war eine Katastrophe bereits der Anlass zur Umkehr - warum nicht auch heute?
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In der Missbrauchsdebatte wirft Bischof Müller den Medien eine kirchenfeindliche Haltung vor - und zieht Vergleiche zur NS-Zeit. Der Papst ruft zur "Nachsicht mit den Menschen" auf. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat den Medien in Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen eine Kampagne gegen die Kirche vorgeworfen. Der Bischof rückte die laufende Berichterstattung in die Nähe der kirchenfeindlichen Haltung der Nationalsozialisten. "Jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche", sagte Müller am Samstagabend nach Informationen des Bayerischen Rundfunks in einer Predigt im Regensburger Dom. Der Bischof bat die Katholiken, der Kirche treu zu bleiben, "so wie auch damals die Katholiken und Katholikinnen treu gewesen sind." Den Medien gehe es darum, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu erschüttern. Die Menschen würden "manipuliert durch verkürzte Berichte, durch ständige Wiederholung von Vorgängen aus alter Zeit, so dass der Eindruck erweckt wird, die Kirche ­ das ist eine Institution, wo die Leute völlig verdorben sind", sagte Müller in dem Gottesdienst. Es werde versucht, die ganze katholische Kirche und ihre Einrichtungen in Misskredit zu bringen, fügte der Bischof in einem Hirtenwort hinzu. "Solche, die um jeden Preis die katholische Kirche um ihren guten Ruf bringen wollen, haben sich die "Regensburger Domspatzen" als Opfer ausgesucht. Ein Glanzstück des Bistums Regensburg soll in den Dreck gezogen werden", sagte Müller nach Mitteilung des Bischöflichen Ordinariats. Geistliche müssten derzeit auf der Straße abschätzigen Blicken und Beleidigungen am Telefon ertragen. Den Kindesmissbrauch durch Priester verurteilt der Bischof in dem Schreiben als einen "Vertrauensbruch im allerschlimmsten Sinn". Alle deutschen Bischöfe seien sich einig, dass sie eine ehrliche Aufklärung wollten, "frei von falscher Rücksichtnahme, selbst wenn Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen". Dazu gehöre auch die Unterstützung der Kirche bei der Verfolgung sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden. "Die Opfer haben ein Recht darauf." Die Reaktionen blieben nicht aus: Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigte sich entsetzt und sprach von "Geschichtsfälschung". Der bayerische Landtagsvizepräsident Franz Maget (SPD) kritisierte Müllers Äußerung als "unerträglich und unverzeihlich". Die Grünen-Landtagsfraktion forderte den Bischof zum Rücktritt auf. Papst bittet um Nachsicht mit den Sündern Einen Tag nach der Veröffentlichung seines Hirtenbriefs an die irische Kirche hat der Papst zur Nachsicht mit den Menschen aufgerufen. Die Gläubigen müssten zwar "unnachgiebig mit der Sünde, auch der eigenen", sein, jedoch "geduldig mit den Menschen", sagte Benedikt XVI. in Rom beim traditionellen Angelus-Gebet. Darin sprach er im italienischsprachigen Teil über die biblische Erzählung von Jesus und der Ehebrecherin. Demnach wolle Jesus "die Sünde verurteilen, aber den Sünder retten." In deutsche Sprache sagte Benedikt XVI., die Gläubigen sollte nicht vorschnell andere Menschen verurteilen. "Prüfen wir uns, ob wir den moralischen Maßstäben, die wir an andere anlegen, auch selbst gerecht werden." Weihbischof Jaschke fordert Aufarbeitung Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke forderte eine "schonungslose Aufarbeitung" der Missbrauchsfälle. "Es ist wichtig, dass die Mentalität des Verschweigens und Vertuschens aufgebrochen wird und dass eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens wieder wachsen kann", sagte Jaschke. Die im Jahr 2002 verabschiedeten Richtlinien für den Umgang mit Missbrauchsfällen müssten in einigen Punkten noch einmal verschärft werden, betonte Jaschke. "Wir müssen uns - auch was die Ausbildung und die Auswahl der Kleriker angeht - sicherlich mit den Iren vom Papst fragen lassen, ob wir genügend auf einen gesunden Klerus achten." Die Ressortleiterin des Bayern-Teils der Süddeutschen Zeitung, Annette Ramelsberger, hat am vergangenen Freitag in einem Text beschrieben, wie die SZ vorgeht, wenn sich Missbrauchsopfer bei der Redaktion melden. Nur die Spitze des Eisbergs Die jetzt bekannt gewordenen Missbrauchsfälle sind nach Auffassung der allermeisten Bundesbürger nur die Spitze des Eisbergs. Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag glauben 89 Prozent der Befragten, dass die große Mehrheit der Fälle bislang unentdeckt geblieben ist. Nur sieben Prozent teilen diese Einschätzung nicht. Einen Hinweis auf die weite Verbreitung sexuellen Missbrauchs gibt auch die Anzahl derjenigen, die angaben, Kenntnis von solchen Fällen aus ihrem persönlichen Umfeld zu haben. Dies waren 15 Prozent und damit jeder siebte. Obwohl die große Mehrheit der jetzt bekanntgewordenen Fälle aus den Sechziger und Siebziger Jahren stammt, glaubt eine Mehrheit von 59 Prozent nicht, dass das Risiko für Schüler heute geringer ist, Opfer von Missbrauch oder Gewalt zu werden. Die repräsentative Umfrage wurde den Angaben zufolge mit 501 Befragten am 18. März von TNS-Emnid durchgeführt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-regensburger-bischof-hetzt-gegen-medien-1.15013
Missbrauchsskandal - Regensburger Bischof hetzt gegen Medien
00/03/2010
In der Missbrauchsdebatte wirft Bischof Müller den Medien eine kirchenfeindliche Haltung vor - und zieht Vergleiche zur NS-Zeit. Der Papst ruft zur "Nachsicht mit den Menschen" auf.
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Benedikt XVI. hat in einem Brief an die Katholiken in Irland die sexuellen Übergriffe durch Kirchenvertreter verurteilt. Dies sei aber weder ein "rein irisches noch ein rein kirchliches" Problem. Das Schreiben in Auszügen Papst Benedikt XVI. hat in einem Hirtenbrief an die Katholiken in Irland zu jahrzehntelangem Missbrauch in katholischen Heimen und Schulen Stellung genommen. Dabei bezeichnet er die sexuellen Übergriffe an Generationen von Gläubigen ausdrücklich als ein weder "rein irisches noch ein rein kirchliches" Problem. Die irische Kirche müsse aber die "schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben". Die Täter fordert er auf: "Erkennt Eure Schuld öffentlich an, unterwerft Euch der Rechtsprechung, aber verzweifelt nicht an der Gnade Gottes." Zu den Missbrauchsfällen in Deutschland äußerte sich der frühere Erzbischof von München und Freising jedoch nicht. sueddeutsche.de dokumentiert wichtige Passagen aus dem Hirtenbrief des Papstes: 1. Liebe Schwestern und Brüder, mit großer Sorge schreibe ich Euch als Hirte der weltweiten Kirche. Wie Euch haben auch mich die Informationen über den Missbrauch an Kindern und Schutzbefohlenen durch Mitglieder der Kirche Irlands, besonders durch Priester und Ordensleute, sehr beunruhigt. Ich kann die Bestürzung und das Gefühl des Vertrauensbruchs nur teilen, das so viele von euch beim Erfahren dieser sündhaften und kriminellen Taten und der Art der Autoritäten der Kirche, damit umzugehen, erfahren haben. 2. Die Schwere der Vergehen und die oftmals unangemessenen Reaktion der kirchlichen Autoritäten in eurem Land erwägend habe ich entschieden, diesen Hirtenbrief zu schreiben, um meine Nähe zu Euch auszudrücken und einen Weg der Heilung, der Erneuerung und der Wiedergutmachung vorzuschlagen. Wie viele in Eurem Land betont haben: Es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs von Kindern weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist. Trotzdem ist Eure Aufgabe nun, das Problem des Missbrauchs aufzuarbeiten, das in der irischen katholischen Gemeinschaft entstanden ist, und dies mit Mut und Bestimmtheit zu tun. (...) Gleichzeitig muss ich aber auch meine Überzeugung mitteilen, dass die Kirche in Irland, um von dieser tiefen Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben muss. Solch eine Anerkennung, begleitet durch ernste Reue für die Verletzung dieser Opfer und ihrer Familien, muss zu einer gemeinsamen Anstrengung führen, um den Schutz von Kindern vor ähnlichen Verbrechen in der Zukunft sicherzustellen. (...) "Fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche" 4. (...) Das Programm der Erneuerung, das das Zweite Vatikanische Konzil vorgelegt hat, wurde häufig falsch gelesen; im Licht des tiefen sozialen Wandels war es schwer, die richtigen Weisen der Umsetzung zu finden. Es gab im Besonderen die wohlmeinende aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Umstände zu vermeiden. In diesem Gesamtkontext müssen wir das verstörende Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihren Lehren beigetragen hat. Nur durch sorgfältige Prüfung der vielen Faktoren, die zum Entstehen der augenblicklichen Krise geführt haben, kann eine klare Diagnose ihrer Gründe unternommen und können wirkungsvolle Abhilfemaßnahmen gefunden werden. Sicherlich können wir zu den entscheidenden Faktoren hinzuzählen: unangemessene Verfahren zur Feststellung der Eignung von Kandidaten für das Priesteramt und das Ordensleben; nicht ausreichende menschliche, moralische,intellektuelle und geistliche Ausbildung in Seminarien und Noviziaten; eine Tendenz in der Gesellschaft, den Klerus und andere Autoritäten zu favorisieren; und eine fehlgeleitete Sorge für den Ruf der Kirche und die Vermeidung von Skandalen, die zum Versagen in der Anwendung bestehender kanonischer Strafen und im Schutz der Würde jeder Person geführt hat. Es muss dringend gehandelt werden um diese Faktoren anzugehen, die so tragische Konsequenzen in den Leben von Opfern und ihrer Familien hatten und die das Licht des Evangeliums in einer solchen Weise verdunkelt haben, wie es noch nicht einmal Jahrhunderten der Verfolgung gelungen ist. Direkte Worte an Opfer, Täter und Kirchenleitung 5. (...) Ich wende mich nun an euch mit Worten, die von Herzen kommen und ich möchte zu euch einzeln und zu euch allen gemeinsam als Brüder und Schwestern im Herrn sprechen. 6. An die Opfer des Missbrauchs und ihre Familien: Ihr habt viel gelitten und ich bedaure das aufrecht. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann. Euer Vertrauen wurde verraten und eure Würde wurde verletzt. Viele von Euch mussten erfahren, dass, als Ihr den Mut gefunden habt, über das zu spreche, was euch zugestoßen ist, Euch niemand zugehört hat. Diejenigen von euch, denen das in Wohnheimen und Internaten geschehen ist, müssen gefühlt haben, dass es kein Entkommen gibt aus Eurem Leid. Es ist verständlich, dass es schwer für Euch ist, der Kirche zu vergeben oder sich mit ihr zu versöhnen. Im Namen der Kirche drücke ich offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen. Gleichzeitig bitte ich Euch, die Hoffnung nicht aufzugeben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/dokumentation-der-hirtenbrief-des-papstes-1.22617
Dokumentation - Der Hirtenbrief des Papstes
00/03/2010
Benedikt XVI. hat in einem Brief an die Katholiken in Irland die sexuellen Übergriffe durch Kirchenvertreter verurteilt. Dies sei aber weder ein "rein irisches noch ein rein kirchliches" Problem. Das Schreiben in Auszügen
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Erzbischof Zollitsch rudert zurück: Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz hat zugegeben, dass die katholische Kirche Missbrauchsfälle bewusst verschleierte. Eine Anzeigepflicht lehnt er nach wie vor ab. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, hat eingeräumt, dass in der katholischen Kirche Fälle sexuellen Missbrauchs bewusst verschleiert wurden. "Ja, das hat es bei uns gegeben", sagte Zollitsch in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus. Seit Jahren jedoch steuere die katholische Kirche "den entgegengesetzten Kurs". Sexueller Missbrauch von Minderjährigen sei über Jahrzehnte in der gesamten Gesellschaft vertuscht worden. Auch wenn immer deutlicher werde, dass "die meisten Fälle außerhalb des kirchlichen Raumes" geschähen, seien sie in der Kirche besonders schlimm, sagte Zollitsch. "Dass Übergriffe in solcher Zahl auch in unseren Einrichtungen stattgefunden haben, beschämt mich und bewirkt in mir ein großes Erschrecken. Jeder einzelne Fall verdunkelt das Gesicht der ganzen Kirche." Im Gegensatz zu den bayerischen Bischöfen sehe er eine Anzeigepflicht bei Verdachtsfällen kritisch. Er höre immer wieder von Fällen, bei denen Opfer über ihr Leid sprechen wollten, aber eine Anzeige ausdrücklich nicht wünschten, sagte Zollitsch dem Focus. "Das stürzt uns moralisch in Probleme, da wir ja dennoch daran interessiert sind, dass Täter überführt werden und der staatliche Prozess zu einem Urteil kommt." Seines Erachtens verlange der Weg zur Staatsanwaltschaft zudem Anhaltspunkte für eine mutmaßliche Tat. "Immerhin kann man Menschen durch falsche Beschuldigungen geistig umbringen. Darüber wird vielleicht in der momentanen erhitzten Situation zu wenig nachgedacht." Zu den Angriffen auf Papst Benedikt XVI., in dessen Münchner Zeit ein Missbrauchsfall verschleiert wurde, sagte Zollitsch, dies sei weder auf Weisung noch mit Kenntnis des damaligen Erzbischofs geschehen. Joseph Ratzinger habe "in seiner Zeit an der Spitze der Glaubenskongregation entscheidende Impulse für eine drastische Verfolgung solcher Straftaten gegeben und als Papst sich in den USA und jüngst durch seinen Brief an die irischen Gläubigen unzweideutig positioniert".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-kirche-ja-das-hat-es-gegeben-1.16645
"Missbrauch in der Kirche - ""Ja, das hat es gegeben"""
00/03/2010
Erzbischof Zollitsch rudert zurück: Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz hat zugegeben, dass die katholische Kirche Missbrauchsfälle bewusst verschleierte. Eine Anzeigepflicht lehnt er nach wie vor ab.
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Der Papst hat den Missbrauch von Minderjährigen in Irland "aufrichtig bedauert". Zu den Fällen in Deutschland schwieg er, die deutschen Bischöfe sprechen dennoch von einer "klaren Weisung". Unterdessen wurde bekannt, dass Benedikt XVI. über einen pädophilen Kaplan wohl besser informiert war als bislang bekannt. Papst Benedikt XVI. hat den Missbrauch von Minderjährigen "aufrichtig bedauert". In seinem am Samstag in Rom veröffentlichten Hirtenbrief an die irische Kirche drückte der Papst "im Namen der Kirche offen die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen". Es werde manchmal schmerzhafte Hilfsmittel brauchen, um die Wunden zu heilen und die Kirche in Irland in einem langwierigen Prozess zu erneuern. In Irland hatte es zahlreiche Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen gegeben. Benedikt kündigte konkrete Initiativen zum Umgang mit dem Skandal an. So werde er eine apostolische Visitation in einigen Bistümern abhalten. Auch in Deutschland waren die Erwartungen an das Schreiben hoch gewesen, nachdem viele Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche bekanntgeworden sind. Benedikt äußerte sich dazu jedoch nicht. "Eine Botschaft auch an uns in Deutschland" Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, enthält der Hirtenbrief dennoch ein "klare Weisungen für die gesamte Kirche". "Was er ihnen sagt, hat Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland", sagte Zollitsch. Der Papst verurteile die schrecklichen Verbrechen, die an jungen Menschen begangen wurden. Vorrang habe für den Papst die Perspektive der Opfer. "Deshalb kritisiert er den zum Teil übermäßigen Täterschutz, den die Kirche häufig praktiziert habe." Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, nannte das Schreiben ein "eindrucksvolles Dokument, das auch der katholischen Kirche in Deutschland helfen kann, die richtigen Konsequenzen zu ziehen". Der Papst befasse sich mit einer "geradezu schonungslos offenen Sprache" konkret mit der Situation in Irland. Auch der Sonderbeauftragte der deutschen katholische Kirche zur Aufklärung der sexuellen Missbrauchsfälle, Bischof Stephan Ackermann, begrüßte das Papst-Schreiben. "Ich empfinde diesen Brief als Verstärkung für unseren Weg", sagte der Bischof in Trier. "Die Entschiedenheit, mit der der Papst die Vorgänge und die Untaten beim Namen nennt und auch Aufklärung erwartet - das ist doch sehr deutlich und das werden wir uns auch entsprechend zu Herzen nehmen." In dem Hirtenbrief werden die irischen Bischöfe wegen "schwerer Fehleinschätzungen" im Umgang mit den dortigen jahrzehntelangen Übergriffen getadelt. Der Papst äußerte sein tiefstes persönliches Bedauern für den Generationen von irischen Katholiken von Priestern zugefügten "sündhaften und verbrecherischen" Missbrauch. Eine fehlgeleitete Sorge um die Reputation der Kirche und der Versuch der Vermeidung von Skandalen hätten hier eine Rolle gespielt. Opfer tief enttäuscht Radio Vatikan analysierte, es handle sich um einen geistlichen Text, "keine politische Absichtserklärung, keine Dienstanweisung für strukturelle Änderungen oder Ähnliches". Tief enttäuscht reagierten irische Opfer sexueller Gewalt. Das Bündnis One in Four erklärte, das Schreiben konzentriere sich zu stark auf die rangniederen irischen Priester ohne die Verantwortung des Vatikans zu unterstreichen. Der Papst hätte die Art und Weise verurteilen sollen, wie die Kirche den Missbrauch systematisch und über Jahre verdeckt gehalten habe, sagte Maeve Lewis, die Leiterin der Opfergruppe . Positiver äußerte sich John Kelly, Sprecher der Organisation Irish Survivors of Child Abuse: "Wir haben zum ersten Mal eine Entschuldigung, und das ist wichtig." Jetzt sei allerdings abzuwarten, was aus der Ankündigung des Papstes werde, hohe Vatikan-Vertreter nach Irland zu schicken. "Wird irgendjemand zur Verantwortung gezogen werden? So scheint es mir, wenn ich die Worte des Papstes richtig verstehe. Das ist positiv, aber wir brauchen da mehr Klarheit." Die kritische Haltung teilt hingegen die deutsche Initiative Kirche von unten (IKvu). Sie wirft dem Papst vor, in seinem Hirtenbrief bei "verbaler Betroffenheit stehen" zu bleiben. "Statt effektiver Krisenbewältigung bietet der Vatikan das Schauspiel einer sich autistisch abkapselnden Institution: Gefehlt haben in dieser Selbstwahrnehmung nur wenige, vom Zeitgeist verführte Einzeltäter", teilte die IKvu mit. Auch die Reformbewegung Wir sind Kirche zeigt sich enttäuscht. Es sei sehr schade, dass sich der Papst nicht zu den Missbrauchsfällen in Deutschland geäußert habe, sagte Christian Weisner, Sprecher der Initiative. "Das Schweigen des Papstes kommt nicht gut. Es wird sicher nicht seine Autorität und sein Ansehen in der Kirche erhöhen. Dabei hätte ihm schon ein Wort des Mitgefühls an die Opfer Sympathien eingebracht." Der Brief vermittle aber den Eindruck, es gehe dem Papst hauptsächlich um das Ansehen der Kirche. Derweil berichtet der Spiegel, dass auch der Papst in seiner Zeit als Münchner Erzbischof offenbar besser über einen Pädophilen informiert war als bislang bekannt. In einem Brief des Bistums Essen an die von Joseph Ratzinger damals geleitete Erzdiözese habe klar erkennbar gestanden, dass Kaplan Peter H. sich sexuell an Kindern seiner Gemeinde vergriffen habe. Das Erzbistum München und Freising sei nicht im Unklaren gelassen worden, was für ein Problemfall da komme. Unter Ratzingers Vorsitz befasste sich der erzbischöfliche Ordinariatsrat am 15. Januar 1980 mit dem Fall. Laut Sitzungsprotokoll habe der Kaplan "für einige Zeit um Wohnung und Unterkunft" in einer Münchner Pfarrgemeinde gebeten: "Kaplan H. wird sich einer psychisch-therapeutischen Behandlung unterziehen." Trotzdem meldeten Ratzinger und sein Erzbistum den Kinderschänder nicht der Polizei. Im Sitzungsprotokoll heißt es stattdessen lediglich über die Wohnungssuche des Geistlichen: "Dem Gesuch wird stattgegeben." Auch gegen gegen Zollitsch wurden am Samstag Vertuschungsvorwürfe laut. In seiner Zeit in der Erzdiözese Freiburg soll er 1991 einen des Missbrauchs bezichtigten Pfarrer nur in den vorzeitigen Ruhestand versetzt haben. Das berichten die TV-Sendung Report Mainz und die Badische Zeitung. Die Staatsanwaltschaft sei nicht eingeschaltet worden. Das Bistum Freiburg nannte die Vorwürfe "unhaltbar" Es habe damals nur Gerüchte gegeben. Gegen mindestens 14 Priester in Deutschland wird nach Spiegel-Angaben wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch ermittelt. Das ergab eine Umfrage unter den 24 Generalstaatsanwaltschaften, an der sich 15 Anklagebehörden beteiligten. Eine dpa-Umfrage hatte ergeben, dass in der katholischen Kirche seit Ende Januar mehr als 250 Verdachtsfälle bekanntgeworden sind. Derweil hat der Vorsitzende des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK), Alois Glück, die Kirche zum Umdenken aufgefordert. "Jetzt müssen sich alle Katholiken mit den Fehlentwicklungen auseinandersetzen", sagte er. Man müsse sich die Frage stellen, ob es "neben den für die ganze Gesellschaft geltenden Gründen für Missbrauch auch spezifische in der Institution Kirche selbst" gebe. "Zum Beispiel waren bislang zu viele Leute in der Kirche der Überzeugung, dass der Grundsatz gilt: Der Schutz der Kirche hat oberste Priorität. Damit war der Weg frei für Verdrängung und Vertuschung", so Glück. Leutheusser-Schnarrenberger pocht auf Wiedergutmachung Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte, alle Opfer sexuellen Missbrauchs finanziell zu entschädigen. "Die Entschädigung der Opfer ganz gleich, ob sie in kirchlichen oder anderen Einrichtungen missbraucht wurden, wird eine zentrale Frage sein", sagte die FDP-Politikerin dem Hamburger Abendblatt. Der geplante Runde Tisch der Bundesregierung werde sich nicht nur mit Prävention, sondern auch mit Aufarbeitung befassen. Leutheusser-Schnarrenberger bekräftigte: "In den Fällen, die verjährt sind, müssen wir praktische Antworten finden. Unbeschadet der Tatsache, dass das erlittene Leid nicht aufgewogen werden kann, braucht es ein klares, schnelles Zeichen zur immateriellen und materiellen Wiedergutmachung." In Österreich planen Missbrauchsopfer bereits gemeinsame rechtliche Schritte gegen die Kirche. Wie der Wiener Rechtsanwalt Werner Schostal der österreichischen Zeitung Der Standard sagte, haben bislang zehn Betroffene den Verein "Opfer kirchlicher Gewalt" gegründet. Schostal fordert von der Kirche von bis zu 80.000 Euro Entschädigung pro Opfer.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-zu-missbrauchsfaellen-schande-und-reue-1.13393
Papst zu Missbrauchsfällen - Schande und Reue
00/03/2010
Der Papst hat den Missbrauch von Minderjährigen in Irland "aufrichtig bedauert". Zu den Fällen in Deutschland schwieg er, die deutschen Bischöfe sprechen dennoch von einer "klaren Weisung". Unterdessen wurde bekannt, dass Benedikt XVI. über einen pädophilen Kaplan wohl besser informiert war als bislang bekannt.
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Die Erschütterung und die Scham des Papstes in seinem Brief an Irlands Katholiken sind echt. Doch er macht die Liberalisierung der Kirche für die Missbrauchsfälle verantwortlich. Das ist Unsinn. Zu den wahren Ursachen der Krise schweigt er leider. Papst Benedikt XVI. hat einen starken schwachen Brief an die Katholiken Irlands - und darüber hinaus der ganzen Welt - geschrieben. Stark ist er, weil er die Betroffenheit und Trauer des Papstes angesichts der Gewalt zeigt, die Priester und Ordensleute Kindern und Jugendlichen angetan haben. Die Erschütterung und die Scham des Kirchenoberhauptes sind echt. Stark ist der Brief auch, weil er ankündigt, dass der Vatikan die Zustände in einigen irischen Bistümern untersuchen möchte - das ist ein Zeichen für andere Länder: Kommt ihr mit dem Problem nicht alleine zurecht, dann kommen wir und sehen nach dem Rechten. Nie wieder soll es so werden wie in den USA und Irland, wo über Jahrzehnte auch Bischöfe sexuellen Missbrauch von Kirchenmitarbeitern deckten. Schwach ist der Brief allerdings dann doch dort, wo er über die Ursachen des Missbrauchs nachzudenken versucht, wo er, über die Verwaltungsmaßnahmen hinaus, in die Zukunft blicken möchte. Benedikt legt nahe, dass der Missbrauch vor allem durch die moralische Laxheit in Klerus und Kirchenvolk begünstigt wurde, dadurch, dass die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils als Beginn einer weichen Welle missverstanden worden seien. Spiritualisieren statt konkret werden Ist die Kirche also dort, wo streng geglaubt und eifrig von Keuschheit geredet wird, vor Missbrauch sicher? Dies ist, mit Verlaub, Unsinn. Viele gerade der älteren Missbrauchsfälle, die nun offenbar werden, zeigen das: Pädophile suchen sich in konservativen Milieus genauso Begründungen für ihr Tun wie in liberalen oder linken. Benedikt XVI. ordnet die Missbrauchsfälle einfach in sein Denksystem ein - das hilft den Opfern so wenig wie der katholischen Kirche. Und hilft es tatsächlich, gegen die Verunsicherung in Klerus und Kirchenvolk den heiligen Jean-Marie Vianney im Gebet anzurufen, weil der so schöne Dinge über das Mysterium des Priestertums geschrieben hat? Hier spiritualisiert der Papst, wo er besser konkret geworden wäre, wo er hätte über die Priesterausbildung und die Einsamkeit vieler Priester reden sollen, über Geschlossenheitskulturen in der katholischen Kirche. So bleibt der Papstbrief stark in der Emotion, klar in der Wahrnehmung der geistigen und geistlichen Krise, die über die katholische Kirche gekommen ist - aber schwach, wenn es um die Ursachen der Krise geht, die diese Kirche tiefer verändern wird als so viele päpstliche Rundschreiben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-zu-missbrauchsfaellen-ein-starker-schwacher-brief-1.11893
Papst zu Missbrauchsfällen - Ein starker schwacher Brief
00/03/2010
Die Erschütterung und die Scham des Papstes in seinem Brief an Irlands Katholiken sind echt. Doch er macht die Liberalisierung der Kirche für die Missbrauchsfälle verantwortlich. Das ist Unsinn. Zu den wahren Ursachen der Krise schweigt er leider.
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Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wehrt sich gegen Vorwürfe, er habe die Taten eines des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Pfarrers verheimlicht. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat den Vorwurf der Vertuschung im Zusammenhang mit einem Missbrauchsfall in seiner Diözese zurückgewiesen. Die Vorfälle in Oberharmersbach "bedrücken mich bis heute persönlich, und ich entschuldige mich noch einmal im Namen der Erzdiözese bei den Opfern", sagte er in Freiburg. Zollitsch soll einen des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Pfarrer des Ortes im Ortenaukreis 1991 in den Ruhestand versetzt haben, ohne die Gemeinde über den Verdacht zu informieren oder die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Zollitsch war damals Personalreferent im bischöflichen Ordinariat Freiburg. Erst 1995 wurde die Staatsanwaltschaft informiert, der Pfarrer nahm sich daraufhin das Leben. Nach Recherchen der Sendung "Report Mainz" hat er im Zeitraum zwischen 1968 und 1991 mindestens 17 Kinder und Jugendliche missbraucht, vor allem Messdiener. "Es ging uns nie darum, etwas zu vertuschen", erklärte Zollitsch jetzt. Als 1991 allgemein gehaltene Vorwürfe gegen den Pfarrer bekannt geworden seien, habe der damalige Erzbischof den Betroffenen sofort in den Ruhestand versetzt und von ihm verlangt, den Ort zu verlassen. Nach dem Selbstmord des Mannes sei die Gemeinde informiert und den Opfern Hilfe angeboten worden. 17 Betroffene hätten sich gemeldet, die zum Teil längere Zeit therapeutisch behandelt worden seien und dazu finanzielle Unterstützung von der Erzdiözese erhalten hätten. "Nach heutiger Erkenntnis und mit Blick auf meine Verantwortung als Erzbischof würde ich angesichts der Leitlinien, die die Deutsche Bischofskonferenz im Jahre 2002 verabschiedet hat, konsequenter und mit größerem Nachdruck nach Zeugen und Opfern suchen und suchen lassen", betonte Zollitsch.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-kirche-zollitsch-wehrt-sich-gegen-vertuschungsvorwuerfe-1.24319
Missbrauch in der Kirche - Zollitsch wehrt sich gegen Vertuschungsvorwürfe
00/03/2010
Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wehrt sich gegen Vorwürfe, er habe die Taten eines des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Pfarrers verheimlicht.
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Als hätten Lafontaine und Wagenknecht den Programmentwurf allein geschrieben, manifestiert sich darin eine Strategie der maximalen Abgrenzung. Aber will die Linke das? Wer den beiden da oben zuhört, der kann den Eindruck gewinnen, es sei alles in Butter in der Linken. Die Noch-Parteichefs Lothar Bisky und Oskar Lafontaine - beide treten Ende Mai ab - stellten an diesem Samstag den ersten Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linken zunächst dem Parteivorstand, dann der Öffentlichkeit vor. Alles sei gut, so darf Bisky verstanden werden. Er erwarte zwar geradezu eine hitzige Debatte in den kommenden Monaten. Doch die Grundzüge des Entwurfs würden nicht in Frage gestellt werden. Es ist ein hart linkes Programm, das die Programmkommission in den vergangenen Wochen ausgearbeitet hat. Sie hat augenscheinlich alles daran gesetzt, auf der politischen Linken größtmögliche Originalität für sich beanspruchen zu können. Bisky bemüht dafür einen Vergleich aus den Gebieten Glücksspiel und Verwurstung, um den neuen Unterschied zu den Mitbewerbern deutlich zu machen. Manche, die im politischen Raum von sich behaupteten links zu sein, hätten "mit Sozialismus soviel zu tun wie Pik mit Aspik". In dem Moment schaut Lafontaine auf und wagt schmunzelnd einen Blick auf Biskys Manuskript. Es ist nicht ganz klar, was ihn mehr amüsiert: Der Vergleich selbst oder Biskys Versuch, es mal mit einem Scherz zu versuchen. Der Programmentwurf ist zum Glück komplett spaßfrei. Obwohl: Manche dürften durchaus für einen Scherz halten, was da aufgeschrieben steht. Ein Scherz jedoch, der die Qualität von Biskys Aspik-Vergleich kaum erreichen dürfte. Verstaatlichung der Schlüsselindustrien gefordert Es sind vor allem die Passagen zur Neuordnung der Ökonomie in diesem Land, die auch Mitglieder der Linken ratlos erscheinen lassen. Als hätten Lafontaine und Erz-Kommunistin Sahra Wagenknecht allein den Programmentwurf geschrieben, wird darin eine Verstaatlichung nahezu sämtlicher Schlüsselindustrien und der privaten Großbanken gefordert. Privater Besitz wird nur noch als gut anerkannt, wenn er klein und mittelständisch ist. Die Linke wolle "kapitalistisches Eigentum überwinden", so steht es im Programmentwurf. Zumindest dieser Eckpfeiler des Programmentwurfs aber dürfte in der Linken noch für Zündstoff sorgen. "Der vorliegende Text für einen Programmentwurf der Partei Die Linke erweckt den Eindruck, als läge die Alternative in einer umfassenden Verstaatlichung", heißt es in einer Stellungnahme aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt, die sich wie ein Brandbrief liest. Verfasser ist Birke Bull, der nicht nur Vize-Landeschef ist, sondern auch Mitglied der Programmkommission. Mit dieser Verstaatlichungsrhetorik werde "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", schreibt Bull. Die Linke dürfe nicht die "vorhandenen Potentiale privaten Eigentums" ignorieren. Nicht Verstaatlichung, sondern soziale, demokratische und ökologische Regeln seien die Alternative zu grenzenloser Rendite. Wie ein Henker vor dem Opfer Lafontaine aber bleibt dabei: Wer der Linken vorwerfe, sie wolle Enteignung, der betreibe "Verleumdung", sagt er. Dann lächelt er sanft, wie ein Henker der seinem Opfer weismachen will, dass es schon nicht wehtun wird. "Wir wollen Enteignung rückgängig machen", sagt Lafontaine sanft. Wer behaupte, das Vermögen von BMW sei von der Eigentümerfamilie Quandt geschaffen worden, der irre. "Es ist von zigtausenden Arbeitnehmern geschaffen worden." Es grüßt der alte Populist Lafontaine. Der Programmentwurf entspricht eins zu eins seiner Vorstellung, dass sich die Linke nur in maximaler Abgrenzung zur SPD und den Grünen wird behaupten können. Das gilt für die Frage der Wirtschaftsordnung ebenso wie für die von Krieg und Frieden. Viele wollen mitregieren Hier entspringt der Kernstreit in der Linken. Einbetonierte Grundsätze lassen Linksbündnisse unmöglich erscheinen. Viele in der Linken aber wollen lieber mitregieren, anstatt das Feld dem selbsternannten bürgerlichen Lager zu überlassen. Bisky bleibt hart, als die Frage nach der Bündnisfähigkeit aufkommt: "Wenn die Bündnisfähigkeit an Krieg gebunden ist, wird es keine Bündnisfähigkeit geben", sagt er und setzt noch laut ein "Punkt!" hinterher. Lafontaine dagegen scheint ansatzweise verstanden zu haben, dass das künftig nicht mehr allein in seiner Hand liegt. Die Linke sei "zu Kompromissen bereit". Was dann wie ein Drohung klingen soll, ist doch auch eine Art Erkenntnis, dass mit dem Rückzug des Saarländers sich die Linke wohl von der Lafontaine-Partei zur Mitgliederpartei entwickeln könnte: "Die Kompromisse müssen so sein, dass sie von unseren Mitgliedern getragen werden", sagt Lafontaine. Deutlicher hätte er die Dimension seines angekündigten Machtverlusts nicht beschreiben können.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/linke-programmentwurf-vorgelegt-lafontaines-vermaechtnis-1.8246
Linke: Programmentwurf vorgelegt - Lafontaines Vermächtnis
00/03/2010
Als hätten Lafontaine und Wagenknecht den Programmentwurf allein geschrieben, manifestiert sich darin eine Strategie der maximalen Abgrenzung. Aber will die Linke das?
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Auf dem Landesparteitag in Münster versucht Ministerpräsident Rüttgers, die von der Affäre gebeutelte CDU in NRW mitzureißen - mit Hilfe der Kanzlerin und schrillen Warnungen vor der Opposition. CDU-Chefin Angela Merkel wirft am Samstag einiges in die Waagschale, um den nordrhein-westfälischen Parteifreunden Mut und Kampfkraft für den Landtagswahlkampf einzuhauchen. Um Auf- oder Abstieg Deutschlands, um die "Herzkammer der wirtschaftlichen Entwicklung", um die "Lokomotive für Arbeit und Wohlstand" - und um die hauchdünne schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat gehe es. Deshalb sei der Sieg in NRW "das Ziel der gesamten Christlich-Demokratischen Union Deutschlands", hämmert die Parteichefin den Delegierten des Landesparteitags in Münster ein. "50 Tage Anstrengung, damit fünf Jahre gute Politik gemacht werden kann. Wir schaffen das." Wie erwartet reagieren die rund 600 Delegierten mit dankbarem Applaus. Nach wochenlangen Negativ-Schlagzeilen um die Sponsoring-Affäre, dem Rücktritt des Generalsekretärs mitten im Landtagswahlkampf, dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit in zahlreichen Umfragen und internen Querelen in der Düsseldorfer Parteizentrale lechzt die gebeutelte Basis nach Aufmunterung. In die Offensive kommen, heißt die Devise. Die Sponsoring-Affäre um CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wird dieser Logik folgend mit keinem Wort erwähnt. Neue Meldungen des Spiegel, dass in der Vergangenheit auch Fotos mit Regierungsmitgliedern im Vorfeld von Parteitagen zum Kauf angeboten wurden, werden nicht kommentiert. "Zu Sponsoring ist alles gesagt. Wir machen heute in Münster Politik", lässt ein Parteisprecher lediglich verlauten. "Einfach nur machtgeil" Stattdessen konzentriert man sich darauf, vor einer rot-roten Regierung zu warnen. Der "Pakt mit den Kommunisten" bringe Einheitsschulen, einen Generalangriff auf das Eigentum und Chaos, lauten die schrillen Warnungen der Parteispitze. Weder SPD noch Grüne grenzten sich sauber von der Linken ab, kritisiert Rüttgers. Zu den Grünen geht er deutlich auf Distanz, obwohl sie ihm allen Umfragen zufolge eine realistischere Machtperspektive bietet als sein derzeitiger Koalitionspartner FDP. "Die Grünen sind einfach nur machtgeil", schimpft Rüttgers. Mit ihren Attacken auf die FDP versündigten sich die Grünen an der politischen Kultur. Rüttgers' Allzweckwaffe Dennoch setzt sich Rüttgers auch von der FDP ab. "Ich stehe für eine andere Politik als die FDP. Die CDU macht Politik für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, nicht nur für zehn Prozent." Noch deutlicher wird der neue Generalsekretär, Andreas Krautscheid: "Für uns gilt nicht die Philosophie: Wenn jeder an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht." Krautscheid ist zuvor von den Delegierten mit 99,5 Prozent der gültigen Stimmen zum Nachfolger des über die Sponsoren-Affäre gestürzten Wüst gewählt worden. Er ist so etwas wie die Allzweckwaffe von Rüttgers. Der 49-Jährige hat für den Ministerpräsidenten bereits als Regierungssprecher und Europa- und Medienminister gearbeitet. Den großen Säbel zieht Rüttgers nicht gegen seine direkte Herausforderin, SPD-Oppositionschefin Hannelore Kraft, aus dem Wahlkampf-Arsenal, sondern gegen den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Gabriel habe Merkel angeboten, ein Zehn-Milliarden-Steuerpaket mitzutragen, aber nur falls Kraft die Wahl gewinne, spottet er unter dem Johlen des Parteitags. "Dieser Mann ist charakterlos. Dieser Mann ist hemmungslos und dieser Mann ist eigentlich eine Schande für die deutsche Politik." Beschaulich wird es erst wieder, als die Kanzlerin gehen will. Sie bekommt ein "Original Milchkannenrad" aus dem Münsterland geschenkt, Kinder laufen zu fröhlicher Pop-Musik mit CDU-Fähnchen auf die Bühne und NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann verabschiedet die Parteifreundin mit dem Freud'schen Versprecher des Tages: "Du kannst Dich darauf verlassen, dass die CDU Dich in den nächsten 50 - äh fünf - Jahren mit aller Kraft unterstützen wird."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-landesparteitag-in-nrw-tabuthema-sponsoring-1.9996
CDU-Landesparteitag in NRW - Tabuthema Sponsoring
00/03/2010
Auf dem Landesparteitag in Münster versucht Ministerpräsident Rüttgers, die von der Affäre gebeutelte CDU in NRW mitzureißen - mit Hilfe der Kanzlerin und schrillen Warnungen vor der Opposition.
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Die hessische Opposition empört sich über die Personalentscheidungen von Innenminister Bouffier - doch Regierungschef Koch hält zu ihm. Er ist ein treuer Gefährte von Ministerpräsident Roland Koch, und er steckt in Schwierigkeiten. Mal wieder. Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) soll einen "Rechtsbruch" begangen haben, schimpfen SPD und Grüne; die Linke fordert gleich seinen Rücktritt. Vieles spricht dafür, dass sich zumindest ein Untersuchungsausschuss im Landtag bald mit der Frage befasst, ob Bouffier rechtswidrig einen Parteifreund befördert hat. Als neuen Chef der hessischen Bereitschaftspolizei kürte der Minister im Juli 2009 den CDU-Mann Hans Langecker. Der stammt wie Bouffier aus Gießen, sitzt dort im Kreistag und war Vizepräsident der örtlichen Polizei. Mitbewerber klagte Ein anderer Bewerber hielt sich allerdings für mindestens ebenso gut geeignet und klagte schon Ende 2008 gegen die Entscheidung. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof gab dem Konkurrenten recht. Ausdrücklich untersagten die Richter Bouffier, "bis zum Abschluss eines erneuten Personalauswahlverfahrens" seinen Parteifreund "vorzuziehen und ihn zu befördern". Doch so ein "ordentliches zweites Verfahren hat es nie gegeben", sagt jetzt Günter Rudolph. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion war diese Woche im Innenministerium, um sich die Akten des Vorgangs anzusehen - auf Einladung von Bouffier. Was er sah, hat ihn "entsetzt", ebenso die Innenexperten der Grünen und Linken. Viele erforderliche Dokumente hätten gefehlt, sagt Rudolph. Stattdessen sah er nachträglich erstellte Erinnerungsvermerke von Beamten, datiert auf den März dieses Jahres. Sein Verdacht: "Der ganze Vorgang ist im Nachhinein konstruiert worden." Bis Montag um zehn Uhr fordern SPD und Grüne nun Antworten von Regierungschef Koch. Zum Beispiel dazu, wie er das "grob rechtswidrige" Verhalten seines Ministers bewerte. Lesen Sie auf der nächsten Seite wie sich Koch und Bouffier einst in einer Autobahnraststätte die Treue schworen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hessen-duenne-akten-dicke-freundschaft-1.19731
Hessen - Dünne Akten, dicke Freundschaft
00/03/2010
Die hessische Opposition empört sich über die Personalentscheidungen von Innenminister Bouffier - doch Regierungschef Koch hält zu ihm.
