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VG Frankfurt 1. Kammer
Hessen
1
0
10.10.2007
0
Randnummer 1 Die Beklagte gewährte dem Kläger mit endgültigem Bescheid vom 27.01.2005 für die Zeit vom 01.09.2004 bis zum 30.06.2009 Anpassungsgeld nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus vom 17.06.1999 (- RL - BAnz Nr. 126 v. 10.07.1999) i.d.F. der Änderung vom 23.04.2004 (BAnz Nr. 93 v. 18.05.2004). In dem Bescheid heißt es u.a.: „Soweit sich aus diesem Bescheid nichts anderes ergibt, gelten bisher erteilte Bescheide weiterhin. Vorausgegangen war diesem endgültigen ein vorläufiger Bescheid vom 28.09.2004. Dieser enthielt u.a. folgende Regelung: „Der bestehende Krankenversicherungsschutz bleibt im Rahmen von § 192 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 SGB V für sie beitragsfrei mit dem bisherigen Leistungsanspruch erhalten. Mit der Aufnahme der APG-Zahlung übernimmt das BAFA für die Dauer der Gewährung von APG aufgrund Ihres Antrages die Zahlung der für die freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld erforderlichen Beiträge, soweit sich aus Nrn. 4.2.1 bzw. 6.6.2 der APG-Richtlinien nichts anderes ergibt.“ Randnummer 2 Mit einem Schreiben vom 24.05.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sich auf Grund einer Gesetzesänderung ab dem 01.07.2005 eine Änderung ergäbe. Bedingt durch die neue Regelung des § 241a SGB V hätten alle gesetzlichen Krankenkassen von ihren Mitgliedern einen zusätzlichen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 0,9% zu erheben. Dieser zusätzliche Beitrag sei nach dem Gesetzestext von dem einzelnen Mitglied zu zahlen und werde deshalb nicht von der BAFA übernommen. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag übernehme, der allerdings gemäß der genannten Regelung um 0,9% gekürzt werde. Die Beklagte wies schließlich darauf hin, dass die Knappschaft dem Kläger demnächst einen neuen Beitragsbescheid erteilen werde, aus dem sich die Höhe des vom Kläger direkt zu zahlenden Zusatzbeitrages ebenso ergebe wie die neue Höhe des von der Beklagten übernommenen Beitrages. Randnummer 3 Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben vom 17.06.2005 Gegenvorstellungen. Er wies darauf hin, dass der nach § 241a SGB V zu erhebende zusätzliche Beitrag eindeutig ein Krankenversicherungsbeitrag sei und sich aus den Richtlinien ergebe, dass diese Beiträge von der Beklagten übernommen würden. Nachdem die Beklagte ihren Standpunkt noch einmal schriftlich bestätigt hatte, beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit der Angelegenheit, die darauf den klägerischen Standpunkt erneut schriftsätzlich vortrugen und um Überprüfung der Rechtsauffassung der Beklagten baten. In dem Antwortschreiben vom 17.02.2006 führte die Beklagte aus, dass der Kläger - entgegen dem, was die Bevollmächtigten behauptet hätten -, keinen Widerspruch erhoben habe. Die Beklagte sei jedoch bereit, das Schreiben des Klägers als Widerspruch zu werten. Die Bevollmächtigten hatten in ihrem Schreiben allerdings nicht behauptet, dass der Kläger Widerspruch gegen eine Verfügung der Beklagten erhoben habe, sondern nur darauf hingewiesen, dass Widerspruch gegen den neuen Beitragsbescheid der Knappschaft erhoben worden sei. Nachdem die Bevollmächtigten schließlich unter dem 24.05.2007 ausdrücklich um einen förmlichen Widerspruchsbescheid gebeten hatten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 „den Widerspruch zurück“. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Beklagte davon ausging, dass der Widerspruch sich gegen das Schreiben vom 24.05.2005 richte. Der Widerspruch wurde für zulässig erklärt, aber als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wird angeführt, es sei an keiner Stelle geregelt, dass die Beklagte die Zusatzbeiträge übernehmen müsse. Randnummer 4 Am 08.06.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Krankenversicherungsbeiträge des Klägers zu übernehmen und dass es sich bei dem Zusatzbeitrag nach § 241a SGB V um einen Teil des Versicherungsbeitrages handele. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die ab dem 01.07.2005 von dem Kläger gezahlten Beiträge nach § 241a SGB V diesem zu erstatten, und festzustellen, dass die Beklagte auf der Grundlage des Bescheides vom 27.01.2005 verpflichtet ist, die Beiträge nach § 241a SGB V zu übernehmen. Randnummer 6 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Sie ist der Auffassung, es gäbe für die Übernahme des Zusatzbeitrages keine Rechtsgrundlage. Die Richtlinien sähen hierfür keine Regelung vor, sondern befassten sich nur mit Krankenversicherungsbeiträgen. Im Übrigen gäbe es keinen Rechtsanspruch auf die Leistungen nach den RL. Die Behörde entscheide vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei sie nur den Gleichheitssatz zu beachten habe. Randnummer 8 Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Randnummer 9 Das Gericht hat einen Hefter Behördenakten beigezogen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, die ab dem 01.07.2005 von dem Kläger gezahlten Beiträge nach § 241a SGB V diesem zu erstatten. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auf der Grundlage des Bescheides vom 27.01.2005 verpflichtet ist, die Beiträge nach § 241a SGB V zu übernehmen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. 3. Das Urteil ist hinsichtlich des Leistungsausspruchs und wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 760,00 EUR und in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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LG Hamburg 33. Zivilkammer
Hamburg
0
1
07.05.2020
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Klägerin als Vermieterin wegen mangelnder Schriftform ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 24.6.2019 des zwischen den Parteien bestehenden Gewerberaummietverhältnisses. Randnummer 2 Am 22.6.1977 schlossen die damalige Eigentümerin (laut Grundbuchauszug, Anlage K 1, die Kommanditgesellschaft in Firma K. B.) und die R. D. S. KG auf Aktien Zweigniederlassung N. (im Folgenden R. KG) einen Mietvertrag über in der B. C. in H. belegene Räumlichkeiten zum Betrieb eines Lebensmittelmarktes. Randnummer 3 Am 21.1.2002 wurde die G. KG als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen (Anlage K 1). Randnummer 4 Am 30.9.2002 schlossen die G. KG und die R. KG (Anlage B 4 oder K 2) einen neuen Mietvertrag, in dem es in der Präambel heißt: Randnummer 5 Der Mieter betreibt seit dem 12.3.1980 am o.a. Standort einen Lebensmittelsupermarkt mit einer Nutzfläche von 1.200 qm und einer Verkaufsfläche von 973 qm. Lage und Ausstattung des Mietobjektes sind dem Mieter bekannt. Randnummer 6 Der Vermieter verfügt über die baurechtliche Möglichkeit den SB-Markt auf 2.138 qm Nutzfläche (1.709 qm VK-Fläche) zu erweitern. Randnummer 7 Die Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen für seinen Mietzweck nimmt der Mieter auf seine eigenen Kosten vor. Der bestehende Mietvertrag vom 22.6.1977 nebst Nachtrag vom 22.3.1979 und Nachtrag vom 30.4.1980 und Nachtrag Nr. 1 vom 25.05.1978 wird mit Beginn dieses Anschlußmietvertrages einvernehmlich aufgehoben. Randnummer 8 Streitig ist zwischen den Parteien, ob dieser Mietvertrag wirksam abgeschlossen wurde und ob er der Schriftform genügt. Randnummer 9 Am 19./28.12.2002 schlossen die Mietvertragsparteien einen Mietnachtrag Nr. 1. Der Übergabetermin für die Räumlichkeiten wurde vom 1.1.2003 auf den 1.4.2003 mit Mietdauer von 10 Jahren geändert. Randnummer 10 Am 31.7.2003 wurde U. K. als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Randnummer 11 Am 3.6.2004 (Anlage K 4) wurde zwischen der neuen Eigentümerin und der R. KG ein Mietnachtrag Nr. 2 unterzeichnet. Teil B Ziff. 5e und Teil C Ziff. 5e wurden gestrichen und durch folgende Regelung ersetzt: Randnummer 12 Für die Kosten der Gartenpflege/Außenanlagenpflege, Schnee- und Eisbeseitigungsmaßnahmen, Parkplatzüberwachung und Hausmeisterdienste zahlt der Mieter ab 1.1.2014 eine Nebenkostenpauschale in Höhe von 1.100 €. Randnummer 13 Am 16.5.2007 wurde die S. W. G. P. L. S. als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Randnummer 14 Am 11./18.4.2011 wurde zwischen der neuen Eigentümerin und der Beklagten als Mieterin der Mietnachtrag Nr. 3 (fälschlicherweise bezeichnet als Mietnachtrag Nr. 2 bezeichnet) unterschrieben. Randnummer 15 In diesem heißt es: Randnummer 16 Teil A Ziff. 4 Mietzins wird gestrichen und durch folgende Regelung ersetzt: Ab dem 1.6.2011 beträgt die neue Festmiete monatlich für das Gesamtobjekt 23.796,00 € zzgl der jeweils gültigen Mehrwertsteuer. Randnummer 17 Teil A Ziff 5 – Mietzeit- wird gestrichen und durch folgende Regelung ersetzt: Die Festlaufzeit des Mietverhältnisses verlängert sich bis zum 31.12.2023. Randnummer 18 Teil A Ziff. 6 – Optionsrecht- Die bestehenden Optionsrecht von 3 x 5 Jahren bleiben im vollen Umfang erhalten. Randnummer 19 Teil B Ziff 13 - Einbauten – Regelung zur Berechtigung des Mieterin zur Errichtung eines neuen Raums zum Betrieb eines Abholservices für Kunden sowie zur Einrichtung einer Elektrotankstelle. Randnummer 20 Am 13.11.2012 wurde die Klägerin als neue Eigentümerin der Immobilie in das Grundbuch eingetragen. Randnummer 21 Mit Schreiben vom 21.7.2017 (Anlage K 15) verlangte die Verwaltung der Klägerin von der Beklagten eine Erhöhung der Heiz- und Betriebskostenvorauszahlung zum 1.8.2017. Die bisherige brutto Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 2023,00 sollte auf € 1.138,82 sinken, während die vorherige Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 0,00 € auf 945,73 € steigen sollte. Randnummer 22 Mit Schreiben vom 16.11.2018 verlangte die Klägerin eine Mieterhöhung auf der Grundlage der Indexerhöhung. In diesem Schreiben wurde aufgeschlüsselt, wie sich die neue Miete zusammensetze. In Zeile 22 wurde dort eine Betriebskostenvorauszahlung von 956,99 € netto und in Zeile 32 eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 794,73 verlangt. Anschließend heißt es: „Wir bitten Sie ihre monatlichen Mietzahlungen entsprechend einzurichten bzw. ggf. Ihren Dauerauftrag entsprechend zu ändern.“ Randnummer 23 Die Beklagte zahlte die entsprechenden Nebenkosten im Januar und Februar 2019 und führte in der Gutschriftsanzeige vom 7.1.2019 sowohl für Januar 2019, als auch für Februar 2019 eine Vorauszahlung für Nebenkosten in Höhe von netto € 1.751,72 auf. Randnummer 24 Im Mietvertrag vom 30.9.2002 war eine Nebenkostenvorauszahlung von € 1.700,00 monatlich vereinbart (Teil A Ziff. 4c), ohne das zwischen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen unterschieden wurde. In Teil B Ziff. 5 f) heißt es dazu: Der Vermieter ist berechtigt, für die Mietnebenkosten die vereinbarte Vorauszahlung zu verlangen. Randnummer 25 Am 25.6.2019 ging der Beklagten die ordentlichen Kündigung der Klägerin vom 24.6.2019 mit Wirkung zum 31.12.2019 zu. In dieser Kündigung wurde die Auffassung vertreten, dass die notwendige Schriftform bei den vorliegenden Verträgen nebst Nachträgen nicht gewahrt sei. Randnummer 26 Zuvor war es zu umfangreichen Verhandlungen der Parteien über die Neufassung des Mietvertrages zwischen den Parteien gekommen. Bezüglich der ins Auge gefassten Konditionen wird auf eine E-Mail der R.- G., M. N. vom 12.4.2019, Anlage K 13 Bezug genommen. Kurz vor der Kündigung teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie nunmehr beabsichtige, mit der Fa. L. einen Mietvertrag zu abzuschließen. Randnummer 27 Mit Schreiben vom 27.9.2019 wies die Beklagte die Kündigung zurück und erklärte, dass sie die vertragliche Laufzeit bis zum 31.12.2023 erfüllen und ggf. von den sich anschließenden Optionsrechten Gebrauch machen werde. Randnummer 28 Die Klägerin ist der Meinung, dass der Mietvertrag nicht der Schriftform genüge und behauptet, dieses habe die Beklagte sogar selbst in Betracht gezogen, denn diese sei auf sie mit der Bitte der Klarstellung der vertraglichen Verhältnisse zugekommen. Randnummer 29 1. Es sei nicht klar, welcher Mietvertrag genau am 30.9.2002 von wem unterzeichnet worden sei. Ihr läge ein Exemplar vor, welches die spätere Eigentümerin Frau K. unterzeichnet habe und in welchem im Teil A die G. KG als Vermieterin durchgestrichen sei und durch Ute K. ersetzt worden sei (Anlage K 2). In mehreren Punkten verstoße dieser Vertrag gegen die Schriftform. Dieses Exemplar weise in Teil C nur eine Unterschrift auf Seiten der R. auf. Es gäbe diverse Ungereimtheiten, die darauf schließen ließen, dass ein Vertrag erst im Dezember 2009 unterzeichnet worden sei. Außerdem könnte es noch eine dritte Vertrags-Version geben. Die Beklagte habe seinerzeit zwei oder mehr Vertragsausfertigungen einseitig unterzeichnet und der G. KG für die Unterschrift zugeleitet. Ihr liege eine Baugenehmigung vom 15.11.2001 vor. In diesem Zusammenhang falle die Regelung in Teil A Ziff. 9b) auf, die nur zum Schein in den Vertrag aufgenommen worden sei, wenn diese Baugenehmigung die Erweiterung des Marktes betreffe. Es könne sein, dass die G. KG von ihrem Recht den Vertrag aufzulösen, da die Baugenehmigung noch nicht vorgelegen habe, Gebrauch gemacht habe und dann doch noch ein Vertrag mit Frau K. geschlossen worden sei. Frau K. sei eine der G. KG nahestehende Person, die den Kaufvertrag über das Grundstück in einem, wegen der späteren Insolvenz der G. KG, anfechtungsrelevanten Zeitraum geschlossen habe. Randnummer 30 Die Beklagte habe während der gesamten Verhandlungen zum Abschluss eines neuen Mietvertrags keinen Anlass gesehen, den bei der mündlichen Verhandlung vom 13.2.2010 vorgelegten Mietvertrag vorzulegen. Schon aus Gründen der Fairness gegenüber der Klägerin hätte die Beklagte auf den Irrtum der Klägerin hinsichtlich des zugrundeliegenden Vertrags hinweisen müssen. Es gäbe daher Zweifel, dass die von der Beklagten vorgelegte Version den letztlich wirksamen Vertrag wiedergebe. Es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass es noch weitere Versionen eines Vertrages gäbe, eventuell auch einen mit Frau K. direkt abgeschlossenen Vertrag. Randnummer 31 2. Der Mietnachtag Nr. 1 sei auf Vermieterseite durch nicht leserliche Namensunterschrift mit dem Zusatz ppa. unterzeichnet worden. Auf Seiten des Mieters sei durch ppa. und I.V. unterzeichnet worden. Die Vertretungsberechtigung der zweiten Unterschrift (i.V.) sei nicht beigefügt. Es sei davon auszugehen, dass der Mietnachtrag Nr. 1 den Anforderungen an die Schriftform wegen der mieterseitig fehlenden Bevollmächtigung nicht entspreche. Randnummer 32 3. Eine Heilung der Schriftformmängel sei durch den Nachtrag Nr. 3 vom 11.4./18.4.2011 nicht gegeben. Vielmehr beinhalte dieser einen neuen Schriftformverstoß, weil es auf Mieterseite zu einem Wechsel der Mieterin von der R. D. S. KGaA auf die Beklagte gekommen sei. Es werde bestritten, dass der im Streit stehende R. Markt zu dem rechtlich unselbständigen Geschäftsbereich der R. DS KGaA betrieben wurde und dieser auf die Beklagte übergegangen sei. Jedenfalls habe die Beklagte sie hierüber nicht benachrichtigt. Ein entsprechendes Schreiben finde sich in den Mietunterlagen, die sie von der S. W. G. P. L. S. überreicht bekommen habe, nicht. Die Anlage B 3 beweise den Zugang eines solchen Schreibens bei der Voreigentümerin nicht, da es nur ein Formblatt ohne Adresse sei. Randnummer 33 4. § 566 BGB, nach dem ein Mietvertrag auf einen neuen Eigentümer übergeht, greife bei dem Übergang des Grundstücks auf Frau U. K. nicht ein, da § 566 BGB voraussetze, dass der Mietgegenstand auf Grund eines wirksamen Mietvertrags vor Veräußerung bereits überlassen worden sei. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass eine Übergabe an die Beklagte am 31.7.2003 dem Tag der Eintragung der Frau K. im Grundbuch bereits erfolgt gewesen sei. Randnummer 34 Die Veräußerung des Grundstücks an Frau U. K. sei mit Kaufvertrag vom 4.7.2002 zur UR Nr. 201/2002 erfolgt und somit bevor der Mietvertrag vom 30.9.2002 abgeschlossen worden sei. Bei Veräußerung des Mietgegenstandes vor Überlassung des vermieteten Raumes gelte jedoch § 567a BGB. Randnummer 35 Soweit danach gleichwohl ein Nutzungsverhältnis zwischen der R. KG und der Frau K. begründet worden sei, genüge dieses jedenfalls nicht der Schriftform. Die mangelnde Schriftform sei auch nicht durch den Nachtrag Nr. 2 vom 3.6.2004 geheilt worden. Randnummer 36 5. Der Mietvertrag leide außerdem an einem weiteren Mangel: Randnummer 37 Teil B Allgemeine Bestimmungen Ziff. 14 c) lautet. Randnummer 38 Der Vermieter wird von ihm zur Vermietung kommende Mieträume und zum Verkauf anstehende Grundstücke, die für den Mietzweck gemäß Teil A Ziffer 3 ganz oder teilweise geeignet sind, zuerst dem Mieter direkt anbieten. Die Verpflichtung bleibt gegenüber dem Mieter auch dann bestehen, wenn der Vermieter während der Laufzeit des Mietvertrages das Mietobjekt veräußern sollte. Randnummer 39 Hierin liege ein Verstoß gegen das Beurkundungserfordernis gemäß § 311b Abs.1 BGB, der zur Nichtigkeit des gesamten Mietvertrages führe. Ein Mietvertrag müsse dann notariell beurkundet werden, wenn in einem einheitlichen Vertrag neben den rein mietrechtlichen Vereinbarungen die Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstückes enthalten sei. Randnummer 40 6. Ein weiterer Schriftformverstoß liege darin, dass im Jahr 2019 konkludent geänderte Vorauszahlungen für die Nebenkosten vereinbart worden seien, in dem abweichend von der im Vertrag unter Teil A Ziff. 4c vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung von € 1.700 konkludent eine Vorauszahlung in Höhe von netto € 1.751,40 und zwar aufgeteilt nach allgemeinen BK in Höhe von € 956,99 und Heizkosten in Höhe von € 794,73 vereinbart worden sei. Ein einseitiges Recht der Vermieterin die Betriebskosten im Zusammenhang mit einer Nebenkostenabrechnung zu erhöhen, sei im Vertrag nicht vorgesehen, so dass es für eine Änderung der Nebenkostenvorauszahlung einer Vereinbarung der Parteien bedürfe. Eine solche Vereinbarung liege darin, dass sie, die Klägerin, die Änderung der Nebenkostenvorauszahlungen im Schreiben vom 16.11.2018 (Anlage K 16) verlangt habe und die Beklagte mit dieser Änderung entsprechend ihrer Gutschriftanzeige vom 7.1.2019 (Anlage K 17) einverstanden gewesen sei. Randnummer 41 Im Übrigen seien schon zuvor die Nebenkosten für die Jahre 2016 und 2018 auch in anderen Punkten entgegen der vertraglichen Abreden abgerechnet worden (vgl. Ausführungen im Schriftsatz der Klägerin vom 23.1.2019 Seite 2 bis 4, Bl. 29ff d.A.). Randnummer 42 Die Klägerin hat ihre ursprünglich angekündigten Anträge Randnummer 43 1. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis über die Mietflächen in dem Objekt B. C. ... , H., mit der vermieterseitigen Kündigung vom 24.6.2019, zugegangen am 25.6.2019 mit Wirkung zum 31.12.2019 beendet worden ist. Randnummer 44 2. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Mietverhältnis zwischen den Parteien um ein solches mit unbestimmter Dauer handelt. Randnummer 45 zurückgenommen und stellt nunmehr noch ihre Anträge zu Randnummer 46 3. Die Beklagte wird verurteilt, die Mietflächen in dem Objekt zum 01.01.2020 zu räumen und an die Klägerin am 01.01.2020 herauszugeben. Randnummer 47 4. Die Beklagte wird verurteilt, vorgerichtliche Kosten in Höhe von 3.552,90 € zuzüglich Zinsen ab Antragstellung an die Klägerin zu zahlen. Randnummer 48 Die Beklagte beantragt, Randnummer 49 die Klage abzuweisen. Randnummer 50 Die Beklagte trägt vor, Randnummer 51 es werde bestritten, dass sie auf die Klägerin zugekommen sei um Vertragsverhandlungen zu führen, vielmehr sei die Initiative von der Klägerin ausgegangen. Randnummer 52 Es sei am 30.6.2002 zwischen der G. KG und der R. KG der als Anlage B 4 vorliegende Mietvertrag geschlossen worden, der in der mündlichen Verhandlung vom 13.2.2020 im Original vorgelegt worden sei, während die Klägerin von ihrer Version nur eine Kopie vorgelegt habe. Wenn die Klägerin in den Vertragsverhandlungen einmal nach dem ihr vorliegenden Vertragsexemplar gefragt hätte, wäre es ihr vorgelegt worden. Die Behauptung mangelnder Fairness sei zurückzuweisen, zumal die Klägerin sich fragen lassen müsse, ob ihr kurzfristige Abbruch der Verhandlungen, um die Fläche an den Konkurrenten L. zu übergeben, der Fairness entspreche. Randnummer 53 Das Mietvertragsmuster stamme aus ihrem Hause. Aus der Dateibezeichnung ergäbe sich, dass ein Herr oder eine Frau K. damals in die Mietvertragsverhandlungen involviert gewesen sei. Es könne sein, dass von Vermieterseite damals schon beabsichtigt gewesen sei, das Grundstück an Frau K. weiter zu veräußern. Dieses könnte auch erklären, warum dann ein von ihr, der Beklagten, unterzeichnete Exemplar ggf. auf Vermieterseite von Frau K. unterzeichnet worden sei. Maßgeblich sei jedoch, dass die R. KG von Vermieterseite ein von der G. KG unterzeichnetes Mietvertragsexemplar zugesandt bekommen habe. Von den damaligen internen Vorgängen auf Vermieterseite habe sie keine Kenntnis. Randnummer 54 Die Übergabe der Mietfläche sei am 1.4.2003 erfolgt. Für die Wirkung des § 566 BGB käme es auf die dingliche Veräußerung des Grundstücks und damit auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Grundbuch an. Im Übrigen werde bestritten, dass Frau K. das Grundstück am 4.7.2002 mit einer notariellen Kaufvertragsurkunde mit der Nummer 201/2002 gekauft habe. Aus dem Grundbuch ergäbe sich, dass die Auflassung in einer Notariellen Urkunde vom 28.5.2003 mit der Nr. 185/2003 und damit nach Übergabe der Mietfläche erfolgt sei. Randnummer 55 Die Beklagte meint, dass die Regelung in Teil B Ziff. 14c) nicht beurkundungsbedürftig sei. Jedenfalls würde eine Nichtigkeit nur diese Regelung und nicht den ganzen Mietvertrag betreffen. Dies ergäbe sich aus der Erhaltungs- und Ersetzungsklausel in Teil B Ziff. 16a). Randnummer 56 Die von der Klägerseite vorgelegten Nebenkostenabrechnungen für die Kalenderjahre 2016, 2017 und 2018 seien nicht geeignet, einen Verstoß gegen die für langfristige Mietverträge vorgesehene Schriftform zu begründen. Vielmehr seien diese Nebenkostenabrechnungen falsch, weil sie nicht dem vertraglich Vereinbarten entsprechen würden und stünden deshalb auch im Streit. Randnummer 57 Für die Sach- und Rechtslage im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
0
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 5. Kammer
Schleswig-Holstein
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1
15.03.2018
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Zahlung einer Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Randnummer 2 Das Unternehmen der Beklagten befasst sich mit der Finanzierung von Prozessen von Berufssportlern gegen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wegen erlittener Sportverletzungen. Die Sportler schließen mit der Beklagten einen Vertrag, der regelt, dass die Beklagte die Kosten der (außer-)gerichtlichen Auseinandersetzung trägt und im Gegenzug einen prozentualen Anteil der durchgesetzten Ansprüche erhält. Die Beklagte kooperiert hierzu mit zwei Rechtsanwälten. Diesen wird von den Sportlern eine Vertretungsvollmacht erteilt. Der Beklagten selbst sind Tätigkeiten, die der Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bedürfen, nicht erlaubt. Randnummer 3 Der 1949 geborene Kläger war in der Vergangenheit bei einer Berufsgenossenschaft und später als freier Rentenberater tätig. Er ist Mitbegründer der Beklagten und war zunächst auch bis Ende 2010 deren Mitgesellschafter. Als selbstständiger Rentenberater war und ist er insbesondere mit der Durchsetzung von Ansprüchen von Sportlern wegen einer Sportverletzung gegen die Träger der Sozialversicherung befasst. In diesem Zusammenhang vertrat und vertritt er namhafte Profiboxer, Berufsfußballer und Berufshandballer sowie weitere Sportler. Randnummer 4 Ab dem 01.06.2009 war der Kläger bei der Beklagten als angestellter Rentenberater zu einem Monatsgehalt von insgesamt 6.503,50 € brutto beschäftigt. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26.05.2009 bestand seine Aufgabe darin, die an die Beklagte herangetragenen Rechtsstreitigkeiten anhand der von dem mandatierten Rechtsanwalt erstellten Schriftsätze und weiteren Unterlagen zu prüfen (Bl. 4 ff. d. A.). In § 5 des Arbeitsvertrags trafen die Parteien Regelungen über eine Nebentätigkeit als selbstständiger Rentenberater. Am 06.05.2010 vereinbarten die Parteien sodann eine sofort in Kraft tretende Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, die u. a. folgende Regelungen enthält (Bl. 10 ff. d. A.) auszugsweise: Randnummer 5 „I. Randnummer 6 Der Mitarbeiter bleibt als Rentenberater im Anstellungsverhältnis tätig. Die an den Arbeitgeber herangetragenen Rechtsstreitigkeiten werden vorab anhand der von den Kunden eingereichten Unterlagen in einer Vorprüfung durch Herrn G. auf Erfolgsaussichten hin überprüft. Randnummer 7 Alle weiteren Tätigkeiten, insbesondere die Erstellung von Schreiben und die laufende vollständige Betreuung in den sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten und Maßnahmen im Bereich der Berufshilfe erfolgen ausschließlich durch die mandatierten Anwälte. Die Tätigkeit des Mitarbeiters beschränkt sich insoweit auf die mit dem Arbeitgeber abgestimmte Vorabprüfung. Randnummer 8 Arbeitsort ist in Abänderung des § 2 des bestehenden Arbeitsvertrages für den Mitarbeiter ausschließlich W… 2.. in 2… H…. . Randnummer 9 … IV. Randnummer 10 Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet, gilt ausdrücklich folgendes Tätigkeits- und Wettbewerbsverbot: Randnummer 11 - Dem Mitarbeiter ist es während der Dauer von 1 Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich untersagt, unmittelbar oder mittelbar - z. B. über eine Drittfirma - für direkte und indirekte Konkurrenten des Arbeitgebers oder Berufsgenossenschaften wie die VBG beruflich oder anderweitig, als Angestellter, freier Berater oder im Rahmen einer Beteiligung an einem Unternehmen - gleich welcher Rechtsform - in den Ländern: Bundesrepublik Deutschland, Republik Österreich und Schweiz tätig zu sein. Ebenso ist es ausdrücklich dem Mitarbeiter untersagt, als Rentenberater oder im Bereich der Berufshilfe für andere Dritte wie z. B. Sportvereine oder Sportler unmittelbar oder mittelbar - z. B. über eine Drittfirma - tätig zu sein. Randnummer 12 … Randnummer 13 - Für die Dauer dieses Wettbewerbsverbotes zahlt der Arbeitgeber an den Mitarbeiter zum Ausgleich für das Wettbewerbs- und Tätigkeitsverbot eine monatliche Karenzentschädigung, die 100 % der zuletzt bezogenen monatlichen vertragsmäßigen Leistung entspricht. Randnummer 14 - Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer des Wettbewerbs- und Tätigkeitsverbotes dem Arbeitgeber Auskunft über anderweitigen Erwerb während des Bezuges der Karenzentschädigung zu erteilen. Erteilt der Mitarbeiter Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig, so ist der Arbeitgeber zum Zurückbehalt der Karenzentschädigung berechtigt. Randnummer 15 …“ Randnummer 16 Bei Abschluss des Arbeitsvertrags war von den Vertragsparteien beabsichtigt, dass die damaligen Mandanten des Klägers von diesen zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit der Beklagten bewegt werden sollten, was in der Folgezeit auch in einer Reihe von Fällen tatsächlich geschah. Randnummer 17 Auch die Ehefrau des Klägers war zuletzt bis zum 31.12.2012 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt und als persönliche Assistentin des Klägers eingesetzt. Randnummer 18 Mit Schreiben vom 22.11.2012 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.2012. Der Kläger vertrat und vertritt auch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegenüber den Sozialleistungsträgern mehrere Sportler, von denen einige auch Geschäftsbesorgungsverträge mit der Beklagten abschlossen. Die Beklagte zahlte an den Kläger keine Karenzentschädigung, weil sie die Auffassung vertrat, der Kläger habe gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Randnummer 19 Der Kläger ist seit Jahren mit den Herren P. und W. bekannt, die Geschäftsführer der Fa. P. & W. Unternehmensberatungs GmbH (künftig: Fa. P. & W.) sind. Am 10.01.2013 schlossen die Herren P. und W. einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Fa. a. GmbH (künftig: Fa. a.) ab. Bei einem Stammkapital von 25.000,00 € hält Herr W. einen Gesellschaftsanteil von 8.334,00 €, Herr P. zwei Anteile in Höhe von jeweils 8.333,00 €. Ein Drittel der Geschäftsanteile hielt Herr P. ausweislich des zwischen ihm und der Ehefrau des Klägers geschlossenen Treuhandvertrages vom 10.01.2013 treuhänderisch für die Ehefrau des Klägers. § 3 des Treuhandvertrages lautet auszugsweise wie folgt (Bl. 133 ff. d. A.): Randnummer 20 „§ 3 Randnummer 21 Der Treuhänder hat seinen Geschäftsanteil auf jederzeit mögliche Anforderung des Treugebers unverzüglich, jedoch nicht vor dem 31.12.2013, auf den Treugeber oder auf eine von ihm zu benennende dritte Person zu übertragen. Umgekehrt ist der Treuhänder berechtigt, seinen Geschäftsanteil jederzeit, jedoch nicht vor dem 31.12.2013, auf den Treugeber zu übertragen. …“ Randnummer 22 Die a. GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer Herr W. ist, hat den gleichen Firmensitz wie die Fa. P. & W. und verfolgt ausweislich des Handelsregisters neben der Beratung von Vereinen denselben Geschäftszweck - Prozessfinanzierung für Berufssportler - wie die Beklagte. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum, d. h. in 2013, in Geschäftsbeziehungen mit der Fa. a. stand und damit gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstieß. Randnummer 23 Unter dem 10.01.2013 schloss die Ehefrau des Klägers mit der Fa. P. & W. einen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.01.2013 (Bl. 139 ff. d. A.). Es ist zwischen den Parteien streitig, ob dieser Arbeitsvertrag rückdatiert wurde. Ausweislich des Arbeitsvertrages wurde die Ehefrau des Klägers als kaufmännische Angestellte mit Heimarbeitsplatz zu einem Monatsgehalt von 3.600,00 € brutto eingestellt. Am 13.02.2013 gab die Fa. a. für die Ehefrau des Klägers eine Arbeitnehmer-Meldebescheinigung zur Sozialversicherung ab (Bl. 147 d. A.), die sie am 11.04.2013 stornierte (Bl. 148 ff. d. A.). Zunächst erhielt die Ehefrau des Klägers für die Monate Januar bis März 2013 Lohnabrechnungen von der Fa. a.. Sodann erteilte die Fa. P. & W. der Ehefrau des Klägers am 12.04.2013 drei Lohnabrechnungen für Januar, Februar und März 2013 (Bl. 156 ff. d. A.). Die Fa. P. & W. zahlte an die Ehefrau des Klägers letztlich für die Monate Januar bis Mai 2013 jeweils 3.600,00 € brutto und für Juni 2013 2.880,00 € brutto jeweils zzgl. 370,00 € brutto für die private Nutzung des Dienstfahrzeugs (Bl. 261 ff. d. A.). Unstreitig übte die Ehefrau des Klägers weder für die Fa. a. noch für die Fa. P. & W. zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche Tätigkeiten aus. Die Fa. P. & W. kündigte dieses Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit fristgerecht zum 24.06.2013 (Bl. 260 d. A.). Das der Ehefrau der Beklagten von der Fa. P. & W. vertraglich überlassene Firmenfahrzeug (Mercedes-Benz Typ A 200) fuhr überwiegend der Kläger. Der Kläger hatte auch die Verhandlungen über den Leasingvertrag mit dem Autohändler geführt und das Fahrzeug dort abgeholt. Randnummer 24 Mit Schreiben vom 14.03.2013 erteilte der Kläger Herrn Rechtsanwalt Dr. P. eine Vergütungsrechnung für Januar 2013 über 6.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer (Bl. 163 d. A.), die dieser beglich. Sodann stellte Herr P. der Fa. a. 9.500,00 € zzgl. Mehrwertsteuer für „Beratung“ in Rechnung (Bl. 165 d. A.). Mit Schreiben vom 16.05.2014 forderte der Kläger die Fa. a. unter Bezugnahme auf eine zwischen ihm, der Fa. a. und Rechtsanwalt P. geschlossene mündliche Vereinbarung auf, für die Zeit vom 01.02.2013 bis 30.04.2014 die Garantiezahlungen in Höhe von monatlich 6.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 107.000,00 € zu zahlen (Bl. 277 d. A.). Mit Schreiben vom 27.05.2014 wies die Fa. a. jegliche Ansprüche des Klägers zurück (Bl. 310 d. A.). Randnummer 25 Am 16.01.2013 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Neumünster Klage und machte u. a. eine Karenzentschädigung für das Jahr 2013 in Höhe von monatlich 6.503,50 € geltend. Mit Urteil vom 16.05.2013 wies das Arbeitsgericht die dahingehende Zahlungsklage ab (2 Ca 74 d/13). Die hiergegen von dem Kläger eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.04.2014 als zurzeit nicht fällig zurück (Az. 1 Sa 208/13). Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass der Anspruch des Klägers auf die Karenzentschädigung entstanden und auch nicht gemäß § 320 Abs. 1 BGB erloschen sei, weil der Kläger seinerseits gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Nach § 74 a Abs. 1 Satz 1 HGB sei ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals diene. Es müsse ein Zusammenhang bestehen zwischen Inhalt und Umfang des Verbots und der bisherigen Funktion oder Tätigkeit des Arbeitnehmers. Hieran gemessen könne dem Kläger die Vertretung von Sportlern in Form einer Tätigkeit als freier Rentenberater nicht untersagt werden. Denn eine Rechtsberatung, insbesondere die rechtliche Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten führe die Beklagte nicht durch und dürfe dies auch nicht, da sie insoweit keine erforderliche Erlaubnis nach dem RDG besitze. Der Kläger habe aber auch nicht gegen das - rechtsverbindlich vereinbarte - Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Vertretung von Sportlern gegenüber Behörden und Gerichten sei dem Kläger erlaubt. Eine verbotene Sachbearbeiter-Tätigkeit für die a. habe die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Der Kläger sei berechtigt gewesen, kooperativ als freier Rentenberater mit der Fa. a. zusammenzuarbeiten. Danach sei dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung entstanden und auch nicht erloschen. Der Höhe nach stehe dem Kläger eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 5.475,00 € zu, mithin insgesamt 65.700,00 € für das gesamte Jahr 2013. Dieser Anspruch des Klägers auf Zahlung der Karenzentschädigung sei jedoch noch nicht fällig. Der Beklagten stehe gemäß § 74 c Abs. 2 HGB ein Leistungsverweigerungsrecht zu, da der Kläger noch keine Auskunft über seinen anderweitigen Verdienst erteilt habe. Dieses Urteil des Landesarbeitsgerichts (1 Sa 208/13) ist rechtskräftig. Randnummer 26 Zwischenzeitlich legte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 19.09.2014 seine Einkommenssteuererklärung 2013 vor, nach der er in jenem Jahr Einkünfte in Höhe von 3.465,00 € erzielte (Bl. 66 ff. d. A.). Der für den Kläger und dessen Ehefrau erteilte Steuerbescheid für das Jahr 2013 weist ein zu versteuerndes Einkommen des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit i. H. v. 3.465,00 € sowie Einkünfte der Ehefrau des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 21.864,00 € aus (Bl. 91 ff. d. A.). Randnummer 27 Am 27.10.2014 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Neumünster Zahlungsklage erhoben und gegenüber der Beklagten Karenzentschädigung für 2013 in Höhe von 65.700,00 € geltend gemacht. Angesichts seiner geringen Einkünfte im Jahre 2013 sei die Karenzentschädigung in voller Höhe von der Beklagten zu zahlen. Die Beklagte hat am 18.12.2014 Widerklage mit dem Antrag erhoben, den Kläger zu verurteilen, die Vollständigkeit und die Richtigkeit der erteilten Auskünfte betreffend sein Einkommen im Kalenderjahr 2013 an Eides Statt zu versichern. Mit rechtskräftigem Teil-Urteil vom 17.09.2015 hat das Arbeitsgericht der Widerklage stattgegeben. Am 26.02.2016 hat der Kläger die begehrte eidesstattliche Versicherung abgegeben (Bl. 307 ff. d. A.). Am 21.10.2016 hat die Beklagte ihre Widerklage erweitert und von dem Kläger bezüglich seiner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Jahr 2013 ergänzende, detaillierte Auskünfte beansprucht. Randnummer 28 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz, insbesondere dem streitigen Vortrag der Parteien, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie der dortigen Inbezugnahmen verwiesen. Randnummer 29 Das Arbeitsgericht hat nach Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen W. und Dr. P. mit Urteil vom 26.01.2017 der Zahlungsklage teilweise in Höhe von 45.705,00 € stattgegeben und diese im Übrigen abgewiesen und die Widerklage als unzulässig verworfen. Das erkennende Arbeitsgericht folge der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Karenzentschädigung in Höhe von 65.700,00 € zustehe. Der Anspruch sei nicht durch die vertragliche Ausschlussklausel ausgeschlossen. Die Höhe der zu zahlenden Karenzentschädigung sei indessen abhängig von den anzurechnenden Einkünften des Klägers. Neben den eigenen Einkünften (3.465,00 €) müsse sich der Kläger die Einkünfte seiner Ehefrau aus deren Tätigkeit bei der Fa. P. & W. anrechnen lassen. Weil die Ehefrau des Klägers unstreitig keine Tätigkeiten für die Fa. P. & W. erbracht habe und unstreitig der Kläger vertragliche Beziehungen zu den Herren P. und W. auch als Vertreter der Fa. P. & W. unterhalten habe, könne nur geschlussfolgert werden, dass die Zahlungen der Fa. P. & W. als Gegenwert für Arbeitsleistungen des Klägers erbracht worden seien (5 x 3.600,00 € + 2.880,00 €). Das Gleiche gelte für den geldwerten Vorteil des der Ehefrau zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs für sechs Monate (6 x 370,00 €). Infolge der Einkünfte der Ehefrau des Klägers, die als Einkünfte des Klägers zu betrachten seien, ergebe sich ein zusätzliches auf die Karenzentschädigung anzurechnendes Einkommen in Höhe von insgesamt 23.100,00 €. Der dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Karenzentschädigung von 65.700,00 € seien gemäß § 74 c Abs. 1 HGB 10 % hinzuzurechnen. Hieraus ergebe sich ein Betrag in Höhe von 72.270,00 €, von dem das erzielte Einkommen (26.565,00 €) in Abzug zu bringen sei. Es verbleibe ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung in Höhe von 45.705,00 €. Randnummer 30 Die Widerklage der Beklagten sei unzulässig. Nachdem der Kläger Auskunft über seine Einkünfte erteilt und die Richtigkeit dieser Auskünfte an Eides statt versichert habe, fehle der Widerklage das Rechtsschutzbedürfnis. Die mit der Widerklage beanspruchten weiteren Auskünfte und Unterlagen seien durchgehend darauf gerichtet, erst weitere Einkünfte zu ermitteln, die möglicherweise den Anspruch auf Karenzentschädigung mindern würden. Die verlangten Auskünfte stellten mithin Vorbereitungshandlungen dar, für die in diesem Zahlungsrechtsstreit kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Ungeachtet dessen sei die Widerklage aber auch unbegründet. Wäre der Kläger verpflichtet, die streitigen Auskünfte zu erteilen, würde die Beklagte einen umfassenden Einblick in seine Geschäftstätigkeiten erlangen. Dies kann von einem unmittelbaren Konkurrenten nicht verlangt werden. Insoweit gehe die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der Auskunftsverpflichtung vor. Randnummer 31 Gegen das ihm am 08.02.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.02.2017 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 28.02.2017 begründet. Die Beklagte ihrerseits hat gegen das ihr am 12.02.2017 zugestellte Urteil am 05.03.2017 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 04.04.2017 begründet. Randnummer 32 Der Kläger wendet ein, Randnummer 33 dass das Arbeitsgericht zu Unrecht das Einkommen seiner Ehefrau auf die Karenzentschädigung angerechnet habe. Das Arbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass seine Ehefrau nur deshalb keine Arbeit für die Fa. P. & W. habe verrichten können, weil ihr Arbeitgeber es nicht geschafft habe, ihr einen funktionsfähigen Heimarbeitsplatz einzurichten, insbesondere eine Verbindung zum Server des Unternehmens herzustellen. Es sei nicht richtig, dass er den Firmenwagen seiner Frau alleine genutzt habe. Ausweislich des zwischen seiner Frau und der Fa. P. & W. geschlossenen Nutzungsvertrages sei er befugt gewesen, das Dienstfahrzeug auch zu nutzen. Zudem habe das Arbeitsgericht unzulässigerweise unterstellt, er habe 2013 vertragliche Beziehungen zu Herrn W. und der Fa. P. & W. gehabt. Er habe als Rentenberater nur vertragliche Beziehungen zu Herrn Dr. P. in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zur gemeinsamen Bearbeitung von Mandanten gehabt. Soweit er 2013 als Rentenberater auch Kunden der Fa. a. GmbH vertreten habe, seien dadurch keine vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und der Fa. a. begründet worden. Dies ergebe sich bereits aus seinem von der Beklagten eingereichten Schreiben vom 03.10.2014, mit welchem er erstmals der Fa. a. zu schließende Honorarvereinbarungen vorgelegt habe (Bl. 335 ff. d. A.). Dies folge schließlich auch aus dem Schreiben der Fa. a. vom 27.07.2014, mit welchem diese seine Honorarforderung vom 15.05.2014 zurückgewiesen habe. Die Beweiserhebung sei als reiner Ausforschungsbeweis unzulässig gewesen. Die Beklagte habe in keiner Weise substantiiert vorgetragen, welche Arbeitsleistung er wem gegenüber hätte erbringen sollen, die durch die Gehaltszahlungen an seine Ehefrau hätten vergütet werden sollen oder können. Ungeachtet dessen habe auch die Beweisaufnahme nichts für die Behauptung ergeben, dass und welche Tätigkeiten er konkret wem geschuldet habe. Das Arbeitsgericht habe sich mit dem Inhalt seines Schriftsatzes vom 07.03.2016, mit welchem er zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgetragen habe, weder rechtlich noch tatsächlich auseinandergesetzt. Insbesondere habe es offen gelassen, welche durch was bewiesenen Tatsachen die Annahme rechtfertigen sollen, dass es zwischen dem Kläger und wem auch immer eine Verrechnungsabrede wegen des Gehalts seiner Frau zur Vergütung welcher, wem auch immer geschuldeten Tätigkeit des Klägers gegeben habe. Randnummer 34 Der Kläger beantragt, Randnummer 35 die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 26.01.2017, Az. 2 Ca 1293 a/14, zu verurteilen, an ihn weitere 19.995,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.10.2014 zu zahlen. Randnummer 36 Die Beklagte beantragt, Randnummer 37 1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen; Randnummer 38 2. das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 26.01.2017, Az. 2 Ca 1293 a/14, abzuändern und Randnummer 39 a) die Klage in vollem Umfang abzuweisen; Randnummer 40 b) widerklagend den Kläger zu verurteilen, die Gewinn- und Verlustrechnung betreffend seine selbständige Erwerbstätigkeit im Kalenderjahr 2013 vorzulegen; Randnummer 41 c) widerklagend den Kläger zu verurteilen, in Bezug auf die Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Kalenderjahr 2013 ergänzend Auskunft zu erteilen, Randnummer 42 - in welcher Höhe er für seine Leistungen als selbständiger Rentenberater Rechnungen gelegt hat, Randnummer 43 - welche Personalaufwendungen für angestellte Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter er hatte, insbesondere einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, den Arbeitnehmern gewährte geldwerte Vorteile, Randnummer 44 - über die Aufwendungen für elektronische Datenverarbeitung, insbesondere: Aufwendungen der elektronischen Datenverarbeitung, der Telekommunikation und ähnliche Aufwendungen, soweit sie seiner selbständigen Erwerbstätigkeit im Kalenderjahr 2013 zuzurechnen sind, Randnummer 45 - die Aufwendungen für Büroräume, insbesondere Mietaufwendungen, Kostenbelastungen bei Nutzung auch privat genutzter Räumlichkeiten, Heizung, Betriebskosten, Aufwendungen für das Mobiliar, Betriebs- und Geschäftsausstattung, laufende Unterhaltung der Büroräumlichkeiten; Randnummer 46 - sonstige Sachaufwendungen, insbesondere Kosten für die Nutzung eines Kraftfahrzeugs, Reisekosten, Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, Haftpflichtversicherung und Fortbildungsaufwendungen, Büromaterial, Fachbücher, Literatur, Telefon, Porto, Bewirtungsaufwendungen, Geschenke, Aufwendungen für Werbeaufwendungen. Randnummer 47 Der Kläger beantragt, Randnummer 48 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Randnummer 49 Die Beklagte trägt vor, Randnummer 50 die Anstellung der Ehefrau des Klägers sei von der Fa. a. nur zum Schein erfolgt. Eine tatsächliche Arbeit sei nie beabsichtigt gewesen. Vielmehr hätten der Kläger und die Gesellschafter der Fa. a. vereinbart, dass er für seine Tätigkeiten eine Vergütung erhalten sollte. Weil die Vergütung aber wegen des vereinbarten Wettbewerbsverbots nicht direkt an den Kläger habe fließen dürfen, sei der Umweg einer Zahlung über dessen Ehefrau gewählt worden. Dies hätten beide Zeugen übereinstimmend so bekundet. Hierfür spreche auch, dass die Ehefrau des Klägers Gesellschafterin der Fa. a. geworden sei und deren Gesellschaftsanteil lediglich treuhänderisch von dem Zeugen P. gehalten worden sei. Hierdurch sollte die Gesellschafterstellung des Klägers verschleiert werden. Es sei von vornherein geplant gewesen, dass der Kläger Gesellschafter der Fa. a. werden sollte. Deren Businessplan beruhte auf den Kenntnissen des Klägers. Anstelle einer direkten Beteiligung des Klägers sei eine Beteiligung der Ehefrau des Klägers gewählt worden, da der Kläger einem Wettbewerbsverbot unterlag. Die Umgehung ergebe sich auch daraus, dass im Treuhandvertrag die Rückübertragung des Geschäftsanteils an die Ehefrau des Klägers bzw. den Kläger zum 31.12.2013 enthalte. Die tatsächliche Gesellschafterstellung habe der Kläger innegehabt. Dies habe der Zeuge W. so auch bestätigt. Es habe zwischen der Fa. a. und dem Kläger auch Honorarvereinbarungen gegeben (Anlage B13, 5 Sa 472/15 ). Diese hätten korrespondiert mit Geschäftsbesorgungsverträgen, die diverse Sportler mit der Fa. a. abgeschlossen hätten. Es habe auch kein Heimarbeitsplatz für die Ehefrau des Klägers eingerichtet werden sollen. Vielmehr habe ein Mitarbeiter der Fa. P. & W., der Zeuge K., erfolgreich für den Kläger eine Verbindung zum Server der Fa. a. bzw. der Fa. P. & W.. Auch das Dienstfahrzeug sei Teil der Vergütung des Klägers gewesen. Es sei auch kein Grund ersichtlich, warum die Ehefrau des Klägers für die Ausübung der vermeintlich geschuldeten Heimarbeit ein Dienstfahrzeug benötigt hätte. Es stehe fest, dass es eine gesellschaftsvertragliche Verbindung zwischen der Fa. a. und dem Kläger gegeben habe. Der Kläger habe mit den Gesellschaftern der Fa. a. mündlich die Modalitäten der Kooperation ausgehandelt. Dies hätten die Zeugen P. und W. in ihren Aussagen bestätigt. Dass diese durch ein Treuhandmodell mit dessen Ehefrau verdeckt worden sei, ändere hieran nichts. Letztlich habe der Kläger eine solche Kooperation auch in der Berufungsbegründung selbst eingeräumt. Randnummer 51 Die Widerklage sei zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sie ein Rechtsschutzbedürfnis an den geforderten weiteren Auskünften. Der Kläger habe offenbar eine falsche Erklärung zu seinen eigenen Einkünften im Jahr 2013 abgegeben und diese zudem durch Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung versichert. Die Strafandrohung habe hier nicht bewirkt, dass der Kläger eine wahrheitsgemäße Erklärung abgibt. Auch diesbezüglich habe die Beklagte gegen den Kläger Strafanzeige erhoben. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren ruhe derzeit (545 Js 5279/15). Die Vorlage des Einkommensbescheides sei unzureichend. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Kläger keine wahrheitsgemäße Auskunft erteilt habe und hierzu auch nicht gewillt sei, stehe ihr ein weiterer Anspruch auf Auskunftsergänzung zu. Hierzu bedürfe es keiner neueren oder weiteren Tatsachen. Nach der neueren Rechtsprechung genüge nicht einmal die Vorlage einer Gewinn- und Verlustrechnung. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass vorliegend nicht das steuerrechtliche Zuflussprinzip gelte, sondern das Anspruchsprinzip. Dies ergebe sich schon daraus, dass sich der Arbeitnehmer auch den böswillig unterlassenen Erwerb anrechnen lassen müsse. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten könnten auch nicht dazu führen, die auf die Karenzentschädigung anzurechnenden Einkünfte auf Null zu reduzieren. Wer ein Scheinarbeitsverhältnis für die eigene Ehefrau „gestalte“, um eigene Einkünfte zu verschleiern, habe jeden Vertrauensvorschuss mit Blick auf andere Gestaltungsmöglichkeiten verspielt. Randnummer 52 Der Kläger erwidert, Randnummer 53 der rechtshängigen Widerklage stehe die Rechtskraft des Teilurteils vom 16.04.2014, 2 Ca 74 d/13, entgegen. Die Widerklage sei deshalb unzulässig. Zudem sei der ausgeurteilte Auskunftsanspruch nebst Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erfüllt. Im Übrigen fehle es an einer Anspruchsgrundlage für die Abgabe einer ergänzenden Auskunft. Ungeachtet dessen unterliege er ebenso wie Rechtsanwälte und Steuerberater der Verschwiegenheitspflicht. Schon aus diesem Grund könne er gar nicht allumfassend Einblick in seine Geschäftstätigkeit geben. Auskünfte darüber, an welche Mandanten welche Rechnungen gestellt worden seien, unterlägen der Verschwiegenheitspflicht. Vorliegend genüge zum Nachweis anderweitigen Verdienstes die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides. Der Kläger bestreitet, dass es Honorarvereinbarungen mit der Fa. a. für die Vertretung von deren Mandanten gegeben habe. Aus der Anlage B 13 ergebe sich nur, dass er der Fa. a. Angebote auf Abschluss entsprechender Honorarvereinbarungen unterbreitet habe. Diese habe die Fa. a. aber nicht angenommen. Gegenteiliges habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Er habe keine Vergütungen von der Fa. a. erhalten. Ungeachtet dessen übersehe die Beklagte, dass er bereits während seines Arbeitsverhältnisses mit ihr einer Nebentätigkeit als freier Rentenberater habe nachgehen dürfen. Nicht anrechenbar seien solche Einnahmen aus der Auswertung der Arbeitskraft, die er infolge der erlaubten Nebentätigkeit auch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erzielt habe. Randnummer 54 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer Berufungsschriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 15.03.2018 verwiesen.