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In der Union wächst der Widerstand gegen Steuersenkungen. Baden-Württembergs Ministerpräsident lehnt Entlastungen im nächsten Jahr strikt ab. Ähnlich äußert sich Saarlands Landeschef. In der Debatte um eine vorgezogene Steuerreform lehnt der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus Entlastungen im nächsten Jahr ab. "Nach heutigem Stand sehe ich keinen Spielraum, um die Steuern schon 2011 weiter zu senken", sagte Mappus der Bild-Zeitung. Ähnlich äußerte sich Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU). "Ich sehe für Steuererleichterungen null Spielraum", sagte Müller dem Focus. "Für mich hat glasklar die Konsolidierung der Haushalte Vorrang." Bei Steuererleichterungen, die der Bund anschiebe, müsse am Ende auch das Saarland einen Anteil übernehmen. Er gehe davon aus, dass weitere Ministerpräsidenten seiner Meinung seien. Ohne Zustimmung von Baden-Württemberg hätte die schwarz-gelbe Koalition im Bundesrat keine Mehrheit für Steuersenkungen. Die Äußerungen der CDU-Ministerpräsidenten dürften bei der FDP für Unmut sorgen, die trotz der hohen Schulden des Staates auf möglichst große Steuersenkungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt pocht. Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich in der umstrittenen Steuer-Frage dagegen noch nicht festlegen. "Das Volumen und den Zeitplan werden wir im Lichte der wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden", antwortete Merkel in einem Interview der Rheinischen Post auf die Frage, ob vor der Landtagswahl in NRW Klarheit über die Regierungspläne herrschen werde. Die Koalition habe vereinbart, dass die Reform möglichst 2011 beginnen müsse. "Die konkreten Entscheidungen werden wir, wie gesagt, mit Blick auf die wirtschaftlichen Daten und die Steuerschätzung treffen" sagte Merkel. Die Prognose über die Einnahmen des Staates bis 2014 wird drei Tage vor der Wahl veröffentlicht. Merkel sagte, das Ziel sei eine Entlastung im Bereich der unteren und mittleren Einkommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble legte sich als Zeitraum für Entscheidungen auf Mitte Mai bis Ende Juni fest. Das wäre erst nach der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland am 9. Mai. Die Süddeutsche Zeitung hatte zuvor berichtet, die Koalition denke darüber nach, noch im April und damit vor der NRW-Wahl eine abgespeckte Steuerreform zu präsentieren. Eine entsprechende Forderung hatte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gestellt, dessen Bündnis mit der FDP in Umfragen derzeit keine Mehrheit hätte. Die Zeitung hatte berichtet, es werde erwogen, das Entlastungsvolumen von ursprünglich geplanten gut 19 Milliarden auf fünf bis zehn Milliarden Euro zu reduzieren. Rüttgers erneuerte seine Forderung am Samstag. Eindringlich appellierte er auf dem Parteitag der Landes-CDU in Münster an die Bundesregierung, für Klarheit in der Steuerpolitik zu sorgen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/widerstand-in-der-union-veto-gegen-steuersenkungen-1.2340
Widerstand in der Union - Veto gegen Steuersenkungen
00/03/2010
In der Union wächst der Widerstand gegen Steuersenkungen. Baden-Württembergs Ministerpräsident lehnt Entlastungen im nächsten Jahr strikt ab. Ähnlich äußert sich Saarlands Landeschef.
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Wer sagte wann was? Nach den sehr präzisen Aussagen der geschassten Beamten Wichert und Schneiderhan steht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unter großem Druck. Für Wolfgang Schneiderhan und Peter Wichert ist es eine Frage der Ehre. Der eine war Generalinspekteur der Bundeswehr und damit Erster unter 250.000 Soldaten. Der andere war beamteter Staatssekretär und musste das Verteidigungsministerium mit mehr als 100.000 zivilen Bediensteten am Laufen halten. Am 25. November vorigen Jahres wurden sie von dem gerade mal vier Wochen amtierenden jungen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in den Ruhestand geschickt. Beide Männer haben sich um die Bundeswehr Verdienste erworben, der Rauswurf hat sie geschmerzt. Aber beide sind loyale Staatsdiener genug, um das Recht des Ministers anzuerkennen, sich von engen hochrangigen Mitarbeitern zu trennen. Was Schneiderhan und Wichert bis heute umtreibt, sind die Umstände ihrer Entlassung und die Begründungen, die dafür in die Welt gesetzt wurden. Für Karl-Theodor zu Guttenberg ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Er hatte die Entlassung der beiden Spitzenleute damit begründet, dass ihm wichtige Dokumente zum Luftschlag von Kundus am 4. September vorigen Jahres nicht vorgelegt worden seien - Dokumente, die, nachdem er sie dann kannte, ihn bewogen haben, sein ursprüngliches Urteil zu revidieren, der Luftschlag sei nicht nur militärisch angemessen, sondern sogar unvermeidlich gewesen. Aus den "nicht vorgelegten" Dokumenten wurden in Talkshow-Auftritten und Hintergrundgesprächen des Ministers "vorenthaltene" und sogar "unterschlagene" Papiere. Gegen den in Begriffen wie Vorenthalten und Unterschlagen mitschwingenden Verdacht der vorsätzlichen Täuschung wehrten sich Schneiderhan und Wichert in Briefen an Guttenberg - mit spätem Erfolg. In der vorigen Woche versicherte Guttenberg erstmals öffentlich, er habe den beiden nie böse Absicht unterstellen wollen. Aber es steht noch ein anderer Vorwurf im Raum, den Schneiderhan und Wichert als mindestens ebenso "ehrenrührig" empfinden. Am 30. November beschreibt der Spiegel in der üblichen Manier des Dabeigewesenen das Gespräch zwischen Guttenberg und seinen beiden Untergebenen am 25. November, das zur Entlassung der beiden nur knapp drei Stunden später führte. Guttenberg habe gefragt, ob es neben dem längst vorliegenden offiziellen Untersuchungsbericht der Nato zu Kundus weitere interne Berichte gebe. Schneiderhan und Wichert hätten dies verneint. Guttenberg habe noch zweimal nachgefragt. "Als beide wieder leugnen, entlässt er sie. So berichtet es sein Umfeld", schreibt der Spiegel. Noch am selben Tag verlangt Wichert auch im Namen von Schneiderhan in einem Brief an Guttenberg ein "glasklares Dementi". Das Verteidigungsministerium solle richtigstellen, dass Meldungen, Wichert und Schneiderhan hätten die Existenz weiterer Berichte bestritten, nicht zuträfen. Das Dementi bleibt aus. Stattdessen schreibt Guttenberg mit Datum vom 2. Dezember handschriftlich an den "sehr geehrten, lieben Herrn Dr. Wichert": "Offenbar gibt es interessierte Kreise, die mit Setzen von vermeintlichen Zitaten und gezielten Unwahrheiten Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen."Der 14 Zeilen lange Brief schließt mit den Worten: "Diese Zeilen machen Artikel nicht ungeschehen, mir war es gleichwohl ein Bedürfnis, Ihnen diesbezüglich zu schreiben."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-affaere-im-namen-der-wahrheit-1.20670
Kundus-Affäre - Im Namen der Wahrheit
00/03/2010
Wer sagte wann was? Nach den sehr präzisen Aussagen der geschassten Beamten Wichert und Schneiderhan steht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unter großem Druck.
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Guido Westerwelle ist längst aus Lateinamerika zurück, da gehen die Angriffe auf ihn weiter. Die SPD wirft ihm vor, sein Augenmerk gelte nur ihm selbst und nicht der Außenpolitik, die Linke vergleicht seine Reisen gar mit einer "Tupperparty, wo deutsche Produkte angepriesen werden". Die FAZ sprach am vergangenen Samstag von einem Desaster, indem sie die angebliche Vetternwirtschaft des Außenministers zu einer Staatsaffäre aufbauschte. Wer so redet, gibt sich selbst der Lächerlichkeit preis, weil dieser "Skandal" nicht einmal die Qualität eines Kavaliersdelikts hat. Ich würde der Posse keine Aufmerksamkeit widmen, wenn ich nicht aus jahrelanger Auslandserfahrung wüsste, dass dies immense Folgen für die deutsche Wirtschaft und die deutsche Außenpolitik hat. Zwar war die Lateinamerikareise ein Desaster - aber nicht, weil sich der Minister in seiner Reisebegleitung vergriffen hat, sondern weil streitsüchtige Politiker und skandalhungrige Medien selbstzerfleischend einen Floh zum Elefanten aufblasen. Wählen wir eigentlich unsere Politiker, damit sie sich gegenseitig faule Eier auf die Weste werfen und dabei das Fundament ihrer Pfründe, die Erfolge der deutschen Wirtschaft, im Ansehen der Weltöffentlichkeit zerstören? Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit Die deutsche Wirtschaft, deutsche Ingenieure und Unternehmen genießen wegen ihrer Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit hohe Wertschätzung, trotz der Siemens-Affäre. Es ist schlicht unverantwortlich, dieses Guthaben durch Gezänk zu verspielen. Für mich geht es in dieser Frage weniger um Westerwelle, sondern, mit allem Pathos: um die deutsche Ehre. Meine Partner, unsere Mitarbeiter und ich haben in der weiten Welt mehr als 300 Architekturprojekte realisiert (oder sind dabei, dies zu tun) - überwiegend solche öffentlicher und kultureller Bedeutung. Daher fühle ich mich aufgerufen, zu erzählen, was es mit solchen Reisen auf sich hat. Als Architekt bin ich eher ein Exot in der Riege der Vorstandsvorsitzenden und anderen Wirtschaftsführer, die gelegentlich an Staatsbesuchen im Gefolge von Bundespräsident, Bundeskanzler und Außenminister teilnehmen. Zuletzt war ich an der inkriminierten Reise von Guido Westerwelle im Januar nach Tokio und Peking dabei, mit zugewiesenem Sitzplatz neben Ralf Marohn, jenem Manager, der als Beispiel für Vetternwirtschaft diskreditiert wird, weil er eine Firma leitet, an der auch Westerwelles Bruder beteiligt ist. Zu keiner Zeit war ich Mitglied einer Partei; aus Überzeugung habe ich nie Parteispenden geleistet und bin bis heute ein notorischer Wechselwähler geblieben. Trotzdem haben mich sowohl Bundespräsident Rau, Bundeskanzler Schröder sowie die Außenminister Steinmeier und Westerwelle, ohne jedwede Bewerbung meinerseits, zur Teilnahme an elf Staatsbesuchen eingeladen; auf meine Kosten, versteht sich. Sieben Einladungen habe ich angenommen. Die erste Einladung vom Bundespräsidenten habe ich als große Ehre empfunden. Operette mit Statisten Sie unterschied sich jedoch von den späteren nur unwesentlich: protokollarisch überfrachtet, ständige Zeitnot und Hetze! Teilweise protokollarische Operette mit den höchst bezahlten Wirtschaftsbossen als schweigenden Statisten, die dem Ministerpräsidenten Chinas einmal das Händchen schütteln dürfen! Wohl dem, der sich - wie Westerwelle - mit zehn Begleitern begnügt, und nicht gleich 90 aufbietet. Wenn der Begriff "Günstlingswirtschaft" die Runde macht, liegt der Schluss nahe, es handele sich bei den so genannten "Wirtschaftsdelegationen" um eine Horde von Günstlingen, die in den Metropolen der Schwellenländer mit Bussen hinter den schwarzen Limousinen der Diplomaten herjagen, um Aufträge einzusacken. Ich jedenfalls habe anlässlich der sieben Auslandsreisen nach Vietnam, Singapur, Indonesien, Indien, China, Japan und dem Baltikum keine Begünstigung erfahren. Als ich in Anwesenheit von Gerhard Schröder dem chinesischen Premier unseren Entwurf für das Nationalmuseum in Peking vorstellen durfte, hatten wir den 1. Preis bei einem anonymen internationalen Wettbewerb bereits Monate zuvor gewonnen. Da es sich um ein Prestigeprojekt der ersten Kategorie handelt, war dieser Akt eher ein Programmpunkt, mit dem sich der deutsche Bundeskanzler schmücken konnte. Unterstützung hält sich in Grenzen In der Regel ist das Engagement des mehrere tausend Mitarbeiter zählenden Auswärtigen Amts für Menschen wie mich relativ überschaubar, verglichen mit der Unterstützung, die französischen, britischen und japanischen Architekten seitens ihrer nationalen Politik zuteil wird. Im Jahr 2001 bemühte mein französischer Architektenfreund Paul Andreu den Präsidenten Chirac höchstpersönlich nach Shanghai, damit dieser ihm als 2. Preisträger den Auftrag für das Opernhaus verschaffte - und dem 1. Preisträger, unserem Büro, diesen Bau wegzunehmen. Unser Begehren, seitens Außenminister Fischer Beistand zu erlangen, stieß auf taube Ohren. Missbräuchlicher politischer Einfluss zugunsten privater Interessen? Mir sind im Kontext großer öffentlicher Bauvorhaben im Ausland zahlreiche Wettbewerbsverletzungen bekannt, die grob gegen internationales Recht verstoßen. Sie kommen vor allem durch politische Begünstigung zustande. Im Vergleich dazu ist die Verbindung des Außenministers zu Ralf Marohn nicht einmal das Haar in der düsteren Suppe. Während der Ostasienreise im Januar habe ich insgesamt 25 Stunden neben Marohn im Flugzeug gesessen und mit dieser Nachbarschaft die erfreuliche Komponente solcher Expeditionen erfahren dürfen: menschlichen Kontakt zu Persönlichkeiten finden, den man sonst nicht hätte, Zeit für diskursiven Austausch, Sympathie und Freundschaft. Marohn ist Inhaber eines Beratungsunternehmens, das deutsche Firmen in China berät und mit seiner langjährigen Erfahrung unterstützt, also ein Anwalt deutscher Wirtschaftsinteressen. Den Schönheitsfehler, dass der Bruder des Außenministers an der Firma beteiligt ist, will ich nicht bemänteln. Unser Architekturbüro erfreut sich auch ohne nennenswerte politische Unterstützung weltweit interessantester Aufträge. Deswegen singe ich auch kein Klagelied. Ich bin auch weit davon entfernt, Fehler von Guido Westerwelle zu beschönigen. Was ich beklage, ist ein Gezänk mit möglicherweise wahltaktischem Hintergrund, das in den Medien breitgetreten wird. Es ist unappetitlich und hat dem Ansehen Deutschlands und seiner Wirtschaft sehr großen Schaden zugefügt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/westerwelles-auslandsreisen-ein-deutsches-desaster-1.17205
Westerwelles Auslandsreisen - Ein deutsches Desaster
00/03/2010
Anmerkungen eines manchmal Mitfahrenden: Die Debatte um die Reisen von Außenminister Westerwelles zeugt von Streitsucht und Skandalhunger - und hilft nicht recht weiter.
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Deutliche Worte vom Bundespräsidenten: Horst Köhler ist von der schwarz-gelben Regierungsarbeit enttäuscht. Gleichzeitig warnte er vor massiven Steuerentlastungen. Bundespräsident Horst Köhler ist von der bisherigen Regierungsarbeit der schwarz-gelben Koalition enttäuscht. "Bei der Ernennung der Bundesregierung im Oktober habe ich ein paar Sätze gesagt, mit Bedacht: Ihr habt eine ordentliche Mehrheit. Das Volk erwartet jetzt tatkräftiges Regieren", sagte Köhler. Daran gemessen seien die ersten Monate enttäuschend gewesen, sagte er in einem vorab veröffentlichten Interview des Magazins Focus. "Es wäre ein Vabanque-Spiel" Das Gute sei, dass sich die Beteiligten darüber selbst klar seien. Inzwischen trete in der Koalition Realismus ein. "Es geht um einen neuen Aufbruch zu Reformpolitik", sagte Köhler dem Magazin. "Wir brauchen Langfristigkeit in der politischen Gestaltung und müssen Abstand nehmen von kurzlebigen Programmen." Eindringlich rief Köhler zu einem Abbau der Staatsschulden auf. "Wir müssen weg von schuldengetriebenem Konsum. Davon wieder runter zu kommen, ist schwer wie ein Drogenentzug, aber unumgänglich für nachhaltiges Wachstum, das allen Menschen dient", sagte Köhler. Im Koalitionsstreit über Steuersenkungen warnte Köhler vor allzu großen Entlastungen: "Ich sehe derzeit keinen Spielraum für massive Steuersenkungen. Das wäre ein Vabanque-Spiel." In einem Gesamtkonzept sei die steuerliche Begünstigung von Forschung und Innovation in den Unternehmen sinnvoll, aber auch die Mittelschicht müsse entlastet werden. "Die wird ja immer wieder vergessen in der Diskussion", sagte Köhler. "Diejenigen, die sich an die Regeln halten und Steuern zahlen, die müssen sich doch manchmal richtig verladen vorkommen. Ein junges Ehepaar mit zwei Kindern, das kommt gerade mal so hin. Für die Mittelschicht muss etwas geschehen." Zu wenig Geld für Bildung Köhler sprach sich für eine internationale Abgabe auf Finanztransaktionen aus. "Die Finanzindustrie muss sichtbar an der Bewältigung der Kosten der Krise beteiligt werden", sagte er. "Wir brauchen auch Geld, um neue, dynamische Kräfte zu wecken. Deshalb kann ich nicht ausschließen - und ich sage das ganz bewusst -, dass auch Steuererhöhungen nötig sein können." Deutschland müsse mehr Geld für Bildung ausgeben. "Fast ein Drittel unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung wenden wir auf für staatliche Sozialleistungen, aber nur gut sechs Prozent für Bildung", kritisierte Köhler. "Angesichts dieser Relation müssen wir uns eigentlich vor unseren Kindern schämen. Dazu toben in der Bildungspolitik parteipolitisch gefärbte Kämpfe um Schulstrukturen, die keinem Lehrer und keinem Kind helfen."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/enttaeuschter-bundespraesident-koehler-geisselt-schwarz-gelbe-koalition-1.11570
Enttäuschter Bundespräsident - Köhler geißelt schwarz-gelbe Koalition
00/03/2010
Deutliche Worte vom Bundespräsidenten: Horst Köhler ist von der schwarz-gelben Regierungsarbeit enttäuscht. Gleichzeitig warnte er vor massiven Steuerentlastungen.
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"Strafvereitelung im Amt": Nach dem Missbrauchs-Geständnis des ehemaligen Schulleiters der Odenwaldschule reißt die Kritik an den Behörden nicht ab. Im Skandal um die Odenwaldschule erheben Missbrauchsopfer und ihre rechtlichen Vertreter schwere Vorwürfe gegen das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft Darmstadt. Zuvor hatte der ehemalige Schulleiter in einem Brief Übergriffe auf Schüler eingeräumt und diese bedauert. Beide Behörden hätten sich 1999, als die Übergriffe Beckers bekannt wurden, durch Untätigkeit ausgezeichnet, sagte der Frankfurter Anwalt Thorsten Kahl der Frankfurter Rundschau. "Was da gelaufen ist, könnte man als Strafvereitelung im Amt bezeichnen." Dem Magazin Focus sagte Kahl, die Schule habe eine "moralische Pflicht zur Kompensation". Am Freitag hatte der frühere Schulleiter Gerold Becker in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und die Schüler um Entschuldigung gebeten. Unterdessen haben sich die 21 reformpädagogischen Internate in Deutschland nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verpflichtet, jeden sexuellen Übergriff anzuzeigen und die Täter sofort zu entlassen. Darauf habe sich die Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime (LEH) geeinigt, zu der auch die Odenwaldschule in Heppenheim gehört. Durch die Missbrauchsfälle dürften jedoch nicht der Wert reformpädagogischer Praxis und die Institution Internat insgesamt infrage gestellt werden. Ein Absolvent der Odenwaldschule sagte, Aussagen der hessischen Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) seien "mit gesundem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbar". Henzler hatte am Donnerstag erklärt, sie sehe kein Versagen der Schulaufsicht beim Umgang mit Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule. Damals sei die Schulaufsicht davon ausgegangen, es gebe nur einen verdächtigen Lehrer und zwei betroffene Schüler. Es habe keinerlei Hinweise auf weitere Fälle gegeben. Nach Angaben der Frankfurter Rundschau hatten dagegen schon im Juni 1998 zwei Missbrauchsopfer in einem Brief an den damaligen Schulrektor Wolfgang Harder davon gesprochen, dass es noch mehr Betroffene gebe. Dieser habe die Informationen an das zuständige Staatliche Schulamt weitergeleitet. Die Schüler, die damals die Vorwürfe ins Rollen gebracht hätten, seien von den Behörden aber nie befragt worden. Nach zehn Jahren sei das nicht mehr so einfach zu klären, da alle Akten vernichtet worden seien, sagte dazu Klaus Reinhardt von der Darmstädter Staatsanwaltschaft. "Die (Schüler) hätten in dieser Situation vernommen werden müssen." Die deutschen Landerziehungsheime wollen nun einen Historiker beauftragen, der die Geschichte der Internate auch mit Blick auf mögliche Verfehlungen prüfen soll. Der Leiter der LEH-Internatsberatung, Hartmut Ferenschild, kritisierte das Verhalten von Deutschlands bekanntestem Reformpädagogen Hartmut von Hentig, 84, der die Vorfälle gegen seinen 73-Jährigen Lebenspartner Gerold Becker relativierte. "Wir müssen uns von unserem Säulenheiligen distanzieren", sagte Ferenschild dem Focus. Ein ehemaliger Schüler der Odenwaldschule sagte, dass er von Becker "hunderte Male missbraucht" worden sei und noch heute darunter leide. Sein Anwalt Kahl kündigte an, er werde "eine Phalanx gegen die Odenwaldschule" errichten und wolle eine finanzielle Entschädigung für die Opfer erwirken.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/odenwaldschule-vertuschungsvorwuerfe-gegen-behoerden-1.13433
Vertuschungsvorwürfe gegen Behörden
00/03/2010
"Strafvereitelung im Amt": Nach dem Missbrauchs-Geständnis des ehemaligen Schulleiters der Odenwaldschule reißt die Kritik an den Behörden nicht ab.
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Betreuung von Hartz-IV-Empfängern: Über Monate wurde gestritten - jetzt einigte sich die Regierung mit der SPD auf eine Grundgesetzänderung zur Zukunft der Jobcenter. Im Ringen um die Neuorganisation der Jobcenter zur Betreuung der 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger haben Union, FDP und SPD einen Durchbruch erzielt. Die Einigung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe kam am frühen Samstagmorgen nach gut 13 Stunden Verhandlungen zustande, wie das Arbeitsministerium mitteilte. Die Arbeitsgruppe habe sich "in zentralen politischen Fragen verständigt". Das letzte Wort werde eine Spitzenrunde in der kommenden Woche haben. Mit der Einigung werde die Vermittlung und Betreuung von Langzeitarbeitslosen aus einer Hand gewährleistet. Details der Verständigung teilte das Ministerium nicht mit. In Verhandlungskreisen hieß es, dass der Kompromiss eine Grundgesetzänderung vorsehe, um den 346 gemeinsam von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit getragenen Jobcentern einen Fortbestand über das Jahresende 2010 hinaus zu ermöglichen. Zahl der Optionskommunen gedeckelt Auch diesen Jobcentern soll aber auf Wunsch der Union die Option eingeräumt werden, dass die Kommunen die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in Alleinregie übernehmen. Allerdings soll die Zahl solcher Optionskommunen begrenzt werden. Derzeit gibt es 69 von ihnen. Künftig sollten es nicht mehr als 110 sein, hieß es aus Verhandlungskreisen. Union und Arbeitsministerium hatten ursprünglich gefordert, die Ausweitung der Zahl der Optionskommunen nicht zu deckeln. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuorganisation der Jobcenter bis Ende 2010 verlangt, weil in ihnen die Aufgaben von Kommunen und Arbeitsagenturen unzulässig vermischt würden. Die SPD als größte Oppositionsfraktion sitzt mit am Verhandlungstisch, weil die Koalition für eine Grundgesetzänderung in Bundestag und Bundesrat auf die Stimmen der SPD angewiesen ist.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/jobcenter-grundgesetzaenderung-alles-aus-einer-hand-1.7322
Jobcenter: Grundgesetzänderung - Alles aus einer Hand
00/03/2010
Betreuung von Hartz-IV-Empfängern: Über Monate wurde gestritten - jetzt einigte sich die Regierung mit der SPD auf eine Grundgesetzänderung zur Zukunft der Jobcenter.
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Jahrelang hat er zu den Vorwürfen geschwiegen, nun endlich ein Wort: Gerold Becker, der frühere Leiter der Odenwaldschule in Hessen bittet in einem Brief um Verzeihung. In den vergangenen Wochen hatten sich immer mehr ehemalige Schüler gemeldet, die Becker vorwerfen, sie sexuell missbraucht zu haben. Beharrlich hatte Becker, der 73 Jahre alt ist und unter einer schweren Lungenkrankheit leidet, jede Auskunft dazu verweigert. Schriftliche Entschuldigung Am Freitag nun, teilte die jetzige Schulleiterin Margarita Kaufmann mit, ging ein Brief an der Schule ein, in dem Becker Übergriffe einräumt und sich dafür entschuldigt. Laut Kaufmann schreibt Becker in dem Brief: "Schüler, die ich (...) durch Annäherungsversuche oder Handlungen sexuell bedrängt oder verletzt habe, sollen wissen: Das bedauere ich zutiefst und ich bitte sie dafür um Entschuldigung." Diese Bitte beziehe sich "ausdrücklich auch auf alle Wirkungen, die den Betroffenen erst später bewusst geworden sind." Die Schriftstellerin und ehemalige Odenwald-Schülerin Amelie Fried, die Becker öffentlich aufgefordert hatte, sich zu entschuldigen, sagte: "Ich bin dankbar, dass er sich zu diesem Schritt entschlossen hat." Auch wenn Becker Erklärungen schuldig bleibe, sei es eine Erleichterung für die Opfer und früheren Schüler. "Für seine Entschuldigung gebührt ihm Respekt", sagte Fried. Im Kreise der Opfer gibt es allerdings auch andere Ansichten. Der Rechtsanwalt Thorsten Kahl, der einen früheren Schüler vertritt, nannte Beckers Entschuldigung ein "Lippenbekenntnis". Becker hätte sich schon vor Jahren äußern können, er bezweifele, dass die Worte ehrlich seien und mehr als "bloße Taktik". Traumatische Erlebnisse Becker arbeitete von 1969 bis 1985 an dem bundesweit bekannten Internat, seit Beginn der siebziger Jahre war er dort auch Direktor. Bereits Ende der neunziger Jahre hatten ihn frühere Schüler beschuldigt, sie missbraucht zu haben. Schon zum damaligen Zeitpunkt waren die Taten jedoch strafrechtlich verjährt. Im Jahr des 100-jährigen Bestehens der Odenwaldschule meldeten sich in diesem Jahr aber erneut die Opfer, und es kamen viele weitere hinzu, die erst jetzt ihre traumatischen Erlebnisse mitteilten. Außer Becker stehen an der Odenwaldschule noch sieben weitere ehemalige Lehrer unter Verdacht. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat nun erneut Ermittlungen eingeleitet, weil nicht auszuschließen ist, dass einige Taten noch nicht verjährt sind. Insgesamt haben sich bisher mehr als 30 Opfer bei der derzeitigen Schulleitung gemeldet. Ende der neunziger Jahre zog sich Becker aus allen Funktionen an der Odenwaldschule zurück, trat aber als gefragter pädagogischer Experte immer wieder in Erscheinung. Beckers Lebensgefährte Hartmut von Hentig hatte Becker bis zuletzt verteidigt und es ausgeschlossen, dass Becker ein Unrecht begangen haben könnte. In einer E-Mail hatte Becker der Süddeutschen Zeitung noch Anfang März mitgeteilt, von ihm könne man keine neuen "Fakten" erfahren, sondern bestenfalls ein paar Argumente für sein öffentliches Schweigen. In den vergangenen Tagen hatten zahlreiche Medien ausführlich über den Fall und die Verwicklung Beckers berichtet. Die jetzige Schulleiterin Margarita Kaufmann bemüht sich seit Wochen um eine vollständige Aufklärung des sexuellen Missbrauchs an der Odenwaldschule. Die Vorfälle haben auch bundesweit eine Debatte über die Reformpädagogik entfacht, der sich die Odenwaldschule verpflichtet fühlt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/odenwaldschule-ex-schulleiter-entschuldigt-sich-1.9041
Ex-Schulleiter entschuldigt sich
00/03/2010
Er bedauert und bittet um Entschuldigung: Der ehemaliger Leiter der Odenwaldschule räumt in einem Brief Übergriffe auf Schüler ein.
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Die "Haushaltswoche" ist vorbei: Es wird für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass sich die Abgeordneten einen solch lässigen Umgang mit dem Thema Haushaltspolitik leisten konnten. Zweimal im Jahr durchbricht der Bundestag seinen üblichen Sitzungsrhythmus, um sich in einem viertägigen Debattenmarathon ausführlich mit dem Haushaltsentwurf des Finanzministers zu beschäftigen. Das seltsame an diesen "Haushaltswochen" ist allerdings, dass meist gar nicht über den Haushalt gesprochen wird. So war es auch diesmal: Frank-Walter Steinmeier giftete gegen Guido Westerwelle und dessen Hartz-IV-Thesen, Gregor Gysi warf den Grünen vor, sich klammheimlich in eine bürgerliche Partei zu verwandeln, Birgit Homburger lobte tatsächlich die "Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit" der schwarz-gelben Koalition, und Angela Merkel nahm den Bundespräsidenten gegen Angriffe der SPD in Schutz. Immerhin: Die Kanzlerin sprach auch über die Staatsfinanzen - zumeist allerdings über die griechischen. Es wird für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass sich die Abgeordneten einen solch lässigen Umgang mit dem Thema Haushaltspolitik leisten konnten. Schon in wenigen Wochen wird die Koalitionsspitze offenbaren müssen, woher sie die 60 Milliarden Euro nehmen will, die sie laut Verfassung bis 2016 im Budget einsparen muss. Allein die Summe zeigt, dass es mit ein paar kleineren Streichaktionen nicht getan sein wird. Nötig ist vielmehr eine Grundsatzdiskussion: Wer kommt für die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf, wie geht das Land mit dem Problem einer alternden Gesellschaft bei gleichzeitig steigenden Sozialausgaben um, und welche Bevölkerungsgruppe soll in Zukunft welche Lasten tragen? Das - und nicht kleinkarierte Scharmützel - sind die Themen, welche die nächsten Haushaltsdebatten im Bundestag prägen müssen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/haushaltsdebatte-zu-laessiger-umgang-1.3550
Zu lässiger Umgang
00/03/2010
Die "Haushaltswoche" ist vorbei: Es wird für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass sich die Abgeordneten einen solch lässigen Umgang mit dem Thema Haushaltspolitik leisten konnten.
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Die Union wollte wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen - doch jetzt nimmt sie Abstand von den Plänen. Die Idee einer baldigen, abgespeckten Steuerreform ist nach Einschätzung führender Vertreter der schwarz-gelben Koalition zu früh bekannt gemacht geworden und deshalb zumindest vorerst vom Tisch. "Man wird sich jetzt nicht auf so ein Projekt verständigen. Ob es überhaupt noch kommt, ist fraglich", sagte ein Spitzenvertreter des Bündnisses der Süddeutschen Zeitung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wandte sich gegen Steuer-Vereinbarungen in der Koalition vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai. Vorher gebe es weder Beschlüsse noch Ankündigungen, sagte der Minister im Deutschlandfunk. Über die Steuerreform werde zusammen mit dem Etat 2011 zwischen Mitte Mai und Ende Juni entschieden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach Angaben aus der Koalition erwogen, möglichst noch vor der Landtagswahl ein Reformpaket anzukündigen, das einen Einstieg in die vereinbarte größere Steuerreform sowie Neuregelungen in der Arbeitsmarktpolitik umfasst. Damit könne die bislang als zerstritten wahrgenommene Bundesregierung ein Zeichen der Ge- und Entschlossenheit geben und die besorgte Bevölkerung beruhigen. Auf Unterstützung der CSU konnte sie zählen. Deren Vorsitzender, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatte Anfang der Woche in einer kleinen Runde Zustimmung zu einer schnellen, auf zwischen fünf und zehn Milliarden Euro reduzierten Steuerreform erhalten. Zügig und rasch Merkel, Seehofer und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hatten sich dem Vernehmen nach bei ihrem Treffen im Februar darauf verständigt, gemeinsame Projekte zügig und rasch anzugehen. Konkrete Absprache über eine vorgezogene Steuerreform habe es aber nicht gegeben. Insbesondere Politiker von CDU und FDP zeigten sich höchst verärgert darüber, dass die Überlegungen in den Koalitionsspitzen durch einen SZ-Bericht publik wurden. Die FDP werde nun nicht mehr bereit sein, ihre von der Union als unfinanzierbar kritisierte Forderung nach einer Steuerentlastung von 19,4 Milliarden Euro bis 2013 abzurücken, hieß es in Koalitionskreisen. Auch sei mit der Veröffentlichung der für die Regierung unangenehme Eindruck entstanden, die Koalition sei aus Angst vor der NRW-Wahl in Panik. Nach Umfragen gibt es derzeit keine Mehrheit für die CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf; bei einer Niederlage verlöre die Bundesregierung ihre Mehrheit im Bundesrat und könnte Projekte wie die geplante Steuer- und Gesundheitsreform nur noch schwer durchsetzen. Beim Treffen Merkels mit Seehofer und Westerwelle am Sonntag stehen Steuerreformen nicht auf der Tagesordnung. An dieser Begegnung nehmen auch Schäuble sowie die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, sowie der CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich teil. Themen sollen Finanzmarktkontrollen und die Frage der Beteiligung von Banken an den Kosten der Wirtschaftskrise sein. Auch die Lage vor der NRW-Wahl könnte zur Sprache kommen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/steuerreform-weder-beschluesse-noch-ankuendigungen-1.3166
"Steuerreform - ""Weder Beschlüsse noch Ankündigungen"""
00/03/2010
Die Union wollte wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen - doch jetzt nimmt sie Abstand von den Plänen.
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Oberst Klein, der Offizier, der den Bombenangriff von Kundus befohlen hat, muss wohl kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Schuldfrage ist politisch. In Berlin steigt der Druck auf Verteidigungsminister Guttenberg. In Karlsruhe schwindet derweil der Druck auf Oberst Klein - genauer gesagt: Der Druck auf Klein ist praktisch nicht mehr vorhanden. Es wird zwar noch gegen ihn ermittelt. Aber das Ergebnis der Ermittlungen steht praktisch schon fest: Dem Oberst und seinem Fliegerleitoffizier kann strafrechtlich kein Vorwurf gemacht werden - um es genau zu sagen: völkerstrafrechtlich. Denn nur das Völkerstrafrecht, nicht das allgemeine Strafrecht, kann nach Ansicht der Bundesanwaltschaft zur Anwendung kommen. Und das Völkerstrafrecht behandelt Täter großzügiger als das allgemeine Strafrecht. Der Druck in Berlin ist ein politischer Druck; der Verteidigungsminister hat nämlich versucht, seine furchtbare Fehleinschätzung des furchtbaren Bombenangriffs von Kundus anderen in die Schuhe zu schieben. Oberst Klein ist derjenige, der diesen Angriff befohlen hat. Während in Berlin noch über diese politische Schuld des Verteidigungsministers gestritten wird, ist über die juristische Schuld von Oberst Klein praktisch schon entschieden. Gegen den Oberst und seinen Fliegerleitoffizier wird zwar von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe noch ermittelt. Aber die Erklärung der Bundesanwaltschaft, dass sie wegen Paragraph 11 Völkerstrafgesetzbuch ermittelt, ist fast gleichbedeutend mit dem Spruch: "Die Soldaten trifft keine strafrechtliche Schuld." Zur Anwendung kommt, nach ausdrücklicher und zutreffender Erklärung der Bundesanwaltschaft, das Völkerstrafgesetzbuch von 2002, und aus dieser Erklärung ergibt sich praktisch schon die Einstellung des Verfahrens. Die einschlägigen Vorschriften im Völkerstrafgesetzbuch klingen zwar martialisch. Aber im Gegensatz zum allgemeinen Strafrecht wird nach dem Völkerstrafgsetzbuch nur der Täter bestraft, der vorsätzlich handelt. Fahrlässige Tötung wird nicht bestraft. In Absatz 1 Ziffer 1 des Paragraphen 11 Völkerstrafgesetzbuch wird bestraft, wer "mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche" richtet. Dem Täter muss diesbezüglich direkter Vorsatz nachgewiesen werden. Nach den einschlägigen Kommentierungen liegt ein solcher Vorsatz nicht vor, wenn der Täter mit militärischen Mitteln gegen Personen vorgeht, von denen er nicht weiß, ob es sich um gegnerische Soldaten oder um Zivilpersonen handelt. Vorsatz und Fahrlässigkeit In Absatz 1 Ziffer 3 des Paragraphen 11 Völkerstrafgesetzbuch wird bestraft, "wer mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen . . . in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten . . . militärischen Vorteil steht": Der Täter muss also ein Ziel angreifen und dabei "als sicher erwarten", dass er unverhältnismäßige Kollateralschäden herbeiführt. Dieser direkte Vorsatz wird kaum nachzuweisen sein. Die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Völkerstrafrecht ist auch in den internationalen Tribunalen in Den Haag und Arusha noch umstritten. Eine einheitliche Position hat sich noch nicht herausgebildet. Die Bundesanwaltschaft wird auch die Tötung von Zivilpersonen durch deutsche Soldaten an den Checkpoints in Afghanistan nach dem Völkerstrafgesetzbuch behandeln. Auch hier wird das Verfahren wohl eingestellt werden - weil vorsätzliche Tötung nicht nachweisbar und fahrlässige Tötung nicht strafbar ist.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-affaere-strafbar-ist-nur-der-vorsatz-1.16286
Kundus-Affäre - Strafbar ist nur der Vorsatz
00/03/2010
Oberst Klein, der Offizier, der den Bombenangriff von Kundus befohlen hat, muss wohl kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Schuldfrage ist politisch.
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"Ausgeschlossen, dass man Pfarrer H. jemals noch mit Jugendlichen arbeiten lässt" - so schrieb der Psychiater Werner Huth vor 25 Jahren über einen pädophilen Gottesmann. Doch das Erzbistum München ignorierte die Warnung. Huth erinnert sich im SZ-Gespräch auch an Joseph Ratzinger. Doktor Werner Huth ist inzwischen 80 Jahre alt, er residiert in Nymphenburg an einem schwarzen Holzschreibtisch, an dessen einer Seite Hunderte Patienten den Lack abgewetzt haben. Er hat ein Gesicht wie ein ungemachtes Bett und weiße Haarsträhnen und ist Psycholanalytiker sowie Facharzt für Neurologie; über Jahrzehnte haben die evangelische und die katholische Kirche Mitarbeiter zu ihm geschickt, die seelische Probleme hatten - vor allem Menschen, wie es unschön heißt, mit Triebstörungen. Sein derzeit bekanntester Fall hat ihn nun dazu gebracht, die Diskretion zu durchbrechen, die in der Regel Voraussetzung seiner Arbeit ist. Es geht um Pfarrer H., jenen Geistlichen, der als Kaplan von Essen nach München kam, weil er Kindern sexuelle Gewalt angetan hatte, und eine Therapie beginnen sollte - 1980, als Joseph Ratzinger Erzbischof in München war, der heutige Papst Benedikt XVI. Es geht um die Therapeutenehre. Huth sagt, er habe von Anfang an vor dem Mann gewarnt, vor allem davor, ihn mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu lassen. Der damalige Generalvikar Gerhard Gruber hat, als der Fall bekannt wurde, erklärt, H.s Prognose sei so günstig gewesen, dass keine Bedenken bestanden, ihn in der Pfarrseelsorge einzusetzen. Eine Schönfärbung. Das Erzbischöfliche Ordinariat bezweifelt nicht, dass Huth die Wahrheit sagt - und so wird der Fall des Geistlichen H. auf deprimierende Weise exemplarisch: Wider besseres Wissen hat das Erzbistum einen pädophilen Priester eingesetzt, von Stelle zu Stelle geschoben, ihm trotz eines Gerichtsurteils eine große Gemeinde übertragen, bis zum Jahr 2008. "1980 kam H. zu mir", erzählt der Therapeut. Huth wollte die Behandlung des damals 32-jährigen Priesters zuerst ablehnen. "Er zeigte wenig Einsicht in das, was geschehen war, er war nicht bereit, sich zu hinterfragen, es mangelte eklatant an Introspektionsfähigkeit, es gab bei ihm kaum das Bewusstsein, dass er sich ändern muss." Zudem hatte Huth den Eindruck, dass H. ihn anlog, ihm und auch sich selbst etwas vorspielte; der schlanke Mann war ein Schauspieltalent, er konnte Menschen für sich einnehmen. In Bottrop hatte er einmal als Kinderstar auf der Bühne gestanden. Drei Auflagen Der Therapeut nahm ihn doch, "man musste ja was machen", sagt er heute. Für eine Einzeltherapie hielt er ihn nicht geeignet - "er war narzisstisch, wie viele Pädophile". Es blieb die Gruppentherapie. Von Anfang an, darauf legt Huth großen Wert, habe er das Erzbistum gewarnt vor dem wenig einsichtsfähigen Mann. "Ich habe ihm drei Auflagen gemacht: Erstens muss er sich von Kindern und Jugendlichen fernhalten, zweitens darf er keinen Alkohol trinken, drittens muss er sich einen Supervisor suchen, der ihn kontrolliert." Er habe mit dem damaligen Weihbischof Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen geredet, auch mit Generalvikar Gruber, "ob die Warnung schriftlich oder mündlich kam, weiß ich nach 30 Jahren nicht mehr". Spätestens 1985 aber - Kardinal Ratzinger ist inzwischen in Rom, der Erzbischof in München heißt Friedrich Wetter - erhält das Erzbistum Huths Einschätzung schriftlich. H. ist straffällig geworden, er hat alkoholisiert mit Minderjährigen Pornos geguckt, es gibt ein Verfahren vor dem Amtsgericht Ebersberg. Huths Kollege Johannes Kemper verfasst ein 60 Seiten umfassendes Gutachten, Huth beschreibt für das Gericht seine Eindrücke auf sechs Seiten. "Wir waren uns beide einig", sagt Huth: H. darf nicht mit Kindern zusammenarbeiten, er braucht eine Entziehungskur, er braucht Aufsicht. Wie man dann den Mann nach einem Jahr, noch während der Bewährungsfrist, zum Pfarrer von Garching an der Alz machen konnte, ist Gruber bis heute ein Rätsel. Der letzte Satz seines Gutachtens lautete: "Ich halte es für ausgeschlossen, dass man Pfarrer H. jemals noch mit Jugendlichen arbeiten lässt." Dies sei ihm "in glaubhafter Weise selber klar geworden" - "da hatte ich mich geirrt", sagt Huth. Genberalvikar Gruber hat dagegen der SZ gesagt: "Nachdem, was mir die Therapeuten sagten, war es möglich, dass der Pfarrer wieder eingesetzt wird."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-missbrauch-der-paedophile-pfarrer-ein-begnadeter-schauspieler-1.24937
Kirche: Missbrauch - Der pädophile Pfarrer - ein begnadeter Schauspieler
00/03/2010
"Ausgeschlossen, dass man Pfarrer H. jemals noch mit Jugendlichen arbeiten lässt" - so schrieb der Psychiater Werner Huth vor 25 Jahren über einen pädophilen Gottesmann. Doch das Erzbistum München ignorierte die Warnung. Huth erinnert sich im SZ-Gespräch auch an Joseph Ratzinger.
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Bei vorherigen Gerichtsterminen bestritt er eine Beteiligung an den Anschlägen von Mumbai stets - nun hat sich ein US-Bürger schuldig bekannt. Kurzmeldungen im Überblick. Im Zusammenhang mit den Anschlägen von Mumbai im November 2008 mit 166 Toten hat sich ein US-Bürger vor einem Gericht in Chicago schuldig bekannt. David Coleman Headley gab außerdem zu, dass er an Planungen für ein Attentat auf die dänische Zeitung Jyllands-Posten wegen deren Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed in Dänemark beteiligt war. Der Sohn eines früheren pakistanischen Diplomaten und einer US-Bürgerin erklärte, dass er nach Indien und Dänemark gereist sei, um dort Anschlagsorte auszuspähen. Dabei habe er sich der Hilfe eines Freundes bedient und dessen auf Auswanderung spezialisiertes Reisebüro als Tarnung benutzt. Bei zwei Terminen im Dezember und Januar hatte Headley noch auf nicht schuldig plädiert. Im Gegenzug für Headleys Schuldeingeständnis versprach die Staatsanwaltschaft, gegen ihn nicht die Todesstrafe zu beantragen und ihn nicht nach Indien, Pakistan oder Dänemark ausliefern zu lassen. US-Justizminister Eric Holder wertete Headleys Schuldeingeständnis als "entscheidenden Schritt nach vorn". Er werde künftig "wichtige Informationen über terroristische Aktivitäten liefern", erklärte der Minister. Der Bundestag hat den Haushalt 2010 mit Rekordschulden verabschiedet, in Iran ist ein Vertrauter des ehemaligen reformorientierten Präsidenten Rafsandschani festgenommen worden und Sarkozy droht eine neue Schlappe: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-mumbai-verschwoerer-gestaendig-1.5365
Mumbai-Verschwörer geständig
00/03/2010
Bei vorherigen Gerichtsterminen bestritt er eine Beteiligung an den Anschlägen von Mumbai stets - nun hat sich ein US-Bürger schuldig bekannt. Kurzmeldungen im Überblick.
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Das Nahost-Quartett hat bei einem Treffen in Moskau die israelischen Siedlungspläne verurteilt. Zugleich appellierte die Vermittlergruppe an diesem Freitag an die Palästinenser, alle Provokationen in der Konfliktregion einzustellen. Das Quartett begrüße jedoch die grundsätzliche Bereitschaft beider Parteien zu Gesprächen, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei einer vom russischen Staatsfernsehen live übertragenen Pressekonferenz. Das Nahost-Quartett aus Russland, den USA, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union strebe innerhalb von zwei Jahren eine Einigung zwischen Israel und den Palästinensern an. Alle Staaten der Region sollten einen Dialog unterstützen. Das Quartett fordere Israel weiter auf, alle seit März 2001 errichteten Siedlungen wie im Friedensplan (Road Map) vorgesehen wieder abzureißen, sagte Ban. Der UN-Generalsekretär kündigte eine baldige Reise in den Gazastreifen an. Er sei "tief beunruhigt" über die humanitäre Situation in dem abgeriegelten Palästinensergebiet. "Aufwieglerische Rhetorik" Ban rief die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, mehr zur Bildung eines "unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen" Palästinenserstaats zu unternehmen. Allerdings müssten die Palästinenser ihre "aufwieglerische Rhetorik" zügeln. "Ein Dialog ist ein wichtiger Schritt zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen." US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die jüngsten Pläne Israels zum Bau von 1600 Wohnungen im arabischen Ostteil Jerusalems als "einseitige Schritte, die nicht bei der Lösung der Situation" helfen. "Wir hoffen sehr, dass beide Parteien schon bald zumindest indirekte Verhandlungen beginnen", sagte Clinton. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach von "sehr deutlichen Schlussfolgerungen" des Quartetts, die er im Nahost-Konflikt als "Schritt vorwärts" betrachte. "Ich gehe davon aus, dass Israel diese Erklärung hören und richtig verstehen wird", betonte Lawrow. An dem Treffen in Moskau nahmen auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sowie der neue Nahostbeauftragte Tony Blair teil. In der Nacht zum Freitag hatten israelische Kampfflugzeuge Ziele im Gazastreifen angegriffen. Wie das Armee-Radio berichtete, wurden Werkstätten zur Waffenherstellung und Schmugglertunnel im Süden des Palästinensergebiets an der Grenze zu Ägypten beschossen. Angaben über Schäden oder Verletzte gab es zunächst nicht. Die Angriffe erfolgten nur wenige Stunden nach einem tödlichen Raketenangriff militanter Palästinenser, bei dem in einem israelischen Grenzort ein thailändischer Arbeiter getötet worden war. Es war das erste Mal seit dem Gaza-Krieg vor 14 Monaten, dass wieder ein Mensch in Israel bei einem solchen Angriff ums Leben kam.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/treffen-in-moskau-nahost-quartett-verurteilt-israels-siedlungsplaene-1.9334
Treffen in Moskau - Nahost-Quartett verurteilt Israels Siedlungspläne
00/03/2010
"Tief beunruhigt": Das Nahost-Quartett hat Israels Ankündigung zum Ausbau jüdischer Siedlungen in Ost-Jerusalem scharf kritisiert.
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Die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht: Verteidigungsminister Guttenberg agiert erratisch und leistet sich gravierende Fehler. Dennoch ist er beliebt wie kein anderer deutscher Politiker. Karl-Theodor zu Guttenberg hat geschafft, was sonst nur Außenministern gelingt, wenn sie nicht gerade Guido Westerwelle heißen: Ohne besondere Leistungen im Amt erbracht zu haben, ist Guttenberg zum populärsten Politiker in Deutschland avanciert. Mehr als zwei Drittel der Wähler finden den bayerischen Adeligen sympathisch. Für einen Politiker ist diese nahezu leistungsunabhängige Zustimmung ein enormes Kapital. Wenn Guttenberg nicht einen skandalösen Fehler macht, wird er noch lange in der Spitzenpolitik präsent bleiben - zumal da er der CSU angehört, die sonst Verwaltungscharismatiker wie Edmund Stoiber oder bauernschlaue Großprovinzler wie Horst Seehofer hervorbringt. Das Modell Guttenberg, bodenständiger Weltmann mit Manieren, ist für die CSU neu und für viele Deutsche offenbar attraktiv. Verschlüge es Guttenberg gar ins Außenministerium - was die deutsche Politgeographie nahezu unmöglich macht -, gäbe es für ihn kaum eine Grenze mehr. Guttenbergs Darling-Faktor hat bisher nicht unter den sichtbaren Fehlern gelitten, die er als Verteidigungsminister bereits gemacht oder zu verantworten hat. Vor allem zwei sind zu nennen: die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht. Erstere hat gezeigt, wie ein zu selbstsicherer, weil selbstverliebter Politiker in einem für ihn neuen Amt Führungsstärke demonstrieren wollte, dies aber erratisch und auf dem Rücken Untergebener tat. Dieser Fehler lag im Charakter Guttenbergs begründet. Die Verkürzung der Wehrpflicht dagegen ist ein politisch-strategischer Fehler. Zwei sich widersprechende Koalitionspartner fanden einen schlechten Kompromiss, der weder dem Überleben der Wehrpflichtarmee dient (das will die Union) noch das Aussetzen der Wehrpflicht (so möchte es die FDP) befördert. Der einzige Sinn der Kappung der Dienstzeit auf eine militärisch wie militärpolitisch sinnlose Kürze liegt darin, dass wieder einer jener für Union und FDP angeblich gesichtswahrenden Kuhhändel geschlossen wurde. Diese Form des Primats der Politik über die Armee ist schädlich. Ein guter Verteidigungsminister würde sich wehren. Guttenberg aber beschleunigt die ganze Angelegenheit noch. Die Wehrpflicht war die Wehrform des 19. und 20.Jahrhunderts. Hier spielten Massenarmeen die entscheidende Rolle, unabhängig vom politischen Zweck. Es gibt keine Wehrform, die charakteristisch ist für die Demokratie. Hitlers Wehrmacht bestand ebenso aus Wehrpflichtigen wie Bundeswehr und NVA. Die Tatsache, dass die Bundeswehr lange Zeit eine kopfstarke Wehrpflichtarmee war, hatte mit der Art der Bedrohung in Europa, aber auch mit der Beschränkung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung zu tun. Die Zeiten haben sich grundlegend geändert, was die Armee so nicht nachvollzogen hat. Union und SPD haben lange in nahezu ideologischer Sturheit an der Wehrpflicht festgehalten, obwohl es in Europa keine militärische Bedrohung mehr gibt, obwohl aus der regionalen Abschreckungsarmee eine Truppe weltweiter Einsätze geworden ist, obwohl Nato-Nachbarn nur Freiwilligenarmeen unterhalten, obwohl die Wehrpflicht zum selektiven Dienst derer, die wollen oder derer, die sich nicht wehren, mutiert ist.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsminister-guttenberg-der-selbstverliebte-darling-1.11544
Verteidigungsminister Guttenberg - Der selbstverliebte Darling
00/03/2010
Die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht: Verteidigungsminister Guttenberg agiert erratisch und leistet sich gravierende Fehler. Dennoch ist er beliebt wie kein anderer deutscher Politiker.
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Die "Organisationseinheit 85" war angetreten, um schwarze Schafe in den eigenen Reihen zu finden. In den sechziger Jahren überprüfte die Sondereinheit die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit. Mehr als 70 BND-Mitarbeiter, die hohe Nazi-Ämter inne gehabt hatten oder nachweislich in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen waren,wurden daraufhin entlassen, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung in dieser Woche berichtet hatte. Auch die "Gruppe 85", die im vergangenen Herbst im Bundesverteidigungsministerium tätig war, beschäftigte sich mit den eigenen Leuten. Allerdings kam es hier anscheinend weniger auf innere Reinigung an als auf die Außenwirkung. Nachdem bei dem umstrittenen Angriff auf zwei Tanklastzüge bei Kundus am 4. September 2009 auch Zivilisten ums Leben gekommen waren, untersuchte die Nato den Vorfall. Die deutsche "Gruppe 85" sollte diese Untersuchung begleiten. Sie begann ihre Arbeit am 9. September - fünf Tage nach dem Angriff - und beendete sie kurz bevor Karl-Theodor zu Guttenberg Ende Oktober das Verteidigungsressort übernahm. Unklar ist, mit welcher Absicht die "Gruppe 85" ihrer Arbeit nachging: Nur beobachten oder auch beeinflussen? Der inzwischen entlassene Staatssekretär Peter Wichert bestätigte am Donnerstag im Untersuchungsausschuss, dass er die Arbeitsgruppe eingesetzt habe. Sie sollte die Untersuchungen der Nato zum Luftschlag begleiten und sicherstellen, dass der Bericht neutral ausfalle. Es sei ihm darum gegangen, dass nicht "eine einseitige Untersuchung der Nato in die Welt gesetzt wird, der wir dann hinterhergelaufen wären", sagte Wichert. Tatsachen, die den verantwortlichen Oberst Klein entlasten könnten, sollen nicht unter den Tisch fallen. Anscheinend hatten kritische Äußerungen, die Nato-General McChrystal im Vorfeld gemacht hatte, den Staatssekretär zu dieser Maßnahme gebracht. Dass die "Gruppe 85" die Ermittlungen behindern und belastende Informationen vertuschen sollte, nannte Wichert am Donnerstag "blanken Unsinn". Spiegel Online hatte berichtet, dass im Ministerium eine Arbeitsgruppe aus mindestens fünf Beamten gegründet wurde, "um die Ermittlungen der Nato zu dem Fall zu beeinflussen". Der Bericht über die "Vernebelungseinheit", die einen "Spion" in der Nato-Untersuchungskommission hatte, wurde am Donnerstag kurz vor Wicherts Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss veröffentlicht. Die Glaubwürdigkeit des ehemaligen Staatssekretärs wird durch den Vertuschungsverdacht deutlich beschädigt. Pikant ist vor allem der Zeitpunkt des Vorfalls - kurz vor der Bundestagswahl am 27. September 2009. In den Papieren aus dem Verteidigungsministerium, aus denen neben Spiegel Online auch die Nachrichtenagentur dpa zitiert, ist am 16. September 2009 - elf Tage vor der Bundestagswahl - davon die Rede, dass es 100 bis 120 Todesopfer gegeben haben könnte. Offiziell wurde bis zu dem Ende Oktober in Berlin eingetroffenen Isaf-Bericht von deutlich weniger Toten gesprochen. In dem Isaf-Bericht hieß es dann, dass durch den Angriff am 4. September bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden seien. Der Untersuchungsausschuss will nun auch der Frage nachgehen, ob der Öffentlichkeit Informationen zu zivilen Opfern aus Wahlkampfgründen vorenthalten wurden. Sollte das der Fall gewesen sein, sei dies ein "ungeheurer Vorgang", sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour. Weniger wichtig, aber genauso unklar ist, warum die Arbeitsgruppe den Namen "Gruppe 85" trug. Auf diese Frage weiß man noch nicht mal im Verteidigungsministerium eine Antwort.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-ausschuss-gruppe-85-nach-den-bomben-die-pr-1.22587
"Kundus-Ausschuss - ""Gruppe 85"": Nach den Bomben die PR?"
00/03/2010
Harmlose Arbeitsgruppe oder "Vernebelungseinheit"? Die Gruppe 85 begleitete im Verteidigungsministerium die Nato-Untersuchungen des Luftschlags in Kundus.
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Ein pädophiler Priester wechselte in die Diözese München - und sein Psychiater beschwor, dem Pfarrer den Umgang mit Kindern zu verbieten. Ohne Erfolg, wie sich jetzt zeigt. Er warnte sie eindringlich - doch seine Einschätzungen wurden in der katholischen Kirche in München und Freising nicht gehört und nicht gelesen. Es war Psychiater Werner Huth, der sich eingemischt hatte. Laut New York Times beschwor er die katholische Kirche Anfang der 80er JAhre geradezu: Der wegen Kindesmissbrauchs vorbelastete Pfarrer aus dem Bistum Essen, der bei ihm in Behandlung war, dürfe auf gar keinen Fall wieder mit Kindern arbeiten. Doch die Erzdiözese München und Freising habe ihn ignoriert. Die Süddeutsche Zeitung hatte den Fall vergangene Woche publik gemacht. "Um Gottes willen, er muss dringend von der Arbeit mit Kindern ferngehalten werden", sagt Huth der New York Times. Die aktuelle Geschichte habe ihn sehr unglücklich gemacht. Nach seiner Versetzung aus Essen sollte sich der Pfarrer im Erzbistum München und Freising einer Therapie unterziehen. Das wurde vom damaligen Erzbischof Joseph Ratzinger befürwortet: Der heutige Papst Benedikt XVI. saß damals im Ordinariatsrat des Bistums. Dieses Gremium stimmte schließlich dem Umzug zu. Psychiater Huth stellte drei Bedingungen auf: Kein Alkohol, kein Kontakt zu Kindern - und ein weiterer Priester zur ständigen Aufsicht. Doch der gefährdete und gefährdende Pfarrer durfte kurz nach Beginn der Therapie parallel wieder Gemeindearbeit leisten - und er hatte erneut Kontakt zu Kindern. Davon allerdings soll Kardinal Ratzinger, der seit 2005 als Heiliger Vater den Katholiken vorsteht, aber nichts gewusst haben. Fünf Jahre später wurde der pädophile Priester erneut wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Vergeblich Einzeltherapie empfohlen Die Aussagen von Psychiater Huth werfen ein Licht auf die Arbeit mit dem pädophilen Priester. Huth empfahl eine Einzeltherapie, doch der Pfarrer lehnte ab. Er wollte lieber an den Gruppentherapien mit acht Leuten teilnehmen. Gegen sein Alkoholproblem verschrieb ihm Huth Medikamente. Doch der pädophile Geistliche kam ihm in den Therapiestunden nicht sonderlich motiviert vor. "Er machte die Therapie aus Angst, seinen Posten zu verlieren - und aus Angst vor Strafe", sagt Huth der New York Times. Der 1929 geborene Huth hat die Kirche nach eigenen Angaben regelmäßig über den Verlauf der Therapie unterrichtet. Doch die Gebote, die er aufgestellt hatte - kein Kontakt zu Kindern, kein Alkohol und jederzeit ein weiterer Priester zur Aufsicht - wurden nur sporadisch beachtet. Für den Prozess 1986 holte das Gericht das Gutachten eines weiteren Therapeuten ein. Auch Therapeut Johannes Kemper schrieb bei dem Delinquenten dem Alkohol eine "große Rolle" zu: "Vor dem sexuellen Missbrauch trank er, und unter dem Einfluss des Alkohols sah er sich zusammen mit Jugendlichen Pornovideos an." Internationales Medienecho Der Fall hat international großes Aufsehen erregt. Papst Benedikt XVI. äußerte sich am vergangenen Wochenende nicht zu den Fehlern, die auch unter seiner Führung in München geschehen sind. Der Vatikan kündigte für den morgigen Samstag einen Hirtenbrief des Papstes an die irischen Bischöfe an - aufgrund der dortigen Missbrauchsfälle. Wann spielt Deutschland eine Rolle?
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-kirche-psychiater-warnte-vor-phaedophilem-vergebens-1.8452
Missbrauch in der Kirche - Psychiater warnte vor Phädophilem - vergebens
00/03/2010
Ein pädophiler Priester wechselte in die Diözese München - und sein Psychiater beschwor, dem Pfarrer den Umgang mit Kindern zu verbieten. Ohne Erfolg, wie sich jetzt zeigt.
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Helmut Schmidt, jetzt 91 Jahre alt, wird eine ungebrochene Aufmerksamkeit zuteil. Er scheint das Bedürfnis der Deutschen nach einem elder statesman zu erfüllen, der die Rolle des weisen und lebenserfahrenen Ratgebers für eine ganze Nation übernimmt. Der Altbundeskanzler lebt und arbeitet in Hamburg, die Tage verbringt er in seinem Reihenendhaus und im Büro in der Redaktion der Zeit, deren Herausgeber er ist. Dort empfängt er bevorzugt seine Gäste, die aus aller Welt anreisen: Poltiker, Botschafter, Journalisten. Selbst zu reisen fällt ihm inzwischen schwer. Schmidt meidet die Mühsal, aber er vermisst auch die Abwechslung. Besucher müssen sich zuerst die Klage anhören, dass es kein Vergnügen sei, wenn der Körper altere, der Geist aber so rege sei wie immer. In der Tat: Schmidt formuliert druckreif, er urteilt scharf, manchmal auch unbarmherzig. Hat er ein Thema nicht ausreichend durchdrungen, fällt er in grüblerisches Schweigen. Danach fallen die Sätze wieder wie letztinstanzliche Urteile. Noch immer betreibt er seine "Freitagsgesellschaft", den Kreis aus mehr als einem Dutzend guter Freunde aus allen Disziplinen, die sich in seinem Haus im Wintersemester zu "Vorlesungen" versammeln. Schmidt beherrscht die Gabe, jedem Wort eine höhere Weihe zu geben. Die Zigarette wird dabei rituell eingesetzt. Sie ist wie eine Denkhilfe. Schmidt raucht wenig, dennoch verglühen etwa 20 Zigaretten im Verlauf von zwei Stunden. Die Asche wird abgeschüttelt und verschwindet in einem Verlies unter einer rotierenden Metallplatte. Stefan Kornelius, Ressortleiter der Außenpolitik-Redaktion der Süddeutschen Zeitung, traf Schmidt zum großen SZ-Interview. Auszüge davon lesen Sie hier. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland Sinn und Zweck der Bundeswehr angesichts des Afghanistan-Einsatzes hinterfragt werden, hält der Altbundeskanzler die Frage, ob man die Bundeswehr in ihrer bestehenden Form überhaupt braucht, für berechtigt. Schmidt: "Die Frage kann man durchaus ernsthaft aufwerfen. Aber ich würde sie bejahen, denn man weiß nie, was sich in Europa an unerfreulichen Dummheiten entwickelt. Wir brauchen allerdings jedenfalls keine 500.000-Mann-Armee. Und man kann im Ernst die Frage stellen, ob wir eine Wehrpflicht brauchen, zumal sie nur sehr selektiv ausgeschöpft wird." Dass von al-Qaida eine ernsthafte Bedrohung für Deutschland ausgeht, glaubt auch Schmidt. Allerdings hält er das Grundgesetz für diese neue Art der Bedrohung nicht vollends gerüstet. Schmidt: "In der gegenwärtigen Situation, da man sich verteidigt gegenüber einem mächtigen, gefährlichen Gegner, genannt al-Qaida, in dieser Situation gibt es an der Notwendigkeit einer Verteidigung kaum Zweifel. Aber das alles passt mit dem Text des Grundgesetzes nicht wirklich zusammen. Das gilt übrigens auch für die Vorschriften des Grundgesetzes über den Oberbefehl. Eine Frage wäre, ob man das Grundgesetz an die veränderte Lage anpassen soll. Ich wäre da sehr zögerlich, weil ich skeptisch bin gegenüber der dauernden Bastelei am Grundgesetz. Die Deutschen haben in 60 Jahren das Grundgesetz genauso oft geändert wie die Amerikaner in 250 Jahren. Außerdem neigt das Oberste Gericht in Deutschland seinerseits dazu, über den Zaun zu fressen und das Grundgesetz zu strapazieren für alle möglichen Dinge, die nicht unbedingt notwendig sind." Das Unbehagen in der Bevölkerung kann Schmidt nachvollziehen. Angesichts des Anwachsens der nuklearen Mächte ist es für den Altbundeskanzler nur zu verständlich. Schmidt: "Das Unbehagen großer Teile der öffentlichen Meinung in Deutschland gegenüber dem Militärischen ist zum erheblichen Teil gerechtfertigt. Es rührt auch daher, dass es nicht nur um Probleme geht wie Afghanistan, Somalia, Kosovo oder Sudan. Vielmehr geht es eben auch um das in Wirklichkeit sehr bedrohliche Problem der Überrüstung der ganzen Welt - nuklear und konventionell. Es gibt heute mehr als 20.000 nukleare Sprengköpfe auf der Welt, die innerhalb von ganz kurzer Zeit abschießbar sind. Gleichzeitig haben die fünf ursprünglichen Atomwaffen-Staaten den Nichtverbreitungsvertrag im Artikel 6 nicht erfüllt. Wir beobachten eine Ausdehnung der Zahl der nuklearen Mächte. Jetzt sind es neun, und es ist vorherzusehen, dass diese Entwicklung weitergeht. Nicht unbedingt nur mit Iran." Dass dieses Unbehagen, das in der Gesellschaft herrscht, aber von der deutschen Politik beseitigt werden kann, daran hat Schmidt starke Zweifel. Schmidt: "Diese Unlustgefühle der Deutschen sind im Augenblick ein bisschen einseitig konzentriert auf Afghanistan. Sie haben die Welt als Ganzes nicht im Blick. Am ehesten lassen sie sich noch Angst machen vor China, was gegenwärtig am wenigsten gerechtfertigt ist. Eigentlich wäre eine in aller Gelassenheit, aber mit Sorgfalt zu führende Debatte über die deutschen Interessen wünschenswert. Stattdessen ist aber die politische Debatte in Deutschland lange Zeit nicht so oberflächlich gewesen. Sie beschäftigt sich mehr mit Oberflächlichkeiten der deutschen Innenpolitik und mit phantastischen außenpolitischen Gedanken. Zum Beispiel, ob man nicht die Russen einladen sollte, dem Nordatlantischen Bündnis beizutreten. Das wäre eine wunderbare Provokation gegenüber chinesischen strategischen Planern. Auch dies ist ein Kennzeichen der Oberflächlichkeit."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/helmut-schmidt-im-sz-interview-nicht-alle-probleme-gehen-uns-etwas-an-1.2373
"Helmut Schmidt im Interview - ""Nicht alle Probleme gehen uns etwas an"""
00/03/2010
Altbundeskanzler Helmut Schmidt über Sinn und Zweck der Bundeswehr und der Nato - und die wichtigste Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik.
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Das Massaker von Srebrenica, das bosnisch-serbische Streitkräfte in der Muslimen-Enklave während des Bosnienkriegs verübt haben, gilt bis heute als grausames Symbol des Bürgerkriegs auf dem Balkan. Die UN bewerten das Verbrechen als Völkermord. Während des Jugoslawienkriegs war Srebrenica 1995 von Niederländern bewacht worden. Diese waren in der Unterzahl und hatten kein Kampfmandat des UN-Sicherheitsrates. Nach Angriffsdrohungen zogen sich die niederländischen Blauhelmsoldaten zurück. Daraufhin eroberten bosnisch-serbische Streitkräfte Srebrenica und töteten rund 8000 muslimische Männer und Jungen. Schwule "Teil des Problems" Der frühere US-Marineinfanterie-General und Nato-Kommandeur John Sheehan behauptet nun, das Massaker von Srebrenica wurde nicht verhindert, weil Homosexuelle in den niederländischen UN-Friedenstruppen eine zu geringe Kampfmoral gezeigt hätten. Bei der Senatsanhörung erklärte Sheehan vor laufenden Kameras, der damalige niederländische Stabschef Henk van den Breemen habe ihm gesagt, Schwule in seiner Armee seien in Srebrenica "Teil des Problems" gewesen. Der 1997 pensionierte General war zu Fragen über eine mögliche Zulassung von Homosexuellen zum Dienst in den US-Streitkräften angehört worden. Der niederländische Botschafter in Washington wies die Behauptungen im Namen seiner Regierung zurück. Derartige Vorwürfe seien "völliger Unsinn" erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Den Haag. Die Behauptung sei "schlichtweg albern", hieß es im niederländischen Verteidigungsministern. "Das Massaker von Srebrenica und die Rolle der UN-Soldaten sind durch die Niederlande, internationale Organisationen und die Vereinten Nationen intensiv untersucht worden", sagte Ministeriumssprecher Roger van de Wetering. "Dabei wurde niemals festgestellt, dass die sexuelle Orientierung von Soldaten irgendeine Rolle spielte."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hetze-gegen-homosexuelle-us-general-schwule-schuld-an-srebrenica-1.8438
Hetze gegen Homosexuelle - US-General: Schwule schuld an Srebrenica
00/03/2010
"Geringe Kampfmoral": Ein früherer Nato-Kommandeur behauptet, schwule Streitkräfte trügen Mitschuld am Völkermord in Srebrenica.
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Eine erste deutsch-deutsche Annäherung: 1970 reiste Bundeskanzler Willy Brandt nach Erfurt zu DDR-Ministerpräsident Willi Stoph. Es kam zu einer historischen Szene. Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) reist am 19. März per Sonderzug in die DDR. Auf dem Erfurter Hauptbahnhof begrüßt ihn DDR-Ministerpräsident Willi Stoph mit Händedruck. Es ist das erste deutsch-deutsche Treffen seit der Teilung. Der einige Monate zuvor als vierter deutscher Bundeskanzler vereidigte Brandt begann damit seine "neue Ostpolitik", die sich unter anderem durch eine Abkehr von der Hallstein-Doktrin auszeichnete, die bis 1969 die deutsche Außenpolitik bestimmte. Mit Hilfe dieser Doktrin sollte die DDR isoliert werden - die Bundesrepublik hatte in den Jahren zuvor diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu jenen Staaten abgebrochen, die mit der DDR kooperierten. Foto: dpa
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/erfurt-19-maerz-1970-willy-brandt-ans-fenster-1.22109
Erster Kanzlerreise in die DDR 1970
00/03/2010
Eine erste deutsch-deutsche Annäherung: 1970 reiste Bundeskanzler Willy Brandt nach Erfurt zu DDR-Ministerpräsident Willi Stoph. Es kam zu historischen Szenen.
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"Stil- und würdelos": Nach der Aussage des geschassten Generalinspekteurs im Untersuchungsausschuss schießt sich die Opposition auf Verteidigungsminister Guttenberg ein. Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war von Anfang an über die Details der Luftschläge in Kundus informiert. Das jedenfalls sagte der ehemalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gestern im Untersuchungsausschuss. Mit seiner Aussage erhöhte Schneiderhan den Druck auf den CSU-Mann. "Wenn Guttenberg im Zusammenhang mit einer zentralen Führungsentscheidung gelogen haben sollte, ist er als Verteidigungsminister nicht mehr tragbar", sagte Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag der Berliner Zeitung. "Guttenberg hat eine Fehlbewertung vorgenommen, musste sie dann korrigieren und hat dann schnell einen Sündenbock gesucht, auf den er die Verantwortung abwälzt", sagte der SPD-Politiker. "Das ist stil- und würdelos. Beide fühlen sich in ihrer Ehre tief verletzt. Das schlägt auf ihn zurück." Guttenberg hatte Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert im November entlassen, weil sie ihm seiner Aussage zufolge wertvolle Informationen zu dem Luftschlag auf zwei Tanklastzüge vorenthalten hatten. Ähnlich äußerte sich Grünen-Ausschussmitglied Omid Nouripour: "Ich bin der Meinung, dass der Minister zurücktreten muss, wenn wir klargestellt haben, dass er gelogen hat", sagte er dem ARD-Morgenmagazin. Ob Guttenberg tatsächlich die Unwahrheit gesagt habe, könne er noch nicht sagen, so Nouripour. Es sei noch einiges "ungereimt". "Guttenberg hat seine These, er wäre falsch oder schlecht informiert worden, auf keine Weise fundiert", sagte Rainer Arnold, der für die SPD im Untersuchungsausschuss sitzt. Aus den ihm angeblich vorenthaltenen Akten hätte Guttenberg keine zusätzlichen Information bekommen können, so Arnold. Für den Verteidigungsminister sprang FDP-Ausschussmitglied Hellmut Königshaus in die Bresche. Königshaus, der demnächst den seit 2005 amtierenden Wehrbeauftragten Reinhold Robbe ablösen soll, sagte dem Deutschlandfunk, für eine endgültige Bewertung müsse Guttenberg selbst gehört werden. Weshalb der Minister seine Ansicht über die militärische Angemessenheit des Luftschlags geändert habe, wisse man noch nicht, so Königshaus. Verteidungsminister Guttenberg soll am 22. April im Untersuchungsausschuss aussagen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-affaere-feuer-frei-auf-guttenberg-1.17083
Feuer frei auf Guttenberg
00/03/2010
"Stil- und würdelos": Nach der Aussage des geschassten Generalinspekteurs im Untersuchungsausschuss schießt sich die Opposition auf Verteidigungsminister Guttenberg ein.
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Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier. Der Verdacht: Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs. Zum ersten Mal seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs im Juni 2002 werden zwei Soldaten der Bundeswehr beschuldigt, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. Der Anfangsverdacht, dass bei dem Luftangriff von Kundus im September 2009 gegen Paragraph 11 des Völkerstrafgesetzbuchs verstoßen wurde, habe sich "auf niedriger Stufe" bestätigt, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Die Stuttgarter Zeitung berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, Klein und der Flugleitoffizier seien bereits in der kommenden Woche als Beschuldigte zur Vernehmung vorgeladen - hierzu wollte der Sprecher der Bundesanwaltschaft jedoch keine Angaben machen. Bei dem von Klein befohlenen Luftangriff am 4. September 2009 nahe der nordafghanischen Stadt Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter auch viele Zivilisten. Bereits am Montag hatte die Bundesanwaltschaft angekündigt, dass die Behörde die Situation in Afghanistan als einen "nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" einstuft - eine völkerrechtliche Umschreibung für Bürgerkrieg. Der Maßstab für die rechtliche Bewertung des Luftschlags ergibt sich deshalb vorrangig aus den orschriften des Völkerstrafgesetzbuches. Der relevante Paragraph 11, Absatz 3, des Völkerstrafgesetzbuchs legt fest, dass ein Kriegsverbrechen begeht, wer "mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht". Der Sprecher der Bundesanwaltschaft erklärte in der Stuttgart Zeitung außerdem, dass seine Behörde derzeit noch mit einem weiteren Fall befasst sei, in dem Bundeswehrsoldaten eines Kriegsverbrechens verdächtigt würden. Im Juli 2009 sei es zu zivilen Opfern gekommen, nachdem ein Kleinlaster in Afghanistan von Soldaten beschossen worden war. Der Fall sei von einer saarländischen Staatsanwaltschaft zur Prüfung nach Karlsruhe geleitet worden. In Koalitionskreisen in Berlin wird dem Bericht zufolge erwartet, dass das Ermittlungsverfahren gegen Klein und den Flugleitoffizier am Ende eingestellt und keine Anklage erhoben wird. Die Bundesanwaltschaft wies darauf hin, dass ein Ermittlungsverfahren schon deshalb notwendig sei, um die sachliche Prüfung des Falles abschließen zu können. Klein hatte im September vergangenen Jahres nahe Kundus das Bombardement zweier Tanklaster durch US-Flugzeuge veranlasst, bei dem nach Nato-Angaben bis zu 142 Menschen getötet wurden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/luftangriff-von-kundus-ermittlung-wegen-kriegsverbrechen-1.9968
Luftangriff von Kundus - Ermittlung wegen Kriegsverbrechen
00/03/2010
Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier. Der Verdacht: Kriegsverbrechen im Sinne des Völkerstrafgesetzbuchs.
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Als US-Präsident ist Barack Obama zugleich Oberbefehlshaber der Armee seines Landes. Das gibt ihm das Recht, im Kriegsfall den Abwurf einer Atombombe zu befehlen. Nicht vorgesehen ist freilich, dass er daheim Politik mit derart explosiven Mitteln betreibt. Das aber ist Obama im Begriff zu tun: Per Interview hat er seinen Demokraten im Kongress praktisch die Erlaubnis gegeben, das politische System der USA zu sprengen. Wenn die demokratischen Fraktionsführer in Abgeordnetenhaus und Senat die umstrittene Gesundheitsreform nur mit Hilfe eines dubiosen Verfahrenstricks durchs Parlament drücken könnten, so solle ihm das recht sein, ließ Obama wissen. Er habe anderes zu tun, als sich um Verfahrensregeln zu sorgen. Im Weißen Haus liegen die Nerven blank, nur so ist Obamas harte Haltung zu erklären. Die Gesundheitsreform ist das mit Abstand wichtigste innenpolitische Vorhaben des Präsidenten. Obama hält es - völlig zu Recht - für einen Skandal, dass in einem reichen Land wie den USA etwa 50 Millionen Menschen keine Krankenversicherung haben; dass Menschen finanziell ruiniert sind, weil sie sich ein Bein brechen; oder dass ein Kind stirbt, weil eine entzündete Zahnwurzel nicht behandelt wird. Obamas Reform soll einigen Millionen bisher unversicherten Amerikanern eine bezahlbare Krankenversicherung verschaffen. Dass der Präsident dafür kämpft, ist richtig. Zudem kann man Obama nicht dafür schelten, dass er keine Rücksicht auf die oppositionellen Republikaner mehr nehmen will. Sie haben seine Reform torpediert und verleumdet. Die Auseinandersetzung ist längst zu einer Kraftprobe zwischen Präsident und Opposition geworden - ein Machtkampf, in dem sich Obama keine Niederlage leisten kann. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Obama die Reform trotzdem durchdrücken will.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-plaene-fuer-den-legislativen-amoklauf-1.20578
USA - Pläne für den legislativen Amoklauf
00/03/2010
Obama fehlt für seine Gesundheitsreform die Mehrheit im Kongress. Jetzt erwägt der Präsident unlautere politische Tricks.
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Die Union will wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen. Den Liberalen ist das nicht genug. Ministerpräsident Rüttgers sieht Klärungsbedarf. Die FDP ist offen für die Pläne der Union für eine rasche, abgespeckte Steuerreform zum 1. Januar 2011, will aber bis 2014 eine zweite Entlastungsstufe durchsetzen. In Parteikreisen hieß es, zwar würde man sich eine große Reform in einem einzigen Schritt wünschen. "Aber wir müssen uns wohl oder übel mit einer Aufsplittung abfinden. Wir entscheiden in der Koalition nicht allein", hieß es mit Blick auf den Wunsch von CDU und CSU, noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ein Signal an die Bürger zu senden. Die darüber hinaus zugesagten Steuererleichterungen müssten aber nachgeholt werden. Auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, die Bundesregierung müsse vor der Wahl eine Richtungsentscheidung treffen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es in der Koalitionsspitze den Plan, wichtige Projekte nicht länger auf die Zeit nach dieser Wahl zu verschieben. Ziel sei es, Geschlossenheit, Zielstrebigkeit und Seriosität zu zeigen und damit den Ärger vieler Bürger über die vermeintliche Untätigkeit von Union und FDP zu mildern. Die NRW-Wahl ist für die Bundesregierung sehr wichtig, weil sie bei einer Niederlage der schwarz-gelben Landesregierung ihre Mehrheit im Bundesrat verlöre. Nach Angaben aus der FDP und der CSU stammt die Idee einer gesplitteten Steuerreform von Kanzlerin Angela Merkel. CSU-Chef Horst Seehofer sagte bei einem Treffen mit Parteikollegen nach Angaben von Teilnehmern, Merkel wolle dieses Projekt auf den Weg bringen. Wie Teilnehmer sagten, befürwortete die Runde den Vorschlag. Statt einer Entlastung um 19,5 Milliarden Euro, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, steht nun ein Volumen von zunächst fünf bis zehn Milliarden Euro im Raum. Merkel hatte die Kursänderung am Mittwoch im Bundestag angedeutet. Anders als noch bei ihrer Regierungserklärung im November versprach sie nur kleinere Änderungen zugunsten von Gering- und Durchschnittsverdienern, erwähnte die vereinbarte Einführung eines Stufentarifs aber nicht mehr. Die FDP hingegen beharrt zumindest auf einem Einstieg noch in dieser Wahlperiode und will dafür im April einen Vorschlag erarbeiten. Wann CDU, CSU und FDP über ihr Vorgehen beraten werden, ist noch offen. Ein Regierungssprecher dementierte, dass das Thema Steuern beim Treffen Merkels mit Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag auf der Tagesordnung steht. Nach SZ-Informationen soll es bei dieser Zusammenkunft unter anderem um die Frage gehen, wie die Finanzmärkte besser reguliert und die deutschen Banken an den Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise beteiligt werden können. Deshalb wird auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an dem Treffen teilnehmen. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bot der Bundeskanzlerin Unterstützung für eine abgespeckte Steuerreform an. Voraussetzung sei, dass nur Steuern für kleine und mittlere Unternehmen reduziert und zugleich Sozialabgaben für Klein- und Durchschnittsverdiener gesenkt würden. Wenn die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit bei der NRW-Wahl durch einen Sieg der SPD verlorengehe, würde man sicherlich Wege finden, gemeinsam mit Merkel "richtige steuerpolitische Signale zu setzen" und damit die "steuerpolitische Geisterfahrt" der Liberalen zu stoppen, sagte Gabriel.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/vorgezogene-steuerreform-immer-noch-zu-wenig-1.11573
Vorgezogene Steuerreform - Immer noch zu wenig
00/03/2010
Die Union will wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen. Den Liberalen ist das nicht genug. Ministerpräsident Rüttgers sieht Klärungsbedarf.
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Eine Steuerreform vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen soll Union und FDP retten. Sich davon ein Wahlkampfwunder zu erwarten ist aber so realitätsfern wie das Vorhaben selbst. Das Weiterleben nach dem Tod gehört zu den großen Geheimnissen der Religionen. Das Weiterleben vor dem Tod ist die besondere Spezialität der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Fast seit Anbeginn demonstriert diese Koalition dem staunenden Publikum, dass es kaum etwas gibt, was sie zusammenhält. Bei der Landtagswahl am 9. Mai im gleichfalls schwarz-gelb regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen könnte sie die Quittung dafür erhalten. Diese Landtagswahl könnte zum Menetekel werden für die christliberale Koalition im Bund. Der Koalitionsvertrag - eine schriftliche Lüge Tristesse ist kein Bindemittel für Merkels Regierungsbündnis; und die Freudlosigkeit, welche die Kanzlerin jüngst bei der Generaldebatte im Bundestag ausgestrahlt hat, ist kein Mittel, diese Tristesse zu überwinden. Die FDP verweist auf den Koalitionsvertrag als ein Dokument der Gemeinsamkeit. Aber noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war ein Koalitionsvertrag so realitätsfern und so wenig realitätstauglich wie dieser. Es handelt sich, zumal in den finanz- und steuerpolitischen Teilen, um eine schriftliche Lüge. Die Wähler wissen ganz gut, dass sich das Land angesichts der höchsten Verschuldung, die es je gab, Steuersenkereien nicht leisten kann. Die Chancen, dass aus einer nun eilig zusammengebastelten vorgezogenen Steuerreform ein schwarz-gelber Schlager für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen wird, stehen daher schlecht. Eilige Steuerreform ist untaugliches Mittel Eine vorgezogene Steuerreform soll den Negativtrend für Union und FDP stoppen. Sie soll von den laufenden Malaisen der Düsseldorfer Landesregierung ablenken. Sie soll den dortigen Ministerpräsidenten Rüttgers aus der Defensive bringen. Sie soll die Handlungsfähigkeit der Berliner Koalition demonstrieren. Sie soll die bequeme Mehrheit für Schwarz-Gelb im Bundesrat erhalten. Und sie soll verhindern, dass Jürgen Rüttgers am 9. Mai zum Postboten des Schicksals der Bundesregierung wird - zum Überbringer der Botschaft also, dass sich Schwarz-Gelb überlebt hat. Indes: Eine eilige Steuerreform ist dafür ein untaugliches Mittel. Sie ist, auch in einer abgespeckten Form, ein viel zu komplexes Unterfangen, um damit auf die Schnelle eine für die Koalition höchst abträgliche Stimmung umzudrehen. Man schafft mit so einer Steuerreform keine Emotionen, sondern macht sich selber Illusionen: Sich von einer eiligen Steuerreform ein Wahlkampfwunder zu erwarten ist so realitätsfern wie der Koalitionsvertrag. In Düsseldorf geht wohl die Zeit der CDU/FDP-Koalition zu Ende. Für Rot-Grün wird es nicht reichen, zu Rot-Rot-Grün kann und wird es aus verschiedensten Gründen nicht kommen; ebenso wenig zu einem sonstigen Dreierbündnis. Gegen eine große Koalition von CDU und SPD sprechen die Animositäten zwischen den Spitzenkandidaten. Bleibt Schwarz-Grün. Ein solches Bündnis in Düsseldorf wird die politische Stimmung in der schwarz-gelben Regierung Merkel nicht heben. Aber das Weiterleben vor dem Tod ist ja deren Spezialität.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/plaene-zur-steuerreform-die-schwarz-gelbe-illusion-1.11399
Pläne zur Steuerreform - Die schwarz-gelbe Illusion
00/03/2010
Eine Steuerreform vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen soll Union und FDP retten. Sich davon ein Wahlkampfwunder zu erwarten ist aber so realitätsfern wie das Vorhaben selbst.