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 26.01.2017, Az.: 2 Ca 1293 a/14, werden zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. 3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
Rheinland-Pfalz
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09.03.2015
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung mit Bescheid der Beklagten vom 2. November 2012 zu einer Vorausleistung auf wiederkehrende Ausbaubeiträge für das Jahr 2012 in Höhe von 54,90 €. Randnummer 2 Während die Beklagte in ihrem Ortsteil Z. Einmalbeiträge zur Refinanzierung von Straßenausbauaufwendungen vorsieht, erhebt sie aufgrund ihrer Satzung vom 20. September 2012 im Ortsteil H. wiederkehrende Ausbaubeiträge. Dabei wird der Beitragssatz nach dem Durchschnitt der im Zeitraum von fünf Jahren zu erwartenden Investitionsaufwendungen ermittelt. Der Gemeindeanteil ist auf 35 v.H. festgesetzt. Randnummer 3 Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich zu Eigen macht. Randnummer 4 Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht stattgegeben hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ausbaubeitragssatzung sei als zu unbestimmt zu beanstanden, weil die zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen gehörenden Verkehrsanlagen weder in textlicher noch in zeichnerischer Form im Einzelnen bezeichnet worden seien. Inhaltlich sei die Satzung nichtig, weil nach den anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstäben mehrere einheitliche öffentliche Einrichtungen von Anbaustraßen hätten gebildet werden müssen. Denn die Bundesstraße 54 habe ebenso wie die Bahntrasse trennende Wirkung, die es jedenfalls verbiete, das im Süden der Ortslage von H. gelegene Neubaugebiet in die gebildete einheitliche öffentliche Einrichtung einzubeziehen. Randnummer 5 Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, ihre Ausbaubeitragssatzung genüge sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht den maßgeblichen Voraussetzungen. Die Ortslage von H., in der weniger als 3.000 Einwohner lebten, sei zusammenhängend bebaut und werde weder durch die allenfalls 6 m breite und zum Anbau bestimmte Ortsdurchfahrt der B 54 noch durch die stillgelegte, eingleisige Bahnlinie mit fünf Querungsmöglichkeiten getrennt. Auch die übrigen zur Klagebegründung vorgetragenen Einwände seien in der Sache nicht gerechtfertigt. Randnummer 6 Die Beklagte beantragt, Randnummer 7 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 30. September 2014 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Der Kläger beantragt, Randnummer 9 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 10 Er verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und bekräftigt seine Auffassung, die B 54 stelle sich als Zäsur dar, die die Ortslage von H. teile. Insbesondere das Neubaugebiet im Süden der Ortslage müsse als eine eigenständige öffentliche Einrichtung von Anbaustraßen konstituiert werden. Randnummer 11 Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte sowie den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2014 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz wird die Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz 4. Senat
Rheinland-Pfalz
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21.02.2013
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Randnummer 1 Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie zu einer Lerngemeinschaft. Randnummer 2 Die Klägerin ist seit 2010 mit Herrn W. K. verheiratet. Ursprünglich war sie mit Hauptwohnsitz in G., Z-Straße Hausnummer gemeldet. Am 13. August 2008 meldete sie ihren Hauptwohnsitz in die Wohnung ihres späteren Ehemanns nach Ludwigshafen, S-Straße Hausnummer um. In der Umzugsmeldung gab sie an, dass die bisherige Wohnung als Nebenwohnung beibehalten werde (Bl. 38 Rechtsbehelfsakte). Im Streitjahr war die Klägerin als „Operational Manager“ bei der Firma W mit Sitz in Heidelberg, M-Straße Hausnummer nichtselbständig beschäftigt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend. Dabei gab sie an, dass sie an 90 Tagen von der Wohnung in Ludwigshafen aus zur Arbeitsstätte gefahren sei und dass die einfache Entfernung hierbei 38 km betragen habe; an 135 Tagen sei sie von G aus zur Arbeitsstätte gefahren bei einer einfachen Entfernung von 59 km (Bl. 4 Rechtsbehelfsakte). Zudem machte sie Aufwendungen in Höhe von 1.380,- € für 50 Fahrten zu je 92 km zu einer Lerngemeinschaft geltend, die sie mit „Kommunikationsrunde in M“ (M = Ortsteil von R) bezeichnete (Bl. 5, 6 Rechtsbehelfsakte). Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 26. August 2010 auf, die geltend gemachten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu erläutern, da nach Angabe des Einwohnermeldeamts nur in der S-Straße eine Wohnung unterhalten werde. Er wies darauf hin, dass die einfache Entfernung zwischen dieser Wohnung und der Arbeitsstätte nur 21 km betrage und dass Fortbildungskosten ohne Nachweis oder Glaubhaftmachung nicht berücksichtigt werden könnten (Bl. 19 Rechtsbehelfsakte). Die Klägerin erwiderte, dass in G eine Zweitwohnung angemeldet sei. Da sie sich wegen der Wochenenden länger in Ludwigshafen aufhalte, müsse sie sich lt. Gesetz ihrer Kenntnis nach in Ludwigshafen anmelden. Das heiße aber nicht, dass sie sich nicht in ihrer Eigentumswohnung in G aufgehalten habe. Zwar möge eine Distanz von 21 km stimmen, hiermit sei aber wohl die geringste Entfernung gemeint. Der Weg durch die Innenstadt von Mannheim sei aber morgens auf Grund der Verkehrslage nicht zumutbar und extrem zeitaufwendig. Daher sei sie über die Autobahn gefahren, was zwar kilometermäßig länger, aber zeitmäßig kürzer sei. Bezüglich der Fortbildungskosten verwies sie auf ein Schreiben einer in R, K-Straße Hausnummer wohnhaften Frau W. vom 20. September 2010, in der diese bestätigte, dass sie mit der Klägerin eine Lerngemeinschaft bezüglich der Sprache Englisch pflege. Zu diesem Zweck träfen sie sich 2 mal pro Woche, abwechselnd in R und in Ludwigshafen, um die für den Beruf notwendigen Englischkenntnisse zu verbessern und zu erhalten (Bl. 21 Rechtsbehelfsakte). Randnummer 3 Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11. Oktober 2010 lediglich Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 2.565,- €; hierbei ging er von 225 Fahrten zu je 38 km einfacher Entfernung aus. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Lerngemeinschaft erkannte er nicht an. Im Erläuterungsteil des Bescheids führte er aus, dass nach dem Auszug des Einwohnermeldeamts nur eine Hauptwohnung in Ludwigshafen angemeldet sei und dass weitere Nebenwohnungen nicht vermerkt seien. Die Berücksichtigung von Aufwendungen für Lerngemeinschaften erforderten genauere Angaben wie z.B. das Datum und das konkrete Lernfach. Auch ein enger beruflicher Zusammenhang müsse zweifelsfrei erkennbar sein. Ein bloßes Schreiben des Lernpartners sei hierfür nicht ausreichend. Randnummer 4 Mit ihrem Einspruch verwies die Klägerin darauf, dass ein Zweitwohnsitz angemeldet sei. Sie fragte an, ob der Beklagte in Bezug auf die Lerngemeinschaft erwarte, dass sie die Daten aufschreibe, an denen sie in R gewesen sei. Ihr Beruf als Operational Manager bedinge, dass sie ihre Englischkenntnisse ständig verbessern müsse. Ihre Firma sei international tätig und habe mehrere Tochtergesellschaften im europäischen Ausland. Die Korrespondenz erfolge üblicherweise auf Englisch. In seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2010 forderte der Beklagte die Klägerin u.a. auf, darzulegen, von welchem Ort aus sie zu den Lerngemeinschaften gefahren sei (Wohnort oder Arbeitsstätte). Zudem solle die Klägerin Angaben zu Dauer und Lerninhalten der einzelnen Treffen machen und erläutern, ob Frau W. sprachlich und beruflich für eine private Lerngemeinschaft qualifiziert sei. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers beizubringen, aus der hervorgehen sollte, dass ihr beruflicher Einsatz im englischsprachigen Bereich liege und dass von Seiten ihres Arbeitgebers keine Sprachschulung angeboten oder gefördert werde. Zudem wies er darauf hin, dass die von der Klägerin angegebenen Fahrtstrecken nicht als verkehrsgünstiger als die kürzeste Straßenverbindung angesehen werden könnten und dass daher für die Fahrt von Ludwigshafen nach Heidelberg von einer Strecke von 21 km (an Stelle der beantragten 38 km) und für die Fahrt von G nach Heidelberg von einer Strecke von 46 km (an Stelle der beantragten 59 km) ausgegangen werden müsse. Zudem betrage die angegebene Strecke von G nach Heidelberg lt. Routenplaner nur 53 km. Randnummer 5 Die Klägerin führte in ihrem Antwortschreiben vom 24. November 2010 aus, dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung widerspreche, dass sie nicht von Heidelberg aus nach M gefahren sei, da sie ihre Arbeitsstätte wesentlich früher als die Treffen in M verlassen habe. Eine Rückfahrt nach G sei aber manchmal gegeben gewesen. Frau W. habe mit ihr studiert und den gleichen Ausbildungsstand (Dipl.-Betriebswirt). Es sei nicht der Fall, dass sie die gleichen fachspezifischen Englischkenntnisse benötigten. Es gehe um den Erhalt bzw. die Verbesserung der Sprach- und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse. Der konkrete Bezug zur beruflichen Tätigkeit sei gegeben. Um auch in Zukunft für den Arbeitsmarkt attraktiv zu sein, müsse man neue Erkenntnisse erwerben und alte festigen. Durch den Bezug der Themen zu den Berufsfeldern würden beide Teilnehmer der Lerngemeinschaft dazulernen. Aus dem in der Anlage beigefügten Arbeitszeugnis ergebe sich, dass ihr damaliger Vorgesetzter verstorben sei und dass sie daher keine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vorlegen könne. In der Firma W. seien weniger als 5 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter Hausmeister und Putzfrau. Sie habe im Jahr 2009 die Personaldinge bearbeitet. Den aktuellen Geschäftsführer kenne sie nicht, da sie derzeit in Elternzeit sei. Für die Lerngemeinschaft sei keine Literatur angeschafft worden. Sie hätten meist aktuelle Themen besprochen, entweder aus dem Berufsleben oder aus dem Internet oder aus Büchern (z.B. Grammatik). Bezüglich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führte die Klägerin aus, dass eine Fahrt durch den Stadtverkehr von Ludwigshafen und Mannheim in der morgendlichen und abendlichen Stoßzeit ca. 1 Stunde dauere, eine Fahrt über die Autobahn hingegen ca. 35 Minuten. Sie habe bei den Fahrten von Ludwigshafen nach Heidelberg teilweise längere Wege als die angegebenen 38 km gehabt, da sie teilweise über das Viernheimer Kreuz – Weinheimer Kreuz – Heidelberger Kreuz (Anm.: lt. Routenplaner Google-Maps ca. 49 km) gefahren sei. Für die Fahrten von G aus gelte, dass sie großenteils über die A 5, manchmal auch über die A 6 gefahren sei, je nach Verkehrssituation und Stau. Die im Routenplaner mit 46 km angegebene Strecke führe durch Dörfer. Daher würde sie die Behauptung aufstellen, dass die von ihr angegeben Strecke mit einer Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten verbunden gewesen sei. In der Anlage legte die Klägerin eine nach Daten geordnete Aufstellung von 50 Treffen zur Lerngemeinschaft in M vor, in der als Teilnehmer jeweils neben der Klägerin Frau W. benannt war. Die Zeitdauer wurde jeweils mit 1 Stunde oder mit 1 ½ Stunden angegeben; als Inhalte wurden wechselnde allgemeine Themen (z.B. „Silvester“, „Geschenkannahme“, „Altersteilzeit“, „Versicherungen“ oder „Schwangerenrechte“) oder „Grammatik“ angegeben (Bl. 35 Rechtsbehelfsakte). In dem Zwischenzeugnis vom 4. Mai 2010 wird angegeben, dass ihr Arbeitgeber eine Gesellschaft mit dem Schwerpunkt der Verwaltung ihrer Beteiligungsgesellschaften und Immobilien sei. Die Klägerin habe als Allrounder fungiert und die Ressorts Rechnungswesen, Verwaltung, Personal und EDV betreut. Auslandsbeziehungen des Arbeitsgebers und spezifische Sprachkenntnisse der Klägerin oder deren Erforderlichkeit werden nicht erwähnt. Auf den Inhalt des Zwischenzeugnisses (Bl. 36 – 37 Rechtsbehelfsakte) im Übrigen wird verwiesen. Randnummer 6 Der Beklagte wies mit Schreiben vom 14. Januar 2011 darauf hin, dass im Rahmen des Einspruchsverfahrens auch eine Änderung der Steuerfestsetzung zum Nachteil des Steuerpflichtigen erfolgen könne. Die Vielzahl der Treffen für die Lerngemeinschaften (2-mal wöchentlich ohne urlaubs- oder krankheitsbedingte Unterbrechungen) und die Tatsache, dass die andere Teilnehmerin eine Studienkollegin sei, spreche für eine private Mitveranlassung der Treffen. Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte könnten grundsätzlich nur von der Wohnung aus berücksichtigt werden, welche der Arbeitsstätte am nächsten liege, es sei denn, dass die weiter entfernt liegende Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilde. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass sich seit dem 13. August 2008 der Mittelpunkt der Lebensinteressen weiterhin in G befunden habe. Die Klägerin wurde aufgefordert, zum Nachweis der tatsächlichen Durchführung der Fahrten die Laufleistung ihres Fahrzeugs im Jahr 2009 nachzuweisen. Die Klägerin erwiderte, dass es eine Vielzahl von Treffen gegeben habe, aber nicht ohne urlaubsbedingte Unterbrechung im August und in der Weihnachtszeit. Es sei unerheblich, ob Frau W. eine Studienkollegin sei. Auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit liege auch eine Mutmaßung nahe, dass sie im Beruf ihre Sprachkenntnisse täglich benötigte und trainiere. Außerdem hätten sie sich auch über betriebswirtschaftliche Themen ausgetauscht. Sie sei gezwungen gewesen, ihren Wohnsitz da anzumelden, wo sie sich häufiger befinde; dies sei in Ludwigshafen gewesen. Nichtsdestotrotz habe sie sich mehrmals in der Woche in ihrer Eigentumswohnung in G aufgehalten, nicht zuletzt, um die Katze zu füttern, die Pflanzen zu gießen und den Briefkasten zu leeren. Wenn der Lebensmittelpunkt da sei, wo man eine feste Partnerschaft pflege, sei dies wohl in Ludwigshafen gewesen. Dies bedeute aber nicht, dass sie jeden Abend mit ihrem Partner in Ludwigshafen verbringen müsse und es bedeute auch nicht, dass sie nicht regelmäßig ihren Briefkasten in G geleert hätte. Ein Nachweis der tatsächlichen Durchführung der Fahrten müsse entfallen, da sie die Fahrten nicht zwingend mit ihrem eigenen Fahrzeug durchführen müsse und zudem ein Fahrzeugwechsel stattgefunden habe. Sie habe zeitweise das Auto ihres späteren Mannes genutzt und zeitweise ihr eigenes. Randnummer 7 In der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 höher auf 18.923,- € fest und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Bezüglich der Lerngemeinschaft führte der Beklagte aus, dass die Klägerin die tatsächliche Durchführung der erklärten Treffen nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht habe. Die Treffen hätten nicht stattgefunden, um eine Fortbildungsmaßnahme an einer allgemeinen Bildungsanstalt zu begleiten. Es sei nicht geklärt, in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich bei ihrer Berufsausübung Englischkenntnisse benötige. In jedem Fall sei davon auszugehen, dass die Klägerin auf Grund ihrer langjährigen Berufstätigkeit die englische Sprache ständig anwende. Es erscheine unwahrscheinlich, dass bei 50 (von insgesamt 100) Treffen allein an 14 Tagen die englische Grammatik behandelt worden sei. Soweit die Klägerin angebe, bei den Treffen seien auch betriebswirtschaftliche Themen behandelt worden – was in der Bestätigung von Frau W. nicht erwähnt worden sei –, erschienen in Anbetracht der beruflichen Qualifikation der Klägerin die behandelten Themen für eine betriebswirtschaftliche Fortbildung nicht geeignet. Die Themen bezögen sich nicht auf die aktuelle berufliche Tätigkeit, sondern seien aus dem Internet bzw. Büchern aus der Schulzeit aufgegriffen. Gegen die tatsächliche Durchführung der Treffen bzw. für deren private Mitveranlassung spräche auch die Häufigkeit der Treffen und der große zeitliche und finanzielle Aufwand für die Fahrten zu den Lerngemeinschaften bei 94 zurückgelegten Fahrtkilometern und einer reinen Lerndauer von 60 – 90 Minuten. Hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führte der Beklagte aus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Ort sei, zu dem die engeren persönlichen Bindungen bestünden. Die Darstellung der Klägerin, dass sie in G die Katze versorgt, Blumen gegossen und den Briefkasten geleert habe, sei für die Annahme, dass sich dort ihr Lebensmittelpunkt befunden habe, nicht ausreichend, besonders wenn man berücksichtige, dass sie in Ludwigshafen mindestens seit 13. August 2008 mit ihrem späteren Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Aufwendungen für Fahrten zwischen G und Heidelberg seien daher nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzugsfähig. Für die Bestimmung der Entfernung zwischen Wohnung (in Ludwigshafen) und Arbeitsstätte sei die kürzeste benutzbare Straßenverbindung maßgebend. Dabei könnten auch längere, zeitlich jedoch günstigere Verkehrsverbindungen Berücksichtigung finden. Die kürzeste nutzbare Straßenverbindung von der S-Straße Hausnummer in Ludwigshafen nach Heidelberg, M-Straße Hausnummer sei lt. Routenplaner „falk.de“ 19,45 km lang. Die schnellste Route werde vom selben Routenplaner mit 22,09 km berechnet. Sie führe über die Kurt-Schuhmacher-Brücke – B 36 – Parkring – B 38a – A 656 – L 597 – L 637, die Fahrtzeit sei mit 30 Minuten angegeben. Lt. Routenplaner Google-Maps sei die schnellste Straßenverbindung 21,7 km bei ebenfalls 30 Minuten Fahrtdauer. Das Benutzen dieser Strecke sei für die Klägerin nicht unzumutbar, insbesondere wenn man berücksichtige, dass die von der Klägerin favorisierte Strecke 38 km lang sei (lt. Google-Maps 39,7 km bei einer Fahrzeit von 36 Minuten) und somit zu einem Umweg von ca. 16 km, d.h. etwa 72% der kürzesten Strecke, führe. Dieser Umweg führe auch zu einem höheren Spritverbrauch. Tatsache sei, dass die angegebene Strecke durch die Mannheimer Innenstadt gerade in der morgendlichen Hauptverkehrszeit länger sein dürfte. Dies treffe aber auch auf die Strecke über die A 6 und das Viernheimer Kreuz zu. Auch hier komme es auf Grund des Berufsverkehrs und in Folge von Verkehrsbehinderungen durch Baustellen zu Verzögerungen. Abweichend von dem angegriffenen Einkommensteuerbescheid würden für die Berechnung der Entfernungspauschale 22 Entfernungskilometer zu Grunde gelegt. Die Klägerin sei auf diese Verböserungsmöglichkeit hingewiesen worden. Hinsichtlich des Inhalts der Einspruchsentscheidung im Übrigen wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 53 – 61 Rechtsbehelfsakte) verwiesen. Randnummer 8 Zur Begründung der Klage verweist der Klägervertreter auf den Schriftverkehr im außergerichtlichen Verfahren und führt ergänzend aus, dass Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte steuerlich abgesetzt werden könnten. Unerheblich sei, ob die Wohnung Erst- oder Zweitwohnsitz sei. Auch bei mehreren Wohnungen könnten sämtliche Fahrtaufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden. Die eigene Wohnung in G sei der örtliche Lebensmittelpunkt der Klägerin gewesen. Sie habe überwiegend dort gelebt. Auf das Motiv für die Wohnsitznahme am weiter entfernten Ort komme es nicht an; die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte sei unerheblich. Auch die Fahrten zwischen der Zweitwohnung in Ludwigshafen und der Arbeitsstätte seien in voller Höhe anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung müsse der Arbeitnehmer nicht die kürzeste Strecke wählen, er könne auch die verkehrsgünstigste (sicherste und erheblich störungsfreiere) nehmen. Die Fahrt zu den üblichen Berufsverkehrszeiten von Ludwigshafen über Mannheim / Innenstadt sei sehr störungsanfällig und stauträchtig, so dass die Klägerin einen Umweg nehme und die Staupunkte umfahre. Dies könne durch ein Sachverständigengutachten belegt werden. Die vom Beklagten herangezogenen Routenplaner seien nicht aussagekräftig, denn es seien die tatsächlichen Verhältnisse heranzuziehen. Hinsichtlich der Lerngemeinschaft führe der Beklagte zu Unrecht die Beweislastregel auf. Die Klägerin habe dargelegt, dass die Fahrten für eine Lerngemeinschaft erfolgt seien. Sie habe substantiiert dargelegt, dass die Lerngruppen beruflich veranlasst gewesen seien. Die Lerninhalte seien dargelegt worden. Der Beklagte ergehe sich in Spekulationen und Sachverhaltsinterpretationen. Bei substantiierter Darlegung obliege ihm der Beweis des Gegenteils. Die berufliche Veranlassung und die Inhalte der Lerngruppe könnten von Frau W. und deren Ehemann bestätigt werden. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11. Oktober 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2011 teilweise aufzuheben und die Einkommensteuer 2009 auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn weitere Werbungskosten in Höhe von 3.311,- € von den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit abgesetzt werden hilfsweise, die Revision zuzulassen. Randnummer 10 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Klägerin im Rahmen der Veranlagung mit Schreiben vom 21. September 2010 erklärt habe, dass die Meldung mit Hauptwohnsitz in Ludwigshafen zwingend gewesen sei, da sie sich wegen der Wochenenden länger in Ludwigshafen als in G aufgehalten habe. Soweit die Klägerin erkläre, sie habe durch die Benennung der Lerninhalte die berufliche Veranlassung der Treffen substantiiert dargelegt, sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die bei den Treffen behandelten Themen jeweils nur mit einem Stichwort benannt habe. Ein Zusammenhang der behandelten Themen mit der Berufstätigkeit der Klägerin sei nicht zu erkennen. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 17. November 2011 teilte der Beklagte mit, dass nach telephonischer Auskunft des Einwohnermeldeamts der Gemeinde G in G, Z-Straße Hausnummer , 3 Personen mit Nachnamen R. und 2 Personen mit Nachnamen P. gemeldet seien. Das Finanzamt B teilte auf telephonische Anfrage des Berichterstatters mit, dass Frau W. für das Jahr 2009 keine Fahrten zu einer Lerngemeinschaft als Werbungskosten geltend gemacht habe. Der Klägervertreter wurde mit Verfügung vom 24. November 2011 hierüber in Kenntnis gesetzt. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2012 erklärte er hierzu, dass die Ausführungen des Beklagten falsch seien. Das Haus in G sei im Jahr 2006 an die Klägerin und einen Herrn E. verkauft worden, im Jahr 2011 seien beide Wohnungen an Familie Reimer verkauft worden. Es sei unerheblich, ob Frau W. selbst Werbungskosten für Fahrten zu einer Lerngemeinschaft geltend gemacht habe. Randnummer 13 Am 14. April 2012 wies der Berichterstatter den Klägervertreter telephonisch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. November 2011 VI R 19/11 (BStBl II 2012, 520) hin sowie auf Unstimmigkeiten in den Angaben der Klägerin zu den Fahrtstrecken (Bl. 48 Prozessakte). Mit Schreiben vom 19. Juni 2012 machte der Klägervertreter konkrete Angaben zu den von der Klägerin genutzten Fahrtstrecken (Bl. 56 Prozessakte). Der Berichterstatter setzte dem Klägervertreter mit Verfügung vom 20. Juni 2012 eine bis zum 24. Juli 2012 bemessene Frist gem. § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Darstellung aller Fakten, die im Streitjahr 2009 dazu geführt hätten, dass die von der Klägerin gewählte Fahrtstrecke zu den Zeiten des täglichen Wegs zur bzw. von der Arbeitsstelle offensichtlich verkehrsgünstiger als die vom Beklagten zu Grunde gelegte Strecke gewesen sei (Bl. 49, 59 Prozessakte). Innerhalb der antragsgemäß verlängerten Frist erklärte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 24. August 2012 (Bl. 67 Prozessakte), dass die Klägerin morgens gegen 7:30 Uhr von Ludwigshafen nach Heidelberg und abends gegen 17:00 Uhr von Heidelberg nach Ludwigshafen gefahren sei; beide Fahrten hätten daher zur Hauptverkehrszeit stattgefunden. Die Klägerin habe die Strecke durch die Innenstadt nicht gewählt, da man von Ludwigshafen aus an der BASF vorbeifahre, was zu Hauptverkehrszeiten mit erheblicher Verkehrsdichte und längerer Fahrzeit verbunden sei. Der Verkehrsfluss über die Konrad-Adenauer-Brücke sei meist zäh. Bevor man nach Mannheim komme, stehe man an der ersten Ampel im Stau. Danach gebe es Stau vor einer Schule, darüber hinaus überquerten Kinder die Straße. Es würden mehrere Ampeln folgen, bevor man am Kaiser-Friedrich-Ring an der Hauptampel stehe. Der Verkehrsfluss zum Wasserturm und danach auf der Augustaanlage sei zähfließend gewesen. Darüber hinaus würden Müllabfuhr und Anlieferverkehr die Durchfahrt durch Mannheim behindern. Die von der Klägerin gewählte längere Strecke sei erheblich schneller und berge auch weniger Staus und Risiken. Zwar sei der Verkehr bei der Auffahrt von der B9 auf die A6 manches Mal etwas schwerfälliger, jedoch sei die Reststrecke nach Heidelberg überwiegend gut zu fahren gewesen. Der Beklagte erwiderte, dass der Ermittlungsbeamte des Finanzamts eine durch die Städte Ludwigshafen und Mannheim führende Straßenverbindung zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte der Klägerin abgefahren sei und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die von der Klägerin favorisierte Strecke nicht verkehrsgünstiger sei. In seinem Bericht vom 18. Oktober 2012 (Bl. 71 Prozessakte) stellte der Ermittlungsbeamte dar, dass er am 17. Oktober 2012 (einem Mittwoch) ab 7:30 eine vom Falk-Routenplaner (s. Bl. 72 f Prozessakte) vorgeschlagene Route durch die Städte Ludwigshafen und Mannheim gefahren sei. Für die Strecke habe er 36 Minuten gebraucht (lt. Routenplaner: 31 Minuten), obwohl eine Röhre des Fahrlachtunnels gesperrt gewesen sei. Bis auf einen kleinen Rückstau an der Kurt-Schumacher-Brücke habe es keine nennenswerten Verzögerungen gegeben. Die von der Klägerin angegebene Fahrstrecke über die A6 erscheine in Anbetracht des Fernverkehrs und der bekannten Dauerbaustelle keinesfalls verkehrsgünstiger. Berücksichtigen solle man auch, dass die von der Klägerin angegebene Strecke zu den üblichen Verkehrszeiten viel länger durch Ludwigshafen und insbesondere an der BASF vorbei führe als die von ihm, dem Ermittlungsbeamten, gewählte. Weiterhin solle auch das Verhältnis der unterschiedlichen Teilstrecken bei beiden Varianten berücksichtigt werden: 13 Kilometer bei der von ihm gefahrenen Strecke gegenüber 31 Kilometer bei der Strecke der Klägerin. Die letzten 9 Kilometer vom Autobahnkreuz Mannheim bis zur Arbeitsstelle der Klägerin seien gleich. Randnummer 14 Das Gericht forderte den Klägervertreter mit Verfügung vom 31. Oktober 2012 zur Stellungnahme auf und wies darauf hin, dass die verkehrstechnischen Vorzüge der von der Klägerin geltend gemachten Strecke bislang nur pauschal und keinesfalls nach den Verhältnissen des Jahres 2009 substantiiert dargestellt seien; die zeitlichen Vorteile seien weder dargestellt noch nachgewiesen (Bl. 76 Prozessakte). Mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 führte der Klägervertreter aus, dass die vom Ermittlungsbeamten am 17. Oktober 2012 durchgeführte Fahrt nichts über die Situation im Jahr 2009 aussage und auch nicht repräsentativ für die tägliche Fahrzeit und die verkehrsgünstigere Fahrtstrecke sei. Die Klägerin habe im Jahr 2009 die Fahrtstrecke über die Autobahn genommen, weil fast täglich Staus und Verkehrsstockungen durch die Innenstadt in Mannheim gewesen seien, wie durch eine Auskunft der Verkehrsbehörden und der Verkehrsüberwachung und ein Gutachten zu belegen sei. Ferner sei der längere Weg auf Grund der geringeren Anzahl von Staus, der besseren Streckenführung (weniger Kurven, gerade Straßenführung, weniger Unfallgefahren und besserer Verkehrsfluss) ökonomischer und ökologischer, Die Klägerin habe weniger Stress beim Autofahren und komme entspannter zur Arbeit (Beweis: medizinisches Gutachten). Die Klägerin spare Kraftstoff und Zeit. Auch seien auf der Strecke der Klägerin weniger Ampelschaltungen. Die Klägerin habe in 2009 keine täglichen Aufzeichnungen über die täglichen Verkehrsverhältnisse gemacht. Der Senat überspanne insoweit die Darlegungslast der Klägerin. Die längere Wegstrecke sei verkehrsgünstiger. Eine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten sei nicht erforderlich. Die Klägerin habe sich als verständiger und unvoreingenommener Verkehrsteilnehmer auf Grund ihrer täglichen Erfahrungen für die aus ihrer Sicht verkehrsgünstigere Strecke entschieden und diese täglich genutzt. Randnummer 15 Nachdem auf Grund telephonischer Recherchen festgestellt worden war, dass bei den Verkehrsredaktionen des regionalen Rundfunksenders SWR keine Daten über Verkehrsmeldungen des Jahres 2009 mehr gespeichert waren (s. Bl. 80 Prozessakte), forderte das Gericht mit Verfügungen vom 12. und 13. Dezember 2012 das Ministerium des Inneren, für Sport und Verkehr – Landesmeldestelle – Rheinland-Pfalz (s. Bl. 81 – 83 Prozessakte), die Stadtverwaltung Ludwigshafen (s. Bl. 85 – 90 Prozessakte), das Innenministerium – Landesmeldestelle – Baden-Württemberg (s. Bl. 91 – 97 Prozessakte) und die Stadtverwaltung Mannheim (s. Bl. 98 – 100, 112 - 114 Prozessakte) auf, Angaben über Verkehrsbeeinträchtigungen auf der von der Klägerin bezeichneten Strecke über die A6 – A656 einerseits und auf 2 Streckenführungen durch die Innenstädte von Ludwigshafen und Mannheim andererseits, jeweils im Jahr 2009 und zu den von der Klägerin angegebenen Tageszeiten der Fahrten zur bzw. von der Arbeit zu machen. Auf den konkreten Inhalt der Anfragen wird verwiesen. Die Stadtverwaltung Ludwigshafen teilte mit, dass die Fragen nicht beantwortet werden könnten, da sich die Baulast eines Teils der Straßen nicht in der Zuständigkeit der Stadt Ludwigshafen befinde. Es könne auch nicht nachvollzogen werden, ob bzw. welche Maßnahmen in 2009 in den genannten Strecken durchgeführt worden seien, da für diese Zeit keine Aufzeichnungen der Koordinierungsstelle vorhanden seien (Bl. 105 Prozessakte). Auf telephonische Nachfrage des Berichterstatters vom 14. Dezember 2012 erklärte Herr N., Tiefbauamt Ludwigshafen, dass nicht generell gesagt werden könne, welche Straßenverbindung stets besser zu befahren sei. Selbst kleine Verkehrsstörungen auf der L523 – B9 oder auf den Strecken Richtung Rheinbrücken hätten weite Auswirkungen. Es hänge stets davon ab, wo gerade eine Störung sei (Bl. 106 Prozessakte). Die Meldestelle des Innenministeriums Baden-Württemberg übersandte am 18. Dezember 2012 eine Excel-Tabelle „Auswertung_Finanzgericht_RP.xls“ (auf CD in Klarsichthülle Bl. 107a Prozessakte) und erklärte hierzu, dass in dieser Tabelle alle Meldungen für die zum Bereich dieser Meldestelle gehörenden Abschnitte der A6 – A656 sowie für die Bundesstraßen im Stadtgebiet Mannheim enthalten seien. Der Polizei würden nicht alle Behinderungen und Staus bekannt werden. Meldungen, die von Staumeldern oder Automobilclubs direkt an verschiedene Rundfunksender mitgeteilt worden seien, wären nicht enthalten (Bl. 107 Prozessakte). Die Stadtverwaltung Mannheim teilte mit Email vom 28. Dezember 2012 mit, dass im Jahr 2009 im Zeitraum 15. August – 16. Oktober auf der B36 von Ludwigshafen in Richtung Luisenring Brückensanierungsarbeiten durchgeführt worden seien, während dieser Arbeiten sei es zu Rückstaus auf der Kurt-Schuhmacher-Brücke gekommen. Vom 1. – 13. Juni und vom 26. Oktober – 4. November hätten Wartungsarbeiten im Fahrlachtunnel stattgefunden, es sei jeweils eine Fahrspur je Richtung gesperrt worden. Vom 17. August – 25. September seien Sanierungsarbeiten in der Ludwigshafener Straße gemacht worden, eine Fahrspur je Richtung sei gesperrt worden. Des weiteren habe es auf den angegebenen Strecken mehrere Arbeiten von kurzer Dauer gegeben, bei denen eine Fahrspur zu der verkehrsarmen Zeit zwischen 9:00 Uhr und 15:00 Uhr gesperrt worden sei (Bl. 115 Prozessakte). Die Landesmeldestelle Rheinland-Pfalz teilte mit, dass durch ein Software-Update keine Daten für 2009 mehr vorhanden seien (Bl. 119 Prozessakte). Randnummer 16 Den Beteiligten wurden die Anfragen des Gerichts, die Antworten der angeschriebenen Stellen, die von der Landesmeldestelle Baden-Württemberg übermittelte Excel-Tabelle und der Vermerk über das Telephonat mit Herrn N. zur Kenntnis- und eventuellen Stellungnahme übersandt. Das Gericht wies zugleich darauf hin, dass nicht beabsichtigt sei, weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen (Bl. 120, 121 Prozessakte). Randnummer 17 Mit Faxschreiben vom 4. Februar 2013 erklärte der Klägervertreter, dass die Klägerin auf Grund eigener Erkundigungen und Aufzeichnungen für das Jahr 2009 folgende Verkehrsstörungen auf der kürzesten Strecke durch Mannheim ermittelt habe: Randnummer 18 21. Januar, abends, 3 km Stau; 27. Januar, abends, 2 km Stau, 16. Februar, abends, 5 km Stau, 19. Februar, abends, 3 km Stau, 5. März, abends, 4 km Stau, 25. März, morgens, 4 km Stau, 30. März, abends, 2 km Stau, 31. März, morgens, 3 km Stau, 30. Juli, abends, 5 km Stau, 10. August, morgens, 3 km Stau. Außerdem seien noch am 9. Februar, 3. März, 20. Mai, 13., 16. und 20. Juli und am 19. November Verkehrsstörungen gewesen, die wegen Urlaub und beruflicher Abwesenheit auf sie keine Auswirkungen gehabt hätten. Somit gebe es für die Klägerin begründete Voraussetzungen, nicht direkt durch die Stadt zu fahren, sondern einen weiteren und weniger stauanfälligen Weg zu nehmen. Der Beklagte führte aus, dass auch nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen die von der Klägerin favorisierte Strecke nicht verkehrsgünstiger sei. Die Strecke durch Mannheim sei 22,33 km lang, die Fahrdauer betrage lt. Routenplaner 31 Minuten. Die Strecke über die A6 sei dagegen 39 km lang bei einer Fahrtdauer lt. Routenplaner von 37 Minuten. In den Hauptverkehrszeiten würden sich die Fahrzeiten wohl für beide Routen ändern. Nach der Aussage des Herrn N. könne nicht festgestellt werden, welche der beiden Strecken günstiger sei, da beide Strecken im Berufsverkehr sehr staugefährdet seien. Außerdem räume die Klägerin selbst ein, dass der Übergang von der B9 auf die A6 manches Mal „schwerfälliger“ sei. Durch die Stadtverwaltung Mannheim seien für 2009 vier Baumaßnahmen auf den vom Finanzamt zu Grunde gelegten Routen mitgeteilt worden. Zweimal sei eine Spur im Fahrlachtunnel gesperrt gewesen; dies sei aber auch der Fall gewesen, als der Ermittlungsbeamte diese Strecke abgefahren sei. Zwei weitere Maßnahmen hätten nur begrenzte Zeiträume betroffen, die erwähnten kleineren Baumaßnahmen hätten nicht zu Zeiten des Berufsverkehrs stattgefunden. Laut der vorliegenden Excel-Tabelle des Verkehrswarndienstes Baden-Württemberg seien auf der A6 im Jahr 2009 zu den Fahrzeiten der Klägerin Staus zwar selten gewesen (13 Mal im ersten Halbjahr), dennoch erscheine es insbesondere unter Berücksichtigung, dass die Umwegstrecke gemessen an der kürzesten Strecke ca. 75% betrage, nicht wahrscheinlich, dass die Strecke der Klägerin zu einer wesentlichen Fahrzeitersparnis geführt habe. Randnummer 19 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 36, 47 Prozessakte).
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Thüringer Landessozialgericht 6. Senat
Thüringen
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13.12.2011
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat. Randnummer 2 Die 1959 geborene Klägerin absolvierte von September 1976 bis Juli 1978 erfolgreich eine Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann. Danach war sie bis Mai 1991 als Sachbearbeiterin, von Mai 1991 bis August 1992 als Schuhverkäuferin und bis Dezember 1995 erneut als Sachbearbeiterin tätig. Von April 1996 bis September 1996 arbeitete sie als Schuhverkäuferin, von November 1996 bis März 2003 als Verkäuferin und Kassiererin bei „extra die Verbrauchermärkte der r., -SB Warenhaus GmbH“. Zu ihren Aufgaben gehörten laut Arbeitgeberauskunft vom 19. Juni 2006 Kassierung, Beratung, Warenpflege, -annahme und -beschaffung aus dem Lager, Disposition, fachkundige Beratung der Kunden sowie alle anderen Tätigkeiten nach einer mindestens dreimonatigen Einarbeitung. Die Entlohnung erfolgte in der Vergütungsgruppe K 2 nach dem 8. Berufsjahr nach dem im Einzelhandel geltenden Tarifvertrag. Beendet wurde das Arbeitsverhältnis wegen erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten. Von Juni bis September 2006 arbeitete sie als Telefonistin bei einer Versicherungsagentur und von Januar bis Juni 2008 als Kündigungsmanagerin bei einer Krankenkasse. Seit dem 26. Juni 2008 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Randnummer 3 Im Juni 2004 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog u.a. den Rehabilitationsentlassungsbericht der W. Reha-Klinik vom 24. März 2003 bei (Diagnosen: exogen-allergische Alveolitis, Polyathralgien, leichte Hypercholesterinämie; Leistungsbild: Ausübung der Tätigkeit als Verkäuferin sechs Stunden und mehr, leichte Tätigkeiten im temperaturstabilen Milieu ohne inhalativ-irritative Noxen sechs Stunden und mehr) und holte ein internistisches Gutachten des Dr. F. vom 16. Juli 2004 (Diagnosen: arterielle Hypertonie, Hypocholesterinämie, Zustand nach allergischer Alveolitis, asymptomatische Harnwegsinfektion, degeneratives Wirbelsäulensyndrom; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig unter Beachtung von Einschränkungen möglich) sowie ein orthopädisches Gutachten des Dr. Junker von 21. Juli 2004 (Diagnosen: polytope rezidivierende Arthritiden unklarer Genese, Sinusitis maxilaris beidseits, exogen allergische Alveolitis; Leistungsbild: Tätigkeit als Verkäuferin sechs Stunden und mehr, mittelschwere Arbeiten vollschichtig möglich) ein. Mit Bescheid vom 14. September 2004 lehnte sie eine Rentengewährung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2005). Randnummer 4 Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht (SG) u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen sowie Dr. K. mit der Erstellung eines internistischen und Dr. Dr. B. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Zusammenfassend führen die Sachverständigen unter dem 19. Oktober 2006 aus, unter Berücksichtigung der aktuellen gesundheitlichen Situation sei der Klägerin eine vollschichtige Einsetzbarkeit nur noch für körperlich leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen möglich. Im Einzelnen hat Dr. K. einen Zustand nach toxisch/exogen-allergischer Alveolitis (zurzeit ohne Beeinträchtigungen) im November 2001, eine allergische Disposition, Migräne, Spannungskopfschmerz, ein chronisches Schmerzsyndrom mit chronischem Lumbalsyndrom sowie Arthralgien im Bereich beider Daumengrundgelenke, eine essenzielle arterielle Hypertonie, einer hypertensive Herzerkrankung mit konzentrischer linksventrikulärer Hypertrophie, einen Zustand nach Hysterektomie sowie Ovarektomie bei Uterus myomastus genannt, Dr. Dr. B. "Angabe von rezidivierenden Halswirbelsäulen- und Nackenbeschwerden ohne röntgenmorphologisches Korrelat, chronisch-rezidivierende Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelsäulenfehlstatik mit linkskonvexer Skoliose des thorako-lumbalen Übergangs, Funktionseinschränkungen des rechten Hüftgelenkes ohne entsprechendes röntgenmorphologisches Korrelat, rezidivierende Beschwerden im Sinne einer Epicondylitis humeri radialis beidseits, Zustand nach Ringbandspaltung beidseits bei chronischer Tendovaginitis im Bereich des Daumens beidseits, chronische Sinusitis maxillaris, Migräne und Spannungskopfschmerz, Zustand nach Alveolitis, anamnestisch Aortenklappenstenose, anamnestisch Mitralklappeninsuffizienz". Randnummer 5 Das SG hat den Beteiligten berufskundliche Gutachten der Sachverständigen J. vom 2. Juli 2003, 18. Juli und 15. Dezember 2004 aus anderen beim Thüringer Landessozialgericht anhängigen Verfahren (Az.: L 2 RJ 705/01, L 2 RA 616/02 und L 6 R 544/03) u.a. zur Tätigkeit einer Registratorin und Poststellenmitarbeiterin zur Kenntnisnahme übersandt. Mit Urteil vom 1. Februar 2007 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht, weil die Klägerin nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen leichte Tätigkeiten vollschichtig mit Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) scheide aus, weil die Klägerin zumutbar auf die Tätigkeit Registratorin oder Poststellenmitarbeiterin verwiesen werden könne. Randnummer 6 Mit ihrer Berufung hat diese vorgetragen, es seien nicht alle vorliegenden Erkrankungen berücksichtigt worden. Die vom SG genannten Verweisungstätigkeiten existierten in dieser Form nicht mehr. Es werde nicht berücksichtigt, dass bei einer chronischen Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis) im Stadium der Akuterkrankung keine Arbeitsleistung möglich sei. Zwischenzeitlich habe sich eine chronische Knochenhautentzündung (Epicondylitis humero radialis) entwickelt. Auch das diagnostizierte Weichteilrheuma führe wegen der regelmäßig gleichmäßigen Arbeitsbelastung zur Arbeitsunfähigkeit. Im Übrigen leide sie alle vier bis acht Wochen unter Drehschwindel, der beim morgendlichen Aufstehen eintrete und regelmäßig erst nach zwei bis drei Tagen abklinge, weiterhin mindestens im Abstand von ein bis zwei Monaten unter Migräneanfällen, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit zwischen vier Stunden und zwei bis drei Tagen führten. Aufgrund ihrer Bauchverwachsungen müsse sie sich regelmäßig bewegen; rein sitzende Tätigkeiten führten zu akuten Verstopfungen. Diese könne sie nicht durch regelmäßige sportliche Tätigkeiten ausgleichen, da sie infolge ihrer chronische Bronchitis schon bei geringfügigen körperlichen Anstrengungen unter Atemnot leide. Wenn sie Viren oder Bakterien ausgesetzt sei, erkranke sie an akuter Nasennebenhöhlenentzündung oder Bronchitis. Ihre Erkrankungen ergäben sich auch aus dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - Dr. F. - vom 28. August 2009, dem Bericht des Dipl.-Med. P. vom 22. Oktober 2010, der gutachterlichen Stellungnahme der Gemeinschaftspraxis Erfurt Dr. R.-J., Dipl.-Med. J., Dipl.-Med. J. für die Deutsche Krankenversicherung AG vom 27. Oktober 2010 (Diagnosen: schwere depressive Episode oder psychotische Symptome, somatoforme Schmerzstörung, posttraumatische Belastungsstörung, arterielle Hypertonie). Randnummer 7 Die Klägerin beantragt, Randnummer 8 das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 1. Februar 2007 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides von 23. Februar 2005 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 11 Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Randnummer 12 Der Senat hat u.a. diverse Befundberichte mit Anlagen, eine ergänzende Stellungnahme des Dr. K. vom 29. Februar 2008 (aus den im Berufungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen ergibt sich keine Änderung des Restleistungsvermögens), ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. O. vom 24. Januar 2007 aus einem anderen Verfahren der Klägerin (Az.: S 4 SB 2875/04) sowie den Rehabilitationsentlassungsbericht der Dr. L. Klinik GmbH vom 25. September 2008 (Diagnosen: psychosomatisches Syndrom bei depressiver Störung, Fibromyalgie, allergische Alveolitis von 2001, arterielle Hypertonie; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr möglich) und den Entlassungsbericht der Rheumaklinik B.W.vom 7. Juli 2009 (Diagnosen: Fibromyalgiesyndrom, Anpassungsstörung, längere depressive Reaktion, craniomandibuläre Dysfunktion mit Tendomyopathien des Schulter-Nackengürtels und Dysbalancen, arterieller Hypertonus <medikamentös eingestellt>; Tätigkeit als Wirtschaftskauffrau sechs Stunden und mehr, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr) beigezogen und mehrere Gutachten eingeholt. Nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Dr. U. vom 8. Dezember 2009 sowie seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 20. Mai 2010 und 11. April 2011 leidet die Klägerin unter einer multiplen Somatisierungsstörung, einem L4/5 Syndrom und Bluthochdruck; sie könne aber mindestens sechs Stunden täglich leichte kurzzeitig auch mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere nervliche Belastung und ohne Zeitdruck ausüben. Der Facharzt für Allgemeinmedizin, physikalische und rehabilitative Medizin Dr. Sch.hat in seinem Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vom 5. Oktober 2010 u.a. folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: seelisches Leiden, umfangreiche Somatisierungsstörungen, Spannungskopfschmerz, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom im Stadium III nach Prof. Dr. G., echte Migräne, Bluthochdruck mit Herzschädigungsfolgen (hypertensive Herzkrankheit), Herzklappendefekt (mittelgradige Aortensklerose, Mitralinsuffizienz), wiederkehrende Stirn-/Nasennebenhöhlenentzündung, wiederkehrende Ellenbogengelenkentzündung (Tennis-Ellenbogen, Golf-Ellenbogen), operierte Veränderungen der Daumensehnen, wiederkehrende Bronchitis. Die Klägerin sei noch in der Lage, regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich mit Einschränkungen erwerbstätig zu sein, auch als Industriekauffrau und Registratorin, wobei ihre eingeschränkte Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit zu berücksichtigen sei. Das umfangreiche negative Leistungsbild sei wahrscheinlich erst ab Mitte /Ende 2009 anzunehmen. Unter dem 18. Januar 2011 hat der Sachverständige eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Dr. M.hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 31. August 2011 nach § 109 SGG angegeben, bei der Klägerin bestünden migränoide Kopfschmerzen, chronifizierte Depressionen mit Schmerzfehlentwicklung und Somatisierungsstörung (überwiegend funktionell körperlicher Symptome) sowie eine statische und körperliche Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule, insbesondere der Hals- und Lendenwirbelsäule. Aus nervenärztlicher Sicht müssten die früher gestellten Diagnosen bestätigt werden. Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten, zum Beispiel drei Stunden täglich, ausführen. Abschließend könne zusammenfassend eine einfache - unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen - Tätigkeit von drei bis maximal sechs Stunden täglich empfohlen werden. Randnummer 13 Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 1. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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SG Berlin 81. Kammer
Berlin
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31.05.2013
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Randnummer 1 Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass die von ihnen vertriebenen Arzneimittel nicht der Abschlagspflicht gemäß § 130a Abs. 3b SGB V unterliegen. Randnummer 2 Die Klägerinnen sind Pharmaunternehmen mit Sitz in G. und B., der Beklagte ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland. Randnummer 3 Die Klägerin zu 1) vertreibt das Insulinpräparat Hn.®. Aufgrund Lizenzvertrages ist es der Klägerin zu 2) gestattet, das Insulinpräparat unter dem Handelsnamen Bn.® ebenfalls in Deutschland zu vertreiben. Beide Präparate werden von konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin hergestellt und stammen aus einem einheitlichen Herstellungsvorgang; der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Zu Hn.® oder Bn.® werden in Deutschland keine Generika oder Biosimilars angeboten. Die Klägerinnen sind jeweils Zulassungsinhaberinnen für die Arzneimittel, es besteht seit mindestens 2006 kein Patentschutz mehr. Randnummer 4 Nachdem zum 1. April 2006 der sogenannte Generikaabschlag in § 130a Abs. 3b SGB V eingeführt wurde, kennzeichneten die Klägerinnen Hn.® oder Bn.® nicht als abschlagspflichtig. Als Ausnahme von der Abschlagspflicht gaben sie an, dass es sich um biologische und am Markt solitäre Arzneimittel handele. Im August 2008 veröffentlichten die Vorgängerverbände des Beklagten, die Spitzenverbände der Krankenkassen, einen "Leitfaden zur Definition des Generikaabschlags nach § 130a Abs. 3b SGB V" (i.F. Leitfaden) zur Umsetzung des Generikaabschlags. Die Spitzenverbände der Krankenkassen vertraten danach die Ansicht, die von den Klägerinnen vertriebenen Arzneimittel würden der Abschlagpflicht unterliegen. Zwischen den Beteiligten begannen rechtliche Auseinandersetzungen, in deren Folge die Klägerinnen Streitigkeiten mit den Apotheken und wirtschaftlichen Nachteile aufgrund eines Boykotts der Apotheker befürchteten. Sie entschlossen sich auch aufgrund des vom Beklagen ausgeübten Drucks – die Klägerin zu 1) im Juni 2009, die Klägerin zu 2) im März 2009 – die Kennzeichnung von Hn.® und Bn.® vorläufig dahingehend zu ändern, dass diese Arzneimittel als abschlagpflichtiges Arzneimittel behandelt werden. Sie meldeten der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (i.F. IFA GmbH) die Arzneimittel als abschlagspflichtig. Die IFA GmbH ist als Informationsdienstleister für den deutschen Pharmamarkt eine gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker. Danach führten die Klägerinnen rückwirkend seit Januar 2009 den Generikaabschlag für Hn.® und Bn.® ab. Zugleich zahlten sie rückständige Abschläge für die Zeit ab dem 1. Juli 2006 nach. Die Klägerin zu 1) zahlte für Hn.® für den Zeitraum April 2006 bis Dezember 2008 mehr als 5,4 Mio. EUR, für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2010 mehr als 2,8 Mio. EUR, die Klägerin zu 2) zahlte für die Zeit von Juni 2006 bis August 2010 für Bn.® Abschläge von mehr als 19,5 Mio. EUR. Randnummer 5 Die Klägerinnen sind weiter der Ansicht, dass Hn.® und Bn.® nicht als abschlagpflichtige Arzneimittel zu kennzeichnen sind und der so genannte Generikaabschlag nicht zu zahlen ist. Randnummer 6 Am 6. Mai 2010 erhob die Klägerin zu 1) Klage vor dem Sozialgericht Gießen, um das Nichtbestehen einer Abschlags- und Kennzeichnungspflicht feststellen zu lassen. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2010 verwies Sozialgericht Gießen unter Verweis auf § 57 Abs. 3 SGG den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin. Randnummer 7 Am 16. März 2011 erhob die Klägerin zu 2) vor dem Sozialgericht Berlin Klage. Mit Beschluss vom 31. August 2011 hat die Kammer die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Randnummer 8 Die Klägerin zu 1) vertreibt Hn.® in der Darbietungsform als Einweginjektionsgerät unter dem Handelsnamen Hn.® K.™. Ein vergleichbares, wirkstoffgleiches Produkt wird nicht vom konzernverbundenen Schwesterunternehmen, der Klägerin zu 2), oder einem dritten Unternehmen angeboten. Aus diesem Grund meldete die Klägerin zu 1) Hn.® K.™ zunächst als am Markt solitäres Arzneimittel, welches nicht der Abschlagspflicht unterfalle, änderte die Kennzeichnung jedoch nachfolgend ab Februar 2011 unter Vorbehalt dahingehend, dass eine Abschlagspflicht bestehe. Hn.® K.™ verfügt über eine eigene Zulassungsnummer und stellt nach Ansicht der Klägerin zu 1) eine andere Darreichungsform des Medikaments dar. Randnummer 9 Die Klägerinnen vertreiben ferner die Arzneimittel Hg.® und Lg.®. Dabei handelt es sich um Insulinanaloga. Auch diese beiden Präparate werden von konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin hergestellt und stammen aus einem einheitlichen Herstellungsvorgang; der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Im Unterschied zu Hn.® und Bn.® sind nicht die Klägerinnen jeweils Inhaberinnen der Zulassung. Vielmehr besteht für Hg.® und Lg.® eine europarechtliche Gemeinschaftszulassung, deren Inhaberin die niederländische Konzernmutter ist, die Klägerinnen treten als örtlicher Vertreter der Zulassungsinhaberin am deutschen Markt auf. Bis November 2010 bestand für Hg.® und Lg.® Patentschutz, weswegen die Arzneimittel – unstreitig – nicht dem so genannten Generikaabschlag unterfielen. Für die nachfolgende Zeit meldeten die Klägerinnen für Hg.® und Lg.®, dass die Arzneimittel nicht der Abschlagspflicht unterliegen. Nach einer Zurückweisung der Anmeldung durch die IFA GmbH und weiteren Auseinandersetzungen meldete die Klägerin zu 1) Hg.® ab Februar 2011 unter Vorbehalt als abschlagspflichtig an und zahlt seitdem den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V. Zu Hg.® oder Lg.® werden in Deutschland keine Generika oder Biosimilars angeboten. Randnummer 10 Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2011 erweiterte die Klägerin zu 1) ihre Klage dahingehend, dass auch die Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Hg.® und Hn.® K.™ begehrt wird. Mit Schriftsatz vom 23. April 2013 erweiterte auch die Klägerin zu 2) ihre Klage um den Antrag auf Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Lg.® Randnummer 11 Die parallel vertriebenen Arzneimittel Hn.® und Bn.® einerseits und Hg.® und Lg.® andererseits werden jeweils zu nahezu identischen Preisen am Markt angeboten, die Klägerin zu 2) vertreibt ihre Produkte nicht zur Erschließung eines günstigeren Marktsegmentes. Randnummer 12 Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die vom Gesetzgeber formulierten Voraussetzungen einer Abschlagpflicht auslegungsbedürftig seien, wovon auch die Beklagte – jedoch nur nicht für den Fall der Klägerinnen – ausgehe. Der Gesetzgeber habe einen Abschlag nur für patentfreie Originalarzneimittel und die zulassungsrechtlich bezugnehmenden Generika gewollt. Bei den Arzneimitteln der Klägerinnen handele es sich hingegen um zwei Originale. Die die Abschlagspflicht rechtfertigende Rabattpraxis gab es bei den Originalpräparaten der Klägerinnen nicht. Nach den Voraussetzungen im Leitfaden der Beklagten seien die Arzneimittel der Klägerinnen ebenfalls nicht abschlagspflichtig; Biosimilars seien hierzu nicht auf dem Markt, ferner hätten die Medikamente eine solitäre Stellung. Die von der Beklagten formulierten Ausnahmen zur solitären Marktstellung bewirken eine Ungleichbehandlung von Co-Promotion – dem Inverkehrbringen unter gleichem Namen – und dem Co-Marketing – dem Inverkehrbringen des gleichen Produktes unter unterschiedlichen Marken. Zudem bestehe auch für Importarzneimittel zu Originalarzneimitteln keine Abschlagspflicht. Schließlich sei der Leitfaden nicht verbindlich. Randnummer 13 Bei Hn.® K.™ handele es sich um ein solitäres Arzneimittel, da diese Darreichungsform vom nur von der Klägerin zu 1) angeboten werde. Die Arzneimittel Hg.® und Lg.® würden schließlich schon deshalb nicht in der Antragspflicht unterliegen, da die Klägerinnen nicht pharmazeutischer Unternehmer im Sinne des Gesetzes seien. Der Begriff des pharmazeutischen Unternehmers sei nach dem Arzneimittelrecht zu verstehen, wonach der örtliche Vertreter nicht hafte. Wegen der Einzelheiten wird auf den umfangreichen Vortrag der Klägerinnen verwiesen. Randnummer 14 Die Klägerin zu 1) beantragt, Randnummer 15 1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ihre Verpflichtung zur Kennzeichnung von Hn.®, Hn.® K.™ und Hg.® gegenüber dem Beklagten der Sach- und Rechtslage entsprechend erfüllt hat, als sie Randnummer 16 a. Hn.® vom 1. April 2006 bis zum 31. Dezember 2008 sowie Randnummer 17 b. Hn.® K.™ und Hg.® vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Januar 2011 als Arzneimittel kennzeichnete, die nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegen, und dass sie nicht verpflichtet war, diese Kennzeichnung später dahin zu ändern, dass Hn.®, Hn.® K.™ und Hg.® der Generikaabschlagspflicht unterfallen. Randnummer 18 2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, Hn.® vom 1. Januar 2009 sowie Hn.® K.™ und Hg.® vom 1. Februar 2011 bis zum auf den Verkündungstermin folgenden Stichtag für eine Kennzeichnungsänderung als Arzneimittel zu kennzeichnen, das der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt. Randnummer 19 3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin berechtigt ist, gegenüber dem Beklagten Randnummer 20 a. das Arzneimittel Hn.® als Arzneimittel zu kennzeichnen, das nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt, solange nicht ein Arzneimittel auf dem Markt ist, für dessen Zulassung in gleichem Umfang auf die Zulassungsunterlagen von Hn.® oder Bn.® Bezug genommen wurde wie bei einem Generikum im Sinne von §§ 24a oder 24b Abs. 1 und Abs. 2 AMG; und/oder Randnummer 21 b. das Arzneimittel Hn.® K.™ als Arzneimittel zu kennzeichnen, das nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt, solange nicht ein Arzneimittel auf dem Markt ist, für dessen Zulassung in gleichem Umfang auf die Zulassungsunterlagen von Hn.® oder Bn.® Bezug genommen wurde wie bei einem Generikum im Sinne von §§ 24a oder 24b Abs. 1 und Abs. 2 AMG; und/oder Randnummer 22 c. das Arzneimittel Hg.® als Arzneimittel zu kennzeichnen, das nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SBG V unterliegt, solange nicht ein Arzneimittel auf dem Markt ist, für dessen Zulassung in gleichem Umfang auf die Zulassungsunterlagen von Hg.® oder Lg.® Bezug genommen wurde wie bei einem Generikum im Sinne von §§ 24a oder 24 b Abs. 1 und Abs. 2 AMG. Randnummer 23 Die Klägerin zu 2) beantragt, Randnummer 24 1. festzustellen, dass die Klägerin ihre Verpflichtung zur Kennzeichnung von Bn. gegenüber dem Beklagten der Sach- und Rechtslage entsprechen erfüllt hat, als sie Bn. seit dem 1. April 2006 zum 31. März 2009 als Arzneimittel kennzeichnete, das nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt; Randnummer 25 2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, Bn. vom 1. April 2009 bis zum auf den Verkündungstermin folgenden Stichtag für eine Kennzeichnungsänderung als Arzneimittel zu kennzeichnen, das der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt; Randnummer 26 3. festzustellen, dass die Klägerin ihre Verpflichtung zur Kennzeichnung von Lg. gegenüber dem Beklagten der Sach- und Rechtslage entsprechend erfüllt hat, als sie Lg. seit dem 1. April 2009 als Arzneimittel kennzeichnete, das nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegt; Randnummer 27 4. 4. festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, gegenüber dem Beklagten die Arzneimittel Bn. und Lg. als Arzneimittel zu kennzeichnen, die nicht der Generikaabschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V unterliegen. Randnummer 28 Der Beklagte beantragt, Randnummer 29 die Klagen abzuweisen. Randnummer 30 Er ist der Ansicht dass der von ihm herausgegebene Leitfaden verbindlich sei, da der Gesetzgeber ihm die Befugnis gegeben habe, das Nähere zu regeln. Daher stehe ihm auch ein Gestaltungsspielraum zu. Die von den Klägerinnen angebotenen und hier streitgegenständlichen Arzneimittel erfüllten die Voraussetzungen der Abschlagspflicht. Die Auffassung der Klägerinnen sei zu eng, da das Gesetz nicht nur Generika erfasse, sondern auch Lizenzarzneimittel. Nach dem Gesetzeszweck sollten Kostensenkungsmöglichkeiten in den Bereichen genutzt werden, die von einem Wettbewerb von Generika- oder Lizenzarzneimitteln geprägt sind. Zwar sei der Generikawettbewerb Schwerpunkt der Abschlagspflicht, jedoch gelte diese Regelung für alle Arzneimittel im Wettbewerb. Auch für Originalarzneimittel seien früher in der Regel keine Rabatte gewährt worden, trotzdem habe sich der Gesetzgeber entschieden, diese der Abschlagspflicht zu unterwerfen. Die im Leitfaden genannten Ausnahmen würden lediglich Arzneimittel von der Abschlagspflicht freistellen, bei denen keine Wettbewerbssituation bestehe. Randnummer 31 Bei Hn.® K.™ handele es sich um die identische Darreichungsform wie bei Hn.®, nämlich eine Injektionslösung. Maßgeblich für die Bestimmung, ob ein solitäres Arzneimittel vorliegt, sei die List of Standard Terms. Auch wenn die Klägerinnen nicht Zulassungsinhaber für Hg.® oder Lg.® sind, seien sie im Sinne von § 130a SGB V pharmazeutischer Unternehmer. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf den Akteninhalt verwiesen. Randnummer 32 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der Sitzungsniederschriften verwiesen, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen und Gegenstände der Beratungen waren.
Die Klagen werden abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1) und die Klägerin zu 2) zu je ein halb. Der Streitwert wird - jeweils auch für den Zeitraum vor der Verbindung - auf 2,5 Millionen € festgesetzt.
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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Zivilsenat Entscheidungsname: Plattformverbot bei Nahrungsergänzungsmitteln, Aloe2GO
Hamburg
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22.03.2018
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I. Randnummer 1 Die Klägerin, nimmt den Beklagten, ihren Vertriebspartner, auf der Grundlage u.a. ihrer Unternehmensrichtlinien auf Unterlassung der Bewerbung und des Vertriebs ihrer Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikprodukte auf der Internetplattform eBay in Anspruch. Randnummer 2 Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der weltweit agierenden C Inc. mit Sitz in D., USA. Sie vertreibt langjährig im Rahmen eines geschlossenen Vertriebssystems über den ausschließlichen Vertriebsweg des Network Marketings sowie ergänzend über das Internet deutschlandweit Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika, Fitnessgetränke sowie Körperpflegeprodukte. Die Klägerin bezeichnet sich als Vorreiterin für die Nutzbarmachung der Aloe Vera Pflanze als Inhaltsstoff ihrer Produkte. Sie betreibt einen hohen Marketingaufwand und erstellt fortlaufend eigene Marketingunterlagen und Produktaussagen, die sie ihren Vertriebspartnern zur Verfügung stellt. Sie erzielt einen jährlichen Umsatz von mehr als 50 Millionen €. Innerhalb ihres Segments hat sie im Bereich des Vertriebs von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten über den Vertriebsweg des Network Marketings einen Marktanteil von nicht mehr als 10 % in Deutschland. In dem allgemeinen Segment des Vertriebs von Nahrungsergänzungen, Sportgetränken und Kosmetikprodukten hat die Klägerin Marktanteile in Deutschland, die deutlich unter 10 % liegen. Randnummer 3 Der Beklagte ist Kaufmann und nach einer Schulung im Rahmen des Vertriebs des Network Marketings seit längerem Vertriebspartner der Klägerin. Randnummer 4 Die Klägerin verwendet im Vergleich zu den Produkten anderer Wettbewerber hochwertige Rohstoffe mit einem hohen Wirk- und Reinheitsgrad und entwickelt diese ständig weiter. Die Produkte werden auch von Spitzensportlern verwendet. Aufgrund der hohen Qualität ihrer Produkte sowie des guten Markenimages hatte sich die Klägerin für das Vertriebssystem des Network Marketing entschieden. In diesem Rahmen erlaubt die Klägerin ihren Vertriebspartnern ergänzend auch den Vertrieb und die Bewerbung ihrer Produkte über das Internet. Sie bietet ihren Vertriebspartnern gegen eine Gebühr von 9,90 €/mtl. die Möglichkeit zur Nutzung von Internetshops („Retail-Shops“) an, die von ihr fortlaufend betreut werden. Dort stellt sie regelmäßig die erforderlichen Produktupdates sowie Produktbroschüren und -aussagen bereit. Ziel des Vertriebssystems der Klägerin ist es, den Endkunden mittels geschulter Vertriebspartner im Rahmen einer persönlichen Beratung und Betreuung für den jeweiligen Anwendungsbedarf und abgestimmt auf die persönlichen Bedürfnisse (Alter, Geschlecht, sportliche Ausrichtung, Gewichtswunsch, Krankheiten und Allergien, Lifestyle) das richtige Produkt zu empfehlen. Dabei werden nicht nur die Anwendung und der Vorteil eines Produktes genau erläutert, sondern auch die körperlichen Entwicklungen und die hierdurch entstehenden geänderten Bedürfnisse der Endkunden fortlaufend begleitet. Randnummer 5 Die hochwertige Qualität der Produkte in Verbindung mit der persönlichen Beratung gestatten der Klägerin einen relativ hohen Preisgestaltungsspielraum. Demnach bietet sie beispielsweise das Nahrungsergänzungsmittel A...+ (Aminosäure L-Arginin plus Vitaminkomplex) für 67,50 € an, wohingegen andere Händler Arginin-Pulver-Produkte für Preise zwischen 13 € und 26 € anbieten (Anlagenkonvolut K 4). Randnummer 6 Nach Abschluss einer unternehmensinternen Bestandsaufnahme Anfang 2008 stellte die Klägerin fest, dass zu dieser Zeit im Internet, insbesondere auf der Handelsplattform eBay, anonymisierte, vertragswidrige und irreführenden oder unzulässige krankheitsbezogene Aussagen dazu führten, dass es bei den Endkunden zu einer Verbraucherverwirrung kam und ein wirtschaftliches Gefährdungspotenzial im mindestens siebenstelligen Euro-Bereich entstand. Ebenfalls in diesem Zeitraum wurden gegen die Klägerin aufgrund dieser unlauteren Werbemaßnahmen mehrere behördliche Maßnahmen nach dem LFGB eingeleitet, die zum Teil zu kurzfristigen Vertriebsverboten führten. Weiterhin urteilten mehrere Oberlandesgerichte in den Jahren 2007 und 2008, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 2 UWG für das unlautere Verhalten ihrer Vertriebspartner selbst einzustehen habe. Wegen der Vielzahl von Internetseiten ihrer Vertriebspartner und der damaligen eBay-Verkäufe entschied sich die Klägerin, den Vertrieb ihrer Waren über eBay vollständig zu verbieten. Randnummer 7 Hiernach regulierte die Klägerin auch den ergänzenden Internetvertrieb vertraglich. Namentlich gab sie für eine Tätigkeit als Vertriebspartner qualifizierte Auswahlkriterien vor. Ziffer 26.1 b) der Unternehmensrichtlinien (Anlage K 6) enthält folgende Regelung zu den Anforderungen an die Webseite des jeweiligen Vertriebspartners für den Vertrieb der Produkte: Randnummer 8 „b) Die Website soll den Endverbraucher durch entsprechende Hinweise oder Kontaktaufnahmemöglichkeiten dazu motivieren, sich im Rahmen von persönlichen Gesprächen von dem geschulten FBO beraten zu lassen, um auch bei dem Vertrieb über das Internet den A. Grundsatz des personenbezogenen Warenabsatzes zu wahren. Insbesondere sind auf der Website des Vertriebspartners neben seinem Namen die Adresse und die weiteren erforderlichen Kommunikationsdaten, über die ein persönliches Beratungsgespräch erfolgen kann, zu nennen.“ Randnummer 9 In Ziffer 26.1 c) der Richtlinien hat die Klägerin weiterhin vorgeschrieben: Randnummer 10 „c) [...] Die Website muss umfassende Informationen zu den Produkten von A. enthalten und das gesamte Produktsortiment von A. in gehobener Qualität abbilden.“ Randnummer 11 Durch die Ziffer 26.1 j) der Unternehmensrichtlinien hat die Klägerin den Vertrieb über eBay und vergleichbaren Plattformen ausgeschlossen: Randnummer 12 „j) Der Verkauf über eBay und vergleichbare Internethandelsplattformen genügt nach aktuellem Stand der Ausgestaltung dieser Formate und der dortigen Möglichkeit der Produktdarstellung nicht den für den Internetvertrieb geltenden hochwertigen vorgenannten A. Ansprüchen. Dies gilt umso mehr, als bei eBay und vergleichbaren Internetplattformen es nicht hinreichend möglich ist, die gesamte Produktpalette von A. in der gewünschten Qualität abzubilden und das für den A. Vertrieb immanente Merkmal der persönlichen Beratung einfließen zu lassen ebenso wie häufig die Anbieter bei eBay erst nach Durchführung der Bestellung identifizierbar sind, was ebenfalls nicht dem hohen Standard von A. genügen kann. Hinzu kommt, dass bei eBay in wirtschaftlich vernünftiger Weise nicht hinreichend zu kontrollieren ist, ob die Produktfotos und Werbeaussagen den offiziellen Werbeaussagen von A. entsprechen. Aus diesem Grund ist ein Vertrieb der A.-Produkte über eBay und vergleichbare Internethandelsplattformen daher derzeit nicht zulässig.“ Randnummer 13 Im Jahr 2014 ging die Klägerin nach Kenntniserlangung lückenlos gegen 37 Vertriebspartner vor, die versucht hatten, Waren der Klägerin über die Handelsplattform eBay abzusetzen. 2015 verfolgte die Klägerin 54 weitere solcher Fälle. Im August 2014 bot auch der Beklagte, der bei Vertragsschluss mit der Klägerin deren Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie deren Unternehmensrichtlinien ausdrücklich akzeptiert hatte, ohne Genehmigung der Klägerin auf der Handelsplattform eBay die Produkte FAB, A...+ Forever Active, HA, A. Aloe2GO, ALOE VERA GEL zum Verkauf an (Anlage K 7). Mit anwaltlichen Schreiben vom 21.08.2014 mahnte die Klägerin den Beklagten aufgrund dieses Verhaltens ab (Anlage K 8). Randnummer 14 Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten hinsichtlich des Vertriebs ihrer Waren auf der Internetplattform eBay gemäß § 86 HGB analog i.V.m. Ziffern 6.1 g), 26 der Unternehmensrichtlinien sowie i.V.m. Ziffer 2.6 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu. Darin liege keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung. Ihren Unternehmensrichtlinien lägen qualifizierte Auswahlkriterien zugrunde, die auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers und auf seine sachliche Ausstattung bezogen seien sowie einheitlich und diskriminierungsfrei angewandt würden. Ihr selektives Vertriebssystem unterfalle daher nicht der Regelung des § 1 GWB. Randnummer 15 Die Klägerin hat beantragt: Randnummer 16 1. Es wird dem Beklagten verboten, während des Bestehens des Vertriebsvertrages zwischen ihm und der Klägerin Nahrungsergänzungen und Kosmetikprodukte der Klägerin auf der Internethandelsplattform eBay zu bewerben und/oder zu vertreiben, Randnummer 17 wenn dies wie in Anlage K 7 dargestellt geschieht. Randnummer 18 2. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf. Randnummer 19 Der Beklagte hat beantragt: Randnummer 20 Die Klage wird abgewiesen. Randnummer 21 Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der geltend gemachte vertragliche Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht bestehe. Die Unternehmensrichtlinien der Klägerin verstießen gegen Art. 101 AEUV und § 1 GWB, da sie eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellten. Für ihn bestehe die Wettbewerbsbeschränkung insbesondere deswegen, weil ihm als kleinerem Händler keine gleichwertigen Handlungsalternativen zu Onlinehandelsplattformen wie eBay oder Amazon offen stünden und die Errichtung eines gleichwertigen Online-Shops erhebliche finanzielle und zeitliche Investitionen erfordere. Die Produkte der Klägerin rechtfertigten deren Vertrieb über ein selektives Vertriebssystem nicht. Sie seien nicht beratungsintensiv. Das in Ziffer 26.1 j) der Unternehmensrichtlinien enthaltene Verbot des Weiterverkaufs über eBay sei eine unzulässige Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4 c) der Vertikal-GVO. Die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung der Klägerin nach § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV lägen nicht vor. Randnummer 22 Mit Urteil vom 04.11.2016 hat das Landgericht, Kammer 15 für Handelssachen, den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf das Urteil wird - auch wegen der tatsächlichen Feststellungen in erster Instanz - verwiesen. Randnummer 23 Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Randnummer 24 Der Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei, soweit dort angenommen werde, dass sich das streitige Plattformverbot für die Internethandelsplattform eBay im Rahmen eines zulässigen selektiven Vertriebssystems bewege, nicht frei von Rechtsfehlern. Der vom Landgericht herangezogenen Entscheidung des OLG Frankfurt liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn jene Entscheidung habe den Vertrieb von Luxuswaren zum Gegenstand gehabt. Demgegenüber vertreibe die Klägerin zwar höherpreisige Produkte, nicht aber Luxuswaren. Ein selektives Vertriebssystem sei daneben nur bei technisch oder mechanisch anspruchsvollen hochwertigen Waren mit einer besonders langlebigen Produktnutzungsdauer als rechtmäßig anzuerkennen. Nehme man die Rechtsprechung des Landgerichtes als Maßstab, müssten für sämtliche Nahrungsergänzungsmittel, die in Deutschland vertrieben werden, selektive Vertriebssysteme als zulässig erkannt werden. Randnummer 25 Zudem sei ein vollständiges vertragliches eBay-Verbot auch nicht zu rechtfertigen. Vielmehr hätte die Klägerin Regelungen mit spezifischen Qualitätskriterien für einen Vertrieb von Produkten über die Handelsplattform eBay oder vergleichbaren Plattformen aufstellen können. Das Landgericht verkenne den erheblichen finanziellen Aufwand, den die Werbung im Internet nach sich ziehe. Der Beklagte habe dieses Wissen als gerichtsbekannt unterstellt. Selbst bei Nutzung eines Retail-Shops entstünden ihm für die Erzielung einer besseren Auffindbarkeit der von ihm angebotenen Waren im Internet noch weitere erhebliche Kosten. Das Landgericht habe die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs „Pierre-Fabre“ fehlerhaft bewertet. Der Europäische Gerichtshof habe mit dieser Entscheidung ein selektives Vertriebssystem für Kosmetika insgesamt für unzulässig erklärt. Randnummer 26 Der Beklagte beantragt: Randnummer 27 Die Klage wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburgs vom 04.11.2016 (Az. 315 O 396/15) abgewiesen. Randnummer 28 Die Klägerin beantragt: Randnummer 29 Das Urteil des Landgerichts Hamburg (Az. 315 O 396/15) vom 04.11.2016 wird unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten bestätigt. Randnummer 30 Sie verteidigt das angegriffene Urteil und vertritt insbesondere die Ansicht, dass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache „Pierre-Fabre“ nicht zu entnehmen sei, dass selektive Vertriebssysteme bei Kosmetikprodukten generell unzulässig seien.
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 04.11.2016 wird zurückgewiesen. 2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. 3. Das Urteil des Landgerichts und das Berufungsurteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des Landgerichts wegen des Verbotes zu Ziff. 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe € 34.000,00 und die Zwangsvollstreckung aus beiden Urteilen wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung wegen des Unterlassungsanspruches Sicherheit in Höhe von € 34.000,00 und wegen der Kosten im Übrigen Sicherheit Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
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Landessozialgericht Hamburg 3. Senat
Hamburg
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07.12.2021
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Randnummer 2 Die 1965 geborene Klägerin war zuletzt bis Dezember 2013 als Reinigungskraft in einer Bäckerei tätig. Am 29. Dezember 2013 erlitt sie einen linkshirnigen Mediainfarkt (Schlaganfall). Das Versorgungsamt hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen einer Restlähmung der Gliedmaßen rechts, einer psychischen Störung (Depressive Störung, Persönlichkeitsstörung) sowie einer Hirnschädigung mit Sprachstörung zuerkannt (Bescheid vom 15. September 2020). Die Pflegekasse gewährte ihr ab 1. Dezember 2015 Leistungen unter Berücksichtigung der Pflegestufe II und eines erhöhten Bedarfs an Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung (Bescheid vom 20. Januar 2016). Nach Angaben der Tochter gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. N. erhält sie mittlerweile Leistungen nach dem Pflegegrad 5. Randnummer 3 Im März 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten zunächst eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation. Nach Einholung aktueller Befundberichte der behandelnden Ärzte beauftragte die Beklagte den Facharzt für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. J. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser diagnostizierte nach Untersuchung der Klägerin unter dem 26. Mai 2014 einen Schlaganfall im Dezember 2013 ohne Folgeschäden, rezidivierende Kreuzschmerzen, einen operierten lumbalen Bandscheibenvorfall 2011 ohne Funktionseinschränkungen und einen medikamentös behandelten Bluthochdruck. Die bildgebende Diagnostik habe weitere ältere Schlaganfallereignisse gezeigt, die vermutlich stumm abgelaufen seien. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine sechs- und mehrstündige Leistungsfähigkeit. Gründe für eine medizinische Rehabilitation seien daher nicht gegeben. Randnummer 4 Am 11. September 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den sie mit vierfachem Schlaganfall, Depressionen, Krampfanfällen im Oberschenkel, Sprachstörungen, geistiger Unaufmerksamkeit, Kopfschmerzen, hohem Blutdruck und Schwindelgefühlen begründete. Randnummer 5 Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. November 2014 ab, da die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen für mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Randnummer 6 Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass zusätzlich eine rezidivierende, somatisierte schwergradige depressive Störung, derzeit mit einer schweren depressiven Episode, und eine Angststörung bestehe. Sie reichte hierzu weitere medizinische Unterlagen ein. Randnummer 7 Die Beklagte beauftragte daraufhin die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese führte in ihrem Gutachten vom 29. März 2016 nach Untersuchung der Klägerin aus, dass eine reguläre Begutachtung aufgrund des skurril wirkenden Ausdrucks- und Antwortverhaltens der Klägerin nicht möglich sei. Nahezu sämtliche Fragen aus unterschiedlichen Bereichen (Geburtsort, Zahl/Alter der Kinder, Heirat, berufliche Anamnese etc.) hätten scheinbar nicht beantwortet werden können. Das Antwortverhalten erscheine wenig glaubhaft und nicht nachvollziehbar. Es habe ein deutlich histrionisches Gesamtverhalten bestanden, bei jeder Frage seien die Augen weit aufgerissen, der Kopf verdreht oder in den Nacken gelegt, der Mund weit geöffnet worden. Es habe eine erhebliche zielführend und bewusstseinsnah erscheinende Beschwerdedarstellung im Rahmen eines Versorgungs- und Entpflichtungswunsches vorgelegen. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die laienhafte Auffassung einer schweren psychischen Erkrankung habe dargestellt werden sollen. Auf nervenärztlichem Gebiet könne man sich daher nicht von einem eingeschränkten Leistungsvermögen überzeugen. Randnummer 8 Sodann beauftragte die Beklagte erneut Dr. J. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte nach nochmaliger Untersuchung der Klägerin unter dem 28. April 2016 zu folgenden Diagnosen: Bizarre Verhaltensauffälligkeiten bei anzunehmender zielgerichteter Intention zur Erlangung von Sozialleistungen; Schlaganfall im Dezember 2013 ohne sichere Folgeerscheinungen; medikamentös behandelter Bluthochdruck. Eine Gesundheitsstörung, die einer mindestens sechsstündigen beruflichen Tätigkeit im Wege stehen würde, habe nicht festgestellt werden können. Randnummer 9 Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2016 zurück. Randnummer 10 Mit ihrer am 28. Juni 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin an ihrem Begehren festgehalten und vorgetragen, ihre gesundheitliche Situation habe sich weiter verschlechtert. Insbesondere bestehe eine schwere depressive Episode, die mit körperlichen Beschwerden einhergehe. Hinzu komme eine generalisierte Angststörung. Randnummer 11 Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte angefordert und weitere medizinische Unterlagen beigezogen. Es hat sodann den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Nervenheilkunde Dr. E. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat nach Untersuchung der Klägerin unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin in seinem Gutachten vom 8. Februar 2018 mitgeteilt, dass die Klägerin psychomotorisch äußerst unruhig und antriebsgesteigert gewesen sei. Sie habe leicht auffassungserschwert und in ihrer Konzentration und Merkfähigkeit gemindert gewirkt. Lebens- und Krankheitsdaten hätten häufig nur ungenau erinnert und zeitlich nicht exakt eingeordnet werden können. Fragen seien überaus wortreich und langatmig beantwortet worden. Mit Unterstützung der Dolmetscherin habe es aber bei der Exploration und den Untersuchungen keine Probleme gegeben. Die Klägerin habe überaus ängstlich und gespannt, dabei stimmungsmäßig gedrückt gewirkt. Auffällig seien neben einer Somatisierungstendenz ausgeprägte dissoziative Symptome, die zu Bewusstseinsverlust, Sensibilitäts- und Empfindungs-, aber auch zu Bewegungsstörungen geführt hätten. Der Sachverständige hat weiter darauf hingewiesen, dass die Untersuchungssituation streckenweise recht bizarr gewesen sei. Die Klägerin habe gestöhnt, gejammert, geächzt, geweint und geschrien. Sie habe immer wieder ihre rechte Hand auf den Oberschenkel der neben ihr sitzenden Dolmetscherin gelegt. Sie habe ferner immer wieder ihre Bluse nach oben angehoben, sodass ihr nackter Bauch zu sehen gewesen sei, oder den oberen Rand ihrer Bluse nach unten gezogen. Dazu habe sie berichtet, dass in diesen Bereichen Schmerzen seien. Psychopathologisch sei bei der Klägerin von einer schweren dissoziativen Störung mit depressiver Symptomatik und Somatisierungsneigung auf dem Boden einer organischen Hirnschädigung nach Mediainfarkt links im Dezember 2013 sowie mehreren kleinen Hirninfarkten auszugehen. Des Weiteren liege ein schmerzhaftes Lendenwirbelsäulensyndrom nach operativ versorgtem Bandscheibenvorfall L4/5 vor, fachfremd sei von einer arteriellen Hypertonie, einer Adipositas per magna und einer Hyperlipidämie auszugehen. Die Klägerin könne aufgrund ihres psychischen Zustandes keine irgendwie geartete Tätigkeit auch nur stundenweise ausüben. Aufgrund ihrer schweren dissoziativen Störung sei sie trotz zumutbarer Willensanspannung unfähig, Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Die festgestellten Einschränkungen bestünden seit Dezember 2013, also seit dem linksseitigen Mediainfarkt. Es gebe keine begründete Aussicht, dass die Einschränkungen wieder behoben würden. Randnummer 12 Die Beklagte hat gegen das Gutachten eingewandt, dass der Sachverständige die Verhaltensweisen der Klägerin nicht kritisch hinterfragt habe. Wie aus der Akte hervorgehe, seien diese Verhaltensweisen zielgerichtet eingesetzt, bewusstseinsnah und deutlich situationsbezogen. Insbesondere habe die Klägerin ähnliche Verhaltensweisen bei einem klinischen Aufenthalt im Marienkrankenhaus im Jahr 2016 nicht gezeigt. Ebenso habe der Sachverständige nicht berücksichtigt, dass das Erinnerungsvermögen der Klägerin sich offenbar deutlich gebessert habe, denn sie habe bei seiner Untersuchung plötzlich dezidierte, genaue Angaben gemacht. Die Verhaltensweisen der Klägerin beruhten auf dem Wunsch der Versorgung und Entpflichtung und seien einem psychiatrischen Erkrankungsbild nicht zuzuordnen. Randnummer 13 Dr. E. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. April 2018 ausgeführt, die von den Gutachtern der Beklagten geschilderten Verhaltensweisen deckten sich weitgehend mit den von ihm beschriebenen und seien in dem erhobenen psychischen Befund berücksichtigt worden. Dass die Klägerin diese Verhaltensweisen in einem klinischen Aufenthalt im Marienkrankenhaus 2016 nicht gezeigt habe, ergebe sich aus dem Entlassungsbericht nicht, denn dieser enthalte lediglich einen neurologischen und einen internistischen, jedoch keinen psychiatrischen Befund. Er könne auch nicht bestätigen, dass die Klägerin bei ihm plötzlich dezidierte Angaben habe machen können. Vielmehr habe er dargelegt, dass sie leicht auffassungserschwert gewirkt habe und ihre Konzentration und Merkfähigkeit gemindert sei, Lebens- und Krankheitsdaten hätten häufig nur ungenau erinnert und zeitlich nicht exakt eingeordnet werden können. Allerdings lasse es sich nicht ausschließen, dass es ihr im Laufe der Exploration, möglicherweise auch durch die anwesende Dolmetscherin, gelungen sei, zunehmend Vertrauen zu fassen. Der Einwand, dass die erhobenen psychopathologischen Befunde keiner psychiatrischen Erkrankung zuzuordnen seien, sei nicht nachvollziehbar, es sei denn, man messe einer schweren dissoziativen Störung mit depressiver Symptomatik und Somatisierungsstörung auf dem Boden einer organischen Hirnschädigung keinen Krankheitswert zu. Randnummer 14 Das Sozialgericht hat daraufhin die Beklagte mit Urteil vom 1. Oktober 2018 verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2014 zu gewähren. Es ist in den Entscheidungsgründen dem Gutachten von Dr. E. gefolgt und hat die hiergegen von der Beklagten vorgetragene Kritik zurückgewiesen. Es hat weiter darauf hingewiesen, dass die von dem Sachverständigen dargestellten Einschränkungen sich auch mit dem Eindruck deckten, den die Kammer in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin gewonnen habe. Randnummer 15 Die Beklagte hat gegen das ihr am 7. November 2018 zugestellte Urteil am 27. November 2018 Berufung eingelegt. Sie trägt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes vor, es bestünden nach wie vor überwiegende Zweifel an dem Vorliegen überhaupt einer psychiatrischen Erkrankung. Die gezeigten bizarren Verhaltensweisen seien keiner psychiatrischen Erkrankung zuzuordnen. Sie seien ebenso wie die „Gedächtnislücken“ der nahezu klassische Versuch von Laien, eine psychiatrische Erkrankung zu demonstrieren. Dies sei von Dr. E. in keinster Weise kritisch gewürdigt worden. In den vorliegenden Befund- und Entlassungsberichten werde ein derartig auffälliges Verhalten mit keinem Wort erwähnt. Insbesondere fielen auch die Diagnosen des ambulant behandelnden Psychiaters Dr. E1 (Zustand nach Hirninfarkt, Nervenläsion am Rücken, mittelgradige depressive Episode neben einer Dysthymia) deutlich milder aus. Von einer schweren dissoziativen Störung oder einer Somatisierungsstörung sei dort nichts zu lesen. Zusammenfassend sei festzuhaltend, dass die Versicherte ihr Verhalten genau in den Situationen zeige, in denen es konkret um die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit gehe. Darauf hinzuweisen sei auch, dass die Klägerin 2017 bei Dr. S. über fast 8 Minuten und bis zur 100 W-Stufe in der Lage gewesen sei, eine Ergometrie durchzuführen. Dies erfordere eine hohe Bereitschaft und Kooperation, die mit der von ihr dargebotenen Symptomatik und der angeblich maximalen Pflegebedürftigkeit nicht in Einklang zu bringen sei. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, Randnummer 17 das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Oktober 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Die Klägerin beantragt, Randnummer 19 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 20 Sie bezieht sich auf das Gutachten von Dr. E. und trägt vor, die Beklagte blende offenbar die bei ihr bestehende Hirnschädigung komplett aus. Sie habe seit 2013 mindestens zwei Schlaganfälle erlitten, bei denen es zu durch CT-Aufnahmen nachgewiesenen Hirnschäden gekommen sei. Aus den zahlreichen Krankenhausberichten ergebe sich, dass die Klägerin nicht nur aufgrund subjektiver Beschwerden notärztlich behandelt worden sei, sondern dass jeweils auch neurologische Ausfallerscheinungen festgestellt worden seien. Es treffe auch nicht zu, dass die Klägerin bei ihren behandelnden Ärzten keine auffälligen Verhaltensweisen gezeigt habe. Schließlich sei auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht sichtbar geworden, dass das Auftreten der Klägerin von starken und sich schnell abwechselnden Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit geprägt sei. So habe über kurze Phasen der Eindruck bestanden, dass sie der Verhandlung folgen und adäquat habe reagieren können. Dann wieder habe sie irritiert und desorientiert gewirkt und sei nicht in der Lage gewesen, das Geschehene einzuordnen und angemessen zu reagieren. Randnummer 21 Das Berufungsgericht hat weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Sodann ist der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt worden. Er hat in seinem Gutachten vom 14. November 2019 nach zweimaliger Untersuchung der Klägerin dargelegt, dass diese „2014“ (richtig: Ende 2013) einen linksseitigen Schlaganfall erlitten habe, wobei die neurologische Symptomatik bereits während des stationären Aufenthalts rückläufig gewesen sei. Die folgenden Jahre seien geprägt durch wiederholte stationäre Notaufnahmen aus der subjektiven Sorge eines Reinfarktes heraus, wobei die umfassende Diagnostik ein solches Geschehen bisher nicht habe bestätigen können. Der behandelnde Nervenarzt Dr. E1 habe seither von einer schwerwiegenden Einschränkung der exekutiven Hirnfunktionen berichtet. In der Untersuchungssituation habe sich die Kontaktaufnahme sehr schwierig gestaltet. Die Klägerin sei kaum in der Lage gewesen, sich in deutscher Sprache zu äußern. Nach Angaben der anwesenden Dolmetscherin habe sie aber auch in ihrer Muttersprache vollkommen durcheinander gewirkt. Sie habe immer wieder abseitige Stichworte aufgegriffen und diese detailreich, aber völlig losgelöst von der Thematik, ausgestaltet, wobei sich auch für die Dolmetscherin der jeweilige Sinnzusammenhang kaum erschlossen habe. Sie habe immer wieder ihre Stimme erhoben und versucht, durch Lautstärke ihren skurrilen Argumenten Nachdruck zu verleihen. Es sei kaum möglich gewesen, sie zur Ruhe zu bewegen. Erst nach mehreren Stunden gemeinsamen kräftezehrenden Mühens habe der Gutachter ihr klargemacht, dass er die Untersuchung abbrechen würde, wenn sie sich nicht augenblicklich ruhig und gesittet benehme. Dies habe Erfolg gezeigt. Die Klägerin habe zwar auch weiterhin ein sonderbares Verhalten gezeigt, indem sie, scheinbar in sich gekehrt, ziellos den Blick durch das Zimmer habe schweifen lassen, aber sie sei ab sofort ruhig gewesen. Sie habe immer wieder über Rückenschmerzen geklagt und sich zeitweilig erhoben und einige Schritte durch den Raum gemacht, um sich schließlich demonstrativ auf den Fußboden zu setzen mit der Bemerkung, so sei es am Entspanntesten. Ebenso plötzlich habe sie wieder den Stuhl aufgesucht. Bei der Befragung sei es letztendlich nicht möglich gewesen, aus ihren konfusen und widersprüchlichen Informations-Versatzstücken ein klares Bild über ihre persönlichen Lebensumstände oder ihre Krankheitsvorgeschichte zu erlangen. Sie habe die Namen ihrer Ärzte (außer Dr. E1) und auch die Namen der eingenommenen Medikamente nicht benennen können. Sie sei nicht in der Lage gewesen, sich auch nur im Ansatz eindeutig zu ihren Beschwerden zu äußern. Im Wesentlichen habe sie weit ausholend und redundant wiederholt, dass sie ständig müde sei und viel schlafen müsse. Es sei nicht gelungen, auch nur einen einigermaßen verstehbaren Eindruck von ihren Beschwerden und ihrer Tagesstruktur zu erlangen. Angesichts dessen verwundere es, wie Dr. E. einen vergleichsweise differenzierten Zugang zu ihr gefunden habe, wie sich aus seinen Ausführungen ergebe, die allerdings nicht konsistent und frei von Widersprüchen erschienen. So sei es bemerkenswert, dass Dr. E. eine detaillierte Anamnese niedergelegt habe, die aktuell nicht von der Klägerin zu erlangen sei. Damit kontrastiere aber der von Dr. E. dargelegte psychopathologische Befund, denn er habe sie als leicht auffassungserschwert und in ihrer Konzentration und Merkfähigkeit gemindert beschrieben und dargelegt, dass Lebens- und Krankheitsdaten häufig nur ungenau erinnert und zeitlich nicht exakt hätten eingeordnet werden können. Er selbst könne sich daher der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung von Dr. E. nicht anschließen. Es sei ihm aber aus eigener fachärztlicher Erkenntnis nicht möglich, zu einer abschließenden Klärung des Sachverhalts zu gelangen. Er halte es zwar nicht für gerechtfertigt, der Klägerin grobe Simulation zu unterstellen. Ebenso wenig gelinge es aber, die expressive Symptomatik einer fundierten Diagnosekategorie zuzuordnen. Das Verhalten der Klägerin hinterlasse allgemeine Ratlosigkeit, es sei ihm daher nicht möglich, das Beweisthema zu beantworten. Randnummer 22 Das Berufungsgericht hat sodann den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie sowie Sozialmedizin Dr. N. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 12. Juli 2021 nach Untersuchung der Klägerin unter Hinzuziehung einer Dolmetscherin zu folgenden Diagnosen gelangt: Hemiparese rechts und leichtes organisches Psychosyndrom nach multiplen zerebralen Infarkten sowie dokumentiertem Mediainfarkt links 12/2013; Dissoziative Störung mit aktenkundig dissoziativen Bewusstseinsstörungen sowie dissoziativen Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen; Depressive Episode, mittelgradig; Arterieller Bluthochdruck; Dyslipoproteinämie; Wirbelsäulenfehlhaltung, rezidivierende pseudoradikuläre Lumboischialgien nach operiertem lumbalem Bandscheibenvorfall. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, die Angaben der Klägerin seien trotz intensiver Bemühungen des Gutachters wiederholt inkonsistent, in sich widersprüchlich und vielfach sehr unpräzise geblieben. Sie sei in psychischer Hinsicht wach, zeitlich unscharf, zum Ort unscharf, zur eigenen Person aber hinlänglich orientiert gewesen. Die Hintergründe der Begutachtung hätten ihr mehrfach erläutert werden müssen, immer wieder sei sie situativ nicht scharf orientiert gewesen. Sie habe sich in der Untersuchungssituation auffällig verhalten. Ein Kontakt sei zwar herstellbar gewesen, die gestellten Fragen seien aber oft paralogisch, daneben redend beantwortet worden. Trotz insistierenden Nachfragens seien ihre Angaben oft widersprüchlich und vage geblieben. Konfrontiert mit den Widersprüchen sei es ihr nicht gelungen, diese aufzulösen. Sie habe larmoyant ihre Beschwerden geschildert, aber durchaus authentisch verzweifelt gewirkt. Ihr Konzentrationsvermögen sei offenkundig reduziert, es sei ihr im Verlauf zunehmend schwerer gefallen, sich auf das Gegenüber und die Untersuchungssituation einzustellen. Das Umstellvermögen sei viskös, sie habe psychomotorisch verlangsamt gewirkt, ihre Auffassungsgabe sei deutlich beeinträchtigt gewesen. Die Grundstimmung sei depressiv gefärbt und die Fähigkeit, Freude zu empfinden, klar reduziert gewesen. Es bestehe ein Interessenverlust einhergehend mit Gleichgültigkeit und pessimistisch-negativistischer Zukunftssicht. Von sozialen Kontakten außerhalb der Familie habe sie sich offenbar zurückgezogen, die Antriebslage sei reduziert. Formalgedanklich habe sie sprunghaft, manchmal beinahe ideenflüchtig gewirkt. Es sei ihr nicht gelungen, Wesentliches von Unwesentlichem zu differenzieren. Im inhaltlichen Denken hätten sich keine produktiv-psychotischen Denkstörungen gezeigt, Anhaltspunkte für halluzinatorische Fehlwahrnehmungen bestünden nicht. Die Klägerin habe mit kräftiger, zum Teil sehr lauter, gut modulierter und verständlich artikulierter Stimme gesprochen. Die Sprachfrequenz habe in der Untersuchungssituation immer wieder gewechselt, teilweise habe eine hohe Sprachfrequenz verknüpft mit großem Mitteilungsbedürfnis bestanden, teilweise eine eher bedächtige, langsame Sprachfrequenz, auch mit dem Eindruck leichter Wortfindungsstörungen verknüpft. Auf der Persönlichkeitsebene habe die Klägerin histrionisch geprägt gewirkt, unverkennbar sei ihre Neigung, Beschwerden zu verdeutlichen, wobei sich die Ausgestaltung der dissoziativ-histrionischen Symptomatik einer Willenssteuerung entziehe. Zweifelsfrei habe sie vor dem Hintergrund multipler zerebrovaskulärer (die Blutgefäße des Gehirns betreffender) Risikofaktoren im Dezember 2013 einen zerebralen Insult erlitten. Anlässlich der eingehenden Diagnostik habe sich gezeigt, dass bei ihr nicht nur ein klinisch führender linkshirniger Mediainfarkt mit konsekutiver Hemisymptomatik (neurologische Defizite nur auf einer Körperhälfte) vorgelegen habe, sondern auch weitere kleine Ischämiezonen infratentoriell (nicht oder nur vermindert durchblutete Gewebezonen im Kleinhirn) bestanden hätten. In der Folgezeit sei es zu mindestens einem weiteren zerebralen Ischämieereignis gekommen, klassifiziert als transitorisch ischämische Attacke (TIA = flüchtige Minderdurchblutung im Gehirn). Des Weiteren sei es zu Bewusstseinsverlusten ungeklärter Ursache gekommen. Die Klägerin habe darüber hinaus zum Teil seitenwechselnde Bewegungs- und Sensibilitätsstörungen aufgewiesen. Heute zeige sich bei ihr klar eine linkshirnige Symptomatik, die am ehesten als Folge der 2013 erlittenen Ischämie im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media (eines der drei arteriellen Hauptgefäße des Gehirns) zu interpretieren sei. Es bestehe eine leichte spastisch-dystaktische Halbseitensymptomatik rechts mit gegenüber links gesteigertem Muskeleigenreflexniveau, leicht erhöhtem spastischen Muskeltonus rechts sowie einer rechts und armbetonten spastisch-dystaktischen Bewegungsstörung und Einschränkung der Greiffunktion der rechten Hand. Darüber hinaus bestehe eine durchaus relevante depressive Symptomatik vor dem Hintergrund einer belasteten Psychobiografie. Die Angaben der Klägerin zu ihrer gesundheitlichen und biografischen Vorgeschichte seien gleichwohl auch heute lückenhaft und teilweise widersprüchlich. Nach fremdanamnestischen Angaben der Tochter sei aber deutlich geworden, dass die Klägerin einen Teil der zunächst widersprüchlichen oder falsch anmutenden Angaben mache, weil sie infolge kognitiver Einschränkungen nach zerebralen Durchblutungsstörungen nicht in der Lage sei, sich konkreter zu äußern und gleichzeitig durch die Exploration in eine Situation gedrängt werde, in der sie sich gezwungen sehe, Auskünfte zu geben. Dr. B. habe diese Diskrepanzen als Ausdruck einer bewusstseinsnahen Ausgestaltung interpretiert, sich andererseits aber nicht zu der Auffassung durchringen mögen, es bestünde Simulation. Nach den erhobenen Befunden spreche jedoch vieles dafür, dass die Klägerin schlaganfallbedingt psychoorganisch und vor dem Hintergrund einer depressiven Symptomatik in ihrer Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit derart stark beeinträchtigt sei, dass es ihr nicht anders gelinge, ihre Hilfsbedürftigkeit zum Ausdruck zu bringen. Dieser Sachverhalt habe zu der Entwicklung der auch von Dr. E. diagnostizierten dissoziativen Störung geführt. Dieser habe bei der Klägerin ein bizarres, jammerndes, ächzendes, weinendes und schreiendes Verhalten gesehen, welches er als Ausdruck der Somatisierungsstörung und einer organischen Hirnschädigung interpretiert habe. Dieser Einschätzung sei zu folgen. Das psychoorganische Syndrom der Klägerin führe zu kognitiven Einschränkungen, die nicht bewusstseinsnah ausgestaltet seien oder gar in Simulationsabsicht vorgetragen würden. Damit einhergehende Einschränkungen der Kommunikations- und Interaktionskompetenz der Klägerin hätten zur Entwicklung einer dissoziativen Störung geführt, weil die Klägerin anders nicht in der Lage sei, innerseelische Konflikte zum Ausdruck zu bringen. Die Entwicklung der dissoziativen Störung sei mithin die Folge einer innerseelisch nicht anders zu verarbeitenden Konfliktauflösung und entziehe sich damit der Willenssteuerung. Die Klägerin sei nicht mehr zu einer regelmäßigen Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage. Selbst leichte körperliche Arbeiten könnten nicht mehr verrichtet werden, auch nicht unterhalbschichtig. Die Wegefähigkeit sei eingeschränkt, die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 m zu Fuß ohne erhebliche Schmerzen oder übermäßige körperliche Anstrengung zurückzulegen. Die psychischen Gesundheitsstörungen erreichten zweifelsohne Krankheitswert und seien so ausgeprägt, dass sie nicht in der Lage sei, Willenskräfte zu mobilisieren, um damit etwaige Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Die genannten Einschränkungen bestünden seit Antragstellung. Änderungen im Leistungsvermögen seien seither nicht eingetreten. Begründete Aussicht auf eine Besserung bestünden nicht. Randnummer 23 Die Beklagte hat hierzu nach Auswertung durch ihren Ärztlichen Dienst mitgeteilt, dass das Gutachten keine neuen medizinischen Aspekte enthalte. Die Klägerin habe ihre altbekannten Verhaltensweisen demonstriert, die nach Auffassung der Beklagten unverändert einer grob demonstrativen Ausgestaltung zuzuordnen seien. Der Schlaganfall sei ohne wesentliche Folgeschäden geblieben, wie Dr. J. in seinem Gutachten von 2014 dargelegt habe. Dies ergebe sich auch aus den Krankenhausberichten aus den Jahren 2014 und 2015, sodass eine Verurteilung zur Rentengewährung ab September 2014 schon deshalb nicht haltbar sei. Die Beklagte verwies zudem auf die zahlreichen Stellungnahmen von Dr. F.. Auch Dr. B. habe erhebliche Zweifel geäußert, die durch das Gutachten von Dr. N. nicht aufgelöst, sondern eher erhärtet würden. Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin im 4. Stock ohne Fahrstuhl wohne und rund um die Uhr von allen ihren Kindern in diesem Maße betreut werde. Allein schon zur Entlastung der Kinder seien sicher zumindest vorübergehend Aufnahmen in einer Klinik oder im Pflegeheim notwendig. Die bizarren Verhaltensweisen seien unverändert einem psychiatrischen Krankheitsbild nicht zuzuordnen. Die Beklagte gehe daher weiterhin von einem über sechsstündigen Leistungsvermögen aus. Randnummer 24 Die Klägerin hat sich dem Gutachten von Dr. N. angeschlossen. Gegen die Einwände der Beklagten macht sie außerdem geltend, dass diese sich offenbar nicht vorstellen könne, welche enorme pflegerische Leistung die Familie seit Jahren erbringe. Insoweit berücksichtige die Beklagte vermutlich nicht ausreichend, dass es im türkischen Kulturkreis eine moralische Verpflichtung der Kinder sei, die Eltern zu pflegen. Randnummer 25 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
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SG Halle (Saale) 11. Kammer
Sachsen-Anhalt
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18.10.2022
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI). Randnummer 2 Der am ….19XX geborene Kläger beantragte am 5. Juni 2020 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Den Rentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung von Epikrisen und Befundberichten behandelnder Ärzte und einer sozialmedizinischen Stellungnahme mit dem Bescheid vom 12. August 2020 ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und könne trotz seiner Beeinträchtigungen noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein. Dagegen erhob der Kläger am 19. August 2020 Widerspruch. Vom 17. bis zum 29. November 2020 nahm der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wahr, aus der er ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 4. Januar 2021 bei Stellung der Diagnosen 1. depressive Stimmung und Angstzustände, 2. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, 3. Morbus Bechterew, 4. arterielle Hypertonie, 5. Schwindel unklarer Genese und 6. zweifach Stentimplantation mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden für eine Tätigkeit als Instandhaltungsmechaniker und von über sechs Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Die Beklagte veranlasste im Widerspruchsverfahren die Einholung eines orthopädischen Gutachtens von dem Facharzt für Orthopädie Dr. …, der im Gutachten vom 26. März 2021 nach Untersuchung des Klägers die Diagnosen 1. chronisches thorakolumbales Schmerzsyndrom im Rahmen des Morbus Bechterew, 2. Zervikozephalsyndrom, 3. Zervikobrachialsyndrom, 4. Schwindel unklarer Genese, 5. Daumengrundgelenkarthrose beidseits, 6. Kniegelenksarthrose beidseits, 7. Hüftgelenksarthrose rechts und 8. Rezidivgangliom über Metacarpalegelenk des Mittelfingers rechts angab und ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden für eine Tätigkeit als Instandhaltungsmechaniker und von über sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschätzte, wobei zur umfassenden Leistungsbeurteilung die Einholung weiterer Gutachten erforderlich sei. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2021 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück. Randnummer 3 Am 2. Juni 2021 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben. Er trägt vor, unter ständigen Schmerzen, Schwindel und psychischen Problemen zu leiden, wodurch er nicht mehr erwerbsfähig sei. Sein Gesundheitsbild sei bislang nur unzureichend berücksichtigt worden. Zudem sei er seit September 2021 pflegebedürftig mit dem Pflegegrad II. Seine Wegefähigkeit sei wegen der Nutzung von Gehstock und Festhalten an den Wänden aufgehoben. Randnummer 4 Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß, Randnummer 5 den Bescheid vom 12. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ab Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Randnummer 6 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, Randnummer 7 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid. Randnummer 9 Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes in medizinischer Hinsicht Befundberichte behandelnder Ärzte der Klägerin eingeholt. Auf Blatt 39 bis 87, 90 bis 113 und 114 bis 116 der Gerichtsakte wird insoweit verwiesen. Randnummer 10 Der Kläger hat vom 19. Januar bis zum 16. Februar 2022 erneut eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme wahrgenommen, aus der er ausweislich des Reha-Entlassungsberichts vom 22. Februar 2022 bei Stellung der Diagnosen 1. schmerzhafte Funktionsstörung der HWS bei Bandscheibenprotrusion C5/6, 2. schmerzhafte Funktionsstörung linkes Knie bei Gonarthrose, 3. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei dysfunktionaler Schmerzbewältigung, 4. Freudlosigkeit, Antriebsminderung und sozialer Rückzug, 5. Morbus Bechterew und 6. Belastungsdefizit der LWS nach Sequesterektomie L4/5, L5/S1 2012, Hallux rigidus beidseits mit einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden für eine Tätigkeit als ‚Mitarbeiter Maintenance‘ und von über sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen worden ist. Randnummer 11 Das Gericht hat außerdem mit Beweisanordnung vom 27. April 2022 Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. …, welcher in seinem Gutachten vom 18. Juli 2022 nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 17. Mai 2022 die leistungsrelevanten Diagnosen 1. Morbus Bechterew, 2. Bandscheibenverschleiß der Halswirbelsäule, 3. Bandscheibenverschleiß der Lendenwirbelsäule bei Voroperation, 4. Wurzelreizung L5 uns S1 links bei Postnukleotomiesyndrom, 5. Verschleiß rechtes Hüftgelenk, 6. Verschleiß Kniegelenk beidseitig, linkes Knie mit Reizerguss, 6. Beinatrophie links, 7. Verschleiß Großzehengrundgelenk beidseitig und Spreizfuß, 8. Verschleiß Daumensattelgelenk und Daumengrundgelenk mit Gelenkentzündung beidseitig, 9. Beugesteifheit der Langfinger beider Hände und 10. Sehnenengpass an beiden Schultergelenken und 11. Karpaltunnelsyndrom rechts gestellt hat. Der Kläger könne ohne Gefährdung der Gesundheit und insbesondere aufgrund der schweren Einschränkungen der Wirbelsäule bei entzündlich-rheumatischer Ursache (Morbus Bechterew) seit Mai 2020 regelmäßig keine Tätigkeiten mehr ausüben. Es bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden. Selbst überwiegend leichte Arbeiten schieden aus. Die Sitzfähigkeit und die Gebrauchsfähigkeit der Hände seien eingeschränkt. Arbeiten in Zwangshaltungen, im Freien und unter sonstigen Witterungseinflüssen, in Wechsel- oder Nachtschicht und unter Zeitdruck seien ausgeschlossen. Die Gehfähigkeit sei eingeschränkt; für eine einmalige Gehstrecke seien 25 bis 30 Minuten zu erwarten. Der Kläger sei nicht in der Lage, viermal täglich 500 Meter zu gehen. Der festgestellte Zustand sei nicht stabil, wobei frühestens nach drei Jahren eine Neueinschätzung sinnvoll sei. Eine Rehabilitation sei nicht sinnvoll, da kein Erfolg wegen der schweren Funktionsstörungen mit Hilfebedarf beim An- und Ausziehen sowie beim Essen zu erwarten sei. Der Schwindel sei zudem nicht ausdiagnostiziert, da eine mögliche Medikamentennebenwirkung von Adalimumab nicht in Betracht gezogen worden sei. Auf eine einfache und ihm zumutbare Tätigkeit könne sich der Kläger nicht mehr einstellen. Bereits eine Einarbeitungszeit wäre wegen krankheitsbedingter Ausfallzeiten unterbrochen. Eine weitere Begutachtung des Klägers sei nicht erforderlich. Die vorherigen Leistungseinschätzungen, von denen er – der Sachverständige – abweiche, seien im Wesentlichen unbrauchbar, da Medikamentennebenwirkungen nicht beachtet worden seien (gutachterliche Stellungnahme im Verwaltungsverfahren) bzw. Einschätzungen qualitativ und quantitativ nicht den Mindestanforderungen an einen orthopädischen Befund entsprächen (Reha-Entlassungsbericht vom 4. Januar 2021) bzw. wesentliche Befunde unterbewertet worden seien (Reha-Entlassungsbericht vom 22. Februar 2022). Randnummer 12 Nach Einwänden der Beklagten zum Gutachten, wonach dieses nicht überzeugend sei und wegen deren Inhalts auf Blatt 256 bis 258 der Gerichtsakte verwiesen wird, haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Randnummer 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2021 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Dezember 2020 bis zum 30. November 2023 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten um die gemeindewirtschaftsrechtliche Zulässigkeit der Beteiligung der Beklagten an einem Unternehmen in Privatrechtsform sowie des Erwerbs von Grundstücken durch dieses Unternehmen. 2 Die Klägerin ist ein Wohnungsbauunternehmen und überwiegend im Bauträgergeschäft tätig. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich u.a. auf den Erwerb von bebauten und unbebauten Grundstücken, deren Bebauung vornehmlich mit Geschosswohnungsbauten, Reihen- und Doppelhäusern sowie der Veräußerung der Wohnungen und Häuser. 3 Die Beigeladene, eine gemeinnützige Gesellschaft, ist Eigentümerin zweier Grundstücke in zentraler Lage in Baden-Baden (Flurstücknummern ... und ...). Für diese im unbeplanten Innenbereich gelegenen Grundstücke besteht derzeit noch keine Bauleitplanung, sondern nur der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan „Zwischen ...- und ...“. 4 Beginnend im Frühjahr 2011 suchte die Beigeladene Käufer für ihre Grundstücke, um mit dem Kaufpreis den Neubau eines von ihr betriebenen Pflegeheims in Baden-Baden-Oos zu ermöglichen. Neben der Klägerin meldete unter anderem die Beklagte, die auch Eigentümerin von Nachbargrundstücken ist, ihr Kaufinteresse an. 5 Mit notariellem Kaufvertrag vom 14.10.2011 erwarb die ... von der Beigeladenen die streitigen Grundstücke zu einem Kaufpreis von 5.660.000,00 Euro. Ein Kaufangebot der Klägerin über zuletzt 6,3 bzw. 6,6 Mio. Euro nahm die Beigeladene nicht an. 6 Bei der Käuferin handelt es sich um einen Zusammenschluss zwischen der Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung ... („...“), die zu 100 Prozent von der Beklagten gehalten wird, und des Privatunternehmens ... Der am 11.07.2005 geschlossene notarielle Gesellschaftsvertrag der ... OHG sah als Gesellschaftszweck zunächst u.a. den Erwerb des Grundstücks Flurstücknummer ... in Baden-Baden-Lichtental sowie die Errichtung, die ganze oder teilweise Aufteilung nach dem WEG, den Verkauf – auch als Bauträger im Sinne von § 34c GewO – und die Vermietung einer Wohnanlage für betreutes Wohnen auf diesem Grundbesitz vor (§ 2 des Gesellschaftsvertrags vom 11.07.2005). Der geänderte Gesellschaftsvertrag vom 13.10.2011 sieht nunmehr – neben einer Umbenennung in ... OHG – als Gesellschaftszweck u.a. den Erwerb der streitigen Grundstücke sowie die städtebauliche Entwicklung, die Errichtung von Gebäuden, die ganze oder teilweise Aufteilung nach dem WEG und den Verkauf – auch als Bauträger im Sinne von § 34c GewO – auf diesem Grundbesitz vor (vgl. § 2 des Gesellschaftsvertrags vom 13.10.2011). Die Beklagte und die ... sind an der Gesellschaft jeweils mit einer Einlage von 50.000,00 Euro beteiligt (vgl. § 4). Gesellschafterbeschlüsse erfolgen gemäß § 7 des Gesellschaftervertrags einstimmig. Die Geschäftsführung der Gesellschaft erfolgt durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich (§ 8). 7 In der Gemeinderatsbeschlussvorlage 11.305 vom 11.07.2011, die der Änderung des genannten Gesellschaftsvertrags zugrunde lag, heißt es zur Begründung: 8 „[…] Für die Entwicklung des Gebietes und die Ausgestaltung des Bebauungsplanes ist deshalb auch ein Wettbewerb beabsichtigt, um eine möglichst optimale Lösung zu erzielen. Dabei ist eine einheitliche städtebauliche Oberplanung erforderlich, die eine auch unter ökologischen Gesichtspunkten optimierte Erschließung des Gebietes ermöglicht. Dabei haben die Erfahrungen bei der Entwicklung der Cité gezeigt, dass zur Durchsetzung der Ziele die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen nicht ausreichen, vielmehr eine Eigentümerstellung erforderlich ist. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf eine Herabzonung der Kubatur von Baulücken auf dem Flurstück-Nr. ... im Verhältnis zur Umgebungsbebauung, zum bisherigen Bestand bzw. zu erteilten Vorbescheiden als möglichem Ergebnis eines Wettbewerbs, die im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens im Hinblick auf die Abwägung mit Eigentümerbelangen an Grenzen stößt, bzw. angreifbar und damit mit Rechtsunsicherheiten behaftet ist. Auch ließen sich bestimmte gestalterische Anforderungen als Ergebnis eines Wettbewerbs, die in einem Bebauungsplanverfahren möglicherweise nicht umzusetzen wären, durch die Eigentümerstellung erreichen. 9 Mit der Eigentümerstellung kann auch die konzeptgetreue Umsetzung durch Errichtung und Verkauf von Gebäuden als Ergebnis des Wettbewerbs auf den Flurstücken ..., ... sichergestellt und damit auch einer abweichenden Bauausführung vorgebeugt werden. 10 Auch wäre eine behutsame inhaltliche und zeitliche Realisierung und die Vermeidung von Grundstückspreisspekulationen mit negativen Auswirkungen auf den Grundstücksmarkt gewährleistet.“ 11 Am 10.10.2011 machte die Klägerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Unterlassungsanspruch aus § 102 Abs. 1 GemO geltend, mit dem sie den Abschluss eines Kaufvertrags und die Eigentumsübertragung sowie eine Beteiligung an einer Gesellschaft wie der ... OHG durch die Beklagte zu verhindern suchte. Das erkennende Gericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 22.05.2012 ab (Az. 6 K 2728/11). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verpflichtete die Beklagte mit Beschluss vom 29.11.2012 (Az. 1 S 1258/12) im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, es zu unterlassen, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf gerichtet sind, dass sie selbst oder ein Unternehmen, an dem sie unmittelbar oder mittelbar über eine von ihr beherrschte Gesellschaft beteiligt ist, Eigentum an den Grundstücken FlSt.-Nrn. ..., ... der Gemarkung Baden-Baden zu erwerben, solange in der Hauptsache nicht rechtskräftig über den Unterlassungsanspruch entschieden ist. 12 Am 26.11.2012 hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Sie beantragt, 13 festzustellen, dass die Beteiligung der Beklagten an der ... OHG über ihre Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung ... rechtswidrig ist, die Beklagte zu verpflichten, die ... OHG zu kündigen und die Auflösung und Auseinandersetzung dieser Gesellschaft zu betreiben, sowie die Beklagte zu verpflichten sicherzustellen, dass die von ihr beherrschte Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung ... im Rahmen der Geschäftsführung der ... OHG alle Maßnahmen und Erklärungen unterlässt, die auf den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken FlSt.-Nrn. ... und ... der Gemarkung Baden-Baden gerichtet sind. 14 Zur Begründung führt die Klägerin aus, ihr stehe gegenüber der Beklagten gemäß § 105a Abs. 1 Nr. 1 GemO i.V.m. § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO sowie gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG ein Rechtsanspruch darauf zu, dass diese sich nicht über die GSE an der ... OHG beteilige. Sie könne insofern verlangen, dass die ... OHG einerseits aufgelöst und liquidiert werde und die ... OHG andererseits kein Eigentum an den Grundstücken FIst.Nrn. ... und ... der Gemarkung Baden-Baden erwerbe. 15 Der Zweck der ... OHG bestehe einzig darin, eine bestimmte Grundstücksfläche zu erwerben, hochwertig zu bebauen und die Bauten dann wieder hochpreisig zu verkaufen, worin eine im Sinne des § 102 Abs. 1 GemO unzulässige wirtschaftliche Betätigung der Beklagten liege. Die Beklagte habe beim Ankauf der Grundstücke zudem unlautere Mittel eingesetzt, so dass ihre Beteiligung am Marktgeschehen auch nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG unzulässig sei. 16 Die mit Vertrag vom 13.10.2011 zwischen der GSE und der ... vereinbarte Fortsetzung der von ihnen gehaltenen ... OHG, deren ausschließlicher Zweck in der Entwicklung, der Realisierung und Vermarktung einer Wohnanlage für betreutes Wohnen im Baden-Badener Stadtteil ... bestanden habe, unter der Firma ... OHG mit dem neuen Zweck, auf den Grundstücken FIst.Nrn. ... und ... in der Kernstadt von Baden-Baden Wohnungen für den gehobenen Wohnbedarf zu entwickeln, zu realisieren und zu vermarkten, stelle sich nicht als eine Fortführung des bisherigen Unternehmens oder eine nur unwesentliche Änderung des bisherigen Unternehmens dar. Sie sei daher an § 102 Abs. 1 GemO, der hier über § 105a Abs. 1 Nr. 1 GemO zur Anwendung komme, zu messen. Bei einer mittelbaren Unternehmensbeteiligung dürfe für die Frage, ob der Anwendungsbereich der §§ 102, 105a GemO eröffnet sei, auch nicht auf die Obergesellschaft abgestellt werden, die der Kommune die mittelbare Beteiligung vermittle, hier die GSE, sondern nur auf deren Tochtergesellschaft, mithin auf die ... OHG. Anderenfalls liefe § 105a Abs. 1 GemO leer, da man den Fall der mittelbaren Beteiligung ansonsten trotz der gesetzlichen Differenzierung wie einen Fall unmittelbarer Beteiligung behandeln würde. Es sei daher ohne Bedeutung, ob sich die Fortsetzung des Tochterunternehmens für die Obergesellschaft in Ansehung von deren Gesellschaftszweck als eine nicht wesentlich geänderte Fortführung deren Unternehmens darstelle. Ungeachtet dessen könne die GSE selbst nach ihrem Gesellschaftszweck ebenfalls nicht ohne Verstoß gegen § 102 GemO die hier interessierenden Grundstücke erwerben und bebauen. 17 Ein öffentlicher Zweck im Sinne des § 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO, der die Beteiligung der Beklagten an der OHG bzw. deren wesentliche Erweiterung rechtfertige, liege nicht vor. Es könne dahinstehen, ob und inwiefern es der Beklagten die Bauleitplanung erleichtern würde, wenn die OHG die Eigentümerstellung an dem Areal innehabe. Damit würde nämlich die Bauleitplanung den Gesellschaftszweck des Erwerbs der Grundstücke durch die OHG gleichwohl nicht rechtfertigen. Zum einen könne die Beklagte ihre städtebaulichen Vorstellungen im Ergebnis in gleicher Weise über die Aufstellung eines Bebauungsplans auch dann durchsetzen, wenn nicht ein mit ihr nicht verbundenes Unternehmen Eigentümer des Areals sei. Das BauGB stelle den Kommunen daneben mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan, dem städtebaulichen Vertrag und Plansicherungsinstrumentarien wie der Veränderungssperre und der Umlegung hinreichend Instrumentarien zur Verfügung, um die bauliche und sonstige Nutzung der in ihrem Gemeindegebiet gelegenen Grundstücke zu bestimmen. Die vertraglichen Möglichkeiten, die das BauGB zur Verfügung stelle, geböten es auch nicht im Sinne einer zwingenden logischen Schlussfolgerung, dass eine Kommune im Zuge von Bauleitplanverfahren Bauträgergesellschaften als wirtschaftliche Unternehmen einsetzen dürfe. Sie ermöglichten ihr im Gegenteil gerade, ihre Planungsvorstellungen sehr detailliert und rechtssicher auch ohne unternehmerische Beteiligung durchzusetzen. Zum anderen könne die Bauleitplanung deshalb nicht Unternehmensgegenstand sein, weil sie überhaupt nicht auf ein privates Unternehmen übertragen werden könne. Dies gelte insbesondere für diejenigen Verfahrensschritte und Entscheidungsprozesse in der Bauleitplanung, die für die hier als maßgeblich hervorgehobenen Zielsetzungen entscheidend seien, nämlich für die verbindliche Festlegung des städtebaulichen und gestalterischen Konzepts. Die Bauleitplanung sei im Übrigen weder nach der Sitzungsniederschrift noch nach der Änderungsvereinbarung Unternehmensgegenstand der OHG. 18 Selbst wenn man zugunsten der Beklagten außen vor ließe, dass ihre Beteiligung an der OHG nicht durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sei, sei die Beteiligung gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO gleichwohl unzulässig, weil der mit der Beteiligung der Beklagten an der ... OHG verfolgte Zweck von privaten Anbietern, insbesondere von der Klägerin, ebenso gut bzw. besser und ebenso wirtschaftlich bzw. wirtschaftlicher erfüllt werden könne. Sofern die Beklagte und ihr folgend auch das erkennende Gericht im Eilverfahren davon ausgegangen seien, der Anwendungsbereich dieser Voraussetzung sei bereits deshalb nicht eröffnet, weil es an einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge fehle, beruhe dieser Befund zum einen auf einer unzureichenden Differenzierung zwischen dem Merkmal des „Tätigwerdens" auf der einen und dem „Zweck" auf der anderen Seite, sowie zum anderen auf einem fehlerhaften, weil zu weiten Verständnis des Begriffs der Daseinsvorsorge. Insofern sei im Ansatz mit Blick auf die Systematik des § 102 GemO zu berücksichtigen, dass nicht jeder öffentliche Zweck der Daseinsvorsorge zuzurechnen sei, da für § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO anderenfalls keinerlei Anwendungsbereich mehr verbliebe. Für die Annahme der Daseinsvorsorge reiche es daher nicht aus, dass die Tätigkeit dem besonderen Interesse der Allgemeinheit bzw. der Einwohner diene. Unter den Begriff der Daseinsvorsorge fielen nur die Gebiete kommunaler Tätigkeit, welche die existenzielle oder soziale Angewiesenheit des Einzelnen oder der Gemeinschaft mit zivilisatorischen Leistungen zu sozial angemessenen Bedingungen voraussetzten. Zur Daseinsvorsorge könnten danach zwar auch die Stadtplanung und die Stadtentwicklung gezählt werden. Nicht jede sich auf die Stadtplanung und Stadtentwicklung auswirkende Tätigkeit lasse sich jedoch als Daseinsvorsorge qualifizieren. Daseinsvorsorgenden Charakter hätten Maßnahmen im Rahmen der Stadtplanung und Stadtentwicklung vielmehr nur dann, wenn sie die Umfeldbedingungen, die für das Leben und Zusammenleben der Bürger in einer kommunalen Gemeinschaft existenziell notwendig seien, schafften oder aufrechterhielten. Stadtplanung und Stadtentwicklung seien demnach nur Daseinsvorsorge, wenn sie dazu dienten, den Einwohnern der Gemeinde die Möglichkeit zu verschaffen, ihre Grundbedürfnisse, so insbesondere das Wohnen und Arbeiten, in der Gemeinde zu befriedigen. Die Bereitstellung von Bauland über die Aufstellung entsprechender Bauleitpläne gehöre damit in besonderer Weise zur Daseinsvorsorge. Dahingegen gehörten gestalterische Fragen nicht zur Daseinsvorsorge. Das gesellschaftvertraglich beschriebene Tätigkeitsfeld der ... OHG lasse keinerlei Rückschluss darauf zu, dass Gegenstand dieses Unternehmens Tätigkeiten sein werden und sollen, die der Daseinsvorsorge der Einwohner der Stadt Baden-Baden geschuldet seien. Allein die Verwendung des Schlagworts „städtebauliche Entwicklung" reiche hierfür nicht aus. Es entstünden gehobener Wohnbau und Luxuswohnungen, wie sich aus den Auslobungsbedingungen des Wettbewerbs ergebe. Der Beklagten gleichwohl eine einem sozialen Zweck verpflichtete Absicht zuzubilligen, sei mit Blick auf das erklärte Ziel der Beklagten schlechterdings konstruiert. Der Tätigkeitsschwerpunkt der OHG, nämlich das Bauträgergeschäft, sei nicht der Daseinsvorsorge zuzuordnen, so dass die gesamte Tätigkeit des Unternehmens an der Subsidiaritätsklausel des § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO zu messen sei. Der Beklagten stehe auch keine Einschätzungsprärogative zu, was bei ihr zur Daseinsvorsorge gehöre und wie sie ihre gemeinwohlorientierten Zielsetzungen im Einzelnen umsetze. Eine solche Sichtweise lasse sich mit dem Willen des Gesetzgebers in keiner Weise vereinbaren, da es diesem bei der Novellierung der Subsidiaritätsklausel im Jahre 2005 gerade darauf angekommen sei, die wirtschaftliche Betätigungsgarantie der Gemeinde begrenzt zugunsten der Privatwirtschaft zurückzunehmen. Insofern sei, wie es der Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren ausgeführt habe, auf der Grundlage einer interessensabwägenden, die Belange der Privat- und der Kommunalwirtschaft gleichermaßen berücksichtigenden Betrachtungsweise zu bewerten und zu entscheiden, ob eine wirtschaftliche Betätigung unter den Begriff der Daseinsvorsorge falle. 19 Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich ferner aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Das UWG komme ergänzend zu den kommunalrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, wenn die Gemeinde unlautere Mittel einsetze. Vom Einsatz unlauterer Mittel im Wettbewerbskampf sei insbesondere dann auszugehen, wenn die öffentliche Hand ihre Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaft missbrauche, oder wenn sie sonst aus der Verbindung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Interessen einen unzulässigen Vorsprung vor ihren Mitbewerbern erlange oder erstrebe. Dies sei hier der Fall: Allein der Umstand, dass die Beigeladene ein Angebot akzeptiert habe, das um knapp eine Million Euro hinter einem Konkurrenzangebot zurückbleibe, sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass es eine solche Einflussnahme gegeben habe. Das Wettbewerbsverhalten der Beklagten erscheine auch deshalb wettbewerbswidrig, weil sie es verhindert habe, dass die Beigeladene das bestehende Baurecht im Zuge eines Bauvoranfrageverfahrens verbindlich klärt. 20 Die Klägerin könne somit sowohl gemäß § 102 Abs. 1 GemO als auch gemäß §§ 3, 4 UWG von der Beklagten verlangen, dass sie sich nicht an der ... OHG beteilige. Sofern eine solche Beteiligung bereits über den Abschluss der Vereinbarung „Änderung des Gesellschaftsvertrages einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) ohne Mehrheitsgesellschafter" vom 13.10.2011 erfolgt sei, sei die Gesellschaft im Sinne einer Folgenbeseitigung aufzulösen und zu liquidieren. Sie müsse außerdem den Eigentumserwerb an den gekauften Grundstücken verhindern, was, wie das erkennende Gericht in seinem Beschluss vom 22.05.2011 ausgeführt habe, rechtlich möglich sei. Der auf die Verhinderung des Eigentumserwerbs gerichtete Antrag sei notwendig, da andernfalls die Gefahr bestehe, dass die OHG die Entwicklung und Vermarktung der Fläche noch im Rahmen der Liquidation abwickle. Gerade diese geschäftliche Betätigung der ... OHG, an der die Beklagte über ihre GSE beteiligt sei, verletze die Beklagte in ihrem Recht, vor einer unternehmerischen Betätigung einer Gemeinde verschont zu bleiben, die sie und/oder andere private Anbieter ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen könne wie die Gemeinde. 21 Die Beklagte beantragt, 22 die Klage abzuweisen. 23 Sie trägt vor, die GSE sei ein „Altunternehmen" mit der Folge, dass deren Geschäfte nicht die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 GemO erfüllen müssten. Zum Gesellschaftszweck der GSE gehöre gem. § 2 Abs. 2 a des Gesellschaftsvertrages der Bau von Wohnungen in allen denkbaren Formen. Die GSE könne damit das streitgegenständliche Grundstück selbst erwerben und bebauen, ohne dass dies gegen § 102 GemO verstoßen würde. Auch die ... OHG sei eine „Altgesellschaft" mit der Folge, dass § 102 Abs. 1 GemO auch auf sie nicht anzuwenden sei. Die Änderung des Gesellschaftszwecks der OHG durch den Gesellschaftsvertrag von 2011 könne nur unter dem Gesichtspunkt der wesentlichen Erweiterung im Sinne des § 102 Abs. 1 GemO von Bedeutung sein. Eine wesentliche Erweiterung liege dann vor, wenn der Markt allgemein von den neuen Möglichkeiten des kommunalen Unternehmens betroffen sein könne. Durch die Beschränkung auf ein Grundstück bzw. Projekt und die Änderung des Gesellschaftszweckes nach Realisierung des ersten Projektes liege keine wesentliche Erweiterung vor, weil ein verstärkter Marktauftritt damit gerade nicht verbunden sei. Hätte die OHG in ihrem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag die Aufgaben allgemein formuliert, wäre das jetzige Projekt schon gar nicht an den Regelungen des § 102 GemO zu messen gewesen. 24 Unabhängig davon stelle sich die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang § 102 GemO gegenüber bestehenden Unternehmen, hier der GSE, Anwendung finden könne, wenn deren Tätigkeit vor Änderung der GemO erlaubt gewesen sei und die heute zur Überprüfung anstehende Tätigkeit von ihr selbst ohne Rechtsverletzung realisiert werden dürfte. Die GSE könne Grundstücke erwerben, da zu ihren Aufgaben die Unterstützung der kommunalen Siedlungspolitik und Maßnahmen der Infrastruktur zählten. Hierbei sei in den Blick zu nehmen, dass es nicht lediglich um die beiden Grundstücke FIst.-Nr. ... und ... gehe, sondern auch das angrenzende städtische Areal zu berücksichtigen sei. Insgesamt gehe es um eine Gesamtfläche von 3,4 Hektar. Die GSE solle in dieser sensiblen städtebaulichen Situation die Fläche entwickeln, indem sie die innere Erschließung des Areals plane und durchführe und auch entsprechende Grundstückszuschnitte bilde. In diesem Rahmen dürfe sie auch Wohnbauten errichten und veräußern. Könne aber ein wirtschaftliches Unternehmen einer Kommune die fraglichen Tätigkeiten nach den Regelungen, der sie unterworfen sei, selbst zulässigerweise ausführen, dann könne § 102 GemO keine Anwendung finden. Da zum Gesellschaftszweck der GSE zulässigerweise auch die Bebauung von Grundstücken gehöre, stehe ihr bei der Erfüllung dieser Aufgabe die Formenwahl und -freiheit zu. Sie dürfe sich der vorhandenen und zulässigen Vertragsformen wie Werkvertrag, Dienstvertrag und Gesellschaftsvertrag bedienen. Dies sei Teil der allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit, die auch einer Gesellschaft, die als kommunales wirtschaftliches Unternehmen gelte, zustehe. Zu den Zielen des § 102 GemO zähle nicht die Schwächung bestehender wirtschaftlicher kommunaler Unternehmen oder die Einschränkung von deren Tätigkeit. § 102 GemO sei gegenüber bestehenden, zulässigerweise tätigen wirtschaftlichen Betrieben der Kommunen daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass diese zur Erfüllung ihres Gesellschaftszweckes wirtschaftliche Unternehmen errichten, übernehmen oder sich daran beteiligen dürften, ohne dass es auf die weiteren Voraussetzungen des § 102 GemO ankomme. § 105 a GemO laufe hierdurch nicht leer. Soweit der Gesellschaftszweck einer Altgesellschaft bisher keine Beteiligungen vorgesehen habe, sei eine Beteiligung an einer Gesellschaft nur unter den dort genannten Voraussetzungen möglich. 25 Eine wesentliche Erweiterung der Tätigkeit der GSE liege durch den Abschluss des OHG-Vertrages von 2011 nicht vor. Aufgrund der langjährigen und vielfältigen Tätigkeit der GSE werde mit der Gründung der OHG für ein einzelnes Projekt die Grenze der Wesentlichkeit nicht überschritten. 26 Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 GemO auch nicht erfüllt. Die Festsetzungsinstrumentarien eines Bebauungsplans und örtlicher Bauvorschriften seien beschränkt und deshalb nur bedingt geeignet, konkrete städtebauliche Zielsetzungen zu realisieren und hinsichtlich der Realisierung durchzusetzen. Dies ergebe sich schon daraus, dass der qualifizierte Bebauungsplan im Gegensatz zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan in der Regel nur ein Bebauungsangebot vorgebe. Hinzu komme, dass § 11 BauGB ausdrücklich vertragliche Regelungen vorsehe, um die mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele fördern und sichern. Schon der Wortlaut dieser Rechtsgrundlagen für städtebauliche Verträge beweise, dass dieses Instrumentarium die Bebauungsplanfestsetzungen ergänzen solle, also Regelungsmöglichkeiten bereitstelle, die über die Bebauungsplanfestsetzungen hinausgingen. § 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO verlange eine Gemeinwohlbindung. Diese könne sich dem Grunde nach aus Bebauungsplanfestsetzungen in Verbindung mit Regelungen nach § 11 BauGB ergeben. Die auf diese gesetzlichen Vorgaben gestützten Vereinbarungen, die durch Bebauungsplanfestsetzungen nicht substituiert werden könnten, könnten im Einzelnen gemeinwohlorientiert sein. Der Beklagten stehe eine Einschätzungsprärogative bezüglich der konkreten Festlegung des Gemeinwohls zu. Es sei nach Auffassung des Gesetzgebers grundsätzlich Sache der Kommune, in einem sich an den Bedürfnissen und Anforderungen der örtlichen Gemeinschaft orientierten Rahmen zu entscheiden, welche Leistungen der Daseinsvorsorge zugehören und ob und gegebenenfalls wie sie diese erbringen will. Insoweit zählten insbesondere Maßnahmen der Stadtgestaltung und des Stadtbildes dazu. Diese würden insbesondere auch durch die Architektur geprägt. Damit werde der Baukultur, einem öffentlichen Belang im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB, Rechnung getragen. Das gehöre zur Daseinsvorsorge. Deshalb sei ein Architekturwettbewerb durchgeführt worden. Dies gelte jedenfalls bei diesem sensiblen Gebiet, bei dem es sich um eine der letzten großen zusammenhängenden Baulücken im Stadtgebiet in Hanglange handle, das an eine geschützte Gesamtanlage nach § 19 Denkmalschutzgesetz, an das Erhaltungssatzungsgebiet (§ 172 f BauGB) Annaberg mit Blickachse zum Neuen Schloss und zum Bäderbereich, für den eine serielle Bewerbung als Weltkulturerbestätte erarbeitet werde, angrenze. Einem entsprechenden Stadtbild komme an dieser Stelle herausragende Bedeutung zu. 27 Der Gemeinwohlbindung der beabsichtigten Bebauung könne nicht entgegen gehalten werden, die Klägerin sei selbst bereit, entsprechende Bebauungsplanfestsetzungen hinzunehmen und vertragliche Regelungen abzuschließen. Auch insoweit stehe der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zu. Sie könne zulässigerweise darauf abheben, wie sie ihre städtebaulichen, gemeinwohlorientierten Ziele rechtssicherer, gegebenenfalls auch weniger aufwendig, realisieren könne. 28 Ungeachtet dessen sei der Antrag der Klägerin auf Auflösung und Liquidation der Gesellschaft unzulässig und unbegründet, weil bei Ausscheiden der GSE keine Liquidation stattfinde, sondern eine Vollbeendigung der Gesellschaft und Universalsukzession eintrete, soweit nicht vorher ein Dritter in die Gesellschaft eintrete. Diese Entwicklung sei durch § 102 GemO nicht gesperrt. Auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Gesellschaft aus wichtigem Grund gekündigt werden müsse, könne nicht gefolgt werden. Es müsse im Ermessen der Stadt stehen, in welcher Form sie ihre Beteiligung an der Gesellschaft beende. Eine Anspruchsgrundlage für eine Auflösung der Gesellschaft gebe es nicht, allenfalls für die Beendigung der Beteiligung. 29 Auch der auf Verhinderung des Eigentumserwerbs gerichtete Antrag sei unzulässig. Der Anspruch auf Einhaltung der Subsidiaritätsklausel nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 GemO bestehe für die Klägerseite nur dann, wenn sie hinsichtlich des erforderlichen Grundstücks Marktteilnehmerin sei oder werden könne. Die Klägern habe bezüglich des Grundstückes, auf das sich die wirtschaftliche Tätigkeit beziehen solle, aber keinerlei subjektive Rechte oder Rechtsansprüche. Im Übrigen sei Regelungsgegenstand des § 102 GemO auch nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die Übernahme, wesentliche Erweiterung oder Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen, nicht dagegen die Vornahme einzelner Rechtsgeschäfte. Gehe man davon aus, dass nur die Bauträgertätigkeit im Sinne der Errichtung von Gebäuden und Veräußerung dieser Gebäude bzw. Wohnungen keine Daseinsvorsorge darstelle, würde die Stadt erst dann gegen § 102 GemO verstoßen, wenn diese Tätigkeit aufgenommen würde, nicht jedoch, wenn die Grundstücke erworben und mit städtebaulichen Auflagen in Form von Dienstbarkeiten wieder an Dritte veräußert würden. 30 Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für einen Feststellungsantrag nicht vor. 31 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht zur Sache eingelassen. 32 Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
1. Es wird festgestellt, dass die Beteiligung der Beklagten an der ... OHG über ihre Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung ... rechtswidrig ist. 2. Die Beklagte wird verpflichtet sicherzustellen, dass die von ihr beherrschte Gesellschaft für Stadterneuerung und Stadtentwicklung ... mbH im Rahmen der Geschäftsführung der ... OHG alle Maßnahmen und Erklärungen unterlässt, die auf den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken FlSt.-Nrn. ... und ... der Gemarkung Baden-Baden gerichtet sind. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst zu tragen hat, tragen die Klägerin zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln. 5. Die Berufung wird zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Sachsen-Anhalt
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23.06.2022