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Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, und Ex-Staatssekretär Peter Wichert fühlen sich zu Unrecht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) entlassen. Das machten beide am Donnerstag vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages deutlich. Beide versicherten auch, dass Guttenberg schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt am 28. Oktober alle für die Bewertung des Luftschlags vom 4. September relevanten Informationen vorlagen. Schneiderhan sagte überdies, dass er Guttenberg schon frühzeitig auf Fallstricke im Zusammenhang mit dem Luftschlag von Kundus aufmerksam gemacht habe. Schneiderhan und Wichert waren von Guttenberg am 25. November vorigen Jahres entlassen worden, was von der Opposition, aber auch von Teilen der Union bis heute für falsch und voreilig gehalten wird. Guttenberg hatte das Bekanntwerden des sogenannten Feldjägerberichts zum Anlass für die Entlassung der beiden Spitzenleute genommen. Schneiderhan und Wichert sagten, dass dieser Bericht keine neue Fakten enthalten habe und deshalb zur Begründung für ihren Rauswurf nicht tauge. Guttenberg hatte am 28. Oktober das Amt von seinem Vorgänger Franz Josef Jung übernommen. Am selben Abend traf in Berlin der offizielle Abschlussbericht der Nato zum Luftschlag von Kundus ein. Am Tag darauf bezeichnete Schneiderhan in einer im Ministerium sorgfältig abgestimmten Erklärung den Luftschlag als "in operativer Hinsicht militärisch angemessen". Unmittelbar danach will Schneiderhan dem neuen Minister unter vier Augen, vor dem Start zu einem gemeinsamen Flug nach Nörvenich zur Verabschiedung des Luftwaffeninspekteurs, empfohlen haben, er solle bei der bevorstehenden Begegnung mit Journalisten bei Äußerungen zu dem Luftschlag "Vorsicht und Zurückhaltung" üben, weil "nicht alles so einfach" sei, wie es in der Kürze der ersten Unterrichtung des Ministers am Morgen womöglich ausgesehen habe. Der Minister habe sich bedankt, aber nicht weiter nachgefragt, sagte Schneiderhan.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-ausschuss-guttenberg-hatte-alle-relevanten-informationen-1.22233
"Kundus-Ausschuss - ""Guttenberg hatte alle relevanten Informationen"""
00/03/2010
Ex-Generalinspekteur Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Wichert wehren sich gegen ihren Rauswurf und "ehrabschneidende" Darstellungen.
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Vor allem im Gaza-Streifen positionieren sich immer extremistischere Gruppen. Für die Hamas ist das eine Herausforderung - und für die Welt eine große Gefahr. Wenn westliche Politiker in den Nahen Osten reisen, sehen sie sich gern auf Friedensmission. Auch die Britin Catherine Ashton, der außenpolitische Azubi aus Brüssel, wollte auf ihrer ersten Reise in die Region einen Anlauf zu neuen Verhandlungen unterstützen. Doch der Frieden ist fern, und eine der deprimierendsten Lektionen hat die EU-Außenbeauftragte Ashton nun mit dem Knall einer tödlichen Kassam-Rakete lernen müssen, die vom Gaza-Streifen aus auf Israel abgefeuert wurde. Die Lehre lautet: In diesem Konflikt wird längst schon nicht mehr nur an einer Front gekämpft, die Fronten sind überall. Je länger die Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern dauert, desto zerstörerischer wirkt sie sich auch auf das Innere der beiden Konfliktgesellschaften aus. In Israel wird der Kampf meist im weit gedehnten Rahmen der Demokratie geführt. Doch auch der jüdische Staat hat Erfahrung mit Siedlergewalt und internem Terror bis hin zum Mord an Premier Jitzchak Rabin. Die palästinensische Gesellschaft aber droht zunehmend in Einzelteile zu zerfallen - und auch das mit Gewalt. Denn mittlerweile kämpfen nicht nur die moderate Fatah und die radikale Hamas gegeneinander. Vor allem im Gaza-Streifen positionieren sich noch extremistischere Gruppen, die nicht mehr dem nationalen palästinensischen Interesse verpflichtet sind, sondern sich als Teil der dschihadistischen Internationale verstehen. Eine solche Gruppe hat sich nun wieder einer von der Hamas angeordneten Waffenruhe widersetzt und die tödliche Rakete auf Israel gefeuert. Für die Hamas ist das eine Herausforderung - und für die Welt ist es eine große Gefahr, wenn sich al-Qaida in Gaza festsetzt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-al-qaida-in-gaza-1.2587
Nahostkonflikt - Al-Qaida in Gaza
00/03/2010
Vor allem im Gaza-Streifen positionieren sich immer extremistischere Gruppen. Für die Hamas ist das eine Herausforderung - und für die Welt eine große Gefahr.
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Leise und unsicher klingt Gunther Clemens gut vier Wochen nach der Anzeige gegen FDP-Chef Guido Westerwelle. "Das nimmt mich psychisch alles total mit", sagt der 42-Jährige. Der Hartz-IV-Empänger hatte Strafanzeige gegen den Außenminister und Vizekanzler gestellt, weil er sich durch dessen Äußerungen zu Hartz IV persönlich beleidigt gefühlt hatte und dies in einem Interview mit sueddeutsche.de begründet. Westerwelle hatte sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Hartz-IV-Satz für Kinder über die "spätrömische Dekadenz" echauffiert, die seiner Ansicht nach unter deutschen Empfängern von sozialen Hiflsleistungen herrsche. Gunther Clemens, der seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen auf diese Hilfestellungen angewiesen ist, sich aber nebenbei um Arbeit bemüht, findet dies empörend. Durch gesundheitliche Probleme in der Hartz-IV-Falle Denn Gunther Clemens war nicht immer auf Hartz IV angewiesen. Der Mann aus Leer war viele Jahre als selbständiger Möbelschreiner tätig, nebenbei betrieb er einen Kurierdienst. "Die Geschäfte liefen gut - allerdings habe ich den Fehler gemacht, mehr als 50 Prozent der Aufträge von einem einzigen Kunden zu übernehmen. Als der Pleite ging, riss er uns mit in den Ruin", erinnert sich Clemens. "Das war eine große seelische Belastung, dann kamen gesundheitliche Probleme dazu und schon war ich in der Hartz-IV-Falle." Bandscheibenvorfälle, Knieprobleme und Migräne führten dazu, dass Clemens eine Umschulung zum Reiseverkehrskaufmann abbrechen musste. Hartz IV war für den Niedersachsen die letzte Möglichkeit, sich und seine Familie zu versorgen. Denn auch seine Frau ist neben ihrem 400-Euro-Job bei einem Discounter auf Hartz IV angewiesen. "Es ist wirklich schwer, über die Runden zu kommen", sagt Clemens und erzählt von den vielen Wünschen, die er seiner 15-jährigen Tochter abschlagen muss. Die würde gerne mal in den Urlaub fahren, "aber eigentlich reicht es immer nur für Balkonien", seufzt er. Die Familie lebt in einem kleinen Einfamilienhaus. Das wenige Geld, das am Ende des Monats übrig bleibt, legt Clemens lieber für die Zukunft seiner Tochter auf die Seite: "Sie möchte ihr Abitur machen und Fotografie oder Grafikdesign studieren. Um ihr das zu ermöglichen, würde ich auf fast alles verzichten."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-anzeige-gegen-westerwelle-ich-fiel-ploetzlich-in-ein-loch-1.12338
"Hartz IV: Anzeige gegen Westerwelle - ""Ich fiel plötzlich in ein Loch"""
00/03/2010
Hartz-IV-Empfänger Gunther Clemens zeigte den Vizekanzler wegen Beleidigung an. Bis heute kämpft er mit den Folgen.
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Bisher war die katholische Kirche nicht gezwungen, Missbrauchsfälle zu melden, wenn es das Opfer nicht wollte. Das soll sich nun deutschlandweit ändern. Die katholischen Bischöfe in Bayern fordern eine juristische Meldepflicht bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Die Staatsanwaltschaft könne solche Fälle besser aufklären, sagte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen. Nach den bisher geltenden Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz kann die Kirche auf eine Anzeige verzichten, wenn die Opfer das nicht wollen. Diese Lücke soll nach dem Willen der bayerischen Bischöfe geschlossen werden. "Verdacht ist ein juristischer Begriff, und da ist die Staatsanwaltschaft zuständig", sagte Erzbischof Marx. In der von ihm verlesenen Erklärung der Bischöfe heißt es: "Deshalb empfehlen die bayerischen Bischöfe einstimmig, bei der Überarbeitung der Leitlinien die Meldepflicht bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben und sie unabhängig davon sofort zu praktizieren." Die katholischen Bischöfe in Deutschland hatten bei ihrer Vollversammlung in Freiburg Ende Februar bereits beschlossen, die acht Jahre alten Leitlinien bis zum August zu überarbeiten. Derweil gab ein Sprecher des Bistums Speyer zwei weitere Verdachtsfälle bekannt: Ein Mann habe gemeldet, dass er als Junge in den 60er Jahren von einem Gemeindepfarrer sexuell missbraucht worden sei. Der Mann, der zunächst anonym habe bleiben wolle, sei nun zu einem Gespräch mit dem kirchlichen Beauftragten bereit. Im zweiten Fall ist eine Frau betroffen, die als Schülerin im Unterricht von einem Gemeindepfarrer unsittlich berührt worden sein soll. Im Bereich des Bistums wird zudem gegen zwei Patres ermittelt, die sich vor 25 Jahren im saarländischen Homburg an Schülern vergangen haben sollen. Wie der Vatikan an diesem Donnerstag in Rom mitteilte, soll ein Hirtenbrief des Papstes zum Missbrauchsskandal in der irischen Kirche am Samstag veröffentlicht werden. Papst Benedikt XVI. hatte angekündigt, den seit langem erwarteten Brief an die irischen Bischöfe am Freitag unterschreiben zu wollen. "Meine Hoffnung ist, dass der Hirtenbrief euch hilft auf dem Weg der Reue, der Heilung und der Erneuerung", hatte er betont. Erwartet wird, dass der Brief nicht nur den Missbrauch an Tausenden Kindern in Irland aufgreift, sondern auch Konsequenzen für die katholische Kirche in Deutschland zieht, die seit Wochen ebenfalls von vielen Missbrauchsfällen erschüttert wird.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-bischoefe-wollen-kuenftig-immer-die-justiz-einschalten-1.11738
Missbrauch - Bischöfe wollen künftig immer die Justiz einschalten
00/03/2010
Bisher war die katholische Kirche nicht gezwungen, Missbrauchsfälle zu melden, wenn es das Opfer nicht wollte. Das soll sich nun deutschlandweit ändern.
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Weniger Arbeiten, hohe Vermögensteuer, keine Privatbanken - der Programmentwurf der Linkspartei tritt für revolutionäre Veränderungen ein. Revolution ist ein großes Wort. Im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linkspartei kommt es eher beiläufig daher - als Adjektiv. Die Linke kämpfe in einem "großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts", heißt es da auf Seite 18. "Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein." Die verklausulierte Formulierung ist nicht untypisch für einen Text, der die Linkspartei als radikale Alternative empfehlen, die Menschen aber auch nicht verschrecken soll. An diesem Samstag treten die scheidenden Linkspartei-Vorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky noch einmal gemeinsam vor die Presse, um den Entwurf zu präsentieren, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es soll dann im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach Monaten kleinlicher Personalquerelen wieder um das große Ganze gehen. Frei nach Rosa Luxemburg stellen die Autoren die Frage: "Sozialismus oder Barbarei?" Der Entwurf, zustande gekommen in schwierigen Verhandlungen einer Programmkommission unter Leitung Lafontaines und Biskys, verlangt folglich nicht weniger als ein anderes Wirtschaftssystem, eine andere Gesellschaft und eine anderes Verständnis von Demokratie. Unmissverständlich heißt es: "Die Linke kämpft für eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse." Eine "radikale Erneuerung der Demokratie" soll dafür sorgen, dass die Wirtschaft "den Menschen und nicht dem Profit" dient. So wird in dem Entwurf die Vision einer Wirtschaftsordnung entwickelt, in der es zwar auch Privatunternehmen gibt, die aber kaum noch etwas zu tun hätte mit der freien Marktwirtschaft dieser Tage. Keinen Platz gäbe es mehr für große, private Konzerne. "Solange die Entscheidungen großer Unternehmen sich an den Renditewünschen privater Anteilseigner (Shareholder) statt am Interesse der Allgemeinheit orientieren, ist Politik erpressbar und Demokratie wird ausgehöhlt", postuliert der Entwurf. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Linkspartei die Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden reduzieren will.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/programmentwurf-der-linkspartei-wie-man-revolution-versuppt-1.4146
Programmentwurf der Linkspartei - Wie man Revolution versuppt
00/03/2010
Weniger Arbeiten, hohe Vermögensteuer, keine Privatbanken - der Programmentwurf der Linkspartei tritt für revolutionäre Veränderungen ein.
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Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, weist Vorwürfe zurück, er habe die Minister Jung und Guttenberg in der Kundus-Affäre nicht genügend informiert. Andere Vorgänge nennt er "ungeheuerlich". Seine Aussage ist mit Spannung erwartet worden: Der von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geschasste frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, hat vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Kundus-Affäre Stellung genommen - und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Schneiderhan bestritt, die politische Führung nicht ausreichend über den Luftangriff vom vergangenen September informiert zu haben. "Die Frage, ob ich die Minister so beraten habe, dass sie entscheidungsfähig waren, ja, diese Frage beantworte ich eindeutig mit ja", sagte der frühere Generalinspekteur. Allerdings müssten Informationen für die oberste Führung stets verdichtet werden, sagte er. Bei dem Luftschlag auf zwei Tanklaster in der Region Kundus waren am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen. Der Vorfall hatte in Deutschland eine erhitzte Debatte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ausgelöst. "Unübersichtlichkeit" in Afghanistan Gleichzeitig machte Schneiderhan Indiskretionen im Verteidigungsministerium für seine Entlassung verantwortlich. Die Weitergabe eines Bundeswehr-Feldjägerberichts an die Bild-Zeitung habe letztlich auch Arbeitsminister Franz Josef Jung sowie Staatssekretär Peter Wichert die Ämter gekostet, sagte er. Die Indiskretion habe nichts zur Aufklärung der Hintergründe des Bombardements beigetragen. Er hoffe, dass im Verteidigungsministerium nach den Verantwortlichen für "diesen ungeheuerlichen Vorgang" gefahndet werde, sagte Schneiderhan. Schneiderhan warb gleichzeitig um Verständnis für die schwierigen Einsatzbedingungen der Soldaten in Afghanistan. Sie müssten dort täglich mit einer "Unübersichtlichkeit" zurechtkommen, die keine Frontlinien kenne und in der die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Terroristen nur schwer möglich sei, sagte er. Die Kundus-Affäre zeige, dass man sich "mit den Charakteristika der neuen Kriege zu wenig befasst habe". Verteidigungsminister Guttenberg hatte Schneiderhan sowie den ehemaligen Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert im vergangenen Jahr mit der Begründung entlassen, sie hätten ihn nicht ausreichend über den Angriff bei Kundus informiert. Guttenberg hatte den Luftschlag zunächst als militärisch angemessen bewertet - dies später aber mit Verweis auf neue Informationen revidiert. Die Kehrtwende in der Bewertung begründete er mit den nicht erhaltenen Dokumenten. In Interviews sprach der Minister später sogar davon, ihm seien Unterlagen vorsätzlich vorenthalten worden. Gegen diesen Vorwurf setzte sich Schneiderhan seinerseits vehement zur Wehr und bezichtigte Guttenberg der Lüge. Der Verteidigungsminister milderte daraufhin seine Kritik ab und bestätigte, dass er nie Eindruck gehabt habe, Schneiderhan oder Wichert hätten vorsätzlich oder böswillig gehandelt. Auch der frühere Staatssekretär Wichert soll am Donnerstag vor dem Ausschuss gehört werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-luftschlag-bei-kundus-schneiderhan-verteidigt-sich-1.7916
Afghanistan: Luftschlag bei Kundus - Schneiderhan verteidigt sich
00/03/2010
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, weist Vorwürfe zurück, er habe die Minister Jung und Guttenberg in der Kundus-Affäre nicht genügend informiert. Andere Vorgänge nennt er "ungeheuerlich".
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Die SPD bastelt an Hartz IV, die Koalition an Entlastungen für die Mittelschicht. Doch ihre Steuerreform ist nur ein Anfang - der zu spät kommen könnte. Sie wollten irgendwie durchkommen, leise bleiben, Ruhe bewahren und keinen aufschrecken. Deshalb hatten sich Union und FDP vor Monaten still darauf verständigt, bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine großen Themen mehr anzupacken. Zu groß war die Sorge, an Rhein und Ruhr zu polarisieren. Also hieß die Losung: einschläfern statt aufwecken. Man kann sagen, dass die schwarz-gelbe Koalition ihre eigene "ruhige Hand" erfunden hatte. Doch damit scheint es vorbei zu sein. Unter dem Eindruck sinkender Umfragewerte und einer immer schlechteren Ausgangslage will das Bündnis wieder in die Offensive kommen. Dazu muss es tun, was es längst hätte tun müssen: handeln. Zu groß ist seit langem die Diskrepanz zwischen dem, was angesichts gigantischer Schulden und gigantischer Wirtschaftskrise nötig wäre - und dem, was Schwarz-Gelb darauf an Antworten bietet. Gute Politik besteht nicht nur aus Durchwursteln; gute Politik besteht auch aus einem Bekenntnis. Die Sozialdemokraten versuchen das mit ihren Umbauplänen für die Hartz-IV-Regeln. Die Koalition antwortet mit der Botschaft, sie wolle die Mittelschicht weiter entlasten. So etwas hat es lange nicht mehr gegeben: Die Wähler in Nordrhein-Westfalen können zwischen echten Alternativen entscheiden. Wie gut sich schlechte Umfragen manchmal doch auswirken. Dabei sind die Pläne, die kalte Progression im Steuerrecht weiter abzuschmelzen, nicht mehr als ein Anfang. Und sie sind ein Anfang, der zu spät kommen könnte. Sollte Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen verlieren, hat Schwarz-Gelb in Berlin nicht mal mehr die Macht, über die kalte Progression allein zu entscheiden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/steuerreform-das-ende-der-ruhigen-hand-1.16163
Das Ende der ruhigen Hand
00/03/2010
Die SPD bastelt an Hartz IV, die Koalition an Entlastungen für die Mittelschicht. Doch ihre Steuerreform ist nur ein Anfang - der zu spät kommen könnte.
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Die Spitzen von Union und FDP planen angesichts schlechter Umfragewerte und einer drohenden Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen einen Strategiewechsel. In Koalitionskreisen hieß es, wenn man in die Offensive kommen wolle, dürften wichtige Projekte nicht auf die Zeit nach der NRW-Wahl am 9. Mai verschoben werden. Im Gespräch ist deshalb, noch im April ein deutlich abgespecktes Steuerreformkonzept zu präsentieren. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte das Volumen der steuerlichen Entlastungen von zunächst geplanten knapp 20 Milliarden auf fünf bis zehn Milliarden Euro reduziert werden. Im Mittelpunkt soll dabei die Bekämpfung der sogenannten kalten Progression stehen. Sie entsteht, wenn die Gehaltserhöhung nicht ausreicht, um die Inflationsrate auszugleichen, die Steuerbelastung aber trotzdem steigt. Zudem könnte der Einkommensteuertarif im unteren Bereich etwas abgeflacht werden, was ebenfalls vor allem Gering- und Durchschnittsverdienern zugute käme. Die Grundzüge eines solchen Konzepts sollen bereits am kommenden Sonntag bei einem weiteren Sechs-Augen-Gespräch der Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) besprochen werden. Ob dann auch schon endgültige Beschlüsse fallen und bekannt gegeben werden, blieb am Mittwoch allerdings noch offen. Mit dem Vorziehen ihrer Pläne will sich die Koalitionsführung aus der misslichen Lage befreien, in die sie sich durch die selbst auferlegte Bremse hineinmanövriert hat, erst nach der NRW-Wahl Steuerbeschlüsse zu fassen. Derzeit liegt die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf Umfragen zufolge hinter SPD, Grünen und Linkspartei. Sollte sich das am 9. Mai bestätigen, verlören Union und FDP nicht nur die Regierungsmehrheit im bevölkerungsreichsten Bundesland, sondern auch ihr knappes Stimmenübergewicht im Bundesrat. In den Koalitionskreisen hieß es, Merkel, Seehofer und Westerwelle seien sich einig, dass sie in den kommenden Wochen eigene Themen setzen müssten, um den Negativtrend zu brechen. Neben einer Reihe kleinerer Punkte eigneten sich dafür allein Steuersenkungen, weil Beschlüsse in der Gesundheitspolitik, zum Atomausstieg oder zur Neuordnung der Hartz-IV-Regeln entweder unpopulär oder koalitionsintern noch strittig seien. Allerdings müssten Union und FDP auch in der Steuerpolitik noch Positionen räumen: So besteht bislang vor allem die CDU darauf, vor weiteren Ankündigungen die nächste Steuerschätzung Anfang Mai abzuwarten. Bankenabgabe wird eingeführt Die Liberalen wiederum müssten sich mit einem geringeren Entlastungsvolumen zufrieden geben als gewünscht. Im Gegenzug wäre allerdings die Gefahr gebannt, dass die FDP bei ihrem Parteitag im April ein eigenes Steuerreformkonzept vorlegt. Sie hatte dies aus Verärgerung über die zögerliche Haltung der Union angekündigt, befürchtet aber nun, dass ihr Modell den nächsten großen Koalitionsstreit auslösen und in der öffentlichen Debatte zerredet werden könnte. Durch den Verzicht auf ein Entlastungsvolumen von 20 Milliarden Euro würde Parteichef Westerwelle zudem seine Position in der Debatte über die geplante Kopfpauschale im Gesundheitswesen verbessern, für deren Einführung er zusätzliche Steuergelder benötigt. Parallel zur Ankündigung einer Steuerreform wird die Koalition möglicherweise die Einführung einer Bankenabgabe bekanntgeben, mit deren Hilfe ein Teil der Kosten der Finanzkrise bei den Kreditinstituten wieder eingetrieben werden könnte. CDU und CSU machen sich für eine solche Abgabe stark, die FDP hat sich noch nicht endgültig entschieden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/neue-plaene-der-regierung-berliner-steuer-express-fuer-duesseldorf-1.1914
Neue Pläne der Regierung - Berliner Steuer-Express für Düsseldorf
00/03/2010
In NRW droht Schwarz-Gelb eine Niederlage. Deshalb plant die Regierung einen Strategiewechsel: Noch im April soll eine Steuerreform präsentiert werden.
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BND-Chef Gehlen ließ die Nazi-Gräueltaten einiger Agenten untersuchen - doch so viel Aufklärung war 1965 unerwünscht, wie eine Reportage in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt. 45 Jahre. 45 Jahre sollte es dauern, bis die akribische Arbeit von Hans-Henning Crome endlich den Weg an die Öffentlichkeit finden sollte. Der pensionierte Geheimdienst-Mann, bald 80 Jahre alt, war Leiter der "Organisationseinheit 85" im Bundesnachrichtendienst. Seine Aufgabe: Er sollte jene Kollegen, die im Zweiten Weltkrieg im Befehlsbereich des Reichsführers-SS Heinrich Himmler tätig waren, einer umfassenden Überprüfung unterziehen. Crome, der Pullacher Nazi-Jäger. Der Aufsteiger in der BND-Zentrale, der die im Kalten Krieg wichtigste Quelle betreute. "Im Rückblick", sagt der Vater dreier Töchter in einer Reportage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Cromes Arbeit akribisch beleuchtet, "gab es nur eine Sache in vierzig Jahren Dienst, die mich bis in den Schlaf verfolgt hat, und das war die Arbeit für 85". Anfang der sechziger Jahre hatte sich Crome in einem Sonderstab zur Ermittlung gegen Verräter in den eigenen Reihen seine Sporen verdient. Der damalige legendäre BND-Chef Reinhard Gehlen, der mit Cromes Vater gut bekannt war, machte den 30-Jährigen kurzerhand zum Chef eines kleinen und jungen Sonderstabs mit Namen "Organisationseinheit 85" (kurz 85). Der richtete sich unter dem Dach der Pullacher Präsidentenvilla ein. Die Arbeit begann. Welche BND-Mitarbeiter waren als Teil des NS-Terrorregimes in Verbrechen verwickelt? Welche waren für den BND untragbar? Im Laufe von zwei Jahren, so stellt Crome es in der FAZ-Reportage dar, lud er 146 pflichtschuldige BND-Leute vor. Sie hatten mit Personalpapieren und Zeugnissen ihrer früheren Tätigkeiten im Nazi-Reich in München vorzusprechen. Crome erinnert sich: Durch jene Aussagen und Dokumente, zu denen noch etliche herbeirecherchierte Belege - die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg kooperierte eng - hinzukommen sollten, wurde die Befürchtung Gewissheit. Beim BND arbeiteten aktive SS-Verbrecher. In der Zeit, als die unter Himmler arbeiteten, waren sie beteiligt an der geplanten Ausrottung der Juden in Europa, an Erschießungen, an Terror in Konzentrationslagern. Wie zum Beispiel Georg W. Er stieß 1939 zum "Einsatzkommando IV/2", einer 300 Mann starken Truppe, die nach der Invasion in Polen vor allem die Aufgabe hatte, Bessergebildete zu töten. Lehrer, Rechtsanwälte, Geschäftsleute fielen dem Kommando zum Opfer. Drei Monate zog W.s Truppe mordend durch Polen - und war auch verantwortlich für das Massaker an 1700 Männern, Frauen und Kindern in einem Waldstück nahe Palmiry. Nach dem Krieg fing er beim Bundesnachrichtendienst an. Oder Helmut S., Angehöriger der SS-Totenkopfverbände und Sturmbannführer. S. wurde 1941 der "Einsatzgruppe B" zugeordnet. Innerhalb von acht Wochen ermordete die Gruppe 24.000 Juden in der damaligen Sowjetunion. Nicht alle, die Cromes "85" überprüfte, waren Massenmörder wie Georg W. und Helmut S. Einige waren auch kleinere Rädchen in der blutrünstigen Maschinerie, die mit so viel Ordnungsliebe den millionenfachen Mord organisierte. Das junge BND-Team sammelte viel Spezialwissen an in der Zeit - über die Befehle Himmlers und Heydrichs, über Tötungsbilanzen, die mit buchhalterischer Genauigkeit geführt wurden. Die FAZ dokumentiert 47 Auswahlbibliographien aus dem "Verzeichnis des besonderen Personenkreises" - alles Personen, die Anfang der Sechzigerjahre beim BND gearbeitet haben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nazi-aufklaerung-geheim-fuer-die-geheimen-ss-moerder-im-bnd-1.23119
Nazi-Aufklärung - Geheim für die Geheimen: SS-Mörder im BND
00/03/2010
BND-Chef Gehlen ließ die Nazi-Gräueltaten einiger Agenten untersuchen - doch so viel Aufklärung war 1965 unerwünscht, wie eine Reportage in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreibt.
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Stürmen. Sichern. Durchsuchen. Die afghanischen Polizisten üben den Einsatz bis er sitzt. Das Haus ist umzingelt, die Tür aufgebrochen, der Aufständische verhaftet und die Waffen sind gefunden. Hauptmann Philipe Pacaut und die Ausbilder von der französischen Gendarmerie applaudieren. So stellen sie sich vor, wie es hoffentlich bald kommt: Afghanische Ordnungshüter sorgen ohne fremde Hilfe für Sicherheit in ihrem Bezirk. Und wenn sie Probleme mit Aufständischen haben, dann rufen sie die afghanische Armee. Die sorgt dann schnell und effizient für deren Ausschaltung. So weit der Wunsch. Erfüllt er sich, dann kann die von der Nato geführte Internationale Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) endlich abziehen. Die Truppensteller werden allmählich ungeduldig. Dieser Krieg ist nicht mehr sonderlich populär und US-Präsident Barack Obama hat seinem Land versprochen, Ende 2011 mit dem Abzug zu beginnen. Deshalb hat sich die Nato nach acht Jahren eines Krieges, der die Sicherheitslage am Hindukusch verschlechtert hat, im Herbst eine neue Strategie verpasst. Hinter den hohen Wällen, die das Lager Kutchbach gegen Angriffe schützt, wird sie, wie an vielen Orten im Land, dem ersten Wirklichkeitstest unterzogen. Hier lernen die Polizisten für den Ernstfall - und der heißt für sie nicht, den Verkehr zu regeln, sondern der Ernstfall ist die Konfrontation mit gewalttätigen Gruppen. Bis diese Polizisten sich der stellen können, ist es noch ein sehr weiter Weg. Was nicht daran liegt, dass sie nicht kampfesmutig wären. Aber er könne seine Leute "nicht in Taliban-Häuser schicken", solange die Taliban so stark sind wie sie sind, sagt Zaed Zalawar. Er ist Oberst und Polizeichef der Großgemeinde und des Tales Tagab, das man vom Lager Kutchbach in voller Länge überblicken kann. Die Franzosen schätzen Zalawar als einen guten, mutigen und vor allem nicht korrupten Polizisten. Seit er vor drei Jahren hierher kam, wurde er drei Mal angeschossen. Aber seine Wirklichkeit sieht nun einmal so aus, dass er mit seinen 120 Mann in einer Großgemeinde von 80.000 Menschen gegen geschätzte 700 Taliban und sonstige Aufständische wenig auszurichten vermag. Er ist schon froh, wenn er die vierzehn Kontrollposten auf der Straße, die durch das Tal führt, rund um die Uhr besetzen kann - und dann immer noch hoffen muss, dass niemand die Posten angreift, weil er dann die afghanische Armee rufen muss, die aber nicht kommt. Dann bleibt ihm doch wieder nur der Hilferuf an die Isaf-Truppen. Die sind fast immer schnell zur Stelle. Der Ruf nach Unterstützung ist der tägliche Ernstfall Zalawars. Um in Tagab, das gerade einmal ein halbes Dutzend Kilometer nordöstlich von Kabul in den Bergen liegt, aus eigener Kraft für Sicherheit sorgen zu können, bräuchte er mehr Männer, die besser ausgebildet und auch besser bewaffnet sind. Womit sie es zu tun haben, beschreibt der Gendarmerie-Oberst Didier Laumont: Allein im Dezember gab es neunzehn Feuergefechte, sechs Sprengfallen wurden entdeckt oder explodierten, sechsmal wurde mit kleinkalibrigen Waffen aus dem Hinterhalt auf die Franzosen geschossen und fünfmal explodierten im oder vor dem Lager Kutchbach Raketen aus chinesischer Produktion. Und an diesem Tag, an dem der Sturm auf das hinter der Lagerwand aus Holz und Pappmaché aufgebaute Taliban-Haus gelingt und die Polizisten ihren Test bestehen, wird Besuchern von einem Termin in den Siedlungen unten im Tal abgeraten. Es gebe zuverlässige Erkenntnisse über ein geplantes Selbstmordattentat. Lesen Sie auf der zweiten Seite: Was geschieht, nachdem das bisherige Konzept gescheitert ist.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-heute-auf-der-schulbank-morgen-an-der-front-1.10946
Afghanistan - Heute auf der Schulbank, morgen an der Front
00/03/2010
In Afghanistan werden im Eiltempo Polizisten und Soldaten ausgebildet. Der knappe Zeitplan ist von der Politik diktiert - und nicht von der Lage im Land.
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Nach fünf Jahren Arbeit legen Historiker ihren Bericht über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 vor - und widerlegen die rechte Propaganda. Ein Überblick Zehntausende Menschen starben in der Bombennacht von Dresden am 13. Februar 1945. Jahrelang hat eine Historikerkommission geforscht, um eine möglichst genaue Zahl angeben zu können - auch weil Rechtsradikale das Ereignis immer wieder für ihre Zwecke zu instrumentalisieren suchten. Nun liegt die Studie vor.sueddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen. Was geschah am 13. Februar 1945? Es sollte noch knapp drei Monate dauern, bis das Ende des Zweiten Weltkriegs verkündet wurde. Ab 22:03 Uhr fliegen mehrere hundert britische Bomber Angriffe auf Dresden. In vier Wellen bombardiert die britische Luftwaffe drei Tage lang die Stadt, zum Teil mit amerikanischer Unterstützung. Die Bomben lösen großflächige Brände aus, das historische Stadtzentrum wird fast vollständig zerstört. Die berühmte Frauenkirche liegt in Trümmern. In der Bombennacht sterben Zehntausende Menschen; wie viele den Tod finden, ist lange unklar und Gegenstand vielfältiger Spekulationen. Nach Kriegsende legt sich die Stadt Dresden auf eine Zahl von etwa 35.000 Todesopfern fest. Was ist die Historikerkommission? Zwölf Historiker untersuchten unter der Leitung von Rolf-Dieter Müller fünf Jahre lang die alliierten Bombenangriffe auf Dresden. Ihr Ziel war es, die historische Wirklichkeit möglichs detailliert nachzuzeichnen und verbindliche Opferzahlen vorzulegen. Beteiligt waren unter anderem der Zeitzeuge Götz Bergander, der Leiter des Stadtarchivs Thomas Kübler und der Totalitarismusforscher Thomas Widera. Nach ersten Zwischenberichten, die bereits 2008 veröffentlicht wurden, legte die Kommission jetzt ihren Abschlussbericht vor. Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Historikerkommission eingesetzt wurde.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/dresden-historiker-zu-bombennacht-mindestens-20-000-tote-keine-tiefflieger-1.9833
Dresden: Historiker zu Bombennacht - Mindestens 20.000 Tote, keine Tiefflieger
00/03/2010
Nach fünf Jahren Arbeit legen Historiker ihren Bericht über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 vor - und widerlegen die rechte Propaganda. Ein Überblick
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mlsum_de-train-454
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In Jerusalem fliegen die Steine, in Gaza wird demonstriert, und selbst in Jaffa keimt der Krawall. Doch in Dschenin sitzt Muhammed al-Balschi inmitten seiner Sandalen und Stiefeletten und schwärmt vom Geschäft. "Ein Plus von 40 Prozent", sagt er, "wir merken alle, wie es sich verändert hat." Vom Aufruhr ist hier nichts zu spüren, ein Aufbruch hat die Stadt erfasst. "Du solltest mal am Samstag kommen, da sind hier alle Straßen voll", sagt al-Balschi. Dschenin ist im Kaufrausch, und die Kunden kommen aus Israel in die 50.000-Einwohner-Stadt im nördlichen Westjordanland. Fast neun Jahre, seit Beginn der zweiten Intifada, war der Checkpoint an der Grenze zu Israel für Autos geschlossen. Doch die Öffnung zum Jahresende hat Dschenin einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht, der die politischen Probleme vorerst in den Hintergrund drängt. 500 Autos passieren im Tagesdurchschnitt den Übergang, am Wochenende sind es 1200 - und in den Autos sitzen ganze Familien arabischer Israelis aus Haifa, Afula oder Nazareth. Sie kaufen Schuhe bei Mohammed al-Balschi, durchstöbern den Gemüsemarkt und füllen die Restaurants in der Hauptstraße, an deren Mauern langsam die alten Graffiti mit den schwerbewaffneten Märtyrern verblassen. Israelische Juden dürfen nur mit einer Sondergenehmigung des Militärs nach Dschenin, doch danach wird bislang nur ein bis zwei Mal im Monat gefragt, sagt ein Grenzbeamter. Dem Schuhverkäufer al-Balschi aber wären auch sie willkommen. "Ich habe mit niemandem Probleme", sagt er. Der Kontrast zu den alten Tagen, den alten Bildern und den alten Parolen könnte kaum größer sein. Denn in den Zeiten der zweiten Intifada bis zum Jahr 2005 hatte sich Dschenin einen Ruf als Hauptstadt der Selbstmord-Attentäter verdient. Kaum irgendwo im Westjordanland wurde erbitterter gekämpft; 2002 war das dortige Flüchtlingslager von israelischen Panzern weitgehend zerstört worden. Die Wunden waren tief, doch die wundersame Wandlung beschert der Stadt heute auch große internationale Aufmerksamkeit. Viel Polit-Prominenz reist an und ab, und Tony Blair, der Gesandte des Nahost-Quartetts, sieht in Dschenin ein Modell für das ganze Westjordanland. Doch nicht die große Politik steht hinter all den Veränderungen, sondern zwei Männer an der Basis: Dani Atar, der Vorsitzende des israelischen Gilboa-Landkreises, und Kadura Musa, Gouverneur von Dschenin. Ein Israeli aus der Arbeitspartei mit Armee-Vergangenheit und ein Palästinenser aus der Fatah mit zwölfjähriger Erfahrung in israelischen Gefängnissen. "Wir haben nicht darauf gewartet, dass die Regierungen etwas tun, wir haben für sie den Weg vorgezeichnet", sagt Atar. Es war ein langsamer Prozess der Annäherung - 2005 gab es das erste Telefonat, 2007 das erste Treffen. Doch mittlerweile gehen die beiden sogar gemeinsam auf Reisen, zu Jahresbeginn zum Beispiel nach Deutschland in den Hochtaunuskreis, um das Hohelied von Kooperation und Koexistenz anzustimmen. Im Saal seines Amtssitzes schwärmt Atar vom "kleinen Paradies, das wir hier bauen" und von der "wirtschaftlichen Revolution". Er entwirft Tourismusprojekte für Gilboa und Dschenin; Pilger und Naturfreunde will er anziehen und obendrein politisch Interessierte, die hier etwas lernen könnten über "Lösungsmöglichkeiten in Konfliktgebieten. Und zum Abschluss präsentiert er Karten, die von ganz großen Plänen künden: ein Industriegebiet direkt am Grenzzaun, 15.000 neue Jobs auf der palästinensischen, 1500 auf der israelischen Seite. Neu ist diese Idee nicht, genau genommen stammt sie aus den neunziger Jahren, als nach dem Oslo-Vertrag die Hoffnung herrschte. Auch nach der erzwungenen Intifada-Pause hatten sich manche Politiker, darunter der frühere deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, gern zum Fototermin auf der grünen Wiese an der Grenze eingefunden. Spuren hat aber selbst Steinmeiers Besuch nicht hinterlassen. Es grünt noch immer, aber nichts wächst. Man kann daraus lernen, dass schöne Worte plus schöne Pläne noch keine schöne neue Welt erschaffen. Doch mit der Öffnung des Grenzverkehrs hat auch das Industriepark-Projekt wieder Konjunktur. Es bleibt noch viel zu tun Kadura Musa, der Gouverneur von Dschenin, kann den Standort jedenfalls von seinem baufälligen Amtssitz aus gar nicht oft und laut genug loben. "35 Kilometer sind es bis zum Hafen von Haifa, Jordanien ist auch nicht weit", sagt er, "und wir haben hier viele gutausgebildete Männer, die schon in Israel gearbeitet haben." Die meisten dieser Männer sind heute arbeitslos, und auch wenn seit der Grenzöffnung in den letzten Monaten die Quote von 58 auf 42 Prozent gefallen ist, bleibt noch viel zu tun. Deutschland hat schon vor zwei Jahren zehn Millionen Euro für die Infrastruktur rund um das geplante Industriegebiet versprochen, nun gibt es auch ein Abkommen mit der Türkei und Interesse italienischer Investoren. "Ich hoffe, dass wir in ein paar Monaten anfangen können", sagt Gouverneur Musa.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nahostkonflikt-kommunale-versoehnung-1.3118
Nahostkonflikt - Kommunale Versöhnung
00/03/2010
"Ein kleinen Paradies, das wir hier bauen": Seit israelische und palästinensische Lokalpolitiker kooperieren, erblüht die frühere Terroristen-Hochburg Dschenin. Auch Touristen sollen kommen.