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt eine denkmalrechtliche Genehmigung zum Abbruch von sechs Wohnhäusern. Randnummer 2 Die Klägerin, deren alleinige Gesellschafterin die Welterbestadt A-Stadt ist, ist Eigentümerin der Grundstücke M-Straße 1 bis 12 in A-Stadt. Die Grundstücke sind mit sechs Wohnhäusern bebaut, die als Denkmalbereich in das Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt eingetragen sind. Im „Integrierten Stadtentwicklungskonzept A-Stadt“ (ISEK, Stand: September 2012), das von der Stadt A-Stadt als Teil des Managementplans für das UNESCO-Weltkulturerbe erarbeitet und am 18. April 2013 beschlossen wurde und die Entwicklungsziele bis zum Jahr 2025 beschreibt, heißt es (S. 83, 71), die Stadt strebe in der Wohnungsbestandsentwicklung ein ausgewogenes Verhältnis von Erhalt und Modernisierung zukunftsfähiger Lagen, Abriss und Umnutzung struktureller Überhänge und nachfragegerechten Wohnungsneubau an. Insgesamt stünden in A-Stadt etwa 1.870 Wohnungen leer (14 % des Bestands). Der Wohnungsleerstand konzentriere sich auf unsanierte Bestände (insbesondere im Altbau) und Bestände mit Lagenachteilen. In einigen Fällen sei der hohe Leerstand (auch) durch Abrissplanungen bestimmt. Dies gelte auch für den M-Straße (44 % Leerstand), der sich außerhalb des Stadtrings um die Altstadt in einer Splitterlage befinde. An diesem Standort sei trotz des Denkmalstatus ein Rückbau vertretbar. Die angrenzenden gewerblichen Nutzungen könnten sich erweitern. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 beantragte die Klägerin beim Beklagten die denkmalrechtliche Genehmigung für den Abbruch der sechs Mehrfamilienhäuser. Zur Begründung berief sie sich ausweislich der beigefügten Anlage A zum Antrag auf eine unzumutbare Belastung nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA. In der unter Punkt 4 der Anlage A zu findenden Kostenaufstellung, die einen Betrachtungszeitraum von 12 Jahren zugrunde legte, bezifferte die Klägerin das Gesamtinvestitionsvolumen im Fall einer Sanierung mit 6.225.000 €, die zur Finanzierung der Maßnahme vorgesehenen Eigenmittel einschließlich Eigenleistungen mit 1.245.000 €, die Fremdmittel mit 4.980.000 €, die jährlichen Erträge aus Miet- und Pachteinahmen mit 139.320,72 € und die laufende jährliche Belastung mit 209.388,78 €. Öffentliche Zuschüsse, Abschreibungen und Steuererleichterungen sowie die Kosten aufgrund unterlassener Bauunterhaltung wurden jeweils mit „0,00 €“ angegeben. Den veranschlagten Sanierungskosten lag eine Sanierungs- und Modernisierungskonzeption eines Planungsbüros zugrunde (Beiakte A, Bl. 16), das einen Neuzuschnitt der vorhandenen Wohnungen mit Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen mit Grundflächen zwischen 26,5 m 2 und 82 m 2 vorsah. Randnummer 4 Die Stadt A-Stadt erklärte mit Schreiben vom 7. November 2014, dass sie den Abbruchantrag befürworte. Sie verwies hierbei u.a. auf das ISEK, eine rückläufige Bevölkerungsentwicklung, Standortnachteile sowie darauf, dass der Erhalt städtebaulich wichtiger und architektonisch einmaliger Gebäude im Welterbegebiet eine wesentlich höhere Priorität habe als der Erhalt der Schlichtbauten im M-Straße. Der Einsatz von Fördermitteln für einen möglichen Erhalt der Gebäude sei nicht beabsichtigt. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 30. März 2015 lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab und gab zur Begründung an: Bei der Siedlung handele es sich um einen Denkmalbereich nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA. Aufgrund der geschichtlichen, kulturell-künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung der Siedlung bestehe ein öffentliches Interesse an deren unveränderten Erhaltung. Der geplante Abbruch stelle einen Eingriff im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA dar, und die Voraussetzungen für eine Genehmigung dieses Eingriffs nach § 10 Abs. 1 Satz 2 DenkmSchG LSA lägen nicht vor. Ein überwiegendes öffentliches Interesse nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA aufgrund von Belangen des Städtebaus habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Der städtebauliche Planungsansatz im ISEK stelle zwar ein öffentliches Interesse anderer Art dar. Es überwögen jedoch Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege das Interesse an der bedarfsgerechten und flächenhaften Reduzierung des Wohnungsbestandes durch Abbruch der Siedlung. Auch eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Erhaltung des Kulturdenkmals nach § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA habe die Klägerin nicht glaubhaft gemacht. Das Sanierungskonzept beruhe nicht auf einer aktuellen Bauzustandserfassung und sei mit dem Beigeladenen nicht abgestimmt. Mögliche Fördermittel seien zu berücksichtigen. Anträge könnten nicht mit der Begründung unterbleiben, dass die Erhaltung nicht beabsichtigt sei. Die Begründung für die fehlende Bezifferung von „Kosten aus unterlassener Bauunterhaltung“ sei nicht plausibel. Das Kulturdenkmal sei auch nicht unverkäuflich. Aktuell sei mindestens ein Kaufinteressent bekannt. Außerdem habe die Klägerin „andere Einkünfte“ aus der wirtschaftlichen Einheit des Unternehmens heranzuziehen. Randnummer 6 Ihre hiergegen am 30. April 2015 erhobene Klage hat die Klägerin wie folgt begründet: Bei den Gebäuden handele es sich nicht um einen Denkmalbereich. Selbst wenn es sich „gerade noch“ um ein Kulturdenkmal handeln würde, sei es ein „Nur-noch-Denkmal“, denn das Objekt sei objektiv nicht nutzbar. Dies belegten auch das Gutachten des Bausachverständigen Bothe vom 18. Juni 2017, das den Gesamtsanierungsaufwand (zunächst) auf 6.319.000,00 € beziffert habe, und das Ergänzungsgutachten vom 19. August 2018, welches der Frage nachgegangen sei, ob und in welchem Umfang sie die entstandenen Sanierungskosten verursacht habe. Der Gutachter sei im Ergänzungsgutachten auf der Grundlage von im Jahr 1999 erstellten Bildaufnahmen zu der Einschätzung gelangt, dass sich die Folgekosten aus einer von ihr unterlassenen Bauunterhaltung seit dem Jahr 1999 je nach Objekt zwischen 43.821 € und 74.158 € bewegten. Damit sei aber nicht nachgewiesen, dass der schlechte Erhaltungszustand der Gebäude insgesamt durch sie verursacht worden sei. Es sei ihr deshalb nicht verwehrt, die kompletten Sanierungskosten geltend zu machen. Insgesamt habe sie bis Ende 2014 über einen Zeitraum von 15 Jahren ca. 308.000 € für Instandhaltungsmaßnahmen ausgegeben. Am 1. März 2017 seien nur noch 4 Wohnungen vermietet, es bestehe eine Leerstandquote von über 90 %, Die Finanzierungskosten einer Sanierung und die Bewirtschaftungskosten seien um ein Vielfaches höher als die voraussichtlichen Mieteinnahmen oder der Gebrauchswert. Eine alternative Nutzung scheide wegen des Zuschnitts der Einheiten aus. Es gebe auch keinen Kaufinteressenten. Innerhalb von zwei Jahren habe es zwei Interessenbekundungen gegeben, die nach kürzester Zeit gescheitert seien. Es gebe keine Chance, den Grundbesitz zu veräußern oder in wirtschaftlich angemessener Weise zu nutzen oder zu verwerten. Was die Möglichkeit von Abschreibungen und Steuererleichterungen anbelange, so folge aus einem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft D. vom 9. Dezember 2019, dass sich die steuerliche Förderung von Aufwendungen für die Objekte im Ergebnis nicht steuermindernd auswirke. Auf ihren Antrag vom 5. Januar 2018 auf Gewährung von „Zuwendungen im Rahmen des Stadtumbaus Ost“ habe die Stadt A-Stadt mit Schreiben vom 31. Januar 2018 unter Hinweis auf das ISEK mitgeteilt, dass sie keine Zuwendungen für Rettungsmaßnahmen aus dem Programm „Stadtumbau Ost“ beantragen werde. Der Beklagte habe mit Bescheid des vom 2. Juli 2020 Fördermittel lediglich in Höhe von insgesamt 216.703 € für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 bewilligt. Diese Zuwendungen genügten allerdings nicht, um den bestehenden Finanzbedarf zu decken. Nach einer aktuellen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, der ein Zeitraum von 12 Jahren zugrunde liege, beliefen sich die Investitionskosten auf nunmehr insgesamt 7.231.000 €. Auch nach einer Sanierung betrügen die Verluste, die sie innerhalb der nächsten 12 Jahre erwirtschaften würde, im ersten Jahr der Betrachtung ca. 63.000 € und in den weiteren Jahren zwischen 40.000 € und 70.000 €. Die D-Bank habe ihr auf entsprechende Nachfrage mit Schreiben vom 29. November 2019 mitgeteilt, dass Fremdmittel im angefragten Umfang von 5.561.000 € nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Bank sehe sich angesichts der vergleichsweise sehr hohen Baukosten gegenüber den damit nicht im Einklang stehenden Mieteinnahmen lediglich in der Lage, ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. € zur Verfügung zu stellen. Damit fehlten ihr zur Realisierung des Projektes ca. 3,5 Mio. €. Sie sei nicht in der Lage, diesen Betrag aus eigenen Mitteln zu schultern. Soweit in ihren Jahresabschlüssen für die Jahre 2014 bis 2019 Gewinne ausgewiesen worden seien, könne nicht geschlussfolgert werden, dass es ihr möglich sei, die für die Sanierung des Objektes erforderlichen finanziellen Mittel aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Auch für das laufende Geschäftsjahr 2020 werde deshalb kein relevanter Jahresüberschuss erwirtschaftet werden können. Eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt A-Stadt könne der Beklagte nicht verlangen, da andernfalls unverhältnismäßig in die Selbstverwaltungsgarantie der Stadt eingegriffen werde. Die Stadt genieße als fiskalischer Eigentümer der klagenden Gesellschaft auch im Hinblick auf das Eigentumsrecht einfachgesetzlichen Schutz. Es sei dem Eigentümer nicht zumutbar, irgendeinen Erhaltungsaufwand für ein nicht nutzbares Objekt zu leisten. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 8 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 30. März 2015 zu verpflichten, ihr die Genehmigung für den Abriss der Mehrfamilienwohnhäuser M-Straße 1 - 12 in A-Stadt zu erteilen. Randnummer 9 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen Randnummer 11 und u.a. erwidert: Die Wohnsiedlung besitze die für ihre Einstufung als Kulturdenkmal erforderliche Denkmalfähigkeit und -würdigkeit, wie sich aus der denkmalfachlichen Einschätzung des Beigeladenen ergebe. Der Eingriff in das Kulturdenkmal könne nicht genehmigt werden. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA lägen nicht vor. Das ISEK sei eine nicht rechtsverbindliche Planung, die angesichts der Geltungsdauer einer regelmäßigen Anpassung bedürfe. Denkmalrechtliche Belange seien bei den Planungen nicht abgewogen worden. Was die Frage der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Erhaltung der Gebäude betreffe, seien von den Gesamtsanierungsaufwendungen trotz der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Gutachten Abzüge wegen unterbliebener Bauerhaltungsmaßnahmen vorzunehmen. Soweit die Stadt A-Stadt in Zusammenhang mit der Berücksichtigung öffentlicher Zuwendungen erklärt habe, Fördermittel nicht einsetzen zu wollen, seien die Äußerungen der Stadt nicht Ausfluss eines ordnungsgemäßen Zuwendungsverfahrens. Die Stadt A-Stadt hätte den Antrag an die zuständige Bewilligungsbehörde weiterleiten müssen. Es fehle weiter an der Anrechnung steuerlicher Vorteile. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Regelung in § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA ihren rechtlichen Grund allein in der verfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 GG finde. Eine Gesellschaft, die zu 100 % von einer kommunalen Gebietskörperschaft beherrscht werde und bei der es sich um ein Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge handele, könne sich nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Deshalb finde die Regelung in § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA hier von vornherein keine Anwendung. Die Stadt A-Stadt könne aufgrund ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin auf die Klägerin auch einwirken und diese steuern und kontrollieren. Zwar sei die Haftung der Gemeinde gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 4 KVG LSA auf einen ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt. Allerdings bestehe bei Unternehmen der Daseinsvorsorge, selbst wenn sie dauerhaft Verluste erwirtschafteten, ein tatsächlicher Zwang zur Unternehmensfortführung. Habe sich die Stadt A-Stadt dafür entschieden, ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge mithilfe privatwirtschaftlicher Unternehmen nachzukommen, müsse sie auch die damit verbundenen Kosten tragen. Zwar treffe die Erhaltungspflicht die kommunalen Gebietskörperschaften nicht uneingeschränkt. Vielmehr seien die wohlverstandenen Belange dieser Körperschaften im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie, insbesondere die kommunale Finanzhoheit zu beachten. Eine Verletzung derselben sei allerdings erst dann anzunehmen, wenn die durch die Aufgabe des Denkmalschutzes verursachte Bindung von Haushaltsmitteln dazu führe, dass sie ihre eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Stadt A-Stadt könne auf einen genehmigten Haushalt für das Haushaltsjahr 2020 verweisen. Im Übrigen solle das Land Sachsen-Anhalt gemäß Art. 88 Abs. 1 der Landesverfassung dafür sorgen, dass die Kommunen über Finanzmittel verfügten, die zur angemessenen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich seien. Nach § 1 Abs. 2 FAG LSA würden den Gemeinden Finanzmittel in Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen zur Erfüllung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben zur Verfügung gestellt. Unabhängig davon sehe § 17 FAG LSA die Möglichkeit von Leistungen aus dem Ausgleichsstock auf Antrag vor. Randnummer 12 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt Randnummer 13 Mit dem angefochtenen Urteil vom 7. Juli 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die Genehmigung für den Abriss der Mehrfamilienwohnhäuser M-Straße 1 bis 12 in A-Stadt zu erteilen, und zur Begründung u.a. ausgeführt: Randnummer 14 Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Abrissgenehmigung für die sechs Wohngebäude, die ein Kulturdenkmal nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA darstellten. Nach der fachlichen Stellungnahme des Beigeladenen vom 24. November 2014 (ergänzt durch Stellungnahme vom 1. Februar 2017) besitze die Siedlung M-Straße Denkmalfähigkeit und Denkmalwürdigkeit. Ihr werde sowohl aus geschichtlichen Gründen als auch aus kulturell-künstlerischer sowie städtebaulicher Sicht eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Der Beigeladene, der als Denkmalfachamt im Sinne des § 5 Abs. 1 DenkmSchG LSA in besonderem Maße zur Beurteilung der Denkmaleigenschaft berufen sei, habe die historische Bedeutung nachvollziehbar dargelegt. Die Denkmaleigenschaft der Gebäude sei auch nicht nachträglich durch Substanzverlust entfallen. Randnummer 15 Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA lägen nicht vor. Ein überwiegendes öffentliches Interesse anderer Art im Sinne dieser Vorschrift sei nicht gegeben. Die Klägerin könne sich hierzu nicht auf das ISEK als Ausfluss ihrer Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG berufen. Ein städtebauliches Entwicklungskonzept sei nicht von derartigem Gewicht, dass es ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 2 DenkmSchG LSA zu begründen vermöge. Es sei zwar denkbar, dass die durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Planungshoheit der Gemeinde in Ausnahmefällen so eindeutig Vorrang haben könne, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse angenommen werden könne und eine Abrisserlaubnis erteilt werden müsse. Dies setze aber eine hinreichend konkrete, verbindliche Planung wie z. B. einen verbindlichen Bebauungsplan voraus. Erforderlich sei, dass die Abwägung der widerstreitenden Interessen, die durch die Denkmalschutzbehörde bei der Erteilung der Abrisserlaubnis vorzunehmen sei, inhaltlich schon bei Erstellung der verbindlichen Planung - mit Beteiligung der Denkmalschutzbehörde - vorweggenommen worden sei. Ein städtebauliches Entwicklungskonzept nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB enthalte - anders als ein Bebauungsplan z.B. mit Festsetzungen auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB - keine rechtsverbindlichen Festsetzungen. Nichts Anderes gelte für das ISEK, denn es sei jederzeit änderbar. Randnummer 16 Es lägen allerdings die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA vor, wonach ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen sei, wenn die unveränderte Erhaltung des Kulturdenkmals den Verpflichteten unzumutbar belaste. Bei der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Erhaltung eines Kulturdenkmals sei zunächst und in erster Linie von Bedeutung, ob dem Eigentümer - ungeachtet finanzieller Folgelasten - überhaupt angesonnen werden dürfe, das Kulturdenkmal in seiner Substanz zu erhalten. was zu verneinen sei, wenn er es nicht mehr sinnvoll nutzen könne, weil es „nur noch Denkmal“ sei und damit ausschließlich dem Wohl der Allgemeinheit diene. Im Übrigen sei die Zumutbarkeit anhand eines Vergleichs der voraussichtlichen Investitions- und Bewirtschaftungskosten sowie der möglichen Nutzungserträge zu beurteilen. Die Belastungen dürften nicht so weit gehen, dass das Denkmal bloßes Zuschussobjekt sei oder überhaupt keine Nutzungsmöglichkeit mehr bestehe, welche als - noch - wirtschaftlich sinnvoll angesehen werden könne. Entscheidend sei, ob sich das Objekt „selbst trage“. Wirtschaftliche Belastungen, die lediglich das Spiegelbild vorausgegangener Verletzungen denkmalrechtlicher Pflichten darstellten, seien in die Wirtschaftlichkeitsrechnung allerdings nicht einzustellen, weil der Denkmaleigentümer sonst bei hinreichend langer Vernachlässigung des Denkmals regelmäßig die Zurücknahme oder völlige Aufgabe des Denkmalschutzes erzwingen könnte. Dem trage § 10 Abs. 5 Satz 3 DenkmSchG LSA Rechnung, der bestimme, dass sich der Verpflichtete nicht auf die Belastung durch erhöhte Erhaltungsmaßnahmen berufen könne, die dadurch verursacht worden seien, dass Erhaltungsmaßnahmen diesem Gesetz oder sonstigem öffentlichen Recht zuwider unterblieben seien. Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung seien vor allem die Finanzierungskosten einer Sanierung sowie die Bewirtschaftungskosten den voraussichtlichen Mieteinnahmen bzw. dem Gebrauchswert des Denkmals gegenüberzustellen. Da gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 DenkmSchG LSA Zuwendungen aus öffentlichen oder privaten Mitteln oder steuerliche Vorteile anzurechnen seien, wenn der Verpflichtete diese in Anspruch nehmen könne, seien auch derartige „Zuschüsse“ zu berücksichtigen. Randnummer 17 Bei der Bestimmung der Maßstäbe für die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Erhaltungspflicht sei hier aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der Klägerin um ein öffentliches Unternehmen handele, das sich nicht in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage befinde, weil es von der Stadt A-Stadt zu 100 % getragen werde. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei geklärt, dass in privatrechtlichen Organisationsformen geführte Unternehmen, die - wie hier - vollständig im Eigentum des Staates stehen (öffentliche Unternehmen), unmittelbar an die Grundrechte gebunden (und daher nicht grundrechtsfähig) seien, und zwar unabhängig davon, ob die für den Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt handelnde Einheit „spezifische“ Verwaltungsaufgaben wahrnehme, ob sie erwerbswirtschaftlich oder zur reinen Bedarfsdeckung tätig werde („fiskalisches“ Handeln) und welchen sonstigen Zweck sie verfolge. Entgegen der Annahme des Beklagten bedeute dies allerdings nicht, dass sich die Klägerin als kommunales Unternehmen von vornherein nicht auf § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA berufen könne. Dass es sich bei der Klägerin um ein öffentliches Unternehmen handele, habe allerdings Einfluss auf die anzuwendenden Maßstäbe zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit. So könne die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt nicht zur Anwendung gelangen, wonach „andere Einkünfte“ des Denkmaleigentümers aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht herangezogen werden könnten. Denn diese Feststellung sei Ausfluss der sich aus Art. 14 GG ergebenden Direktiven. Da sich der Eigentümer eines Kulturdenkmals in Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht auf Art. 14 GG berufen könne, finde die Regelung in § 10 Abs. 4 Satz 2 DenkmSchG LSA uneingeschränkt Anwendung. Danach sei für die Unzumutbarkeit einer wirtschaftlichen Belastung von Relevanz, ob andere Einkünfte des Verpflichteten herangezogen werden könnten. Randnummer 18 Von Relevanz sei weiter die Rechtsprechung zu kommunalen Gebietskörperschaften, die sich auf die Unzumutbarkeit der Erhaltung eines in ihrem Eigentum stehenden Kulturdenkmals berufen. Danach sei geklärt, dass sich diese als „Teil der staatlichen Verwaltung“ ebenfalls nicht auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen könnten. Die Denkmalschutzbehörde habe in diesen Fällen allerdings unter Berücksichtigung der Staatszielbestimmung des Art. 36 Abs. 4 Verf LSA die wohlverstandenen Belange dieser Körperschaft im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie, insbesondere die kommunale Finanzhoheit, zu beachten. Eine Verletzung derselben sei anzunehmen, wenn die durch die Aufgaben des Denkmalschutzes verursachte Bindung von Haushaltsmitteln bei einer kommunalen Gebietskörperschaft dazu führe, dass sie ihre eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Auch diese Rechtsprechung könne aber im vorliegenden Fall nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen, weil Klägerin des vorliegenden Verfahrens keine kommunale Gebietskörperschaft, sondern ein öffentliches Unternehmen sei. Bei der Frage, ob einem öffentlichen Unternehmen die Erhaltung eines denkmalgeschützten Objektes zumutbar sei oder nicht, könnten die Maßstäbe, die für Gemeinden gelten, deshalb nur ein erster Anhaltspunkt sein. Solche Unternehmen könnten sich nicht - wie die Gemeinden - auf Rechtspositionen wie die Selbstverwaltungsgarantie und die Finanzhoheit berufen. An Gewicht gewönnen in diesem Zusammenhang die Fragen, welche Aufgaben das betroffene Unternehmen habe und welche Finanzierungsquellen vorhanden seien. Nicht zu folgen sei der Auffassung, dass die Erhaltung eines Kulturdenkmals einem öffentlichen Unternehmen bereits dann nicht mehr zumutbar sein solle, wenn die Prognose gerechtfertigt sei, dass das betroffene Unternehmen bei Annahme einer Erhaltungspflicht seine Aufgaben nicht mehr weiter wahrnehmen könnte. Denn diese lediglich auf die internen Verhältnisse der kommunalen Gesellschaft abstellende Sichtweise würde den landesverfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 36 Abs. 4 Verf LSA nicht gerecht. Nach dieser Staatszielbestimmung sorge das Land, unterstützt von den Kommunen, für den Schutz und die Pflege der Denkmale von Kultur und Natur. Hierbei handele es sich um eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang. Dem entsprechend bestimme § 1 Abs. 2 DenkmSchG LSA, dass bei der Wahrnehmung der Aufgaben von Denkmalschutz und Denkmalpflege das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften sowie Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen zusammenwirken. Ihnen obliege zugleich die besondere Pflicht, die ihnen gehörenden oder von ihnen genutzten Kulturdenkmale zu erhalten. Handele es sich um ein öffentliches Unternehmen, dessen Alleingesellschafter eine kommunale Gebietskörperschaft sei, müssten bei der Frage, ob dem Eigentümer des Kulturdenkmals der Erhalt des Objektes wirtschaftlich zumutbar sei, die finanziellen Möglichkeiten der kommunalen Gebietskörperschaft jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn es sich - wie hier - um ein öffentliches Unternehmen der Daseinsvorsorge handele. Unabhängig davon, ob eine Nachschusspflicht der Gemeinde bestehe, habe die Gemeinde ihren Einfluss auf die Gesellschaft nicht verloren; auch sei eine Haftung der Kommune nicht ausgeschlossen, sondern lediglich auf einen ihrer Leistungsfähigkeit angemessenen Betrag begrenzt. Jedenfalls dürfe die Gemeinde mit Blick auf die Staatszielbestimmung in Art. 36 Abs. 4 Verf LSA dem Abriss eines Kulturdenkmals durch ihr Unternehmen, das die Sanierung und Unterhaltungskosten dieses Objektes nicht mehr zu tragen vermöge, nicht tatenlos zuschauen. Sie sei in diesem Fall vielmehr gehalten, der Gesellschaft das erforderliche finanzielle Kapital zur Verfügung zu stellen. Diese Auslegung lasse sich auch mit dem Wortlaut von § 10 Abs. 4 Satz 2 DenkmSchG LSA vereinbaren, soweit dort auf „andere Einkünfte des Verpflichteten“ Bezug genommen werde. Dass es sich bei diesen „Einkünften“ lediglich um Eigenmittel des Denkmaleigentümers handeln und ein finanzieller „Durchgriff' auf den Gesellschafter nicht möglich sein solle, lasse sich der Bestimmung nicht entnehmen. Da mit einem derartigen „Durchgriff“ auf die kommunale Gebietskörperschaft als Gesellschafterin des öffentlichen Unternehmens allerdings ein Eingriff in die Finanzhoheit nach Art. 28 Abs. 2 GG verbunden sei, unterliege dieser Eingriff aber verfassungsrechtlichen Beschränkungen. Der mit Blick auf den Denkmalschutz verfassungsrechtlich geforderte Zugriff auf Haushaltsmittel dürfe bei der kommunalen Gebietskörperschaft nicht dazu führen, dass sie ihre eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Führe die durch die Aufgabe des Denkmalschutzes verursachte Bindung von Haushaltsmitteln dazu, dass den Gemeinden die „freie Spitze“ bei der Erfüllung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr zur Verfügung stehe oder sogar Pflichtaufgaben nicht mehr wahrgenommen werden könnten, erweise sich der Erhalt des Kulturdenkmals als unzumutbar. Randnummer 19 Nach diesen Maßgaben habe die Klägerin dargelegt, dass ihr der Erhalt der in Rede stehenden Objekte nicht zumutbar sei. Bei einer Sanierung der Gebäude in der von ihr angestrebten Weise fehle ihr ein Betrag von ca. 3,2 Mio. €. Sie habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass die mit der Erhaltung und Bewirtschaftung der in Rede stehenden Gebäude verbundenen Kosten die Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals deutlich überschreiten. Randnummer 20 Bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung seien auf der Einnahmenseite zunächst die jährlichen Mieteinnahmen zu berücksichtigen, die die Klägerin in ihrer Anfangsaufstellung mit jährlich 139.320,72 € und in ihrer mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 aktualisierten Übersicht für das erste Jahr der Berechnung (2022) mit 135.828 € beziffert habe. Zweifel an der Höhe dieser Angaben bestünden nicht. Auf der Einnahmenseite seien weiter die steuerlichen Vorteile zu berücksichtigen. Hierzu habe die Klägerin vorgetragen, dass Steuervorteile bei der Rechtsform der GmbH nicht erzielbar seien. Für die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit komme es nicht auf theoretische Abschreibungsmöglichkeiten an, sondern darauf an, ob sich die Abschreibungsmöglichkeiten im Ergebnis auch steuermindernd auswirkten. Nach dem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft D. vom 9. Dezember 2019 sei dies hier nicht der Fall. Die Klägerin habe bei ihrer Berechnung auch öffentliche Zuschüsse in hinreichender Weise in ihrer aktualisierten Aufstellung berücksichtigt, namentlich die mit Bescheid des Beklagten vom 2. Juli 2020 bewilligten Fördermittel in Höhe von insgesamt 216.703 €. Was daneben die durch sie beantragten Zuwendungen im Rahmen des „Stadtumbaus Ost“ anbelange, müsse sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen, dass sie einen entsprechenden Antrag auf Bewilligung öffentlicher Zuwendungen nicht gestellt habe. Sie habe hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass sie bei der Stadt A-Stadt zweimal die Gewährung einer Zuwendung zur Unterstützung des Gebäuderückbaus aus dem Förderprogramm „Zuwendungen im Rahmen des Stadtumbaus Ost“ beantragt habe, und zwar im Oktober 2014 sowie nochmals mit Antrag vom 5. Januar 2018. Dass diese Anträge mit Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2018 bzw. mit Schreiben der Stadt A-Stadt vom 31. Januar 2018 abgelehnt worden seien, sei in diesem Zusammenhang ohne Relevanz. Auch komme es nicht darauf an, ob die Stadt A-Stadt über den Antrag in dieser Form hätte entscheiden dürfen. Eine Anrechnung nach § 10 Abs. 5 Satz 2 DenkmSchG LSA setze grundsätzlich voraus, dass die möglichen Zuwendungen dem Erhaltungspflichtigen verbindlich zugesagt worden seien oder sonst ein Rechtsanspruch darauf bestehe. Dies sei hier hinsichtlich des Förderprogramms im Rahmen des Stadtumbaus Ost nicht der Fall. Rechtsgrundlage für diese Förderung sei die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen des Stadtumbaus-Ost zur Aufwertung von Stadtteilen/Stadtquartieren und zum Abriss/Rückbau dauerhaft leerstehender Wohnungen in nach Stadtentwicklungskonzepten umzustrukturierenden Stadtteilen/Stadtquartieren mit vorrangiger Priorität „Stadtumbau-Ost Stadtteil/Stadtquartier - Aufwertungs- und Abriss/Rückbaurichtlinien“ vom 13. Juni 2003. Nach Ziffer 1.3 dieser Richtlinie bestehe kein Rechtsanspruch der Antragsteller auf Gewährung von Zuwendungen, vielmehr entscheide die Bewilligungsstelle aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Randnummer 21 Auf der Ausgabenseite seien sodann die laufenden jährlichen Kosten zu berücksichtigen. Die Renovierungskosten beliefen sich aktuell auf insgesamt 7.231.000 €, von denen sich die Klägerin allerdings nach § 10 Abs. 5 Satz 3 DenkmSchG LSA einen Abzug in Höhe von 363.956,44 € gefallen lassen müsse. In seinem Gutachten vom 19. August 2018 habe der Gutachter die Kosten, die dadurch verursacht seien, dass Erhaltungsmaßnahmen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlichen Recht zuwider unterblieben seien, auf insgesamt 336.500 € beziffert. Auf der Grundlage der von der Klägerin bereitgestellten Fotoaufnahmen habe er Bauschäden erkannt, die bereits im Jahr 1999 vorlegen hätten, in dem die Klägerin spätestens über die Denkmaleigenschaft des Objektes informiert gewesen sei. Die in Rede stehenden Gebäude hätten sich in diesem Zeitpunkt bereits in einem extrem renovierungsbedürftigen Zustand befunden, für den die Klägerin nicht verantwortlich gemacht werden könne. Verursacht habe sie ab dem Jahr 1999 lediglich die über den bereits vorliegenden Sanierungsstau hinausgehenden Kosten, also die Kosten, die entstanden seien, weil sie das Objekt seit 1999 nicht im erforderlichen Umfang saniert habe. Bei der angesichts der mittlerweile gestiegenen Baukosten gebotenen Anpassung sei ein Betrag von 363.956,44 € zugrunde zu legen, was der durch die Klägerin angegebenen Steigerungsrate der Investitionskosten entspreche. Auf der Ausgabenseite seien weiter die erforderlichen Bewirtschaftungskosten zu berücksichtigen, die in Anlehnung an § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 i.V.m. §§ 25 ff. der Zweiten Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz vom 12. Oktober 1990 zu ermitteln seien. Dass diese von der Klägerin in der aktualisierten Übersicht aufgeführten Kosten unzutreffend ermittelt seien, habe der Beklagte nicht geltend gemacht und sei auch sonst nicht ersichtlich. Auch die dort in Ansatz gebrachten Zinsen (14.500 € Eigenkapitalzinsen für den Eigenmitteianteil in Höhe von 1.450.000 €, insgesamt 62.998,13 € Fremdkapitalzinsen für ein Bankdarlehen in Höhe von 3.541.000 € sowie ein KfW-Darlehen in Höhe von 2.020.000 €) hätten auf der Ausgabenseite berücksichtigt werden können. Als Finanzierungskosten seien sowohl die Eigenkapitalzinsen als auch die Zinsen für das als Kredit aufzunehmende Sanierungskapital anzusetzen, wobei - wie hier geschehen - ein marktüblicher Zinssatz zugrunde zu legen sei (vorliegend: 1 % Zins für das Eigenkapital, 1,8 % Zins für das Bankdarlehen und 0,75 % Zins für das KfW-Darlehen). Tilgungsleistungen blieben im Hinblick auf die durch den Sanierungsaufwand entstehende Substanzverbesserung und Vermögensvermehrung außer Ansatz. Zu berücksichtigen sei weiter, dass die von der Klägerin zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von insgesamt 5.561.000 € erfordere (Bankdarlehen in Höhe von 3.541.000 € sowie ein KfW-Darlehen in Höhe von 2.020.000 €). Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin habe die D-Bank allerdings mit Schreiben vom 29. November 2019 unter Hinweis auf die vergleichsweise sehr hohen Baukosten gegenüber den damit nicht im Einklang stehenden Mieteinnahmen mitgeteilt, dass sie sich (mittlerweile) lediglich in der Lage sehe, ein Darlehen in Höhe von insgesamt 2.000.000 € zur Verfügung zu stellen. Für die Klägerin ergebe sich danach ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 3.197.043.56 €. Randnummer 22 Die Klägerin müsse sich nicht nach § 10 Abs. 6 DenkmSchG LSA entgegenhalten lassen, dass sie sich nicht hinreichend um die Veräußerung des Denkmals zu einem angemessenen Preis bemüht habe. Der Denkmaleigentümer sei im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit nicht verpflichtet, den Nachweis zu erbringen, dass er das Baudenkmal nicht verkaufen oder verpachten könne; diese Pflicht treffe vielmehr die Genehmigungsbehörde. Zwar sei diese Rechtsprechung in Ansehung von Art. 14 GG für private Eigentümer entwickelt worden, und es sei fraglich, ob sich diese Rechtsprechung auf öffentliche Unternehmen ohne weiteres übertragen lasse. Mit Blick auf die Staatszielbestimmung des Art. 36 Abs. 4 Verf LSA könnte auch zu verlangen sein, dass ein öffentliches Unternehmen, das sich auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Erhaltung oder Nutzung eines Denkmals berufe, zusätzlich nachweise, dass es sich erfolglos um die Veräußerung des Denkmals zu einem angemessenen Preis bemüht habe. Letztlich könne diese Frage aber dahinstehen, da die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass sie das Denkmal zu einem angemessenen Preis nicht verkaufen könne. Sie habe vorgetragen, dass es innerhalb von zwei Jahren lediglich zwei Interessenbekundungen gegeben habe, die allerdings nach kürzester Zeit gescheitert seien, und es auch aktuell keine Kaufinteressenten gebe. Dies erscheine mit Blick auf den hohen Investitionsaufwand und die mageren Renditen, die bei einer Vermietung des Objekts zu erwarten wären, auch nachvollziehbar. Randnummer 23 Die Klägerin sei nicht in der Lage, diese Finanzierungslücke zu schließen. Insbesondere stünden andere finanzielle Mittel, auf die sie zugreifen könnte, nicht zur Verfügung. Der Klägerin wäre es im Sinne einer Quersubventionierung nicht möglich, Gewinne, die sie aus der Bewirtschaftung anderer Objekte erziele, für die Erhaltung des hier in Rede stehenden Objekts zu nutzen. Dies ergebe sich aus den von ihr vorgelegten Jahresabschlüssen für die Jahre 2014 bis 2019. Die Klägerin habe auch plausibel vorgetragen, dass für das laufende Geschäftsjahr 2020 kein relevanter Jahresüberschuss erwirtschaftet werden könne. Sie habe ferner nachgewiesen, dass die Stadt A-Stadt nicht über die erforderlichen Haushaltsmittel verfüge, um der Klägerin einen finanziellen Zuschuss zu gewähren. Der Stadt A-Stadt stünde eine „freie Spitze“ bei der Erfüllung von freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben nicht mehr zur Verfügung, wenn sie der Klägerin die hier erforderlichen 3,2 Mio. € zur Verfügung stellen müsste. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass nach Art. 36 Abs. 1 Verf LSA Kunst, Kultur und Sport durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu fördern seien. Darüber hinaus förderten nach Art. 36 Abs. 3 Verf LSA das Land und die Kommunen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, dass sie öffentlich zugängliche Museen, Büchereien, Gedenkstätten, Theater, Sportstätten und weitere Einrichtungen unterhalten. Müsste die Stadt A-Stadt Spielplätze und Jugendsporteinrichtungen schließen, beträfe dies den Bereich der nach Art. 36 Abs. 1 Verf LSA zu schützenden und zu fördernden sportlichen Betätigung von Kindern und Jugendlichen. Insoweit stünden mehrere landesverfassungsrechtlich geschützte Werte in Konkurrenz, nämlich einerseits der Denkmalschutz nach Art. 36 Abs. 4 Verf LSA und andererseits der Bereich „Kultur und Sport“ nach Art. 36 Abs. 1 Verf LSA. In einer solchen Situation stehe der Gemeinde eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Frage zu, welchem Belang sie im konkreten Fall größeres Gewicht beimessen wolle. Randnummer 24 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat der Beklagte wie folgt begründet: Das Staatsschutzziel des Art. 36 Abs. 4 Verf LSA lege den Kommunen eine erhöhte Erhaltungspflicht für Denkmäler auf. Die gesteigerte Erhaltungspflicht durch die kommunalen Gebietskörperschaften sei auch im DenkmSchG LSA an zentraler Stelle in § 1 Abs. 2 Satz 2 geregelt, wonach die kommunalen Gebietskörperschaften die besondere Pflicht hätten, die ihnen gehörenden und von ihnen genutzten Kulturdenkmale zu erhalten. In der Begründung zum Dritten Investitionserleichterungsgesetz werde ausgeführt: „Da ohnehin das Land, die Landkreise, Gemeinden oder Gemeindeverbände sich regelmäßig stärker als Private für den Erhalt schützenswerter Kulturgüter einsetzen, wird von ihnen ohnehin nur in begrenzten Fällen auf Erhaltungsmaßnahmen verzichtet werden." Die aus Art. 36 Abs. 4 Verf LSA resultierende Beschränkung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts sei durch das überörtliche Interesse am Denkmalschutz gerechtfertigt. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 2. März 1999 den hohen Rang der Gemeinwohlaufgabe Denkmalschutz hervorgehoben. Es sei den Gemeinden und deren Unternehmen im alleinigen oder mehrheitlichen Besitz grundsätzlich auferlegt, für die Erhaltung der in ihrem Eigentum stehenden Kulturdenkmale zu sorgen. Eine Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde sei nur dann gegeben, wenn die Erhaltungspflicht dazu führe, dass sie ihre eigenen Aufgaben nicht mehr erfüllen könne. Die Klägerin, die den gesamten Bestand des kommunalen Wohnungseigentums verwalte, habe in den letzten Wirtschaftsjahren in geringem Umfang Jahresüberschüsse erwirtschaftet. Ihre Pflicht zur Erhaltung des Kulturdenkmals sei, da sie Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge für die Stadt A-Stadt wahrnehme, unmittelbar mit der Haushaltslage der Stadt verbunden. Sofern sie die Aufgabe nicht mehr ausübe, falle diese zur Erfüllung an die Stadt zurück. In den §§ 128 ff. KVG LSA seien Regelungen enthalten, die der Gemeinde ein umfassendes Kontroll- und Einwirkungsrecht auf das Unternehmen gäben. Dabei müsse die nachhaltige Erfüllung des öffentlichen Zwecks im Vordergrund stehen. Die Aufgabenerfüllung müsse dauerhaft gesichert sein. Die Erhaltung der Kulturdenkmale von Gemeinden sei eine gemeindliche Pflichtaufgabe mit Verfassungsrang. Die Gemeinden seien mit ihren ohnehin umfassenden Aufgaben und Kompetenzen aufgrund anderer Gesetze in der Praxis tatsächlich die wichtigsten Träger von Denkmalpflege und Denkmalschutz. Nach der Kommentierung zu § 2 Abs. 2 Halbsatz 1 des Denkmalschutzgesetzes des Landes Niedersachsen, der § 1 Abs. 2 Satz 2 DenkmSchG LSA entspreche, werde ausgeführt, dass die Erhaltungspflicht für die eigenen Kulturdenkmale in verschiedenen Landesdenkmalschutzgesetzen an den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit der Gemeinden gebunden sei und insoweit das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden in zulässiger Weise beschränkt werde. Nach einer Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 16. Januar 2008 sei aufgrund dieser gesteigerten Erhaltungspflicht bei einem in kommunalem Eigentum stehenden Kulturdenkmal, dessen Erhalt unrentabel sei, die Erteilung der Abrisserlaubnis nicht - wie bei einem privaten Eigentümer - zwingend. Vielmehr habe die Denkmalschutzbehörde diesen Gesichtspunkt der Unrentabilität bei der zu treffenden Ermessensentscheidung als abwägungserheblichen Belang - neben anderen - einzubeziehen. Dabei sei z.B. zu prüfen, wie hoch ein eventuelles Defizit sei und ob es der Kommune wegen der gesteigerten Erhaltungspflicht zuzumuten sei, dieses zu tragen. Auch ein Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. September 2015 mache den Unterschied zwischen der Erhaltungspflicht eines Privateigentümers einerseits und der öffentlichen Hand andererseits deutlich. Da nach dem DenkmSchG LSA die grundsätzliche Erhaltungspflicht der Kommunen nicht an ihre Leistungsfähigkeit gebunden sei, könne sich die Gemeinde in zulässiger Weise (nur) auf die im GG verankerte Selbstverwaltungsgarantie, insbesondere die Finanzhoheit berufen. Diese sei aber nicht absolut. Die kommunale Finanzhoheit bestehe nicht darin, dass die Gemeinde nach Belieben frei schalten könne, sondern darin, dass sie verantwortlich disponiere und bei ihren Maßnahmen auch ihre Stellung innerhalb der Selbstverwaltung des modernen Verwaltungsstaates und die sich daraus ergebende Notwendigkeit des Finanzausgleichs in Betracht ziehe. Der verfassungsrechtlich zulässige Gesetzesvorbehalt erfasse auch landesrechtliche Regelungen zur Haushaltswirtschaft und gelte somit auch für die kommunale Finanzhoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die Stadt A-Stadt befinde sich seit 20 Jahren in der Haushaltskonsolidierung. Um Fehlbedarfe zu vermeiden, müsse eine Gemeinde sich auch um eine bessere Ausschöpfung ihrer Einnahmemöglichkeiten und damit eine Erhöhung ihrer laufenden Einnahmen bemühen. Gerade in diesem Bereich seien Reserven etwa bei den Steuerhebesätzen noch vorhanden. Auch auf der Ausgabenseite bestehe noch Spielraum im Hinblick auf die Reduzierung freiwilliger Aufgaben. Die vom Verwaltungsgericht genannten Bereiche Kultur und Sport seien freiwillige Aufgaben. In der mündlichen Verhandlung habe der Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt lediglich dargelegt, dass bei Erhaltung des Kulturdenkmals Spielplätze und Jugendsporteinrichtungen zu schließen wären, nicht aber, dass die Stadt insgesamt die ihr obliegenden Aufgaben - gegebenenfalls nach einem Überdenken der Prioritäten - nicht mehr angemessen oder im erforderlichen Mindestmaß erfüllen könne. Die Bestätigung des verwaltungsgerichtlichen Urteils könnte erhebliche Auswirkungen auf den Bestand der Kulturdenkmale in Sachsen-Anhalt haben. Es stehe zu befürchten, dass für Denkmale der Gemeinden oder deren Wohnungsunternehmen Abbrüche beantragt werden mit dem Ziel, die wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Erhaltung geltend zu machen. Bei den dann möglichen Abbrüchen seien erhebliche Einschnitte in die Denkmallandschaft Sachsen-Anhalts zu befürchten. Eine große Zahl von kommunalen Wohnungen befänden sich im Eigentum der öffentlichen Hand. Randnummer 25 Der Beklagte beantragt, Randnummer 26 das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 27 Die Klägerin beantragt, Randnummer 28 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 29 und verteidigt das angegriffene Urteil. Randnummer 30 Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Randnummer 31 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert der vollstreckungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Thüringer Landessozialgericht 1. Senat
Thüringen
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10.12.2020
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt weitere Zahlungen von Verletztengeld aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit (BK) Nummer 2113 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Randnummer 2 Der 1960 geborene Kläger arbeitete zuletzt als Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie. Seit Oktober 2014 arbeitet der Kläger nicht mehr. Mit Schreiben vom 30. März 2015 zeigte die Krankenversicherung des Klägers wegen einer Wirbelsäulenerkrankung und eines Carpaltunnelsyndroms den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Am 21. Januar 2014 erfolgte die operative Versorgung des Carpaltunnelsyndroms linksseitig und am 8. Oktober 2014 rechtsseitig. Arbeitsunfähigkeit bescheinigte der behandelnde Hausarzt vom 22. Januar bis 20. April 2014 sowie vom 1. Oktober bis 18. November 2014. Anschließend bestanden weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgrund diverser Erkrankungen. Randnummer 3 Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2017 zunächst die Anerkennung einer BK Nr. 2113 BKV abgelehnt hatte, erkannte sie mit Bescheid vom 15. September 2017 die Berufskrankheit an. Folge dieser Berufskrankheit sei ein nach operativer Versorgung folgenlos ausgeheiltes Carpaltunnelsyndrom beidseits. Die hiergegen gerichtete Klage mit dem Ziel einer Rentengewährung blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 12. November 2018 - S 9 U 2035/17 sowie Urteil des Senats vom 21. November 2019 - L 1 U 1523/18 ). Randnummer 4 Mit Schreiben vom 30. November 2018 beauftragte die Beklagte die gesetzliche Krankenversicherung des Klägers mit der Auszahlung von Verletztengeld für die Zeiträume 22. Januar 2014 bis 20. April 2014 sowie 1. Oktober 2014 bis 18. November 2014. Nachdem der Kläger dieses Schreiben zur Kenntnis erhielt, legte er hiergegen Widerspruch ein, der erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2019). Randnummer 5 Mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 stellte die Beklagte fest, dass die über den 18. November 2014 hinausgehende Arbeitsunfähigkeit nicht Folge der anerkannten BK Nr. 2113 sei. Deshalb ergebe sich auch kein Anspruch auf Verletztengeld über den 18. November 2014 hinaus. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb ebenfalls ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2019). Randnummer 6 Gegen die Widerspruchsbescheide vom 24. Januar 2019 und 12. Februar 2019 hat der Kläger Klage erhoben. Er habe sich zu Lasten der D vom 7. Juli bis 4. August 2015 zu einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der M Klinik B befunden. Von dort sei er als arbeitsunfähig entlassen worden. Zu den aufgeführten Diagnosen gehörten ein beidseitiges Carpaltunnelsyndrom. Insoweit ständen ihm weiter das Verletztengeld sowie eine Verletztenrente zu. Auch seien weitere Berufskrankheiten anzuerkennen. Auf Hinweis der Beklagten, dass eine Verletztenrente sowie die Anerkennung weiterer Berufskrankheiten nicht Gegenstand des Verfahren seien und den Hinweis des Gerichts, dass das konkrete Klagebegehren noch unklar sei, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 7. Mai 2019 sowie 13. Mai 2019 sinngemäß, es ginge ihm um die Anerkennung seiner Arbeitsunfähigkeit von Oktober 2014 bis November 2015 und darüber hinaus und die Zahlung von Verletztengeld ab 19. November 2014, weil weiterhin Arbeitsunfähigkeit vorliege. Randnummer 7 Mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2020 hat das Sozialgericht die auf die Abänderung der Bescheide vom 30. November 2018 und 19. Dezember 2018 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Januar 2014 und 12. Februar 2014 (richtig 2019) und Zahlung weiteren Verletztengeldes gerichtete Klage abgewiesen. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen sei dem Kläger Arbeitsunfähigkeit vom 9. Januar bis 20. April 2014 wegen einer Polyarthritis sowie wegen eines Zervikobrachialsyndroms und ab 20. Januar 2014 bis 20. April 2014 wegen eines Carpaltunnelsyndroms bescheinigt worden. Weitere Arbeitsunfähigkeiten seien wie folgt bescheinigt worden: Vom 3. bis 19. September 2014 wegen einer Polyarthrose und eines Zervikobrachialsyndroms, vom 1. Oktober 2014 bis 13. Mai 2015 wegen einer Spinalkanalstenose und eines Carpaltunnelsyndroms, vom 1. Oktober bis 18. November 2014 wegen einer Infektion, einer Gelenkkrankheit, einer Mononeuropathie der unteren Extremitäten, einer Knochenentzündung und einer Erkrankung des Rückens und schließlich vom 30. November 2015 bis 2. Dezember 2016 wegen einer Spondylose im Lumbalbereich. Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund eines Carpaltunnelsyndroms erstreckten sich nur vom 20. Januar bis 20. April 2014 sowie 1. Oktober bis 18. November 2014. Nur für diese Zeiträume könne der Kläger Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) beanspruchen. Nichts anderes ergebe sich aus der Bescheinigung aufgrund der Kur in B, woraus sich eine Entlassung bei Arbeitsunfähigkeit wegen des Carpaltunnelsyndroms ergebe. Am 19. November 2014 sei die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit wegen eines nicht näher bezeichneten Rückfallfiebers auszumachen und eine danach zeitlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit wegen des Carpaltunnelsyndroms nicht gegeben. Im Übrigen ergebe sich aus dem Auszahlschein für das Krankengeld vom 18. November 2014, dass der Kläger ab dem 19. November 2014 wegen einer gesicherten Borreliose arbeitsunfähig erkrankt sei. Für die Anwendung der Regelung des § 45 Abs. 2 SGB VII bestünden keinerlei Anhaltspunkte, da dem Kläger keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden seien. Randnummer 8 Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er weiterhin die Zahlung des Verletztengeldes begehrt und zudem darauf hinweist, dass ihm durch die D Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden seien. Randnummer 9 Er beantragt, Randnummer 10 die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Meiningen vom 27. Januar 2020 und Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 24. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2020 und des Bescheides vom 19. Dezember 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2019 zu verpflichten, Verletztengeld auch für den Zeitraum ab September 2013, vom 21. April 2014 bis zum 30. September 2014 sowie über den 18. November 2014 hinaus nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 13 Sie hält die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Randnummer 14 Der Senat hat die Verfahrensakte zu dem Rechtsstreit L 1 U 1523/18 beigezogen. In diesem Verfahren wurde während des sozialgerichtlichen Verfahrens durch die Beklagte ein Sachverständigengutachten durch die Neurologin J eingeholt. Diese hat mit ihrem Sachverständigengutachten vom 20. April 2018 festgestellt, dass die Diagnose des beidseitigen Carpaltunnelsyndroms im September 2013 als gesichert anzusehen sei, nach der Operation des Carpaltunnelsyndroms beidseits im Jahr 2014 jedoch folgenlos ausgeheilt sei. Die vom Kläger beschriebenen Schmerzen und Sensibilitätsstörungen seien bei völlig unauffälligen elektrophysiologischen und sonografischen Befunden des Nervus Medianus und auch unauffälligen objektivierbaren neurologischen Befunden nicht auf ein Carpaltunnelsyndrom zurückzuführen. Es bestehe eine konkurrierende Kausalität in Form des HWS-Syndroms mit bildmorphologisch beschriebenen degenerativen Veränderungen, die zu einer Wurzelreizsymptomatik im Dermatom C6 links, C7 beidseits und C5 beidseits führen könnten. Mit ergänzender Stellungnahme hat die Sachverständige J ausgeführt, dass bzgl. der bereits im Januar operierten linken Hand von einer folgenlosen Ausheilung für den Zeitraum bis zur weiteren OP im Oktober auszugehen sei. Für den Zeitraum ab Oktober 2014 sei davon auszugehen, dass das Carpaltunnelsyndrom nach beidseitigen Operationen ausgeheilt sei.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Meiningen vom 27. Januar 2020 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 3. Kammer
Rheinland-Pfalz
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16.01.2023
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Randnummer 1 Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob das vormals zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht. Randnummer 2 Der 24-jährige verheiratete Kläger war ab dem 15.03.2021 als Helfer/Produktionshelfer/Metall bei der Beklagten, einem Personaldienstleistungsunternehmen i.S.d. § 1 AÜG zu einem Bruttostundenlohn von zuletzt 11,15 EUR beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 2.177,- EUR. Ab dem 15.03.2021 wurde er bei einem in der Automobilzulieferbranche tätigen Entleiher eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet nach Maßgabe des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 10 ff. d.A. Bezug genommen wird, u.a. der Manteltarifvertrag iGZ Anwendung. Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt gemäß § 3 Nr. 3.1.1 des MTV 151,67 Stunden, also wöchentlich durchschnittlich 35 Stunden bzw. täglich 7 Stunden in einer 5-Tage-Woche. Nach § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages i.V.m. § 2 Nr. 2.2 des MTV ist für die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses eine Probezeit vereinbart, in der ab dem dritten Monat eine Kündigungsfrist von zwei Wochen gilt. Randnummer 3 Der Kläger meldete sich bei der Beklagten am 14.05.2021 als erkrankt ab. Er blieb der Arbeit ab dem 15.05.2021 fern und legte folgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor: Randnummer 4 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.05.2021 als Erstbescheinigung, Arbeitsunfähigkeit attestierend bis 21.05.2021 (auf Bl. 61 d.A. sowie auf den Durchgangsarztbericht, vgl. Bl. 67 d.A. wird verwiesen) Randnummer 5 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 21.05.2021 als Folgebescheinigung, Arbeitsunfähigkeit attestierend bis 04.06.2021 (auf Bl. 60 d.A. sowie auf den Verlaufsbericht, vgl. Bl. 69 d.A. wird verwiesen) Randnummer 6 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 07.06.2021 als Erstbescheinigung, Arbeitsunfähigkeit attestierend bis 14.06.2021 (auf Bl. 59 d.A. wird verwiesen) Randnummer 7 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.06.2021 als Erstbescheinigung, Arbeitsunfähigkeit attestierend bis 28.06.2021 (auf Bl. 58 d.A. wird verwiesen) Randnummer 8 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28.06.2021 als Folgebescheinigung, Arbeitsunfähigkeit attestierend bis 13.07.2021 (auf Bl. 57 d.A. wird verwiesen), Randnummer 9 Die Beklagte zahlte dem Kläger daraufhin ab dem 01.06.2021 keine Vergütung mehr, ab dem 26.06.2021 erhielt der Kläger Krankengeld. Am 02.07.2021 fand ein Personalgespräch im Betrieb der Beklagten statt. Am 05.07.2021 erhielt der Kläger zwei Briefsendungen der Beklagten. Zum einen ein mit "Abmahnung" überschriebenes Schriftstück vom 02.07.2021, in dem die Beklagte rügte, der Kläger habe einen Arbeitsunfall am 14.05.2021 vorgetäuscht; hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 20 d.A. Bezug genommen. Des Weiteren ein zweites Schreiben, ebenfalls mit Datum vom 02.07.2021, in dem die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärte und hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 21 d.A. Bezug genommen wird. Dieses Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut: Randnummer 10 "Außerordentliche Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses Randnummer 11 (…) Randnummer 12 wir kündigen das (…) Arbeitsverhältnis fristlos zum 02.07.2021, hilfsweise zum nächst möglichen Termin. (…)" Randnummer 13 Unterhalb des Textes des Kündigungsschreibens befindet sich eine Grußformel "Mit freundlichen Grüßen", darunter ein Unterschriftsfeld und darunter der gedruckte Namenszug des Geschäftsführers der Beklagten mit dem Zusatz "Geschäftsführer". Im Unterschriftsfeld wurden per Stempel Name und Anschrift der Beklagten aufgebracht und darüber enthält es handschriftliche Schriftzeichen. Randnummer 14 Der Kläger hat vorgetragen, Randnummer 15 die ab dem 14.05.2021 bis zum 14.06.2021 eingetretene Arbeitsunfähigkeit habe auf im Betrieb des Entleihers am 14.05.2021 infolge eines Arbeitsunfalls zugezogenen Verletzungen beruht (s. Bl. 88 d.A.). Die ab 14.06.2021 eingetretene Arbeitsunfähigkeit beruhe auf einer anderen, unfallunabhängigen Ursache. Randnummer 16 Die Kündigung der Beklagten sei bereits mangels einer handschriftlichen Unterschrift gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig; handschriftlich sei unter dem Kündigungsschreiben lediglich eine Paraphe angebracht worden. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bestehe nicht. Eine Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung sei nicht möglich, da ein Wille der Beklagten, das Arbeitsverhältnis unter allen denkbaren Umständen zu beenden, nicht erkennbar sei. Auch eine ordentliche Kündigung sei außerdem nicht wirksam, da die Beklagte aus den gleichen Gründen wie in der Abmahnung genannt gekündigt habe und somit mit Ausspruch der Abmahnung auf Ausspruch einer Kündigung aus dem gleichen Grund verzichtet habe. Randnummer 17 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 18 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die im Schreiben der Beklagten vom 02.07.2021 "fristlos zum 02.07.2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin" erklärte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, Randnummer 19 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht aufgrund anderer Tatbestände beendet ist, sondern fortbesteht, Randnummer 20 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.699,74 EUR brutto Arbeitsentgelt für die Zeit vom 01.06.2021 bis 25.06.2021 zu zahlen nebst Zinsen nach einem Zinssatz entsprechend fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB p.a. ab 16.07.2021, Randnummer 21 4. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein schriftliches Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der Tätigkeit sowie auf die Leistung und das Verhalten des Klägers in dem Arbeitsverhältnis erstreckt, Randnummer 22 5. hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet sein sollte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 626,22 EUR brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen nebst Zinsen nach einem Zinssatz entsprechend fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB p.a. ab 16.07.2021. Randnummer 23 Die Beklagte beantragt, Randnummer 24 die Klage abzuweisen. Randnummer 25 Die Beklagte hat vorgetragen, Randnummer 26 der angebliche Arbeitsunfall des Klägers am 14.05.2021 sei weder ihr noch dem Entleiherbetrieb gemeldet worden. Es sei dort auch nicht bekannt, der Kläger habe diesen folglich nur vorgetäuscht. In dem Personalgespräch am 02.07.2021 sei dies angesprochen worden. Der Kläger habe aber darauf beharrt, dass der Unfall stattgefunden habe. Weiter habe er erklärt, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Sie, die Beklagte, habe wegen dieser Ankündigung die Kündigung ausgesprochen. Die Kündigung sei auch formwirksam von ihrem Geschäftsführer unterzeichnet worden. Der Schriftzug gebe Hinweise auf dessen Identität, ein großes "D" sei deutlich erkennbar. Randnummer 27 Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin durch Urteil vom 09.12.2021 - 5 Ca 1692/21 - festgestellt, dass die Kündigung vom 02.07.2021 als außerordentliche Kündigung unwirksam ist, jedoch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnisses zum 19.07.2021 aufgelöst hat. Des Weiteren hat es die Beklagte zur Zahlung von 1699,74 EUR brutto abzüglich gezahlten Krankengelds, weiteren 771,62 EUR brutto nebst Zinsen sowie zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 99 d.A. Bezug genommen. Randnummer 28 Gegen das ihm 06.05.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am (Montag, den) 07.06.2022 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 06.07.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte hat auf die Berufungsbegründung durch am 25.07.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz erwidert. Randnummer 29 Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, Randnummer 30 der Urteilstenor müsse richtigerweise lauten, dass festgestellt werde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom 02.07.2021 nicht aufgelöst ist, und zwar weder am 02.07.2021 noch mit Zugang des Schreibens am 05.07.2021 (s. Bl. 130 f. d.A.). Mangels Zugangs vor dem 05.07.2021 könne die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht "zum 02.07.2021" aufgelöst haben. Die Kündigung vom 02.07.2021 habe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis auch nicht als ordentliche Kündigung zum 19.07.2021 aufgelöst (s. Bl. 133 ff. d.A.). Denn die Kündigung sei nichtig gemäß § 125 Satz 1 BGB (s. Bl. 133 ff. d.A.). Aus dem Zeichnungsgebilde auf dem Kündigungsschreiben vom 02.07.2021 lasse sich nicht ein Wille zur Zeichnung zumindest mit dem vollständigen Nachnamen des Geschäftsführers M. D. der Beklagten ersehen. Dafür genüge schon nicht einmal die räumliche Ausdehnung des Zeichnungsgebildes, um den gesamten Nachnamen D. zu repräsentieren. Auch bei Kenntnis des Namens könne man in dem Zeichnungsgebilde keinen einzigen Buchstaben des Namens auch nur angedeutet wiederfinden. Das Zeichnungsgebilde sei nur als Abkürzung und damit als sog. Handzeichen anzusehen. Dieses habe aber der notariellen Beurkundung bedurft, die fehle. Keineswegs sei ein bauchig ausgestalteter Buchstabe erkennbar, der geeignet sein könne, ein "D" wiederzugeben. Kein einziger Bestandteil des Zeichnungsgebildes sei bauchig ausgestaltet oder sonst geeignet, einen Willen zur Zeichnung des Großbuchstabens "D" anzudeuten (s. Bl. 135 d.A.). Auch habe das Zeichnungsgebilde keine Höhe von 6 cm und keine Breite von 1 cm, sondern die Höhe betrage nicht mehr als 5,2 cm und die Breite an keiner Stelle mehr als 0,5 cm. Der nach unten führende Bogen sei ungeeignet, irgendeinen Buchstaben des Zunamens "D." anzudeuten. Eine Namensunterschrift setze einen individuellen Schriftzug voraus, der sich, ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Daran fehle es vorliegend (s. Bl. 136 ff. d.A.). Insgesamt handele es sich lediglich um eine Paraphe des Zunamens und nicht als die Zeichnung des vollen Nachnamens. Randnummer 31 Ferner sei die ordentliche Kündigung mit dem Verzicht der Beklagten auf eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung vom selben Tage gewesen seien, unvereinbar und folglich rechtsunwirksam. Mit der Abmahnung habe die Beklagte auf die dahin enthaltenen Vorwürfe als Kündigungsgrund verzichtet (s. Bl. 138 f. d.A.). Schließlich habe das Arbeitsgericht den allgemeinen Feststellungsklageantrag als unzulässig abgewiesen. Insoweit sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein ausreichendes Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO gegeben gewesen (s. Bl. 139 d.A.). Randnummer 32 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.07.2022 (Bl. 127 - 139 d.A.) sowie seinen Schriftsatz vom 05.09.2022 (Bl. 159 f. d.A.) Bezug genommen. Randnummer 33 Der Kläger beantragt, Randnummer 34 1. das am 9.12.2021 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Az. 5 Ca 1692/21 – wird in Ziffer 1. lit. a. und lit. e. des Urteilstenors abgeändert. Randnummer 35 2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die im Schreiben der Beklagten vom 2.7.2021 „fristlos zum 02.07.2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin“ erklärte Kündigung nicht aufgelöst ist, und zwar auch nicht zum Ablauf des 19.7.2021 Randnummer 36 3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht aufgrund anderer Tatbestände beendet ist, sondern fortbesteht. Randnummer 37 Die Beklagte beantragt, Randnummer 38 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2021 - 5 Ca 1692/21 - zurückzuweisen. Randnummer 39 Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, das Arbeitsverhältnis habe zutreffend angenommen, dass die Formulierung des Kündigungsschreibens "hilfsweise zum nächstmöglichen Termin" zum Ausdruck gebracht habe, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche fristgemäße Kündigung habe beendet werden sollen. Jedenfalls aber sei die Erklärung im Wege der Umdeutung als ordentliche Kündigung zu verstehen (s. Bl. 150 d.A.). Die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 125 BGB. Der Schriftzug auf der Kündigungserklärung vom 02.07.2021 sei als Wiedergabe eines Namens und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennbar. Das Vorbringen des Klägers beziehe sich letztlich auf die von ihm in Abrede gestellte Lesbarkeit des Namenszuges, die jedoch für die Wirksamkeit der Unterschriftsleistung nicht maßgeblich sei, weil ein die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnender Schriftzug, der individuelle, charakteristische Merkmale aufweise, die die Nachahmung erschwerten und die sich als Wiedergabe eines Namens darstelle, gegeben sei. Unterschriftsleistungen in Form des sehr kurzen Nachnamens des Geschäftsführers der Beklagten sei demzufolge gegeben. Bei der Unterschriftsgebilder könne es sich auch nicht lediglich um ein "D" handeln, also eine Paraphe des Nachnamens des Geschäftsführers der Beklagten. Denn es sei offenkundig, dass das Unterschriftsgebilde nicht lediglich einen Buchstaben darstelle. Randnummer 40 Die Beklagte habe ihr Kündigungsrecht nicht aufgrund einer vorausgegangenen Abmahnung "verbraucht". Dabei komme es nicht einmal darauf an, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis aufgrund von Gründen gekündigt habe, die außerhalb des abgemahnten Sachverhalts gelegen seien. Denn die Kündigung sei erfolgt, weil der Kläger angekündigt habe, nicht mehr zur Arbeit erscheinen zu wollen. Die Abmahnung sei hingegen aufgrund eines anderen Sachverhalts erfolgt. Randnummer 41 Dem allgemeinen Feststellungsantrag des Klägers fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger selbst keine weiteren Sachverhalte darlege, mit dem sich ein Feststellungsinteresse begründen lassen könne. Randnummer 42 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 25.07.2022 (Bl. 150 - 152 d.A.) und den Schriftsatz vom 20.09.2022 (Bl. 164 d.A.) Bezug genommen. Randnummer 43 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Randnummer 44 Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.08.2022, in dem eine streitige Verhandlung nicht durchgeführt werden konnte, weil ein ordnungsgemäß geladener ehrenamtlicher Richter ohne Angabe von Gründen nicht erschienen und auch telefonisch nicht erreich war, erging auf Antrag beider Parteien folgender Beschluss: Randnummer 45 1. Das Berufungsverfahren soll im schriftlichen Verfahren zu Ende geführt werden. Randnummer 46 2. Der Klägervertreter erhält Schriftsatznachlass bis zum 05.09.2022 , auch mit der Maßgabe, zu überprüfen, ob die Berufung zurückgenommen wird. Randnummer 47 3. Termin zur Beratung und Entscheidung wird von Amts wegen sodann bestimmt. Randnummer 48 Daraufhin wurde Termin zur nicht-öffentlichen Beratung bestimmt auf den 05.12.2022, in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt wurde auf den 16.01.2023, in dem das Urteil verkündet worden ist (s. Bl. 176 f. d.A.).
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.12.2021 - 5 Ca 1692/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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ArbG Gießen 6. Fachkammer
Hessen
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22.11.2017
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung. Der am xx.xx.1961 geborene, ledige Kläger ist seit dem 19.10.1998 bei den Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika in der Dienststelle Army & Air Force Exchange Service – A Distribution Center in A als Werksleiter beschäftigt. Die monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 3.659,26 €. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) vom 16.12.1966 nebst Ergänzungstarifverträgen Anwendung. Ebenso gilt der Tarifvertrag über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (Schutz-TV) vom 02.07.1997. Dieser enthält unter anderem die nachfolgende Regelung: „§ 8 Kündigungsschutz und Persönliche Zulage 1. Nach einer anrechenbaren Beschäftigungszeit von 15 Jahren kann das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers, der das 40. Lebensjahr vollendet hat, vom Arbeitgeber nicht mehr durch ordentliche Kündigung beendet werden. 2. Der Kündigungsschutz nach Ziffer 1 erstreckt sich nicht auf Kündigungen aus einem der folgenden Gründe: a) Auflösung der Beschäftigungsdienststelle b) Verlegung der Beschäftigungsdienststelle aus dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages (Bundesrepublik Deutschland) c) Fortfall des Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers aus anderen als den in a) und b) genannten Gründen d) Verlegung des Aufgabenbereichs des Arbeitnehmers mit seiner Beschäftigungsdienststelle oder zu einer anderen Beschäftigungsdienststelle im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages (Bundesrepublik Deutschland). Die für die ordentliche Kündigung geltenden Fristen sind in jedem der Fälle a) bis d) einzuhalten. Ziffer 3b wird davon nicht betroffen. 3. Von dem Kündigungsschutz werden nicht berührt: a) die Änderungskündigung b) die außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB. (…)“ Mit der Ankündigung „USAREUR Release No. 20100623-01-DE“ (Anlage B 3, Bl. 121-129 der Akte) vom 23.06.2010 (sog. „Round 56 Announcement“) gab das US Verteidigungsministerium unter anderem bekannt (Auszug): (…) Seite 7: - „AAFES Distribution Center A Operations, A Army Depot, wird bis zum Geschäftsjahr 2014 nach C Army Depot verlegt, vorausgesetzt, die nötigen Baumaßnahmen sind rechtzeitig beendet.“ (…) Seite 8: „Phase 3 der Schließungen beinhaltet folgende Standorte, entsprechend der vom US-Verteidigungsministerium erwarteten Mitteilung vom 23. Juni: A: - A General Depot bis 2015“ (…) Seite 9: „Das AAFES Distribution Center, zurzeit in A, wird voraussichtlich 2014 nach C General Depot verlegt. (…) Wenn das AAFES Distribution Center von A nach C verlegt ist, wird das A General Depot 2015 geschlossen und an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben.“ Mit Email vom 19.05.2014 leitete die Mittelbehörde (AAFES Europe Region) im Hinblick auf die geplante organisatorische Maßnahme ein Mitwirkungsverfahren bei der Bezirksbetriebsvertretung ein. Nach Abschluss des Stufenverfahrens teilte die Oberste Dienstbehörde mit Schreiben vom 27.10.2014 (Anlage B 4, Bl. 130-134 der Akte) mit, dass die Maßnahme ungeachtet der Bedenken der Bezirksbetriebsvertretung und Hauptbetriebsvertretung antragsgemäß durchgeführt werden solle. Mit Schreiben vom 29. März 2016 kündigten die Vereinigten Staaten von Amerika das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 11. Januar 2017 stellte das Arbeitsgericht Gießen (Az. 6 Ca 181/16) fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. März 2016 nicht aufgelöst wird. Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 (Anlage B 10, Bl. 147-150 der Akte) hörte die Dienststelle die örtliche Betriebsvertretung zu der beabsichtigten Änderungskündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 13. März 2017 widersprach die örtliche Betriebsvertretung und beantragte mit Schreiben vom 22. März 2017 die Entscheidung der Mittelbehörde. Diese beantragte mit Schreiben vom 5. Mai 2017 die Mitwirkung und Zustimmung der Bezirksbetriebsvertretung. Die Bezirksbetriebsvertretung verweigerte die Zustimmung mit Schreiben vom 19. Mai 2017 und beantragte mit Schreiben vom 2. Juni 2017 die Entscheidung der obersten Dienstbehörde. Unter dem 20. Juni 2017 beantragte die oberste Dienstbehörde die Zustimmung der Hauptbetriebsvertretung. Diese nahm mit Schreiben vom 5. Juli 2017 Stellung und erhob keine Einwände. Mit Ablauf des 31. März 2017 wurde der Betrieb am Standort A vollständig eingestellt. Seitdem findet eine Prozessbeschäftigung des Klägers statt. Mit Schreiben vom 11. Juli 2017, dem Kläger am 12. Juli 2017 zugegangen, kündigten die Vereinigten Staaten von Amerika das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2018, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 1. Februar 2018 zu den nachfolgenden Bedingungen fortzusetzen: Tätigkeitsbezeichnung: Facilities Maintenance Supervisor Dienststelle: Exchange, C Distribution Center Dienstort: C Eingruppierung: C-5/ES Grundgehalt: 3.370,20 EUR Freiwillige Besitzstandszulage: 289,06 EUR Arbeitszeit: 38,5 Stunden/Woche Unterzeichnet war das Kündigungsschreiben von Frau D mit dem Zusatz „Personalleiterin“. Insoweit wird auf den Inhalt des Kündigungsschreibens vom 11. Juli 2017 (Bl. 15-17 der Akte) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 14. Juli 2017, auf dessen Inhalt (Bl. 19-20 der Akte) Bezug genommen wird, wies der Kläger das Kündigungsschreiben gemäß § 174 BGB zurück. Unter dem 1. August 2017 (Bl. 18 der Akte) nahm der Kläger das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an. Mit am 1. August 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, welcher der Beklagten am 7. August 2017 zugestellt wurde, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers Änderungsschutzklage erhoben. Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei aufgrund des Sonderkündigungsschutzes in § 8 Schutz-TV unwirksam. Ferner sei die Betriebsvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. So sei das Beteiligungsverfahren der örtlichen Betriebsvertretung nach der Schließung des Standorts A zum 31. März 2017 ins Leere gelaufen. Nach dem 1. April 2017 hätte anstelle der örtlichen Betriebsvertretung die Bezirksbetriebsvertretung beteiligt werden müssen. Schließlich sei die Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage gemäß § 174 BGB unwirksam. Insbesondere hätte die Kündigung nicht durch die Dienststelle C ausgesprochen werden können. An sich sei die Dienststelle A zuständig gewesen. Da dies nach dem 31. März 2017 nicht mehr möglich gewesen sei, hätte die Kündigung durch die Mittelbehörde ausgesprochen werden müssen. Eine Bevollmächtigung der Frau D als Personalleiterin sei nicht nachgewiesen gewesen. Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 11. Juli 2017 sozial ungerechtfertigt oder die Änderungskündigung mit Schreiben der Army & Air Force Exchange Service – C Distribution Center – vom 11. Juli 2017 aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, der Sonderkündigungsschutz gemäß § 8 Schutz TV umfasse keine Änderungskündigungen. Die Betriebsvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Nur im Falle einer ersatzlosen Auflösung der Dienststelle wäre gemäß § 82 Abs. 1 BPersVG die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Dieser Fall habe jedoch nicht vorgelegen. Die Zurückweisung gemäß § 174 BGB gehe ins Leere. Die Kündigung sei von der Personalleiterin Frau D unterzeichnet worden. Ihre Kündigungsberechtigung ergebe sich bereits aus der Stellung als Personalleiterin. Sie sei auch zur Kündigung berechtigt gewesen. Arbeitgeber sei nicht die Dienststelle, sondern der Entsendestaat. Zudem handele es sich um eine Verlegung der Dienststelle von A nach C, daher sei der Kläger auch nach der Verlegung weiterhin dieser Dienststelle zugeordnet. Durch die Verlegung habe diese nicht aufgehört zu existieren, sondern die Dienststelle sei verlegt worden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Inhalt der gewechselten und in mündlicher Verhandlung in Bezug genommenen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.977,78 EUR festgesetzt.
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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 8. Senat
Schleswig-Holstein
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28.06.2021
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 8. Oktober 2010 die Weitergewährung von Heilbehandlungsmaßnahmen über den 23. April 2013 hinaus. Randnummer 2 Der 1978 geborene Kläger rutschte am 8. Oktober 2010 während seiner Tätigkeit als Zerspanungsmechaniker mit dem rechten Fuß beim Besteigen einer Maschine ab und schlug mit dem linken Knie gegen eine Metallkante. Randnummer 3 Der Durchgangsarzt W diagnostizierte am selben Tag eine Knieprellung links. Randnummer 4 Im MRT vom 22. November 2010 zeigten sich unfallunabhängige Veränderungen, so eine degenerative Meniskopathie zweiten Grades im Innenmeniskushinterhorn. Randnummer 5 Am 10. Februar 2011 ist ein unfallbedingter Knorpeldefekt an der medialen Oberschenkelrolle operativ behandelt worden. Randnummer 6 Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 12. September 2012 dem Kläger für den Zeitraum vom 11. Juni 2012 bis zum 31. August 2013 eine Rente als vorläufige Entschädigung (Gesamtvergütung) nach einer MdE in Höhe von 20 v. H. Die Beklagte erkannte folgende Gesundheitsstörungen am linken Bein als Unfallfolgen an: eingeheilte vordere Kreuzbandersatzplastik nach Mikrofakturierung der medialen Femurkondyle und nachfolgendem Riss des vorderen Kreuzbandes, muskulär nicht kompensierte Instabilität des Kniegelenks, endgradige Bewegungseinschränkung des Kniegelenks und Minderung der Oberschenkelmuskulatur. Unfallunabhängig lägen eine Innenmeniskushinterhorndegeneration links sowie ein kleiner Bandscheibenvorfall L5/S1 vor. Randnummer 7 Im MRT vom 12. Februar 2014 zeigte sich ein intaktes Kreuzbandtransplantat mit einer drittgradigen Knorpelschädigung. Randnummer 8 Am 1. April 2014 wurde eine operative Kniegelenksspiegelung durchgeführt. Randnummer 9 Am 26. Mai 2014 berichtete der Facharzt S über eine sich bessernde Belastungsminderung des linken Knies. Es bestehe aber nochmals die Indikation zur Fortführung der EAP. Randnummer 10 In ihrer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Juni 2014 (Bl. 549 Verwaltungsakte – VA) beschrieb W1, dass sich bei der Kniegelenkspiegelung am 1. April 2014 ein II- bis III-gradiger Knorpelschaden im Kniescheibengelenk gezeigt habe, außerdem eine Ersatzknorpeldarstellung in der Hauptbelastungszone der inneren Oberschenkelrolle, eine leicht elongierte Vorderkreuzbandersatzplastik, ein unauffälliger Außenmeniskus und Knorpelverhältnisse im äußeren Kniegelenkskompartiment. Die Indikation zur Kniegelenksspiegelung sei ein anhaltender Schmerz im Bereich des inneren Kniegelenkskompartiments gewesen. Die fortgeschrittene Verschleißumformung im Kniescheibengelenk sei als unfallunabhängig zu werten. Die Beschwerden, die zur Arthroskopie geführt hätten, hätten jedoch zu einem ausgedehnten Knorpelschaden im primär verletzten inneren Kniegelenkskompartiment passen können. Daher sei die Arthroskopie indiziert gewesen, um diesen Knorpelschaden auszuschließen. Intraoperativ habe sich dann ein gutes Anheilen des Ersatzknorpels bestätigt. Damit seien wesentliche, dauerhafte Unfallfolgen in dem Kniegelenk nicht nachgewiesen worden. Letztendlich habe jedoch der ehemals vorliegende Knorpelschaden zur Indikation der Kniegelenksspiegelung geführt. Daher solle das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren zwei bis drei Wochen nach der Kniegelenksspiegelung abgeschlossen werden. Eine weitere Behandlung wäre dann aufgrund der unfallunabhängigen Veränderungen im Kniescheibengelenk indiziert. Randnummer 11 Mit Bescheid vom 14. Juli 2014 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahme von W1 die Übernahme von Heilbehandlungskosten ab dem 23. April 2014 ab. Bei der Kniegelenksspiegelung (1. April 2014) habe sich das gute Anheilen des Ersatzknorpels gezeigt. Wesentliche, dauerhafte Unfallfolgen im linken Kniegelenk seien nicht nachgewiesen. Die fortgeschrittene Verschleißumformung im Kniescheibengelenk sei unfallunabhängig. Der ehemals vorliegende unfallbedingte Knorpelschaden habe zur Notwendigkeit der Kniegelenksspiegelung geführt. Spätestens bei der Vorstellung am 22. April 2014 sei jedoch nur noch eine Behandlung aufgrund der unfallunabhängigen Veränderungen im Kniescheibengelenk indiziert gewesen. Die anhaltende Beschwerdesymptomatik im Kniegelenk sei auf die unfallunabhängige Verschleißumformung zurückzuführen, sodass das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren ab dem 23. April 2014 abgebrochen werde. Randnummer 12 Den hiergegen am 24. Juli 2014 seitens des Klägers erhobene Widerspruch, mit dem er geltend machte, die anhaltende Beschwerdesymptomatik im Kniegelenk sei nicht auf unfallunabhängige Verschleißumformungen zurückzuführen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2015 zurück. Der Kläger habe solange Anspruch auf Heilbehandlung durch die Beklagte, solange diese rechtlich wesentlich auf die Folgen eines Versicherungsfalls zurückzuführen sei. Die fortbestehenden Beschwerden des Klägers seien nicht mehr auf den Unfall bzw. dessen Folgen zurückzuführen. Der unfallbedingte Knorpeldefekt an der medialen (zur Innenseite hin gelegenen) Oberschenkelrolle sei am 10. Februar 2011 operativ behandelt worden. Die Arthroskopie am 1. April 2014 habe ergeben, dass dieser Knorpelschaden praktisch nicht mehr darstellbar sei. Es habe sich ein kräftiger Ersatzknorpel gefunden. Die Ersatzplastik des vorderen Kreuzbandes sei zwar aufgefasert, aber stabil gewesen. Damit seien wesentliche, dauerhafte Unfallfolgen im linken Knie nicht nachgewiesen. Die anerkannten Unfallfolgen könnten daher nicht die Ursache der Beschwerden des Klägers sein. Da die erneute Operation aber für die Klärung der Zusammenhangsfrage notwendig gewesen sei, sei die anschließende Heilbehandlung für die Dauer von drei Wochen bis zur Untersuchung am 22. April 2014 von der Beklagten übernommen worden. Die Innenmeniskushinterhorndegeneration sowie die zweit- und drittgradigen Knorpelveränderungen (Chondropathie) entlang des Kniescheibengleitlagers seien ausdrücklich als unfallunabhängig bezeichnet worden (Bescheid vom 12. September 2012 bzw. Bescheid vom 7. Februar 2014). Randnummer 13 Hiergegen hat der Kläger am 24. Juni 2015 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat. Randnummer 14 Der Kläger hat sinngemäß beantragt, Randnummer 15 den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Oktober 2010 Heilbehandlung über den 23. April 2014 hinaus zu gewähren. Randnummer 16 Die Beklagte hat sinngemäß beantragt, Randnummer 17 die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Zur Begründung hat sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden berufen. Randnummer 19 Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes A vom 5. Dezember 2016 (Bl. 22-48 GA). Als Folgen des Unfallereignisses stellte A folgende Gesundheitsstörungen fest: verbliebene muskulär kompensierbare saggitale Instabilität des linken Kniegelenks nach Ersatz des vorderen Kreuzbandes, weitgehend abgeheilte traumatische Knorpelschädigung an der inneren Oberschenkelrolle mit korrespondierender Knorpelschädigung der Gelenkfläche des Schienbeinkopfs, geringe Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenks und Minderung der Muskelmasse am linken Ober- und Unterschenkel. Unfallunabhängig lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Knorpelschädigung im Bereich des Kniescheibengelenks links, verschleißbedingte Schädigung des linken Innenmeniskushinterhorns, Knorpelschäden im Bereich der äußeren Oberschenkelrolle links, Knorpelschäden im Bereich der äußeren Gelenkfläche des Schienbeinkopf links und wiederkehrende belastungsabhängige Reizzustände des linken Kniegelenks. Überdies bestünden degenerative Veränderungen am Innen- und Außenmeniskus. Unter Berücksichtigung des Arthroskopiebefundes der zuletzt durchgeführten Arthroskopie sei im Bereich der unfallbedingten Knorpelschädigung eine weitgehende Abheilung eingetreten. Da aber überwiegend ausgeprägte Knorpelschäden wie auch Meniskusschäden zu chronischen Reizzuständen des Kniegelenks führten und eine relevante Instabilität des Gelenks bei der Untersuchung nicht habe festgestellt werden können, sei davon auszugehen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen für die vorliegenden Beschwerden und insgesamt geminderte Belastbarkeit mit wiederkehrenden Reizzuständen ursächlich seien. Randnummer 20 Die Beteiligten sind zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Randnummer 21 Mit Gerichtsbescheid vom 11. Dezember 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf weitere Heilbehandlungsmaßnahmen über den 23. April 2013 hinaus. Das Sozialgericht hat sich auf die Ausführungen von A gestützt und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Randnummer 22 Der Kläger hat gegen den ihm am 2. Januar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid am 25. Januar 2018 Berufung eingelegt, mit dem er sein Begehren weiterverfolgt. Ein nach einem Knorpelschaden kräftiger Ersatzknorpel unterbreche nicht den Ursachenzusammenhang. Dieser habe sich erst nach drei Jahren herausgebildet. Die zwischenzeitliche Instabilität sei Ursache des stärkeren Verschleißes. Vor dem Unfall habe kein ernsthafter Verschleiß des Kniegelenkes bestanden. Randnummer 23 Der Kläger beantragt, Randnummer 24 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 11. Dezember 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm – dem Kläger – wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 8. Oktober 2010 Heilbehandlung über den 23. April 2014 hinaus zu gewähren. Randnummer 25 Die Beklagte beantragt, Randnummer 26 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 27 Sie hat das angefochtene Urteil verteidigt. Randnummer 28 Mit Beschluss vom 18. Mai 2021 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen. Randnummer 29 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 11. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Klägers sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Kassel 1. Kammer für Handelssachen
Hessen
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15.01.2004
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Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Il Nr. 2 UWG, der insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung der gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Die Beklagte betreibt in „…“ in der „…“ im Einkaufszentrum „…“ unter anderem den Einzelhandel mit Elektronikartikeln. In einer Zeitungsbeilage zur „…“ („…“) vom „…“ warb die Beklagte für einen Akku-Netzrasierer vom Typ Philips HQ 8893 zum Preis von 139,00 €. Unmittelbar unter dem in Großdruck herausgestellten Preis befindet sich folgender Hinweis: Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers: € 239,99, € 100,99 billiger. Auf die weiteren Einzelheiten der Werbeanzeige (BI. 5 d. A.) wird Bezug genommen. Der beworbene Rasierapparat ist in der Produktinformation des Herstellers Philips für das Jahr 2003 über Philips Elektrohausgeräte nicht enthalten. Die Klägerin sieht in der Werbung einen Verstoß gegen § 3 UWG. Die streitgegenständliche Werbung - so macht sie geltend - führe den Verbraucher irre Ober die Preisbemessung der Ware. Da es sich um ein Auslaufmodell handele, sei der Rasierapparat nicht mehr im Lieferprogramm des Herstellers vorhanden, weshalb auch nicht von einer unverbindlichen Preisempfehlung ausgegangen werden könne. Eine entsprechende Hinweisverpflichtung des Handels bestehe zweifellos bei hochpreisigen Artikeln auf dem Kleinelektrosektor, zu denen Rasierapparate zählten. Aufgrund des verhältnismäßig hohen Preises und der üblicherweise längeren Haltbarkeit lege der Verbraucher Wert darauf, dass das Gerät nicht bereits nach kurzer Zeit veraltet sei. Hinzu komme, dass wegen der üblichen Langlebigkeit von Rasierapparaten der Verbraucher Wert auf Möglichkeiten der Ersatzteilbeschaffung lege und schon deshalb daran interessiert sei, ob es sich um ein neues Modell oder um ein Auslaufmodell handele. Auch die Bewerbung eines Sondermodells mit einer nicht existenten unverbindlichen Preisempfehlung sei wettbewerbswidrig, weil sie gegen das Gebot der Preiswahrheit verstoße. Mit Schreiben vom 22.09.2003 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie auf, bis zum 1. Oktober 2003 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit der Klage begehrt der Kläger Unterlassung und Erstattung der Kosten für die Abmahnung in Höhe von 189,00 €. Der Kläger beantragt die Beklagte zu verurteilen, 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, im Nichtbeitreibungsfall von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer „…“, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an Letztverbraucher gerichteten Werbung in Zeitungsbeilagen oder sonstigen werblichen Mitteilungen für Rasierapparate der Marke Philips, die nicht mehr in der aktuellen Produktinformationsliste des Herstellers aufgelistet sind, zu werben, ohne dass das beworbene Produkt deutlich und unmissverständlich als Auslaufmodell gekennzeichnet wird, 2. an die Klägerin € 189,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu bezahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Bei dem streitgegenständlichen Rasierer - so macht die Beklagte geltend - handele es sich nicht um ein Auslaufmodell, sondern um ein aktuelles Sondermodell. Sondermodelle seien in der aktuellen Produktinformation der Beklagten nicht aufgeführt. Allen Käufern des Rasierapparates werde aber eine entsprechende Produktinformation übergeben, in der eine unverbindliche Preisempfehlung von 239,99 € angegeben sei.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- €, im Nichtbeitreibungsfall von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführer „…“, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der an Letztverbraucher gerichteten Werbung in Zeitungsbeilagen oder sonstigen werblichen Mitteilungen für Rasierapparate der Marke Philips, die nicht mehr in der aktuellen Produktinformationsliste des Herstellers aufgelistet sind, zu werben, ohne dass das beworbene Produkt deutlich und unmissverständlich als Auslaufmodell oder Sondermodell gekennzeichnet wird. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,-- € nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 28.10.2003 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 1200,-- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Hessisches Landessozialgericht 7. Senat
Hessen
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04.12.2006
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Existenzgründungszuschuss (EGZ) nach § 421 l Sozialgesetzbuch Drittes Buch– Arbeitsförderung (SGB III) auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende anzurechnen ist. Randnummer 2 Die Antragstellerin erhielt seit dem 1. Oktober 2004 von der Bundesagentur für Arbeit einen EGZ gemäß § 421 l SGB III in Höhe von monatlich 600,00 Euro, seit dem 1. Oktober 2005 von monatlich 360,00 Euro. Seit dem 1. Oktober 2004 betreibt die Antragstellerin, gelernte Anwaltsgehilfin, den Büroservice O. Randnummer 3 Sie beantragte bei der Antragsgegnerin formlos mit E-Mail vom 31. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Mit Bescheid vom 9. Mai 2005 bewilligte die Antragsgegnerin ihr und Ihrem Ehemann für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 628,86 Euro. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 31. Mai 2005 wies die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Antragstellerin einen EGZ erhalte und seit dem 1. Januar 2005 zusätzlich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Es werde um Prüfung gebeten, ob beide Leistungen gleichzeitig gezahlt werden könnten. Randnummer 5 Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin und ihrem Ehemann unter Anrechnung dessen Einkommens mit Bescheid vom 13. Juli 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2005 in Höhe von monatlich 149,23 Euro. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 10. August 2005 Widerspruch. Sie wandte sich gegen die Anrechnung von Einkünften ihres Ehemannes. Aufgrund der Leistungsreduzierung könne sie den Beitrag für die freiwillige Krankenversicherung in Höhe von 190,18 Euro und für die Rentenversicherung in Höhe von 78,00 Euro nicht mehr finanzieren. Mit Bescheid vom 26. September 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie unter anderem aus, die von der Antragstellerin angegebenen Verpflichtungen aus ihrem Gewerbebetrieb habe sie aus dem EGZ zu zahlen. Der Hauptzweck des EGZ liege ausschließlich darin, die selbstständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma sicherzustellen. Würde man in ihm eine Leistung zum Lebensunterhalt des Existenzgründers sehen, müsste die gesamte Zahlung als Einkommen auf den Bedarf angerechnet werden. Gegen den Bescheid vom 13. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2005 erhob die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage (Aktenzeichen: S 18 AS 315/05) und begehrte vorläufigen Rechtsschutz (Aktenzeichen: S 18 AS 412/05 ER). Randnummer 6 Wegen geänderter Anrechnungsbeträge aufgrund des Einkommens des Ehemannes bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Ehemann mit Änderungsbescheid vom 31. Oktober 2005 Leistungen für den Juli 2005 in Höhe von 243,05 Euro, für den August 2005 in Höhe von 132,04 Euro, für den September 2005 in Höhe von 138,41 Euro, für den Oktober 2005 in Höhe von 244,04 Euro und für den November 2005 in Höhe von 149,23 Euro. Randnummer 7 Die Antragsgegnerin bewilligte sodann mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 der Antragstellerin und ihrem Ehemann Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von monatlich 149,23 Euro. Randnummer 8 Die Beteiligten schlossen am 8. Februar 2006 vor dem SG einen Vergleich, mit dem sie die Verfahren S 18 AS 315/05 und S 18 AS 412/05 ER beendeten. Auf der Grundlage dieses Vergleichs nahm die Antragsgegnerin eine Neuberechnung der Leistungen vor. Randnummer 9 Mit Änderungsbescheid vom 17. Februar 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Ehemann für Juli 2005 243,05 Euro, für August 2005 132,04 Euro, für September 2005 138,41 Euro, für Oktober 2005 244,04 Euro und für November 2005 233,23 Euro. Randnummer 10 Auch für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Mai 2006 nahm die Antragsgegnerin mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 17. Februar 2006 eine Neuberechnung vor. Sie bewilligte der Antragstellerin für Dezember 2005 103,86 Euro, für Januar 2006 796,33 Euro, für Februar 2006 1048,22 Euro und für März 2006 718,22 Euro. Nach den Erläuterungen zum Änderungsbescheid berücksichtigte die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin ab 15. Januar 2006 von ihrem Ehemann getrennt lebte. Ebenso werde ab März 2006 der EGZ von 360,00 Euro abzüglich eines Freibetrages von 30,00 Euro nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II - V) angerechnet. Randnummer 11 Am 29. Mai 2006 beantragte die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten bei der Antragsgegnerin die Überprüfung der Bescheide vom 17. Februar 2006. Unter anderem wandte sie sich gegen die Berücksichtigung des EGZ. Er entstamme dem System des Arbeitslosengeldes I und sei alleine zum Zweck der Gründung eines Unternehmens erteilt worden. Er dürfe nicht mit Leistungen des Arbeitslosengeld II-Systems vermischt werden. Randnummer 12 Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2006, und zwar für die Monate Juni, Juli und August 2006 jeweils 715,48 Euro und für die Monate September, Oktober und November 2006 jeweils 385,00 Euro. Hierbei minderte sie die als angemessen berücksichtigten Kosten für Unterkunft und Heizung ab 1. September 2006 von 700,48 Euro auf 370,00 Euro. Wiederum rechnete die Antragsgegnerin den EGZ an und bewilligte die Leistungen im Hinblick auf von der Antragstellerin noch vorzulegende Nachweise im Zusammenhang mit von ihr geltend gemachten Krankheiten vorläufig. Randnummer 13 Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 16. Juni 2006 Widerspruch und wandte sich gegen die Anrechnung des EGZ und die Herabsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung. Nach Aktenlage hat die Antragsgegnerin diesen Widerspruch noch nicht beschieden. Randnummer 14 Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14. Juni 2006, am 16. Juni 2006 bei dem SG eingegangen, beantragte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr ab dem 1. März 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) ohne Anrechnung des EGZ zu bewilligen. Sie trug vor, der EGZ diene alleine der Absicht, sich selbstständig zu machen. Hilfsweise machte sie geltend, dass nach einer vermittelnden Auffassung der Betrag des EGZ freigestellt bleibe, der als Einstiegsgeld gemäß § 29 Sozialgesetzbuch Zweites Buch– Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) zur Förderung der Selbstständigkeit gezahlt werden könne. Randnummer 15 Die Antragsgegnerin brachte demgegenüber unter Berufung auf einen Beschluss des Senats vom 29. Juni 2005 ( L 7 AS 22/05 ER ) vor, zwischen dem EGZ und Alg II bestünde Zweckidentität, er sei deshalb anrechenbar. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 3. August 2006 verpflichtete das SG die Antragsgegnerin vorläufig, an die Antragstellerin weiteres Alg II in Höhe von 330,00 Euro monatlich für den Zeitraum vom 16. Juni 2006 bis zur Bescheidung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 1. Juni 2006 zu zahlen. Zur Begründung führte das SG aus, eine Anrechnung des EGZ könne nicht erfolgen. Es handele sich um eine Einnahme, die nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Bei der Gegenüberstellung der Zweckrichtung von Einnahmen einerseits und der Leistungen nach dem SGB II andererseits komme es nicht auf einen allgemein übergeordneten Zweck der unterschiedlichen Leistungen nach dem SGB II an. Die Leistungen nach dem SGB II unterschieden sich in ihrer Zweckrichtung voneinander. Auf der einen Seite seien Leistungen vorgesehen, die Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit beendeten und verringerten und auf der anderen Seite Leistungen, welche allein dem Lebensunterhalt dienen sollten. Die Zweckrichtungen wichen so erheblich voneinander ab, dass sie nicht unterschiedslos mit dem Zweck der jeweiligen Einnahmeart zu vergleichen seien. Nur eine solche konkrete Betrachtung werde der Intention des Anrechnungsverbotes gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II gerecht, den besonderen Zweck einer Einnahmeart durch die Leistungsberechtigung nach dem SGB II nicht zu vereiteln. Das Alg II diene der Sicherung des Lebensunterhalts, der EGZ solle die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit erleichtern und die mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oftmals verbundenen Verluste in den ersten Jahren - teilweise - auffangen und die Folgen der in der Gründungsphase noch verringerten Umsatzerlöse mildern. Dieser abweichende Zweck des EGZ ergebe sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut des § 421 l SGB III, jedoch aus dem Aufbau der Anspruchsnorm, der systematischen Einbettung in das Leistungssystem des Arbeitsförderungsrechts und der Gesetzesbegründung. Diesbezüglich gab das SG einen Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. Juni 2005 (L 8 AS 97/05 ER) wieder. In ihm heißt es, nach dem Bericht der Hartz-Kommission (Soziale Sicherheit 2002, S. 254, 259) und der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 15/26, S. 19 zu § 421m) betreffe die Gewährung des EGZ eine neue Form in der Bekämpfung von Schwarzarbeit und diene weiterhin der Förderung einer selbstständigen Tätigkeit. Außerdem wird in dem seitens des SG zitierten Beschluss ausgeführt, der EGZ sei nicht darauf ausgerichtet, den Lebensunterhalt zu sichern. Die Regelung unterscheide sich dadurch von der Vorschrift des § 57 SGB III, in welchem die Gewährung des Überbrückungsgeldes geregelt sei. Die ausdrückliche Nennung des Gesetzeszwecks Sicherung des Lebensunterhalts in § 57 Abs. 1 SGB III fehle in § 421 l SGB III. Neben der Bekämpfung der Schwarzarbeit diene der EGZ weiterhin der sozialen Sicherung. Der Existenzgründer könne mit ihm anfallende Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Die Rentenversicherungspflicht dieses Personenkreises ergebe sich aus § 2 Satz 1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch– Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI). Er werde weiterhin in die Lage versetzt, gegebenenfalls für seine (private) Krankenversicherung zu sorgen und eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen. Diesen Zwecken diene das Alg II nicht. Vielmehr bestimme § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II, dass das Alg II der Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung diene. Zwar seien Alg II-Bezieher rentenversicherungspflichtig nach § 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI. Dabei handele es sich aber nicht um Leistungen nach dem SGB II, sondern um eine Leistung nach einem anderen Sozialgesetzbuch. Entsprechendes gelte für die gesetzliche Krankenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) sowie die soziale Pflegeversicherung (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2a, 59 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)). Der Hauptzweck des EGZ liege darin, die selbstständige Tätigkeit an sich, den Betrieb der Firma sicherzustellen. Die Belastungen durch den Betrieb (Anschaffungen und Erhalt der Betriebsmittel) sollten durch den EGZ aufgefangen werden. Der Bestreitung des Lebensunterhalts dienten das Alg II sowie verbleibende Gewinne aus dem Betrieb. Das SG führte in seinem Beschluss vom 3. August 2006 weiter aus, eine andere Beurteilung lasse sich auch nicht damit begründen, der Gesetzgeber habe nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/26 S. 23) die gleichzeitige Bewilligung von Überbrückungsgeld für eine selbstständige Tätigkeit nach § 57 SGB III ausschließen wollen, um eine weitere, dem Zweck nach gleichgerichtete Leistung und damit eine Doppelförderung zu verhindern. Übergeordneter und unmittelbarer Zweck des Überbrückungsgeldes und des EGZ seien zu unterscheiden. Sowohl das Überbrückungsgeld als auch der EGZ sollten die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit fördern. Sie bedienten sich allerdings unterschiedlicher Instrumente. Gleiches gelte für den Umstand, dass entgegen der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages im Vermittlungsausschuss der EGZ nicht als Eingliederungsleistung nach dem SGB II in §§ 16, 29 SGB II aufgenommen worden sei, die nach § 11 Abs. 1 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen wäre (BT-Drucks. 15/2259). Insoweit habe der Gesetzgeber nur bestimmt, den EGZ nicht in den Katalog der Eingliederungsleistungen aufzunehmen, die die Träger nach dem SGB II zu gewähren hätten, ohne eine Entscheidung über eine Anrechnung als Einkommen zu treffen. Systematisch komme das darin zum Ausdruck, dass der Anrechnungsausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sachlogisch voraussetze, dass ein solcher Ausschluss nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht vorgesehen sei. Für die vorgenannte Zweckrichtung des EGZ spreche auch der tatbestandliche Aufbau der Norm. So sei im Gegensatz zum Überbrückungsgeld die Förderung degressiv gestaltet. Unerheblich sei hingegen, dass der Zuschuss pauschal erbracht werde und davon abhänge, dass ein bestimmtes Arbeitseinkommen nach § 15 SGB IV nicht überschritten werde. In diesen Regelungen sei lediglich eine Ausgabenbegrenzung und Verwaltungsvereinfachung zu erblicken, die nicht ohne weiteres dafür spreche, dass entgegen der vorherigen Gesichtspunkte der EGZ der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sei. Gerechtfertigt sei die Nichtanrechnung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a) SGB II bereits deshalb, weil nur so der Zweck der Zahlung des EGZ als Sozialleistung erhalten bleibe. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil ohne den EGZ die selbstständige Tätigkeit der Antragstellerin gefährdet sei. Da im einstweiligen Rechtsschutz nur eine gegenwärtige Bedarfslage zu decken sei, beschränke sich die vorläufige Leistungsverpflichtung auf den Zeitpunkt von der Antragstellung bis zu der Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Leistungsbescheid vom 1. Juni 2006. Randnummer 17 Gegen den am 7. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 9. August 2006 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 10. August 2006). Die Antragsgegnerin beruft sich weiterhin darauf, es sei eine Zweckidentität zwischen den Leistungen der Grundsicherung und dem EGZ gegeben. Auch die Bundesagentur für Arbeit mache in ihren Hinweisen zu § 11 SGB II deutlich, dass der EGZ keine zweckgebundene Einnahme sei. Er könne lediglich nach § 2a Alg II-V verlustmindernd berücksichtigt werden. Die Antragstellerin habe mitgeteilt, dass sie nach Abzug des EGZ einen Verlust von monatlich 132,00 Euro habe. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Es bestünde nicht die Gefahr, das soziokulturelle Existenzminimum der Antragstellerin in seinem Bestand durch Anrechnung des EGZ anzutasten, da über den Eckregelsatz hinausgehende Leistungen wie der EGZ oder auch der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II nicht zum soziokulturellen Existenzminimum gehörten. Zudem habe die Antragstellerin lediglich pauschal behauptet, dass "die Geschäfte schlecht laufen". Das SG verstoße gegen Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), indem es als hessisches Gericht von einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts abweiche. Randnummer 18 Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 2006 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Randnummer 19 Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen sowie ihr auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu bewilligen. Randnummer 20 Sie trägt ergänzend vor, ihre schlechte Geschäftssituation ergebe sich schon aus den PKH-Antragsunterlagen. Randnummer 21 Den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des SG vom 3. August 2006 hat die Vorsitzende des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts mit Beschluss vom 28. August 2006 im Verfahren L 7 AS 169/06 ER zurückgewiesen. Randnummer 22 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf einen Band Gerichtsakten und zwei Bände Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, die dem Senat vorlagen und zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden sind.
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. III. Der Antragstellerin wird auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Stadt, bewilligt.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 7. Senat
Berlin
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09.05.2018
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Vergütung für die von Weiterbildungsassistentinnen der Klägerin erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach Kapitel 35.2 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM). Streitig ist dabei nur noch, ob die Beklagte dem inzwischen unstreitigen Nachvergütungsanspruch für die Quartale IV/05 und I/06 entgegenhalten kann, die Kläger habe mit Hilfe der Weiterbildungsassistentinnen einen übergroßen Praxisumfang aufrechterhalten. Randnummer 2 Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1992 als Fachärztin für Psychotherapie und Physiotherapie im Verwaltungsbezirk P zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und der Gruppe der ausschließlich psychotherapeutisch tätigen vertragsärztlichen Leistungserbringer zugeordnet. Seit dem Quartal II/1997 wurden ihr Weiterbildungsassistenten bewilligt. Vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2007 waren – jeweils auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Medizin – die Weiterbildungsassistentin S halbtags für die Klägerin tätig, in der Zeit vom 1. Juni 2005 bis zum 31. Mai 2009 die Weiterbildungsassistentin D (ebenfalls halbtags). Randnummer 3 Die Fallzahlen der klägerischen Praxis für die Quartale I/95 bis IV/08 sowie die jeweils angeforderten Punkte (insgesamt und für antragsabhängige, genehmigungspflichtige Leistungen der sog. großen Psychotherapie nach Kap. G. IV bzw. 35.2 EBM) stellten sich wie folgt dar: Randnummer 4 Quartal Fallzahl angeforderte Punkte - gesamt angeforderte genehmigungspflichtige Punkte Kap. G IV (bzw. 35.2) EBM 95/1 207 1.452.215 851.650 95/2 137 771.020 626.720 95/3 162 441.700 240.420 95/4 187 619.150 286.535 96/1 212 836.085 363.645 96/2 214 1.434.850 591.750 96/3 221 1.413.600 547.100 96/4 246 1.534.690 585.650 97/1 298 1.425 170 679.650 97/2 321 1.690.510 743.550 97/3 270 1.502.425 639.600 97/4 304 1.491.400 588.100 98/1 302 1.710 240 775.600 98/2 315 1.630.170 589.100 98/3 272 1.146 065 320.100 98/4 330 1.749 050 581.100 99/1 342 1.848.636 564.900 99/2 336 1.870.414 589.200 99/3 242 1.571.177 667.400 99/4 216 1.600.457 803.200 00/1 212 1.385.783 603.150 00/2 232 1.453.847 526.250 00/3 206 1.364.929 431.050 00/4 190 1.267.295 285.900 01/1 189 1.549.237 399.750 01/2 206 1.474.090 248.650 01/3 199 1.557.044 270.850 01/4 237 1.704.499 458.650 02/1 239 1.719.747 553.900 02/2 224 1.534.339 506.100 02/3 219 1.466.875 518.000 02/4 230 1.580.875 545.600 03/1 236 1.699.395 802.200 03/2 213 1.709.395 582.200 03/3 224 1.776.725 476.850 03/4 198 1.746.050 519.600 04/1 207 1.683.630 531.500 04/2 189 1.619.650 668.700 04/3 188 1.615.390 652.850 04/4 199 1.718.190 619.100 05/1 179 1.465.370 662.100 05/2 188 1.580.005 656.450 05/3 165 1.850.440 868.970 05/4 180 1.770.695 806.705 06/1 212 2.033.070 969.755 06/2 196 1.854.390 967.540 06/3 175 1.775.960 846.615 06/4 184 1.770.615 792.185 07/1 212 2.125.845 1.072.560 07/2 191 1.674.880 744.330 07/3 200 1.661.470 558.825 07/4 205 1.731.030 384.335 08/1 183 1.658.170 485.760 08/2 193 1.588.870 432.720 08/3 141 1.491.390 203.820 08/4 173 1.426.835 41.085 Randnummer 5 In den streitigen Quartalen reichte die Klägerin Gruppen- und Einzeltherapien in folgender Anzahl zur Abrechnung ein: Randnummer 6 Quartal Gruppen- therapie gesamt Gruppen- therapie / 6 Teilnehmer Einze- therapie gesamt Honorar gesamt Honorar für Leistungen nach Kap. 35.2 IV/05 537 90 272 41.020,37 € 30.516,51 € I/06 798 133 251 45.819,28 € 35.659,58 € Randnummer 7 Dabei entfielen im Quartal IV/05 (bzw. I/06) von den insgesamt für Leistungen nach dem Kap. 35.2 EBM angeforderten 806.705 (bzw. 969.755) Punkten auf die Klägerin 380.200 (bzw. 517.215) und auf ihre Weiterbildungsassistentinnen 426.505 (bzw. 452.540). Für das gesamte Quartal wurden 1.770.695 (bzw. 2.033.070) Punkte angefordert. Randnummer 8 Zur Fachgruppe der Klägerin (Fachgruppe 50), zu der alle überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (ohne Ermächtigte), jedoch keine psychologischen Psychotherapeuten zählen, machte die Beklagte folgende Angaben: Randnummer 9 Quartal durchschnittliche Fallzahl Anzahl der Ärzte I/97 108 II/97 117 IV/05 30 220 I/06 31 223 Randnummer 10 Gegen die Honorarfestsetzungen für die Quartale III/05 bis I/06 legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein. Mit Urteil vom 10. November 2010 (S 79 KA 1498/06) verpflichtete das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale IV/05 und I/06, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Honoraransprüche der Klägerin für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen in den genannten Quartalen neu zu bescheiden. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass auch die von den Weiterbildungsassistentinnen erbrachten Leistungen im o.g. Umfang (180.950 Punkte im Quartal IV/05, 43.935 Punkte im Quartal I/06) nach einem Punktwert von 4,423 Ct zu vergüten seien, wenn diese Leistungen der Klägerin zuzurechnen seien. Im Falle der Klägerin bestünden Zweifel, weil sie selbst die Punktzahlobergrenze für Leistungen nach Kap. 35.2 EBM schon zu ca. 70 % (im Quartal I/06) bzw. ca. 90 % (im Quartal IV/05) ausgeschöpft habe. Im Falle einer Zurechnung habe die Beklagte auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des – das Leistungs- bzw. Honorarvolumen der Klägerin beschränkenden – § 32 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) vorgelegen hätten. Hierzu habe das BSG bereits entschieden, dass ein „Praxiszuwachs“ (Fallzuwachs) von 25 % akzeptiert werden könne und für den Vergleich auf den Zeitpunkt abzustellen sei, in denen der Vertragsarzt selbst voll tätig gewesen sei. Zu prüfen sei auch, in welchem Umfang die Klägerin ärztliche Leistungen als Fachärztin für Physiotherapie erbracht und abgerechnet habe, weil sie in diesen Zeiten nicht zur Überwachung und Anleitung der Weiterbildungsassistentinnen zur Verfügung gestanden habe. Randnummer 11 In Umsetzung des Urteils vom 10. November 2010 und der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 13/09 R) unterzog die Beklagte die Praxis der Klägerin einer Überprüfung. Die Tätigkeit ihrer Weiterbildungsassistentinnen beschrieb die Klägerin auf Nachfrage der Beklagten u.a. wie folgt (Schreiben vom 5. November 2010): Jeweils eine Weiterbildungsassistentin begleite eine Gruppe drei bis sechs Monate schweigend, anschließend dürfe sie als Co-Therapeutin fungieren. Nach einem Jahr beginne sie eine eigene Gruppe, in der sie als Therapeutin und die Klägerin als Co-Therapeutin arbeite. Nach zwei Jahren könne die Weiterbildungsassistentin eine eigene Gruppe beginne, in welcher sie – die Klägerin – nur noch sporadisch Kontrollen mache. Randnummer 12 Mit Bescheid vom 30. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen ihr als persönliche Leistungen zuzurechnen seien. Die Überprüfung habe jedoch eindeutig ergeben, dass durch die Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten ein übergroßer Praxisumfang aufrechterhalten worden sei. Eine Änderung des ärztlichen Honorars für die Quartale III/05 bis I/06 werde nicht vorgenommen, da die Klägerin in allen streitgegenständlichen Quartalen eine Vergütung erhalten habe, die oberhalb der Vergütungsobergrenze liege. Die Vergütungsobergrenze errechne sich durch die Multiplikation der Punktzahl i.H.v. 561.150 mit dem Mindestpunktwert (4,423 Cent) und belaufe sich auf 24.819,66 Euro. Randnummer 13 Soweit die Klägerin im Rechtsstreit S 79 KA 1498/06 erstinstanzlich unterlag, legte sie Berufung ein (L 7 KA 121/10). Die Beklagte erkannte „die Honorarforderungen der Klägerin für die streitigen Quartale entsprechend des Urteils des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.09.2011 zum Aktenzeichen L 7 KA 86/08“ an. Dieses Teilanerkenntnis nahm die Klägerin an. Der Rechtsstreit wurde im Erörterungstermin vom 25. April 2013 durch beidseitige Erledigungserklärung beendet, nachdem die Beteiligten vom Berichterstatter darauf hingewiesen worden waren, dass der Bescheid vom 30. Dezember 2011 nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand dieses Rechtsstreits geworden sein dürfte. Randnummer 14 Der gegen den Bescheid vom 30. Dezember 2011 eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2013 zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht aus dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2010. Das Gericht habe Zweifel dahingehend geäußert, ob die von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen der Klägerin zugerechnet werden könnten, da diese schon selbst und höchstpersönlich einen nicht unerheblichen Anteil an antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen erbracht habe. Die Punktgrenze von 561.150 Punkten spiegele das Leistungsvolumen eines psychotherapeutisch Tätigen in vollausgelasteter Praxis wieder. Dies sei sicherlich auch der Grund, warum in der Rechtsprechung von der Obergrenze des Praxisinhabers gesprochen werde. Für Aus- bzw. Weiterbildungsassistenten solle ausreichend Zeit zum Anlernen und Überwachen zur Verfügung stehen, was jedoch bei eigener persönlicher Leistungserbringung in hohem Maße gefährdet sei. Es sei zudem kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb eine Praxis, in der Weiterbildungsassistenten tätig seien, eine vielfach höhere Vergütung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen erhalten sollte. Zwar sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass die Leistungen der Weiterbildungsassistenten der Klägerin zuzuordnen seien. Allein daraus ergebe sich jedoch noch kein Nachvergütungsanspruch. Die weitere Überprüfung der Beklagten habe ergeben, dass die Beschäftigung der Weiterbildungsassistenten dazu geführt habe, dass ein übergroßer Praxisumfang aufrechterhalten worden sei und demnach die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV vorlägen. Die Voraussetzungen, die die Beklagte zur gleichmäßigen Ermessensausübung beschlossen habe, um eine Honorarkürzung im Wege einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung zur Verhinderung der Vergrößerung einer Kassenpraxis durch Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten vorzunehmen, seien im Fall der Klägerin erfüllt. Bei einem übergroßen Praxisumfang seien alle Fälle, die über dem Doppelten des Fachgruppendurchschnitts lägen (Variante a), bei einer Vergrößerung der Kassenpraxis alle Fälle, die oberhalb von 125 % der Fallzahl der Praxis des Vorjahresquartals vor Tätigkeitsaufnahme des Weiterbildungsassistenten lägen (Variante b), mit dem durchschnittlichen praxisindividuellen Fallwert zu multiplizieren. Im Fall der Klägerin sei Variante a) in allen streitgegenständlichen Quartalen erfüllt. Das BSG habe in seiner bisherigen Rechtsprechung bestätigt, dass ab dem Doppelten bzw. dem Zweieinhalbfachen des durchschnittlichen Praxisumfangs von einer übergroßen Praxis auszugehen sei. Vor Genehmigung eines Weiterbildungsassistenten prüfe die Beklagte nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV. Die Genehmigung sei deshalb auch nicht als Bestätigung zu sehen, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht vorlägen. Aufgrund der eigentlich anzusetzenden Honorarrückforderungen i.H.v. 27.348,80 € (Quartal IV/05) und 32.421,50 € (Quartal IV/06) kämen Nachzahlungen vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Randnummer 15 Mit ihrer am 6. September 2013 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat geltend gemacht, die im Quartal IV/05 erbrachten Leistungen seien im Umfang von 180.950 Punkten und die im Quartal I/06 erbrachten Leistungen seien im Umfang von 43.935 Punkten mit dem Mindestpunktwert von 4,423 Cent zu vergüten. Das Produkt der Multiplikation des Mindestpunktwertes mit 561.150 (24.819,66 Euro) als „Maximalhonorargrenze“ festzulegen, sei rechtswidrig. Auch die Begründung, eine Nachzahlung sei zu verweigern, weil die Klägerin ihre Praxis unzulässiger Weise mit Hilfe der Weiterbildungsassistenten in einem übergroßen Umfang aufrechterhalten habe, könne nicht durchgreifen. Randnummer 16 Mit Urteil vom 3. September 2014 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2013 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Honoraranspruch der Klägerin in den Quartalen IV/05 und I/06 erneut unter der Maßgabe zu entscheiden, dass die von Weiterbildungsassistenten erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen im Quartal IV/05 (bzw. I/06) im Umfang von 180.950 Punkten (bzw. 43.935 Punkten) anstatt mit dem bislang zur Berechnung des Honorars herangezogenen Punktwert nunmehr mit dem Punktwert von 4,423 Cent zu vergüten sind. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Randnummer 17 Gemäß Ziffer 2.2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 (DÄ 2005, A 457 ff., aktualisiert um den Änderungsbeschluss aus der 96. Sitzung) müsse der Mindestpunktwert jedoch nur bis zu einer Obergrenze von 561.150 Punkten je Quartal und Arzt bzw. Therapeut vergütet werden. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Mindestpunktwert 4,423 Cent betrage. Die weitere Vorgabe des BSG (vgl. Urteil vom 17. März 2010, a.a.O.), dass alle von den Weiterbildungsassistenten erbrachten Leistungen der Klägerin als eigene Leistungen zugerechnet werden könnten, sei laut des Bescheides vom 30. Dezember 2011 ebenfalls erfüllt. Der Nachvergütung stehe nicht entgegen, dass die Vergütung der Klägerin in den streitbefangenen Quartalen jeweils insgesamt einen Betrag von 24.819,66 Euro überstiegen. Diesen Betrag habe die Beklagte durch die Multiplikation der vom Bewertungsausschuss vorgegebenen Punktmenge von 561.150 Punkten mit dem Mindestpunktwert errechnet. Es handle sich jedoch weder bei der Punktzahl von 561.150 noch bei der sich ergebenden Vergütungssumme vom 24.819,66 Euro um eine Vergütungsobergrenze. Der Klägerin seien nicht 561.150 Punkte zum Mindestpunktwert vergütet worden. Randnummer 18 Dem Nachvergütungsanspruch der Klägerin stehe auch nicht § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV entgegen. Es bestünden zunächst Zweifel daran, dass ein übergroßer Praxisumfang gegeben sei. Die Klägerin weise in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass in den Fällen, in denen Ärzte vermehrt Gruppentherapien abrechneten, also anders als andere Fachgruppen mehrere Patienten zur gleichen Zeit behandelten, das alleinige Abstellen auf den Fallzahlvergleich nicht ausreichen könne. Diese Problematik müsse hier jedoch nicht entschieden werden, da die weitere Voraussetzung des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV – die Kausalität – nicht gegeben sei. Denn dem Wortlaut des § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV sei zu entnehmen, dass zwischen der Vergrößerung der Kassenpraxis oder dem Aufrechterhalten eines übergroßen Praxisumfangs und der Beschäftigung eines Assistenten zumindest ein Ursachenzusammenhang bestehen müsse („dienen“). Andernfalls hätte die Vorschrift dahingehend lauten müssen, dass bei einem übergroßen Praxisumfang kein Weiterbildungsassistent beschäftigt werden dürfe. Insbesondere wenn auf der einen Seite die Genehmigung der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten in einer Praxis mit übergroßen Umfang einer Honorarrückforderung wegen eines Verstoßes nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht entgegenstehe, so müsse auf der anderen Seite dem Gesichtspunkt der Kausalität ein größeres Gewicht beigemessen werden, als dies bislang in der Praxis der Beklagten erfolgt sei. Denn bei der Erteilung der Genehmigung des Weiterbildungsassistenten könne vielfach noch gar nicht abgesehen werden, ob die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Vergrößerung der Praxis oder der Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis diene. Dies lasse sich erst in der Rückschau feststellen. Dass die Genehmigung nicht zugleich die Billigung zu hoher Fallzahlen bedeute, könne jedoch nicht zur Folge haben, dass beim Vorliegen von hohen Fallzahlen zwingend davon auszugehen sei, dass die Beschäftigung des Weiterbildungsassistenten der Aufrechterhaltung des Praxisumfangs diene. Zwar sei die Größe der Praxis der Klägerin zunächst ein Indiz für den von der Beklagten ungeprüft angenommenen kausalen Zusammenhang. Die Kammer sei jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass der Kausalzusammenhang nicht ausreichend nachgewiesen sei. Es sei weiterhin weder eine spezielle Rechtsgrundlage noch ein allgemeiner Grundsatz ersichtlich, weshalb die grundsätzlich die Beklagte – als Anspruchstellerin hinsichtlich der Rückforderung im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung – treffende objektive Beweislast umgekehrt sein solle. Daher müsse die Nichterweislichkeit des kausalen Zusammenhangs zwischen der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten und der Aufrechterhaltung des Praxisumfangs zu Lasten der Beklagten gehen. Auch wenn man davon ausginge, dass die Klägerin, weil ihre Sphäre betroffen sei, eine substantiierte Darlegungslast treffe, sei sie dieser ausreichend nachgekommen. Randnummer 19 Gegen das ihr am 26. September 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Oktober 2014 Berufung eingelegt, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen zur Anwendung von § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV wiederholt und ergänzt; Einwendungen gegen die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen über 561.150 Punkte erhebt sie – wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt – nicht. Die Beklagte ist hinsichtlich des § 32 Abs. 3 Satz 1 Ärzte-ZV der Ansicht, selbst wenn man zugunsten der Klägerin vorliegend zur Feststellung eines übergroßen Praxisumfangs auf die Durchschnittsfallzahl einer verfeinerten Fachgruppe abstelle und nur diejenigen Praxen der Fachgruppe berücksichtige, die ebenfalls gruppentherapeutische Leistungen erbrächten, ergäbe sich kein anderes Bild. Im Quartal IV/05 (bzw. I/06) hätten 16 (bzw. 19) Praxen der Fachgruppe 50 gruppentherapeutische Leistungen nach den GOP 35202, 35203, 35211 und/oder 35222 bis 35225 mit einer durchschnittlichen Fallzahl von jeweils 55 Fällen pro Quartal abgerechnet. Die Auffassung der Klägerin, dass auch die verfeinerte Fachgruppe nicht geeignet sei, eine zuverlässige Aussagekraft über die Fallzahlen zu entfalten, teile die Beklagte nicht. Denn die Beklagte habe überhaupt keine andere Möglichkeit, einen übergroßen Praxisumfang festzustellen, als auf eine bestimmte Vergleichsgruppe abzustellen. Bei einer noch weiter gehenden Verfeinerung der Fachgruppe seien die Zahlen nicht mehr repräsentativ. Hinsichtlich des fraglichen Kausalzusammenhangs sei zu beachten, dass das BSG (BSG) in anderen Konstellationen, z.B. bei der Kooperation fachgleicher Vertragsärzte in einer Praxisgemeinschaft, aus dem Überschreiten eines bestimmten Grenzwerts – in genannten Fall mehr als 50 % gemeinsame Patienten innerhalb eines Quartals – einen Gestaltungsmissbrauch vermute. Randnummer 20 Im Weiteren sei fraglich, ob es zulasten der Beklagten gehen könne, wenn sie Daten für Quartale, die überhaupt nicht streitbefangen sind, nicht mehr vorlegen könne, weil sie aus Datenschutzgründen bereits gelöscht seien. Dies dürfe wohl entscheidend davon abhängen, ob die Beklagte insoweit überhaupt darlegungs- und beweisbelastet sei. Darüber hinaus liege der Zeitpunkt, in dem die Klägerin noch ohne Assistenten arbeitete (Quartal I/1997), im Quartal IV/05 bereits achteinhalb Jahre zurück. Die Klägerin könne über einen Zeitraum von achteinhalb Jahren die Anzahl ihrer Behandlungsfälle jedenfalls auch aus anderen Gründen reduziert haben, aber dennoch einen übergroßen Praxisumfang aufweisen. Hierzu lägen der Beklagten naturgemäß keine Erkenntnisse vor. Randnummer 21 Ihre Rückforderungsansprüche (9.685,33 € für IV/05 und 16.101,69 € für I/06), die die Nachforderung der Kläger (2.461,25 € für beide Quartale zusammen) erheblich überstiegen, habe sie berechnet, indem sie diejenigen Fälle der Klägerin, die das 2,5fache der durchschnittlichen Fallzahl der verfeinerten Fachgruppe überschritten, mit dem individuellen Fallwert der Klägerin multipliziert habe. Rückforderungsansprüche, die über den eingeklagten Nachvergütungsanspruch der Klägerin (2.461,25 € für beide Quartale zusammen) hinausgingen, werde sie nicht geltend machen. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Die Klägerin beantragt, Randnummer 25 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 zurückzuweisen. Randnummer 26 Sie ist der Ansicht, dass für die Bewertung der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV eine vergleichende Betrachtung geboten sei. Mangels entsprechender Zahlen könne dies indes nicht erfolgen. Beim Vergleich der Fallzahlen aus den Quartalen I/1997 und II/1997 mit den zugrunde gelegten Fallzahlen für die hier gegenständlichen Quartale lasse sich weder die Vergrößerung der Kassenpraxis noch die Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs ersehen, zumal die Zahlen rückläufig seien. Randnummer 27 Der Senat hat die o.g. Gerichtsakte zu dem Verfahren mit den Az. S 79 KA 1498/06 und L 7 KA 121/10 beigezogen. Randnummer 28 Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der dem Senat vorgelegen hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. September 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 5. Senat
Hessen
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30.06.2010
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Randnummer 1 Das beklagte Land begehrt mit seiner Berufung die Abweisung der in erster Instanz erfolgreichen Klage gegen seine Bescheide über Fleischuntersuchungsgebühren gegenüber der Klägerin. Randnummer 2 Die Klägerin - eine GmbH - betreibt eine Großschlachterei für Schafe. Für die veterinär- und hygienerechtlichen Untersuchungen der geschlachteten Tiere durch das Staatliche Amt für Lebensmittel, Tierschutz und Veterinärwesen - Landrat des Kreises Bergstraße - erließ die Behörde Kostenbescheide vom 4. März, 16. April, 10. Mai, 3. Juni, 8. Juli, 10. August, 1. September, 5. Oktober, 2. November und 16. Dezember 2004, sowie vom 5. Januar, 10. Februar, 4. März, 15. April, 9. Mai, 9. Juni, 4. Juli, 25. August und 2. September 2005 in Höhe von insgesamt 344.955,09 €. In den Kostenbescheiden ist zugrunde gelegt, dass die Klägerin täglich 120 oder mehr Schafe schlachtete. Randnummer 3 Die Klägerin hat gegen alle Bescheide Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt erhoben. Randnummer 4 Zur Begründung hat sie vorgetragen, alle Kostenbescheide seien rechtswidrig, da nur die europarechtlichen Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 147.405,52 € hätten festgesetzt werden dürfen. Die maßgebliche Richtlinie RL 85/73 EWG sei von der Bundesrepublik Deutschland nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden. Zudem erhebe der Gesetzgeber gemeinschaftsrechtswidrig Gebühren für die bakteriologische und Trichinenuntersuchung, so dass die Ermächtigungsgrundlage nichtig sei. Auch fehlten nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben Differenzierungen nach dem Schlachtgewicht der Schafe. Es könne nicht neben der Schlachtgebühr zusätzlich eine Sondergebühr für Amtshandlungen, die auf besonderen Antrag außerhalb der normalen Schlachtzeiten vorgenommen würden, erhoben werden. Es seien auch lediglich für den Zeitraum 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 Feststellungen bezüglich der Voraussetzungen für höhere Gebühren getroffen worden. Aus diesen könne jedoch nichts für die nachfolgenden Zeiträume hergeleitet werden. Die Gebühren seien entgegen europarechtlicher Vorgaben nicht nach Tierart und Schlachtgewicht in Ansatz gebracht worden. Die Kalkulationsgrundlage sei zudem rechtswidrig, da für die Berechnung der Gebührentatbestände des Veterinärkontroll-Kostengesetzes für die Jahre 1991 bis 1996 Schätzwerte aus dem Jahr 1997 zugrunde gelegt worden seien und nicht die tatsächlich angefallenen Kosten, obwohl diese hätten ermittelt werden können. Für die späteren Zeiträume sei eine Kostenkalkulation überhaupt nicht ersichtlich. Außerdem seien in die Kalkulation allgemeine Verwaltungskosten, wie Personal- und Sachkosten, eingestellt worden, was gegen europarechtliche Vorgaben verstoße. Auch die in Ansatz gebrachte Wegstreckenentschädigung sei nicht nachvollziehbar. Randnummer 5 Die Klägerin hat beantragt, die Kostenbescheide vom 4. März 2004, 16. April 2004, 10. Mai 2004, 3. Juni 2004, 8. Juli 2004, 10. August 2004, 1. September 2004, 5. Oktober 2004, 2. November 2004, 16. Dezember 2004, 5. Januar 2005, 10. Februar 2005, 4. März 2005,15. April 2005, 9. Mai 2005, 9. Juni 2005, 4. Juli 2005, 25. August 2005 und 2. September 2005 des Landrats des Kreises Bergstraße - Staatliches Amt für Lebensmittelüberwachung, Tierschutz und Veterinärwesen - insoweit aufzuheben, als die darin festgesetzten Gebühren insgesamt den Betrag von 147.405,52 € übersteigen. Randnummer 6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Sie hat sich im Wesentlichen auf die bis dahin ergangene Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs berufen und ausgeführt, die hessischen Vorschriften und die auf dieser Grundlage ergangenen Gebührenbescheide trügen deren Anforderungen Rechnung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Aufschläge für besondere zeitliche Situationen erhoben oder eine Staffelung nach der Anzahl der Untersuchungen und Kontrollen vorgenommen werden dürften. So seien keine Vorgaben ersichtlich, die eine undifferenzierte Gesamtgebühr vorschrieben. Entfielen die Nachtzuschläge und die Gebührenstaffelung, entstünden Wettbewerbsvorteile der Wenig- und Nachtschlachter gegenüber den sogenannten Normalschlachtern, die dann eine ungerechtfertigte Privilegierung mitfinanzieren müssten. Randnummer 8 Mit Urteil vom 6. Juli 2006 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag der Klägerin in vollem Umfang stattgegeben und die angefochtenen Gebührenbescheide insoweit aufgehoben, als sie Gebühren über die europarechtlichen Pauschalgebühren hinaus festgesetzt haben. Die Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz - VwKostO-MULV - vom 16. Dezember 2003, teilweise auch in der Fassung der Änderungsverordnung vom 31. Januar 2005 sei sowohl wegen Nichteinhaltung der europarechtlichen Gebührenstruktur als auch wegen der unter Nr. 5509 der Verordnung vorgesehenen Gebührenaufschläge für Untersuchungen außerhalb normaler Schlachtzeiten unwirksam. Dies habe Auswirkungen auf das Kalkulationsgefüge und führe deshalb zur Nichtigkeit der Untersuchungsgebühren für Schafe, so dass die Klägerin nur die europarechtlich vorgegebenen Pauschalgebühren zu zahlen habe. Auch gegen die europarechtliche Zulässigkeit der Gebührenstaffelung hinsichtlich Großbetrieben und sonstigen Betrieben habe das Gericht Bedenken. Randnummer 9 Gegen das ihm am 31. Juli 2006 zugestellte Urteil hat das beklagte Land mit Schreiben vom 9. August 2006 - eingegangen beim Verwaltungsgericht Darmstadt am selben Tag - die im angefochtenen Urteil zugelassene Berufung eingelegt. Randnummer 10 Der Senat hat mit Beschluss vom 13. Juni 2007 - 5 UE 1905/06 - das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Zulässigkeit von Differenzierungen und einer degressiven Staffelung bei Festlegung des Gebührensatzes sowie zur Zulässigkeit eines Zuschlags für Schlachtungen außerhalb normaler Schlachtzeiten auf Verlangen des Besitzers eingeholt. Der Europäische Gerichtshof hat über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 19. März 2009 - C-309/07 - entschieden. Hinsichtlich des Inhalts wird auf den Vorlagebeschluss und das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Bezug genommen. Nach Eingang des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ist das Verfahren wieder aufgenommen worden. Randnummer 11 Mit Beschluss vom 10. Mai 2010 hat der Senat den Teil der Klage abgetrennt, der sich gegen die Gebührenbescheide vom 15. April, 9. Mai, 9. Juni, 4. Juli, 24. August und 2. September 2005 richtet, da mit dem am 1. April 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Kommunalisierung des Landrats sowie des Oberbürgermeisters als Behörden der Landesverwaltung vom 21. März 2005 der Landrat als Gebührenbescheide erlassende Behörde ab diesem Zeitpunkt für den Landkreis handelte. Richtige beklagte Körperschaft für ab dem 1. April 2005 erlassene Gebührenbescheide ist deshalb der Kreis Bergstraße. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 5 A 1063/10 gesondert fortgeführt. Randnummer 12 Das beklagte Land führt zur Begründung der Berufung nach Vorliegen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs aus, in dem Urteil heiße es ausdrücklich, dass ein Mitgliedstaat eine Gebühr erheben könne, die nach Größe des Betriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere innerhalb einer Tierart gestaffelt sei, wenn feststehe, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten auswirkten, die für die Durchführung der Kontrollen tatsächlich anfielen. Dass der geforderte Zusammenhang zwischen der Größe eines Schlachtbetriebs und der Zahl der geschlachteten Tiere einerseits und den Kosten, die für die Durchführung der Kontrollen tatsächlich anfielen, andererseits bestehe, sei offenkundig. Nach Anhang VI der VO (EG) 882/2004 seien bei der Berechnung der Gebühren die Löhne und Gehälter des für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals, die Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzte Personal einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie Reise- und Nebenkosten und Kosten für Probenahmen und Laboruntersuchung zu berücksichtigen. Grundlagen für die Gebührenerhebung nach der VwKostO-MULV vom 16. Dezember 2003 seien der Tarifvertrag über die Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe, Sozialbeiträge, Wegstreckenentschädigung und anteilige Verwaltungs-/Abrechnungskosten. Insofern basiere die Einführung der betriebsgruppenorientierten Staffelgebühr (Degression) auf Erhebungsdaten des Jahres 1999 unter Einbeziehung der Tatsache, dass der größte Teil der Kosten der Fleischuntersuchung (90%) durch die Vergütung und Wegstreckenentschädigung des Personals nach dem Tarifvertrag entstehe. Die eingeführte Degression folge im Wesentlichen dem Tarifvertrag vom 1. April 1969. Auf dessen §§ 12 und 15 werde insbesondere verwiesen. Es liege auf der Hand, dass bei der Kontrolle vieler kleiner Betriebe allein wegen der Anfahrten höhere Kosten entständen als bei nur einer Anfahrt zu einem Großbetrieb. Diese seien auch von den Einrichtungen her und aufgrund ihrer Wirtschaftskraft regelmäßig moderner strukturiert, so dass sie effizienter kontrolliert werden könnten. Es sollten kostendeckende Gebühren erhoben werden, die sich an der Richtlinie zu orientieren hätten. Dazu sei den EG-Mitgliedsstaaten nach Anhang A, Kapitel I, Nr. 4 b der Richtlinie 85/73/EWG in der durch die Richtlinie 96/43/EG geänderten Fassung die Befugnis eingeräumt worden, von der Pauschalgebühr abzuweichen. Es könne daher ein höherer Betrag als die Gemeinschaftsgebühr unter der Voraussetzung erhoben werden, dass die erhobene Gesamtgebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreite. Insofern sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Land Hessen dafür entschieden habe, eine aufgrund der tatsächlichen Kosten bemessene Gebühr zu erheben. Insbesondere werde europarechtlich keine (untransparente) Einheitsgebühr verlangt. Vielmehr sei den Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung der Gebühr ein freies Ermessen eingeräumt worden. Da der Aufwand der Hygienekontrolle als solcher der gleiche sei unabhängig vom Gewicht des zu untersuchenden Tieres und unabhängig davon, ob es sich um ein Jung- oder Alttier handele, sei die in der europarechtlichen Gebührenstruktur angelegte Unterscheidung nach Tierarten kein taugliches Kriterium für das Erfassen sämtlicher tatsächlichen Kosten. Es bestehe kein Gebot, kostenverursachende Faktoren, wie die Anzahl der zu schlachtenden Tiere und den Zeitpunkt, in dem die Untersuchungen und Kontrollen vorgenommen würden, in einer untransparenten Gesamtgebührenpauschale zusammenzufassen. Die tatsächlichen Kosten für Untersuchungen und Kontrollen pro Tier seien relativ konstant, wohingegen die Kosten für die Verwaltungstätigkeiten abhängig von der Anzahl der Tiere zu- oder abnähmen, so dass nur durch die Staffelung eine gerechte Gebührenstruktur zu Stande komme. Eine Einheitsgebühr würde insofern zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung führen. Laut zutreffender Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs in dem Urteil über das Vorabentscheidungsersuchen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Untersuchung von Tieren bei Schlachtung auf Verlangen ihres Eigentümers außerhalb der normalen Schlachtzeiten der zuständigen Behörde zusätzliche Kosten insbesondere in Form von Arbeitskosten verursache. Insofern werde auch im Hinblick auf die sogenannten Nachtzuschläge auf § 12 Abs. 2 des Tarifvertrags Bezug genommen. Unabhängig von den dort vorgesehenen Zuschlägen für Fleischuntersuchungen zur Nachtzeit werde in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2009 (C-270/07) hingewiesen, wonach es rechtens sei, dass sich Verwaltungsgebühren um bis zu 100% erhöhten, wenn die Amtshandlung auf Verlangen zwischen 18:00 Uhr und 7:00 Uhr, in Großbetrieben zwischen 18:00 Uhr und 6:00 Uhr, an Sonnabenden nach 15:00 Uhr, an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen durchgeführt werde. Dass für den Nachweis, dass die erhobene Gesamtgebühr den tatsächlichen Kosten entspreche, auf den jeweils einzelnen Betrieb abgestellt werden müsse, lasse sich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht entnehmen. Gebührenordnungen ergingen naturgemäß abstrakt-generell und das Gericht habe dem Verordnungsgeber die Befugnis eingeräumt, unter der einzigen Voraussetzung, dass die Gebühr die tatsächlichen Kosten nicht überschreite, von ihr allgemein nach seinem Ermessen Gebrauch zu machen. Dieser Vorgabe sei der hessische Verordnungsgeber mit seiner engen Anlehnung an den Tarifvertrag, der hinsichtlich der Kostendeckung keine sachfremden Erwägungen enthalte, gefolgt. Die spezifische Gebühr dürfe nur nicht die Form einer Pauschale in dem Sinne annehmen, dass sie in bestimmten Fällen die tatsächlichen Kosten für die Maßnahmen, die mit ihr finanziert werden sollten, übersteige und in anderen Fällen niedriger sei oder gar nicht erhoben werde. Allerdings sei es einer Verwaltungskostenordnung systemimmanent zu verallgemeinern und an Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen. Es sei dem beklagten Land nicht verwehrt, die vorgenommene Differenzierung mit der unterschiedlichen Vergütung des Personals in den sich daraus ergebenden unterschiedlichen Kostenstrukturen der gebildeten Kategorien zu begründen. Eine prozentuale Berücksichtigung von Personalkosten sowie Sach- und Verwaltungskosten führe nicht dazu, dass die erhobene Gebühr die Form eines unzulässigen Pauschalbetrages annehme. Vielmehr handele es sich um vom Beklagten konkret erfasste Kosten, die bei der Bemessung des gebührenfähigen Aufwands einzubeziehen seien. Der Arbeitsaufwand des Untersuchungspersonals sei für die Betriebskategorien exakt aufgestellt. Auch sei nicht erforderlich, dass der Beklagte für jedes Jahr eine neue Gebührenkalkulation vornehme, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich änderten und die eingenommenen Gebühren die tatsächlich angefallenen Kosten jedenfalls nicht überschritten. Bei der Überwachung der Hygiene in Großbetrieben werde für den amtlichen Tierarzt eine Stundenvergütung gewährt. Diese sei mit einer unterschiedlichen Gewichtung auf die einzelnen Tierarten verteilt worden. Die Gewichtung orientiere sich an den jeweiligen Untersuchungszeiten nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Fleischhygienegesetz. Da für Schafe ohne Untersuchung des Kopfes 30 Sekunden anzurechnen gewesen seien, wie dies üblicherweise praktiziert werde (Köpfe würden in der Regel nicht als Lebensmittel in den Verkehr gebracht), habe sich somit ein Betrag von 0,30 DM je geschlachtetes Schaf ergeben. Eine Degression wie bei den Stückvergütungen habe nicht stattgefunden, so dass dieser Betrag für jedes Tier erhoben worden sei. Der mit der Fleischuntersuchung verbundene Verwaltungsaufwand sei in den Veterinärämtern erfasst und übermittelt worden. Zugrunde gelegt seien dabei qualifikationsbedingte Arbeitskosten nach Stellen nach VergGr VI b BAT. Der Verwaltungsaufwand für die Abrechnung der Großbetriebe sei dabei separat von den übrigen Bereichen der amtlichen Fleischuntersuchung ermittelt worden. Daraus habe sich ein Verwaltungsaufwand in Höhe von 0,09 DM je Schlachtung in Großbetrieben ergeben. Da hierbei die Tierart keinen Einfluss auf den Aufwand habe, sei dabei nicht unterschieden worden. Für die Rückstandskontrollen nach dem nationalen Rückstandskontrollplan müsse nach der Richtlinie 85/73/EWG eine Gebühr von 2,64 DM pro Tonne Schlachtfleisch berechnet werden. Diese werde umgerechnet auf die einzelnen Schlachttiere. Zugrunde gelegt worden sei das durchschnittliche Schlachtgewicht anhand der Angaben des Statistischen Landesamtes. Somit ergebe sich für Schaf und Ziege ein durchschnittliches Gewicht von 27,97 kg und somit ein Betrag von 0,07 DM, der auf alle gewerblichen Schlachtungen verteilt worden sei. Laut Tarifvertrag seien darüber hinaus 100% Aufschläge auf die Vergütungen zu zahlen, wenn die Untersuchung auf Verlangen in Großbetrieben zwischen 18:00 Uhr und 6:00 Uhr, am Sonnabenden nach 15:00 Uhr oder an Sonntagen und an gesetzlichen Feiertagen durchgeführt werde, und zwar auch dann, wenn nicht die gesamte Untersuchung, mindestens aber die Fleischuntersuchung in der zuschlagspflichtigen Zeit durchgeführt werde. Mit der Vorgabe des 25%-Zuschlags auf die Gebühr in dem Kostenverzeichnis sei zum einen der Tatsache Rechnung getragen worden, dass dieser Zuschlag nur auf die Vergütungen erfolge, aber er nicht bei den Sachkosten anfalle, zum anderen sei damit den Notwendigkeiten einer Schlachtung zu den genannten Zeiten in bestimmten Bereichen Rechnung getragen worden. In Großbetrieben erhielten amtlicher Tierarzt und Fleischkontrolleur für die Untersuchungen von Schafen und Ziegen 2,82 DM. Der von der ZVL errechnete Aufschlag habe 29,95% zu den Lohnkosten betragen. Dem sei durch den Faktor 1,2995 Rechnung getragen worden, mit dem die Vergütung multipliziert worden sei. Den anschließenden Degressionsstufen sei durch die entsprechenden Umrechnungsfaktoren (z. B. 0,7 bei 70%) Rechnung getragen worden. Insoweit wird auf die Berechnung Bl. 355, 356 der Gerichtsakte verwiesen. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 6. Juli 2006 abzuändern und die Klage hinsichtlich der Kostenbescheide vom 4. März, 16. April, 10. Mai, 3. Juni, 8. Juli, 10. August, 1. September, 5. Oktober, 2. November und 16. Dezember 2004 sowie vom 5. Januar, 10. Februar, und 4. März 2005 abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Sie hält die den Gebührenbescheiden zu Grunde liegende Verwaltungskostenordnung für nicht vereinbar mit den europarechtlichen Regelungen in der Auslegung, die sie durch den Europäischen Gerichtshof gefunden haben. Es fehle nach wie vor an einer ordnungsgemäßen und vollständigen Umsetzung der hier maßgebenden Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/23/EG sowohl für Bundesrecht wie für Landesrecht. Unzulässigerweise sei die Einstellung gesonderter Gebühren in die Fleischuntersuchungsgebühr erfolgt, die die europarechtlichen Pauschalen bereits übersteige. Der Europäische Gerichtshof habe in der Entscheidung vom 30. Mai 2002 (Rs C-284/00 und C-288/00 "Stratmann") entschieden, dass Gebühren für Sonderuntersuchungen - bakterielle und Trichinenuntersuchungen - bereits von der Gemeinschaftsgebühr erfasst seien. Zusammenfassungen in einer Gesamtgebühr seien daher nicht möglich. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 19. März 2009 (Rs C-309/07) ausgeführt, dass die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr nach der Bestimmung der Nr. 4 b, Kapitel I des Anhanges A der Richtlinie nicht zu einer Pauschalierung führen dürfe, sondern auf der Ermittlung der tatsächlichen Kosten für den einzelnen Betrieb basieren müsse. Eine Mischung von Anhebungen nach der Nr. 4a (betriebsbedingt) und Nr. 4b (kostendeckend) Kapitel I des Anhanges A sei nicht möglich. Es müsse jeweils auf die einzelne betriebliche Kostensituation abgestellt werden. Eine derartige Einzelabrechnung habe der Beklagte aber zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin vorgenommen, sondern nur aufgrund der Verwaltungskostenordnung die Höhe der zu entrichtenden Kosten in einer pauschalen Höhe bestimmt. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bestätige im Grunde die seit jeher vom Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Ansicht, dass sich die Bestimmungen nach Nr. 4a und Nr. 4b alternativ gegenüberständen und somit der jeweilige Hoheitsträger nur die Möglichkeit habe, die Kosten der Fleischuntersuchungsgebühren betriebsbezogen oder aber kostendeckend - dies aber bezogen auf den einzelnen Schlacht- oder Zerlegebetrieb - festzulegen. Eine betriebsbezogene Festsetzung nach der Bestimmung der Nr. 4a dürfe das System und die Struktur der europarechtlichen Pauschalbeträge nicht verlassen. Bezüglich der Anhebungsmöglichkeit nach Nr. 4b ergebe sich aus der Entscheidung, dass von den europarechtlichen Pauschalgebühren nur dann eine Ausnahme gemacht und gegebenenfalls eine höhere Gebühr in kostendeckender Weise vorgesehen werden könne, wenn feststehe, dass diese Faktoren sich tatsächlich auf die Kosten des einzelnen Betriebes für die Fleischuntersuchung auswirkten. Bei der Beurteilung sei auf den einzelnen Betrieb abzustellen und müsse für diesen auch vom Hoheitsträger gesondert festgestellt werden. Diesen in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19. März 2009 (Rs C-270/07 und C-309/07) aufgestellten Anforderungen entspreche die Abrechnung des Beklagten nicht. Die kostendeckende Gebühr dürfe danach nur eine Gebühr sein, die den Betrag der tatsächlich entstandenen Kosten erfasse und ihn nicht übersteigen könne. Sie dürfe nicht die Form einer pauschalen Gebühr annehmen. Daraus ergebe sich das Erfordernis der Ermittlung für den einzelnen Betrieb. Eine Anhebung der Gebühr für Schlachtungen auf Verlangen des Eigentümers außerhalb normaler Schlachtzeiten nach Nr. 4b lasse der Europäische Gerichtshof dann zu, wenn dies den zusätzlichen tatsächlichen Kosten entspreche. Auch dabei sei dann auf den einzelnen Betrieb abzustellen. Mit seiner Rechtsprechung erreiche der Europäische Gerichtshof die Voreinstellung der europarechtlichen Pauschalgebühren und deren vorrangige Anwendung. Damit dürfe die Kostenberechnung für die Fleischuntersuchung nicht für mehrere Schlacht- und Zerlegebetriebe in pauschaler Form nach den durchschnittlichen Kosten der Fleischuntersuchung aller im Hoheitsgebiet ansässigen Betriebe ausgestaltet werden, was bei Erlass einer Gebührensatzung oder Gebührenverordnung jedoch unvermeidlich der Fall sei. Nur in Ausnahmefällen werde der Hoheitsträger bei einer Kostenkalkulation nach Nr. 4b in der Lage sein, im Einzelnen den Nachweis zu führen, dass Gebühren in Form der europarechtlichen Pauschalgebühren nicht ausreichten, sondern für diesen speziellen einzelnen Betrieb eine aufgrund betriebsbezogener Kostenkalkulation durchgeführten Kostenanalyse eine höhere Gebühr sich als notwendig erweise. Die bakteriologische und die Trichinenuntersuchung seien nicht in allen Mitgliedsstaaten obligatorisch. Deshalb sei eine Einstellung dieser Kosten auf der Grundlage einer kostendeckenden Gebühr nach Nr. 4b nicht möglich, d.h. derartige Kosten könnten nicht noch zusätzlich zu den zu deckenden Kosten für die Fleischuntersuchung hinzugerechnet werden. Dies ergebe sich aus den Formulierungen des Europäischen Gerichtshofs im Urteil "S.". Der Beklagte habe eigene Kostenberechnungen aufgrund seiner Rechtsgrundlagen zum Maßstab seiner Kostenberechnung gemacht, was einen eindeutigen Verstoß gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht darstelle, so dass das erstinstanzliche Gericht die Nichtigkeit dieser Rechtsgrundlagen zutreffend festgestellt habe. Für die streitigen Gebührenbescheide im Zeitraum März 2004 bis September 2005 sei die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG maßgeblich, die bis zum 31. Dezember 2007 Rechtsgeltung gehabt habe. Diese Richtlinie habe weder der Bundesgesetzgeber noch der Beklagte in Form von Bundes- oder Landesrecht bis zu ihrem Außerkrafttreten umgesetzt. Zudem habe der Bund die zentrale Vorschrift des § 24 Fleischhygienegesetz zum 6. September 2005 vollständig aufgehoben. Auf dieser Bestimmung basiere jedoch das Veterinärkontroll-Kostengesetz. Damit habe die Bundesrepublik die nachgeordneten Gliedstaaten in gemeinschaftswidriger Weise von ihrer zuvor bestehenden Verpflichtung entbunden, die Richtlinie umzusetzen. Sei der Rechtssatz jedoch nicht vollständig und ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt, bleibe der nachgeordnete Hoheitsträger bei der Berechnung der Gebühren für die Fleischuntersuchung auf den Ansatz der europarechtlichen Pauschalgebühren beschränkt. Die angegriffenen Gebührenbescheide basierten auf der jeweils maßgeblichen Verwaltungskostenordnung ohne einzelbetriebliche Kostenerfassung, Kostenkalkulation und Gebührenfestsetzung für den Schlacht - und Zerlegebetrieb der Klägerin. Damit hätten die im Kostenverzeichnis ausgewiesenen Gebühren die Form einer unzulässigen Pauschale angenommen. Der Beklagte berechne zusätzlich zu den allgemein festgesetzten Untersuchungsgebühren sogar noch zusätzlich Gebühren für die bakteriologische Fleischuntersuchung (Tarif-Nr. 550121), was europarechtlich ebenfalls unzulässig sei. Auch gehe der Beklagte offensichtlich von einer Mischkalkulation nach den Abweichungsmöglichkeiten nach Nr. 4a und Nr. 4b aus, was ebenfalls gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verstoße. Auch die zusätzlichen Kosten für Schlachtungen zu besonderen Zeiten erhebe der Beklagte, ohne die Vorgaben der Richtlinie zu berücksichtigen. Letztlich bestätigten die Erläuterungen des Beklagten zu seiner Kostenkalkulation diese Schlussfolgerungen. Der vom Beklagten angeführte Tarifvertrag vom 1. April 1969 in der Fassung vom 14. September 2000 sei für den vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgebend. Es gebe im deutschen Recht die Rechtsfigur des Vertrages zu Lasten Dritter nicht. Die durch diesen Vertrag entstehenden Kosten seien Kosten, die der Beklagte auf der Grundlage des Tarifvertrages zu tragen habe. Die Bindung des Vertrages erstrecke sich gerade nicht auf die Klägerin. Gleiches gelte für den Tarifvertrag vom 15. September 2008 über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung. Die von Seiten der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werde auch in verschiedenen neueren Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen bestätigt. Die vom Beklagten angeführte Entscheidung des VGH Baden-Württemberg halte die Klägerin mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für nicht vereinbar. Randnummer 16 Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens (drei Bände), der Gerichtsakte des Verfahrens 5 A 1063/10, der Akten des VG Darmstadt (Prozessakten 3 E 801/04, 3 E 944/04, 3 E 1098/04, 3 E 1424/04, 3 E 1575/04, 3 E 1875/04, 3 E 2290/04, 3 E 2408/04, 3 E 2627/04, 3 E 65/05, 3 E 66/05, 3 E 334/05, 3 E 534/05, 3 E 802/05, 3 E 851/05, 3 E 1172/05, 3 E 1173/05 und 3 E 1564/05) sowie der Verwaltungsvorgänge (7 Hefter, 4 Blattsammlungen) verwiesen, die insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 6. Juli 2006 - 3 E 1609/05 - abgeändert, soweit es die Kostenbescheide vom 4. März, 16. April, 10. Mai, 3. Juni, 8. Juli, 10. August, 1. September, 5. Oktober, 2. November, 16. Dezember 2004 und vom 5. Januar, 10. Februar und 4. März 2005 teilweise aufgehoben hat. Die Klage gegen diese Bescheide wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Erfurt