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Menschen, die als Kinder missbraucht wurden, haben ein Recht auf tätige Reue. Eine Stiftung könnte jenseits der Strafgerichte helfen, den lange vertuschten Missbrauch zu sühnen. Ein Projekt der rot-grünen Bundesregierung wird zu Recht in Erinnerung bleiben: der vom deutschen Staat und deutschen Unternehmen geschaffene und mit einer Stiftung verbundene Entschädigungsfonds für die Zwangsarbeiter der NS-Zeit - für Menschen also, denen schweres Leid zugefügt wurde, die vom Schicksal gezeichnet und dennoch vergessen waren, jedenfalls bis zur Jahrtausendwende. Die Stiftung ist weit mehr als eine Organisation zur Vergabe allenfalls symbolischer Schadenersatzzahlungen. Sie ist ein Zeichen von Verantwortung der Nachfahren jener, die einst Täter waren, eine Anerkenntnis von Schuld und Unrecht gleichermaßen. Das Leid der NS-Zwangsarbeiter kann und soll historisch nicht mit dem Leid der Opfer von Missbrauch und Misshandlungen in Schulen und Internaten der Kirche, des Staates oder sonstiger privater Träger verglichen werden. Doch eine Stiftung, wie auch immer geartet, könnte einen Beitrag dazu leisten, die jahrzehntelang vertuschten sexuellen und sadistischen Vergehen an Kindern und Jugendlichen jenseits der Strafgerichte zu sühnen, so gut es eben geht. Wohlgemerkt: Kaum eines der Opfer hat bislang Geld gefordert. Anders als insbesondere die Osteuropäer unter den Zwangsarbeitern - die hochbetagt und unter erbärmlichsten Bedingung leben mussten -, sind die meisten Missbrauchten wohl nicht in größter finanzieller Not. Aber neben einer Entschuldigung steht auch ihnen eine Entschädigung zu. Sie haben ein Recht auf tätige Reue. Die Peiniger kann man nicht mehr zur Rechenschaft ziehen, die Taten der Kinderschänder sind in den allermeisten Fällen straf- und zivilrechtlich verjährt. Deshalb stehen jetzt all jene Institutionen in der Pflicht, in denen Mitarbeiter ihre Schutzbefohlenen einst misshandelten, Täter schützten und Verbrechen vertuschten. Sie müssen den Opfern ein Angebot machen. Und manches spricht dafür, dass eine gemeinsame Stiftung aller betroffenen Institutionen einen solchen Schritt hin auf die Opfer etwas leichter machen könnte. Keine Institution, auch nicht die katholische Kirche, müsste länger das Gefühl haben, stärker als andere an den Pranger gestellt zu werden. Und bevor jede Schule, jedes Internat, jede Gemeinde mühsam auf eigene Faust ein Programm entwickelt, sollten sich alle zusammentun. Auch könnte ein gemeinsamer Fonds dafür sorgen, dass wirklich jeder einst Missbrauchte Hilfe und Unterstützung erhält - und Entschädigungen nicht in das Belieben einer einzelnen Institution gestellt sind. Und wichtiger noch: Der Staat, mithin die Bundesregierung, könnte sich an einer solchen Stiftung finanziell beteiligen, so, wie sie es beim Zwangsarbeiterfonds auch tat. Der Allgemeinheit steht es gut an, Verantwortung für die Rechte von Opfern zu übernehmen. Und aus dem Stiftungskapital könnte man zudem äußerst nützliche Projekte finanzieren: Präventionskampagnen und Hilfen für Opfer familiärer Gewalt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/entschaedigung-im-missbrauchsskandal-eine-stiftung-fuer-die-opfer-1.7146
Entschädigung im Missbrauchsskandal - Eine Stiftung für die Opfer
00/03/2010
Menschen, die als Kinder missbraucht wurden, haben ein Recht auf tätige Reue. Eine Stiftung könnte jenseits der Strafgerichte helfen, den lange vertuschten Missbrauch zu sühnen.
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Ärger mit den USA, Unruhen in Jerusalem: Bei Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist die Freude dennoch groß. Sein Sohn Avner gewinnt ein religiöses Quiz und wird Israels Bibel-Champion. Manchmal ist es schön, wenn man einfach in seinen Hubschrauber steigen und entschwinden kann. Am Nachmittag hatte Benjamin Netanjahu den Schalter geschlossen in seinem Regierungssitz. Den Anruf bei Hillary Clinton in Washington, die Antworten erwartet auf Dinge, zu denen er wirklich nichts sagen will, hat er auf irgendwann später verschoben und sich auf den Weg gemacht in den Norden Israels. Unter ihm zogen noch die Schwaden von brennenden Autoreifen und Tränengas durchs umkämpfte Jerusalem, doch in Kiryat Schmona war die Luft rein - und die Freude groß. Denn Netanjahu durfte samt Gattin Sara persönlich teilhaben am Sieg seines Sohnes im nationalem Bibelquiz. Avner Netanjahu, 15 Jahre alt und hochgewachsen, hat insgesamt 12000 Konkurrenten ausgestochen und in der Endrunde über elf Finalisten triumphiert. Nun ist der Spross des Premiers Israels Bibel-Champion. "Ich bin sehr stolz", sagte Benjamin Netanjahu - und räumte ein, dass er selbst nur zwei Antworten gewusst hätte auf die Fragen, die seinem Sohn gestellt wurden. Die Themen der Thora sind ihm gewiss nicht fremd, doch ums heilige Jerusalem kümmert er sich eben eher auf die pragmatische Art. Die Bibelfestigkeit kommt aus der Familie seiner Frau. Drei ihrer Brüder konnten in der Jugend diesen Wettbewerb gewinnen, den das Erziehungsministerium nun bereits zum 47. Mal organisierte. Einer der Brüder hatte sogar anschließend in der Weltmeisterschaft gesiegt, die vor Publikum immer am israelischen Nationalfeiertag ausgetragen wird. In diesem Jahr wird Avner Netanjahu nach der Krone greifen. Eine Frage stellt beim Wettbewerb traditionell auch der Premierminister. Der Neuntklässler wird also weiter fleißig Bibelwissen pauken, mit Hilfe seines Großvaters Schmuel Ben-Artzi und seines Onkels Hagi Ben-Artzi. Den beiden dankte der Premier ausdrücklich nach dem Sieg in Kiryat Schmona, bevor die Familie sich auf den Heimweg machte. In Jerusalem wartete dann wieder das übliche Programm, und Washington musste schließlich auch noch angerufen werden. Wenn es allerdings nach Hagi Ben-Artzi ginge, dem Schwager und Bibel-Weltmeister, dann hätte sich Netanjahu diesen Anruf sparen können. Ben-Artzi beschimpfte nämlich am Mittwoch US-Präsident Barack Obama als "anti-semitisch." Umgehend musste das Büro des Regierungschefs erklären, dass Netanjahu "absolut nicht übereinstimmt" mit dieser Einschätzung. Es kann sich halt nicht ein jeder so auf seinen Schwager verlassen wie Moses in der Wüste auf Hobab und dessen Auge für die richtige Lagerstätte (4. Mose 10, 29-31).
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-wer-wird-biblionaer-1.9933
Israel - Wer wird Biblionär?
00/03/2010
Ärger mit den USA, Unruhen in Jerusalem: Bei Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ist die Freude dennoch groß. Sein Sohn Avner gewinnt ein religiöses Quiz und wird Israels Bibel-Champion.
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Originell ist es nicht, wie sich die Parteien im Bundestag bekämpfen. Zum Glück gibt es Volker Kauder: Der bringt die Lage auf den Punkt. Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Lacher auf seiner Seite. Zackig marschiert er zum Rednerpult im Plenum des Deutschen Bundestages. Angriffslustig wirft er auf dem Weg noch einen Blick in Richtung Oppositionsbänke, stellt sich hinter das Pult, drückt den Rücken durch und sagt dann den Satz, nach dem sich nicht wenige im Rund auf die Schenkel klopfen. "Was Schwarz-Gelb macht, was Schwarz-Gelb will", sagt er, "das weiß ich auch nicht". Der Satz hallt noch einige Sekunden nach und wird dann von der Opposition jubelnd gefeiert. Besser hat bis zu diesem Zeitpunkt keiner von ihnen den Zustand der Koalition auf den Punkt gebracht. Es ist Haushaltsdebatte im Bundestag. Die Zeit, in der die Regierung ihre Politik erklären muss und die Opposition draufdrischt, wo es geht. Für die Opposition kann es kaum besser laufen dieser Tage. Schwarze und Gelbe zoffen sich, seit ihre Vorleute ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag gesetzt haben. Gesundheitsprämie, Steuersenkungen, Wehrpflicht, überall knirscht es. Hinzu kommen Westerwelles Reisen und eine vom FDP-Chef angezettelte Sozialstaatsdebatte. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Debatte am Morgen im Bundestag. "Deutschland hat eine Regierung, die nicht regiert", sagt er. Und: So schlecht sei Deutschland noch nie regiert worden. Und: Diese Regierung sei die derzeit "größte Nichtregierungsorganisation in Deutschland". Und: Deutschland regieren sei kein Spiel, das Kabinett keine Selbsterfahrungsgruppe". Oder: "Das war vor sechs Monaten ihre Liebesheirat. Und wir sagen Ihnen heute: Sie stehen vor den Trümmern einer zerrütteten Ehe." Die Koalition habe keine gemeinsame Idee. "Nehmen Sie endlich ihre Verantwortung war!" Originell ist das alles nicht, eher leidlich solide Oppositionsrhetorik. Immerhin: Von Steinmeier war schon Ermüdenderes zu hören. "So geht es nicht", sagt der Ex-Vizekanzler an einer Stelle und schlägt dann auf das Pult, dass sich alle im Plenum kurz erschrecken. Neben Merkel sitzt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf der Regierungsbank und kichert. Er hebt dann selbst die flache Hand, zieht eine Flunsch, als würde er es jetzt besonders ernst meinen und deutet mehrmals an, selbst auf sein Pult zu hauen. Er kichert wieder, versucht, Merkels Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die aber will nicht mitlachen. Mit dem Blick, den sie ihrem Stellvertreter zuwirft, wird Kindern nonverbal mitgeteilt, dass der Spaß jetzt vorbei ist. Westerwelles Reiseaktivitäten und seine Verhältnis zu spätrömischer Dekadenz scheinen ihr auf den Magen geschlagen zu haben. Als sie dran ist, rüffelt die Kanzlerin erst die SPD. Steinmeier solle doch bitte dafür sorgen, dass dem Bundespräsidenten "der nötige Respekt entgegengebracht wird". Aus Reihen der SPD ist mehrfach gefordert worden, Horst Köhler möge sich doch bitte zu Westerwelles Auslandsreisen, und den diversen Spenden- und Sponsoringaffären äußern. Damit gibt Merkel ihren Koalitionsfraktionären Gelegenheit, ihr donnernd zu applaudieren. Eine Marke setzen nennt man das.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-kauder-weiss-auch-nicht-was-schwarz-gelb-will-1.18356
Bundestag - Kauder weiß auch nicht, was Schwarz-Gelb will
00/03/2010
Originell ist es nicht, wie sich die Parteien im Bundestag bekämpfen. Zum Glück gibt es Volker Kauder: Der bringt die Lage auf den Punkt.
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FDP-Politiker Kubicki rechnet mit dem Koalitionspartner CSU im Jargon der Straße ab - vor allem mit General Dobrindt. Der redet von "Quartalsspinner". Die Parteispitzen mögen sich harmonisch geben - doch was auf unterer Ebene zwischen Union und FDP an verbalen Raufereien läuft, ist beleidigender als jede Bierzeltrede. Als Streithähne in der neuesten Episode treten auf: der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Oder vielleicht muss man sagen: als Schützenkönige. Der eigenwillige Liberale aus dem Norden, bekannt für provokante Sprüche, die er über alles und jeden zu reißen pflegt, hat in einem Interview mit der Zeit den Bayern quasi zum Abschuss freigegeben. Dobrindt, der wirklich Schützenkönig ist, wird hier der Lächerlichkeit preisgegeben. Nach einem erfolgreichen FDP-Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen werde das Verhältnis zur Union "deutlich rauer", droht Kubicki voraus, "wir werden die Union nicht schonen". Er gehe davon aus, dass seine Parteikollegen an Rhein und Ruhr so gute Ergebnisse einfahren, dass die Liberalen gestärkt aus der Wahl hervorgehen werden. Und dann werde die FDP vor allem bei Angriffen auf die CSU "jede Hemmung fallen lassen". Kubicki wörtlich: "Diesen CSU-Generalsekretär werden wir uns als Erstes vornehmen. Feuer frei von jedem." Hier hat der feine Jurist, der die bekannt steuer-optimierende liechtensteinische Regierung beraten hat, den Jargon der Straßenbanden in die Politik eingebracht. Die Antwort aus München auf den "Schießbefehl" Kubickis lässt nicht lange auf sich warten - und fällt kaum weniger drastisch aus. Kubicki sei "wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen", schimpft CSU-Generalsekretär Dobrindt empört. Und. "Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen." Auch Dobrindts Parteichef Horst Seehofer darf sich nach den Äußerungen Kubickis nicht vor Häme sicher fühlen: "Und warum nicht auch mal den CSU-Chef Horst Seehofer fragen: 'Hat Ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?'", fragt der FDP-Mann allen Ernstes. Kubicki hält Westerwelle für unentbehrlich Seinen eigenen, in heftige Kritik geratenen Parteichef hält Kubicki hingegen noch über Jahre für unentbehrlich. "Wir sollten beten, dass Guido Westerwelle nichts passiert", sagt er der Zeit. Ein Nachfolger sei nicht in Sicht. Gesundheitsminister Philipp Rösler komme erst in einigen Jahren als möglicher Parteichef in Frage. "Vier, fünf Jahre muss Guido mindestens noch überstehen", erzählt Kubicki. Westerwelle war als Außenminister wegen der Auswahl seiner Reisebegleiter in die Kritik geraten. Wegen der öffentlichen Angriffe stehe der FDP-Chef "unglaublich unter Druck". Dass Westerwelle von anderen im Parteivorstand zu stark bedrängt werde, sei "absoluter Quatsch", so Kubicki weiter: "Wir haben Protagonisten in der Partei, die - weil sie keinen Arsch in der Hose haben - immer behaupten, die anderen seien schuld." Das klingt so, als ob er sein "Feuer frei!" auch auf die Arsch-Losen in der FDP erweitern will. Namen nennt der Norddeutsche in diesem Zusammenhang auch: den des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Andreas Pinkwart und des Vorstandsmitglieds Cornelia Pieper. Pinkwart ist immerhin FDP-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen und führt dort die FDP als Spitzenkandidat in die Landtagswahl am 9. Mai. Das ist jene Wahl, nach der Kubicki in der Union mal so richtig aufräumen will.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-gegen-csu-kubicki-feuer-frei-auf-den-schuetzenkoenig-1.4171
"FDP gegen CSU - Kubicki: ""Feuer frei!"" auf den Schützenkönig"
00/03/2010
FDP-Politiker Kubicki rechnet mit dem Koalitionspartner CSU im Jargon der Straße ab - vor allem mit General Dobrindt. Der redet von "Quartalsspinner".
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Der ehemalige Leiter der Eliteschule bestätigt, dass in Salem vier Schüler missbraucht wurden. Bestsellerautor Bueb warnt aber vor einem Generalverdacht. Berhard Bueb, der ehemalige Leiter des Internats Schloss Salem, hat im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung Missbrauchsfälle an der Eliteschule zugegeben. Vor fünf Jahren habe ein pädagogischer Assistent sich abends einem Jungen genähert und ihn getätschelt. "Ich kann die Einzelheiten nicht mehr erinnern. Wichtig war: Der Junge war verstört. Für mich war immer auch maßgebend die subjektive Betroffenheit eines Schülers", sagte Bueb der SZ. Deshalb habe er den Lehrer gleich am nächsten Tag entlassen und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. "Ich bin dafür, jeden Übergriff sofort und konsequent zu ahnden", sagte Bueb. Insgesamt habe es drei oder vier Fälle während seiner Zeit als Leiter des Internats Schloss Salem gegeben, in denen ein Lehrer wegen Grenzverletzungen die Schule habe verlassen müssen. Zu den Übergriffen an der Odenwaldschule, wo Bueb von 1972 bis 1974 Lehrer war, äußerte sich der 71-jährige Pädagoge selbstkritisch. "Ich werfe mir selbst vor, nicht energischer nachgehakt zu haben", sagte er der SZ. Scharfe Kritik übte er an dem Schriftsteller Adolf Muschg, der in einem Zeitungsbeitrag Gerold Becker verteidigt hatte, den ehemaligen Leiter der Odenwaldschule. Diesem wird vorgeworfen, Minderjährigen sexuelle Gewalt angetan zu haben. Laut dem Autor Muschg habe der Pädagoge Becker eine "Brücke zwischen den Generationen" gebaut. Das sei "unfassbar", wetterte Bueb, "derart verharmlosend über sexuelle Gewalt zu sprechen, ist schrecklich. Es ist eine Verirrung unglaublichen Ausmaßes." Pädagoge Bueb, der mit Erziehungsbüchern zur Disziplin bekannt wurde, warnte davor, die Reformpädagogik und die Internate "unter einen Generalverdacht zu stellen". Wörtlich: "Ich würde mir eine große Tagung wünschen, in der Lehrer und Wissenschaftler die Geschichte und Zukunft der Reformpädagogik und das Verhältnis von Distanz und Nähe in der Schule reflektieren."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/elite-internat-salem-paedagoge-bueb-raeumt-missbrauchsfaelle-ein-1.6862
Elite-Internat Salem - Pädagoge Bueb räumt Missbrauchsfälle ein
00/03/2010
Der ehemalige Leiter der Eliteschule bestätigt, dass in Salem vier Schüler missbraucht wurden. Bestsellerautor Bueb warnt aber vor einem Generalverdacht.
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Die Schweiz nahm Muammar el Gaddafis Sohn fest - daraufhin rief er den Heiligen Krieg aus. Jetzt fließen Entschädigungszahlungen. Seit mehr als 20 Monaten hält der libysche Staatschef Schweizer Staatsbürger als Geiseln. Jetzt verhandelt die Schweiz mit ihrem Erpresser Muammar el Gaddafi. Hintergrund des Streits ist die vorübergehende Festnahme von Gaddafis Sohn Hannibal Gaddafi und seiner Ehefrau im Jahr 2008 in einem Genfer Hotel. Das Ehepaar soll seine Bediensteten misshandelt haben und kam daraufhin für 48 Stunden in Haft. Gaddafi schäumte vor Wut und sah seine Familienehre beschmutzt. Sein Sohn hatte im Anschluss an den Vorfall den Kanton Genf, die Westschweizer Zeitung Tribune de Genève und einen Journalisten der Zeitung wegen der Veröffentlichung seiner wenig schmeichelhaften Polizeifotos verklagt. Er forderte 100.000 Franken (etwa 69.000 Euro) als Wiedergutmachung. Doch das war seinem Vater nicht genug: Von der UN-Vollversammlung verlangte Gaddafi wutentbrannt die Auflösung der Schweiz und rief vor einem Monat sogar zum Heiligen Krieg gegen das sonst als neutral bekannte Land auf. Nun hat es die Schweiz offensichtlich mit der Angst zu tun bekommen. Medienberichten zufolge soll sich die Stadt Genf bei Gaddafi entschuldigt haben und zur Zahlung einer Entschädigung bereit sein. Der Streit eskalierte auf beiden Seiten: Bern verbot Gaddafi und seiner Familie die Einreise in die Schweiz. "Die Behörden des Schweizer Staatswesens haben eine Weisung erlassen, die 188 libyschen Persönlichkeiten die Einreise auf Schweizer Territorium verbietet", schrieb eine libysche Zeitung über das Verbot. Tripolis ließ daraufhin zwei Schweizer Geschäftsleute festnehmen, berief libysche Diplomaten aus Bern zurück, stoppte seine Öllieferungen in die Schweiz und zog alle Guthaben von dortigen Bankkonten ab. Weil keine Schlichtung des Streits in Sicht war, schaltete sich die EU-Kommission ein und forderte beide Seiten auf, ihren Konflikt beizulegen. Die Schweiz hoffte durch das Zugeständnis auf die baldige Freilassung der letzten noch in libyscher Haft befindlichen Geisel Max Göldi. Doch Gaddafi zeigt sich unversöhnlich. Der Hoffnung, Göldi könnte bald begnadigt werden, erteilte der libysche Außenminister Moussa Koussa eine Absage und sagte, Göldi "wurde verurteilt und muss eine viermonatige Gefängnisstrafe verbüssen. Danach wird er freigelassen". Koussa ergänzte, die Schweiz nehme die Krise zwischen den beiden Ländern nicht ernst genug und kritisierte die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey scharf. "Wir haben Mühe, mit ihr zu kommunizieren." Um einen richtigen Dialog führen zu können, müsse die Schweizer Regierung eine andere Kontaktperson einsetzen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schweiz-im-clinch-mit-libyen-bern-verbeugt-sich-vor-gaddafi-1.3689
Schweiz im Clinch mit Libyen - Bern verbeugt sich vor Gaddafi
00/03/2010
Die Schweiz nahm Muammar el Gaddafis Sohn fest - daraufhin rief er den Heiligen Krieg aus. Jetzt fließen Entschädigungszahlungen.
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Zur Entschädigung von Missbrauchsopfern wollen die deutschen Bischöfe einen Fonds einrichten. Dieser soll auch Prävention und Aufklärung unterstützen. Um Missbrauchsopfer zu entschädigen, erwägen die deutschen katholischen Bischöfe nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (Donnerstagausgabe), einen Fonds einzurichten oder sich an einem einem Fonds mehrerer Institutionen und des Staates zu beteiligen. Dieser Fonds soll Opfer von sexuellem Missbrauch helfen, aber auch die Prävention und Aufklärung unterstützen. Das erfuhr die Süddeutsche Zeitung aus Kirchenkreisen. Vorbild soll offenbar jener Fonds sein, den die Bischöfe im Jahr 2000 für ehemalige Fremd- und Zwangsarbeiter in katholischen Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg einrichtete. Er war damals mit zehn Millionen Mark ausgestattet, die dazu dienten, ehemalige Zwangsarbeiter zu entschädigen aber auch Bildungsarbeit und Begegnungen zu finanzieren. Der Leiter des katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, wollte diese Information weder bestätigen noch dementieren. Er schloss aber finanzielle Hilfen für Opfer ausdrücklich nicht aus. "Wir wollen den Opfern gesamtmenschlich helfen", sagte er der SZ, "da arbeiten wir gerade mit Hochdruck an Lösungen". Über Formen von Entschädigungen und mögliche Summen könne er noch keine Angaben machen. Jüsten betonte, die meisten Opfer, die sich derzeit meldeten, wollten gar kein Geld, "sie wollen, dass wir sie endlich hören und ihnen endlich glauben", sagte er. Auch seien zunächst einmal die Täter in der Pflicht, die "in der Regel keine armen Leute" seien, bei Ordensleuten die betreffenden Orden. Erst wenn Täter oder Orden zu finanziellen Hilfen nicht in der Lage seien, "sind die Bischöfe gefragt."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-kirche-plant-fonds-fuer-missbrauchsopfer-1.14651
Missbrauchsskandal - Kirche plant Fonds für Missbrauchsopfer
00/03/2010
Zur Entschädigung von Missbrauchsopfern wollen die deutschen Bischöfe einen Fonds einrichten. Dieser soll auch Prävention und Aufklärung unterstützen.
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Westerwelle-Freund Mronz macht als Veranstalter Karriere. Doch eine Sause für zwei schwarz-gelbe Landesregierungen geriet zum Fiasko. Es hätte so ein schöner Tag werden können. Erst tüchtig regieren, auf dem Zollverein in der europäischen Kulturhauptstadt Essen, und danach groß feiern auf dem Gelände des Flughafens Düsseldorf mit Top-Unternehmen aus den jeweiligen Bundesländern. So hatten sie den 9. März geplant, die beiden schwarz-gelben Landesregierungen von Bayern und Nordrhein-Westfalen, die Entscheider aus Union und FDP. Allein: Zur gemeinsamen Kabinettssitzung - Schwerpunkt: Bildung - in der einstigen Kohlenzeche kam es, doch die Party fiel kurzfristig aus. Zu viel Affären-Getöse um womöglich gekaufte Politiker hatte die Feierlaune verdorben. Mit "Rüttgers' Club" wollte keiner etwas zu tun haben. Dabei zeigen Unterlagen, die sueddeutsche.de vorliegen, dass hier die ganz große Sause steigen sollte - an der Nahtstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Entertainment. "Zwei Länder, ein Spitzenteam", heißt es vielsagend in einer Präsentation. Sie wurde um den Jahreswechsel herum möglichen Sponsoren als Köder vorgelegt. Das Geld von Firmen wurde, nicht zu knapp, für die Superparty gebraucht. Der bayrisch-nordrhein-westfälische Länderdialog 2010 sollte schließlich ein "Treffen der Superlative" werden. Das Versprechen lautete: Es kommen die "Größen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport". Hier würden "persönliche Kontakte geknüpft und gepflegt", heißt es im Text der Präsentation. Die Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Horst Seehofer hatten die Schirmherrschaft übernommen - und den Sponsoren musste klarwerden: Ja, die beiden werden kommen. Es lohnt sich. Hinter dem "Länderdialog", der geplanten Fete des bevölkerungsreichsten und des flächengrößten Landes der Republik, stecken zwei Männer, deren Job es eigentlich ist, im Hintergrund zu bleiben. Einer von ihnen aber hat inzwischen mehr Presse denn je: Es ist Michael Mronz, Geschäftsführer und Inhaber der MMP Veranstaltungs- und Vermarktungs GmbH in Köln (MMP). Der Öffentlichkeit ist er eher bekannt als Lebenspartner des FDP-Chefs und Außenministers Guido Westerwelle. Mronz ist ins Gerede gekommen, weil Westerwelle ihn auf seine jüngste Lateinamerikareise mitgenommen hat. Einen Namen hat sich der Politiker-Gefährte als Vermarkter und Veranstaltungsmanager von internationalen Sport-Events gemacht. 1992 gründet er seine Firma MMP, die mit Tennisturnieren begann. Sein Bruder Alexander war einst Jahre Tennisprofi. Schnell löste sich die MMP aus der Tennis-Nische. 2006 wurde Michael Mronz Chef-Organisator der Aachener Reit-WM. Und der Aufsteiger darf für Pro-Sieben-Star Stefan Raab die Wok-WM oder die Stock Car Crash Challenge vermarkten. Im vergangenen Jahr dann die Krönung seiner bisherigen Laufbahn: Mronz war verantwortlich für die Vermarktung der Leichathletik-WM in Berlin. Ein Weltereignis. Auf der Lateinamerikareise besuchten Mronz und Westerwelle auch Brasilien. Das Pikante: In Brasilien stehen zwei sportliche Großereignisse von Weltrang auf der Agenda. Die Fußball-WM 2014 und Olympia 2016. Genau die Liga, in der Mronz gerne spielen möchte. Doch Mronz will offenbar mehr als nur Sport - er will auch am Event-Rad von Politik und Wirtschaft drehen. Der Umstand, mit dem FDP-Parteichef und Außenminister liiert zu sein, eröffnet womöglich ganz neue Möglichkeiten. Die NRW-Bayern-Party in Düsseldorf am gemeinsamen Kabinettstag hätte den Sprung nach vorn bringen können. Menschen, die ihn lange kennen, sagen, Michael Mronz will der neue Manfred Schmidt Deutschlands werden. Manfred wer? Manfred Schmidt ist die bisher unumstrittene Nummer eins im deutschen Eventmanagement, ein Strippenzieher in den Salons der Elite. Egal ob Sport, Politik, Wirtschaft oder Kultur: Er kennt sie alle, alle kennen ihn. Mehr als 20.000 Kontakte soll er in seiner Datenbank haben. Wer die private Handynummer eines x-beliebigen A-Prominenten in Deutschland sucht - Manfred Schmidt hat sie. Der Mann ist eine Macht, aber nicht leicht zu fassen. Seine Firma Manfred Schmidt Media S.L. residierte einst in Köln, heute sitzt sie in Barcelona. Eine Zweigstelle soll er in der Schweiz eingerichtet haben. In Köln lässt er lediglich eine freie PR-Beraterin Anfragen beantworten. Die Telefonnummer seines "Organisation Office Germany" wiederum hat die Vorwahl der Stadt Ibbenbüren im Münsterland. Seine Tätigkeit beschrieb er einmal als "Sozialarbeit auf einem anderen Level". Der Mann hat nach dem Hauptschulabschluss als Sozialarbeiter, Journalist und Bandmanager gearbeitet. Schmidt sei "Deutschlands Party-Macher Nummer eins", er kenne "eben wie kein Zweiter das Rezept für eine gute Festivität", lobt der Kölner Express in einem Artikel, den die FDP Köln stolz auf ihrer Homepage zeigt. Manfred Schmidt ist die zweite der beiden Persönlichkeiten, deren Job es eigentlich ist, im Hintergrund zu bleiben. Der Länderdialog zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern sollte - so sieht es aus - das erste gemeinsame Projekt des Gespanns Schmidt/Mronz sein. Wenige Wochen danach wollen Manfred Schmidt und Michael Mronz davon offenbar nichts mehr wissen. Auf Nachfrage von sueddeutsche.de lässt Schmidt schriftlich mitteilen: "Alleiniger Gastgeber und Veranstalter der Reihe 'Länderdialog' ist die Manfred Schmidt Media S.L.". Und Michael Mronz lässt über einen Sprecher - ebenfalls schriftlich - erklären: "Nein, MMP war nicht Gastgeber des 'Länderdialoges Bayern Nordrhein-Westfalen'." Die Präsentation für potentielle Sponsoren freilich legt Gegenteiliges nahe. Dort ist auf der Seite "Fakten" unter dem Stichwort "Gastgeber" dieser Eintrag zu lesen: Manfred Schmidt Media S.L. und Michael Mronz Promotion. Die Präsentation ziert sogar ein gemeinsames Logo, das die Initialen von Michael Mronz und Manfred Schmidt (MMMS) stilisiert. Und es taucht der Firmenname "MMMS Business Events" auf, der sich in keinem Handelsregister wiederfinden lässt. Wo sich Mronz und Schmidt erstmals begegnet sind, wie sie Geschäftspartner geworden sind, ist nicht im Detail bekannt. Schmidt und Mronz wollen sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Party-Mogul Schmidt verweist stoisch darauf, alleine er sei Gastgeber des Länderdialoges. Mronz lässt ausrichten, "alle weiteren Fragen erübrigen sich dadurch", dass er nicht Gastgeber sei. Für einen wie Schmidt hat Michael Mronz immer mehr an gesellschaftlichem Wert gewonnen. Der FDP-Chef Westerwelle nimmt seinen Freund im Dezember 2004, ein Jahr nachdem sie sich kennengelernt haben, auf die Feier zum 50. Geburtstag von Angela Merkel mit - damit ist der exzellente Sportvermarkter in die politische Beletage aufgestiegen. Mronz - der Mann an der Seite von Guido Westerwelle, dem Oberliberalen. Manfred Schmidt wiederum ist ein Menschensammler. Der Kölner bringt Leute auf seinen eigenen legendären, äußerst exklusiven Treffen zusammen. Wie am 7. November 2009, zwei Tage vor den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Da feiert eine illustre Runde ganz oben in der "Residenz", Pariser Platz 4a, einem luxuriösen Penthouse - und die wohl mit Abstand exklusivste Location, die in Berlin zu finden ist. Manfred Schmidt unterhält dieses Quartier für besondere Gelegenheiten der Begegnung. Hier haben schon Franz Beckenbauer und Boris Becker auf Großgastgeber Schmidt angestoßen. Das Penthouse bietet Platz für bis zu 70 Personen. Die Gäste können am offenen Sandsteinkamin relaxen, auf edlem Buchenparkett wandeln oder einfach nur von der großzügigen Dachterrasse aus den sagenhaften Blick auf das Brandenburger Tor genießen. Die Gästeliste am Abend des 7. November ist kurz. ZDF-Talklady Maybrit Illner ist mit ihrem Lebensgefährten dabei, dem Telekom-Chef René Obermann. United-Internet-Chef Ralph Dommermuth gibt sich die Ehre, Botschafter und Exzellenzen sind präsent. Stargast des Abends aber ist der frisch vereidigte Außenminister Westerwelle, begleitet von Lebenspartner Michael Mronz.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-netzwerke-die-geschaefte-des-michael-mronz-1.14351
FDP: Netzwerke - Die Geschäfte des Michael Mronz
00/03/2010
Westerwelle-Freund Mronz macht als Veranstalter Karriere. Doch eine Sause für zwei schwarz-gelbe Landesregierungen geriet zum Fiasko.
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Mit dem SPD-Veteranen Klose will die schwarz-gelbe Regierung das Verhältnis zu den USA verbessern. Der Neue sah sich nie "hundertprozentig als Sozialdemokrat". Das Auswärtige Amt hat eine überraschende Personalentscheidung bekanntgegeben. Der liberale Minister Guido Westerwelle holt sich Unterstützung fürs internationale Parkett ausgerechnet beim politischen Gegner. Die Stelle des Koordinators für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit wird mit einem SPD-Veteranen neu besetzt. Hans-Ulrich Klose soll neuer transatlantischer Koordinator werden und sich um die Beziehungen zu den USA kümmern. Bei einem Blick in die Vita des 72-Jährigen schwindet die Verwunderung. Die Zielsetzung des Amts ist der Ausbau und die Pflege deutsch-amerikanischer Netzwerke. Die Beziehungen zwischen Deutschland, den USA und Kanada sollen sich so auf gesellschaftlichem, kulturellem und informationspolitischem Gebiet verbessern. Klose passt auf dieses Stellenprofil. Er ist auf dem Gebiet der deutsch-amerikanischen Beziehungen ein erfahrener Mann. Seit 1998 sitzt er im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, war die ersten vier Jahre sogar dessen Vorsitzender. Klose ist zudem seit 2003 Mitglied und Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA und besitzt eine offene Affinität zu dem Land. "Es ist ein faszinierendes Land, wer immer da regiert." Der Jurist hat früh eine steile politische Karriere hingelegt. Mit nur 37 Jahren wurde er 1974 zu Hamburgs Erstem Bürgermeister gewählt und war sieben Jahre lang im Amt, bis er 1981 wegen Querelen um den Bau des Atomkraftwerks Brokdorf zurücktrat. Zwei Jahre später wurde er für die SPD in den Bundestag gewählt und gehört bis heute ohne Pause dem Parlament an. Er löste Hans-Jochen Vogel 1991 als Fraktionsvorsitzenden ab und war von 1994 bis 1998 Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Klose machte Karriere in der SPD obwohl er nicht immer auf Parteilinie war. Er vertritt parteiintern unliebsame Positionen. Prominentes Beispiel ist Kloses Streit mit Ex-Bundeskanzler Schröder im Jahr 2003. In der Irak-Politik stellte sich Klose klar gegen Schröder, warf dem damaligen Regierungschef vor, Deutschland ins außenpolitische Abseits zu manövrieren - und forderte eine bessere Zusammenarbeit mit den USA. Eine Haltung, die der damaligen Oppositionsführerin und heutigen Kanzlerin gut gefallen haben muss. Und Klose machte Karriere in der SPD, obwohl er einmal sagte, er sei "nie hundertprozentig Sozialdemokrat". Er habe lange zwischen FDP und SPD geschwankt. "Es war dann eine 60:40 Entscheidung." Das dürfte Westerwelle die Entscheidung leichter gemacht haben.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/sozialdemokrat-klose-ein-roter-fuer-schwarz-gelb-1.19794
Sozialdemokrat Klose - Ein Roter für Schwarz-Gelb
00/03/2010
Mit dem SPD-Veteranen Klose will die schwarz-gelbe Regierung das Verhältnis zu den USA verbessern. Der Neue sah sich nie "hundertprozentig als Sozialdemokrat".
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat von den Verantwortlichen für die Missbrauchsfälle in katholischen und anderen Einrichtungen schonungslose Offenheit verlangt. "Es gibt nur eine Möglichkeit, dass unsere Gesellschaft mit diesen Fällen klarkommt, und das heißt: Wahrheit und Klarheit über alles, was passiert ist", sagte Merkel am Mittwoch in der Generalaussprache des Bundestages über den Haushalt. Zugleich räumte sie ein: "Völlige Wiedergutmachung wird und kann es nicht geben." Man müsse über Verjährung und könne über Entschädigung sprechen, sagte die Kanzlerin. "Dass Menschen, die so etwas erfahren haben, sich in dieser Gesellschaft wieder anerkannt, aufgehoben fühlen und wenigstens ein Stück Wiedergutmachung bekommen", sei eine Bewährungsprobe für die gesamte Gesellschaft. Merkel betonte, die Diskussion über die Aufarbeitung der "verabscheuungswürdigen Verbrechen" dürfe sich nicht auf die katholische Kirche beschränken, auch wenn die ersten Fälle aus diesem Bereich bekanntgeworden seien. "Es ist etwas, was in vielen Bereichen der Gesellschaft sich ereignet hat und es ist vor allen Dingen auch etwas, was sich heute teilweise in anderer Form, aber mit gleichen Folgen, weiter ereignet." Die Kanzlerin begrüßte, dass Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gemeinsam mit Familienministerin Kristina Schröder und Bildungsministerin Annette Schavan (beide CDU) gemeinsam ein Gesprächsforum zur Aufarbeitung der Vorfälle bilden wollen. Die Kirche deutete inzwischen Bereitschaft an, Opfer zu entschädigen. "Im Prinzip bekennt sich die Kirche zu ihrer Verantwortung, dass sie den Menschen helfen muss", sagte der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten in der ARD. Derzeit diskutiere die Deutsche Bischofskonferenz, wie man Betroffenen auch materiell helfen könne. Dabei stünden zunächst einmal die Täter selbst in der Pflicht. Bei Mönchen seien zudem die Ordensgemeinschaften gefragt. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, hat Merkels Umgang mit der katholischen Kirche scharf kritisiert. "Es sind die Kinder, die den besonderen Schutz der Gesellschaft brauchen, und nicht der Papst," sagte sie im Bundestag und bezog sich damit auf Meldungen, die Bundeskanzlerin verteidige das Vorgehen des Papstes. Außerdem habe die Regierung zu spät auf die Missbrauchsfälle reagiert. Künast forderte die Kanzlerin dazu auf, einen Fonds zur Entschädigung der Opfer einzurichten und dafür Sorge zu tragen, dass auch verjährte Fälle öffentlich gemacht werden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte hingegen vor einer Abrechnung mit der Kirche. "Die Wahrheit muss auf den Tisch, aber nicht um der Anklage willen, sondern um in Zukunft so etwas zu verhindern", sagte Kauder. An die Opposition gerichtet sagte er: "Was mich schon betroffen gemacht hat, war, dass offensichtlich einigen von Ihnen es nicht um diese Frage geht, sondern um eine Abrechnung mit der Kirche. Und dies werden wir nicht zulassen."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-merkel-nimmt-die-kirche-ins-gebet-1.5585
Missbrauchsskandal - Merkel nimmt die Kirche ins Gebet
00/03/2010
"Wahrheit und Klarheit über alles": Kanzlerin Merkel pocht darauf, dass die katholische Kirche die Missbrauchsfälle schonungslos aufklärt - und fordert Wiedergutmachung.
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Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will nun doch nur noch einen Runden Tisch für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle - gemeinsam mit Familienministerin Schröder. Kurzmeldungen im Überblick Die Bundesregierung will die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten bündeln. Innerhalb der Regierung gebe es Gespräche, damit ein breit aufgestelltes Gremium "möglichst schnell" seine Arbeit aufnehmen könne, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie halte es für eine gute Idee, "die gesamte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu bündeln", sagte sie. In einem gemeinsamen Gremium könnten Prävention, Aufklärung, Opferentschädigung und rechtspolitische Konsequenzen beraten werden - gegebenenfalls in Einzelgruppen oder Kommissionen, sagte die FDP-Politikerin. Bisher war geplant, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am 23. April zu einem Runden Tisch mit dem Fokus Prävention einlädt, während die Justizministerin einen Runden Tisch zu Entschädigungsfragen und rechtlichen Schlussfolgerungen einrichten wollte. Getrennte Runde Tische der beiden Ministerien soll es nun nicht geben. Leutheusser-Schnarrenberger brachte eine bundesweite Hotline für Missbrauchsopfer nach dem Vorbild der Aids-Hilfe ins Gespräch. Für Betroffene könne das eine Hilfe sein, sich leichter zu offenbaren. Nach heftiger Kritik lobte Leutheusser-Schnarrenberger den Wandel im Umgang der katholischen Kirche mit dem Skandal: "Es hat eine breite Debatte begonnen, die Veränderungswillen erkennen lässt." Wie sich die Bundeskanzlerin hinter die Vertriebenen-Stiftung stellt und warum die türkische Regierung nun doch den Wahlkampf in kurdischer Sprache erlaubt: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-ein-tisch-fuer-alle-1.16571
Ein Tisch für alle
00/03/2010
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will nun doch nur noch einen Runden Tisch für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle - gemeinsam mit Familienministerin Schröder. Kurzmeldungen im Überblick
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Der Verteidigungsminister hat es eilig: Guttenberg will die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monaten auf 2010 vorziehen - und erntet damit Skepsis. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios die Verkürzung der Wehrpflicht vorziehen. Guttenberg plant demnach bereits die zum 1. Oktober dieses Jahres einberufenen Wehrpflichtigen schon nach sechs statt der bisher üblichen neun Monate wieder zu entlassen. Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) bestätigte die Meldung im Deutschlandfunk indirekt. "Es gibt Überlegungen dahin, dass die zum 1. Oktober 2010 Eingezogenen ihren Wehrdienst am 31. März 2011 beenden können", sagte Schmidt. Es seien allerdings noch einige Verhandlungen notwendig, da auch der Zivildienst betroffen sei, so der Verteidigungsstaatssekretär. "Wir wollen eine konzise (kurze) und nachvollziehbare Übergangsregelung finden. Ich bin da sehr optimistisch." Der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), äußerte sich kritisch zur geplanten Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate. "In der Truppe wird die Verkürzung überwiegend sehr skeptisch gesehen, weil man dort im Augenblick noch nicht erkennen kann, in welche Richtung das Ganze gehen soll", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, die Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 auf ein halbes Jahr zu verkürzen. Verteidigungsminister Guttenberg kündigte zudem an, die Zahl der jährlich einzuberufenden Wehrpflichtigen von derzeit 40.000 auf 50.000 zu erhöhen. Die Verkürzung der Wehrdienstzeit hatten CDU/CSU und FDP bei Bildung der schwarz-gelben Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-guttenberg-will-wehrdienst-frueher-kuerzen-1.16734
Bundeswehr - Guttenberg will Wehrdienst früher kürzen
00/03/2010
Der Verteidigungsminister hat es eilig: Guttenberg will die Verkürzung der Wehrpflicht von neun auf sechs Monaten auf 2010 vorziehen - und erntet damit Skepsis.
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Der FDP-Außenminister holt sich einen Sozialdemokraten an Bord: Hans-Ulrich Klose soll sich um die Beziehungen zum mächtigsten Verbündeten kümmern. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat den SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose zum Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit ernannt. Klose, der dem SPD-Politiker Karsten Voigt folgt, ist seit 1983 Mitglied des Bundestages, seit 2003 Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe und derzeit stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Wie das Auswärtige Amt am Dienstag in Berlin außerdem mitteilte, wird der derzeitige Botschafter in Italien, Michael Steiner, neuer Sonderbeauftragter für Afghanistan und Pakistan. Neuer Menschenrechtsbeauftragter wird der FDP-Politiker Markus Löning. Die drei Personalien sind nach Angaben des Auswärtigen Amts in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) getroffen worden. Das Bundeskabinett wird sich damit formell am 31. März befassen. Der neue Beauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Steiner, war bis November 2001 außenpolitischer Berater des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). Er musste diesen Posten aufgeben, nachdem er bei einer Kanzlerreise von Peking über Moskau nach Berlin in Russland einen Bundeswehr-Soldaten beleidigt hatte - angeblich, weil dieser ihm keinen Kaviar servieren wollte. Steiner folgt nun auf Bernd Mützelburg, der bereits in der großen Koalition Afghanistan-Beauftragter war. Löning als neuer Menschenrechtsbeauftragter der Regierung löst den CDU-Politiker Günter Nooke ab, der laut einem Sprecher des Entwicklungsministeriums künftig G-8-Afrika-Beauftragter wird. Löning war von 2002 bis 2009 Mitglied des Bundestages und engagiert sich seit Jahren für Menschen- und Bürgerrechtsfragen. Er ist Chef der Berliner FDP.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/auswaertiges-amt-ein-spd-mann-fuer-westerwelle-1.7435
Auswärtiges Amt - Ein SPD-Mann für Westerwelle
00/03/2010
Der FDP-Außenminister holt sich einen Sozialdemokraten an Bord: Hans-Ulrich Klose soll sich um die Beziehungen zum mächtigsten Verbündeten kümmern.
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Der Weg zur Umkehr führt über die Reue: Nach den Missbrauchsfällen in der Kirche wäre es an der Zeit für ein mea culpa des ehemaligen Erzbischofs Ratzinger. Nach der Papstaudienz von Erzbischof Robert Zollitsch war von "großer Betroffenheit" und "tiefer Erschütterung" des Papstes über die zahlreichen Missbrauchsfälle die Rede. Aber weder er noch der Papst haben grundlegende Fragen beantwortet, die sich keinesfalls mehr zur Seite schieben lassen. Nach der neuesten Emnid-Umfrage glauben nur zehn Prozent der Deutschen, die Kirche tue genug in der Aufarbeitung; aber 86 Prozent werfen der Kirchenführung mangelnde Aufklärungsbereitschaft vor. Sie müssen sich durch die bischöfliche Leugnung jeglichen Zusammenhangs zwischen Zölibatsgesetz und Kindesmissbrauch bestätigt fühlen. "Nicht heilig, eher unselig" Frage eins: Warum nennt der Papst den angeblich "heiligen" Zölibat noch immer ein "kostbares Geschenk" und ignoriert die biblische Botschaft, die allen Amtsträgern ausdrücklich die Ehe erlaubt? Der Zölibat "ist nicht "heilig", nicht einmal "selig"; er ist eher "unselig", insofern er zahllose gute Kandidaten vom Priestertum ausschließt und Scharen heiratswilliger Priester aus dem Amt vertrieben hat. Das Zölibatsgesetz ist keine Glaubenswahrheit, sondern ein Kirchengesetz aus dem 11. Jahrhundert, das bereits auf den Einspruch der Reformatoren des 16. Jahrhunderts hin hätte aufgehoben werden sollen. Unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität Die Wahrhaftigkeit hätte gefordert, dass der Papst die schon längst von einer großen Mehrheit in Klerus und Volk gewünschte Überprüfung dieses Gesetzes zumindest versprochen hätte. Auch der Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken, Alois Glück, und der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke fordern ein unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität und ein Nebeneinander von zölibatär lebenden und verheirateten Priestern. Frage zwei: Meinen, wie Erzbischof Zollitsch wiederholte, wirklich "alle Fachleute", dass Kindesmissbrauch von Klerikern und Zölibatsgesetz nichts miteinander zu tun haben? Wer kann schon die Meinungen "aller Fachleute" kennen?! Zahllos sind nämlich die Aussagen von Psychotherapeuten und Psychoanalytikern, die durchaus Zusammenhänge sehen: Das Zölibatsgesetz verpflichtet die Priester, sich jeder sexuellen Aktivität zu enthalten; aber deren Impulse bleiben virulent, und es besteht die Gefahr, dass sie in eine Tabuzone abgedrängt und dort kompensiert werden. Die Wahrhaftigkeit fordert, dass man die Korrelation zwischen Missbrauch und Zölibat ernst nimmt statt sie zu leugnen. So hat etwa der amerikanische Psychotherapeut Richard Sipe in seinen 25 Jahre langen Studien deutlich gemacht: Die zölibatäre Lebensform, besonders die zu dieser hinführende Sozialisation (oft Internat, dann Priesterseminar), kann pädophilen Neigungen Vorschub leisten. Sie stellt eine Hemmung der psychosexuellen Entwicklung fest, die bei Zölibatären häufiger auftritt als in der Durchschnittsbevölkerung. Entwicklungspsychologische Defizite und sexuelle Neigungen werden jedoch oft erst nach der Ordination bewusst. Nicht nur um Verzeihung bitten, sondern Mitschuld bekennen Frage drei: Müssten die Bischöfe, statt nur die Opfer um Verzeihung zu bitten, nicht endlich auch ihre eigene Mitschuld bekennen? Jahrzehntelang haben sie die Zölibatsfrage tabuisiert und Missbrauchsfälle mit strikter Geheimhaltung und Versetzungen vertuscht. Der Schutz ihrer Priester schien den Bischöfen wichtiger zu sein als der Schutz der Kinder. Es besteht aber ein Unterschied zwischen den individuellen Missbrauchsfällen in Schulen außerhalb der katholischen Kirche und den systemischen und deshalb oft gehäuften Fällen in einer Institution, in der noch immer eine rigoristisch-verklemmte Sexualmoral herrscht, die im Zölibatsgesetz gipfelt. Die Wahrhaftigkeit hätte gefordert, dass der Vorsitzende der Bischofskonferenz endlich eindeutig erklärt hätte, dass die Kirchenhierarchie in Zukunft bei Strafbeständen nicht mehr ohne die staatliche Justiz auskommen will. Oder wird diese Hierarchie erst durch Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe zur Besinnung gebracht werden müssen? Die katholische Kirche der USA zahlte 2006 die Summe von 1,3 Milliarden Dollar, in Irland vereinbarte die Regierung 2009 mit kirchlichen Orden einen Entschädigungsfonds von ruinösen 2,1 Milliarden Euro. Diese Summen sagen mehr als der abwiegelnd in die Diskussion eingebrachte statistische Anteil zölibatärer Täter an der Gesamtheit der Sexualtäter! Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Papst Ratzinger den Missbrauch persönlich geheim hielt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsdebatte-in-der-kirche-ratzingers-verantwortung-1.5158
Missbrauchsdebatte in der Kirche - Ratzingers Verantwortung
00/03/2010
Der Weg zur Umkehr führt über die Reue: Nach den Missbrauchsfällen in der Kirche wäre es an der Zeit für ein mea culpa des ehemaligen Erzbischofs Ratzinger.
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Die lange paralysierte Regierung Haitis sendet erste Signale für den Aufbruch in eine bessere Zukunft: Ein Plan für den Wiederaufbau des Landes macht konkrete Vorschläge - doch die kosten enorm viel Geld. Mehr als zwei Monate sind seit dem Erdbeben vergangen, das mehr als 220.000 Menschen getötet und weite Teile Haitis vollkommen zerstört hat. Der Karibikstaat war bereits vor der Katastrophe ein bitterarmes Land mit einer schwachen Zentralgewalt. Nach dem Beben war das Chaos in dem Land so gewaltig, dass die Regierung lange paralysiert war und die Verantwortung an US-Marines und internationale Hilfskräfte abgeben musste. Nun sendet die Regierung erste Signale - für den Wiederaufbau des Landes und für den Aufbruch in eine bessere Zukunft. Die Regierung in Port-au-Prince legte den ersten Entwurf eines Plans für den Aufbau vor. Der Plan ist nicht endgültig - doch er enthält eine entscheidende Zahl. 11,5 Milliarden Dollar soll der Wiederaufbau kosten. Bei der Sammlung der Daten und der Ausarbeitung des Plans wurde die haitianische Regierung von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Das Papier wurde in Santo Domingo, der Hauptstadt der benachbarten Dominikanischen Republik, bei einem Vorbereitungstreffen zur Geberkonferenz für Haiti am 31. März in New York ausgeteilt. "Der Wiederaufbauplan muss immer weiter fortentwickelt werden", sagte der haitianische Tourismusminister Patrick Delatour der Nachrichtenagentur AFP. Doch schon in seiner jetzigen Fassung geht er weit über die Nothilfe für die Erdbebenopfer hinaus. Dem Papier zufolge richtete das Beben der Stärke 7,0 einen Schaden in Höhe von 7,9 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro) an. Dies entspreche 120 Prozent des haitianischen Bruttoinlandsproduktes. Mehr als 70 Prozent des Schadens seien im privaten Sektor entstanden. Von den 11,5 Milliarden Euro sollen 50 Prozent in den sozialen Bereich, 17 Prozent in Infrastrukturprojekte und den Hausbau und 15 Prozent in Umwelt- und Katastrophenschutzmaßnahmen fließen. Außer der direkten Nothilfe führte das Papier auch längerfristige Ziele wie "den Wiederaufbau des Staates und der Wirtschaft im Dienste aller Haitianer" und eine Justizreform auf.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/zwei-monate-nach-dem-beben-hoffnungsschimmer-fuer-haiti-1.14176
Zwei Monate nach dem Beben - Hoffnungsschimmer für Haiti
00/03/2010
Die lange paralysierte Regierung Haitis sendet erste Signale für den Aufbruch in eine bessere Zukunft: Ein Plan für den Wiederaufbau des Landes macht konkrete Vorschläge - doch die kosten enorm viel Geld.
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Außenminister Guido Westerwelle dürfe nicht den Fehler machen, jede Kritik unter den Generalverdacht der Homophobie zu stellten, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit. Er weiß, wovon er spricht. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), hat sich skeptisch zur Verteidigungslinie von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wegen der Vorwürfe zu seiner Reisedelegation geäußert. Westerwelle hatte die Wucht der Kritik auch mit Ressentiments gegenüber homosexuellen Beziehungen erklärt. "Ich will nicht ausschließen, dass Politiker, die sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen, mitunter nach anderen - auch feindlichen - Kriterien betrachtet werden", sagte Wowereit dem Bonner General-Anzeiger. "Nur müssen wir uns vor einem hüten: Man kann nicht alles, was an Kritik kommt, unter den Generalverdacht der Homophobie stellen. In dieser Gefahr bewegt sich Herr Westerwelle." Wowereit ist auch stellvertretender SPD-Vorsitzender und selbst bekennender Homosexueller. Er sagte in dem Interview weiter: "Man darf auch einen homosexuellen Außenminister kritisieren, wenn er eine Reisedelegation um sich schart, die nicht nach professionellen, sondern nach Klientel-Kriterien zusammengestellt worden ist. Dafür muss er sich rechtfertigen." Westerwelle war auf Auslandsreisen mehrfach von seinem Lebenspartner, dem Sportveranstaltungsmanager Michael Mronz, begleitet worden. Auf einer früheren Reise hatte ihn der Geschäftsführer einer Firma begleitet, an der Westerwelles Bruder beteiligt ist. Außerdem war auf seiner Asien-Reise ein Unternehmer in der Wirtschaftsdelegation, der zuvor 160.000 Euro an die FDP gespendet haben soll. "Diejenigen, die Herr Westerwelle - zum Teil aus der Schweiz - mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel über die umstrittenen Begleiter von Außenminister Guido Westerwelle bei dessen Auslandsreisen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wowereit-mahnt-westerwelle-generalverdacht-homophobie-1.11518
Wowereit mahnt Westerwelle - Generalverdacht: Homophobie
00/03/2010
Außenminister Guido Westerwelle dürfe nicht den Fehler machen, jede Kritik unter den Generalverdacht der Homophobie zu stellten, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit. Er weiß, wovon er spricht.
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Iraks Premierminister al-Maliki erhebt nach der Parlamentswahl Betrugsvorwürfe, bereitet aber dennoch Gespräche zur Regierungsbildung vor. Er sieht sich als Sieger. Der irakische Premierminister Nuri al-Maliki erhebt nach der Parlamentswahl Betrugsvorwürfe, bereitet aber dennoch Gespräche zur Regierungsbildung vor. Neun Tage nach der Wahl forderten Vertreter des Regierungschefs, dessen Parteienkoalition Rechtsstaat Teilergebnissen zufolge vor den anderen Parteien liegt, eine Neuauszählung aller Stimmen. Mitarbeiter der irakischen Wahlkommission hätten die bisherige Stimmenbilanz manipuliert, behauptete Ali al-Adib, einer der Rechtsstaat-Kandidaten bei der Wahl. Europäische Diplomaten in Bagdad sahen die Fälschungsvorwürfe im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung als womöglich berechtigt, aber für das Wahlergebnis unerheblich an. Unklar blieb, weshalb Maliki trotz der Forderung nach einer Neuauszählung begann, Gespräche mit anderen Parteien für ein neues Kabinett zu suchen. Die Teilauszählung der zweiten Parlamentswahl nach dem Sturz der Saddam-Diktatur 2003 sieht Malikis nationalistisches Bündnis knapp vor der säkular ausgerichteten Irakija-Liste von Ex-Premier Ijad Allawi. An dritter Stelle folgt die Nationale Allianz der islamistisch orientierten Schiiten-Parteien. Vielerorts war die Auszählung der Stimmen chaotisch verlaufen, von Anfang an gab es Betrugsvorwürfe. Der Premier selbst hatte gesagt, es gebe Manipulationen bei der Auszählung. Diese würden aber "nichts am Gesamtergebnis" ändern. Nun erhebt auch sein Parteienbündnis Fälschungsvorwürfe. Die Wahlkommission verlangte Beweise. Europäische Diplomaten warnten davor, die bisherigen Auszählungsergebnisse als relevant anzusehen. "Erst in zwei, drei Tagen wird es belastbare Teilergebnisse geben." Fälschungen gebe es zweifelsohne. Sie seien wegen des ausgeklügelten Auszählungssystems aber "keinesfalls massiv". Dass sich Maliki dennoch bereits als Sieger fühlt, zeigt sich an der offiziell bekanntgegebenen Vorbereitung von Gesprächen zu Regierungsbildung. Das Rechtsstaat-Bündnis, dessen Kern Malikis islamistische Dawa-Partei bildet, hofft auf eine Zusammenarbeit mit den Kurden. Die beiden großen Kurdenparteien KDP und PUK haben die Wahl im kurdischen Norden offenbar gewonnen. Sie saßen bisher in der Regierung und wollen dies wieder tun. Sie fordern aber, dass der bisherige Präsident und Kurde Dschalal Talabani wieder Staatschef wird. Die politisch bisher unbedeutenden Sunniten haben gefordert, der Präsident des mehrheitlich arabischen Irak müsse Araber sein. Sie sind nach der Parlamentswahl stärker: Die von ihnen favorisierte Irakija-Liste ist auf dem zweiten Platz. Außerdem beanspruchen die Kurden, dass die ölreiche Provinz um die Stadt Kirkuk Teil des halbautonomen Kurdengebiets im Nordirak wird. Dies lehnen Araber und Turkmenen ab. Sie wollen, dass Kirkuk von der Zentralregierung verwaltet wird.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-parlamentswahl-maliki-plant-neue-regierung-1.2169
Irak: Parlamentswahl - Maliki plant neue Regierung
00/03/2010
Iraks Premierminister al-Maliki erhebt nach der Parlamentswahl Betrugsvorwürfe, bereitet aber dennoch Gespräche zur Regierungsbildung vor. Er sieht sich als Sieger.
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Die USA wollen die arabischen Länder zu Konzessionen bewegen. Nur so könnte Iran domestiziert werden - doch Israel torpediert diese Bemühungen. Der Gesandte kommt nicht. Denn niemand mag ihn schicken. Der Präsident persönlich, so raunen Eingeweihte in Washington, habe angeordnet, dass George Mitchell, sein Sonderbotschafter für den Nahostfrieden, vorerst nicht nach Jerusalem reisen darf. Doch Barack Obama will mehr als nur ein Zeichen setzen. Zwar dient das temporäre Flugverbot für US-Friedensengel Mitchell auch als sehr öffentliches Signal dafür, wie verärgert Washington ist über die israelische Regierung und deren tölpelhaft inszenierte Entscheidung, just während des Besuchs von Vize-Präsident Joe Biden vorige Woche den Neubau von 1600 Wohnungen in Ostjerusalem anzukündigen. Aber Obama will mehr: Er will diese Schwäche der erzkonservativen Regierung nutzen, um Premier Benjamin Netanjahu bittere Konzessionen abzutrotzen. Bereits am vergangenen Freitag hat Hillary Clinton die Liste amerikanischer Forderungen vorgetragen. In einem so kalten wie konfrontativen Telefonat mit Premier Netanjahu verlangte die Außenministerin, Israel müsse den angekündigten Siedlungsbau sofort stoppen und solle als Geste gegenüber den Palästinensern einige hundert arabische Gefangene freilassen. Vor allem aber müsse Netanjahu öffentlich bestätigen, dass es in den geplanten "indirekten Friedensgesprächen" keine Tabus gebe. Ein Abzug aus dem Westjordanland, eine Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge und auch der künftige Status der heiligen Stadt müsse verhandelbar sein. "Er hat gesagt, ihm sei es ernst bei diesen Friedensgesprächen", sagt ein hochrangiger US-Diplomat, "genau das testen wir." Nahostfrieden und Nuklearwaffen Nicht allen in Washington gefällt diese Gangart. Nachdem Clinton wie auch Obamas engster Berater David Axelrod im Fernsehen geschimpft hatten, Israel habe "die Vereinigten Staaten beleidigt", begann in Washington eine Schlacht um Jerusalems Zukunft: Nicht nur Republikaner wie John McCain werfen Obama vor, er beschädige die Beziehungen zu einem engen Alliierten. Auch der unabhängige Senator Joe Lieberman, ein gläubiger Jude, stellte sich gegen das Weiße Haus. Und mit der Hinterbänklerin Shelley Berkley positionierte sich am Dienstag auch eine erste Demokratin offen gegen die Regierung. Sätze sind gefallen, wie sie seit Sonntag auch führenden Organisationen der Pro-Israel-Lobby verbreiten. Statt Netanjahu zu schelten, so verbreiten sie, solle Obama sich lieber dem Nahostfrieden im Allgemeinen zuwenden und insbesondere "die rasante Jagd Irans nach Nuklearwaffen" stoppen. Wenn alles mit allem zusammenhängt US-Diplomaten argumentieren, dass Obama genau dies versuche. Unmittelbar nach dem Eklat um den Bau neuer jüdischer Siedlungen warnte das Pentagon bereits, Israels Symboltat könnte amerikanische Truppen im Irak gefährden, weil dies arabische Terroristen zu neuen Anschlägen anstachele. Und anonym erläutern Regierungsvertreter, Israel unterlaufe zugleich alle Versuche, im UN-Sicherheitsrat demnächst verschärfte Sanktionen gegenüber Teheran durchzusetzen. Dazu braucht der Westen auch Pekings Zustimmung - aber China braucht Öl, bisher auch aus Iran. Seit Monaten müht sich Washington deshalb, dem saudischen Königshaus das Versprechen abzuringen, im Ernstfall mehr Öl zu fördern und so iranische Lieferausfälle wettzumachen. Doch zu solchen Zusagen ist Riad nicht bereit, solange Israel nicht Jerusalem mit den Arabern teilen will.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-zerren-um-jerusalem-1.19516
Zerren um Jerusalem
00/03/2010
Die USA wollen die arabischen Länder zu Konzessionen bewegen. Nur so könnte Iran domestiziert werden - doch Israel torpediert diese Bemühungen.
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Nigerias Präsident ist zu krank, um seine Geschäfte selbst zu führen. Die Milizen nutzen seine Schwäche für brutale Anschläge. Das Land versinkt im Chaos und droht zu zerbrechen. Die Woche sollte mit Worten des Friedens beginnen. Stattdessen sprachen die Waffen. Zwei Bomben gingen am Montag in der Hafenstadt Warri im Nigerdelta hoch, als die Regierung zu Verhandlungen über ein Ende der Rebellion im ölreichen Süden Nigerias lud. Der explosive Auftakt zu den Friedensgesprächen offenbarte, wie mächtig die Rebellen-Miliz Mend (Bewegung zur Emanzipation des Nigerdeltas) immer noch ist. Sie kann losschlagen, wo, wann und wie sie möchte - das war die Botschaft. In einer Erklärung der Gruppe hieß es außerdem, sie habe den Gouverneur des Bundesstaates Delta eines Besseren belehren wollen, weil er die Mend zuvor als "Kreation der Medien" abgetan habe. Angaben über Opfer des Anschlags waren widersprüchlich, womöglich hat es einen Toten gegeben. Regierungschef Goodluck Jonathan, der als Nigerias Vizepräsident die Amtsgeschäfte für den erkrankten Umaru Yar'Adua führt, muss nun dafür kämpfen, dass die Verhandlungen über Frieden im Nigerdelta nicht völlig entgleisen. Die Stimmung im Land ist schlecht. Der wortgewaltige Friedensnobelpreisträger Nigerias, Schriftsteller Wole Soyinka, prangerte das "Theater des Absurden" an, das Nigerias Politik lähme. Dem britischen Blatt Independent sagte er: "Der Zorn hat seinen Höhepunkt erreicht. Ich schließe nicht aus, dass Nigeria auseinanderbricht." Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi sieht die Teilung des Landes sogar als Lösung für die Konflikte. Zwar wurde ein Auseinanderbrechen Nigerias schon öfter prophezeit, und noch immer hat es das Land geschafft, im Chaos vereint weiterzutaumeln; doch es ist kaum zu übersehen, dass das politische Vakuum die Spannungen in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat immer weiter verstärkt. Der Präsident ist zu schwach zum Regieren Der Präsident ist also zu krank, um zu regieren, aber er tritt auch nicht zurück. Die Regierung ist nicht in der Lage, Ausbrüche brutaler Gewalt zu verhindern. Und das Delta im Süden Nigerias ist dabei nicht der einzige Brennpunkt. Erst vor einigen Tagen war das Zentrum des Landes von Massakern erschüttert worden, denen Dutzende Menschen zum Opfer fielen. In der Region Jos kommt es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen, vieles spricht dafür, dass politische Rivalitäten und der Durst nach Rache für frühere Taten die Gewalt immer wieder anfachen. Die Konflikte im Nigerdelta haben einen anderen Hintergrund, sind aber mindestens ebenso explosiv. Es geht um die reichen Öl- und Gasvorkommen, und wer davon einen Nutzen hat. Seit Jahrzehnten schwelt dieser Konflikt, und den Rebellen gelingt es immer wieder, durch Attacken, Sabotage und Drohungen die Ölexporte Nigerias zu reduzieren. Es gibt Wahlen, aber gefälschte Auch die jüngste Erklärung der Mend prangerte an, dass das "Land der Völker im Nigerdelta einst von den Ölfirmen und von Nordnigeria" gestohlen worden sei. Damals herrschten in Nigeria noch die Generäle aus dem Norden, unter Diktator Abacha wurden der Freiheitskämpfer Ken Saro-Wiwa und seine Getreuen exekutiert. Die Militärdiktatur ist längst beendet. Heute können die Nigerianer zur Wahl gehen, auch wenn dabei heftig betrogen wird. Aber den schlechten Ruf haben die Ölkonzerne all die Jahre nicht mehr abschütteln können. Verschmutzung, Gewalt und Perspektivlosigkeit im Nigerdelta haben noch zugenommen. Firmen wie Shell gelten vielen im Nigerdelta als Ausbeuter und skrupellose Komplizen in einem schmutzigen Geschäft, obgleich die Ölkonzerne inzwischen oft mehr für die Entwicklung der Region tun als die korrupten Bundesstaaten des Deltas selbst. Reichtum durch gestohlenes Öl Deren Gouverneure standen häufig im Verdacht, gewaltige Summen veruntreut zu haben. Doch die Justiz mussten sie bislang kaum fürchten. Gleichzeitig stehen aber auch Netzwerke der Rebellen im Verdacht, mit gestohlenem Öl reich zu werden. Nigerias Präsident Yar'Adua, ein Mann des Nordens, wollte die Region durch eine Amnestie und einen Aufbauplan befrieden, doch sein Vorhaben geriet ins Stocken, als sich seine Gesundheit verschlechterte und er monatelang in eine Klinik in Saudi-Arabien verschwand. Yar'Adua ist zwar nun zurück, doch ist er zu schwach zu regieren. Sein Vize Goodluck Jonathan, ein Mann aus dem Süden, tut das nun in seinem Auftrag. Doch Jonathan hat nun gegen die Vorwürfe der Mend anzukämpfen, dass Verhandlungen der Regierung, nur Blendwerk seien, um Zeit zu schinden. Jonathan kann dem nur dann wirksam entgegensteuern, wenn er bald Erfolge vorweist und die versprochenen Aufbauprogramme auch greifen. Die frustrierte Jugend im Delta braucht Jobs und Perspektiven, wenn sie dem Aufstand fernbleiben soll. Noch ist unklar, wie viel Kraft Jonathan an der Spitze Nigerias entfalten kann, denn schon ringen die rivalisierenden Lager um Yar'Aduas dauerhafte Nachfolge. Kaum einer rechnet damit, dass der kranke Präsident sich noch so erholt, dass er selbst die Geschäfte führen kann. Angesichts des Vakuums wird darüber debattiert, die nächsten Wahlen vorzuziehen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/erdoelmacht-nigeria-wankender-riese-1.6420
Erdölmacht Nigeria - Wankender Riese
00/03/2010
Nigerias Präsident ist zu krank, um seine Geschäfte selbst zu führen. Die Milizen nutzen seine Schwäche für brutale Anschläge. Das Land versinkt im Chaos und droht zu zerbrechen.
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mlsum_de-train-474
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Freimut aus Enttäuschung: Reinhold Robbes harsche Kritik am Zustand der Bundeswehr liegt auch daran, dass ihm keine zweite Amtszeit vergönnt ist. Ein leiser Abgang ist das nicht, wenn nun Reinhold Robbe das Amt des Wehrbeauftragten verlässt. So schonungslos wie selten zuvor kritisiert Robbe in seinem letzten Jahresbericht die erschreckend große Zahl von Missständen in der Bundeswehr. Dass er sogar einen veritablen Inspekteur einer Teilstreitkraft, den des Sanitätswesens, frontal angreift und ihm totales Versagen vorwirft, hat es in der Geschichte dieses Amtes noch nicht gegeben. So viel Freimut hat viel mit der Enttäuschung darüber zu tun, dass Robbe die meisten der genannten Defizite schon seit Jahren anprangert, ohne dass ausreichend Abhilfe geschaffen worden wäre. Sicherlich verdankt die Öffentlichkeit die drastischen Wahrheiten aber auch dem Umstand, dass dem Sozialdemokraten Robbe unter der neuen schwarz-gelben Koalition eine zweite Amtszeit nicht vergönnt war. Die FDP beansprucht das Amt für ihren Abgeordneten Hellmut Königshaus. Robbe wäre gern geblieben. Dass er am Dienstag einen Kommentar zur schwierigen Kandidatenfindung bei der FDP ungefragt ablehnte, ist Kommentar genug. Robbe hat sich um die Soldaten verdient gemacht. Dass manch einer in der Spitze des Verteidigungsministeriums sich von ihm über Gebühr kontrolliert fühlte, spricht für Robbe und sein Engagement. Insofern hat er Maßstäbe gesetzt, an denen sich sein Nachfolger wird messen lassen müssen. Robbe hat auch früher das klare Wort nicht gescheut. Königshaus ist ein stillerer Typ, der als Jurist seine Sätze sorgsam wägt. Das muss nicht heißen, dass er am Ende weniger für die Soldaten und ihre Familien erreichen kann. Gelegentlich aber wird auch er auf die Pauke hauen müssen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wehrbeauftragter-robbe-ein-ende-mit-schrecken-1.6082
Wehrbeauftragter Robbe - Ein Ende mit Schrecken
00/03/2010
Freimut aus Enttäuschung: Reinhold Robbes harsche Kritik am Zustand der Bundeswehr liegt auch daran, dass ihm keine zweite Amtszeit vergönnt ist.
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Ettal, Regensburg, Odenwald - und nun Salem. Auch im Elite-Internat am Bodensee soll es sexuellen Missbrauch gegeben haben. Einst, vor langer Zeit. Auch im Elite-Internat Schloss Salem am Bodensee hat es nach Angaben des ehemaligen Schulleiters Bernhard Bueb, 72, Missbrauchsfälle gegeben. "Es gab Situationen, wo Schüler sich an mich wandten oder an andere Mitarbeiter und erklärten, sie seien belästigt worden", sagte Bueb im Südwestrundfunk. Die verantwortlichen Lehrer seien daraufhin entlassen worden. Auch habe er die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. "Vergleichsweise harmlos" Im Vergleich zu den Vorfällen etwa an der Odenwaldschule in Hessen seien die Fälle jedoch "vergleichsweise harmlos" gewesen. Die Schule Schloss Salem wurde im April 1920 gegründet. Derzeit besuchen etwa 700 Schülerinnen und Schüler die drei verschiedenen Internatsschulen. Bueb war dort von 1974 bis 2005 Leiter. Seine vor vier Jahren erschienene "Streitschrift" mit dem Titel "Lob der Disziplin" hatte eine lebhafte Diskussion über Erziehungsfragen ausgelöst. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen den Schulleiter der Odenwaldschule, Gerold Becker, und dessen Partner Hartmut von Hentig fürchtet Bueb, dass die "gesamten Ideen der Reformpädagogik in Verruf geraten" könnten, sagte er dem SWR. Bueb war von 1972 bis 1974 auch Lehrer an der Odenwaldschule. Dort haben bisher mehr als 30 ehemalige Schüler Übergriffe aus den Jahren 1966 bis 1991 gemeldet. Bueb erklärte, er habe Becker - nachdem die Vorfälle 1999 bekannt wurden - "trotz weiterer Kontakte" nicht darauf angesprochen. "Ich habe mich auf Hartmut von Hentig verlassen, habe darauf vertraut, dass er nie etwas zulassen würde, was Kindern schadet." Er befürchte nun, dass "mit der Demontage von Hartmut von Hentig die gesamten Ideen der Reformpädagogik in Verruf geraten". Freund und fürsorglicher Pädagoge Der Reformpädagoge von Hentig, Beckers Lebensgefährte, hatte der Süddeutschen Zeitung gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass Becker je den Willen eines Kindes gebrochen habe. Er kenne Becker "ausschließlich als Freund und fürsorglichen Pädagogen". In einer Stellungnahme im Internet erklärte Eva Marie Haberfellner, derzeitige Leiterin der Schule Schloss Salem, sexueller Missbrauch führe auch unter ihrer Leitung "zu sofortiger Entlassung und einer Strafanzeige" durch die Schulleitung. "Das pädagogische Programm Salems, sein Betreuungssystem und die eingerichteten Kommunikationsstrukturen gewährleisten eine soziale Kontrolle, die das Missbrauchsrisiko minimiert." In Salem werde eine hochentwickelte soziale Kultur gepflegt, die darauf abziele, "die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu selbstbewussten und wertorientierten Menschen zu erziehen".
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https://www.sueddeutsche.de/politik/elite-internat-am-bodensee-missbrauch-auch-in-salem-1.17388
Elite-Internat am Bodensee - Missbrauch auch in Salem
00/03/2010
Ettal, Regensburg, Odenwald - und nun Salem. Auch im Elite-Internat am Bodensee soll es sexuellen Missbrauch gegeben haben. Einst, vor langer Zeit.
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Horst Köhler macht sich unsichtbar: Wenn der Bundespräsident noch länger zu Neuverschuldung, Sponsoring-Affären und Hartz-IV-Debatte schweigt, stellt er sein Amt in Frage. Bundespräsident Horst Köhler ist ein Zauberer: In seiner ersten Amtszeit gelang es ihm, viele Bürger zu verzaubern. Mit natürlichen Fähigkeiten war das nicht immer zu erklären; aber genau darin besteht ja das Wesen des Zauberns. In seiner zweiten Amtszeit gelingt es Köhler nun, sich selbst wegzuzaubern: Er wird unsichtbar. Er ist noch im Amt, aber man merkt es nicht. Er ist noch da, aber man sieht ihn nicht. Er redet noch, aber man hört ihn kaum mehr. Man hört nur befremdliche Gerüchte über heftige Personalquerelen im Präsidialamt. Diese Querelen begleiten das Verschwinden des Präsidenten aus der Öffentlichkeit, so wie Rauch und Blitz die Tricks eines Zauberers zu begleiten pflegen. Was ist passiert? Das Wirken des Präsidenten ist in eine ätherische Phase eingetreten. Es ist fast so, als löse sich das Bundespräsidialamt und mit ihm der Bundespräsident in Wohlgefallen auf. Das Wort Wohlgefallen passt deswegen, weil die Absenz des Präsidenten bisher noch gar nicht so richtig bemerkt und öffentlich missbilligt worden ist. Sicherlich: Die SPD-Opposition hat, bei der von Westerwelle vom Zaun gebrochenen Hartz-IV-Debatte, ein klärendes Wort Köhlers angemahnt. Und soeben hat Thomas Oppermann, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, wieder diverse Leit- und Machtworte gefordert. Aber der höchste Mann im Staat muss nicht auf Bestellung reden. Zum amtsgerechten Verhalten gehört bisweilen auch rhetorische Disziplin - sich erstens nicht zu allem und jedem zu äußern, und zweitens den Zeitpunkt für eine möglichst kluge Rede sorgfältig zu wählen. Ein nackter Präsident Es wachsen allerdings die Zweifel daran, ob Köhlers Abstinenz solchen Überlegungen gehorcht. Womöglich ist sein Verschwinden aus der Öffentlichkeit eine Folge davon, dass immer mehr leitende Beamte aus dem Schloss Bellevue verschwinden und sich, des dort offenbar unzuträglichen Klimas wegen, eine andere Arbeit suchen. Dies wäre eine Situation, wie es sie in der Bundesrepublik bisher nicht gegeben hat. Ein Präsident, der keinen funktionierenden Apparat mehr hat, ist ein nackter Präsident, der auf sich selbst angewiesen ist. Es könnte sein, dass demnächst, wenn Richard von Weizsäcker seinen 90. Geburtstag feiert, eine Sehnsucht wächst - die Sehnsucht nach einem Präsidenten von seiner Statur. Auf einer zweiten Amtszeit ruht nicht automatisch Segen. Fünf Bundespräsidenten - Gustav Heinemann, Karl Carstens, Roman Herzog, Walter Scheel und Johannes Rau - haben es bei einer einzigen belassen. Theodor Heuss, Heinrich Lübke und Richard von Weizsäcker haben die zweite Amtszeit gewagt. Bei Heuss und bei Weizsäcker waren es brillante Jahre, das Volk hätte diese volksköniglichen Präsidenten am liebsten noch für eine dritte Amtszeit gekürt. Bei Lübke freilich verdunkelt die zweite, auch von Krankheit gezeichnete Amtsperiode die erste. In welche Tradition man Köhler stellen wird, ist noch nicht gewiss. Vom Fragezeichen zum Ausrufezeichen Seine erste Amtszeit hatte mit einem Fragezeichen begonnen. Köhler war unbekannt, er war eine Erfindung von Angela Merkel und wurde in Guido Westerwelles Wohnzimmer gekürt, er galt als Vorbote einer schwarz-gelben Koalition. Es gelang Köhler schnell, aus dem Fragezeichen ein Rufzeichen zu machen; seine schüchtern-fröhliche Beharrlichkeit, sein linkisch-listiges Reden kamen an. Er war ein Präsident wie eine Matroschka-Puppe, es steckten verschiedene Präsidenten in einem einzigen. Da gab es den außenpolitischen Köhler, der ein kleiner Revoluzzer war, wenn er über Afrika und Entwicklungshilfe sprach. Da gab es den innenpolitischen Köhler, der zunächst so redete, als wäre er der Chef eines Unternehmerverbandes, sich aber dann in einen Kritiker des Finanzkapitalismus verwandelte. Und da gab es den Anti-Politiker Köhler, der die Klaviatur der Politikverdrossenheit gut bediente. Jeder konnte sich seinen Präsidenten aussuchen. Das wird nun schwierig werden. Wenn quasi gar kein Präsident mehr da ist, kann man sich keinen aussuchen. Köhler führt zwar nach wie vor die Liste der populärsten Politiker an (auf die er gar nicht gehört, weil ein Staatsoberhaupt nun einmal nicht in eine Reihe mit Parteipolitikern zu stellen ist). Er ist beliebt - noch; vielleicht ist es derzeit sogar deswegen, weil er nichts sagt. Autorität statt Pubertät Einige Zeit lang mag das ein wohltuender Kontrast sein zu solchen Politikern, die immerzu reden und bei denen man den Eindruck hat, dass sie aus ihrer immerwährenden politischen Pubertät eine Weltanschauung machen. Gegen Pubertät Autorität zu setzen: auch das gehört zum höchsten Staatsamt. Aber diese Autorität lässt sich auf Dauer nicht auf bloßes Schweigen gründen, zumal dann nicht, wenn man unbequemes Reden angekündigt und zu seinem Programm gemacht hat. Sponsoring-Affären, die Debatte um Hartz IV, die hohe Neuverschuldung, vor allem aber die ungeheuerliche Serie von sexuellem Missbrauch in Schulen und Internaten: es stellen sich gesellschaftliche und moralische Fundamentalfragen. Wenn sich ein Präsident längere Zeit vor jeglicher Antwort drückt, stellt er sein Amt in Frage. Schon durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich das Land so verändert, dass der alte Präsident ein neuer Präsident werden muss; bisher aber ist er nicht einmal der alte.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesident-koehler-der-wegzauberer-1.22859
Bundespräsident Köhler - Der Wegzauberer
00/03/2010
Horst Köhler macht sich unsichtbar: Wenn der Bundespräsident noch länger zu Neuverschuldung, Sponsoring-Affären und Hartz-IV-Debatte schweigt, stellt er sein Amt in Frage.
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Angriffe gegen Finanzminister Schäuble und Schwarz-Gelb: Die SPD hat im Bundestag den Kurs der Regierung kritisiert - mit deutlichen Worten. Schlagabtausch im Parlament: Wenn im Bundestag der Haushalt auf der Tagesordnung steht, sind harte Wortgefechte programmiert. Mit Attacken gegen die Regierung tat sich an diesem Dienstag zunächst vor allem SPD-Haushälter Carsten Schneider hervor. Zum Auftakt der abschließenden Beratungen über den Haushalt für das laufende Jahr griff er die Regierung scharf an. Die Koalition befinde sich auf einer "finanzpolitischen Geisterfahrt", sagte er und verwies auf die im Haushalt veranschlagten mehr als 80 Milliarden Euro. "Das ist die höchste Neuverschuldung, die es je in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat." Schwarz-Gelb verweigere nach wie vor Angaben zum künftigen Sparkurs, klagte der Sozialdemokrat. Es gebe keine Antworten darauf, wie diese Herkulesaufgabe bewältigt werden soll. Dabei sei es Aufgabe der Regierung, reinen Wein einzuschenken. Statt die Sanierung der Staatsfinanzen anzugehen, betrieben Union und FDP Klientelpolitik und bewusste Wählertäuschung. Schneider betonte für die SPD: "Diese Koalition hat abgewirtschaftet, bevor sie richtig begonnen hat." Der vorgelegte Haushalt habe nichts mit Wahrheit und Klarheit zu tun, sondern sei der finanzpolitische Offenbarungseid einer "Chaostruppe". "Auf Sicht fahren" Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte den Haushaltsansatz. Nur durch diese massiven staatlichen Hilfen werde es möglich sein, wieder rasch aus der Finanz- und Wirtschaftskrise herauszukommen, sagte Schäuble im Bundestag. Er warnte, ein übermäßiges Sparen würde das "zarte Pflänzchen Wachstum" ausdörren. "Wir müssen in dieser Zeit auf Sicht fahren", sagte Schäuble unter Verweis auf das Maßnahmenbündel aus Streichungen von Geldern, Neuinvestitionen und gesperrten Haushaltsmitteln. Zugleich griff er die Oppositionskritik auf, dass die größten Einsparungen im überarbeiteten Haushaltsentwurf nur durch eine wieder anziehende Konjunktur ermöglicht worden seien. Richtig sei, dass es verbesserte Rahmendaten gebe. Das sei aber "keine Schande", sondern ein politischer Erfolg. Die Rekord-Neuverschuldung sei Folge der Krise - sie falle aber niedriger aus als ursprünglich geplant, sagte Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle (CDU). "Die Koalition zeigt, dass sie in der Lage ist zu sparen." Noch in diesem Frühjahr will Schäuble außerdem einen Gesetzentwurf für ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe auf den Weg bringen. "Wir werden das brauchen", sagte der Finanzminister in seiner Antwort auf eine entsprechende Forderung des Grünen-Wirtschaftsexperten Fritz Kuhn. Schäuble verwies auch auf Initiativen der Bundesregierung auf europäischer Ebene gegen sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Beide Arten von Finanzgeschäften werden mit für die Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht. Der Etat 2010 soll nach viertägiger Schlussdebatte an diesem Freitag endgültig vom Bundestag verabschiedet werden. Er sieht bei Gesamtausgaben von 320 Milliarden Euro eine Neuverschuldung von 80,2 Milliarden Euro vor. Das ist doppelt so hoch wie der bisherige Schuldenrekord aus dem Jahr 1996. Die Kreditaufnahme des Bundes fällt aber um etwa 5,6 Milliarden Euro niedriger aus als von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ursprünglich für dieses Jahr geplant.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/haushalt-spd-attackiert-koalition-finanzpolitische-geisterfahrt-1.21369
"Haushalt: SPD attackiert Koalition - ""Finanzpolitische Geisterfahrt"""
00/03/2010
Angriffe gegen Finanzminister Schäuble und Schwarz-Gelb: Die SPD hat im Bundestag den Kurs der Regierung kritisiert - mit deutlichen Worten.