Thüringen
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23.06.2010
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Randnummer 1 Die Klägerin beansprucht Rückzahlung des Kaufpreises nach Rücktritt von einem Kaufvertrag. Randnummer 2 Die Klägerin bestellte bei der Beklagten am 21.08.2008 über das Internet zehn Stück der Software der Microsoft Windows XP Professional OEM Vollversion zum Neupreis von 167,23 € netto sowie weitere zehn Stück MS Office 2003 Professional OEM zum Preis von jeweils 42,01 € netto zzgl. Versand- und Umsatzsteuer, was einen Gesamt-kaufpreis von 2499,36 € ergab. Randnummer 3 Die Beklagte übergab die bestellte Ware an den Paketdienst; das Paket erreichte die Klägerin nicht. Die Beklagte lieferte aus Kulanzgründen Ersatz, wobei zehn Stück Microsoft Office 2003 Professional OEM Vollversion mit Lizenzgenehmigung nicht enthalten waren. Die Klägerin mahnte die Lieferung mit Schreiben vom 19.09.2008 unter Fristsetzung bis zum 29.09.2008 an. Sie drohte Rücktritt vom Kaufvertrag an. Mit Schreiben vom 16.10.2008 erklärte die Klägerin die „Wandlung“ des Kaufvertrages. Randnummer 4 Die Klägerin ist der Auffassung, die Gefahrtragungsregelungen über den Versendungskauf seien nicht anwendbar, weil der Versand vorliegend nicht lediglich als vertragliche Nebenpflicht zu betrachten sei. Insbesondere die Tatsache, dass mit dem Versand eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt worden sei (berechnete Versandkosten 9,50 €, tatsächliche Versandkosten 6,90 €) zeige, dass der Versand Inhalt der kaufvertraglichen Verpflichtung geworden sei. Randnummer 5 Die Klägerin beantragt, Randnummer 6 wie erkannt. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Sie ist der Auffassung, den Verkäufer treffe auch bei Fernabsatzgeschäften bzw. im Versandhandel grundsätzlich keine Bringschuld; infolge dessen sei die Beklagte mit Übergabe der Ware an den Paketdienst von der Leistungsverpflichtung frei geworden und habe weiterhin Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. Randnummer 10 Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.199,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.02.2010 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 3. Senat
Berlin
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04.05.2012
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Randnummer 1 Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können – (BK 2108). Randnummer 2 Die 1943 geborene Klägerin erlernte vom 01. September 1957 bis zum 31. Juli 1959 den Beruf der Miedernäherin. Anschließend arbeitete sie nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis (SVA) sowie nach eigenen Angaben vom 01. August bis zum 03. Februar 1962 als Hausgehilfin und Miedernäherin. Ab dem 05. Februar 1962 bis zum 27. Februar 1965 war sie als Hilfskinderpflegerin in einer Kinderkrippe, dann vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 als pflegerische Hilfskraft in einer Frauen- und Säuglingsklinik und anschließend vom 22. Oktober 1975 bis zum 18. Juni 1981 als Bestellannehmerin beschäftigt. Vom 19. Mai 1981 bis zum 20. Juli 1983 war sie als Qualifizierungskraft in einem Frisiersalon tätig und ab dem 01. September 1983 bis zum 31. August 1991 als Verkäuferin. Vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 arbeitete sie als Krankenpflegehelferin auf der Station für Allgemeine Chirurgie Station 1 bzw. Allgemeine Chirurgie und Traumatologie Station 3 des Krankenhauses B. Seit dem 01. April 2003 bezieht sie Altersrente für Schwerbehinderte. Sie ist seit dem 05. Januar 1996 als Schwerbehinderte anerkannt wegen Asthma bronchiale. Die Klägerin begab sich erstmals am 02. Dezember 2002 in ärztliche Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden (Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule <LWS>, erhebliche Bewegungseinschränkung) bei ihrer Allgemeinmedizinerin T, die deswegen Arbeitsunfähigkeit vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 bescheinigte. Am 17. März 2003 verspürte die Klägerin starke Schmerzen rechtsseitig bis zum Fuß hinunter und suchte am 19. März 2003 erneut Frau T auf, die eine Überweisung an den Orthopäden veranlasste. Die Klägerin begab sich am 26. März 2003 in die Behandlung des Orthopäden Dr. D mit fortbestehenden Schmerzen in der LWS im Bereich des rechten Iliosakralgelenks (ISG) mit Ausstrahlung in das rechte Bein. Am selben Tag erfolgte eine Röntgenuntersuchung. Eine Computertomografie (CT) der LWS vom 23. April 2003 zeigte eine rechts lateral betonte Bandscheibenvorwölbung L5/S1 mit Bedrängung der Wurzeln S1 beidseits sowie regelrechte Bandscheiben L3/4 sowie L4/5 (Befund vom 23. April 2003). Es erfolgte daraufhin eine periradikulare Therapie (PRT) mit Injektionen im H Klinikum B am 30. April, 14. Mai und 12. Juni 2003. Randnummer 3 Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 25. August 2003 (Eingang bei der Beklagten am 26. August 2003) an die Beklagte und bat um Prüfung einer BK. Im weiteren Verlauf gab sie an, seit Anfang 2002 unter Wirbelsäulenbeschwerden zu leiden insbesondere beim Hochziehen von Patienten, Staubsaugen, Bücken und Heben sowie Liegen (Frageborgen vom03. Dezember 2003). Die Beklagte nahm ihre Ermittlungen auf und holte Befundberichte der Allgemeinmedizinerin T vom 28. Dezember 2003, des Orthopäden Dr. D vom 12. Februar 2004 sowie des H Klinikum B B vom 21. Juli 2004 ein. Des Weiteren holte sie ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin (DAK) vom 06. Februar 2004, aus welchem sich im Hinblick auf Wirbelsäulenbeschwerden nur eine Krankschreibung vom 04. bis zum 09. Dezember 2002 ergab. Darüber hinaus holte die Beklagte eine Auskünfte des Krankenhauses B vom 24. Februar 2004, des Arbeitsmedizinischen Dienstes <AMD>, Arbeitsmedizinerin B, vom 18. Februar 2004 und des Klinikum C betreffend die Tätigkeit der Klägerin als pflegerische Hilfskraft von 1965 bis 1975 ein. In einer Stellungnahme vom 14. März 2005 errechnete der Präventionsdienst der Beklagten für die Belastungszeiträume vom 02. März 1965 bis zum 11. April 1975 sowie vom 01. November 1992 bis zum 31. März 2003 eine Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) in Höhe von 21,94 MNh, wobei auf den ersten Zeitraum 9,74 MNh und auf den zweiten Zeitraum 12,20 MNh entfielen. Randnummer 4 In dem daraufhin veranlassten fachorthopädischen Zusammenhangsgutachten der Prof. Dr. N/Dr. F vom 30. Mai 2005 kamen diese zu dem Schluss, bei der Klägerin finde sich kein Krankheitsbild, das einer BK 2108 zuzuordnen wäre. Klinisch und radiologisch finde sich eine monosegmentale Bandscheibenerkrankung der Etage L5/S1. Schwerwiegende Funktionsminderungen oder neurologische Störungen bestünden nicht. Darüber hinaus fehle es an einem belastungskonformen Schädigungsmuster. Ein Zwang zur Unterlassung der beruflichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der üblichen, rückenschonenden Arbeitstechniken habe nicht bestanden. In einer Stellungnahme der Ärztin für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. S vom 10. Februar 2006 führte diese aus, zwar liege bei der Klägerin eine bandscheibenbedingte Erkrankung vor, die im Hinblick auf die extrem hohen Einzelbelastungen auch wahrscheinlich beruflich bedingt sei. Die Tätigkeitsaufgabe sei jedoch nicht deswegen, sondern wegen Erreichen der Altersgrenze erfolgt. Eine BK 2108 liege daher nicht vor. Randnummer 5 Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08. August 2006 die Anerkennung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS als BK 2108 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2007). Randnummer 6 Mit ihrer hiergegen vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin u. a. vorgetragen, sie habe ihre Tätigkeit, nachdem sie die Schmerzen der Wirbelsäulenerkrankung nicht mehr habe ertragen können, aufgegeben, indem sie vorzeitig in die Altersrente gegangen sei. Randnummer 7 Das SG hat ermittelt durch Beiziehung der neuroradiologischen Befundberichte zur PRT vom 30. April 2003, 14. Mai 2003 und 12. Juni 2003, Einholung eines Befundberichts von Dr. D von Januar 2008 und Beiziehung der ärztlichen Unterlagen der Allgemeinmedizinerin T. Anschließend hat das SG Beweis erhoben und den Arzt für Orthopädie Dr. T mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage betraut. In seinem am 22. Dezember 2008 fertig gestellten Gutachten ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin fänden sich im Bereich der LWS leichte Facettenasymmetrien, beginnende Spondylarthrosen der unteren Bewegungssegmente, ein kleiner Bandscheibenprolaps bei L5/S1 sowie eine Chondrose Grad II bei L5/S1 (CT vom 23. April 2003). Darüber hinaus ließen sich in Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) vom 19. Dezember 2006 eine Uncovertebralarthrose bei C6/7, eine leichte Höhenminderung des Bandscheibenzwischenraumes bei C5/6, dort auch Spondylophyten Grad I-II sowie Zeichen der Spondylarthrose betont auf der linken Seite in den beiden unteren Bewegungssegmenten erkennen. Des Weiteren zeige sich in Abdomenübersichtsaufnahmen vom 01. März 1998 eine lumbosacrale Aufbaustörung i. S. e. nur viergliedrigen LWS (Verwachsung des 5. Lendenwirbels zum Kreuzbein). Belastungsadaptive Reaktionen i. S. v. Begleitspondylosen im Bereich der LWS fänden sich nicht, generell sei festzustellen, dass sich bei der Klägerin trotz des Alters so gut wie keine umformenden Veränderungen im Sinne der Osteochondrose und Spondylose – abgesehen vom Segment L5/S1 – entwickelt hätten. Es lasse sich hier nicht sicher feststellen, dass neben dem röntgenologischen Bandscheibenbefund auch eine daraus resultierende Symptomatik vorgelegen habe, denn auch die Verschleißveränderungen der Wirbelgelenke verursachten eine dem Nervenschmerz ähnelnde Symptomatik (pseudoradikuläre Symptomatik). Ferner sei die bei der Klägerin vorliegende Chondrose Grad II bei L5/S1 nicht als altersvorauseilend zu betrachten. Auch ein Unterlassungszwang lasse sich aus orthopädischer Sicht nicht hinreichend begründen Eine BK 2108 könne daher nach den Kriterien der Konsensempfehlungen nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werden. Randnummer 8 Das SG hat die auf Anerkennung einen BK 2108 gerichtete Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14. April 2011 abgewiesen. Zwar liege lägen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen sowie eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, letztere könne jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die belastende Tätigkeit zurückgeführt werden. Ausgehend von den Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. N/Dr. F und Dr. T fehle es hier an einem belastungskonformen Schadensbild. Auch sei eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne zweifelhaft. Eine Konstellation gemäß den Konsensempfehlungen, aus der sich eine Anerkennung ergeben könne, liege hier nicht vor. Schließlich lasse sich ein Unterlassungszwang nicht hinreichend begründen, denn es sei im Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe kein ausgeprägtes Krankheitsbild, das auch durch medizinisch therapeutische Maßnahmen wie z. B. ärztliche Behandlungen, Krankengymnastik oder sonstige technische und organisatorische Maßnahmen nicht mehr habe beeinflusst werden können, erkennbar. Randnummer 9 Gegen das am 18. August 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. September 2011 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführt. Hier liege eine Konstellation B2 der Konsensempfehlungen vor. Hinsichtlich der Frage des Unterlassungszwangs sei die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Februar 2001 – B 2 U 10/00 R – zu berücksichtigen. Danach könnten die Gründen und Motive für das tatsächliche Unterlassen dahin gestellt bleiben. Hinzu komme, dass ihre orthopädischen Leiden bereits vor Beendigung der schädigenden Tätigkeit so ausgeprägt gewesen seien, dass bereits vor Beendigung der Tätigkeit Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe. Wäre die Altersrente nicht bewilligt worden, hätte sie auch aus gesundheitlichen Gründen zwingend die schädigende Tätigkeit aufgeben müssen. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, Randnummer 11 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. April 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr wegen der Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Unterlassungszwang habe hier nicht vorgelegen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung durch Prof. Dr. N/Dr. F hätten keine neurologischen Ausfälle oder schwerwiegenden Funktionsminderungen der LWS festgestellt werden können. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der üblichen rückenschonenden Arbeitstechniken eine Aufgabe der beruflichen Tätigkeit als Krankenschwester nicht erforderlich gewesen sei. Sie – die Beklagte – halt dies nach wie vor für schlüssig und überzeugend. Auch Dr. T sei zu diesem Schluss gelangt. Wenn sich die Klägerin die Ausführungen des BSG-Urteils vom 20. Februar 2011 zu Eigen mache, sei zunächst zu konstatieren, dass die dortigen Ausführungen zur BK 4301 und insbesondere zur speziellen Frage der Gewährung von Übergangsleistungen gemacht worden seien. Der dortige Sachverhalt sei auf den hiesigen nicht zu übertragen, auch weil die dortige Klägerin nicht in Altersrente gegangen sei. Randnummer 15 Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 28. März und 04. April 2012 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und der beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 4. Kammer
Schleswig-Holstein
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22.05.2019
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Rückerstattung von Straßenreinigungsgebühren. Randnummer 2 Am 03.07.2015 erhob der Kläger gegen den Straßenreinigungsgebührenbescheid der Beklagten vom 23.06.2015 für das Jahr 2015 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, sein Grundstück grenze an die Straße … an und nicht wie veranlagt an die ….Daraufhin erging am 18.08.2015 ein geänderter Bescheid für das Jahr 2015 mit der Veranlagung der Straßen … und …. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 08.02.2016 beantragte der Kläger die Rückerstattung von Straßenreinigungsgebühren mit der Begründung, ihm seien in den vergangenen Jahren von der Beklagten für 66 Frontmeter irrtümlich Gebühren für die … berechnet worden. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 18.02.2016 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung trug sie vor, die dem Bescheid vom 18.08.2015 vorangegangenen Gebührenbescheide seien mangels Widerspruchs bestandskräftig geworden. Allein die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes begründe keinen Anspruch auf dessen Rücknahme. Aufgrund der Rechtssicherheit der Gebührenkalkulation werde der Antrag auf Rückerstattung abgelehnt. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 09.05.2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.02.2016 und beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand mit der Begründung, dass ihm der Bescheid nicht bekanntgegeben worden sei. Die Bescheide für die Jahre 2011 bis 2014 seien aufzuheben, da deren Aufrechterhaltung aufgrund der fehlerhaften Festsetzung schlechthin unerträglich sei. Zudem enthielten die Bescheide keinen Hinweis, anhand welcher konkreten Straßenzüge die Festsetzung erfolgt sei und verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Eine Berufung auf die Unanfechtbarkeit stelle einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die vor dem Jahre 2015 ergangenen Straßenreinigungsgebührenbescheide seien zwar aufgrund der fehlerhaft veranlagten 66 Frontmeter an der … rechtswidrig, allerdings längst bestandskräftig. Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 116 Abs. 1 Satz 1 LVwG sei zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung der Bescheide für den Kläger schlechthin unerträglich sei, weil die Herbeiführung der materiellen Gerechtigkeit für den Kläger im konkreten Fall schwerer wiege als das Gebot der Rechtssicherheit, das sich in der Bestandskraft der Bescheide niederschlage. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da aus den Bescheiden für die Jahre 2011 bis 2014 aufgrund der lange zurückliegenden Zahlung der Gebühren durch den Kläger keine aktuellen Forderungen gegen ihn resultierten. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben durch das Aufrechterhalten der Bescheide liege nicht vor, zumal der Kläger seinerzeit Gelegenheit gehabt habe, Widersprüche gegen die Bescheide einzulegen. Die Bescheide seien auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Dies zeige sich zum einen an den fehlenden Widersprüchen des Klägers und zum anderen an der Erforderlichkeit einer rechtlichen Prüfung, um zum Ergebnis der Rechtswidrigkeit der Bescheide zu gelangen. Randnummer 7 Der Kläger hat am 27.02.2019 Klage erhoben, die er nicht begründet hat. Randnummer 8 Ursprünglich hat der Kläger beantragt, Randnummer 9 1. den Bescheid der Beklagten vom 18.02.2016 und den Widerspruchsbescheid vom 29.01.2019, zugestellt am 31.01.2019, Aktenzeichen … aufzuheben, Randnummer 10 2. die Beklagte unter Abänderung der Straßenreinigungsgebührenbescheide für das Grundstück „…“ für die Jahre 2011 bis 2014 zu verpflichten, ohne rechtlichen Grund gezahlte Straßenreinigungsgebühren zu erstatten. Randnummer 11 Im Hinblick auf das Jahr 2014 haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, weil für das Jahr 2014, für das der Kläger auch den für das Jahr 2013 festgesetzten Betrag entrichtete, kein Gebührenbescheid vorlag. Randnummer 12 In der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2019 hat der Kläger die ursprünglichen Anträge umgestellt. Er beantragt nunmehr, Randnummer 13 die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Straßenreinigungsgebührenbescheide vom 04.05.2007 und 15.01.2013 für die Jahre 2011 bis 2013 unter Aufhebung des Bescheides vom 18.02.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2019 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden Randnummer 14 und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger zu viel entrichtete Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von insgesamt 475,20 € zu erstatten. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung. Zudem trägt sie vor, es existierten für den Zeitraum ab 2011 lediglich ein Bescheid vom 04.05.2007, der für die Jahre 2011 und 2012 gelte, sowie ein Bescheid vom 15.01.2013, der für das Jahr 2013 gelte. Randnummer 18 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 10. Senat
Rheinland-Pfalz
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19.01.2018
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die kommunalaufsichtsrechtliche Anordnung einer Pflichtzweckvereinbarung zwischen ihr und der Beigeladenen. Randnummer 2 In der Gemarkung der Beigeladenen liegt das im Jahr 1976 durch Bebauungsplan ausgewiesene Wochenendhausgebiet „J...“ mit ca. 19 Wohneinheiten. Dort sind 23 Personen mit Hauptwohnsitz und 7 Personen mit Nebenwohnsitz gemeldet. Das Wochenendhausgebiet wird durch einen Wirtschaftsweg erschlossen, der im Gebiet der Beigeladenen verläuft und mit einer Brücke die Wied überquert. Durch eine Verkehrszählung im Jahre 2013 wurde ein durchschnittliches Verkehrsaufkommen von 57 Fahrzeugen in beiden Richtungen pro Tag ermittelt. Randnummer 3 Inzwischen ist die angesprochene Brücke baufällig geworden und nach gutachterlicher Schätzung sollen für den allein wirtschaftlich sinnvollen Neubau ca. 700.000,00 € anfallen. Zur Reduzierung dieser Kosten auf ca. 200.000,00 € regte der Beklagte an, das Wochenendhausgebiet über öffentliche Straßen und Wirtschaftswege in der Gemarkung der Klägerin zu erschließen, da eine anderweitige Erschließung über das Gebiet der Beigeladenen nicht möglich sei. Randnummer 4 Nachdem eine freiwillige Zweckvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht zustande kam, ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 eine Pflichtzweckvereinbarung an. Danach soll die Zuwegung zu dem Wochenendhausgebiet über den auf einem stillgelegten Bahndamm im Gebiet der Klägerin verlaufenden Weg geschaffen werden. Die Herstellungs- und Unterhaltungskosten sind von der Beigeladenen zu tragen. Randnummer 5 Nach Zurückweisung des hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruchs hat sie ihre daraufhin erhobene Klage im Wesentlichen damit begründet, dass die Pflichtzweckvereinbarung die zulässige Anordnungsreichweite überschreite. Die Voraussetzungen von § 12 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative des Landesgesetzes über die Kommunale Zusammenarbeit – KomZG – seien nicht erfüllt, da keiner der Beteiligten eine Aufgabe zugleich für die übrigen Beteiligten übernehme. Ebenso wenig handele es sich um einen Fall der 2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG , in dem einer der Beteiligten den übrigen Beteiligten das Recht zur Mitbenutzung einer von ihm unterhaltenen Einrichtung einräume. Vielmehr solle der hinter dem Dorfgemeinschaftshaus gesperrte Bahndamm erstmals verkehrlichen Zwecken geöffnet, als Straße ausgebaut und gewidmet werden. Randnummer 6 Auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 KomZG seien nicht erfüllt. Insbesondere bestehe angesichts der kleinen Siedlungsstruktur des Wochenendhausgebietes kein dringendes öffentliches Interesse an der Erfüllung der Erschließungspflicht der Beigeladenen. Die Anordnung der Pflichtzweckvereinbarung sei auch ermessensfehlerhaft, weil bereits der zugrundeliegende Sachverhalt im Hinblick auf die Kosten für die Herrichtung des Bahndammes nicht ausreichend ermittelt worden sei und die Beigeladene die Erschließungspflicht auch bei Berücksichtigung ihrer finanziellen Situation in eigener Verantwortung durch die Brückensanierung erfüllen könne. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier vom 7. September 2016 aufzuheben. Randnummer 8 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass bereits die Voraussetzung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG vorlägen, so dass es nicht darauf ankomme, ob der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 KomZG weiter sei. Randnummer 10 Die 1. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG sei erfüllt, weil die Zweckvereinbarung die Erschließungsaufgabe, welche sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen jeweils für ihr Gebiet obliege, übertrage. Somit bestehe keine Unsynchronität hinsichtlich der Aufgaben der Beteiligten. Auch die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG lägen vor. Gegenstand der Pflichtzweckvereinbarung sei die Mitbenutzung des auf dem Bahndamm vorhandenen Weges. Weiterhin bestehe ein dringendes öffentliches Interesse an der Pflichtzweckvereinbarung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 KomZG . Randnummer 11 Der entscheidungserhebliche Sachverhalt sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden, da den Kostenschätzungen seriöse Annahmen zugrunde lägen. Auch die Erforderlichkeit der Pflichtzweckvereinbarung könne nicht in Frage gestellt werden. Die zunächst favorisierte Nutzung des Wirtschaftsweges unterhalb des Bahndammes, der nicht am Dorfgemeinschaftshaus vorbeilaufe, sei von der Klägerin abgelehnt worden. Die Mitbenutzung eines Wirtschaftsweges könne nicht das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin verletzen, wenn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz sogar die Fusion von Verbandsgemeinden zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit kommunaler Gebietskörperschaften zulässig sei. Schließlich verkenne die Klägerin die schlechte Haushaltslage der Beigeladenen. Randnummer 12 Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, da die angeordnete Pflichtzweckvereinbarung rechtswidrig sei und die Klägerin in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletze. Randnummer 13 Bei der von der Beklagten beabsichtigten erstmaligen Herstellung der Zufahrt zu dem Wochenendhausgebiet der Beigeladenen handele es sich nicht um eine der Klägerin und der Beigeladenen obliegende Pflichtaufgabe im Sinne der §§ 12 Abs. 3, 4 Abs. 3 Satz 1 KomZG . Vielmehr habe nicht die Klägerin, sondern die Verbandsgemeindeverwaltung gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 GemO die der Straßenbaubehörde nach dem Landesstraßengesetz obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Randnummer 14 Selbst wenn der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 3 KomZG zumindest dem Grunde nach eröffnet sei, lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Pflichtzweckvereinbarung nicht vor. Wesen einer Zweckvereinbarung sei stets die gemeinsame Erfüllung bestimmter konkreter Aufgaben, die den Beteiligten in gleicher Weise obliegen würden. Hieran fehle es bei der Wahrnehmung einer fremden Obliegenheit im Gebiet einer der beteiligten Kommunen. Diese Grundsätze beanspruchten auch Gültigkeit für Pflichtzweckvereinbarungen im Sinne des § 12 Abs. 3 KomZG , da deren Anordnungsreichweite durch die Begriffsbestimmung in § 12 Abs. 1 KomZG vorgegeben sei. Da es im vorliegenden Fall an dem Erfordernis einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zwischen den Beteiligten fehle, lägen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 1. Alternative KomZG nicht vor. Aber auch eine Mitbenutzung im Sinne des § 12 Abs. 3 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative KomZG werde hier durch die Pflichtzweckvereinbarung nicht eingeräumt. Denn Gegenstand einer Pflichtzweckvereinbarung könne nur eine von einem Beteiligten unterhaltene Einrichtung, nicht hingegen – wie hier - die Schaffung einer Einrichtung sein, um diese anschließend einer Nachbargemeinde in deren alleinigem Interesse zur Verfügung zu stellen. Schließlich beruhe die Pflichtzweckvereinbarung auf unzutreffenden Annahmen zur Rechtsqualität des Bahndamms sowie der herzustellenden Einrichtung. Randnummer 15 Die hiergegen eingelegte Berufung begründet der Beklagte unter Vertiefung seiner erstinstanzlichen Ausführungen im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber selbst eine Abwägung mit dem Selbstverwaltungsrecht vorgenommen habe, indem er die Möglichkeiten kommunaler Kooperationen zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge gerade auch mit Blick auf wirtschaftliche und finanzielle Erfordernisse erweitert habe. Randnummer 16 Bei den Aufgaben der Erschließung und der Straßenbaulast handele es sich um solche, die im Sinne des § 4 Abs. 3 KomZG Gegenstand einer Pflichtzweckvereinbarung sein könnten. Auch wenn die Pflicht zur Erschließung des Wochenendhausgebiets der Beigeladenen obliege, sei die Klägerin ebenfalls für die Erschließung von Baugebieten zuständig. Deshalb sei es zulässig, die Erschließungspflicht der Beigeladenen insoweit zu übertragen, als die Klägerin verpflichtet werde, der Beigeladenen das Wegegrundstück zu verschaffen bzw. bereitzustellen, damit die Erschließung tatsächlich durch den Bau der Straße ermöglicht werde. Dies stehe in Einklang damit, dass nach dem Baugesetzbuch die Erschließung und die Erhebung von Erschließungsbeiträgen auch auf Dritte übertragen werden könne. Randnummer 17 Hinsichtlich der Straßenbaulast der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem sog. Bahndamm tatsächlich um eine öffentliche Gemeindestraße handele, die auch nicht später die Funktion eines reinen Wirtschaftsweges angenommen habe und für welche die Klägerin Träger der Straßenbaulast sei. Randnummer 18 Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Mitbenutzungsrecht seien nicht stichhaltig, da das KomZG nicht von bereits bestehenden Einrichtungen spreche. Bei der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Interpretation wäre die Mitbenutzung einer Einrichtung, welche eine Gemeinde allein erstellt habe, möglich, während die alleinige Herstellung einer Einrichtung durch eine andere Gemeinde mit anschließender Mitbenutzung ausgeschlossen wäre. Das für eine Gemeinde größere Übel wäre erlaubt, die kleinere Einschränkung hingegen nicht. Randnummer 19 Das dringende öffentliche Interesse an der Anordnung der Pflichtzweckvereinbarung ergebe sich aus dem auch vom Gesetzgeber verfolgten Ziel der Erhaltung und Wiederherstellung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Randnummer 21 Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass die Berufung bereits unzulässig sei, da sie vom Landkreis und nicht vom beklagten Land eingelegt worden sei. Randnummer 23 Im Übrigen lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen der beiden Regelungsalternativen von § 12 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 KomZG nicht vor. Aus der Pflichtzweckvereinbarung ergebe sich bereits nicht, welche Pflichtaufgabe der Klägerin oder der Beigeladenen ganz oder teilweise auf die jeweils andere Partei der Zweckvereinbarung übertragen werden solle. Bezogen auf die unstreitig bestehende Erschließungspflicht der Beigeladenen für das Wochenendhausgebiet werde zwar die Pflicht der Klägerin angeordnet, der Beigeladenen das Grundstück zu verschaffen bzw. bereitzustellen, was jedoch nicht als Übernahme einer Pflichtaufgabe angesehen werden könne. Randnummer 24 Was die Straßenbaulast der Klägerin angehe, erfolge bereits angesichts des Wortlauts der Pflichtzweckvereinbarung keine Änderung. Auch könne man mit Blick auf § 54 Landesstraßengesetz keine Qualifizierung des Bahndamms als Gemeindestraße annehmen. Dies scheitere bereits daran, dass nach Aufgabe der Bahnnutzung ein öffentlicher Verkehr auf dem Bahndamm nicht stattgefunden habe, zumal es bereits eine Verbindungsstraße zwischen den Ortschaften B... und O... sowie den Wirtschaftsweg unterhalb des Bahndamms gegeben habe. Randnummer 25 Die 2. Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 1 KomZG erlaube es nicht, eine Kommune dazu zu zwingen, eine gänzlich neue Einrichtung in ihrem Gemeindegebiet erstmals einzurichten, um diese dann einer Nachbargemeinde in deren alleinigem Interesse zur Verfügung zu stellen. Randnummer 26 Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 KomZG lägen nicht vor. Denn die Beigeladene könne ihre Erschließungspflicht trotz gegebenenfalls höherer Kosten in objektiver Weise durchaus durch Sanierung der Brücke erfüllen. Wegen unzureichender Tatsachenermittlung sei die angeordnete Pflichtzweckvereinbarung schließlich ermessensfehlerhaft. Randnummer 27 Die Beigeladene weist in einer Stellungnahme insbesondere auf die Vorteile hin, welche die Klägerin aus dem bisherigen Zusammenwirken der Gemeinden in verschiedenen Bereichen gehabt habe. Umso unverständlicher sei es, dass die Klägerin die Nutzung des Bahndammes verhindern wolle. Dies führe bei einem Neubau der Brücke zu einem Entwicklungsstopp in ihrer Gemeinde für die nächsten 15 bis 20 Jahre. Insofern erwarte sie von der Klägerin etwas mehr Solidarität. Randnummer 28 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. August 2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, welche diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Kläger nehmen den Staat Griechenland – die Beklagte – auf Rückzahlung von Staatsanleihen in Anspruch, die im Zuge des griechischen Schuldenschnitts im Frühjahr 2012 eingezogen worden sind. Hilfsweise begehren sie mit der Begründung, dass die Einziehung rechtswidrig und unwirksam gewesen sei, Schadensersatz in Höhe ihres behaupteten Verlustes. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: 2 Am 01.02.2012 erwarben die Kläger über ihre Depotbank, die in Frankfurt/Main ansässige ING-DiBa AG, im Freihandel an der Börse Stuttgart zum Preis von EUR 13.099,46 (einschl. Stückzinsen, Gebühren etc.) griechische Schuldverschreibungen mit der Bezeichnung "4,3 % Griechenland EO-Bonds 2009 (12)", ISIN GR0110021236, WKN A0T6US (Anl. K 1). Die Anleihen, die von der Beklagten ursprünglich im Jahre 2009 im Rahmen einer Gesamtemission mit einem Volumen von EUR 7 Mrd. unter den im "Offering Circular" (Anl. B 1; Übersetzung: K 18) festgelegten Bedingungen begeben worden waren, hatten einen Nominalwert von EUR 30.000,00 und waren nebst der Verzinsung von 4,3 % am 20.03.2012 zur Rückzahlung fällig. Zum Erwerbszeitpunkt waren die Anleihenpreise infolge der griechischen Finanz- und Schuldenkrise bereits erheblich verfallen, weshalb der Börsen-Einstandskurs für die Kläger nur 39,7 % des Nominalwertes betrug. 3 Mit Schreiben vom 28.02.2012 (K 2) teilte die ING-DiBa AG den Klägern mit, dass die Republik Griechenland ihren Anleiheinhabern anbiete, an der geplanten Umschuldung mitzuwirken; dabei bot sie mehrere Optionen an (Zustimmung und Umtausch in andere Anleihen, Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung). Die Kläger reagierten hierauf innerhalb der gesetzten Frist (07.03.2012) nicht; erst mit Schreiben vom 14.03.2012 (K 6) widersprachen sie dem Zwangsumtausch und forderten sie ihre Depotbank auf, die bisherigen Anleihen nicht auszubuchen. Durch die Mitteilungen der ING-DiBa AG vom 15.03., 16.03. und 19.03.2012 (K 3 – 5) wurden sie sodann davon in Kenntnis gesetzt, dass die genannten Anleihen nicht mehr vorhanden, sondern am 12.03.2012 durch 20 neue Wertpapiere mit Nennwerten zwischen EUR 450,00 und 480,00 und Fälligkeiten zwischen dem 24.02.2023 und dem 24.02.2042 ersetzt worden waren. Ferner wurden dem Depotkonto drei Wertpapiere der European Financial Stability Facility (ESFS) mit Nennwerten von zusammen EUR 5.701,80 sowie ein griechisches Anleihepapier mit einem Nominalwert von EUR 9.450,00 gutgeschrieben. Ausweislich der Depotbewertung der ING-DiBa (Anl. K 8) hatten die neu eingebuchten Anleihen einen Einstandskurs von insgesamt EUR 6.718,39. Am 14.05.2012 entschlossen sich die Kläger, diese insgesamt 24 Papiere über ihre Depotbank zum damaligen Schlusskurs/Kurswert von EUR 7.300,80 (abzügl. Verkaufsspesen) zu verkaufen. 4 Dem geschilderten Vorgang der zwangsweisen Ausbuchung der streitgegenständlichen Anleihe über nominal EUR 30.000,00 und deren Ersetzung durch geringerwertige Papiere liegt zusammengefasst Folgendes zugrunde: 5 Die griechische Regierung hatte vor dem Hintergrund ihrer schweren Schuldenkrise und in Absprache mit der sog. Troika (Europäische Union, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) nach monatelangen Verhandlungen entschieden, in die im Rahmen des zweiten Hilfspakets beabsichtigte Umschuldung und den dazu erforderlichen Schuldenschnitt auch private Gläubiger mit einzubeziehen ("Private Sector Involvement"). An diejenigen Investoren (d.h. vor allem Banken), die direkt am Girosystem der griechischen Zentralbank beteiligt waren, erging am 24.02.2012 ein freiwilliges Umtauschangebot ("Invitation Memorandum"), wonach die teilnehmenden Anleihepapiere ("eligible titles") – darunter auch das hier streitgegenständliche – zu einem um 53,5 % verringerten Nennwert in neue Staatsanleihen und Schuldverschreibungen getauscht werden sollten. Am 23.02.2012 verabschiedete das griechische Parlament ferner das Gesetz 4050/2012, auf dessen rechtlicher Grundlage im Rahmen eines sog. "collective action"-Prozesses auch diejenigen Anleger zwangsweise in die Umschuldung einbezogen werden konnten, die das Umtauschangebot nicht angenommen hatten. Voraussetzung hierfür war, dass die Anleihegläubiger, die Teilnehmer am Clearingsystem der Griechischen Zentralbank (und gleichzeitig Erstabnehmer der streitgegenständlichen Papiere gemäß den Bedingungen des "Offering Circular", Anl. B 1) waren, über den vorgeschlagenen Umtausch der "eligible titles" mit einem Quorum von 50 % des ausstehenden Nennbetrags dieser Titel abstimmten. Ferner musste für die Annahme des Änderungsvorschlags einschließlich der "Collective Action Clause" eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln erreicht werden. Im Ergebnis wurde durch das Gesetz 4050/2012 somit der Rechtsrahmen dafür geschaffen, die Anleihebedingungen nachträglich durch eine Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger zu modifizieren. Nach dem Vorbringen der Beklagten wurden die gesetzlichen Bedingungen klar erfüllt, denn die an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger hätten tatsächlich zusammen 91,5 % des ausstehenden Gesamtnennbetrages repräsentiert; 94,34 % des teilnehmenden Kapitals habe schließlich für den Vorschlag gestimmt. Auf dieser Grundlage billigte schließlich der Ministerrat der griechischen Regierung das Ergebnis mit der Wirkung, dass nunmehr – entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes 4050/2012 – alle Anleger und Anleihegläubiger der jeweiligen Titel hieran gebunden waren, dass also das Abstimmungsergebnis der Gläubiger für allgemeinverbindlich erklärt wurde. In Ausführung dieses Beschlusses und auf Anweisung des Finanzministeriums zog die griechische Zentralbank (Bank of Greece) daraufhin am 12.03.2012 alle betroffenen Anleihepapiere – darunter die hier streitgegenständlichen – ein; die aus ihnen resultierenden Rechte und Pflichten erloschen. Im Gegenzug wurden die ersatzweise zur Verfügung gestellten neuen Anleihen in das System eingebucht. 6 Die Kläger sind nunmehr der Auffassung, durch diese Schuldenschnittaktion hätten sie ihr Forderungsrecht über EUR 30.000,00 (nebst Zinsen) gegenüber der Beklagten als der Schuldnerin der Anleihen im Ergebnis nicht verlieren können. Zumindest aber sei ihnen aufgrund der zwangsweise und ohne ihre Zustimmung erfolgten Ausbuchung der Forderungen durch die Bank von Griechenland ein rechtswidriger Vermögensschaden entstanden, für den die Beklagte ersatzpflichtig sei. 7 Zur Begründung führen die Kläger im Wesentlichen aus, das Gesetz 4050/2013, durch welches per Zwang auch Kleinanleger in den Umtausch der Staatsanleihen gegen solche von wesentlich geringerem Wert einbezogen worden seien, sei eklatant rechtsstaatswidrig. Die gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen der Beklagten stellten eine entschädigungslose hoheitliche Enteignung, bzw. einen enteignungsgleichen Eingriff dar und seien deshalb weder mit (u.a.) Art. 14 GG noch mit vergleichbaren Bestimmungen der griechischen Verfassung selbst sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar. Schon aus diesem Grunde liege ein Verstoß gegen den deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB) vor mit der Konsequenz, dass weder das Gesetz noch die hierauf gestützten Beschlüsse des griechischen Ministerrats anzuwenden oder anzuerkennen seien. Auch sei die in dem Gesetz 4050/2012 vorgesehene, alle Forderungsinhaber treffende Umschuldungsklausel ("Collective Action Clause") als nachträgliche einseitige Änderung der ursprünglich mit dem Bankenkonsortium im Emissionsprospekt ("Offering Circular“, Anl. B 1, K 18) festgelegten Begebungsbedingungen schon vertragsrechtlich unwirksam. Das durch Kauf an der Börse erworbene Forderungsrecht aus den streitgegenständlichen Staatsanleihen habe daher nicht erlöschen können, so dass ihnen – den Klägern – , und zwar sowohl nach deutschem als auch nach griechischem materiellen Recht, weiterhin ein seit dem 20.03.2012 fälliger Erfüllungsanspruch zustehe. Jedenfalls aber ergebe sich die Haftung der Beklagten aus § 826 BGB, denn durch die nur unzureichend kompensierte Ausbuchung der Anleihen aus dem Zentralbanksystem habe ihnen die griechische Regierung vorsätzlich und in sittenwidriger Weise einen Vermögensschaden zugefügt. Schließlich liege auch eine Schutzgesetzverletzung i.S.d. § 823 II BGB vor: Die Beklagte habe durch die Anweisung, die Anleihen auch derjenigen Anleger im System zu löschen, die dem Umtausch nicht zugestimmt hätten, gegen Art. 7 des Gesetzes 2198/1994 verstoßen, aufgrund dessen die ursprüngliche Emission erfolgt sei; dieses aber bezwecke gerade auch den Schutz der Vermögensinteressen der Anleger. 8 Die Kläger sind weiter der Ansicht, dass sich die Beklagte demgegenüber nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität bei hoheitlichem Handeln berufen könne: Bei der Emission der Schuldverschreibungen zum Zwecke der Staatsfinanzierung sei sie fiskalisch, also privatwirtschaftlich, tätig geworden. An diesem rein privatrechtlichen Charakter der Kapitalaufnahme habe sie auch durch das in Rede stehende, ohnehin als nichtig zu betrachtende Gesetz 4050/2012 nichts ändern können, dessen normativer Regelungsgehalt sich schließlich auf private Vertragsverhältnisse beziehe. Auch die durch dieses Gesetz bewirkte nachträgliche einseitige Änderung der Emissionsbedingungen und der darin liegende Vertragsbruch seien deshalb dem Bereich nicht-hoheitlichen Handelns zuzuordnen. Die griechische Republik sei folglich der Gerichtsbarkeit des Forumstaates in gleicher Weise unterworfen wie jede Privatperson. 9 Zur Begründung der örtlichen und internationalen Zuständigkeit des LG Konstanz berufen sich die Kläger zum einen auf Art. 5 Nr. 1 a, b EuGVVO (besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsorts), zum anderen auf Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) und schließlich auf Artt. 15 Abs. 1 c, 16 Abs. 1 EuGVVO (Gerichtsstand für Klagen eines Verbrauchers). Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen dieser Zuständigkeitsnormen sehen sie als gegeben an. 10 Die Kläger tragen vor, ihnen sei durch den Zwangsumtausch – gemessen am Nominalwert der eingezogenen Anleihe und nach Abzug ihres Veräußerungserlöses – ein Schaden von EUR 23.159,04 entstanden. Hiervon begehren sie im Wege der Teilklage einen Betrag von EUR 6.000,00. 11 Die Kläger beantragen, 12 die Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 6.000,00 nebst 4,3 % Zinsen seit dem 21.03.2011 bis zum 20.03.2012 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 6.000,00 ab dem 21.03.2012 zu bezahlen. 13 Die Beklagte beantragt, 14 die Klage abzuweisen. 15 Sie macht geltend, dass sie mit dem Erlass des Gesetzes 4050/2012 und der Ausführung der darauf gestützten Ministerialbeschlüsse hoheitlich tätig geworden sei; sie genieße deshalb nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts Immunität. Deutschen Gerichten sei es aus diesem Grunde von vorneherein verwehrt, über die Rechtmäßigkeit der Umschuldungsmaßnahmen zu befinden, und zwar unabhängig davon, welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für die Klage ggf. in Betracht komme. Demnach sei gerade auch die seitens der Kläger behauptete unerlaubte Handlung der Beklagten der gerichtlichen Überprüfbarkeit schlechthin entzogen. 16 Die Beklagte ist in diesem Zusammenhang weiter der Ansicht, das LG Konstanz sei für die Entscheidung des Rechtsstreits – selbst wenn generell eine deutsche Gerichtsbarkeit gegeben wäre – international nicht zuständig: Nachdem sich der Anwendungsbereich der EuGVVO auf zivil- und handelsrechtliche Streitigkeiten beschränke, es sich vorliegend aber – da letztlich die legislativen und administrativen Maßnahmen der griechischen Regierung in Streit stünden – um eine öffentlich-rechtliche, sogar hoheitliche, Angelegenheit handle, könne ein Gerichtsstand hieraus nicht hergeleitet werden. Es seien aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen der angeführten zuständigkeitsbegründenden Vorschriften im Einzelnen nicht erfüllt: Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO scheide aus, weil die entsprechende vertragliche Zahlungsverpflichtung infolge der Einziehung nicht mehr existiere; unabhängig hiervon ergebe sich aus den ursprünglichen Emissionsbedingungen, dass Erfüllungsort Athen – als Sitz der griechischen Zentralbank – gewesen sei. Auch die besonderen Gerichtsstände der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) und des Verbraucherwohnsitzes (Artt. 15 Abs. 1 c, 16 EuGVVO) kämen nicht in Betracht, letzterer u.a. deshalb nicht, weil die Kläger als Zessionare des ursprünglich den Konsortialbanken übertragenen Forderungsrechts nicht als Verbraucher anzusehen seien, und weil außerdem der griechische Staat bei der Begebung der Anleihen nicht "in Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" gehandelt habe. 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. 18 Die Kläger hatten – nach Durchführung eines Mahnverfahrens – die Anspruchsbegründung zunächst beim Landgericht Frankfurt/Main eingereicht. Mit Beschluss vom 10.04.2013 (AS. 277), auf dessen Begründung verwiesen wird, hat sich das LG Frankfurt/Main für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das LG Konstanz verwiesen. 19 Mit Beschluss vom 16.10.2013 hat die Kammer nach Anhörung und mit Zustimmung der Parteien angeordnet, dass über die Frage der Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird (§ 280 I ZPO).
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. 2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 6. Kammer
Schleswig-Holstein
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05.04.2017
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Zahlung von Stellplatzkosten sowie um die Feststellung, ob derartige Kosten künftig zu erstatten sind. Randnummer 2 Die Klägerin arbeitet seit Juni 1985 bei der Beklagten als Sozialpädagogin in der Betreuungsbehörde des Bereichs Soziale Sicherung. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-VKA kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Randnummer 3 Die Klägerin setzt seit Jahren ihren Privatwagen auch für dienstliche Zwecke ein. Sie fährt damit zu Außenterminen. Der Fachbereichsdienst hat ein erhebliches dienst-liches Interesse an der Benutzung des Privatwagens auf Dienstreisen gemäß § 5 Abs. 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG) für Dienstreisen im Stadtgebiet anerkannt (Schreiben vom 21.08.2012; Anlage K 1 = Bl. 4 d. A.). Seit Jahrzehnten parkte die Klägerin ihren Wagen gebührenfrei auf dem Parkdeck des Verwaltungszentrums am M.. Dort standen dem Bereich Soziale Sicherung Parkplätze zur Verfügung. Eine Parkplatzgarantie bestand für die Klägerin nicht. Randnummer 4 Der Bürgermeister der Beklagten informierte mit Rundschreiben vom 10.02.2015 über die Einführung eines neuen Parkkonzepts für die städtischen Parkplätze. Danach sind Parkplätze nur für Dienstfahrzeuge vorgesehen. Die verbleibenden städtischen Parkplätze sollen für die Mitarbeiter grundsätzlich kostenpflichtig sein und durch die K. GmbH bewirtschaftet werden. Nur mit Genehmigung der Fachbereichsleitung soll die Parkplatzmiete erstattungsfähig sein. Wegen des weiteren Inhalts des Konzepts wird auf die Anlage K 2 (Bl. 5 ff. d. A.) Bezug genommen. Randnummer 5 Noch am selben Tag beantragte der Bereich Soziale Sicherung für die Klägerin die Erstattung von Stellplatzkosten. Während die Bereichsleitung das besondere dienstliche Interesse am 16.02.2016 bestätigte, lehnte die Fachbereichsleitung die Erstattung am 23.03.2016 ab (Anlage K 3 = Bl. 8 d. A.). Die Klägerin mietete zum 01.05.2016 bei der K. einen Parkplatz für 36,00 EUR im Monat (Anlage K 5 = Bl. 12 ff. d. A.). Randnummer 6 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne Erstattung der Parkplatzkosten für die Monate Mai bis September 2016 sowie darüber hinaus verlangen. Der Anspruch ergebe sich aus betrieblicher Übung, dem Parkkonzept, das eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle und eine Ausnahmeregelung vorsehe, und aus einer analogen Anwendung der §§ 670, 675 BGB. Wegen der Eigenart ihrer Außendiensttätigkeit sei sie ganztags auf die Nutzung ihres Privatwagens und einen Parkplatz angewiesen. Außentermine würden von der Arbeitsstelle aus wahrgenommen. Die Wegstreckenentschädigung von 0,30 EUR pro Kilometer enthalte keinen Ausgleich für Parkplatzkosten. Bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel würde die Klägerin ihre Arbeit weniger effektiv erledigen. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 8 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 180,00 EUR zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, zukünftig die Stellplatzkosten für einen Pkw-Abstellplatz auf dem Grundstück Parkdeck Verwaltungszentrum M., K. Allee 2-6, L., monatlich gemäß den aktuell gültigen Vertragssätzen zu erstatten. Randnummer 9 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den angemieteten Parkplatz bestehe nicht. Es fehle an einer Anspruchsgrundlage. Die Möglichkeit, den auch zu dienstlichen Zwecken genutzten Privatwagen auf dem städtischen Parkplatz im Verwaltungszentrum M. abzustellen, habe die Beklagte der Klägerin nicht persönlich eingeräumt. Vielmehr hätten die Parkplätze dem Bereich „Soziale Sicherung“ für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestanden. In diesem Rahmen habe die Klägerin den Parkplatz nutzen dürfen, offiziell aber nicht für rein private Zwecke. Randnummer 12 Das Parkkonzept richte sich nicht an die Beschäftigten. Es handele sich um eine interne Handlungsanweisung, nach der die Bereiche mit Zustimmung des jeweiligen Fachbereichsleiters entscheiden können, ob die Anmietung eines Parkplatzes für dienstliche Zwecke erforderlich ist oder nicht. Randnummer 13 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte müsse der Klägerin die Parkplatzkosten für die Monate Mai bis September 2016 nicht erstatten. Es fehle eine Anspruchsgrundlage. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig, weil eine zukünftige Leistungspflicht nicht hinreichend bestimmt festgestellt werden könne. Randnummer 14 Gegen das ihr am 19.10.2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 11.11.2016 Berufung eingelegt und diese am 15.12.2016 begründet. Randnummer 15 Die Klägerin vertritt auch in der Berufung die Ansicht, sie könne Erstattung der Parkplatzkosten gemäß §§ 670, 675 BGB verlangen. Der Aufwendungsersatz sei für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes nicht durch den TVöD iVm. dem BRKG abschließend geregelt. Parkplatzkosten seien keine Reisekosten iSd. § 10 BRKG und nicht durch die pauschale Wegestreckenentschädigung des § 5 Abs. 2 BRKG abgegolten. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Parkplatzkosten Aufwendungen, die die Klägerin für erforderlich halten durfte. Das Interesse der Beklagten überwiege gegenüber dem privaten Interesse der Klägerin. Die sachnähere Bereichsleitung habe – anders als die Fachbereichsleitung - ein besonderes dienstliches Interesse bekundet. Mit der Nutzung ihres Privatwagens sei eine erhebliche Zeitersparnis verbunden, die der Beklagten zugutekomme. Randnummer 16 Die Klägerin meint, ihr Anspruch ergebe sich auch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung. Diese Grundsätze würden ausnahmsweise auch im öffentlichen Dienst gelten. Wegen des besonderen Interesses der Beklagten an der Vorhaltung des Privatwagens der Klägerin während der Dienstzeit und des jahrelangen kostenfreien Parkens habe die Klägerin annehmen können, die Parkplatzkosten würden ihr unabhängig von den jeweiligen Parkkonzepten und etwaiger haushaltsrechtlicher Erwägungen dauerhaft weiter gewährt. Randnummer 17 Schließlich ergebe sich der Anspruch aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 242 BGB. Denn die Pauschale des § 5 Abs. 2 BRKG erfasse die Parkplatzkosten nicht. Randnummer 18 Mit ihrem Feststellungsantrag begehre sie die Feststellung, dass die Beklagte ihr dauerhaft die anfallenden Parkplatzkosten erstatten müsse. Ein solcher Antrag sei hinreichend bestimmt und zulässig. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.09.2016 abzuändern und 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 180,00 EUR zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Stellplatzkosten für einen PKW-Abstellplatz auf dem Grundstück Parkdeck Verwaltungszentrum M., K. Allee 2-6, L., monatlich gemäß den aktuell gültigen Vertragssätzen zu erstatten. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 23 Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf kostenlose Parkplatznutzung. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus § 23 Abs. 3.1 TVöD-V iVm. dem Reisekostenrecht. Nur die während einer Dienstreise angefallenen Parkgebühren seien erstattungsfähig. Die Beklagte habe der Klägerin die Übernahme der Parkplatzkosten auch nicht zugesagt. Randnummer 24 Der Anspruch ergebe sich ferner nicht aus dem Parkkonzept. Hierbei handele es sich weder um einen Vertrag, noch um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das Konzept sei eine interne Handlungsanweisung, die sich nicht an die einzelnen Mitarbeiter, sondern an die Bereiche wende. Randnummer 25 Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine betriebliche Übung berufen. Der Entstehung einer solchen Übung stehe schon das Schriftformgebot für Nebenabreden entgegen, denn die kostenfreie Parkplatznutzungsmöglichkeit betreffe nicht den Kern des Arbeitsverhältnisses und unterfalle deshalb § 2 Abs. 3 TVöD. Bei der kostenlosen Nutzung eines Parkplatzes in der Nähe des Arbeitsplatzes handele es sich um eine bloße Annehmlichkeit, deren Duldung nicht auf einen Rechtsbindungswillen schließen lasse. Unabhängig davon würden die Grundsätze der betrieblichen Übung im öffentlichen Dienst nur eingeschränkt gelten. Randnummer 26 Die Beklagte sei nicht entsprechend § 670 BGB zur Kostenerstattung verpflichtet. Die Vorschrift werde durch § 23 Abs. 3.1 Satz 1 TVöD-V verdrängt. Zudem sei § 670 BGB abdingbar. Hier habe die Beklagte die Erstattung der Parkplatzmiete durch die Bereiche grundsätzlich ausgeschlossen. Hinzu komme, dass die Klägerin ihren Privatwagen nicht auf Anweisung der Beklagten nutze. Die Beklagte habe die Klägerin für die erforderlichen Fahrten auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen. Bei Abschluss des Parkplatzmietvertrags habe die Klägerin deshalb im Eigeninteresse gehandelt. Randnummer 27 Auch aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht müsse die Beklagte die Parkplatzkosten nicht übernehmen. Randnummer 28 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.09.2016 – 2 Ca 1544 b/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Finanzgericht Berlin-Brandenburg 5. Senat
Berlin
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29.08.2023
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Randnummer 1 Der Kläger war im Streitzeitraum 2012 bis 2016 als selbstständiger Architekturfotograf tätig. Da seine Fotografien im Internet und anderen Medien ohne seine Erlaubnis genutzt wurden, verfolgte er durch seine beauftragten Rechtsanwälte diese Urheberrechtsverletzungen u.a. im Wege außergerichtlicher Abmahnungen. Diese Abmahnverfahren liefen nach folgendem Muster ab: Zunächst forderten die Rechtsanwälte vom jeweiligen Rechtsverletzer die Unterlassung der unbefugten Nutzung der Fotos. Nach Abgabe einer entsprechenden strafbewehrten Unterlassungserklärung machten die Rechtsanwälte sodann zum einen Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG und zum anderen Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 UrhG geltend. Diese Beträge wurden ohne Umsatzsteuer gefordert, da der Kläger davon ausging, dass er aufgrund seiner Vorsteuerabzugsberechtigung nicht zur Forderung von Umsatzsteuer berechtigt sei. Im Zuge der hiermit zusammenhängenden außergerichtlichen Verhandlungen wurde sich sodann oftmals auf die Zahlung eines reduzierten Pauschalbetrages geeinigt. Die Vereinnahmung der Zahlungen erfolgte durch die Rechtsanwälte. Diese rechneten sodann mit dem Kläger entsprechend der zwischen ihnen getroffenen Honorarvereinbarung dahingehend ab, dass der Kläger die Hälfte der vereinnahmten Beträge (abzüglich entstandener Auslagen) ausgezahlt erhielt. Mit einer gesonderten Rechnung stellten die Rechtsanwälte dem Kläger die auf ihre Vergütung entfallende Umsatzsteuer in Rechnung. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Abmahnverfahrens wird auf Bl. 100ff. der Gerichtsakte verwiesen. Randnummer 2 In seinen Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre berücksichtigte der Kläger die Zahlungen aus diesen Abmahnverfahren nicht als steuerbare Umsätze. Er ging vielmehr davon aus, dass es sich um nicht steuerbaren Schadensersatz handele. Die in den Rechnungen der Rechtsanwälte ausgewiesene Umsatzsteuer machte er demgegenüber als Vorsteuer geltend. Der Beklagte folgte dem zunächst. Im Rahmen einer bei dem Kläger im Jahr 2019 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat die Prüferin die Rechtsauffassung, dass die von den Rechtsverletzern in den außergerichtlichen Abmahnverfahren geleisteten Zahlungen steuerbare und –pflichtige Umsätze seien. Da der Kläger nicht sämtliche Abrechnungen über derartige Zahlungen im Streitzeitraum nachweisen konnte, schätzte die Prüferin die anzusetzenden Umsätze anhand der vereinnahmten Erlöse aus außergerichtlichen Abmahnverfahren. Da der Kläger lediglich 50 % der von den Rechtsverletzern zu zahlenden Beträge erhalten habe, verdoppelte die Prüferin diese Erlöse und setzte den sich hieraus ergebenden Betrag als umsatzsteuerpflichtigen Umsatz an. Randnummer 3 Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und erließ am 30. Oktober 2019 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Im Rahmen des hierauf folgenden Einspruchsverfahrens legte der Kläger eine Aufstellung sämtlicher Zahlungen von Rechtsverletzern aus außergerichtlichen Abmahnverfahren vor. In diesen Aufstellungen sind die von den Rechtsanwälten vereinnahmten Zahlungen in Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG und Aufwendungsersatz gem. § 97a Abs. 3 UrhG aufgeteilt. Soweit sich in Abmahnverfahren auf die Zahlung eines Pauschalbetrages geeinigt wurde, sind die in den Abmahnschreiben geforderten Beträge für Schadens- und Aufwendungsersatz jeweils verhältnismäßig gekürzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf Bl. 99f. der Umsatzsteuerakte des Beklagten verwiesen. Der Kläger machte geltend, dass lediglich die als Aufwendungsersatz vereinnahmten Beträge der Umsatzsteuer unterlägen, nicht jedoch diejenigen, die Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG darstellten. Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2020 gab der Beklagte den Einsprüchen teilweise statt, indem er grundsätzlich der im Einspruchsverfahren von dem Kläger eingereichten Aufstellung folgte, jedoch sämtliche in außergerichtlichen Abmahnverfahren von den Rechtsanwälten vereinnahmten Beträge als umsatzsteuerpflichtige Umsätze behandelte. Die von den Rechtsanwälten vereinnahmten Beträge seien Bruttobeträge, aus denen die Umsatzsteuer herauszurechnen sei. Hieraus ermittelte der Beklagte anzusetzende Umsätze zu 19%, die auf die Zahlungen der Rechtsverletzer im Zusammenhang mit außergerichtlichen Abmahnverfahren entfielen, i.H.v. 4.129,14 € (2012), 91.625,80 € (2013), 63.411,93 € (2014), 40.933,56 € (2015) sowie 68.545,12 € (2016). Wegen der weiteren Einzelheiten der vom Beklagten angesetzten Beträge wird auf Bl. 130ff. der Gerichtsakte verwiesen. Randnummer 4 Mit seiner hiergegen erhobenen Klage vertritt der Kläger die Rechtsauffassung, dass er für die von den Rechtsverletzern gezahlten und durch seine Rechtsanwälte im Rahmen der außergerichtlichen Abmahnverfahren vereinnahmten Zahlungen keine Umsatzsteuer zu entrichten habe. Soweit die Zahlungen Schadensersatz i.S.d. § 97 Abs. 2 UrhG darstellten, handele es sich umsatzsteuerrechtlich um sog. echten Schadensersatz, der nicht umsatzsteuerbar sei. Für die Beträge, die als Aufwendungsersatz i.S.d. § 97a Abs. 3 UrhG anzusehen seien, habe der Kläger bereits Umsatzsteuer geleistet. Die Rechtsanwälte hätten insoweit über diese Zahlungen mit ihren Rechnungen abgerechnet und entsprechend Umsatzsteuer ausgewiesen, die er, der Kläger, gezahlt habe. Soweit der BFH mit seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019 (XI R 1/17) ggf. eine andere Rechtsauffassung vertreten habe, könne dies jedenfalls für den Streitfall nicht entscheidungserheblich sein. Denn die BFH-Entscheidung sei erst nach dem Streitzeitraum ergangen, so dass zu seinen, des Klägers, Gunsten die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abgabenordnung – AO – greife. Schließlich habe der Beklagte auch die Regelungen im BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2021 (III C 2-S 7100/19/10001:006, FMNR581000021, dort unter III.) zu beachten. Ein Vorsteuerabzug aus den Rechtsanwaltsrechnungen stehe ihm, dem Kläger, in jedem Fall in voller Höhe zu. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016, jeweils vom 31. Oktober 2019, sämtlichst in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze zu 19% um 4.129,14 € (2012), 91.625,80 € (2013), 63.411,93 € (2014), 40.933,56 € (2015) sowie 68.545,12 € (2016) gemindert werden. Randnummer 6 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Er vertritt die Rechtsauffassung, dass nach dem BFH-Urteil vom 13. Februar 2019 sämtliche Zahlungen von Rechtsverletzern im Rahmen außergerichtlicher urheberrechtlicher Abmahnverfahren als umsatzsteuerbare und –pflichtige Umsätze anzusehen seien. Daher seien auf Grundlage der vom Kläger eingereichten Aufstellung zutreffend die gesamten Zahlungen der Umsatzsteuer unterworfen worden. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers jedenfalls die Vorsteuern aus den Rechtsanwaltsrechnungen nicht abzugsfähig seien. Randnummer 8 Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte eine Umsatzsteuerakte (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 138), eine Einkommensteuerakte (Band II, paginiert von Bl. 1 bis Bl. 117), eine Gewerbesteuerakte (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 115), eine Akte „EÜR 2012 – 2016“ (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 102), eine Akte „BP-Berichte“ (paginiert von Bl. 1 bis Bl. 31), zwei Betriebsprüfungsakten (Band I: paginiert von Bl. 1 bis Bl. 194; Band II: paginiert von Bl. 1 bis Bl. 60), eine Aktenordner „Gewerbe“ (nicht paginiert), ein Aktenordner „tabellarische Übersicht aller Rechtsstreitigkeiten“ (nicht paginiert) sowie ein Aktenordner „Allgemein“ (nicht paginiert) vorgelegen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 12. Berufungskammer
Hessen
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17.12.2019
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Die Parteien streiten im Wege von Klage und Widerklage um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes und um Erstattungsansprüche der Beklagten. Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet. Die Beklagte ist eine Personaldienstleisterin, die über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt, und die mit ihren Kunden Arbeitnehmerüberlassungsverträge auf Grundlage das Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes abschließt. In den Kalendermonaten Januar 2015 bis Juni 2015 überließ sie ihren gewerblichen Arbeitnehmer A dem Entleiher B, bei welchem der Leiharbeitnehmer Tiefbauarbeiten ausführte. Die B unterhält keinen Baubetrieb. Auf Grundlage von § 8 Abs. 3 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) erstrebt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen i.H.v. zuletzt unstreitigen 1.618,74 EUR. Ursprünglich hatte der Kläger mit Mahnbescheid vom 10. April 2018 noch die Zahlung von Beiträgen i.H.v. 5.448,- EUR auf Basis monatlicher Mindestbeiträge begehrt, die Klage jedoch im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens teilweise entsprechend zurückgenommen. Während der Dauer der Entsendung des Arbeitnehmers A zahlte die Beklagte an ihn Urlaubsentgelt i.H.v. 441,38 EUR und, da sein Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2015 endete, Urlaubsabgeltung i.H.v. 706,20 EUR. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünde gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für den von ihr gewerbsmäßig überlassenen Arbeitnehmer A zu, ohne dass die Beklagte ihrerseits von ihm Erstattungen hinsichtlich des an den Leiharbeitnehmer ausgezahlten Urlaubsentgelts und der gezahlten Urlaubsabgeltung auf Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) verlangen könne. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.618,74 EUR zu zahlen. Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, eine Zahlungsverpflichtung bestünde nicht. Die Forderung sei aufgrund der Auszahlung des Urlaubsentgelts bzw. der Urlaubsabgeltung erloschen, zumindest sei sie aufgrund einer von ihr erklärten Aufrechnung mit diesen Beträgen untergegangen. Sie hat weiterhin gemeint, jedenfalls stünde ihr ein Erstattungsanspruch gemäß § 12 VTV zu. Der Kläger sei verpflichtet, an sie die an den Arbeitnehmer direkt ausgezahlten Beträge zu erstatten, so wie es auch bei Betrieben des Baugewerbes in diesen Fällen vorgesehen sei. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 AEntG sei so zu verstehen, dass der Verleiher mit den mit baulichen Arbeiten überlassenen Arbeitnehmern vollumfänglich am Urlaubskassenverfahren teilnähme. Der Kläger könne nicht Beitragszahlung verlangen, den Gegenanspruch jedoch negieren. Mit der Verpflichtung zur Beitragszahlung sei auch die Notwendigkeit der Erbringung einer Gegenleistung verbunden. Auch stellte es sich als treuwidrig dar, Beiträge zu verlangen, ohne eine Erstattung vorzunehmen. Die Beklagte hat widerklagend beantragt, festzustellen, dass ihr gegen den Kläger ein Anspruch entsprechend den Vorschriften des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung auf Erstattung von an den Arbeitnehmer A gezahltem Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung nach Ausgleich des Beitragskontos und nach ordnungsgemäßer Meldung zusteht. Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt und die Auffassung vertreten, die Auslegung von § 8 Abs. 3 AEntG ergäbe, dass die Norm lediglich eine Verpflichtung zur Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen und damit auch zur Entrichtung von Beiträgen an die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien begründe. Eine Teilnahme am Urlaubskassenverfahren sei damit ebenso wenig verbunden, wie eine Anwendbarkeit der für die Erstattungsansprüche geltenden Regelungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen und auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen. Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 25. Januar 2019 der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage insgesamt abgewiesen. Hinsichtlich des Klageanspruchs hat es angenommen, die Beklagte sei nach § 8 Abs. 3 AentG verpflichtet sei, Beiträge für den an die B zur Erbringung von baugewerblichen Tätigkeiten überlassenen Arbeitnehmer A zu zahlen. Die der Höhe nach unstreitige Beitragsforderung sei auch nicht durch Aufrechnung der Beklagten mit einer Gegenforderung erloschen. Unabhängig vom Bestehen von Gegenforderungen sei die Aufrechnung nach § 15 Abs. 5 VTV ausgeschlossen, solange das Beitragskonto einen Debetsaldo aufweise. Gleiches gelte, solange der Arbeitgeber den ihm obliegenden Meldepflichten nicht nachgekommen sei. Da die Beklagte vorliegend weder die geschuldeten Beiträge ausgeglichen noch die angefallenen Beiträge ordnungsgemäß gemeldet habe, stünde der Klageanspruch dem Kläger – unabhängig vom Vorliegen einer Gegenforderung – in voller Höhe zu. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, die Widerklage sei zulässig. Der Zulässigkeit stünde nicht der grundsätzlich geltende Vorrang der Leistungs- vor der Feststellungsklage entgegen. Eine auf Zahlung gerichtete Widerklage käme vorliegend mangels Ausgleichs des Beitragskontos und mangels Meldung nicht in Betracht. Mit der gewählten Antragsformulierung könne der Streit insgesamt erledigt und ein weiterer Rechtsstreit vermieden werden. Das Arbeitsgericht ist darüber hinaus davon ausgegangen, die Widerklage sei unbegründet. Der Zahlungsanspruch ergäbe sich weder aus § 8 Abs. 3 AEntG noch aus § 7 Abs. 4 SokaSiG i.V.m. § 12 des Tarifvertrags über Sozialkassenverfahren im Baugewerbe noch aus dessen analoger Anwendung. Hinsichtlich der verlangten Erstattung der Urlaubsabgeltungsansprüche ergäbe sich dies bereits aus der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 12 VTV. Dort sei die Abgeltung von Urlaubsansprüchen nur hinsichtlich jugendlicher Arbeitnehmer und bei Altersteilzeit vorgesehen. Vorliegend seien beide Ausnahmetatbestände ebenso wenig ersichtlich, wie eine andere Anspruchsgrundlage. Auch stünden der Beklagten keine Erstattungsansprüche hinsichtlich der gezahlten Urlaubsentgelte zu. § 12 VTV fände auf dem Betrieb der Beklagten keine Anwendung. Eine mitgliedschaftliche Bindung käme nicht in Betracht, da die Beklagte nicht Mitglied in einem der Verbände sei, die den Tarifvertrag über Sozialkassenverfahren im Baugewerbe abgeschlossen haben. Weiterhin käme eine Bindung über § 7 SokaSiG nicht in Betracht, da die Beklagte keinen Betrieb unterhalte, der dem Geltungsbereich des § 1 VTV unterfalle. Weiterhin hat das Arbeitsgericht zugrunde gelegt, dass § 8 Abs. 3 AEntG keine Erstreckung der tarifvertraglichen Normen – insbesondere der hier in Streit stehenden Vorschrift des § 12 VTV – auf den Verleiher von Personen enthalte, die zur Ausführung baugewerblicher Arbeiten überlassen würden. § 8 Abs. 3 AEntG begründe lediglich eine Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge zu den gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, begründe jedoch keinen Anspruch auf Erstattung gezahlter Urlaubsvergütungen. Sinn der Regelung von § 8 Abs. 3 AEntG sei es, sicherzustellen, dass dann, wenn ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher mit baugewerblichen Tätigkeit beschäftigt werde, der Verleiher zumindest die in dem Tarifvertrag vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren habe und dass der gemeinsamen Einrichtung die nach dem Tarifvertrag zustehenden Beiträge zu leisten seien. Mit den Verpflichtungen zur Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen und zur Beitragszahlung korrespondiere kein spiegelbildlicher Anspruch auf Gegenforderungen. Dem Leiharbeitnehmer würden durch die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge die gleichen Arbeitsbedingungen gewährt, wie er sie in einem Baubetrieb erhielte. Damit stünde ihm ebenso wie in einem Baubetrieb ein Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gegenüber der Kasse zu. Zur Zahlung von Urlaubsabgeltung sei der Verleiher mithin nicht verpflichtet. Das Arbeitsgericht hat gemeint, § 8 Abs. 3 AEntG biete weder von seinem Wortlaut her noch im Hinblick auf die in dem Gesetz enthaltene Systematik einen Anhaltspunkt dafür, dass dem Verleiher ein Erstattungsanspruch zustünde. Es sei von der Zahlung der Beiträge die Rede, jedoch nicht von der Erstreckung des Geltungsbereichs allein aufgrund der Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten durch den verliehenen Arbeitnehmer. Auch § 8 Abs. 1 AEntG stünde der Begründung von Gegenansprüchen entgegen. Der Gesetzgeber hätte die Möglichkeit gehabt, die hinsichtlich ausländischer Arbeitgeber gefundene Regelung auf die Konstellation der inländischen Verleiher zu erstrecken. Insoweit sei von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen und nicht von einer unbeabsichtigten Regelungslücke. Schließlich hat das Arbeitsgericht ausgeführt, auch aus Gründen von Treu und Glauben ergäbe sich keine Notwendigkeit, Gegenansprüche zu begründen. § 8 Abs. 3 AEntG ziele darauf ab, die Umgehung des Verbots des Verleihs vom Arbeitnehmern in Baubetrieben zu verhindern. Es sei hinzunehmen, dass diese Verhinderung auch eine Regelung nach sich ziehen könne, die den Verleiher einseitig belaste. Hierbei müsse berücksichtigt werden, dass der Verleiher Urlaubsabgeltungsansprüchen nur in den Ausnahmefällen (jugendliche Arbeitnehmer, Altersteilzeit) ausgesetzt sei und in allen anderen Fällen die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft zahlungsverpflichtet sei. Bezüglich der Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist der Beklagten am 26. März 2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 23. April 2019, eingegangen bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht am 23. April 2019, hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2019 am 22. Mai 2019 begründet. Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben, soweit es Erstattungsansprüche bezüglich des Urlaubsentgelts und der Urlaubsabgeltung i.H.v. 1.147,58 EUR unberücksichtigt gelassen und die Widerklage abgewiesen hat. Die Ansprüche folgten vielmehr zutreffend aus § 8 Abs. 3 AEntG. Die Auslegung der Norm im Hinblick auf Wortlaut, Systematik und Historie rechtfertigten die Sichtweise des Arbeitsgerichts nicht, vielmehr müsse § 8 Abs. 3 AEntG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmerverleihern und Arbeitgebern, die keine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betrieben, verhindert werde. Die Beurteilung durch das Arbeitsgericht führe zu einer Doppelbelastung der Beklagten, weil Urlaubsentgeltzahlungen sowohl gegenüber den eigenen Arbeitnehmern zu leisten wären, als auch als Beiträge gegenüber dem Kläger. Die Beklagte meint weiterhin, die Erstattung der streitgegenständlichen Urlaubsabgeltungsansprüche sei auch nicht durch den Wortlaut von § 12 VTV ausgeschlossen. Es bedürfe insoweit ebenfalls einer verfassungskonformen Auslegung. Auch ist sie der Auffassung, das Aufrechnungsverbot von § 15 Abs. 5 VTV stünde dem Anspruch nicht entgegen. Da sie im gerichtlichen Verfahren die Bruttolöhne des Arbeitnehmers A mit Schriftsatz vom 05. November 2018 mitgeteilt habe, sei sie der Meldepflicht nachgekommen. Im Übrigen könne ein ausgeglichenes Beitragskonto im Falle einer rückwirkenden Heranziehung des Arbeitgebers nicht verlangt werden, da es sich um eine bloße Formalie handele. Hinsichtlich der genauen Begründung wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 22. Mai 2019, auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26. November 2019 und auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Dezember 2019 verwiesen. Die Beklagte beantragt zuletzt, das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2019 – 8 Ca 191/18 SK – teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu einer Zahlung von mehr als 471,16 EUR verurteilt worden ist sowie widerklagend festzustellen, dass ihr gegen den Kläger ein Anspruch entsprechend den Vorschriften des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung auf Erstattung von an den Arbeitnehmer A gezahltem Urlaubsentgelt und Urlaubsabgeltung nach Ausgleich des Beitragskontos und ordnungsgemäßer Meldung zusteht. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er meint, die Widerklage sei bereits unzulässig. Hinsichtlich der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 23. Juli 2019 und auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Dezember 2019 verwiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Januar 2019 – 8 Ca 191/18 SK – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.618,74 EUR (in Worten: Eintausendsechshundertachtzehn und 74/100 Euro) zu zahlen. Auf die Widerklage der Beklagten wird festgestellt, dass ihr gegen den Kläger ein Anspruch entsprechend den Vor-schriften des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 03. Mai 2013 in der Fassung vom 10. Dezember 2014 auf Erstattung von an den Arbeitnehmer A gezahltem Urlaubsentgelt nach Ausgleich des Beitragskontos und ordnungsgemäßer Meldung zusteht. Im Übrigen wird die Widerklage zurückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Kläger 66% und die Beklagte 34 % zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 14 % und die Beklagte zu 86 %. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern 3. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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23.05.2017
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten verfügte Inanspruchnahme wegen Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 14.310,46 Euro sowie Verwaltungsgebühren in Höhe von 150,00 Euro im Zusammenhang mit dem Abriss seines Hauses im Wege des Sofortvollzugs; nach der teilweisen erstinstanzlichen Klagestattgabe sind Gegenstand des Berufungsverfahrens noch Kosten in Höhe von insgesamt 13.520,36 Euro. Randnummer 2 Der Kläger war jedenfalls Eigentümer des Grundstücks D.straße 32 in C.. Das Grundstück war mit einem leerstehenden und entkernten Wohnhaus bebaut. Über das Vermögen des Klägers lief von 1999 bis zum 24. November 2009 ein Insolvenzverfahren. Randnummer 3 Nach Maßgabe einer ebenfalls bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Aufstellung (Bl. 2 Beiakte A) wurde in der Zeit von 1999 bis 2008 für das Gebäude mehrfach eine Einsturzgefahr vermerkt. 1999 sei es zu starken Rissbildungen im oberen Wandbereich des Gebäudes gekommen. Gleiche Feststellungen finden sich für die Jahre 2000, 2001 und 2002 festgestellt. Für 2008 sind sonstige Gefährdungen mit der Erforderlichkeit von Gebäudesicherungsmaßnahmen festgehalten. Randnummer 4 In einem behördlichen Vermerk vom 23. Februar 2010 wird dann festgehalten, ein Mitarbeiter des KOSD habe um ca. 8.00 Uhr mitgeteilt, für das Gebäude D.straße 32 bestehe Einsturzgefahr, ein Auto sei beschädigt und die Feuerwehr gerufen worden. In Fotos vom selben Tag wird der Zustand des Gebäudes und die Situation auf der Straße festgehalten (Bl. 4 bis 18, 20 Beiakte A). Es ist erkennbar, dass auf dem unmittelbar vor dem Gebäude verlaufenden Gehweg zahlreiche Ziegelsteine bzw. Bruchstücke von solchen lagen, die offensichtlich herabgefallen waren. Auf dem oberen Abschluss der Frontfassade sind nach von der Feuerwehr gefertigten Fotos loser Sand und teilweise noch lose Steine zu sehen; laut Vermerk auf einem Bild habe die Feuerwehr per Hand Ziegel abgenommen. Gegen 11:30 Uhr erfolgte eine provisorische Straßensperrung mittels Absperrband, gegen ca. 14:30 Uhr wurden Schilder und Absperrgitter aufgestellt, die eine Durchfahrt verboten. Laut weiterem Vermerk (Bl. 19 Beiakte A) teilte eine Mitarbeiterin des Beklagten gegenüber der Kriminalpolizei mit, die gesamte Fassade drohe auf die Straße zu stürzen. Seitens dieser Mitarbeiterin war zuvor bereits eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem früheren Insolvenzverwalter des Klägers erfolgt. Mit einem weiteren Vermerk vom gleichen Tage (Bl. 21 Beiakte A) ist festgehalten, dass eingetragener Eigentümer der Kläger und kein Insolvenzverwalter mehr bestellt sei. Randnummer 5 Mit Telefax vom 23. Februar 2010 versuchte der Beklagte, den Kläger über die Telefaxnummer der Firma E. Baugesellschaft mbH davon in Kenntnis zu setzen, dass im Wege des Sofortvollzugs am selben Tage der Abbruch des Gebäudes in Auftrag gegeben worden sei. In dem Schreiben heißt es u.a., das Gebäude sei stark einsturzgefährdet. Die Fassade drohe in den öffentlichen Straßenraum abzubrechen. In der vorherigen Nacht seien bereits umfangreiche Dachsimsteile in den öffentlichen Verkehrsbereich gefallen. Die straßenseitige Fassade, wie auch das Gebäude selbst, sei auch im Ganzen als stark einsturzgefährdet zu beurteilen. Auf Grund der starken Gebäuderisse und der nicht mehr ausreichende Sicherung der Fensterstürze sei die umgehende Abbruchmaßnahme notwendig. Der Abbruch werde innerhalb der nächsten drei Tage abgeschlossen sein. Randnummer 6 Am 24. Februar 2010 erteilte der Beklagte dem Bauunternehmen F. – „wie wir bereits gestern telefonisch besprochen haben“ – den Auftrag, das Gebäude wegen akuter Einsturzgefahr nach näheren Maßgaben abzubrechen. Der Abbruch müsse auf Grund der akuten Einsturzgefahr „ sofort “ ausgeführt werden. In dem gestrigen Telefonat sei zugesagt worden, ab dem 24. Februar 2010 beginnen zu können. Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte die Firma F. GmbH mit, „heute, am 24.02.2010“ habe sie auftragsgemäß den Gebäudeabriss begonnen. Die Arbeiten würden voraussichtlich bis einschließlich 26. Februar 2010 dauern. Der Gesamtpreis werde 13.849,22 Euro betragen. Randnummer 7 Mit Schreiben vom 25. Februar 2010, das für den Kläger eine Schweriner Anschrift auswies, wandte sich der Beklagte an den Kläger und führte unter dem Betreff „Ersatzvornahme“ u.a. aus: Wie bereits mit dem Telefax vom 23. Februar 2010 mitgeteilt, sei der sofortige Abbruch des Gebäudes beauftragt worden. Die straßenseitige Fassade, wie auch das Gebäude selbst müssten als akut einsturzgefährdet eingeschätzt werden. In der Nacht zum 23. Februar 2010 seien bereits umfangreiche Dachsimsteile in den öffentlichen Verkehrsraum gestürzt. Der Beklagte könne deshalb gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 89 SOG M-V im Wege der Ersatzvornahme als Verwaltungszwang ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt (sofortiger Vollzug) Abbruchmaßnahmen auf Kosten des Klägers durch einen Beauftragten ausführen lassen. Auf Grund der weiteren bestehenden starken Gebäuderisse und die nicht mehr ausreichende Sicherung der Fensterstürze, die ebenso bereits herauszubrechen drohten, sei die umgehende Abbruchmaßnahme notwendig geworden. Die Straßenfassade sei zudem nicht mehr von den tragenden Deckenbalken gehalten worden. Die voraussichtlichen Kosten würden 13.849,22 Euro betragen. Das Schreiben gelangte am 03. März 2010 an den Beklagten mit dem Vermerk zurück, der Empfänger sei unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe bereits zum wiederholten Male darauf hingewiesen, dass er seit mehreren Jahren nicht mehr Eigentümer des Grundstücks D.straße 32 sei. Sein vormaliger Insolvenzverwalter habe das Grundstück veräußert. Der daraufhin vom Beklagten eingeholte Grundbuchauszug vom 01. März 2010 wies den Kläger nach wie vor als Eigentümer aus. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 05. März 2010 stellte die Firma F. GmbH dem Beklagten die Summe von 14.310,46 Euro in Rechnung. Randnummer 10 Unter dem 19. März 2010 erließ der Beklagte den angefochtenen Kostenbescheid – Az. 61 – 13 – 00377 / 10 –. Darin werden für den „Abbruch des leerstehenden Mehrfamilienhauses aufgrund akuter Einsturzgefahr“ Auslagen und Gebühren von insgesamt 14.460,46 Euro (14.310,46 Euro Ersatzvornahmekosten; Verwaltungsgebühr 150,00 Euro) geltend gemacht. Randnummer 11 Gegen den ihm unter der Rubrumsanschrift am 25. März 2010 zugestellten Kostenbescheid legte der Kläger am 06. April 2010 Widerspruch ein, mit dem er im Wesentlichen geltend machte, sein früherer Insolvenzverwalter habe ihm erklärt, dass die Immobilie D.straße 32 veräußert worden sei. Er sei daher nicht Eigentümer der Liegenschaft. Die Baufälligkeit des Gebäudes sei dem Beklagten bereits seit 1999 bekannt gewesen. Es hätten regelmäßig Kontrollen stattgefunden, sodass die von dem Gebäude ausgehende zunehmende Gefahr hätte erkannt werden können. In der Zeit von 1999 bis 2009 sei der zuständige Insolvenzverwalter nicht auf den dramatischen Bauzustand hingewiesen worden, schon gar nicht seien Verfügungen zur Gebäudesicherung erlassen worden. Der Beklagte hätte in dieser Zeit auch den Abriss vermeiden können, wenn gegenüber dem Insolvenzverwalter die geeigneten Schritte zur Sicherung des Hauses angeordnet worden wären. Er – der Kläger – sei selbst Maurermeister. Bei rechtzeitiger Anzeige hätte er die drohende Gefahr mit eigenen Mitteln zu einem Bruchteil der geltend gemachten Kosten beseitigen können. Randnummer 12 Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2011 zurück. Der Beklagte führte darin ergänzend aus: Telefonisch sei der Kläger am 23. Februar 2010 nicht zu erreichen gewesen. Vom Grundbuchamt sei bestätigt worden, dass er – der Kläger – immer noch als Eigentümer eingetragen sei. Auch der Sachverhalt dürfte ihm bekannt gewesen sein, da es in der Vergangenheit schon erforderliche Sicherungsmaßnahmen gegeben habe. Randnummer 13 Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 26. Mai 2011 Klage, mit der er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertiefte. Randnummer 14 Mit dem angefochtenen Urteil vom 22. April 2013 – 2 A 948/11 – hat das Verwaltungsgericht Schwerin der Klage insoweit stattgegeben, als in den angefochtenen Bescheiden Kosten in Höhe von mehr als 13.520,36 Euro festgesetzt worden sind, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe die Ersatzvornahme rechtmäßig durchgeführt. Die Voraussetzung von § 81 SOG M-V hätten vorgelegen. Der Beklagte habe mit den ihm damals zur Verfügung stehenden Kenntnissen zu Recht eine akute Einsturzgefahr des Gebäudes mit potenziell lebensgefährlichen Folgen festgestellt. Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass das Gebäude seit dem Jahre 1999 nicht mehr in einem guten Zustand gewesen sei. Aus den Lichtbildern von 1998 gehe indes hervor, dass das Gebäude jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht annähernd so stark verfallen gewesen sei. Die Inanspruchnahme des Pflichtigen habe kein erfolgversprechendes Mittel dargestellt, da hier nur ein sofortiges effektives Handeln des Pflichtigen in Betracht gekommen wäre. Ein solches sei aus der Sicht des Beklagten nicht zu erwarten gewesen. Vielmehr sei es objektiv so gewesen, dass die fortgesetzte versuchte Inanspruchnahme des Klägers zu einem nichtvertretbaren Zeitverlust geführt hätte. Der Kläger selbst sei als Einzelperson nicht in der Lage gewesen, den Abriss effektiv und schnell durchzuführen. Der Kläger sei auch nicht willens gewesen, den Abriss rechtzeitig durchzuführen. Er habe nicht gewusst, dass er Eigentümer sei, und den Abriss nicht für erforderlich gehalten. Der Kostenbescheid sei auch in der Höhe überwiegend rechtmäßig. Lediglich der Kostenpunkt 2.3 erweise sich in Höhe von 790,00 Euro netto als unberechtigt, weil für den Mobilbagger mit Arbeitskraft lediglich zwei Tage abzurechnen gewesen seien. Randnummer 15 Das Urteil wurde dem Kläger am 25. April 2013 zugestellt. Auf den am 23. Mai 2013 gestellten und am 24. Juni 2013 begründeten Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 19. November 2013 zugelassen. Nach Zustellung desselben an den Kläger am 28. November 2013 hat dieser die Berufung am Montag, den 30. Dezember 2013, begründet. Randnummer 16 Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, Randnummer 17 sachliche Grundlage des Verwaltungsaktes sei das unstreitige Herabfallen von Steinen gewesen. Der Beklagte hätte den Kläger durch Verwaltungsakt auffordern müssen, das weitere Herabfallen der Steine zu unterbinden. Mit Erfüllung dieser Verpflichtung wäre die nachgewiesene Gefahr gebannt gewesen. Eine Aufforderung zum Abriss des Hauses wäre unverhältnismäßig gewesen. Der Beklagte hätte im Rahmen eines (normalen) Verwaltungsverfahrens darlegen müssen, dass sich der bauliche Zustand so geändert habe, dass ein Abriss unvermeidbar geworden wäre. Im Übrigen sei das Haus nicht einsturzgefährdet gewesen. Randnummer 18 Der Kläger beantragt, Randnummer 19 unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts den Kostenbescheid des Beklagten vom 19. März 2010, Az.: 61-13-00377/10 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. April 2011 insgesamt aufzuheben. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt insbesondere vor, Randnummer 23 er sei nicht gehalten gewesen, schon früher eine Abbruchverfügung zu erlassen. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer solchen Verfügung seien hoch. Wenn bereits im Jahre 1999 die Einsturzgefährdung festgestellt worden sei, also vor elf Jahren, stelle sich die Frage, ob eine Abbruchverfügung hätte erlassen werden können. Aus Sicht des Beklagten sei dies zum damaligen Zeitpunkt und den Jahren danach nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen. Vielmehr sei der Eigentümer eines Gebäudes für die Standsicherheit verantwortlich. Er könne die Abbruchkosten nicht auf die Allgemeinheit abwälzen, weil die Behörde zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine akute Gefahrenlage zum Handeln gezwungen werde. Nicht der Beklagte, sondern der Kläger habe es versäumt, bereits früher tätig zu werden. Es könne im Rahmen des § 81 SOG M-V nicht darauf ankommen, ob Maßnahmen gegen den Pflichtigen mehrere Jahre vor Eintritt der Gefahrenlage möglich gewesen wären, sondern ob Maßnahmen gegen den Pflichtigen zum Zeitpunkt der gegenwärtigen Gefahr möglich sind. Im Zeitpunkt der akuten Gefahrenlage habe der Beklagte keine andere Wahl gehabt, als im Wege des sofortigen Vollzugs die Gefahr, aus der bereits eine Störung geworden sei, zu beseitigen. Dass aus der ex- post-Sicht besser geraume Zeit vorher eine Abbruchverfügung hätte erlassen werden sollen, könne dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Ein rechtmäßiges Vorgehen nach § 81 SOG M-V könne dem Beklagten nur dann verwehrt werden, wenn er rechtsmissbräuchlich keine reguläre Abbruchverfügung erlassen hätte. Dafür gebe es aber keinerlei Anhaltspunkte. Er habe vielmehr bis zum allerletzten Moment die grundgesetzlich garantierten Eigentümerrechte geachtet und den Abbruch im Wege der Ersatzvornahme nur als Ultima Ratio eingesetzt, gerade weil es sich bei den Vollstreckungsmaßnahmen ohne vorherige Verfügung an den Pflichtigen um einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Bürgers handele. Dem Wortlaut des § 81 SOG M-V lasse sich nicht entnehmen, eine Verschärfung einer bereits bekannten Gefahrenlage könne ein Eingreifen nicht rechtfertigen. Danach müsse lediglich eine „gegenwärtige“ Gefahr vorliegen, unabhängig davon, ob dem Beklagten die Gefahr bereits bekannt war. Randnummer 24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, und das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. April 2013 – 2 A 948/11 – teilweise wie folgt geändert: Auf die Klage des Klägers werden der Kostenbescheid des Beklagten vom 19. März 2010 – Az. 61 – 13 – 00377 / 10 – und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. April 2011 insgesamt aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Frankfurt 10. Kammer
Hessen
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17.05.2005
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Randnummer 1 Der 1978 geborene Kläger erstrebt von dem Beklagten Ausbildungsförderung für eine berufliche Aufstiegsfortbildung. Es handelt sich um einen Lehrgang zur Ausbildung als Dachdeckermeister bei dem Bundesbildungszentrum des Deutschen Dachdeckerhandwerkes vom 18.8.2003 bis 29.5.2004. Die Kosten hierfür sollten ca. 8000 Euro betragen. Randnummer 2 Den Antrag lehnte die Behörde des Beklagten mit Bescheid vom 12.9.2003 ab. Der Kläger habe zuvor einen Fortbildungslehrgang zum Betriebswirt des Handwerks absolviert. Damit habe er eine Qualifikation erlangt, die dem jetzt erstrebten Fortbildungsziel zum Dachdeckermeister gleichwertig sei. Sie berief sich dabei auf § 6 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFBG. Eine der in der letztgenannten Vorschrift genannten Ausnahmen liege nicht vor. Randnummer 3 Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers. Sein Vater sei Inhaber eines Dachdeckerbetriebes, den er übernehmen solle. Bereits während seiner Lehre zum Dachdecker sei aber eine chronische entzündliche Darmerkrankung (colitis ulcerosa) aufgetreten, so dass er sich entschlossen habe, die betriebswirtschaftlichen Aufgaben (vorwiegend Bürotätigkeit) zu übernehmen und für die übrigen Aufgaben einen Meister zu beschäftigen, um den Betrieb fortzuführen. Im Februar 2003 habe sich sein gesundheitlicher Zustand jedoch deutlich gebessert, weshalb nunmehr die Voraussetzungen vorlägen, um den Lehrgang zur Meisterausbildung zu besuchen. Randnummer 4 Das Amt für Ausbildungsförderung des Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2003 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 3 AFBG lägen nicht vor. Randnummer 5 Im einzelnen heißt es dort: "Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AFBG wird Förderung nach dem AFGB vorbehaltlich der Regelung in Abs. 3 AFBG nur für die Vorbereitung auf ein erstes Fortbildungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AFBG und nur für die Teilnahme an einer ersten Fortbildungsmaßnahme geleistet. Dagegen wird Förderung nicht geleistet, wenn der Antragsteller bereits eine berufliche Qualifikation erworben hat, die dem von ihm angestrebten Fortbildungsabschluss zumindest gleichwertig ist. Der Widerspruchsführer hat in der Zeit von Januar 2003 bis April 2003 eine Fortbildungsmaßnahme zum Betriebswirt des Handwerks absolviert, die dem Grunde nach die Voraussetzungen der Förderungsfähigkeit nach dem AFBG erfüllt. Soweit der Widerspruchsführer vorträgt, er habe diese Fortbildung absolviert, da aufgrund seiner chronischen Darmerkrankung das dauerhafte Ausüben einer Tätigkeit als Dachdecker gesundheitsbedingt fraglich gewesen sei, ist dieser Umstand (Motiv der Fortbildung) für die Frage, inwieweit eine Fortbildung als solche im Sinne des AFBG vorliegt, nicht maßgeblich. Die Förderung der Fortbildungsmaßnahme zum Dachdeckermeister ist danach nach § 6 Abs. 1 AFBG ausgeschlossen. Ein Förderungsanspruch für die Fortbildungsmaßnahme zum Dachdeckermeister ergibt sich aber auch nicht aus der Vorschrift des § 6 Abs. 3 AFBG. Nach S. 1 dieser Vorschrift wird die Vorbereitung auf ein zweites Fortbildungsziel i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AFBG gefördert, wenn der Zugang zu ihm erst durch das Erreichen des ersten Fortbildungsziels eröffnet worden ist. Dies ist nach den Zulassungsvoraussetzungen nicht der Fall. Abweichend von Satz 1 kann die Vorbereitung auf ein zweites Fortbildungsziel aber auch dann gefördert werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen. Besondere Umstände des Einzelfalls sind insbesondere dann gegeben, wenn ein wichtiger Grund der Ausübung des Berufs entgegensteht, zu dem die erste Fortbildung qualifiziert hat. Da im Rahmen der Prüfung, inwieweit eine zweite Fortbildung gefördert werden kann, allein abzustellen ist auf die erste Fortbildungsmaßnahme, ist eine rechtliche oder faktische Unverwertbarkeit (etwa aus gesundheitlichen Gründen), die das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S.d. § 6 Abs. 3 AFBG begründen würde, vorliegend nicht gegeben. Der Widerspruchsführer hat eine Fortbildung zum Betriebswirt des Handwerks absolviert; der Ausübung dieses Berufes stehen jedoch keinerlei gesundheitliche Einschränkungen oder Bedenken entgegen. Soweit der Widerspruchsführer erklärt, er wolle den elterlichen Dachdeckerbetrieb übernehmen, was rechtlich nur nach Absolvieren der Meisterprüfung möglich sei, begründet auch dieser Umstand keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine zweite Fortbildungsmaßnahme nicht förderungswürdig ist. Dabei ist auch unerheblich, dass die erste Fortbildung des Widerspruchsführers zum Betriebswirt des Handwerks nicht durch das AFBG gefördert worden ist." Randnummer 6 Dagegen hat der Kläger mit am 17.11.2003 bei Gericht eingegangen Schriftsatz vom 13.11.2003 Klage erhoben. Er verfolgt sein Anliegen weiter und führt weiter aus: Die Fortbildung zum Betriebswirt des Handwerks sei als Aufbaufortbildung für Dachdeckermeister gedacht. Sie sei nicht gleichwertig mit der Meisterausbildung. Randnummer 7 Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 12.09. und 27.10.2003 diese zu verpflichten, die Teilnahme des Klägers an dem Vorbereitungslehrgang zum Dachdeckermeister in der Zeit vom 18.08.2003 bis 29.05.2004 zu fördern. Randnummer 8 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Er beruft sich auf seine bisherigen Ausführungen. Randnummer 10 Die Behördenakten haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Randnummer 11 Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung übertragen (Beschluss vom 01.03.2005).
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Weimar 8. Kammer
Thüringen
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12.01.2017
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Zuwendungen zur Beschaffung von insgesamt vier Omnibussen auf Grundlage der Richtlinie zur Förderung von Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr in Thüringen vom 14. Januar 2011 (ÖPNV-Investitions-richtlinie, ThürStA 2011, S. 207 ff). Randnummer 2 Mit zwei Zuwendungsbescheiden vom 6. Mai 2013 wurde dem Kläger jeweils eine Zuwendung von jeweils ... € zu Anschaffung von zwei einstöckigen Omnibussen zu einem Nettopreis von je ... € gewährt. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 24. Mai 2013 und vom 28. Oktober 2013 wurden Zuwendungen in Höhe von jeweils ... € für die Anschaffung von zwei doppelstöckigen Omnibussen mit Gesamtkosten in Höhe von jeweils netto ... € gewährt. Die Gewährung erfolgte jeweils als Festbetragsfinanzierung. Als Zuwendungszweck wurde der Einsatz der geförderten Fahrzeuge in dem öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Thüringen festgelegt. Die geförderten Fahrzeuge waren für die Dauer von mindestens 8 Jahren im Linienverkehr einzusetzen. Der Zuwendungszeitraum wurde in allen Bescheiden auf den 31. Dezember 2013 festgelegt. Ferner wurde in den Bescheiden geregelt, dass der Verwendungsnachweis bis zum 30. Juni 2014 vorzulegen ist. Für die Dauer der Zweckbindung wurde dem Kläger aufgegeben, bis jeweils 15. Februar des Folgejahres einen Nachweis der im Freistaats Thüringen gefahrenen Linienkilometern vorzulegen. Alle vier Zuwendungen gelangten zur Auszahlung. Randnummer 3 Am 22. August 2014 legte der Kläger, vertreten durch ein Ingenieurbüro, den Verwendungsnachweis für alle vier Zuwendungen vor. In dem Schreiben wurde ausgeführt, dass die Fahrzeuge erst im Februar 2014 hätten ausgeliefert werden sollen. Bei der Abnahme hätten sich jedoch Mängel herausgestellt, die eine Übernahme nicht möglich gemacht hätten. Dies habe dazu geführt, dass die Fahrzeuge am 13. bzw. 25. Mai 2014 zugelassen werden konnten. Im Sachbericht der Verwendungsnachweise wurde weiter ausgeführt, der auf den 31. Dezember 2013 vertraglich festgelegte Liefertermin sei von dem Hersteller V... auf den 28. Februar verändert worden. Wegen Mängeln an den Fahrzeugen sei die Zulassung erst im Mai 2014 erfolgt. Die Fahrzeuge befänden sich im Linienbetrieb und würden betriebswirtschaftlich erfolgreich genutzt. Für die beiden einstöckigen Omnibusse legte der Kläger dabei eine Kopie der Fahrzeugbriefe mit einem Zulassungsdatum vom 13. Mai 2014 vor und für die beiden doppelstöckigen Busse mit dem Zulassungsdatum 23. Mai 2014. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 5. September 2014 hörte der Beklagte den Kläger zum Widerruf der vier Zuwendungsbescheide jeweils in voller Höhe an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger gegen Auflagen des Zuwendungsbescheides verstoßen habe. So habe er den Verwendungsnachweis verspätet und unvollständig erbracht. Die Verwendung der Zuwendungen sei nicht nachgewiesen worden. Zwar habe der Kläger einen Darlehensvertrag vorgelegt, aus dem sich eine Zahlung der Darlehenssumme durch die Bank an den Hersteller ergebe. Über die Zahlung des Restbetrags durch den Kläger sei ein Beleg nicht vorgelegt worden. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 1. Dezember 2014 widerrief der Beklagte die genannten Zuwendungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von insgesamt ... € und stellte fest, dass der Kläger diesen Betrag dem Zuwendungsgeber zu erstatten habe. Der Erstattungsbetrag sei mit seiner Entstehung bis zum Zahlungseingang bei dem Beklagten mit 6% jährlich zu verzinsen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Verwendung der ausgezahlten Fördermittel seien nicht nachgewiesen worden. Laut den vorgelegten Rechnungen habe der Kaufpreis für die vier geförderten Busse ... € netto bzw. ... € brutto betragen. Ausweislich eines vorliegenden Darlehensvertrages sei ein Betrag in Höhe von ... € durch die Gesellschaft für Absatzfinanzierung finanziert und an die V... GmbH überwiesen worden. Der im Darlehensantrag als Anzahlung ausgewiesene Betrag von ... €, bestehend aus ... € Zuwendung und ... € Mehrwertsteuer habe dem Betrag entsprochen, der von dem Kläger direkt an den Lieferanten zu überweisen gewesen wäre. Ein entsprechender Überweisungsbeleg sei nicht vorgelegt worden. Randnummer 6 Gegen diesen am 16. März 2015 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 19. Dezember 2014 Widerspruch ein. Die angekündigte Begründung wurde trotz einer Erinnerung des Beklagten vom 4. Februar 2015 nicht vorgelegt. Randnummer 7 Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2015, dem Kläger zugegangen am 16. März 2015, den Widerspruch zurück. Mit Schreiben vom 10. März 2015, dem Beklagten per Mail übersandt am 12. März 2015, teilte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten unter Vorlage der Kopie eines Kontoauszuges mit, dass der Kläger am 5. März 2015 einen Betrag in Höhe von ... € an die V... Corporation überwiesen habe. Ferner wurde ein Schreiben der V... Corporation vom 9. März 2015 in Kopie vorgelegt. In diesem Schreiben teilte das Unternehmen mit, dass die Fahrzeuge fertig gestellt seien und zur Abholung bereit stünden. Hierzu führte der Kläger weiter aus, dass mit der Zahlung und der Abholung der mängelfreien Busse der Förderzweck erfüllt sei. Der Kläger erkläre sich bereit, die angefallenen Zinsen für den Zeitraum zu entrichten, indem die Fördermittel nicht verwendet worden seien. Randnummer 8 Hiergegen hat der Kläger am 9. April 2015 Klage vor dem Verwaltungsgericht Weimar erhoben. Randnummer 9 Zur Begründung trägt der Kläger vor, der Kaufpreis für die vier Busse habe insgesamt ... € netto betragen. Der Kaufpreis sei über die Gesellschaft für Absatzfinanzierung in Höhe von ... € finanziert worden. Aufgrund von Mängeln hätten die Busse sich erst im Februar 2015 sich in einem mängelfreien Zustand befunden. Erst dann seien die Abholung und der Einsatz der Busse im Linienverkehr erfolgt. Nachdem der Kläger schon die Anzahlung über ... € geleistet habe, sei er nicht bereit gewesen, vorher den Restbetrag in Höhe von ... € an den Hersteller zu zahlen. Der Zuwendungszweck sei erfüllt worden. Die eingetretene Zeitverzögerung sei hinnehmbar, da es maßgeblich auf den Einsatz der Busse über den Zeitraum von 8 Jahren ankomme. Die Verzögerungen im Beschaffungsvorgang seien nicht unüblich. Dies könne aber nicht dazu führen, dass ein Widerspruch ausgesprochen werde, sondern dass als angemessenes Mittel der Anspruch auf Zinszahlung gemäß § 49 a Abs. 4 ThürVwVfG geltend gemacht werde. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 1. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2015 aufzuheben. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Er erwidert, dass der Kläger den Verwendungsnachweis bis zum 30. Juni 2014 habe erbringen müssen. Die Frist sei dem Beklagten bis zum 11. August 2014 verlängert worden. Erst am 22. August 2014 habe der Kläger einen Verwendungsnachweis vorgelegt. Daraus habe sich lediglich entnehmen lassen, dass der von der Gesellschaft für Absatzfinanzierung über einen Darlehensbetrag finanzierte Betrag in Höhe von ... € am 23. Mai 2014 an die Firma V... GmbH überwiesen worden sei. Eine Verwendung der Zuwendung sei nicht nachgewiesen worden. Erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides habe der Kläger am 12. März 2015 die Kopie eines Kontoauszuges mit einer Überweisung eines Betrags von ... € an die Firma V... GmbH vorgelegt. Eine Zuordnung dieses Betrags zu den geforderten vier Linienbussen sei aus dem Beleg nicht eindeutig erkennbar. Auch habe der Kläger keine Unterlagen zum Nachweis der Lieferschwierigkeiten vorgelegt. In einem Schreiben vom 10. Oktober 2014 habe der Kläger im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorgetragen, dass die Fördermittel für die vier Busse nicht verwendet worden seien, da die vertragsgemäße Lieferung der zwei Doppelstockbusse auch nicht erfolgt sei. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum die zwei Standard-Linienbusse, für die offenbar keine Mängel vorlagen, ebenfalls erst am 13. Mai 2014 zugelassen und erst im März 2015 vollständig bezahlt worden seien. Randnummer 15 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 12. Senat
Berlin
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10.09.2015
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Randnummer 1 Der Kläger erstrebt Zugang zu einem Schreiben der Europäischen Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren. Randnummer 2 Der Kläger ist ein anerkannter Umweltverein, der sich gegen die 247. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrs-Ordnung wendet, mit welcher die Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln (Flugrouten) zum und vom Flughafen Berlin-Brandenburg festgelegt worden sind. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 30. Mai 2013 leitete die Europäische Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4000 ein (im Folgenden: Aufforderungsschreiben). Sie vertrat darin die Auffassung, deutsche Gesetze zur Festlegung von Flugrouten seien nicht mit europäischem Umweltrecht vereinbar, und forderte die Beklagte zur Stellungnahme auf. Zugleich informierte sie die Öffentlichkeit über die Einleitung und den Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 3. Juni 2013 beantragte der Kläger beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (heute: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur; im Folgenden „Bundesministerium“) gemäß § 3 Umweltinformationsgesetz (UIG) Akteneinsicht in das Aufforderungsschreiben und bat um Übermittlung einer Abschrift des Schreibens. Randnummer 5 Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union ersuchte unter dem 13. Juni 2013 die Kommission um Mitteilung, ob sie gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) 1049/2001 der Dokumentenherausgabe zustimme. Mit Schreiben vom „19.06.2014“ (richtig: 19.06.2013) widersprach die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission einer Herausgabe des Dokuments. Aus Gründen einer möglichen Beeinträchtigung des Vertrauens zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Ausnahmeregelung des Artikel 4 Abs. 2 dritter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 anzuwenden. Das Dokument beziehe sich auf eine laufende Untersuchung, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe liege nicht vor. Randnummer 6 Mit Bescheid des Bundesministeriums vom 27. Juni 2013 lehnte die Beklagte den Informationsantrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus, nachdem die Europäische Kommission der Herausgabe widersprochen habe, sei eine Bekanntgabe der vom Kläger begehrten Information nur gegen deren ausdrücklichen Willen möglich. Die Herausgabe des Dokuments würde deshalb nachteilige Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission und damit auf die internationalen Beziehungen haben. Im Übrigen könnte eine Herausgabe des Dokuments das Ziel gefährden, im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens eine unionsrechtskonforme Lösung zu finden. Randnummer 7 Nachdem der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hatte, bat die Beklagte die Europäische Kommission um Mitteilung, ob einer Herausgabe des Aufforderungsschreibens weiterhin nicht zugestimmt werde. Diese bestätigte dies mit E-Mail vom 29. Juli 2013. Randnummer 8 Mit Widerspruchsbescheid des Bundesministeriums vom 27. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Randnummer 9 Die dagegen am 17. Oktober 2013 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. März 2014 abgewiesen. Randnummer 10 Einem Anspruch des Klägers auf Zugang zu dem Aufforderungsschreiben stehe der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG entgegen. Die Regelung schütze mit dem Tatbestandsmerkmal „internationale Beziehungen“ auch die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union. Die Gewährung von Zugang zu dem Aufforderungsschreiben hätte nachteilige Auswirkungen auf diese Beziehungen. Erforderlich und ausreichend sei insoweit eine ernsthafte konkrete Gefährdung des Schutzguts. Ob diese vorliege, könne nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar sei, nämlich dahingehend, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei, ihre Prognose einleuchtend begründet und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen habe. Die Einschätzung der Beklagten, bereits die Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens werde sich unabhängig von seinem Inhalt abträglich auf ihre außenpolitischen Ziele gegenüber der Europäischen Union auswirken, lasse keinen Beurteilungsfehler erkennen. Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiege das Interesse der Beklagten an der Geheimhaltung des fraglichen Schreibens nicht. Ein Anspruch auf Gewährung (vollständigen oder teilweisen) Zugangs zu dem Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission ergebe sich auch nicht aus anderen Bestimmungen. Randnummer 11 Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Randnummer 12 Er ist der Auffassung, dass es sich bei den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten bei der gebotenen engen Auslegung des Ablehnungsgrundes nicht um,,internationale Beziehungen" i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG handele. Randnummer 13 Der Begriff „international" bedeute „zwischen mehreren Staaten bestehend; zwischenstaatlich". Im Gegensatz dazu seien die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten supranationale Beziehungen. Der vom Verwaltungsgericht für möglich gehaltene Rückgriff auf das Wortverständnis des Tatbestandsmerkmals „internationale Beziehungen“ in § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG sei unzulässig, weil dieses Gesetz zeitlich nach dem Umweltinformationsgesetz ergangen sei und daher keinen Maßstab für dessen Auslegung bilden könne. Außerdem diene das Umweltinformationsgesetz anders als das Informationsfreiheitsgesetz der Umsetzung einer europäischen Richtlinie mit einem eigenständigen, dezidierten Regelungsprogramm. Randnummer 14 Ausweislich der Gesetzesmaterialien zum Umweltinformationsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung seien „internationale Beziehungen" gerade Beziehungen zu „fremden Staaten", mithin nicht die Beziehungen zur Europäischen Union, die nicht außenpolitischer, sondern innenpolitischer Natur seien. Unzutreffend nehme das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der Aarhus-Konvention an, der Begriff der „internationalen Beziehungen" sei völkerrechtlich zu verstehen, weshalb auch Beziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten und Mitgliedstaaten erfasst seien. Soweit es sich für seine Auffassung auf den „Implementation Guide" zur Aarhus-Konvention beziehe, verkenne es dessen Rechtsnatur als bloße Empfehlung ohne verpflichtenden Charakter. Randnummer 15 Die Freigabe des Aufforderungsschreibens hätte auch keine nachteiligen Auswirkungen auf die Beziehungen der Beklagten zur Europäischen Union. Der unbestimmte Rechtsbegriff der nachteiligen Auswirkungen unterliege voller gerichtlicher Kontrolle. Unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG räume das Verwaltungsgericht demgegenüber der Kommission de facto ein Vetorecht ein, indem es darauf abstelle, dass diese der Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens wiederholt widersprochen habe. Das Verwaltungsgericht verkenne zudem, dass die Beklagte nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei. Sie habe fälschlich angenommen, das in Rede stehende Vertragsverletzungsverfahren habe nichts mit den Flugrouten vom und zum Flughafen Berlin-Brandenburg zu tun, und es sei auf der Pressekonferenz der Europäischen Kommission am 30. Mai 2013 nicht um die inhaltlichen Gründe für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegangen. Randnummer 16 Im Übrigen überwiege das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe des Aufforderungsschreibens das öffentliche Interesse an seiner Geheimhaltung. Eine Zugänglichmachung erst nach Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens ermögliche eine effektive öffentliche Kontrolle nicht. Darüber hinaus sei das Geheimhaltungsinteresse aufgrund der bereits erfolgten Berichterstattung der Europäischen Kommission über das Vertragsverletzungsverfahren im Verhältnis zum Informationsinteresse weniger schutzwürdig. Auch verkenne das Verwaltungsgericht, dass der Kläger ein vom Umweltbundesamt anerkannter Umweltverein nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz sei. Zumindest sei eine teilweise Informationsgewährung möglich und geboten. Randnummer 17 Die Versagung des Zugangs zum Aufforderungsschreiben verletze auch die Rechte des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK. Randnummer 18 Der Kläger beantragt, Randnummer 19 das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. März 2014 zu ändern und Randnummer 20 1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2013 zu verpflichten, dem Kläger Akteneinsicht in das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission an die Bundesrepublik Deutschland zur Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2013/4000 vom 30. Mai 2013 zu gewähren und eine Kopie zur Verfügung zu stellen sowie Randnummer 21 2. die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 24 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Randnummer 25 In der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015 hat die Beklagte mitgeteilt, das Vertragsverletzungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen. Randnummer 26 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Senats gewesen sind.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des Vollstreckungsbetrages leistet. Die Revision wird zugelassen.
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SG Kassel 3. Kammer
Hessen
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03.06.2019
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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die 1981 geborene Klägerin meldete sich am 11. Dezember 2018 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Vorhergehend stand sie vom 8. Februar 2017 bis 14. Juli 2017 als Produktionshelferin, vom 26. März 2018 bis 31. Mai 2018 als Reinigungskraft, vom 18. Juni 2018 bis 31. Juli 2018 als Servicekraft und vom 15. Oktober 2018 bis zum 24. November 2018 in versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Durch Bescheid vom 9. Januar 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, sie sei in den letzten zwei Jahren vor Arbeitslosmeldung weniger als zwölf Monate, nämlich nur 340 Tage, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Hiergegen richtete sich der am 17. Januar 2019 erhobene Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erläuterte die Beklagte, dass die Klägerin vom 8. Februar 2017 bis 14. Juli 2017 157 Tage beschäftigt war, vom 26. März 2018 bis 31. Mai 2018 67 Tage, vom 18. Juni 2018 bis 31. August 2018 75 Tage und vom 15. Oktober 2018 bis 24. November 2018 41 Tage, insgesamt also 340 Tage. Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen richtet sich die am 19. März 2019 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie sei nicht bis 31. August 2018, sondern bis 30. September 2018 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im September 2018 ändere daran nichts. Zur Begründung legt die Klägerin einen arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 15. März 2019 vor, der zum ArbG Kassel zum Aktenzeichen 2 CA 28/19 geschlossen wurde, wonach sich die Arbeitsvertragsparteien einig sind, dass das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30. September 2018 ende, wobei für den Monat September 2018 keinerlei Vergütungsansprüche bestünden. Somit sei § 7 Abs. 3 SGB IV anzuwenden, wonach eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend gelte, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Somit habe die Versicherungspflicht für die Dauer der Arbeitsunterbrechung ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortbestanden. Damit sei aber auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 9. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018 in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Die Beklagte hält weiterhin an ihrer Auffassung fest. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Der Bescheid vom 9. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2019 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 11. Dezember 2018 in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 8. Senat
Sachsen-Anhalt
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31.01.2013
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von weiteren 6.337,00 EUR Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII) für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 im Rahmen eines Persönlichen Budgets (im Weiteren: PB) streitig. Randnummer 2 Die am ... 1979 geborene Klägerin leidet seit einer metabolischen Entgleisung im Alter von fünf Monaten im Rahmen eines fieberhaften Infektes an einem zerebralen Anfallsleiden mit täglich mehrmals auftretenden Anfällen, einer rechtsseitigen armbetonten Halbseitenlähmung sowie einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung. Ausweislich des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Pflegeversicherung - SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Oktober 2002 sei in Bezug auf die Grundpflege ein Zeitaufwand von 209 Minuten pro Tag und in Bezug auf die hauswirtschaftliche Versorgung ein Zeitaufwand von 60 Minuten pro Tag erforderlich. Im Folgegutachten vom 1. November 2006 wird der Zeitaufwand für die Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten pro Tag eingeschätzt. Der Hilfebedarf entspreche weiter der Pflegestufe II. Randnummer 3 Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt M. tätig, hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ebenfalls ausgeführt, die Klägerin benötige für alle täglichen Verrichtungen umfangreiche Anleitung, massive Assistenz und Kontrolle; aufgrund zu geringer psychischer und körperlicher Belastbarkeit, stark wechselnder Stimmungslagen und täglich mehrfach auftretender Anfallsereignisse bestehe keine Werkstattfähigkeit. Randnummer 4 Die Eltern sind als Betreuer bestellt. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, H, RF" anerkannt (Bescheid vom 15. Februar 1991). Die Klägerin bezieht Leistungen zur Pflege nach der Pflegestufe II von der Barmer GEK Pflegekasse. Sie erhält vom Beklagten Eingliederungshilfe durch die Betreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. an Wochentagen von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr (Kosten hierfür 1.220,56 EUR monatlich sowie Fahrtkosten in Höhe von 388,89 EUR monatlich). Ferner bezieht sie laufend Grundsicherungsleistungen (im Januar 2007 in Höhe von 476,30 EUR). Auf Veranlassung der Betreuer erhält sie zeitweilig eine logopädische Behandlung. Randnummer 5 Seit dem 1. März 2007 bewohnt die Klägerin eine 3-Zimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Anschrift. Randnummer 6 Für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 schlossen die Beteiligten unter dem 18. Dezember 2006 eine Zielvereinbarung für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des PB, in der als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgelegt wurden; diese Zielvereinbarung sei Gegenstand des Bescheides vom 21. Dezember 2006. In der Zielvereinbarung wurden unter Punkt 3. der Hilfebedarf entsprechend der Einschätzung des MDK vom 11. Oktober 2002 und unter Punkt 4. die Budgethöhe mit insgesamt jährlich 15.305,52 EUR festgelegt, wobei gleichzeitig vereinbart wurde, dass das PB in Teilbeträgen in Höhe von monatlich 1.275,46 EUR ausgezahlt werde. Es wurde festgelegt. Ferner wurde festgeschrieben, dass damit alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 53, 54 SGB XII hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII abgegolten seien. Dementsprechende Regelungen traf der Bescheid vom 21. Dezember 2006. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Randnummer 7 Ausweislich des Betreuungsvertrages vom 1. März 2007 schlossen die Klägerin und die Fa. W. (im Weiteren: Leistungserbringer) eine Vereinbarung über Betreuungsleistungen ab. Die Klägerin wünsche Betreuungsleistungen im Rahmen des PB, welche ihr ermöglichten, in einer eigenen Wohnung zu leben. Dazu benötige sie umfassende Hilfen wochentags von 15.30 Uhr bis 22.00 Uhr durch eine Heilpädagogin und die entsprechenden Nachtbereitschaften durch Hilfskräfte. Die Kosten der Diplomheilpädagogin in Vollzeit betrügen 1.782,00 EUR monatlich. Die Nachtbereitschaften kosteten 20,00 EUR pro Nacht zuzüglich 10 Prozent Verwaltungskosten und damit insgesamt 517,00 EUR pro Monat. Der Gesamtbetrag belaufe sich auf 2.299,00 EUR. Der Vertrag sei bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Die Vereinbarung wurde am 3. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert. Randnummer 8 Am 29. Juli 2007 stellte die Klägerin den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung, sie erhalte seit Februar 2007 das bewilligte Budget in Höhe von 1.275,46 EUR und werde seit März 2007 in ihrer eigenen Wohnung betreut. Dies wirke sich sehr positiv auf ihre Entwicklung aus. Allerdings reiche das PB bei Weitem nicht aus, um ihren Bedarf zu decken. Monatlich seien 2.300,00 EUR zu zahlen, um sie zu betreuen, wobei die Wochenenden davon nicht mitumfasst seien; dann halte sie sich bei ihren Eltern auf. Es sei ihr nicht möglich, mit dem vom Beklagten in der Zielvereinbarung zugrunde gelegten Stundensatz die sie betreuende Fachkraft tarifgerecht zu bezahlen. Sie beantrage deshalb die Erhöhung des PB unter Einbeziehung der Kosten der Urlaubs- und Krankheitsvertretung sowie Umlagen für Schwangerschaft etc. Randnummer 9 Die Beteiligten führten daraufhin ein Gespräch über den Abschluss einer neuen Zielvereinbarung. Der Beklagte bot eine Budgeterhöhung um 196,84 EUR an. Die Klägerin war damit nicht einverstanden, da ihre Eltern monatlich ca. 600,00 EUR aus deren Einkommen zuzahlten, um ihre Betreuung abzudecken. Der Beklagte vertrat hierzu die Auffassung, dass nur im Rahmen der psychosozialen Hilfen und dem Bereich Arbeit und Beschäftigung Fachkräfte eingesetzt werden müssten und alle weiteren Hilfebedarfsbereiche durch Hilfskräfte abgedeckt werden könnten. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, sie müsse selbst entscheiden können, von wem sie Hilfeleistung in Anspruch nehme. Randnummer 10 Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Oktober 2007 den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung ab, es sei keine erneute Zielvereinbarung zustande gekommen. Der Budgetbetrag werde weiterhin in Höhe von 1.275,46 EUR gewährt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zunächst beantragt, auf der Grundlage eines Schreibens des Leistungserbringers vom Februar 2007 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2007 weitere 12.282,58 EUR zu gewähren. Das SG hat auf der Grundlage des darin als notwendig dargestellten Leistungsumfangs der Betreuung der Klägerin ein (schriftliches) Gutachten von Prof. Dr. P. G. und R. B. vom 22. August 2011 eingeholt. Danach bestehe bei der Klägerin ein budgetrelevanter Betreuungsbedarf von 593,12 Stunden monatlich.B. ist vom SG zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Im Protokoll heißt es: "der Sachverständige erstattete sein Gutachten." Weitere Ausführungen enthält das Protokoll nicht. Auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin auf ihren entsprechend geänderten Antrag für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 weitere 6.377,00 EUR Zug um Zug gegen den Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung für denselben Zeitraum zu zahlen. Ausweislich der Aufstellung des Leistungserbringers vom Februar 2007 habe sich ein notwendiger monatlicher Betrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergeben. Zu den ausgezahlten Leistungen in Höhe von 1.275,46 EUR ergebe sich eine Differenz in Höhe von 2.044,54 EUR. Die Betreuer der Klägerin hätten unwidersprochen vorgetragen, im gesamten Jahr 2007 einen Betrag von über 13.000,00 EUR vorgeschossen zu haben, um die notwendige Betreuung der Klägerin sicher zu stellen. Ausgehend vom Antrag der Klägerin auf Erhöhung des PB im Juli 2007 errechne sich der ausgeurteilte Betrag. Randnummer 11 Gegen das ihm am 19. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. Februar 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, ein höherer Anspruch der Klägerin scheitere an der geschlossenen Zielvereinbarung und dem nachfolgenden bestandskräftigen Verwaltungsakt. Die Klägerin habe von dem Recht der Kündigung der Zielvereinbarung keinen Gebrauch gemacht. Auch habe die Klägerin - entgegen den Ausführungen des SG - keine Rechnung vorgelegt, aus der sich der monatliche Zahlbetrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergebe. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 das Urteil des SG Magdeburg vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakten der Streitverfahren L 8 SO 17/12 B ER und S 16 (19) SO 80/09 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 2011 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 7. Senat
Rheinland-Pfalz
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15.06.2011
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheides über die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Auslandsstudium und die entsprechende Anordnung der Erstattung der geleisteten Förderung. Sie studierte an der Universität Heidelberg seit dem Wintersemester 2006/2007 im Bachelor-Studiengang „Übersetzungswissenschaft“ (A-Sprache Deutsch, B-Sprache Russisch, C-Sprache Englisch). Dieses Studium schloss sie im September 2009 ab. Sodann nahm sie zum Wintersemester 2009/2010 den konsekutiven zweijährigen Masterstudiengang „Konferenzdolmetschen“ auf. Für ihr Studium erhält sie Förderleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG -. Randnummer 2 Am 12. März 2010 beantragte sie bei der Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Besuch der Heriot-Watt University Edinburgh in der Fachrichtung Übersetzen/Dolmetschen vom 1. September bis 31. Dezember 2010. Hierbei handelt es sich um ein Auslandsstudium im Rahmen der Förderung nach dem Erasmus-Austauschprogramm. Nach Antritt des Auslandsstudiums übersandte die Klägerin der Beklagten das für die abschließende Bearbeitung des BAföG-Antrags noch erforderliche Certificate of enrolment (Immatrikulationsbescheinigung) der Heriot-Watt University vom 14. September 2010, das am 23. September bei der Beklagten einging. Danach ist sie als Studentin in „undergraduate studies“ mit der Teilnahme an Kursen im Bachelorlevel eingeschrieben. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 29. September 2010, dem intern ein Bearbeitungsvermerk vom 22. September 2010 zugrunde lag, bewilligte die Beklagte Ausbildungsförderung für das Auslandsstudium der Klägerin von September bis Dezember 2010. Der Klägerin wurde ein Zweimonatsbetrag in Höhe von insgesamt 1.402,-- € angewiesen. Den Förderungsbescheid hob die Beklagte nach Eingang der Immatrikulationsbescheinigung mit weiterem Bescheid vom 27. September 2010 – abgesandt am 29. September 2010 – auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 SGB X auf, da der Förderungsbescheid rechtswidrig gewesen sei, weil die Förderungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die Einschreibung in einen undergraduate-Studiengang sei nicht ausreichend, da die Klägerin in Deutschland ein Masterstudium betreibe. Damit sei die gemäß § 5 Abs. 4 BAföG erforderliche Gleichwertigkeit zum inländischen Masterstudium nicht gegeben. Randnummer 4 Die zuständige Erasmus-Koordinatorin der Universität Heidelberg teilte dazu im Nachgang mit, die Erasmus-Studierenden besuchten an der Heriot-Watt University immer die Lehrveranstaltungen im Fach Dolmetschen in dem auf Übersetzen und Dolmetschen spezialisierten dortigen Bachelor-Studiengang. Randnummer 5 Ergänzend machte noch vor Ablauf der Klagefrist die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend: Sämtliche Studenten aus Heidelberg (BA, MA, Diplom) würden entsprechend einem Abkommen zwischen den Universitäten wegen der Vergleichbarkeit der Studiengänge als undergraduate eingestuft. In Heidelberg sei es nicht möglich, Konferenzdolmetschen bereits im Bachelor-Studiengang zu studieren. Den Studenten im Masterstudiengang Konferenzdolmetschen werde im Bewerbungsantrag für das Erasmus-Programm die Heriot-Watt University ausdrücklich als geeignet empfohlen. Randnummer 6 Gegen den Rückforderungsbescheid hat die Klägerin am 21. Oktober 2010 Klage erhoben. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 lehnte die Beklagte erneut förmlich die Förderung ab und wiederholte den Rücknahmeentscheid, ergänzend forderte sie die Klägerin auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der bisher geleisteten Förderungen in Höhe von 1.402,-- € auf. Dagegen hat die Klägerin, was die Ergänzung um die Rückforderung angeht, gesondert Klage erhoben. Randnummer 8 Zur Begründung ihrer Klagen hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Sie habe sich für ein Auslandssemester an der Heriot-Watt University entschieden, weil diese die Partner-Universität der Universität in Heidelberg sei, die Konferenzdolmetschen als Studienfach anbiete. Auch die Studierenden im Masterstudiengang Konferenzdolmetschen würden in das undergraduate-Programm eingestuft, da dort bereits im Bachelor-Studium mit dem Dolmetschen begonnen werde. Es liege eine Gleichwertigkeit der Ausbildungen hinsichtlich des Konferenzdolmetschens vor. Die Gleichwertigkeit ergebe sich auch aus Ziffer 5.4.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BAföG. Auf den im Ausland zu erreichenden Abschluss allein könne es bei ansonsten gegebener Gleichwertigkeit der Studiengänge nicht ankommen. Wenn im Laufe des deutschen Bachelor-Studiums keine Möglichkeit bestehe, das Konferenzdolmetschen zu erlernen, könne der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Ausbildungen im Ausland mithin nicht entgegenstehen, dass eben dieser Stoff dort bereits im Bachelor-Studium vermittelt werde. Ausbildungsförderung für das Auslandsstudium werde im Übrigen schon seit vielen Jahren genauso unter diesen Umständen für die Heriot-Watt University gewährt. Die Probleme gebe es offensichtlich nur deshalb, weil nunmehr auch der deutsche Studiengang in Bachelor und Master aufgeteilt worden sei. Es habe für die früheren, auch fortgeschrittenen Studierenden des Diplom-Studiengangs Dolmetschen nie eine Rolle gespielt, dass die Diplomstudenten ein Auslandssemester in einem undergraduate-Studiengang verbracht hätten. Randnummer 9 Die Klägerin hat sinngemäß beantragt, Randnummer 10 den Bescheid vom 27. September 2010 und den Bescheid vom 28. Oktober 2010, letzteren soweit Erstattung der gezahlten Beträge gefordert werde, aufzuheben. Randnummer 11 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht: Die Gleichwertigkeit der Auslandsausbildung gemäß § 5 Abs. 4 BAföG sei vorliegend nicht gegeben. Der Besuch der ausländischen Ausbildungsstätte sei nur dann gleichwertig, wenn er bei vergleichbarer Qualifikation der vermittelten Ausbildung zu einem vergleichbaren Ausbildungsabschluss führe. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Neben der vergleichbaren Qualität der Ausbildung müsse auch ein vergleichbarer Ausbildungsabschluss vorliegen. Dies sei in dem undergraduate-Studium im Ausland nicht gegeben. Die Voraussetzungen der Ziffer 5.4.3 der BAföG-Verwaltungsvorschriften seien nicht erfüllt, da vorliegend im Hinblick auf den nicht vergleichbaren Ausbildungsabschluss eine Ausnahme von dem dort aufgestellten Grundsatz der Gleichwertigkeit zu machen sei. Randnummer 14 Das Verwaltungsgericht Mainz hat den Klagen mit Urteilen vom 10. Februar 2011 stattgegeben und den Rücknahmebescheid sowie den Erstattungsbescheid aufgehoben. Die Bescheide seien rechtswidrig, weil der zuvor erlassene Bewilligungsbescheid der Rechtslage entsprochen habe. Die Klägerin könne die Förderung ihres Auslandsstudiums beanspruchen, insbesondere fehle es nicht an den Voraussetzungen nach § 5 Abs. 4 BAföG. Danach sei zwar die Gleichwertigkeit der im Ausland besuchten Ausbildungsstätte erforderlich. Nach BAföG-Verwaltungsvorschrift Ziffer 5.4.1 sei der Besuch dann gleichwertig, wenn er unter entsprechenden Zugangsvoraussetzungen und bei vergleichbarer Qualität der vermittelten Ausbildung zu einem Ausbildungsabschluss führe, der einem durch den Besuch der im Inland gelegenen Ausbildungsstelle erzielten Abschluss gleichwertig sei. Nach Ziffer 5.4.3 der Verwaltungsvorschriften gelte der Besuch der Ausbildungsstätte grundsätzlich als gleichwertig, wenn der Ausbildungsgang in eines der dort genannten Stipendien- oder Austauschprogramme des DAAD einbezogen sei. Hierzu gehöre auch das Erasmus-Programm, an dem die Klägerin teilgenommen habe. Die entsprechende Vermutung sei vorliegend entgegen der Ansicht der Beklagten nicht widerlegt. Dass die Klägerin formal nur in einem undergraduate-Studium eingeschrieben worden sei, reiche dafür nicht aus. Eine rein formale Betrachtungsweise werde der Problematik nicht gerecht. Sie beruhe lediglich auf der Umstellung der früheren Diplomstudiengänge in eine gestufte Bachelor-Master-Ausbildung. Im Übrigen lasse sich die genannte Vermutung nur in atypischen Sonderfällen widerlegen. Ein solcher Fall liege hier bereits nicht vor, denn die Problematik stelle sich wegen der erfolgten Umstellung des Studiensystems in Deutschland in einer Vielzahl von Fällen entsprechend. Randnummer 15 Dagegen hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zugelassenen Berufungen eingelegt. Der Senat hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Randnummer 16 Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest. Die Vermutungsregelung der Ziffer 5.4.3 der BAföG-Verwaltungsvorschriften sei auf die Konstellation eines gestuften Bachelor-Master-Studiengangs nicht anwendbar. Insoweit gehe die gesetzliche Regelung vor, die eine Gleichwertigkeit des Abschlusses verlange. Das von der Klägerin im Ausland aufgenommene Bachelor-Studium sei einem Master-Studium nicht gleichwertig. Auf die Länge der Bachelor-Ausbildung im Ausland komme es insoweit nicht an. Unerheblich sei, ob die deutsche Hochschule eine Anrechnung der erbrachten Studienleistungen vorsehe; es sei insoweit nicht ungewöhnlich, dass auch nicht gleichwertige Ausbildungsleistungen nach den Studienordnungen Anerkennung fänden. Dennoch könne dies nicht dazu führen, dass förderungsrechtlich die Gleichwertigkeit entgegen der Gesetzesregelung angenommen werde. Randnummer 17 Die Beklagte beantragt, Randnummer 18 unter Abänderung der Urteile des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Februar 2011 die Klagen abzuweisen. Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Berufung der Beklagten gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Hamburg 1. Senat
Hamburg
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21.10.2021