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In einem abgehörten Telefongespräch soll Silvio Berlusconi versucht haben, regierungskritische Sendungen des Staatsfernsehens Rai zu verbieten. Silvio der Große schäumt vor Wut: Dass dies in seinem Italien passieren muss! Ein Staatsanwalt in Apulien hat italienischen Medienberichten zufolge Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten des Landes wegen Amtsmissbrauch und Erpressung eingeleitet. Die Justiz stützt ihre Anklagen, so die Nachrichtenagentur Ansa, auf Abhörprotokolle - die sich aus einem anderen Ermittlungsverfahren ergeben hatten. Der angegriffene Silvio Berlusconi wiederum nennt die juristischen Aktionen gegen ihn einen Skandal. Er vermutet eine Schmutzkampagne der Linken: "Ich bin schockiert. Durch diese Ermittlungen wird gegen das Recht und die Demokratie verstoßen." Berlusconi wird von der Staatsanwaltschaft des süditalienischen Trani vorgeworfen, in einem Telefongespräch mit Giancarlo Innocenzi, dem Kommissar der unabhängigen italienischen TV-Aufsichtsbehörde Agcom, die Absetzung mehrerer regierungskritischer Programme des öffentlich-rechtlichen Senders Rai verlangt zu haben. Diese Information will die Staatsanwaltschaft Trani aus einem abgehörten Telefongespräch zwischen Berlusconi und Innocenzi haben. Das Gespräch wurde im Zuge eines Überwachungsverfahrens gegen Innocenzi zufällig aufgenommen, teilt die Staatsanwaltschaft Trani mit. Dabei ging es um den Verdacht, American Express knöpfe den Kreditkartenbesitzern zu hohe Schuldzinsen ab. Gegen Berlusconi selbst sei kein Abhörverfahren in Gange, die Aufzeichnung habe sich am Rande des laufenden Ermittlungsverfahren gegen Innocenzi ergeben. Aufgrund der erlauschten Erkentnisse ermittelt die Staatsanwaltschaft Trani nun allerdings wegen Amtsmissbrauch und Erpressung eines politischen Amtsträgers, also Innocenzis. Berlusconi betonte daraufhin sofort, dass er sich nicht strafbar gemacht und sich bereits in der Öffentlichkeit kritisch zu den Sendungen geäußert habe. Das italienische Justizministerium untersucht, ob die Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft Trani rechtens sind. Mehrere Inspektoren untersuchen den Fall. In erster Linie soll sich das abgehörte Gespräch zwischen Berlusconi und Innocenzi um die Absetzung der Magazinsendungen Anno Zero und Parla con me gedreht haben. Anno Zero wird von dem italienischen Journalisten und Schriftsteller Marco Travaglio moderiert. Ihm wurde im Jahr 2009 für seine unabhängige Berichterstattung über das Spannungsverhältnis zwischen Justiz und Politik in Italien und die Skandale Berlusconis bereits der Preis des Deutschen Journalisten-Verbands der Pressefreiheit verliehen. Berlusconi nannte die Sendung "obszön" und kritisierte gegenüber Agcom-Kommissar Innocenzi zudem die verstärkte Berichterstattung über Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro aus. Aufgehübschte Geschichten Der Ministerpräsident hat, über seine Vasallen in den Gremien, großen Einfluss auf das Staatsfernsehen Rai. Zudem besitzt er über seinen Konzern Mediaset bekanntlich alle drei großen Privatsender des Landes und den größten Verlag Italiens, die Mondadori-Gruppe in Mailand. Die Zeitung Corriere della Sera berichtet, die Justiz habe insgesamt 18 Telefonate Berlusconis in der Sache Rai-Fernsehmagazine abgehört. Desöfteren soll er mit seinem Gefolgsmann Augusto Minzolini geplauscht haben, der erst kürzlich aufgrund des Berlusconi-Einflusses Direktor des Rai-Nachrichtenprogramms TG 1 geworden war. Er steht im Ruf, Geschichten über den Regierungschef aufzuhübschen. TV-Aufseher Innocenzi bestreitet, überhaupt ein derartiges Gespräch mit Berlusconi geführt zu haben: "Ich bin unabhängig. Zu Berlusconi habe ich keine unangemessen engen Kontakte." Berlusconi soll auch versucht haben, bei Corrado Calabrò, dem Vorsitzenden der Agcom, zu intervenieren. Anno Zero sowie andere politische Talkshows sind derzeit aufgrund der bevorstehenden Regionalwahlen in 13 der 20 Regionen Italiens Ende März nicht auf Sendung. Der Verwaltungsrat des italienischen Staatsfernsehens Rai will damit vor der Wahl das Fairnessgebot wahren. Bei früheren Wahlen war den Aufsehern dies freilich egal gewesen; ein entsprechender Paragraph wurde ignoriert Die zeitweilige Absetzung soll jetzt nicht auf das umstrittene Telefongespräch Berlusconis zurückgehen. Nach den Regionalwahlen sind die vier Sendungen dann wieder zu sehen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-belauscht-wie-berlusconi-das-fernsehen-lenkt-1.1489
Italien - Belauscht: Wie Berlusconi das Fernsehen lenkt
00/03/2010
In einem abgehörten Telefongespräch soll Silvio Berlusconi versucht haben, regierungskritische Sendungen des Staatsfernsehens Rai zu verbieten.
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Parteien-Sponsoring, Debatte um Hartz IV, hohe Neuverschuldung: Horst Köhler mischt sich nicht ein. Die Forderungen der Opposition nach einem Machtwort des Bundespräsidenten werden immer lauter. Offen will er sein, "und notfalls unbequem", hatte Horst Köhler bei seinem Amtsantritt als Bundespräsident vor sechs Jahren angekündigt. Doch mit kritischen Stellungnahmen hält sich das Staatsoberhaupt derzeit zurück. Weder zur Sozialstaatsdebatte noch zu den - trotz hoher Staatsschulden - geplanten Steuersenkungen oder den Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche hat sich Horst Köhler bisher geäußert. "Horst wer?" hatte die Bild-Zeitung 2004 angesichts des bis dahin unbekannten Kandidaten getitelt. Ginge es nach der Opposition, wäre nun der Titel "Horst wo?" angebracht. Zum wiederholten Mal forderte sie ein Machtwort des Bundespräsidenten. Es gebe derzeit ein großes "Bedürfnis nach Orientierung", zu der auch das Staatsoberhaupt beitragen könne, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, in Berlin. Er verwies dabei auf die Vorwürfe von Vetternwirtschaft auf Auslandsreisen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sowie um das Sponsoring von Parteien. Auch in solchen Fällen könne der Bundespräsident als "moralische Instanz" für mehr Klarheit sorgen, meinte Oppermann. Der Bundespräsident solle nicht Schiedsrichter sein, könne aber Orientierung geben, sagte der SPD-Politiker. Er verwies darauf, dass Köhler mit Hilfe von Union und FDP in sein Amt gekommen sei: "Vielleicht schämt er sich seiner Herkunft." Oppermann griff auch die Personalpolitik Westerwelles an. Dessen Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, Jörg Arntz, habe früher für eine in der Karibik ansässige Glücksspielfirma gearbeitet. Somit koordiniere "ein karibischer Glücksspieler" nun im Außenministerium, sagte Oppermann. Es sei zu fragen, ob es für solche Aufgaben nicht qualifiziertere Leute gebe. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte am Montag davon gesprochen, Westerwelle umgebe sich mit einer "Lumpenelite". Bereits Anfang März hatte die Opposition ein Machtwort des Bundespräsidenten in der Sozialstaatsdebatte gefordert. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich hatte dies zurückgewiesen: "Es ist unsäglich und unverschämt, jetzt nach dem Bundespräsidenten zu rufen, nur weil Rot-Grün selbst nicht in der Lage ist, die Sozialstaatsdebatte konstruktiv zu führen." Horst Köhler ist zuletzt dadurch in Erscheinung getreten, dass er sich am 11. März für eine Verschärfung des Waffenrechts aussprach - am Jahrestag des Amoklaufs von Winnenden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kritik-am-bundespraesidenten-horst-wo-1.4640
Kritik am Bundespräsidenten - Horst wo?
00/03/2010
Parteien-Sponsoring, Debatte um Hartz IV, hohe Neuverschuldung: Horst Köhler mischt sich nicht ein. Die Forderungen der Opposition nach einem Machtwort des Bundespräsidenten werden immer lauter.
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"Blick zurück": Die Arbeitsministerin zeigt sich enttäuscht von den Vorschlägen der SPD zur Hartz-IV-Reform. Kurzmeldungen im Überblick. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die SPD-Pläne für Korrekturen an den Hartz-Reformen als "Blick zurück" kritisiert. Das Papier sei enttäuschend, sagte von der Leyen am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. "Die SPD arbeitet sich selber an Hartz IV ab, versucht es komfortabler zu machen." So könne keine moderne Arbeitsmarktpolitik aussehen. Diese müsse Wege aufzeigen, wie Menschen aus der Arbeitslosigkeit rauskommen, und nicht wie sie möglichst komfortabel drinbleiben, sagte die Ministerin. Es müsse vor allem passgenaue Angebote geben, Kinder von Langzeitarbeitslosen bräuchten mehr Bildung und ältere Arbeitslose strukturelle Angebote. Es gebe Teile im SPD-Konzept, die heute schon Gesetz seien, etwa dass diejenigen, die sich weiterbilden, länger Arbeitslosengeld beziehen können. "Ich hätte einfach mehr Antworten erwartet auf die modernen Fragen, die gestellt werden." Man dürfe nicht nur fragen, wie kann man mehr Geld geben und damit Langzeitarbeitslosigkeit zementieren, betonte die Ministerin. Das SPD-Präsidium hatte am Montag - sieben Jahre nach Verkündung der Agenda 2010 durch den damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder - ein Konzept vorgelegt, um die Hartz-Reformen teilweise rückgängig zu machen. Das Erwerbslosen Forum Deutschland kritisierte, dass ohne Vermögensprüfung auch Leute wie Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann theoretisch Hartz IV beantragen könnten. Die Vorschläge seien eine "reine Showveranstaltung", die den Bedürftigen nicht helfen würden. "Die SPD bewegt sich abermals nicht und hält an Hartz IV fest." Der Ehemann von Gesine Lötzsch soll Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sein, der Siedlungsstreit mit Israel spaltet den US-Kongress und Migrationsforscher Uslucan wird Leiter des Zentrums für Türkeistudien: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-von-der-leyen-geisselt-hartz-plaene-der-spd-1.14321
Von der Leyen geißelt Hartz-Pläne der SPD
00/03/2010
"Blick zurück": Die Arbeitsministerin zeigt sich enttäuscht von den Vorschlägen der SPD zur Hartz-IV-Reform. Kurzmeldungen im Überblick.
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Im Gegensatz zu seinem Bruder Karl-Theodor lebte er bislang zurückgezogen. Jetzt strebt auch Philipp zu Guttenberg einen herausgehobenen Posten an - in Berlin. Philipp zu Guttenberg lebte bisher völlig zurückgezogen - ganz im Gegensatz zu seinem Vater Enoch, dem Dirigenten und Umweltschützer, und seinem Bruder Karl-Theodor, dem jetzigen Verteidigungsminister. Nur einmal trat Philipp zu Guttenberg öffentlich in Erscheinung: Im Oktober 2009 musste der heute 36-Jährige erklären, warum er ein Jahr zuvor das Familienschloss in Oberfranken und den eigenen Forstbetrieb in eine Privatstiftung mit Sitz in Österreich eingebracht hatte. Sein Bruder war damals Wirtschaftsminister, und der Verdacht auf Steuerflucht schwang mit. Philipp zu Guttenberg erklärte, er habe nach der Aufteilung des Erbes das Schloss und das Familienunternehmen übernommen und lebe nun seit fast zehn Jahren in Österreich. Die Stiftung sei an seinem Wohnort angemeldet und diene dem Erhalt des Familienerbes. Sein Bruder Karl-Theodor hatte mit dem Vermögen schon damals nichts mehr zu tun - und Philipp hatte danach schnell wieder seine Ruhe. Nun wird aber auch der Jüngere der beiden Guttenberg-Brüder ein Büro in Berlin beziehen. Er soll kommenden Mittwoch Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände werden. Guttenberg ist der einzige Kandidat für die Nachfolge seines Vorgängers Michael Prinz zu Salm-Salm. Guttenberg kann dafür eine breite fachliche Qualifikation vorweisen: Er studierte Ökologie in Edinburgh und Forstwirtschaft in Aberdeen. In dieser Zeit lernte er auch seine Frau kennen, die aus dem schottischen Adel stammt. Das Paar ließ sich um die Jahrtausendwende im kleinen Dorf Radmer in der Steiermark nieder, wo Philipp zu Guttenberg zuvor 4000 Hektar Wald erworben hatte, zusätzlich zu den 1000 Hektar in Oberfranken und Hessen, die ihm schon gehörten. Diesen Forstbetrieb leitet er bis heute, in Radmer hat er immer noch einen Nebenwohnsitz. Er hat auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Vater, der Philipp nach eigener Auskunft sehr geprägt hat, beschrieb die Arbeit seines Sohnes als ökologischer Forstmann einmal so: "Er versucht drei feindliche Schwestern zusammenzubringen: Forstwirtschaft, ökologischen Waldbau und Jagd." Erst vor kurzem ist Guttenberg mit seiner Frau und den drei Kindern an den Chiemsee gezogen, wegen der Schulbildung für die Kinder, wie er sagt. Es sei nur "ein schöner Nebenaspekt", dass er den Vater am Chiemsee und als Pendler den Bruder in Berlin nun leichter treffen könne. Schon in Österreich engagierte sich Guttenberg für die Waldbesitzer, seit zwei Jahren ist er zudem Vizepräsident der Vereinigung in Europa. Nun soll er als oberster Lobbyist in Deutschland die Richtung vorgeben. Dem Wald komme eine wichtige Aufgabe im Klimaschutz, in der Energieversorgung und der Biodiversität zu, sagt er. Nachhaltige Bewirtschaftung und Gewinnstreben müssten sich die Waage halten. Er stehe für eine "ökosoziale Marktwirtschaft". Diese auszufüllen, liege aber mehr in der Eigenverantwortung der Eigentümer als in einer rigiden Ordnungspolitik. Egal ob ein adliger Großgrundbesitzer oder ein kleiner Bauer: Reinreden lässt sich eben kein Waldbesitzer gerne.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/neue-aufgabe-in-berlin-philipp-zu-guttenberg-und-die-drei-feindlichen-schwestern-1.20819
Neue Aufgabe in Berlin - Philipp zu Guttenberg und die drei feindlichen Schwestern
00/03/2010
Im Gegensatz zu seinem Bruder Karl-Theodor lebte er bislang zurückgezogen. Jetzt strebt auch Philipp zu Guttenberg einen herausgehobenen Posten an - in Berlin.
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Reihenweise Kündigungen und ein eklatanter Mangel an Medizinern: Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe hat das Sanitätswesen der Bundeswehr scharf kritisiert. Kurz vor Veröffentlichung seines Jahresberichts an diesem Dienstag hat der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, scharfe Kritik am Sanitätswesen der Bundeswehr geübt. Mehr als 120 Ärzte hätten gekündigt, derzeit fehlten insgesamt 600 Militärärzte, sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung. "Der Sanitätsinspekteur ist seiner Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen", so Robbe weiter. Derzeit ist Kurt-Bernhard Nakath mit dieser Aufgabe betraut. Der Missstand im Sanitätswesen werde ein Schwerpunkt des Jahresberichts 2009 sein. Bereits am Tag zuvor hatte Robbe den Sanitätsdienst als eines seiner "größten Sorgenkinder" bezeichnet. "Die Arbeit ist sowohl finanziell als auch aufgrund der hohen Belastung einfach zu unattraktiv, vor allem in schwierigen Auslandseinsätzen wie dem in Afghanistan", sagte Robbe der Wochenzeitung Das Parlament und mahnte den Bundestag, die von der Bundeswehr angeregten Lösungen finanziell mitzutragen. "Ich muss es deutlich sagen: Für die Sanität ist es aus meiner Sicht nicht mehr fünf Minuten vor, sondern bereits fünf Minuten nach zwölf." Die ohnehin schwierige Situation der deutschen Soldaten im Auslandseinsatz sollte nicht noch zusätzlich erschwert werden. Zusätzlich zum Sanitätsdienst wird Robbe in seinem Bericht wohl auch das Fehlen von geschützten Fahrzeugen, Maschinengewehren, Transportflugzeugen und Hubschraubern bemängeln. Für optimalen Schutz dürfte aber Geldmangel kein Argument sein, sagte der Wehrbeauftragte. Hohes Risiko Durch den Strategiewechsel beim Afghanistan-Einsatz sieht der Wehrbeauftragte außerdem ein größeres Risiko für deutsche Soldaten. "Die Gefahr wächst, dass Soldaten verwundet oder sogar getötet werden". Durch das engere Zusammenspiel von Isaf-Truppen und afghanischen Soldaten auch im Norden Afghanistans könnte sich die Lage "zumindest vorübergehend" wesentlich verschärfen. Es wird erwartet, dass er in seinem Bericht auch auf diesen Aspekt näher eingeht. Es ist der letzte Bericht des SPD-Politikers als Wehrbeauftragter. Seine fünfjährige Amtszeit läuft im Mai aus. Als Nachfolger ist der FDP-Politiker Hellmut Königshaus nominiert. Robbe hatte vor wenigen Wochen mit der Veröffentlichung von Berichten über ekelerregende Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern im bayerischen Mittenwald für Aufsehen gesorgt. Daraufhin erhielt er Dutzende weitere Zuschriften mit Berichten über Rituale und Alkoholexzesse in anderen Truppenteilen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kritik-vom-wehrbeauftragten-robbe-bundeswehr-fehlen-600-militaeraerzte-1.22519
Kritik vom Wehrbeauftragten - Robbe: Bundeswehr fehlen 600 Militärärzte
00/03/2010
Reihenweise Kündigungen und ein eklatanter Mangel an Medizinern: Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe hat das Sanitätswesen der Bundeswehr scharf kritisiert.
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Weil sie Vertrauliches an Journalisten weitergegeben haben soll, kündigte die NRW-CDU einer Sachbearbeiterin. Jetzt hat das Arbeitsgericht entschieden: Der Rauswurf war unbegründet. Die affärengeplagte Parteizentrale der nordrhein-westfälischen CDU kommt nicht zur Ruhe. Vor dem Düsseldorfer Arbeitsgericht hat die von Jürgen Rüttgers geführte Landes-CDU am Montag vier fristlose Kündigungen gegen eine 39-jährige Personalsachbearbeiterin zurückziehen müssen. Sandra L. wird von der CDU-Führung verdächtigt, interne Informationen und vertrauliche Unterlagen aus der Düsseldorfer Landesparteizentrale an Medienvertreter gegeben zu haben. Mit Blick auf die NRW-Landtagswahl am 9. Mai sei für die CDU eine Fortsetzung des siebenjährigen Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar, weil die geschasste Angestellte "zu jedem Zeitpunkt bereit war und bereit ist, vertrauliche Informationen an Dritte weiterzugeben", erklärte CDU-Anwalt Thomas Hendrici vor Gericht. Dagegen hielt die zwölfte Kammer des Düsseldorfer Arbeitsgerichts alle vier Kündigungen für unbegründet. "Es wird uns nicht reichen", signalisierte Arbeitsrichterin Indra Duby der CDU-Seite. Neben Sandra L. gebe es "auch andere Personen" in der CDU-Zentrale, die Zugriff zu den heiklen Informationen gehabt hätten. Die CDU beschuldigt die Personalsachbearbeiterin, geplante Kündigungen vorzeitig an Belegschaftsmitglieder ausgeplaudert zu haben. Zudem wird der 39-Jährigen vorgeworfen, Journalisten einen internen Vermerk über unzumutbare Arbeitsbedingungen in den Kellerbüros der CDU-Zentrale sowie Daten über eine Lohnsteuer-Außenprüfung zu den Dienstwagen der Landespartei zugespielt zu haben. Die Unterlagen stammten jeweils von ihrem Dienstcomputer. Dies wird von der Parteiangestellten bestritten. Ihr Anwalt Stefan Bell spricht von "haltlosen Unterstellungen", die keinen Rausschmiss rechtfertigten. "Hier wird nur mit Dreck geworfen", empörte sich Bell vor dem Arbeitsgericht. Tatsächlich stünden die Kündigungen in engem zeitlichem Zusammenhang mit den Affären um den inzwischen zurückgetretenen Generalsekretär der NRW-CDU, Hendrik Wüst. Im Gerichtssaal zeigte sich CDU-Anwalt Hendrici unversöhnlich. Nachdem er auf Anraten des Gerichts mangels Erfolgsaussichten die vier Kündigungen zurückgezogen hatte, kündigte er an, gegen Sandra L. sei wegen der Weitergabe "delikater Informationen" die fünfte fristlose Kündigung "bereits in der Pipeline". Dagegen versicherte CDU-Sprecher Matthias Heidmeier wenige Stunden später: "Es wird keine fünfte Kündigung geben." Die Sachbearbeiterin Sandra L. werde ihre Arbeit bei der NRW-CDU an diesem Dienstag ungekündigt fortsetzen können.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-in-nordrhein-westfalen-sieg-der-sachbearbeiterin-1.7172
CDU in Nordrhein-Westfalen - Sieg der Sachbearbeiterin
00/03/2010
Weil sie Vertrauliches an Journalisten weitergegeben haben soll, kündigte die NRW-CDU einer Sachbearbeiterin. Jetzt hat das Arbeitsgericht entschieden: Der Rauswurf war unbegründet.
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Ein Schritt weg von Hartz IV, ein Schritt hin zur Macht? Die SPD fordert einen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine längere Bezugsdauer fürs Arbeitslosengeld I. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hat sie dabei fest im Blick. Hartz IV ist längst zu einer Last geworden. So schwer wiegt sie auf den Sozialdemokraten, dass man mitunter den Eindruck hat, die einst so vitale Volkspartei könnte darunter erdrückt werden: Tausende Mandate, Hunderttausende Mitglieder, Millionen Wähler hat die Partei verloren, seit sie die Arbeitsmarktreform angestoßen hat. Nun versucht die SPD, den Ballast doch noch abzuwerfen. Sieben Jahre, nachdem sie die Reform verkündet hat. Zwei Monate, bevor sie bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zumindest einige der verlorenen Mandate wiederholen will. Es sind immerhin die wichtigsten Mandate, die in diesem Jahr zu holen sind. Am Montag billigte das SPD-Präsidium Vorschläge, die auf höhere Leistungen für Erwerbslose sowohl beim Arbeitslosengeld I als auch im Hartz-IV-System hinauslaufen. Das aus Beiträgen finanzierte Arbeitslosengeld I soll demnach künftig bis zu 24 statt zwölf Monate gezahlt werden, wenn sich Arbeitslose in dieser Zeit beruflich weiterqualifizieren. Beim Arbeitslosengeld II wollen die Sozialdemokraten auf jede Vermögensprüfung verzichten. Hartz-IV-Bezieher müssten dann nicht mehr die eigenen Ersparnisse bis zu einem Freibetrag aufzehren, bevor sie staatliche Unterstützung bekommen. Merkel lehnt Idee ab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte diese Idee nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unions-Fraktion ab: "Das bringt das soziale System durcheinander." Damit könnten "Besitzer von sieben, acht Häusern Hartz IV beantragen. Das wäre der absolute Irrsinn", wurde die Kanzlerin zitiert. Hartz IV habe den Effekt gehabt, dass der Druck für Erwerbslose höher geworden sei, Arbeit anzunehmen. Das habe sich in der Arbeitslosenstatistik widergespiegelt. Die von der SPD vorgeschlagene Schaffung eines "sozialen Arbeitsmarktes" stufte Merkel als ursprüngliche Idee der Linkspartei ein. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel lobte das Konzept: "Damit wird die Lebensleistung eines jeden respektiert" , sagte er in Berlin. Am Kern der Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder müsse sich nichts ändern. Aber Teile hätten bei den Menschen "zu erheblicher Verunsicherung beigetragen". Zwei Monate vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nimmt die SPD damit Korrekturen vor, von denen sie sich mehr Rückhalt bei den Wählern verspricht. Auch den Übergang vom Arbeitslosengeld I zu Hartz IV will die SPD stärker abfedern. Der bisherige, auf zwei Jahre begrenzte Übergangszuschlag von bis zu 160 Euro im Monat soll so "weiterentwickelt" werden, dass sich lange Beschäftigungszeiten von Arbeitnehmern darin niederschlagen. Zudem plädiert die SPD für eine strengere Regulierung der Zeitarbeit sowie für einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn in Höhe der von den Gewerkschaften geforderten 8,50 Euro. Vorgeschlagen wird auch ein "sozialer Arbeitsmarkt": Mit Mehrausgaben von drei Milliarden Euro sollen 200.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Arbeitslose entstehen, die ansonsten keine Job-Chance hätten. Auch die FDP beschloss bei einer Präsidiumssitzung am Montag in Berlin ihr Konzept zur Neuregelung der Hartz-IV-Gesetzgebung. Im Mittelpunkt des Papiers stehen höhere Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose, wie Parteichef Guido Westerwelle im Anschluss an die Sitzung sagte. Auch ein pauschaler Festbetrag für die Unterkunft sowie eine höhere Grenze für das Schonvermögen von Hartz-IV-Empfängern sind in dem FDP-Konzept vorgesehen. Im Video: Die SPD rückt schrittweise von ihren Arbeitsmarktreformen aus Zeiten der rot-grünen Bundesregierung ab. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-konzept-der-spd-reform-der-reform-1.21976
Hartz-IV-Konzept der SPD - Reform der Reform
00/03/2010
Ein Schritt weg von Hartz IV, ein Schritt hin zur Macht? Die SPD fordert einen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine längere Bezugsdauer fürs Arbeitslosengeld I. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hat sie dabei fest im Blick.
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Israel im Hader mit den engsten Verbündeten. Die Beziehungen zu den USA sind in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten - und nun wird das Land auch von Kanzlerin Merkel kritisiert. Erst protestierte Hillary Clinton. Tage nach der US-Außenministerin kritisiert nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel das Land Israel in ungewohnt scharfer Form. Anlass für den geballen Unmut der Verbündeten: Die Ankündigung des israelischen Innenministeriums, in Ostjerusalem 1600 Wohnungen zu bauen - zu einem Zeitpunkt da US-Vizepräsident Joe Biden das Land bereiste und die Beziehungen kitten wollte. "Wir haben durch die Ankündigung des Baus von neuen Wohnungen in Ostjerusalem einen schweren Rückschlag erlitten in der Frage, ob es zu Annäherungsgesprächen zwischen den Palästinensern und Israel kommt", diagnostiziert Angela Merkel. Die Kanzlerin sagte nach einem Gespräch mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri, sie habe in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu deutlich gemacht, in diesen Plänen liege die Gefahr, "dass der gesamte Friedensprozess wieder gestört wird". Es gebe ein Zeitfenster, das nicht unendlich groß sei, in dem solche Gespräche wieder zustande kommen. Deutschland setze sich mit voller Kraft für Friedensgespräche ein, versicherte die Kanzlerin. "Ich hoffe, dass auch die Signale aus Israel in Zukunft konstruktiv sein werden und nicht weiter so negativ, dass sie das Zustandekommen von solchen Gesprächen verhindern", erklärte Merkel. Hariri dankte für die deutsche Hilfe und appellierte an die Bundesregierung: "Sorgt dafür, dass in der Palästinenser-Frage glaubwürdige Fortschritte erzielt werden." Wenn dies nicht gelinge, sei der Libanon das erste Land, das in Mitleidenschaft gezogen werde. "Wir können uns keinen Fehlschlag erlauben", so Hariri. Netanjahu bleibt hart US-Außenministerin Clinton hatte die israelische Ankündigung bereits als beleidigend kritisiert und von einem äußerst negativem Signal für die Friedensgespräche gesprochen. Der israelische Botschafter in den USA, Michael Oren, sprach von der "schlimmsten Krise" im Verhältnis beider Länder seit 35 Jahren. Deutliche Worte fand auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Sie stellte klar, dass die EU die Siedlungen als illegal betrachten - und in ihnen ein "Hindernis für den Frieden" sehen. "Es besteht die Gefahr, dass die Zwei-Staaten-Lösung dadurch unmöglich gemacht wird, eine Lösung von der Israels Ministerpräsident gesagt hat, dass er sie unterstütze", sagte Ashton zum Auftakt ihrer Nahostreise in Kairo. Ungeachtet der scharfen Kritik erklärte Israel am Montag, an dem Beschluss festhalten zu wollen. Ministerpräsident Netanjahu erklärte vor dem Parlament am Montag, in den vergangenen 40 Jahren habe keine israelische Regierung die Bautätigkeit in der Umgebung von Jerusalem eingeschränkt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/siedlungsplaene-angela-merkel-rueffelt-israel-1.1407
Siedlungspläne - Angela Merkel rüffelt Israel
00/03/2010
Israel im Hader mit den engsten Verbündeten. Die Beziehungen zu den USA sind in der schlimmsten Krise seit Jahrzehnten - und nun wird das Land auch von Kanzlerin Merkel kritisiert.
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Wegen schwerer Untreue in 18 Fällen und schweren Betrugs ist der frühere Geschäftsführer der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, Markus Hebgen, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss er 150 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Das entschied das Mainzer Amtsgericht am Montag rechtskräftig. In der Verhandlung hatte der CDU-Mann die Vorwürfe umfassend gestanden. Zwischen 2003 und 2006 bezahlte er unter anderem Besuche in Rotlichtbars mit der Kreditkarte der Fraktion. Ob ihn dabei mehrere CDU-Abgeordnete begleiteten, wie von Hebgen ausgesagt, blieb ungeklärt. Auch hat Hebgen Geld aus der Kasse der Fraktionsvorsitzendenkonferenz von CDU und CSU abgezweigt, um damit die drohende Zahlungsunfähigkeit der Landtagsfraktion zu verhindern. Der gesamte Schaden beläuft sich auf etwa 83.000 Euro. Hebgen litt damals unter Geldnot und lebt heute von Hartz IV. Er entschuldigte sich bei der CDU. Für die Partei ist die Affäre indes noch nicht beendet: Sie kann nicht belegen, für welchen Zweck die Fraktion im Wahlkampf 2006 - als Hebgen die Geschäfte führte - 386.000 Euro an die Düsseldorfer Agentur C4 bezahlte. Hebgen behauptet, das Fraktionsgeld sei illegalerweise für den Wahlkampf der Partei geflossen. Ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs liegt derzeit bei der CDU zur Stellungnahme. Ihr droht nicht nur die Rückzahlung der Summe, sondern auch eine Geldstrafe in dreifacher Höhe. In einem Jahr wird in Mainz ein neuer Landtag gewählt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-auf-fraktionskosten-in-der-rotlichtbar-1.16207
Auf Fraktionskosten in der Rotlichtbar
00/03/2010
Markus Hebgen, Ex-Geschäftsführer der CDU-Fraktion in Rheinland-Pfalz, ist wegen Untreue und Betrugs verurteilt worden. Kurzmeldungen im Überblick.
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Kein Land in der Europäischen Union ist so großzügig beim Einkauf von Rüstungsgütern wie Griechenland. Und kein Staat der EU kann sich das so wenig leisten wie das hochverschuldete Hellas. Gut vier Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts gehen für Militärausgaben drauf, andere EU-Staaten begnügen sich mit einem bis eineinhalb Prozent. Der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou hat auf dieses Ungleichgewicht erst vor wenigen Tagen hingewiesen. Dieses Missverhältnis ist nicht neu, es hat Athen zuletzt aber auch nicht davon abgehalten, noch mehr Panzerfahrzeuge und Unterseeboote zu ordern. Darüber können sich besonders deutsche und französische Firmen freuen, wie der jüngste Bericht des Friedensforschungsinstituts Sipri zeigt. Griechenland bezieht 31 Prozent seiner Rüstungsgüter von deutschen Unternehmen. Die würden auch gern noch mehr liefern, Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter zum Beispiel, für die das klamme Griechenland schon vor einer Weile Interesse bekundet hat. Ein noch besserer Kunde als Griechenland ist nur die Türkei, die laut Sipri-Statistik der wichtigste Abnehmer deutscher Wehrtechnik ist. Kann man Nato-Mitgliedern Rüstungsexporte verbieten? Nun heißt es, das sei alles kein Problem, schließlich gehören Griechenland und die Türkei der Nato an, und Rüstungsexporte in Nato-Staaten könne man anderen Nato-Mitgliedern kaum verbieten. Das stimmt. Aber Griechenland und die Türkei sind ein Spezialfall. Die zwei Ägäis-Anrainer rüsten seit Jahren gegeneinander auf. Kampfflugzeuge beider Nationen liefern sich regelmäßig Schaukämpfe, dabei gibt es immer wieder Tote. Der kalte Krieg in der Ägäis hat schon viele Pilotenleben gekostet. Nato und EU schauen diesem hochriskanten Spiel schon viel zu lange zu. Falls es doch Kritik an Athen und Ankara gibt, dann wird sie nicht öffentlich bekannt. Auch die Türkei kann sich ihre extrem hohen Militärausgaben eigentlich nicht leisten, kauft aber ebenfalls kräftig ein. Die Generalität verzichtet ungern auf die Demonstration von Stärke. Da treffen sich jenseits und diesseits der Ägäis durchaus manche Interessen. Freilich glaubt kaum jemand, dass die beiden Nachbarn, die wirtschaftlich immer enger zusammenwachsen, im 21. Jahrhundert ernsthaft gegeneinander Krieg führen könnten. Die Hochrüstung am Rand Europas ist ein Anachronismus. Die Europäische Union sollte daher darauf dringen, dass Ankara und Athen ihre Streitigkeiten über Hoheitsgewässer und Flugverbotszonen auf zivilisierte Weise austragen - vor dem Internationalen Gerichtshof. Papandreou selbst hätte nun eine gute Gelegenheit, sein Land an den Abrüstungsgedanken zu gewöhnen. Und wenn die Regierungen in Berlin und Paris den Griechen helfen wollen, dann sollten sie ihnen weitere Rüstungskäufe ausreden. Das könnte in Deutschland Arbeitsplätze kosten. Aber es wäre ehrlicher, als die unbezahlten Rechnungen der Griechen später mit Steuergeldern zu begleichen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruestungsausgaben-kalter-krieg-am-rande-europas-1.16257
Rüstungsausgaben - Kalter Krieg am Rande Europas
00/03/2010
Griechenland und die Türkei rüsten gegenseitig hoch, und Deutschland unterstützt sie auch noch dabei.
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Er ist für viele Genossen ein rotes Tuch - trotzdem hat die Berliner SPD nun beschlossen, dass Ex-Finanzsenator Sarrazin in der Partei bleiben darf. Der für seine provokanten Äußerungen berüchtigte Bundesbanker und frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin darf in der SPD bleiben. Die Landes-Schiedskommission der Berliner SPD lehnte einen Ausschluss des langjährigen Parteimitglieds ab, wie die SPD mitteilte. Ein Kreis- und ein Ortsverband hatten ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin auf den Weg gebracht. Sarrazin habe sich nicht rassistisch geäußert und auch nicht gegen die Parteisatzung verstoßen, heißt es in der Begründung. Solche Wortmeldungen seien zwar sicherlich problematisch, aber: "Die Volkspartei SPD muss solche provokanten Äußerungen aushalten." Ermahnung zur Zrückhaltung Allerdings ermahnte die Schiedskommission Sarrazin zur Zurückhaltung. Wer von der "Produktion von Kopftuchmädchen" spreche, entferne sich vom humanen und emanzipatorischen Menschenbild der SPD. Sarrazin müsse sich bewusst sein, dass er "keinen Freifahrtschein für alle künftigen Provokationen erhält". Ein SPD-Kreisverband hatte Sarrazin rassistische und diffamierende Äußerungen über Araber und Türken vorgeworfen. Er hatte wiederholt mit Äußerungen zur Integration scharfe Debatten ausgelöst. So hatte er in einem Interview im vergangenen Jahr türkischen und arabischen Einwanderern in Berlin vorgeworfen, sie seien "weder integrationswillig noch integrationsfähig". Sie hätten "keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel" und produzierten "ständig neue kleine Kopftuchmädchen". Die Bundesbank hatte Sarrazin daraufhin im Oktober die Zuständigkeit für den wichtigen Geschäftsbereich Bargeld im Vorstand abgenommen. Die Berliner SPD-Kreisschiedskommission hatte Sarrazin vom Vorwurf der Parteischädigung freigesprochen. Dagegen hatten der SPD-Kreisverband Spandau und der Ortsverein Alt-Pankow Berufung eingelegt, über die jetzt die Landesschiedskommission befinden musste. Sarrazin sagte der Berliner Morgenpost, er werde selbstverständlich in der SPD bleiben, der er seit 1973 angehöre. Seine Gegner von der Parteilinken müssten prüfen, ob sie noch die Interessen einer Volkspartei vertreten wollen, die den Anspruch habe, die Lebenslagen einer Mehrheit der Menschen widerzuspiegeln.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/thilo-sarrazin-bleibt-parteimitglied-das-muss-die-spd-aushalten-1.11078
"Thilo Sarrazin bleibt Parteimitglied - ""Das muss die SPD aushalten"""
00/03/2010
Er ist für viele Genossen ein rotes Tuch - trotzdem hat die Berliner SPD nun beschlossen, dass Ex-Finanzsenator Sarrazin in der Partei bleiben darf.
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Schmallippig blockt Außenminister Westerwelle weiter Fragen nach Geschäftsfreunden und FDP-Spendern auf seinen Auslandsreisen ab. Er verweist auf "detaillierte" Antworten, die das Auswärtige Amt bereits formuliert habe. Doch die Erkenntnisse sind dürftig. "Diejenigen, die Herr Westerwelle - zum Teil aus der Schweiz - mitnimmt auf Auslandsreisen, sind das Gegenteil von Leistungsgesellschaft. Sie gehören eher zur Lumpenelite, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schädigen und nichts dazu beitragen, dass es in diesem Land vorangeht." SPD-Chef Sigmar Gabriel Er antwortet nicht. Nicht auf die erste Frage und nicht auf die drei Nachfragen. Dabei hätte er nur ja oder nein sagen müssen. Die Frage lautete: Werden Sie etwas an Ihrer Einladungspraxis für Ihre Auslandsreisen ändern, Herr Westerwelle? Wohlmeinende sagen hinterher, er hat die Frage offengelassen. Hat der Außenminister und FDP-Chef also doch aus den vergangenen Tagen gelernt? Seine obligatorische Montags-Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen im Thomas-Dehler-Haus lässt diesen Schluss erst mal nicht zu. Westerwelle steht den Rücken durchgedrückt, das Kinn nach vorn gereckt hinter seinem Pult. Ausschweifend redet er über die eben gefassten Sozialstaatsbeschlüsse seiner Partei, über das FDP-Projekt Steuerrefom, über Europapolitik. Als wäre er nicht in den vergangenen Tagen auf Lateinamerika-Reise gewesen. Als wäre währendessen nicht ein Sturm der Entrüstung losgebrochen, weil publik wurde, dass Westerwelle auf dieser und auf vorangegangenen Reisen offenbar engen Freunden und deren Geschäftspartnern - vorsichtig ausgedrückt - Vorzugsbehandlungen gewährte. Den Schneid nicht abkaufen lassen Am Sonntag hatte er in einer Rede auf dem Landesparteitag der FDP im wahlumkämpften Nordrhein-Westfalen vor großem Publikum Stellung dazu bezogen. Doch statt Erklärungen zu liefern, schoss Westerwelle zurück: Es sei nicht Ordnung, wenn die Opposition "den Außenminister" angreife, während der im Ausland Gutes für das Land tue. Und offenbar an die Medien gewandt drohte er: "Ihr werdet mir den Schneid nicht abkaufen." Dass er die Medien gemeint haben könnte, will Westerwelle am Tag danach nicht mehr kommentieren. Es sei nicht seine Aufgabe, seine eigene Rede zu interpretieren, sagt er. Das ist klassische Westerwelle-Taktik, zuletzt erprobt an den Begriffen "spätrömische Dekadenz" und "anstrengungsloser Wohlstand". Nachdem er diese im Zusammenhang mit Hartz IV in einer Tageszeitung aufgeschrieben hatte, hat er sie öffentlich nicht ein einziges Mal wiederholt. Westerwelle will als Opfer einer von wem auch immer gesteuerten Kampagne gesehen werden, deren einziges Ziel es sei, eine Neuauflage von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen zu verhindern. So einfach kann es sein, Kritik abzubügeln. Einer stellt die Frage nach Cornelius Boersch, jenem umtriebigen deutschen Geschäftmann, der in der Schweiz ein weitverzweigtes Beteiligungsimperium sein Eigen nennt. Mit Boersch und seinen Beteiligungen unterhalten und unterhielten sowohl Westerwelle, dessen Bruder Kai als auch Westerwelles Lebenspartner Michael Mronz geschäftliche Kontakte. Boersch hat überdies seit 2002 mehr als 160.000 Euro an die FDP gespendet. Andere Parteien hat er nicht bedacht. Boersch gehörte zur Entourage auf Auslandsreisen des Außenministers Westerwelle nach Asien und in die Türkei. In der Türkei hat auch eine angebliche Bonner "Künstlerin" das Privileg von Westerwelles Nähe auf einer Auslandsreise genossen, deren Kunstwerke aber kaum jemand je zu Gesicht bekommen hat. Guido Westerwelle lässt sich auf die Fragen nicht ein. Zu Boersch sagt er nichts. Zu der besagten Künstlerin nur so viel: Sie habe die Kosten ihrer Reise selbst übernommen. Und dass seine Nähe ein "Privileg" sei, grinst Westerwelle, halte er dann doch für "übertrieben". Zudem erklärt der FDP-Chef noch, dass es ihm aus nachvollziehbaren Gründen nicht möglich gewesen sei, während einer solchen Auslandsreise differenziert Stellung zu nehmen zu den Vorwürfen. Das veranlasst einen Kollegen zu der Frage, warum er dann jetzt und hier nicht bereit sei, auf konkrete Fragen konkrete Antworten gebe. Der Außenminister entgegnet, alle Fragen seien bereits detailliert und schriftlich beantwortet worden. Er habe nicht vor, dass jetzt alles zu wiederholen. Drei Mails aus dem Amt Die versammelte Presse versetzt diese Aussage dann doch in Erstaunen. Eine kleine Umfrage ergibt: Wenn es diese Antworten gegeben hat, dann müsse sie an einen sehr ausgewählten Kreis von Journalisten gegangen sein. Und diese haben dann diese Informationen offenbar auch noch allesamt für sich behalten. Die Pressestelle der FDP verweist hernach auf die Pressestelle des Auswärtigen Amtes (AA). Auf Anfrage von sueddeutsche.de schickt das Ministerium drei Pressemitteilungen per E-Mail. Eine betrifft die grundsätzlichen Vorwürfe der Günstlingswirtschaft, die Westerwelle in der Mitteilung zurückweist. Eine zweite dreht sich um seinen ehemaligen Mitarbeiter Jörg Arntz, der zwischenzeitlich in einem Boersch-Unternehmen tätig war und jetzt im AA untergekommen ist. Und die dritte Mitteilung geht auf die Künstlerin ein, die Westerwelle nach Istanbul begleitet hatte. Über die ist allerdings auch nicht mehr zu erfahren außer das, was Westerwelle schon gesagt hat. Im Video: Die Opposition bemängelt, dass Westerwelle offenbar nichts aus der bisher geäußerten Kritik gelernt habe. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/guido-westerwelle-der-mann-ohne-antworten-1.22033
Der Mann ohne Antworten
00/03/2010
Schmallippig blockt Außenminister Westerwelle weiter Fragen nach Geschäftsfreunden und FDP-Spendern auf seinen Auslandsreisen ab. Er verweist auf "detaillierte" Antworten, die das Auswärtige Amt bereits formuliert habe. Doch die Erkenntnisse sind dürftig.
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Immer mehr Gläubige rufen nach klaren Worten des Papstes zu den Missbrauchsfällen. Dieser will sich bald erklären - zu Vorfällen in Irland. Der Vatikan hat eine Erklärung des Papstes zum sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen angekündigt. Benedikt XVI. werde sein Schweigen brechen und schon bald in einem Hirtenbrief an die irischen Bischöfe klare Maßnahmen bekanntgeben, sagte der Chef der päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Rino Fisichella, dem Mailänder Corriere della Sera. Ob der Hirtenbrief auch auf die Fälle in Deutschland eingehen wird, ist unklar. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte am Freitag bei einer Audienz mit dem Papst über die Missbrauchsfälle in Deutschland gesprochen. Danach drang lediglich an die Öffentlichkeit, dass der deutsche Papst sehr erschüttert sei. Beim traditionellen Angelus-Gebet am Sonntag in Rom sprach das Kirchenoberhaupt den Skandal nicht an. Auch beim Abendgottesdienst in der deutschen Christuskirche in Rom äußerte er sich nicht dazu. Benedikt XVI. besuchte dabei erstmals in seiner Amtszeit als Pontifex ein evangelisches Gotteshaus. "Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit" Das Schweigen sei auf die "Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit" des Pontifex zurückzuführen, mit der dieser sich ein Bild der Lage mache, betonte Erzbischof Fisichella. Ob der Hirtenbrief an die irischen Bischöfe auch ausdrücklich auf die Fälle in Deutschland eingehen wird, ließ er offen. In Irland ist Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche seit langem ein Thema. Zwei Untersuchungsberichte hatten im vergangenen Jahr tausendfachen Missbrauch von Kindern unter dem Dach der Kirche dokumentiert. Der Papst hatte irische Bischöfe deshalb vor kurzem nach Rom zitiert. Der Vorsitzende der irischen Bischofskonferenz, Kardinal Sean Brady, gerät zunehmend unter Druck, lehnt aber einen Rücktritt ab. Nur der Papst könne ihn zu solch einem Schritt bewegen, sagte Brady an diesem Montag. "Zeichen von Gewalt und Barbarei" Auf Kritik aus Deutschland reagierte das Umfeld von Benedikt XVI. gereizt: "Den Papst und die gesamte Kirche in die Missbrauchskandale hineinziehen zu wollen ist ein Zeichen von Gewalt und Barbarei", sagte Erzbischof Fisichella. Am vergangenen Freitag war bekanntgeworden, dass in Joseph Ratzingers Amtszeit als Münchner Erzbischof (1977 bis 1982) ein Priester nach Missbrauchsvorwürfen von Essen nach München versetzt worden war. In Bayern verging sich der Priester erneut an minderjährigen Jungen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der auch Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken ist, bescheinigte der Kirche eine schwere Glaubwürdigkeitskrise. Im ARD-Morgenmagazin sagte er: "Die Kirche muss mit sich ehrlicher und strenger sein; und das gilt natürlich auch für den Papst." Das Vertrauen in die Kirche sei schwer erschüttert: Auch CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel mahnte eine gesamtgesellschaftliche Debatte an, da es nicht nur um sexuellen Missbrauch in der katholische Kirche gehe. Unverständnis bei der Jugend Die immer neu aufgedeckten Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche haben nach Einschätzung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) "zur größten Kirchenkrise seit 1945" geführt. Deshalb erwarteten die jungen Katholiken in Deutschland dazu ein klares Wort des Papstes, sagte der BDKJ-Bundesvorsitzende Dirk Tänzler. "Außerhalb der Kirche versteht keiner, dass er sich nicht klar äußert - und ich verstehe es auch nicht", betonte Tänzler. Dabei gehe es nicht um eine Entschuldigung von Benedikt XVI., sondern er sollte seine "Betroffenheit, Sorgen und Fragen zum Ausdruck bringen und damit authentisch vermitteln, dass er unsere Sorgen und Ängste teilt", meinte der Leiter der katholischen Dachorganisation, in deren 15 Verbänden etwa 650.000 junge Katholiken organisiert sind.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsfaelle-groesste-kirchenkrise-seit-1945-1.21131
"Missbrauchsfälle - ""Größte Kirchenkrise seit 1945"""
00/03/2010
Immer mehr Gläubige rufen nach klaren Worten des Papstes zu den Missbrauchsfällen. Dieser will sich bald erklären - zu Vorfällen in Irland.
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Die Kriminalität in Bayern sinkt, aber die Delikte unter Alkoholeinfluss nehmen zu. Deshalb will Innenminister Herrmann den Alkoholverkauf einschränken. Biertrinker müssen sich aber keine Sorgen machen. Joachim Hermann (CSU) zeigt sich zufrieden. Die Kriminalitätsrate in Bayern ist zurückgegangen, wie schon seit vielen Jahren und deshalb ist es, wie schon seit vielen Jahren ein durchaus angenehmer Termin für Bayerns Innenminister, wenn er die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik präsentiert. "Bayern ist und bleibt das sicherste Bundsland." Das ist das Fazit des Innenministers. Doch wie in jedem Jahr gibt es ein "aber". Diesmal macht Bayerns Mann für die Sicherheit sein Unbehagen am Alkohol fest. Denn die Kriminalität ist nicht in allen Bereichen zurückgegangen. Besonders stark war der Anstieg bei Delikten, bei denen Alkohol im Spiel war. 2009 war das bei 16 Prozent aller Straftaten der Fall. Bei Gewaltverbrechen liegt der Anteil sogar bei 40 Prozent. Das ist ein Anstieg um 3,7 Prozent. "Diese Fakten belegen eindeutig, dass Alkohol der Aggressionsverstärker Nummer eins ist", folgert Herrmann. Um dem entgegenzusteuern, denkt er über ein nächtliches Schnapsverbot nach. Vorbild soll, so der Innenminister, die Verordnung in Baden-Württemberg sein. Dort ist seit dem 1. März der Verkauf von Alkohol nach 22 Uhr in der Öffentlichkeit verboten. So weit will der Innenminister dann aber doch nicht gehen. Herrmann beschränkt seine Forderungen auf den Branntwein. Weiter Sorgen bereitet dem Innenminister die Gewaltkriminalität. Die ist zwar rückläufig, dennoch muss auch Hermann eingestehen, dass es im Freistaat zu einigen "aufsehenerregenden Fälle exzessiver Gewalt" gekommen ist. Vor allem Schlägereien in S- und U-Bahnen machten 2009 Schlagzeilen. Hermann fordert deshalb eine flächendeckende Videoüberwachung in Zügen und Bahnhöfen. Einen gewaltigen Sprung nach oben in der Statistik macht der Betrug mit manipulierten Geldautomaten und ausgespäten Bankdaten. Hier hat sich der Wert in nur fünf Jahren verzehnfacht. Insgesamt sind laut dem Bericht 635.074 Straftaten in Bayern registriert worden. Das ist der niedrigste Wert seit 1992. Auf 100.000 Einwohner kommen 5073 Delikte. Seit 2004 werden kontinuierlich weniger Straftaten registriert. Stolz ist Herrmann auch auf die hohe Aufklärungsquote in Bayern. Bei etwa zwei Drittel aller Straftaten würde der Täter ermittelt. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ist weniger begeistert. Der bayerische BDK-Landeschef Hans Wengenmeir nennt den Bericht "nur sehr bedingt als Qualitätsnachweis für die Kriminalitätsbekämpfung tauglich." Nach Meinung des BDK würden die Zahlen den Personalmangel der bayerischen Polizei verharmlosen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kriminalitaet-in-bayern-sicherheitsrisiko-schnaps-1.6991
Kriminalität in Bayern - Sicherheitsrisiko Schnaps
00/03/2010
Die Kriminalität in Bayern sinkt, aber die Delikte unter Alkoholeinfluss nehmen zu. Deshalb will Innenminister Herrmann den Alkoholverkauf einschränken. Biertrinker müssen sich aber keine Sorgen machen.
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Die mächtigste Frau der Welt soll endlich zeigen, wo es in Europa langgeht, fordert das US-Magazin Newsweek. SZ-Korrespondenten berichten, was Amerika und europäische Staaten von der Kanzlerin erwarten. Mächtigste Frau der Welt. Sparsam und besonnen. Diplomatisch, bewundernswert gelassen. So haben ausländische Medien Angela Merkel in den vergangenen Jahren gelobt. Doch die bedingungslose Bewunderung bröckelt: "Waiting for Merkel - why Germany doesn't want to lead" ("Warten auf Merkel - warum Deutschland nicht die Führung übernehmen will"), titelt nun die Europa-Ausgabe von Newsweek, eines der führenden amerikanischen Nachrichtenmagazine. Auf dem Cover sind, unverkennbar, die gefalteten Hände der Kanzlerin abgebildet, ruhig und regungslos. Angesichts Griechenlandkrise und Euro-Schwäche blicken nicht nur die Amerikaner erwartungsvoll in Richtung Angela Merkel, die das Forbes-Magazin im vergangenen Jahr zum vierten Mal in Folge zur mächtigsten Frau der Welt gekürt hat. Was erwarten Politiker und Meinungsmacher im Ausland von der deutschen Regierungschefin? USA Der Newsweek-Artikel, der zu den gefalteten Händen der Kanzlerin gehört, trägt die Überschrift "Slow-Motion Merkel". In der Analyse schwingt ein resignierter, fast schon verzweifelter Unterton mit: "Europa braucht einen Anführer, aber die geeignete Kandidatin will den Job nicht übernehmen." Der deutschen Regierungschefin könne in Europa nun mal keiner das Wasser reichen, heißt es weiter: weder der unberechenbare, hyperaktive Nicolas Sarkozy, noch die lahme britische Ente Gordon Brown, noch der spanische Premier José Luis Rodríguez Zapatero. Aber irgendwie habe Merkel keine Lust auf ihre Führungsrolle - zu sehr seien sie und Deutschland darauf fixiert, den Status quo zu erhalten. Bereits Anfang März hatte Business Week, eines der führenden Wirtschaftsmagazine der Welt, Merkel aufs Titelblatt gehoben und gefordert: "Deutschland oder Europa - Merkel muss entscheiden." Und im Januar schmückte das Konterfei Merkels das Time-Cover. "Frau Europa" titelte das renommierte Nachrichtenmagazin auf Deutsch und fragte sich, ob und wie die unangefochtene Chefin des bevölkerungsreichsten europäischen Staates ihren Einfluss zu nutzen gedenke. Die Geschichten spiegeln die Deutschland- und Europa-Skepsis wider, die derzeit in den USA um sich greift. Die EU mit ihren Streitereien ums Protokoll nervt die Amerikaner, Obama scheint keine Lust mehr zu haben auf EU-USA-Gipfel, bei denen außer Goodwill-Erklärungen kaum etwas herauskommt. Erst kürzlich sagte er seine Teilnahme an einem solchen für Mai geplanten Treffen wieder ab. Merkel ist quasi die Personifizierung dieser Enttäuschung. Noch vor der Bundestagswahl 2009 waren die Amerikaner geduldig, sahen ein, dass sie erst mal ihre Wiederwahl hinter sich bringen müsse. Aber jetzt sei es doch bitte Zeit für den Aufbruch!
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/auslaendische-medien-mach-schon-merkel-1.17715
Ausländische Medien - Mach schon, Merkel!
00/03/2010
Die mächtigste Frau der Welt soll endlich zeigen, wo es in Europa langgeht, fordert das US-Magazin Newsweek. SZ-Korrespondenten berichten, was Amerika und europäische Staaten von der Kanzlerin erwarten.
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mlsum_de-train-493
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Verteidigungsminister Guttenberg wird wegen der Entlassung eines kritischen Generals angegriffen. Doch für seine politische Zukunft dürfte ein anderer Fall entscheidender sein. Vielleicht wäre Karl-Theodor zu Guttenberg gut beraten gewesen, den Brigadegeneral Henning Hars erst mal auf eine andere Stelle zu versetzen, statt ihn gleich in den Ruhestand zu schicken. Dann hätte er sich eine neuerliche Diskussion darüber erspart, ob er Manns genug ist, in seinem Stab und in der Truppe auch jene zu dulden, die in militärischen und personalpolitischen Fragen anders denken als der sich schneidig gebärdende Minister. Wer die Quasi-Entlassung verlässlich bewerten will, muss den Text jenes Schreibens kennen, das der General vergangenes Jahr in das Verteidigungsministerium geschickt hat. Sollte er tatsächlich dem Minister mehr oder minder deutlich Fehlverhalten attestiert und ihm in klaren Worten einen Rückzug vom Amt nahegelegt haben, wäre eine Trennung gerechtfertigt. Kein Mitleid mit Guttenberg Jeder führende Angestellte einer Schraubenfabrik, jede Oberärztin einer Klinik müsste bei vergleichbarem Umgang mit Vorgesetzten damit rechnen, dass ein solches Verhalten zu personellen Konsequenzen führt. Mitleid mit Guttenberg, auf den nun viele einprügeln, ist nicht angebracht, auch wenn sich seine Entscheidung im Nachhinein als geboten herausstellen sollte. Der Minister hat sich selber mit seinem Hin und Her in der Affäre um die Bombardierung des Tanklastzuges in Kundus und der ursprünglich äußerst fragwürdig begründeten Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan in zweifelhaften Ruf gebracht. Über die politische Zukunft Guttenbergs entscheidet nicht die Personalie Hars. Vielleicht aber der Fall Schneiderhan. Und der ehemalige Generalinspekteur wird jetzt reden - am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestages.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/guttenberg-in-der-kritik-die-last-mit-den-generaelen-1.20561
Guttenberg in der Kritik - Die Last mit den Generälen
00/03/2010
Verteidigungsminister Guttenberg wird wegen der Entlassung eines kritischen Generals angegriffen. Doch für seine politische Zukunft dürfte ein anderer Fall entscheidender sein.
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Deutschland exportiert erfolgreich wie nie U-Boote, Panzer und andere Waffen. Das Parlament erfährt von den geheimen Deals erst viel später. Den Titel des Exportweltmeisters hat Deutschland an China verloren. Doch in einem Bereich wächst der hiesige Außenhandel gewaltig: Die deutsche Rüstungsindustrie verdoppelte ihre Exporte in den vergangenen fünf Jahren. Nach einer Erhebung des schwedischen Friedensforschungsinstitutes Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) stieg der deutsche Weltmarktanteil auf elf Prozent für den Zeitraum zwischen 2005 und 2009. Erfolgreicher sind nur die USA und Russland. Im Vergleichszeitraum von 2000 bis 2004 hatte der deutsche Weltmarktanteil noch bei sechs Prozent gelegen. Wer sich auf die Suche nach den Gewinnern dieses Exportbooms macht, landet zum Beispiel in Kiel. Die Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW), Weltmarktführer im Segment der nichtnuklearen U-Boote, verkauft ihre Hightech-Produkte überaus erfolgreich. Zum Beispiel die Klasse 212 A, laut Eigenwerbung "die Spitze deutscher U-Boottechnologie". Oder das größere, mit acht Torpedorohren ausgestattete U-Boot der Klasse 214. Die letzte Erfolgsmeldung liegt acht Monate zurück: "Mit der Türkei rüstet ein weiteres Land seine Marine mit dem derzeit modernsten außenluftunabhängigen U-Boottyp aus", heißt es in der Pressemitteilung. Der Nato-Partner hatte zuvor einen Vertrag zur Lizenzherstellung von sechs U-Booten der Klasse U-214 im Wert von zwei Milliarden Euro unterzeichnet. Es ist schwierig, den Erfolg der HDW zu messen. Die Werft gehört zum Firmenkonglomerat von Thyssen Krupp und weist keine eigenen Zahlen aus. Die Verkaufsstatistik ist aber beeindruckend. In den vergangenen Jahren wurden allein 36 U-Boote mit dem modernen Brennstoffzellen-Antrieb verkauft. Und die Werft ist auf Jahre hinaus ausgelastet. Die Sipri-Zahlen zeigen, dass neben Panzern vor allem U-Boote "made in Germany" zum Verkaufsschlager geworden sind. Die Kieler HDW profitiert vom Ausbau der Marine in vielen Ländern. Und davon, dass Rüstungskontrolle in diesem Sektor nicht so strikt ist. Das sagt jedenfalls Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg zu sueddeutsche.de. In Zeiten, da die deutschen Werften um das wirtschaftliche Überleben kämpfen, ist der Boom ein Segen für viele Werftarbeiter. Wenn die U-Boote an EU-Länder oder Nato-Partner wie die Türkei gehen, gibt es gegen den Verkauf der Kriegsgeräte auch kaum Bedenken. Anders sieht es aber aus, wenn ein Land wie Pakistan Interesse anmeldet. Auch die Regierung in Islamabad will U-Boote aus Kiel bestellen. 1,2 Milliarden Euro will Pakistan offenbar für drei U-Boote der Klasse 214 zahlen. HDW will zum Stand der Verhandlungen keine Auskunft geben. Aus informierten Kreisen erfuhr sueddeutsche.de aber, dass der Bundessicherheitsrat bereits einen positiven Vorbescheid für das Geschäft gegeben haben soll.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruestung-exporte-verdoppelt-deutschland-schickt-waffen-in-alle-welt-1.6640
Rüstung: Exporte verdoppelt - Deutschland schickt Waffen in alle Welt
00/03/2010
Deutschland exportiert erfolgreich wie nie U-Boote, Panzer und andere Waffen. Das Parlament erfährt von den geheimen Deals erst viel später.
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Der Druck steigt: Die Opposition will zentrale Gebäude belagern, sollte die Regierung bis Mittag keine Neuwahlen ausrufen. Doch die stellt sich quer. Kurz vor Ablauf eines Ultimatums von Zehntausenden Regierungsgegnern hat Thailands Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva seinen Rücktritt und vorzeitige Neuwahlen abgelehnt. "Die Demonstranten verlangen, dass ich das Parlament bis Mittag auflöse, doch unsere Koalition ist der Ansicht, dass wir dieser Forderung nicht nachkommen können", sagte Abhisit im staatlichen Fernsehen. Wahlen müssten nach den allgemein gültigen Regeln und in "aller Ruhe" abgehalten werden, sagte der Regierungschef weiter. "Wir dürfen nicht nur auf die Stimmen der Demonstranten hören." Die Regierung sei aber bereit, die Vorstellungen der Opposition anzuhören, sagte er weiter. Bei den Demonstranten, den sogenannten Rothemden, handelt es sich überwiegend um Anhänger des 2006 mit einem Militärputsch gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra. Sie werfen dem amtierenden Ministerpräsidenten Abhisit vor, illegal an die Macht gekommen zu sein. Die Kaserne des 11. Infanterieregiments war mit Stacheldraht gesichert worden. In der Hauptstadt waren außerdem 50.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz. Der Regierungschef soll sich inzwischen nicht mehr in der Kaserne aufhalten. Er sei am Montagmorgen mit einem Hubschrauber ausgeflogen worden, berichtete der Fernsehsender INN. Die Opposition verstärkte ihren Druck auf die Regierung. Etwa 100.000 Menschen zogen am Montag vor die Kaserne des 11. Infanterieregiments in Bangkok, wo sich Ministerpräsident Abhisit in den vergangenen Tagen aufhielt. Sie drohen auch damit, die Zentren der Regierung lahmzulegen, wenn ihre Forderung nach Neuwahlen bis zum Mittag nicht erfüllt werde. Thailand ist seit Anfang 2006 politisch nicht mehr zur Ruhe gekommen, als Demonstranten Thaksin Korruption und Machtmissbrauch vorwarfen. Im gleichen Jahr wurde er gestürzt. 2008 kamen dann seine politischen Verbündeten wieder für ein Jahr an die Macht. Im Video: Thailand Opposition erhöht Druck auf Regierungschef Abhisit. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/proteste-in-thailand-ministerpraesident-sperrt-sich-gegen-neuwahlen-1.6229
Proteste in Thailand - Ministerpräsident sperrt sich gegen Neuwahlen
00/03/2010
Der Druck steigt: Die Opposition will zentrale Gebäude belagern, sollte die Regierung bis Mittag keine Neuwahlen ausrufen. Doch die stellt sich quer.
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Wenn sich Joschka Fischer einmal über den vorlauten Mann von der FDP äußerte, da entlockte es ihm höchstens ein langgezogenes spöttisches "Guiiido". Der Grünen-Politiker war ganz Außenminister, ganz Diplomat, der über den Derbheiten der innenpolitischen Scharmützel schwebte. So wurde Fischer im Volk beliebt, genau wie dessen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier von der SPD. Mit dem derzeitigen Amtsinhaber Guido Westerwelle aber ist alles anders. Kein Außenminister der Republik hat es geschafft, innerhalb weniger Monate die öffentliche Reputation so sehr abzubauen wie der Oberliberale. Der Jurist aus Bonn ist verstrickt in Parteienzank und persönliche Fehden - und schafft es tatsächlich, Kritik an seiner Amtsführung in Angriffe auf die Demokratie oder in Schwulenfeindlichkeit umzudeuten. Wenn ihm immer wieder, mit sachdienlichen Hinweisen, Vettern- und Günstlingswirtschaft vorgeworfen wird, dann räumt der attackierte Westerwelle die strittigen Punkte nicht einfach sachlich aus, sondern eröffnet Grundsatzdebatten, die sich ins Irreale steigern. Es fehle an politischer Kultur, warf er am Sonntag beim nordrhein-westfälischen FDP-Landesparteitag beispielsweise seinen Kritikern vor. Darunter macht es Guido Westerwelle nicht. Hier setzt ein Politiker die eigene Person mit dem Staat gleich. Hier immunisiert er sich mit Verweis aufs Ganze gegen Kritik im Einzelnen. Hier agiert ein Einmann-Unterhalter, der eine ganze, einst stolze Partei in Gefangenschaft genommen hat - und der schon kritische Fragen als Majestätsbeleidigung empfindet. Hier spricht die Republik Westerwelle. Was aber hat es mit der von Westerwelle so gepriesenen politischen Kultur zu tun, wenn - der ehemalige FDP-Generalsekretär generalstabsmäßig das Entwicklungshilfeministerium, das die FDP eigentlich abschaffen wollte, mit eigenen Getreuen besetzt, die sich vielfach wie Dirk Niebel bei der Bundeswehr bewährt haben? - mit den Hoteliers eine kleine gesellschaftliche Gruppe mit Steuergeschenken bedacht wird, die sich der Staat nicht leisten kann - und namhafte Hotelbetreiber wie Mövenpick zu den Großspendern der FDP gehörten? - auf Reisen gleich mehrere Unternehmer aus dem Dunstkreis des Außenministers Westerwelle auftauchen und ein Netzwerk an Beteiligungen rund um FDP-Spender Cornelius Boersch zu existieren scheint? - der Außenminister schon mal groß auf der Eröffnungsparty eines Luxushotels auftritt - einer Veranstaltung, die sein Lebensgefährte Michael Mronz mitorganisiert hat? - überhaupt der Sportmarketingmanager Mronz auf der Südamerika-Reise in Erscheinung tritt und nicht jedem klar wird, ob sein Wirken privat oder beruflich motiviert ist? - Fußballtrainer, Showmaster und Finanziers in ein Schloss, das Gästehaus des Auswärtigen Amts, zu Gesprächsabenden geladen werden und die Begegnung als "Politikberatung" firmiert? Es ist unappetitlich geworden in der Berliner Republik. Wenn sich der FDP-Chef dabei als Philosoph des Gemeinwesens stilisiert, dann ist das in etwa so, als ob Thomas Gottschalk Kultusminister wird. Guido Westerwelle gelingt derzeit wenig mehr, als zu polarisieren und pauschal Medien anzugreifen, als hinterlistig auf den Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung hinzuweisen. So will er im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf punkten und seine Partei in der Regierung halten. Er möchte an seinen Gegnern wachsen. Wie aber verträgt sich eine krawallorientierte Wahlkampf-PR mit den leisen Erfordernissen der Außenpolitik? Es ist ja nicht so, dass es Deutschland an brenzligen Schauplätzen mangelt - jenseits von Südamerika, das Westerwelle zum Schwerpunkt seiner Arbeit machen will. Da sind die komplizierten Verhältnisse innerhalb der EU, mit neuen Verdächtigungen gegen Deutschland. Da ist die transatlantische Brücke zu den USA und die Notwendigkeit, den Auszug aus Afghanistan zu regeln. Da ist der Nahe Osten. Da ist schließlich die Beziehung zu Russland und die Energiefrage. Westerwelles Vorgänger waren hier sensibel und vorsichtig aktiv. Und er? Redet über angebliche Diskriminierung seiner Familie und begreift Außenpolitik als Abfolge symbolischer Taten, etwa wenn er den brasilianischen Staatschef umarmen kann. Man hat nicht das Gefühl, dass sich der dröhnende, stets etwas unnatürlich aufgekratzte Außenminister sorgsam in die Materie einarbeitet. Er bedient seine Klientel und seine Partei, klar, aber er dient nicht dem Land. Er macht aus seinem Ministerium, dem Entwicklungshilferessort und dem Wirtschaftsministerium eine Art Neben-Kanzleramt. Die Regierungschefin von der CDU verweist darauf, dass zum Beispiel Westerwelles Angriffe in Sachen Hartz IV nicht ihr Duktus seien. Ansonsten wird Angela Merkel fast unsichtbar angesichts des Wirbels, den der FDP-Chef entfacht. Er liebt die Rolle des Buhmanns geradezu, weil er mediale Aufmerksamkeit als Politik interpretiert. Vielleicht sollten Hans-Dietrich Genscher oder Klaus Kinkel ihrem Parteifreund an der Spitze einfach einmal erzählen, wie sie das damals in der Ausübung des Außenministeramts gehalten haben. Dann würde in Guido Westerwelle womöglich die Erkenntnis reifen, entweder vom Minister-Job oder von der Parteiführung zu lassen. Eine positive Antwort darauf wäre wirklich ein Beitrag zur politischen Kultur in Deutschland.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-und-aussenministerium-westerwelle-majestaet-ist-beleidigt-1.11519
FDP und Außenministerium - Westerwelle - Majestät ist beleidigt
00/03/2010
Der Irrweg des Außenministers: Westerwelle sucht sein Heil in Polarisierung, obwohl sein öffentliches Amt diplomatische Zurückhaltung erfordert.
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FDP-Chef Westerwelle ist nach seiner Südamerika-Reise nicht nur zurück in Deutschland, er ist auch zurück in seiner Rolle - und holt zum Rundumschlag aus. Ein sanftes Lächeln, eine kurze Atempause. Guido Westerwelle bereitet sich und die Zuhörer gut auf die Attacke vor. Dann schleudert der viel Gescholtene die Sätze in den Saal der Siegerlandhalle in Richtung der Journalisten: "Ihr kauft mir den Schneid nicht ab. Das verspreche ich euch." Und die 400 Delegierten beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP in Siegen erheben sich schlagartig von ihren Sitzen und jubeln ihrem Frontmann zu. Guido Westerwelle ist nach seiner Südamerika-Reise nicht nur zurück in Deutschland, er ist auch zurück in seiner Welt, seiner Rolle: Einer gegen alle. Der 48-Jährige entschied sich nach der massiven Kritik zur Vorwärtsverteidigung. Die Vorwürfe der Opposition, er vermische Amt und Privates, bevorzuge bei der Auswahl seiner Delegationen nahestehende Personen sowie Geschäftspartner seines Bruders, nannte Westerwelle "eine Kampagne". Zum Kernvorwurf der vermeintlichen Günstlingswirtschaft aber sagte der Außenminister kein Wort, nur den völlig unstrittigen Satz: "Ich werde auch in Zukunft der deutschen Wirtschaft und dem Mittelstand im Ausland die Türen öffnen." Zugleich kritisierte der Mann, dem die Opposition mangelnden Stil vorwirft, den fehlenden Anstand der Gegenseite, die "ihre Attacken reitet", während er im Ausland weile und sich entsprechend der diplomatischem Gepflogenheiten nicht innenpolitisch äußern und wehren könne. Dies, so Westerwelle, sei "ein einmaliger Vorgang". Dabei sagte er, - wie in der Sozialstaatsdebatte, die er angezettelt hatte - die Mehrheit der Bevölkerung sei auf seiner Seite: "The published opinion ist not always the public opinion", rief Westerwelle in selbstironischer Anspielung auf seine angeblich mäßigen Englischkenntnisse. Westerwelle, der Verfolgte. Acht Wochen vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl gab der FDP-Bundesvorsitzende damit auch den harschen Tonfall für die Auseinandersetzung bis zum Wahltag am 9.Mai vor. Es ist eben keine simple Landtagswahl, die Wahl wird zum Plebiszit über die Berliner Koalition, sie entscheidet über die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat - und somit wird am 9.Mai letztlich auch die Frage nach den Perspektiven der Bundesregierung beantwortet. Die FDP will dabei den Status als Motor der Veränderung untermauern, der gegen die "starken Beharrungskräfte" auch innerhalb der Union kämpfe. Westerwelle schmirgelte daraus ganze Sätze: "Der Veränderungswille muss sich über den Geist der Verharrung erheben." Es müsse weiter gehen mit den Reformen, das ist die Botschaft. Für die NRW-Wahl heißt es übersetzt noch simpler: Links gegen rechts, ein echter Lagerwahlkampf, denn schließlich, so Westerwelle, "erleben wir, wie in NRW eine linke Mehrheit vorbereitet werden soll. Das ist, worum es in Wahrheit geht." Der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Andreas Pinkwart, der am Sonntag mit 95,5 Prozent wiedergewählt wurde, bezeichnete die Wahl als Richtungsentscheidung, ob der Weg für Deutschland und NRW weiter nach oben führe, oder "scharf links in den Abgrund dreht". Die FDP müsse dabei "Veränderungen im Machtgefüge der ganzen Republik" verhindern. Dabei wollen die Liberalen im Kampf gegen das rot-rot-grüne Gespenst den Koalitionspartner CDU fester an ihre Seite zwingen. Die jüngsten Signale der CDU in Richtung einer schwarz-grünen Option haben bei der FDP nachhaltig für Verärgerung gesorgt: Die Gedankenspiele von Ministerpräsident Jürgen Rütgers waren dabei nicht zuletzt von den Umfragen befeuert worden, in denen die Grünen klar vor den Liberalen liegen und derzeit mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen könnten. Derweil werden die Liberalen, die ihr Wahlziel auf "zehn Prozent plus x" festgelegt hatten, auf sechs bis neun Prozent taxiert. Eine Fortsetzung der CDU-FDP-Koalition würde rechnerisch aber weniger an den Liberalen scheitern, deren Ergebnis von 6,2 Prozent bei der Wahl 2005 sicher zu steigern ist, als vielmehr an der CDU von Ministerpräsident Rüttgers. Den Christdemokraten, die 2005 noch 44,8 Prozent erreicht hatten, drohen herbe Verluste. Die Zielmarke "40 Prozent plus x" hat die CDU bereits klammheimlich kassiert. Programmatisch aber spricht weiterhin vieles für die Fortsetzung der Koalition, auch wenn die Liberalen in Siegen ein Wahlprogramm beschlossen, das sich etwa in der Bildungspolitik deutlich absetzt. Während die NRW-CDU als einzige Partei auf die Fortführung des dreigliedrigen Schulsystems setzt, plädieren die Liberalen für das Konzept einer regionalen Mittelschule. Aber das ist beim vermeintlichen Kampf um die Zukunft der Republik eine eher kleines Problem. Im Video: Außenminister Guido Westerwelle hat im Streit über angebliche Günstlingswirtschaft bei Auslandsreisen zum Gegenangriff auf seine Kritiker ausgeholt. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/westerwelle-auf-dem-nrw-landesparteitag-einer-gegen-alle-1.23772
Westerwelle auf dem NRW-Landesparteitag - Einer gegen alle
00/03/2010
FDP-Chef Westerwelle ist nach seiner Südamerika-Reise nicht nur zurück in Deutschland, er ist auch zurück in seiner Rolle - und holt zum Rundumschlag aus.
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Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und seine regierende UMP-Partei haben offenbar eine deutliche Wahlniederlage hinnehmen müssen. Ersten Hochrechnungen zufolge erreichte die UMP bei den Regionalwahlen am Sonntag im Landesdurchschnitt nur 27 Prozent. Die oppositionellen Sozialisten erzielten dagegen 30 Prozent. Das Bündnis Europe Écologie behauptete sich mit 13 Prozent als dritte Kraft im Parteienspektrum, vor dem rechtsextremen Front National, der mit 11 Prozent überraschend stark abschnitt. Kleinere, weit links stehende Parteien erlangten zusammen 8 Prozent. Die Zentrumspartei MoDem kam auf für sie enttäuschende 3,5 Prozent. Insgesamt liegt das linke Lager deutlich vor dem rechten. Die Wahlbeteiligung soll unter 50 Prozent betragen haben. Dies wäre ein Negativrekord für Frankreich. Die Abstimmung galt als wichtiger Test vor der Präsidentschaftswahl 2012. Traditionell werden die Regionalwahlen benutzt, den Präsidenten und seine Regierung abzustrafen. Meinungsforscher hatten daher mit einer Niederlage für Sarkozys UMP-Partei gerechnet. Die Sozialisten unter Parteichefin Martine Aubry hofften, diesmal sämtliche 22 Regionen auf dem Festland sowie die vier Überseeregionen zu gewinnen. Ob sich solche Erwartungen erfüllen, wird sich erst beim zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag zeigen. Bei den Wahlen 2004 hatte die Linke bereits alle Regionen mit Ausnahme von Korsika und dem Elsass errungen. Die Regionen entsprechen von der Größe her deutschen Bundesländern, haben aber weniger Kompetenzen. Das Regionalwahlrecht ist kompliziert. In allen Regionen, in denen diesen Sonntag keine Partei die absolute Mehrheit erlangte, kommt es am 21. März zu einem zweiten Wahlgang. Dann dürfen nur Parteien antreten, die im ersten Wahlgang mehr als zehn Prozent der Stimmen erzielten. Mit ihnen dürfen sich Parteien, die mehr als fünf Prozent erhielten, zu Listen verbinden. In den nächsten Tagen wird es zu harten Verhandlungen kommen. Nach dem Wahlergebnis vom Sonntag ist die Ausgangsbasis der Linken günstiger als die der Rechten. Sarkozy hat angekündigt, in jedem Fall seinen Reformkurs fortzusetzen und auch bei einer Niederlage bei den Regionalwahlen an seiner bisherigen Regierung festzuhalten. Im Video: Umfragen: Sarkozys UMP ist Verlierer der Regionalwahl in Frankreich. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/regionalwahlen-in-frankreich-schlappe-fuer-sarkozy-1.20608
Regionalwahlen in Frankreich - Schlappe für Sarkozy
00/03/2010
Präsident Sarkozy und seine regierende UMP-Partei müssen eine deutliche Niederlage hinnehmen. Hochrechnungen zufolge gewinnen die Sozialisten bei den Regionalwahlen in Frankreich.
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U-Boote, Panzer, Kampfflugzeuge: Das Geschäft mit Waffen boomt - in Deutschland, aber auch weltweit. Stockholmer Friedensforscher warnen vor einem neuen Wettrüsten. Deutschland hat seine Rüstungsexporte in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt. Die Steigerung beruht vor allem auf dem Verkauf von U-Booten und Panzerfahrzeugen. Nach Erhebungen des Friedensforschungsinstitutes Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) stieg der deutsche Weltmarktanteil auf elf Prozent für den Zeitraum zwischen 2005 und 2009. Noch mehr exportierten nur die USA und Russland. Die Amerikaner haben einen Weltmarktanteil von 30 Prozent, die Russen von 23 Prozent. Der deutsche Weltmarktanteil hatte von 2000 bis 2004 noch bei sechs Prozent gelegen. Wichtigste Kunden der deutschen Rüstungsindustrie sind die Türkei, Griechenland und Südafrika. Vor diesem Hintergrund fordern die Grünen ein Vetorecht des Bundestages bei Waffengeschäften. Der Bericht zeige, "dass wir in Deutschland eine viel stärkere Rüstungskontrolle und schärfere Kriterien für den Waffenexport brauchen", sagte die Grünen-Parteichefin Claudia Roth dem Kölner-Stadt-Anzeiger. Der Bundestag müsse, "wie es in anderen Ländern und Parlamenten ja Standard ist, endlich das Recht bekommen, die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte zu kontrollieren". Exportschlager Kampfflugzeug Der Vize-Fraktionschef der Linken, Jan van Aken, nannte den Anstieg deutscher Rüstungsexporte "grauenvoll" und forderte einen Exportstopp. Hierzulande "darf es keine Arbeitsplätze geben, die darauf beruhen, dass woanders Menschen sterben", sagte er der Frankfurter Rundschau. Gelassen zeigte sich der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold. "Der zweite Blick lohnt sich", sagte er der Frankfurter Rundschau. Er könne "nichts Verwerfliches" daran finden, wenn deutsche Firmen zu einem immer größeren Teil Waffen an Nato-Partner lieferten. Bei Lieferungen in andere Länder müsse man "sehr kritisch" sein. Er selbst schaue bei Exporten von Handfeuerwaffen etwa in arabische Staaten genau hin. Allerdings "wollen wir, dass sie den Terror bekämpfen". Auch weltweit ermittelte Sipri einen Anstieg des Waffenhandels in den letzten fünf Jahren, und zwar um 22 Prozent. Vor allem der Handel mit extrem teuren Kampfflugzeugen hat demnach deutlich zugenommen. "Staaten mit entsprechenden Ressourcen haben erhebliche Mengen geordert. Die Reaktion von Rivalen aus der jeweiligen Region bestand dann darin, ebenfalls zu bestellen", sagte Paul Holtom, Sipris Forschungschef zum Waffenhandel. Weltweit wird die Liste der Waffenkäufer von China und Indien angeführt. Singapur und Algerien tauchen erstmals unter den zehn größten Rüstungsimporteuren auf. Warnung vor neuem Rüstungswettlauf Wichtigstes Abnehmerland für die deutsche Rüstungsindustrie war die Türkei, an die 14 Prozent der Ausfuhren gingen. Griechenland nahm 13 Prozent ab und Südafrika zwölf Prozent. Das schwedische Institut gab keine Zahlen für den finanziellen Wert an. Sipri kommt regelmäßig zu höheren Angaben über deutsche Rüstungsexporte als die Bundesregierung, weil das Institut Kompensationsgeschäfte und den Handel mit gebrauchter Bundeswehrausrüstung sowie "Geschenke" durch Schätzwerte in die Statistik einbezieht. Der deutsche Export wurde in den vergangenen fünf Jahren vor allem durch den Verkauf von U-Booten ins Ausland nach oben getrieben. Kriegsschiffe machten 44 Prozent aller Exporte und Panzerfahrzeuge 27 Prozent der Ausfuhren aus. 2009 unterzeichnete die Türkei einen Vertrag zur Lizenzherstellung von sechs deutschen U-Booten der Klasse U-214 im Wert von zwei Milliarden Euro. Griechenland bekam vier bestellte U-Boote wegen Schulden über 524 Millionen Euro nicht ausgeliefert, akzeptierte dann aber die Lieferung von drei in Lizenz hergestellten U-Booten. Sipri warnt vor einem neuen Rüstungswettlauf in Spannungsgebieten wie dem Nahen Osten, in Nordafrika, Südamerika sowie Süd- und Südostasien . So habe sich der Waffenhandel in Südamerika in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich zum Zeitraum 2000 bis 2004 um 150 Prozent erhöht. Auch die gegenwärtige Welle von Rüstungsaufträgen in Südasien könne "die Region destabilisieren und Jahrzehnte der friedlichen Entwicklung gefährden". Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland gehörte in den vergangenen fünf Jahren zu den fünf größten Rüstungskäufern der Welt. Die USA und Russland als führende Exporteure machten jeweils etwa 40 Prozent ihrer Rüstungsgeschäfte mit dem Verkauf von Kampfflugzeugen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/schwedisches-forschungsinstitut-deutschland-verdoppelt-ruestungsexporte-1.2734
Schwedisches Forschungsinstitut - Deutschland verdoppelt Rüstungsexporte
00/03/2010
U-Boote, Panzer, Kampfflugzeuge: Das Geschäft mit Waffen boomt - in Deutschland, aber auch weltweit. Stockholmer Friedensforscher warnen vor einem neuen Wettrüsten.
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