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Randnummer 1 Der 1966 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Jahr 2020 begab er sich mehrfach und bei verschiedenen Leistungserbringern in vertragszahnärztliche Behandlung, die jeweils nicht zur Zufriedenheit des Klägers verlief, der nach wie vor unter Schmerzen litt. Randnummer 2 Am 10. August 2020 teilte der Kläger der Beklagten mittels des Formulars „Anfrage an die BARMER“ auf deren Website mit, dass seine Krankenkassenkarte nicht funktioniere und er um die Zusendung einer neuen Karte bitte. Mit Schreiben vom selben Tag übersandte die Beklagte dem Kläger einen Behandlungsausweis für ärztliche und zahnärztliche Behandlungen und ergänzte, dass eine neue elektronische Gesundheitskarte in Auftrag gegeben worden sei. Randnummer 3 Am 5. Oktober 2020 wandte er sich auf demselben Weg an die Beklagte und ersuchte diese, ihm einen kompetenten Zahnarzt im Hamburg zu besorgen, der ihm seine Zähne „richtig“ mache. Nirgends gebe es einen Termin. Randnummer 4 Am selben Tag hat der Kläger bei dem Sozialgericht (SG) Hamburg Klage gegen die Beklagte „wegen fehlender Behandlung von Zahnschmerzen, Betrug, Abrechnungsbetrug sowie Leistung von zahnärztlicher Behandlung“ erhoben, ohne einen konkreten Antrag zu stellen. Randnummer 5 Die Beklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass ein Verwaltungsverfahren nicht anhängig und die Klage nicht schlüssig sei. Es sei für sie nicht ersichtlich, was die antragsgegenständliche Leistung sei. Streitigkeit mit behandelnden Ärzten seien zunächst zwischen den betroffenen Parteien zu klären. Hier könnten die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) oder auch die Zahnärztekammer aber bei Bedarf schlichtend eingeschaltet werden. Hinsichtlich des Begehrens auf Vermittlung eines Zahnarzttermins hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass ihr dies aus Wettbewerbsgründen nicht möglich sei, da die Versicherten gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z) die freie Wahl unter Vertragszahnärzten hätten und hierbei nicht beeinflusst werden dürften. Der Kläger könne aber auf der Internetseite der KZV Hamburg auf Zahnarztsuche gehen bzw. diese um Hilfe bitten (Schreiben vom 7. Oktober 2020). Randnummer 6 Nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2021 als unzulässig abgewiesen. Randnummer 7 Die Durchführung eines Vorverfahrens, in dem die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes überprüft werde, sei gemäß § 78 Abs. 1 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Anfechtungs- und/oder Verpflichtungsklage vor dem SG. An einem solchen Vorverfahren fehle es im vorliegenden Fall. Es sei weder ersichtlich, dass ein ablehnender Ausgangsbescheid der Beklagten bezüglich des Klagebegehrens des Klägers vorliege, noch, dass diesbezüglich ein Widerspruchsverfahren bei der Beklagten durchgeführt worden sei. Randnummer 8 Gegen diesen ihm am 18. Juni 2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 1. Juli 2021 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er klarstellt, dass die Klage sich auf den Wunsch nach einem Zahnarzttermin beziehe, da fünf Zahnärzte ihn nicht richtig behandelt und nur Schmerzen hinterlassen hätten. Randnummer 9 Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß, Randnummer 10 den Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 15. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm einen Behandlungstermin in einer Hamburger Zahnarztpraxis zu vermitteln. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 13 Sie nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids. Randnummer 14 Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 11. August 2021 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG). Randnummer 15 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Oktober 2021, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der hiesigen Prozessakte, der Prozessakte des mit dem hiesigen zusammen verhandelten Verfahrens L 1 KR 67/21 (= S 56 KR 2306/20) sowie der jeweils beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 8. Kammer
Hessen
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30.03.2011
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Randnummer 1 Die Parteien streiten darüber, ob die Rente des Klägers unter Ausschluss der außerordentlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 zu berechnen ist. Randnummer 2 Die Beklagte hatte aufgrund einer Rahmenvereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 01. Januar 1993 für diese Flugsicherungsaufgaben von der Bundesanstalt für Flugsicherung bzw. dem Luftfahrtbundesamt übernommen. Randnummer 3 Der am xxx geborene Kläger war seit xx bei der Bundesanstalt für Flugsicherung und dem Luftfahrtbundesamt angestellt. Aufgrund Vertrages vom yyy/yyy (Anlage K 13 – Bl. 131 d.A.) trat er ab 01. November 1993 in die Dienste der Beklagten. Im Arbeitsvertrag ist u. a. bestimmt: Randnummer 4 „§ 1 Vertragsgegenstand 1… 2. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag für die bei der A beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 07.07.1993 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Randnummer 5 … Randnummer 6 § 5 Versorgung Es gilt der Versorgungsvertrag vom 07.07.1993.“ Randnummer 7 Der Kläger schied zum 30. September 2003 aus den Diensten der Beklagten. Randnummer 8 Seit dem 01. Juli 2008 bezieht der Kläger Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Beklagte zahlt ihm eine monatliche Betriebsrente von anfänglich 2.642,35 € monatlich. Der Berechnung hat die Beklagte die Beitragsbemessungsgrenze von 63.300,- € des Jahres 2008 zugrunde gelegt. Der „Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der A beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (VersTV) vom 07. Juli 1993 (im Folgenden: VersTV 1993) enthält folgende hier interessierende Bestimmungen: Randnummer 9 „Die nachfolgend vereinbarte Leistung, deren Finanzierung von der B garantiert wird, dient der Absicherung des Lebensunterhaltes im Alter und bei Dienstunfähigkeit sowie der Hinterbliebenen bei Tod einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters, und ersetzen die bei der BFS und dem LBS vorhandenen Versorgungssysteme. … Randnummer 10 […] § 1 Geltungsbereich Randnummer 11 Dieser Tarifvertrag gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Arbeitsvertrag mit der B abgeschlossen haben und unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen. Randnummer 12 § 4 Ruhegeldfähiges Einkommen […] (2) Das ruhegeldfähige Jahreseinkommen wird unterteilt in den Teil - bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung und - den diesen Durchschnitt übersteigenden Teil des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens. […] Randnummer 13 § 6 Altersruhegeld […] (2) Das jährliche Altersruhegeld beträgt - 0,4 % des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens bis zum Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden BBG in den alten Bundesländern zuzüglich - 1,2 % des den Durchschnitt der im letzten Beschäftigungsjahr geltenden BBG in den alten Bundesländern übersteigenden Teils des ruhegeldfähigen Jahreseinkommens, jeweils multipliziert mit der anrechenbaren Beschäftigungszeit. […] Randnummer 14 § 16 Anpassung Randnummer 15 Die B passt jährlich erstmal zum 1.1. des dem Rentenbeginn folgenden übernächsten Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 2 % an. Nach 3 vollen Kalenderjahren erfolgt eine Anpassung in Höhe der Steigerung der Lebenshaltungskosten eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem einkommen (alte Bundesländer) innerhalb des jeweiligen Rentenbezugszeitraumes, wobei die zwischenzeitlichen Anpassungen angerechnet werden. Ist die Steigerung der Lebenshaltungskosten innerhalb dieses Zeitraumes niedriger als die Wirkung der jährlichen vorgenommenen Anpassungen, so werden diese Teile der Anpassung im folgenden Dreijahreszeitrum angerechnet. Randnummer 16 § 17 Härteregelung Randnummer 17 Bei einem besonderen Härtefall wird über die sich aus den Vorschriften dieses Tarifvertrages ergebenden Leistungen ggf. hinausgegangen, insbesondere wenn ein Vergleich zwischen Altversorgung (VBL und BeamtVG) und den Leistungen aus diesem Tarifvertrag wesentliche Unterschiede aufweist. […]“ Randnummer 18 Im Anhang 2 zum VersTV 1993 (Bl. 166 d.A.) heißt es: Randnummer 19 „Der Versorgungstarifvertrag baut auf den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung, des Bundesbeamtenversorgungsgesetzes sowie der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in der im Juli 1993 geltenden Fassung auf. Randnummer 20 Soweit sich die oben genannten Versorgungssysteme in der Zukunft wesentlich ändern, werden die Vertragsparteien Verhandlungen darüber aufnehmen, ob und in welcher Form der Versorgungstarifvertrag der geänderten Rechtsgrundlage unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit anzupassen ist. Randnummer 21 Als wesentlich gelten solche Veränderungen, die zur Vereinbarung anderer Strukturen und Leistungshöhen des Versorgungstarifvertrages geführt hätten, wenn die bei Abschluss der Tarifvertrages bekannt gewesen wäre:“ Randnummer 22 Die letzte Fassung dieses Tarifvertrages vom November 2002 wurde abgelöst durch den „Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der A beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (VersTV 2005) vom 29.09.2006 (im Folgenden nur noch: VersTV 2005). Randnummer 23 Dieser VersTV 2005 ist mit dem wiedergegebenen Inhalt des VersTV 1993 identisch. Im Anhang 2 zum VersTV 2005 heißt es: Randnummer 24 „Der Versorgungstarifvertrag 2005 beruht auf der Schiedsvereinbarung vom 26. Juli 2006. Er stellt den inhaltsgleichen Neuabschluss des Tarifvertrags von 1993 dar, der auf den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung, des Bundesbeamtenversorgungsgesetzes sowie der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in der im Juli 1993 geltenden Fassung aufbaute“. Randnummer 25 Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 8 d.A.). verwiesen. Randnummer 26 Der VersTV 2005 ist abgelöst worden durch den „Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der A beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (VersTV 2009) vom 21. August 2009 (im Folgenden nur: VersTV 2009). Dieser bestimmt u. a.: Randnummer 27 „§ 1 Geltungsbereich … (2) die §§ 1 bis 17 (Teil A) gelten nicht für a. Beschäftigte, die gesetzliche Altersrente oder vergleichbare Leistungen beziehen … Randnummer 28 § 4 Versorgungsfähiges Einkommen … (2) Das versorgungsfähige Einkommen wird unterteilt - in den Teil bis zur Splittinggrenze und - in den diese Splittinggrenze übersteigenden Teil. Randnummer 29 Die Splittinggrenze beträgt € 64.800,- Ab dem 01. November 2009 wird die Splittinggrenze jeweils im Umfang der tabellenwirksamen Tarifanpassung zu den maßgeblichen Zeitpunkten angepasst. … Randnummer 30 § 16 Anpassung Randnummer 31 Die B passt jährlich erstmal zum 1. Januar des dem Rentenbeginn folgenden übernächsten Jahres die laufenden Versorgungsleistungen um 1,25 % an. Sind während eines Kalenderjahres die Lebenshaltungskosten entsprechend dem vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Verbraucherpreisindex um mehr als 2,75 % gestiegen, wird die Anpassung zum 1. Januar des Folgejahres nachträglich um die über 1,25 % hinausgehende Steigerungsrate erhöht.“ Randnummer 32 Im Jahr 2009 betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für die alten Bundesländer 64.800,- € jährlich. Randnummer 33 Den VersTV 1993 hatte die Beklagte mit der Gewerkschaft C – später D –abgeschlossen, die Versorgungstarifverträge 2005 und 2009 mit der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Der Kläger ist und war Gewerkschaftsmitglied. Randnummer 34 Im Jahr 2003 hatte die Gewerkschaft d zu Verhandlungen aufgefordert im Hinblick auf die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze durch § 275 c SGB VI. Durch diese Vorschrift war die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 auf 61.200,- € jährlich festgesetzt worden, statt auf € 55.200,- die sich nach der Berechnungsvorschrift des § 159 SGB VI ergeben hätten. Zu diesen Verhandlungen war es wegen der Gründung der Gewerkschaft der Flugsicherung nicht mehr gekommen. Diese wurde zur Tarifvertragspartei, mit der die Beklagte nach Schlichtungsverhandlungen den VersTV 2005 abschloss. Randnummer 35 Der Kläger hat mit Hinweis auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 2009 (3 AZR 695/08 und 3 AZR 461/07) die Auffassung vertreten, die Regelung des VersTV 1993 sei durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 lückenhaft geworden. Durch den Arbeitsvertrag sei auf den VersTV 1993 statisch Bezug genommen. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die außerordentliche Erhöhung des Jahres 2003 von 6.000,- € jährlich für die Berechnung seiner Rente nicht zu berücksichtigen. Randnummer 36 Der Kläger verlangt eine entsprechend höhere Betriebsrente. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die Klageschrift Bezug genommen. Die Erhöhung der gesetzlichen Rente aufgrund der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze ist darin berücksichtigt. Randnummer 37 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 38 die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Betriebsrentennachzahlung für die Zeit vom 01.01.2006 – 31.12.2009 einen Betrag in Höhe von EUR 5.982,24 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils EUR 120,78 für jeden Monat beginnend ab dem 01. Februar 2006, auf jeweils EUR 123,43 für jeden Monat beginnend ab dem 01. Februar 2007, auf jeweils EUR 125,90 für jeden Monat beginnend ab dem 01. Februar 2008 und auf jeweils EUR 128,41 für jeden Monat beginnend ab dem 01. Februar 2009 zu zahlen. Randnummer 39 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 40 die Klage abzuweisen. Randnummer 41 Sie vertritt die Ansicht, dass eine Übertragung der vom Bundesarbeitsgericht in den Urteilen vom 21. April 2009 entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht möglich sei. Die gespaltene Rentenformel im VersTV 1993 habe nicht den Zweck, den im Einkommensbereich oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf mit einer dafür vorgesehenen höheren Leistung abzudecken. Sinn und Zweck des VersTV 1993 sei vielmehr die Gewährleistung des bisherigen Versorgungsniveaus der ehemaligen Beamten und Angestellten der B. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Anhang 2 VersTV 1993 mit seiner Verhandlungsverpflichtung, dass keine Lücke vorhanden sei. Die Gerichte seien nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung berechtigt. Randnummer 42 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 01. Juli 2010, auf das Bezug genommen wird. Randnummer 43 Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Randnummer 44 Er wiederholt und vertieft seine erstinstanzliche Argumentation. Der VersTV 1993 enthalte eine gespaltene Rentenformel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Randnummer 45 Der VersTV 1993 sei lückenhaft geworden. Die Lücke habe auch nicht durch später abgeschlossene Tarifverträge geschlossen werden können. Der VersTV 1993 gelte aufgrund statischer Verweisung im Arbeitsvertrag. In den im Jahr der Privatisierung der Bundesanstalt für Flugsicherung abgeschlossenen Arbeitsverträgen sei nur auf den Versorgungstarifvertrag vom 07.07.1993 verwiesen worden, während in späteren Jahren abgeschlossenen Arbeitsverträgen (z. B. aus dem Jahr 1996) dynamische Verweisungsregelungen enthalten seien, nämlich mit dem Zusatz „in der jeweils gültigen Fassung“. Auch in dem Mitarbeiterrundschreiben vom Juni 1993 (Anlage K 14 zur Berufungsgründung – Bl. 383 d. A.) werden darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht einmal mit Zustimmung der Gewerkschaften, die im Tarifvertrag vereinbarten Leistungen kürzen könnte. Randnummer 46 Bei den Verhandlungen zum VersTV 2005 und zum VersTV 2009 sei die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zum 01.01.2003 nicht diskutiert worden. Das primäre Ziel der Gewerkschaft der Flugsicherung in den Verhandlungen sei gewesen, zu verhindern, dass das bisherige Versorgungssystem bei der Beklagten von einer Leistungszusage auf eine leistungsorientierte Beitragszusage umgestaltet wird. Randnummer 47 Der Kläger beantragt, Randnummer 48 unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach vom 26.05.2010, Az. 5 Ca 90/10 nach dem vom Kläger in I. Instanz gestellten Klageantrag zu entscheiden. Randnummer 49 Die Beklagte beantragt, Randnummer 50 die Berufung zurückzuweisen und für den Fall, dass dem erstinstanzlichen Antrag zu 2) des Klägers und den dazu hilfsweise gestellten Antrag stattgegeben wird, widerklagend, den Kläger zu verpflichten, an die Beklagte 10.101,48 € zu zahlen. Randnummer 51 Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Durch die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sei keine Lücke entstanden. Das Arbeitsgericht habe zu Recht ausgeführt, dass im VersTV 1993 kein Anhaltspunkt für einen Regelungszweck enthalten sei, der durch die Beitragsbemessungsgrenze berührt worden sei. Aufgrund der Verhandlungsverpflichtung nach Anhang 2) des VersTV 1993 sei es Sache der Tarifparteien ggf. eine Regelung zu treffen. Der damalige Tarifpartner der Beklagten, die Gewerkschaft d habe in seiner Tarifinformation vom 03. Dezember 2003 selbst angegeben, dass es sich bei der Beitrags-bemessungsgrenzeanhebung um einen Fall des Anhangs 2) handele. An alldem habe sich nichts dadurch geändert, dass die Beklagte seit 2004 Tarifverträge mit der GdF abschließe. Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sei bei den Verhandlungen zum Versorgungstarifvertrag 2005 und 2009 bekannt gewesen und bei den Schlichtungsverhandlungen zum Versorgungstarifvertrag 2005 Gegenstand gewesen. Jedenfalls könne eine Tariflücke nicht im Sinne der Entscheidung der BAG Urteile geschlossen werden. Es gebe verschiedene Möglichkeiten der Lückenschließung. Randnummer 52 Die Bezugnahmeklausel in § 5 des Arbeitsvertrags sei lediglich ein deklaratorischer Hinweis gewesen. Es gälten die jeweiligen Versorgungstarifverträge. Auf den Kläger fände der Versorgungstarifvertrag 2009 Anwendung. Deshalb könne der Kläger auch keine Anpassung nach § 16 VersTV 1993 verlangen. Randnummer 53 Komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger Dynamisierung nach dem VersTV 1993 verlangen könne, sei die Widerklage begründet. In diesem Falle hätte die Beklagte dem Kläger nämlich Rente überzahlt. Sie habe die Geltung des VersTV 2009 und damit auch die aktuellen GdF Vergütungstarifverträge als Bemessungsgrundlage im Sinne des Klägers unterstellt. Der von der Gewerkschaft d bzw. ihren Rechtsvorgängern C und ÖTV abgeschlossene VersTV 1993 könne nur auf die von diesen abgeschlossenen Tarifverträge Bezug nehmen und nicht auf die von der GdF ab 01.11.2004 abgeschlossenen Tarifverträge. Dann ergäbe sich die mit der Widerklage geltend gemachte Überzahlung. Randnummer 54 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach vom 26. Mai 2010 – 5 Ca 90/10 – wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 7. Senat
Berlin
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04.09.2013
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise in den Quartalen II/1998 bis II/1999. Randnummer 2 Der Kläger ist seit dem 1. Mai 1997 als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe niedergelassen. Er betreibt eine auf künstliche Befruchtungen spezialisierte Praxis, die in dem streitbefangenen Zeitraum als Gemeinschaftspraxis bestehend aus ihm und dem Beigeladenen zu 7), der ebenfalls Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist, betrieben wurde. Beide Ärzte waren im Besitz der Genehmigung, die zur Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach § 121a Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) berechtigt. Der Prüfungsausschuss prüfte auf Antrag der Krankenkassen in den Quartalen II/1998 bis II/1999 die Honorarabrechnungen der damaligen Gemeinschaftspraxis hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und nahm mit Bescheiden vom 18. November 1998, 1. März 1999, 20. Mai 1999, 20. Juli 1999 und 8. November 1999 Honorarkürzungen vor. Kürzungen erfolgten bei den nicht budgetrelevanten OIII-Leistungen sowie der Ziffer 4955 EGM-Ä (Zytologische Untersuchung eines Materials unter Anwendung eines zytochemischen Sonderverfahrens, zum Beispiel Eisen-, PAS-Reaktion oder optischer Sonderverfahren-Interferenz oder Polarisationsmikroskopie). Mit den hiergegen eingelegten Widersprüchen wurde unter anderem geltend gemacht, dass die Praxis des Klägers ausschließlich reproduktionsmedizinisch tätig sei und nicht mit anderen Praxen, die ebenfalls Leistungen der Reproduktionsmedizin erbrachten, verglichen werden könne. Der Beklagte beschloss am 16. März 2000 folgende Maßnahmen: Randnummer 3 II/1998 Kürzung 30 % Labor OIII wird auf 23 % reduziert III/1998 Kürzung 30 % Labor OIII wird bestätigt IV/1998 Kürzung 60 % GO-Nr. 4955 wird auf 25 % reduziert Kürzung 50 % Labor OIII wird bestätigt I/1999 Kürzung 30 % GO-Nr. 4955 wird aufgehoben Kürzung 60 % Labor OIII wird bestätigt II/1999 Kürzung 60 % GO-Nr. 4955 wird aufgehoben Kürzung 60 % Labor OIII wird auf 55 % reduziert Randnummer 4 In dem anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht B (Az.: S 79 KA 230/00*71) hob das Sozialgericht die Entscheidung mit Urteil vom 25. Juni 2003 auf und verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen damit begründet, dass die von dem Beklagten gewählte Vergleichsgruppe zu ungenau bestimmt sei. Der Beklagte habe nicht ermittelt, ob die als Vergleichsgruppe herangezogenen Gynäkologen - ebenso wie die Praxis des Klägers - ausschließlich in der Reproduktionsmedizin tätig seien. Randnummer 5 Der Beklagte akzeptierte diese Entscheidung. Nachdem er mit Schreiben vom 30. November 2004 die Honoraranforderungen zwecks Überprüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Beigeladenen zu 1) vorgelegt und das Verfahren insoweit ausgesetzt hatte, beschloss er nach Eingang der Antwort der Beigeladenen zu 1) am 30. Mai 2005 die Durchführung einer eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (Beschluss vom 16. März 2006). Hierzu forderte er von dem Kläger die Behandlungsunterlagen von insgesamt 830 Behandlungsfällen an (Schreiben vom 11. April 2006). Mit Schreiben vom 12. Juli 2006 erklärte sich der Kläger mit einer gestaffelten Vorlage der Behandlungsunterlagen einverstanden. Die Übersendung von 50 Akten pro Woche neben dem regulären Praxisbetrieb sei aber schlichtweg nicht möglich. Ihm sei lediglich die Übersendung von 30 Patientenakten pro Woche möglich. In der Zeit vom 24. Juli 2006 bis zum 11. Dezember 2007 legte der Kläger insgesamt 570 Behandlungsakten vor. Diese ließ der Beklagte durch sachverständige Ärzte überprüfen. Mit Schreiben vom 4. April 2008 teilte der Kläger mit, er habe feststellen müssen, dass 260 Akten nicht auffindbar seien. Er könne sich das Fehlen der Akten nur so erklären, dass diese im Zuge der Auseinandersetzung in den Besitz des Beigeladenen zu 7) und möglicherweise auch von Herrn Dr. H gelangt sein könnten. Dr. med. S K (Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe) legte nach Prüfung der Behandlungsunterlagen eine gutachterliche Stellungnahme vom 31. Januar 2008 vor. Zuvor hatte sie bereits mit Schreiben vom 14. September 2006 Ausführungen zu einigen Patientenakten gemacht. Auf der Grundlage dieser gutachterlichen Stellungnahme half der Beklagte mit Beschluss vom 24. Juni 2008 (Bescheid vom 21. Juli 2008) den Widersprüchen teilweise ab und traf folgende Entscheidung: Randnummer 6 II/1998 Die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16.03.2000 wird bestätigt III/1998 Die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16.03.2000 wird bestätigt IV/1998 Der Umfang der Kürzung der Anforderung der OIII-Leistungen wird auf 43,6 % reduziert, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16.03.2000 zur GO-Nr. 4955 wird bestätigt. I/1999 Der Umfang der Kürzung der Anforderung der OIII-Leistungen wird auf 40,3 % reduziert, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16.03.2000 zur GO-Nr. 4955 wird bestätigt. II/1999 Der Umfang der Kürzung der Anforderung der OIII-Leistungen wird auf 41,1 % reduziert, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16.03.2000 zur GO-Nr. 4955 wird bestätigt. Randnummer 7 Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es sei jeder fünfte Behandlungsfall nach der auf den Datenträgern der Beigeladenen zu 1) gespeicherten Reihenfolge ausgewählt worden. Da der Kläger 260 Akten nicht habe auffinden können, hätten nur 570 Fälle geprüft werden können. Dabei sei festgestellt worden, dass in nahezu allen Fällen, in denen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nach den Ziffern 10.2, 10.3 und 10.4 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen durchgeführt wurden, der Nachweis über die Beratung über die medizinischen, sozialen und psychischen Aspekte der künstlichen Befruchtung gefehlt habe. Bei 72 Patienten sei aufgrund der fehlenden Namensgleichheit nicht belegt, dass es sich um verheiratete Paare gehandelt habe. Bei 108 Patienten habe keine Partnerakte vorgelegen bzw. diese sei ohne Einträge gewesen. Bei 13 Patienten hätten die Akteneinträge der Behandlung gefehlt. Bei 57 Sterilitätspatienten habe im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme, der HIV-Test bzw. bei den Frauen der Nachweis über einen ausreichenden Schutz gegen Röteln-Infektionen gefehlt. Zwei Patientinnen hätten bei der Behandlung das 40. Lebensjahr überschritten, ohne dass eine Genehmigung der Krankenkasse vorgelegen habe. Bei 23 Patienten sei eine Richtigstellung durchgeführt worden und zwar bezüglich der Ziffern 1188, 1190 und 1192 (erster bis 28. Zyklustag). Anhand der überlassenen Unterlagen und Aufzeichnungen habe sich die Anzahl der im Rahmen der künstlichen Befruchtung bereits durchgeführten Behandlungen nicht klären lassen. Die Akten seien ungenau geführt worden, die Anamneseerhebung sei nicht immer sorgfältig durchgeführt worden, teilweise hätten einzelne Seiten gefehlt. Beim Erstkontakt werde regelmäßig nur eine sehr eingeschränkte Anamnese erhoben, aber eine stereotype maximale Basisdiagnostik durchgeführt, die sich nicht an der Zyklussituation orientiere. Es erfolge eine stereotype Veranlassung der OIII-Laborleistungen, ohne entsprechende Hinweise in der Anamnese oder durch einen klinischen Befund. Die Anamnese des Mannes sei ungenügend. Es werde sehr selten ein klinischer Befund dokumentiert. Die Diagnostik bei den männlichen Patienten beginne mit einer umfangreichen medizinisch nicht sinnvollen Hormonanalyse, die nicht den Leitlinien entspreche. Es fehle sowohl beim Mann als auch bei der Frau an einer zielgerichteten Stufendiagnostik. Der Beklagte legte auf den Seiten 11 bis 80 seines Beschlusses patientenbezogen die von ihm jeweils getroffenen Feststellungen dar und gab die als unwirtschaftlich erkannten Leistungen (EBM-Ziffern) an. Die Honorarkürzungen in den einzelnen Quartalen errechnete er ausgehend von den abgerechneten einzelnen Leistungspositionen des Kapitels OIII bzw. der Ziffer 4955 EBM-Ä unter Kürzung der als unwirtschaftlich festgestellten Leistungen (in Punkten) und nahm hiervon einen Abschlag von 25% vor. Er berücksichtigte ferner, dass im Vergleich zu dem Beschluss vom 16. März 2000 eine Verschlechterung des Klägers nicht vorgenommen werden dürfe. Im Einzelnen ging der Beklagte von folgenden Werten aus: Randnummer 8 Quartal Umfang des unwirtschaftlichen Handelns nach Gutachten Umfang des unwirtschaftlichen Handelns mit Sicherheitsabschlag von 25 % Festgestellte Kürzung unter Berücksichtigung des Beschlusses vom 16. März 2000 II/1998 Labor OIII: 48,9 % 36,7 % 23,0 % III/1998 Labor OIII: 50,3 % 37,7 % 30,0 % IV/1998 Labor OIII: 58,1 % GO-Nr. 4955: 98,1 % 43,6 % 73,6 % 43,6 % 25,0 % I/1999 Labor OIII: 53,7 % GO-Nr. 4955: 100,0 % 40,3 % 75,0 % 40,3 % 0,0 % II/1999 Labor OIII: 54,8 % GO-Nr. 4955: 100,0 % 41,1 % 75,0 % 41,1 % 0,0 % Randnummer 9 Mit seiner hiergegen erhobenen Klage macht der Kläger die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Beklagten geltend. Eine erneute Überprüfung der Wirtschaftlichkeit habe nicht durchgeführt werden dürfen, da bereits Verjährung eingetreten sei. Die 4-jährige Verjährungsfrist sei zwar durch den Bescheid vom 16. März 2000 zunächst gehemmt gewesen, der Beklagte habe sich jedoch nach der Entscheidung des Sozialgerichts weitere fünf Jahre Zeit gelassen, bevor er erneut entschieden habe. Dies habe zu einem Ende der Hemmung der Verjährung geführt und zwar bereits im Jahr 2006. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergebe sich auch dadurch, dass der Beklagte nicht mindestens 20% der Behandlungsfälle der Praxis geprüft habe. Im Übrigen rechtfertigten die pauschalen Ausführungen des Beklagten zur angeblichen Unwirtschaftlichkeit der OIII-Leistungen keine Honorarkürzungen. Die Leistungen seien in jedem Einzelfall im Rahmen der speziellen Behandlungsausrichtung der Praxis erforderlich gewesen. Randnummer 10 Der Beklagte hat dem entgegengehalten, der Kläger könne sich auf Verjährung schon deshalb nicht berufen, weil er durch sein Verhalten zu der langen Verfahrensdauer maßgeblich mit beigetragen habe. Er habe durch die Vorenthaltung von Patientenunterlagen verhindert, dass der Beklagte die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung in dem vom BSG geforderten Umfang habe durchführen können. Randnummer 11 Mit Urteil vom 29. Juni 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte wegen des Urteils des Sozialgerichts vom 25. Juni 2003 im Rahmen der vorzunehmenden Neubescheidung zu dem Ergebnis gelangt sei, eine Prüfung anhand von Durchschnittswerten bei der sehr kleinen, nicht homogenen Vergleichsgruppe, nicht durchzuführen und als Prüfmethode die sogenannte eingeschränkte Einzelfallprüfung gewählt habe. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Sozialgerichts sei es auch nicht zu beanstanden, dass der angefochtene Bescheid keine weiteren Ausführungen zur gewählten Prüfmethode enthalte bzw. weitere Darlegungen des Beklagten, weshalb eine statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten nicht durchgeführt wurde, nicht erfolgt seien. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nicht mindestens 20 % der Behandlungsfälle der klägerischen Praxis in dem streitgegenständlichen Zeitraum geprüft habe, wie es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich sei. Diese Anforderungen könnten, wie der vorliegende Fall gezeigt habe, nicht für alle Prüfungen gelten. Die vollständige Prüfung der 830 Behandlungsfälle sei durch den Kläger vereitelt worden, da er 260 Patientenakten nicht vorgelegt habe und damit dem Beklagten die Möglichkeit genommen habe, 20 % der Fälle der Praxis zu überprüfen. Der Kläger habe allein zu vertreten, dass die vom Beklagten angeforderten Akten nicht auffindbar gewesen seien. Der angefochtene Bescheid sei auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig. Das Ergebnis der Unwirtschaftlichkeit, zu dem der Beklagte aufgrund der von ihm durchgeführten eingeschränkten Einzelfallprüfung gelangt sei, sei nicht zu beanstanden. Unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinien des Bundesausschusses des Ärzte und Krankenkassen über die künstliche Befruchtung sei der Beklagte auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens zu Recht zu der Feststellung der Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch den Kläger gekommen. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid die festgestellten Beanstandungen patientenbezogen unter Nennung der als unwirtschaftlich erkannten einzelnen EBM-Ziffern (OIII-Leistungen bzw. Ziffer 4955 EMB-Ä) auf den Seiten 11 bis 80 des Bescheides niedergelegt. Er habe gleichzeitig Behandlungsmuster der klägerischen Praxis erkannt und dargestellt. Diese Feststellungen seien - was das Sozialgericht im Einzelnen ausführt - nicht zu beanstanden. Auch im Hinblick auf die festgesetzte Höhe des unwirtschaftlichen Aufwandes erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig. Die Prüfgremien hätten im Falle unwirtschaftlichen Behandlungsverhaltens bei der Bemessung der Honorarkürzungen einen weiten Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung. Der Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid die Begründung für Kürzungen in den einzelnen Quartalen dargestellt. Es sei nicht zu beanstanden, dass er Honorarkürzungen in den einzelnen Quartalen bei den Leistungsziffern des Kapitels OIII des EMB-Ä bzw. der Ziffer 4955 EMB-Ä vorgenommen habe, die er als unwirtschaftlich angesehen habe. Er sei dabei unter Berücksichtigung der festgestellten Behandlungsmuster in der klägerischen Praxis sowie den Feststellungen im Einzelfall ausgegangen, habe die als unwirtschaftlich festgestellten Leistungen (in Punkten) unter Abzug eines Sicherheitsabschlages von 25 % ausgerechnet. Ferner habe er berücksichtigt, dass es im Vergleich zu den mit Beschluss vom 16. März 2000 vorgenommenen Kürzungen keine Verschlechterung gegeben habe. Soweit der Beklagte auch Absetzungen vorgenommen habe, die in den heutigen Anwendungsbereich von § 106a SGB V fielen, sei dies von untergeordneter Bedeutung und von der insoweit bestehenden Annexkompetenz der Beklagten gedeckt. Der Bescheid erweise sich auch nicht wegen Ablauf der Ausschlussfrist als rechtswidrig. Die 4-jährige Ausschlussfrist sei durch den rechtzeitigen Erlass der Kürzungsbescheide des Prüfungsausschusses für die Quartale II/1998 bis II/1999 gehemmt. Diese Hemmung der Ausschlussfrist habe auch dann noch weitergewirkt, nachdem das Sozialgericht mit Urteil vom 25. Juni 2003 den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Hemmung der Ausschlussfrist in besonders gelagerten Fällen, etwa wegen besonders langer Verfahrensdauer, entfallen könne. Denn im vorliegenden Fall sei eine derartige Fallgestaltung nicht gegeben. Zwar habe der Beklagte seinen neuen Bescheid erst ca. fünf Jahre nach dem Verpflichtungsurteil des Sozialgerichts erlassen. Dies führe aber nicht dazu, dass die Hemmung der Ausschlussfrist entfalle. Es sei zu berücksichtigen, dass auf Wunsch des Klägers die Patientenakten dem Beklagten wöchentlich nur in kleinen Mengen zur Verfügung gestellt worden seien. Dadurch sei bereits eine lange Zeit vergangen, bis alle Akten zur Prüfung vorgelegen hätten. Zum anderen handele es sich bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung um ein sehr arbeitsintensives, aufwendiges Prüfverfahren, das lange Zeit in Anspruch nehmen könne. Es gebe daher einen zureichenden Grund für die lange Verfahrensdauer. Deshalb wirke die Hemmung der Ausschlussfrist weiter. Randnummer 12 Gegen das ihm am 25. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 17. August 2011. Zu Unrecht nehme das Sozialgericht die Rechtmäßigkeit der Honorarkürzungen durch den Beklagten an. Der Kürzung des Honorars fehle es an der sie legitimierenden Rechtsgrundlage. Eine Kürzung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V sei anhand einer statistischen Vergleichsprüfung durchzuführen. Dazu zähle auch die Prüfung anhand einer Einzelfallbetrachtung mit anschließender Hochrechnung. Die Prüfgremien seien jedoch verpflichtet, die Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise anhand anderer oder neu entwickelter Prüfmethoden durchzuführen, wenn sie im Einzelfall nicht aussagekräftig seien oder sich nicht als durchführbar erwiesen. Die gewählte Prüfmethode sei unzulässig, weil sie im vorliegenden Fall nicht zu richtigen Ergebnissen führen könne. Die gewählte Methode der Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung, führe nur unter besonderen Umständen zu einem richtigen, weil repräsentativen Ergebnis. Der Beklagte habe sich bei seiner Prüfung an einer für ihn vermeintlich repräsentativen Einzahl von Beispielsfällen orientiert. Damit eine Prüfgruppe repräsentativ sei, verlange die Rechtsprechung des BSG jedoch eine Mindestgröße von 20 %. Diese Größe habe der Beklagte unterschritten. Die Hochrechnung fuße damit schon auf einem falschen Ausgangswert. Im Fall des Klägers sei aber eine noch viel größere Vergleichsgruppe notwendig, weil sie sehr heterogen ausfalle. Die Unterschreitung der Mindestgröße gehe zu Lasten des Beklagten, weil der Kläger nachweislich unverschuldet die angeforderte Aktenzahl nicht habe einreichen können. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, für diesen Fall eine repräsentative Stichprobenprüfung anhand der Fälle vorzunehmen, die tatsächlich zugänglich seien. Eine Hochrechnung aufgrund der nicht repräsentativen Vergleichsgruppe sei hingegen nicht zulässig. Die Behandlungsweise des Klägers sei selbst bei einer Überschreitung von Durchschnittswerten nicht unwirtschaftlich. Soweit durch die Behandlungsweise des Klägers Kosten entstanden seien, die über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe lägen, seien diese gerechtfertigt. Die spezielle Behandlungsausrichtung auf die Reproduktionsmedizin des Klägers stelle eine Praxisbesonderheit dar, welche die erhöhten Laborleistungen erforderlich gemacht hätten. Randnummer 13 Daneben verkenne das Gericht die Einrede der Verjährung durch den Kläger. Die für die Berichtigung der Honorarbescheide II/1998 bis II/1999 geltende Frist sei abgelaufen. Nach dem Aufhebungsurteil des Sozialgerichts vom 25. Juni 2003 erging keine Entscheidung in der Sache. Damit sei die Hemmung der Verjährung mit diesem Urteil beendet gewesen. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, Randnummer 15 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Juni 2008 aufzuheben. Randnummer 16 Der Beklagte beantragt, Randnummer 17 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 18 Die Berufungsbegründung enthalte keine Argumente, die die Entscheidung des Sozialgerichts in Frage stellen könne. Sowohl der Beklagte als auch das Sozialgericht hätten die Zulässigkeit der Prüfmethode eingehend begründet. Die Hemmung der Verjährung könne nicht durch ein rechtskräftiges Urteil beendet werden. Randnummer 19 Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt. Randnummer 20 Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen, sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird zugelassen.
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LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer
Berlin
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09.12.2010
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung. Randnummer 2 Der 1953 geborene schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten von 1974 bis zum 31. Dezember 2009 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete einvernehmlich anlässlich einer Betriebsänderung. In dem in diesem Zusammenhang geschlossene Sozialplan heißt es ua.: Randnummer 3 „III. Abfindungsregelung Randnummer 4 1. … Randnummer 5 2. Abfindungsformel und Zuschläge Randnummer 6 2.1 Es wird eine Abfindung nach folgender Berechnung gewährt: Randnummer 7 Bruttomonatsgehalt x Betriebszugehörigkeit x Lebensjahre 27,9 Randnummer 8 zuzüglich Sockelabfindung in Höhe von EUR 5.000,- Randnummer 9 2.2 … Randnummer 10 2.3 Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte erhalten einen Zuschlag in Höhe von EUR 5.000,00… Randnummer 11 3. Höchstbetrag der Abfindung Randnummer 12 Der Höchstbetrag der Abfindungszahlung einschließlich Zuschläge beläuft sich auf EUR 180.000,00 brutto. Randnummer 13 IV. Regelung für rentennahe Jahrgänge Randnummer 14 1. Arbeitnehmer, die am 31. Januar 2009 das 57. Lebensjahr + 6 Monate vollendet haben und die Randnummer 15 - entweder nach Ablauf der individuellen Kündigungsfrist oder einem Wechsel in die Transfergesellschaft (TG) für maximal 12 Monate und ggf. Randnummer 16 - dem anschließenden Bezug von Arbeitslosengeld I (ALG I) für die maximale Dauer (derzeit 24 Monate) Randnummer 17 frühestmöglich eine vorgezogene Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen können, haben keinen Anspruch auf Abfindungszahlungen nach Ziff. III…“ Randnummer 18 Die Regelung unter Nr. 2 des Sozialplans hätte zu einem Abfindungsbetrag in Höhe von 300.863,26 Euro geführt. Im Hinblick auf Nr. 3 des Sozialplans zahlte die Beklagte an den Kläger 180.000 Euro aus. Randnummer 19 Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenz zur ungekürzten Basisabfindung verlangt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Festlegung der Höchstbetragsgrenze stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Sie erfülle nicht die Anforderungen des Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG und stelle einen Verstoß gegen §§ 3, 10 AGG und § 75 BetrVG dar. Die Kappung führe insbesondere angesichts des Faktors „Lebensjahre“ zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Nur besonders lang gediente alte Belegschaftsmitglieder seien von der Kappungsgrenze betroffen. Ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Zusammenhang mit der Altersrente lasse sich insoweit nicht herstellen, da es hierfür im Sozialplan eine Sonderregelung gebe. Es gebe auch sonst keine Rechtfertigung. Randnummer 20 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 21 die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine weitere Abfindung in Höhe von 120.863,26 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. März 2009 zu zahlen. Randnummer 22 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Von der Höchstbegrenzung seien zwar mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen. Alle würden aber gleichbehandelt. Sinn und Zweck der Abfindung sei eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die Kappung diene der Verteilungsgerechtigkeit und der Vermeidung einer überproportionalen Begünstigung der Beschäftigten mit langjährigen Betriebszugehörigkeitszeiten. Der Höchstgrenze habe die Einschätzung der Betriebspartner zugrunde gelegen, dass die wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Belegschaftsmitglieder bei typisierender Betrachtungsweise mit dem Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert würden. Randnummer 23 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und das unter Anwendung der durch das Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zu Kappungsregelungen in Sozialplänen begründet, wonach die Betriebspartner eine überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langer Betriebszugehörigkeit und/oder höheren Lebensalters durch eine Höchstbegrenzung zurückführen können, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck der Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen. Hier ergäben sich schon angesichts des recht hohen Höchstbetrags keine Bedenken. Die Höchstbetragsklausel benachteilige ältere Arbeitnehmer im Übrigen schon nicht. Sie begrenze vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung. Die Betriebspartner hätten ihren Gestaltungsspielraum dabei nicht überschritten. Aus diesem Grund verstoße die Kappungsgrenze auch nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Randnummer 24 Der Kläger hat gegen das ihm am 29. Juni 2010 zugestellte Urteil am 28. Juli 2010 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. September 2010 - mit einem am 28. September 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Randnummer 25 Zur Begründung wiederholt und vertieft er in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Die durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fälle hätten sich auf einen Zeitraum vor Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG und vor Inkrafttreten des AGG bezogen. Es habe sich somit nicht um staatliche Maßnahmen zu deren Umsetzung gehandelt. Randnummer 26 Die Kappungsregelung verstoße sowohl gegen §§ 7, 3, 10 AGG als auch gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Angesichts der Multiplikation von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit werde das Lebensalter doppelt berücksichtigt. Auch die hoch angesetzte Kappungsgrenze spreche dafür, dass allein ältere und langjährige Beschäftigte durch die Höchstbetragsklausel hätten benachteiligt werden sollen. Den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen habe die Berechnungsformel „monatlicher Bruttoverdienst x Betriebszugehörigkeit x 1,0“ zugrunde gelegen. In diesen Fällen sei das Kriterium Alter nicht doppelt berücksichtigt worden. Eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gebe es hier nicht, weil der Kläger gerade nicht zu der Gruppe der „rentennahen“ Beschäftigten gehöre. Die Sozialplanregelung beinhalte auch keine überproportionale Begünstigung älterer Arbeitnehmer. Die Abfindung stelle keinen Vorteil dar, sondern nur einen Ausgleich des Nachteils, den die Belegschaftsmitglieder dadurch erlitten, dass sie ihren langjährigen Arbeitsplatz verlören. Zur Erreichung des sozialpolitischen Ziels sei die Höchstbetragsklausel nicht erforderlich. Sie sei auch nicht angemessen. Die älteren Beschäftigten seien durch die wirtschaftlichen Nachteile viel stärker betroffen. Insbesondere seien seine eigenen Nachteile durch die Abfindung nicht vollständig ausgeglichen. Randnummer 27 Der Kläger beantragt, Randnummer 28 unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 2010 – 54 Ca 8758/09 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine weitere Abfindung in Höhe von 120.863,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19.03.2009 zu zahlen. Randnummer 29 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Auch sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Es liege keine unmittelbare Benachteiligung vor, im Hinblick auf Sinn und Zweck der Höchstbetragsklausel auch keine mittelbare. Bei den älteren Arbeitnehmern handele es sich gerade um einen Personenkreis, der möglicherweise nach kurzzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld die gesetzlichen Rentenleistungen beanspruchen könne. Ausreichend sei es jedenfalls, wenn - wie gerade im vorliegenden Fall - der festgesetzte Höchstbetrag geeignet sei, die wirtschaftlichen Nachteile bis zum Rentenalter substantiell abzumildern. Der Kläger habe bis zum frühestmöglichen Bezug von Altersrente nach Beendigung des Bezugs des Arbeitslosengeldes nur noch drei Jahre zu überbrücken. Der Abfindungsbetrag führe zu einem monatlichen Ausgleich in Höhe von 5.000 Euro, was über seinem bisherigen Einkommen liege. Randnummer 30 Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien vom 28. September und vom 2. November 2010.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.06.2010 – 54 Ca 8758/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 4. Senat
Schleswig-Holstein
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15.09.2016
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Aufteilung der Vorsteuer aus einer Rechnung, mit welcher die Klägerin als Insolvenzverwalterin gegenüber der Insolvenzmasse ihre Vergütung abrechnete. Randnummer 2 Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner war unternehmerisch tätig. Er betrieb seit 1985 eine Einzelfirma, die sich als Bauträger vorwiegend mit der Erstellung von Einzel- und Reihenhäusern beschäftigte. Hierzu erwarb der Schuldner zum Teil Grundvermögen, welches er anschließend im Zusammenhang mit dem Abschluss von Bauverträgen an die Bauherren weiterveräußerte. Die Planungsarbeiten wurden vom Schuldner selbst ausgeführt; bei der Erstellung der Bauwerke beauftragte er zum Teil Subunternehmer. Die selbständige Tätigkeit des Schuldners wurde bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt. Randnummer 3 Mit Beschluss vom 4. März 2003 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin am selben Tag zur Insolvenzverwalterin ernannt. Randnummer 4 Die dem Insolvenzverfahren zugrunde liegenden Insolvenzforderungen resultierten fast ausschließlich aus der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners. Es wurden im Insolvenzverfahren insgesamt Forderungen in Höhe von 3.583.560,66 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Randnummer 5 Nach dem Schlussbericht der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin an das Amtsgericht A vom 3. September 2012 ergaben sich aus der Verwertung der Insolvenzmasse Einnahmen in Höhe von 231.350,59 €. Ein unbebautes Grundstück des Insolvenzschuldners wurde mit Kaufvertrag vom 24. Juni 2011 für 210.000,00 € veräußert. Der Kaufvertrag enthielt keinen Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a des Umsatzsteuergesetzes -UStG-; steuerpflichtige Umsätze aus dem Grundstücksverkauf wurden deshalb nicht erklärt. Von dem Kaufpreis wurden nach Absprache mit der Grundpfandrechtsgläubigerin 95 % der zur Ablösung der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden verwandt, der Restbetrag in Höhe von 10.500,00 € ging in die Insolvenzmasse. Aus der Verwertung von zwei Lebensversicherungen des Insolvenzschuldners ergaben sich Beträge von 9.983,94 € und 5.178,79 €. Außerdem bestand ein Erstattungsanspruch aus der KFZ-Steuer in Höhe von 406,27 €. Die Anfechtung einer Sicherungsübereignung einer Segelyacht brachte einen Erstattungsbetrag von 3.500,00 €. Zusammen mit den im Insolvenzverfahren aufgelaufenen Zinsen führten diese Beträge zu Einnahmen von 231.350,59 €. Dem standen Ausgaben von insgesamt 207.008,36 € gegenüber, sodass ein Betrag von 24.342,23 € verblieb, der Vergütung und Auslagen der Klägerin für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin nicht deckte. Randnummer 6 Am 19. April 2013 setzte das Amtsgericht die Vergütung der Klägerin für ihre Tätigkeit auf 15.697,82 € zzgl. Umsatzsteuer (USt) sowie einen zu erstattenden Auslagenbetrag auf 16.482,69 € zzgl. USt fest. In ihrer Rechnung vom 25. April 2013 rechnete die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Schuldners wie folgt ab: Randnummer 7 Teilvergütung gemäß Beschluss Amtsgericht A 2.004,70 € Auslagen 100 % 16.482,69 € 18.487,39 € 19 % Mehrwertsteuer 3.512,61 € gesamt 22.000,00 € Randnummer 8 Die Zahlung erfolgte noch im April 2013. In ihrer am 8. Mai 2013 eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 2. Quartal 2013 gab die Klägerin aufgrund der Rechnung vom 25. April 2013 die Vorsteuer mit 3.512,61 € an. Steuerpflichtige Umsätze wurden nicht erklärt. Randnummer 9 Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer in dieser Höhe nicht an, sondern teilte sie nach den Vermögensverwertungen aus dem privaten und dem unternehmerischen Bereich des Insolvenzschuldners auf. Randnummer 10 Aufgrund dieser sich an der Verwertung der Insolvenzmasse orientierenden Aufteilung wurde die Vorsteuer im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für das 2. Quartal 2013 vom 8. Juli 2013 nur in Höhe von (1,15 % von 3.512,61 € =) 40,40 € berücksichtigt. Zur Begründung legte das Finanzamt dar, bei der Aufteilung des Vorsteueranspruchs aus der Rechnung des Insolvenzverwalters sei danach differenziert worden, ob für die entsprechend getätigten Umsätze des Insolvenzverwalters ein Vorsteueranspruch bestehe oder nicht. Die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf seien zwar dem gewerblichen Bereich zugeordnet, jedoch sei die Veräußerung steuerfrei durchgeführt worden. Dementsprechend sei der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen. Randnummer 11 Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 8. August 2013. Zur Begründung trug sie vor, die vorgenommene Aufteilung des Vorsteueranspruchs nach dem Maßstab der steuerpflichtigen Umsätze sei nicht korrekt. Maßgeblich sei, dass der Insolvenzverwalter seine Vergütung für die gesamte Durchführung des Insolvenzverfahrens erhalte. Er sei Unternehmer und erbringe mit seiner Tätigkeit eine sonstige Leistung. Soweit eine Aufteilung hinsichtlich des Privatvermögens und gewerblichen Vermögens des Schuldners nachvollzogen werden könne, sei eine Aufteilung dahingehend vorzunehmen, dass sich die gewerblichen Einnahmen auf 94,18 % beliefen; für eine darüber hinausgehende Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG sei kein Raum. Randnummer 12 Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2014 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Wie jede Eingangsleistung sei auch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters bei der Verwaltung und Verwertung von Unternehmensvermögen für den Vorsteuerabzug danach zu beurteilen, ob sie im Zusammenhang mit eigenen steuerpflichtigen Umsätzen oder mit steuerfreien Umsätzen stünden, die nach § 15 Abs. 2 UStG den Vorsteuerabzug ausschlössen. Die Leistung eines Insolvenzverwalters, die zu einem umsatzsteuerfreien Grundstücksverkauf führe, berechtige nach Auffassung des Finanzamts nicht zum Vorsteuerabzug. Die Ansicht der Klägerin, welche sich u. a. auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 11. Mai 2010 (2 K 1513/2008, EFG 2010, 1843) stütze, werde nicht nur von der Finanzverwaltung abgelehnt. Auch das Finanzgericht München lasse in seinem Urteil vom 21. April 2010 (3 K 3736/07, EFG 2011, 1199) den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung des Insolvenzverwalters nicht zu, wenn im Insolvenzverfahren steuerfreie Umsätze erzielt worden seien. Randnummer 13 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 17. Februar 2014 bei Gericht eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, für den Vorsteuerabzug aus der Insolvenzverwaltervergütungsrechnung sei nicht maßgeblich, ob dieser steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze getätigt habe. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter seine Vergütung für die gesamte Durchführung des Insolvenzverfahrens erhalte. Zudem sei festzustellen, dass die Grundstücksverwertung unstreitig dem gewerblichen Bereich zuzuordnen sei. Neben einer Aufteilung zwischen privatem und gewerblichem Vermögen nehme der Beklagte eine weitere Aufteilung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen vor; auch dies sei nicht korrekt. Zu folgen sei vielmehr der Entscheidung des Finanzgerichts Nürnberg vom 11. Mai 2010 (2 K 1513/2008), wonach ein Vorsteueranspruch aus der Rechnung der Klägerin zu 100 % zu berücksichtigen sei. Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 ergänzte die Klägerin, dass der Bundesfinanzhof mittlerweile mit Urteil vom 15. April 2015 (V R 44/14) zur Frage des anteiligen Vorsteuerabzugs entschieden habe. Danach komme es für die Aufteilung auf die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners an. Eine Vorsteueraufteilung sei nach dem Verhältnis der unternehmerischen Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten vorzunehmen, wobei jeweils auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen abzustellen sei. Die unternehmerische Tätigkeit des Schuldners habe vorwiegend in dem Erwerb von Grundstücken, sowie der Bebauung und dem Verkauf derselben bestanden. Wie dem Schlussverzeichnis zu entnehmen sei, seien 3.583.560,66 € zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Lediglich die Forderungen Nr. 04 und Nr. III.1 stellten Insolvenzverbindlichkeiten aus dem privaten Bereich dar. Bei der Forderung zur lfd. Nr. 0/23 der Insolvenztabelle ließe sich anhand der Forderungsanmeldung nicht entnehmen, welcher Bereich betroffen sei. Damit seien die Forderungen weit überwiegend dem betrieblichen Bereich zuzuordnen. Eine weitere Aufteilung der unternehmerischen Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners in solche, die im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen einerseits und steuerpflichtigen Umsätzen andererseits stünden, sei nicht vorzunehmen. Es komme nur auf die vom Bundesfinanzhof ausgeführte, einmalige Abgrenzung zwischen privaten und unternehmerischen Verbindlichkeiten an. Soweit die angemeldeten Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stünden, sei der Vorsteuerabzug genauso zu gewähren wie hinsichtlich solcher Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen stünden. Der Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen hindere den Vorsteuerabzug nicht. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt schriftlich , den Bescheid vom 8. Juli 2013 über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für das 2. Kalendervierteljahr 2013 dahingehend zu ändern, dass anstatt der 1,15 % 94,18 % zugrunde gelegt werden, die Umsatzsteuer also auf minus 3.308,18 Euro festgesetzt wird. Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Nach dem im Laufe des Klagverfahrens ergangenen Urteils des BFH vom 15. April 2015 (V R 44/14) sei eine Aufteilung der Vorsteuer aus der Rechnung des Insolvenzverwalters nach dem Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die als Insolvenzforderung geltend gemacht wurden, vorzunehmen. Einzelne Verwertungshandlungen seien nicht mehr entscheidend. Jedoch sei zu beachten, dass die Vorsteuer nicht nur in einem ersten Schritt nach dem Verhältnis der angemeldeten unternehmerischen und privaten Verbindlichkeiten aufzuteilen sei. Im zweiten Schritt sei die auf die unternehmerischen Verbindlichkeiten entfallene Vorsteuer nach dem Verhältnis der steuerfreien – und den Vorsteuerabzug ausschließenden – Umsätze zu den umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen des Insolvenzschuldners vor Insolvenzeröffnung aufzuteilen. Bei einer solchen Betrachtung sei von einem Anteil von 39 % auszugehen. Randnummer 17 Der Berichterstatter hat am 25. Mai 2016 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. In diesem Termin wies er in Ansehung der aktuellen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 2. Dezember 2015, V R 15/15) sowie der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 2015, 1 K 3818/14) darauf hin, dass gute Gründe dafür sprächen, dass bei der Frage der Vorsteueraufteilung nicht nur zwischen Verbindlichkeiten privater Natur und Verbindlichkeiten unternehmerischer Natur zu differenzieren sei, sondern auch im Rahmen der Verbindlichkeiten unternehmerischer Natur dahingehend, ob die insoweit maßgeblichen Verbindlichkeiten in einem Zusammenhang zu steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden, oder mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen stünden. Insoweit sei in einem ersten Schritt die Aufteilung privat/unternehmerisch vorzunehmen und in einem zweiten Schritt die Aufteilung steuerpflichtig/steuerfrei. Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsgrundsätze bestand zwischen den Beteiligten keine Einigkeit. Die Beteiligten trafen jedoch eine tatsächliche Verständigung mit folgendem Inhalt: Randnummer 18 1. Die Beteiligten gehen davon aus, dass der Anteil der privat verursachten Verbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten 2 % beträgt. Der Anteil der auf der unternehmerischen Tätigkeit basierenden Verbindlichkeiten beträgt somit 98 %. 2. Im Hinblick auf die unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten gehen die Beteiligten davon aus, dass der Anteil der Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen des Insolvenzschuldners stehen, 61 % beträgt. Der Anteil der Verbindlichkeiten, der im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen steht, beläuft sich damit auf 39 % der gesamten unternehmerischen Verbindlichkeiten. Randnummer 19 Die Klägervertreterin hat erklärt, dass sie eine Entscheidung durch den Senat wünscht. Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einvernehmen mit einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Der Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 2. Kalendervierteljahr 2013 vom 8. Juli 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2014 wird dahin geändert, dass Vorsteuern in Höhe von 1.342,52 € anerkannt und die Steuer damit von -40,40 € auf -1.342,52 € herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 60 % und der Beklagte zu 40 %. Das Urteil ist für die Klägerin wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Revision wird zugelassen.
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SG Marburg 12. Kammer
Hessen
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25.09.2013
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der konservierend-chirurgischen Abrechnung für das Quartal IV/11 in zwei Behandlungsfällen und hierbei um die Absetzung von je einer Leistung nach Nr. P 200 BEMA in Höhe von insgesamt 24,92 €. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A1 ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr A2 ist Zahnarzt, und Frau Dr. A3 ist Zahnärztin. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Randnummer 3 Die AOK – die Gesundheitskasse in Hessen beantragte unter Datum 30.08.2011 die Berichtigung der Parodontoseabrechnung der Klägerin für Februar 2011. Die Beanstandungen (Behandlungsbeginn vor Genehmigung / zeitnahe Abrechnung von Extraktionen sowie der Positionen Exz2 neben der PAR-Behandlung) habe sie aufgelistet und die erforderlichen Unterlagen beigefügt. Randnummer 4 Die Beklagte hörte den Kläger unter Datum vom 03.01.2012 zur Beanstandung im Behandlungsfall P1 und im Behandlungsfall P2 an und teilte mit, an dem Zahn 12 bzw. 43 sei zeitnah zur systematischen PAR-Behandlung die Nr. 50 BEMA abgerechnet worden. Das Behandlungsziel der Nr. 50 BEMA sollte sein, dass das in dieser Weise behandelte Parodontium nicht im Rahmen einer folgenden systematischen Parodontalbehandlung erneut therapiert werden müsse. Randnummer 5 Die Klägerin erklärte zum Behandlungsfall P1, im Zusammenhang mit der PAR-Behandlung sei als akute Sofortmaßnahme eine Kürettage am Zahn 12 bei erheblichen Schmerzen und Entzündungen erforderlich gewesen. Die Abrechenbarkeit für derartige Akutbehandlungen bestehe aber neben einer PAR-Behandlung. Zum Behandlungsfall P2 führte sie ebenfalls an, es habe sich um eine Akutbehandlung des Zahnes 43 gehandelt. Starke Schmerzen und Schwellung hätten die Therapie zwingend notwendig gemacht. Randnummer 6 Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 13.03.2012 in den Behandlungsfällen P1 und P2 jeweils einmal die Nr. P 200 BEMA ab. Zur Begründung führte sie aus, die Nr. 50 BEMA könne am einzelnen Parodontium u. a. dann abgerechnet werden, wenn in akutem Zustand im Ausnahmefall die Hart- und Weichgewebskürettage injiziert sei. Voraussetzung für die Abrechnung der Position für parodontal-chirurgische Eingriffe müsse unzweifelhaft sein, dass der Leistungsinhalt einer Nr. 200 bis 203 BEMA im vollen Umfang erfüllt sei und die Voraussetzungen für eine systematische Behandlung von Parodontopathien entsprechend Teil V der Behandlungsrichtlinien vorlägen. Das Behandlungsziel der Nr. 50 BEMA soll sein, dass das in dieser Weise behandelte Parodontium nicht im Rahmen einer folgenden systematischen Parodontalbehandlung erneut therapiert werden müsse. Randnummer 7 Hiergegen legte die Klägerin mit Datum vom 21.03.2012 Widerspruch ein. Sie wies erneut darauf hin, es habe sich um eine Notfallmaßnahme gehandelt. Bei den Vorgaben der Beklagten handele es sich um eine Sollvorschrift. Randnummer 8 Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2012 unter Wiederholung ihrer Ausführungen im angefochtenen Ausgangsbescheid den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, insoweit werde der Ansatz der Nr. 200 bis 203 BEMA durch den Ansatz der Nr. 50 BEMA in der KCH-Abrechnung abrechnungstechnisch ausgeschlossen. Randnummer 9 Hiergegen hat die Klägerin am 28.06.2012 die Klage erhoben. Sie verweist nochmals auf das Vorliegen einer Notfallmaßnahme. Aus einer Kommentierung ergebe sich, dass eine weitere häufige Situation, bei der nur ein einziges oder einzelne wenige Parodontien parodontal-chirurgischer Behandlungen bedürften, dann gegeben sei, wenn bei bereits früher erfolgter systematischer Parodontaltherapie im Rahmen deren Nachsorgetherapie ein lokales Rezidiv entstehe und dies im Sinne einer wissenschaftlich aktuellen, nachhaltigen Parodontaltherapie der lokalen Rezidivbehandlung unterzogen werden müsse. Dies mache deutlich, dass sich die Nr. 200 bis 203 und 50 BEMA nicht gegeneinander ausschlössen, zumal dies in der Leistungslegende nicht festgehalten sei. Es bestehe keine sachlich-rechnerische Berichtigung wegen ungenügender Röntgenaufnahmen bei PAR. Das Gebot der Anfertigung ausreichender Röntgenaufnahmen sei in den PAR-Richtlinien verankert und konkretisiere das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies könne nur im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung überprüft werden. Im Behandlungsfall P1 habe sie am 21.12.2011 die Exzision eines Fistelmauls an Zahn 12 durchgeführt. Es habe sich um eine akut notwendige Maßnahme in Zusammenhang mit der in gleicher Sitzung durchgeführten Wurzelspitzenresektion am Zahn 13 gehandelt. Sie stehe zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der PAR-Behandlung. Im Behandlungsfall P2 sei am 22.01.2011 eine Kürettage am Zahn 43 notwendig geworden. Es sei ein Deepscaling und Rootplaning erfolgt. Dies sei notwendig geworden, nachdem am Zahn 43 eine Füllung in gleicher Sitzung habe gelegt werden müssen und sich aus dem Parodontalspalt ein kleiner, leicht blutender Polyp nach oben entwickelt habe. Es wäre nicht möglich gewesen, die Füllungstherapie ohne die Entfernung dieser Polypen und die Beseitigung an der ursächlichen Veränderung an der Wurzel durchzuführen. Sie habe die Exzision 2 durchführen müssen, da vor Beginn der Parodontosebehandlung notwendige konservierende Maßnahmen durchgeführt werden müssten. Randnummer 10 Es sei keine Anhörung durchgeführt worden. Randnummer 11 Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 24,92 € zu zahlen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Ergänzend zu ihren Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden trägt sie vor, ihre Vorgaben habe die Kammer in der Entscheidung vom 07.07.2012 – S 12 KA 633/09 – bestätigt. Durch den ausnahmsweisen Ansatz der Nr. 50 BEMA zur Behandlung eines einzelnen Parodontiums werde quasi der Ansatz der Nr. P 200 bis 203 BEMA gesperrt. Es gehe nicht um eine Fragestellung der Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern um die Erfüllung des Leistungsinhaltes. Im Behandlungsfall P1 trage die Klägerin im Klageverfahren einen neuen Sachverhalt vor, womit sie ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei die Exzision eines Fistelmauls an Zahn 12 angesichts der zeitgleich durchgeführten Resektion (WSR) in der unmittelbar benachbarten Region 13 auch fachlich nicht vorstellbar. Typischerweise werde bei einer Wurzelspitzenresektion die von Partsch angegebene Schnittführung angewandt, bei der ein bogenförmiger Schnitt im Bereich der beweglichen Mundschleimhaut beginnend vom Nachbarzahn des zu resezierenden Zahnes hin zum anderen Nachbarzahn verlaufe. Die Konvexität des Bogens zeige hierbei zur Zahnkrone. Im Falle des Vorliegens eines Fistelmauls sei dieser entweder im Bereich der Schnittführung oder des Mukoperiostlappens zu finden, sodass eine gesonderte Excision der Fistel unnötig sei, da die Verbindung zum Herd des erkrankten und resezierenden Zahnes durch den Schnitt unterbrochen sei. Nach erfolgter Resektion mit dichter Wurzelfüllung komme es ohnehin zum Ausbleiben der Eiterproduktion und damit zum Verschwinden der Fistel. Insofern sei auch die nunmehr als Begründung angegebene Excision einer Fistel nicht ausreichend, um die Berechtigung der Absetzung zu widerlegen. Die im Fall P1 behauptete Excision eines Fistelmauls stelle die Absetzung nicht in Frage, da die Excision eines Fistelmauls aufgrund ihrer Schnittführung regelmäßig mit dem Eingriff der Wurzelspitzenresektion abgegolten sei. Raum für die gesonderte Abrechenbarkeit der Nr. 50 BEMA bestehe auch hier nicht. Den Vertragszahnarzt träfen gesteigerte Dokumentations- und Nachweispflichten, wenn er einen entsprechenden Vortrag im Gerichtsverfahren erhebe. Für den Fall P1 liege die Vermutung nahe, dass die klägerische Dokumentation nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung selbst bzw. mit dem chirurgischen Eingriff erstellt worden sei. Der Inhalt der Beschreibungen des Klägers sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Auch im Behandlungsfall P2 trage die Klägerin neu vor. Hierzu sei zu bemerken, dass sie davon ausgehen dürfe, dass die Kürettage eines Zahnes lege artis durchgeführt werde. Insofern sei eine erneute Durchführung im Rahmen einer später durchgeführten systematischen PAR-Therapie abrechnungstechnisch ausgeschlossen. Die Position P 200 sei also zu Recht abgesetzt worden. Die Entfernung des kleinen, leicht blutenden Polypen erfülle nicht den Leistungsinhalt. Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2.  trägt die Gerichtskosten und hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung wird nicht zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 7. Senat
Hessen
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11.11.2011
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Mitglied des Beklagten ist. Randnummer 2 Der Beklagte nimmt als Wasser- und Bodenverband am Rechtsverkehr teil, erhebt insbesondere Beiträge durch Verwaltungsakt. Das Verfahren zur Errichtung des Beklagten wurde im Jahr 1996 durchgeführt. Mitglieder der Maschinengemeinschaft Lahn-Dill GbR beabsichtigten im Jahr 1995 die Gründung eines Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill, dessen Schwerpunkt der überbetriebliche Maschineneinsatz zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen sein sollte. Der Vorteil des öffentlich-rechtlichen Verbandes wurde u. a. in der Erlangung günstigerer Kredite gesehen. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 11. Januar 1996 unter dem Briefkopf „Maschinenring Lahn-Dill/Gießen e. V.“ wurde die Genehmigung zur Gründung eines Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill beantragt. Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises als Aufsichtsbehörde wies mit an den Maschinenring Lahn-Dill/Gießen e. V. gerichtetem Schreiben vom 30. Januar 1996 darauf hin, dass lediglich ein formloser Antrag sowie ein Satzungsentwurf vorgelegt worden seien und erinnerte an die Beibringung der Errichtungsunterlagen nach § 11 Abs. 2 des Wasserverbandsgesetzes - WVG -. Randnummer 4 Mit weiterem Schreiben unter dem Briefkopf „Maschinenring Lahn-Dill/Gießen e. V.“ vom „11.02.1995“ (richtig: 11. Februar 1996) wurden der Aufsichtsbehörde ein Plan des Unternehmens sowie eine Liste von Beitrittswilligen (Bl. 86 - 102 der Gründungsakte) übersandt. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass jedes der Mitglieder Flächen im Lahn-Dill-Kreis und im Landkreis Gießen bewirtschaftet. Als Beitragssatz sollten danach 2,50 DM pro Hektar Mitgliedsfläche erhoben werden, wobei ein Höchstbeitragssatz von 300,00 DM vorzusehen sei. Mitglieder des Verbandes könnten Landbewirtschafter werden, wobei jeder Bewirtschafter seine bewirtschaftete Fläche mit einer Stimme vertreten solle. Randnummer 5 Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises ordnete am 22. April 1996 die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens der Errichtung eines Wasser- und Bodenverbandes sowie der Zeit und des Ortes der Auslegung der Errichtungsunterlagen (Satzung, Plan, vorläufige Mitgliederliste) „am 24.03.1996 (richtig: 24.04.1996) in allen im Lahn-Dill-Kreis erscheinenden Ausgaben“ der Dill-Zeitung sowie der Wetzlarer Neuen Zeitung an. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte entsprechend der Anordnung am 24. April 1996 in den im Lahn-Dill-Kreis erscheinenden Ausgaben der Dill-Zeitung sowie der Wetzlarer Neuen Zeitung. Die Errichtungsunterlagen wurden vom 24. April 1996 bis zum 24. Mai 1996 beim Landrat des Lahn-Dill-Kreises ausgelegt. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 7. Mai 1996, die jeweils an die auf der vorläufigen Mitgliederliste aufgeführten Personen (Bl. 86 - 102 der Gründungsakte) gerichtet waren, lud der Landrat des Lahn-Dill-Kreises zur Gründungsverhandlung am 24. Mai 1996 ein. Diese Schreiben lauten im Einleitungssatz: Randnummer 7 „… nach den hier eingereichten Gründungsunterlagen haben Sie Antrag auf Mitgliedschaft in dem zu gründenden „Wasser- und Bodenverband Lahn-Dill“ gestellt und sind somit Beteiligter im Sinne des Wasserverbandsgesetzes.“ Randnummer 8 Ein weiteres Schreiben des Landrates des Lahn-Dill-Kreises vom 7. Mai 1996 „Einladung zur Gründungsverhandlung“ wurde in den im Lahn-Dill-Kreis erscheinenden Ausgaben der Dill-Post, der Dill-Zeitung und der Wetzlarer Neuen Zeitung vom 9. Mai 1996 öffentlich bekannt gemacht. Sowohl in den persönlichen Schreiben als auch dem öffentlich bekannt gemachten unpersönlichen Schreiben vom 7. Mai 1996 weist der Landrat des Lahn-Dill-Kreises darauf hin, dass ordnungsgemäß geladene Beteiligte, die an der Abstimmung nicht teilnähmen, so behandelt würden, als hätten sie der Errichtung des Verbandes zugestimmt, sofern sie nicht vor dem Termin schriftlich widersprochen hätten. Anträge sowie Einwendungen seien spätestens bei der Gründungsverhandlung vorzubringen. Randnummer 9 Am 24. Mai 1996 fand die Gründungsverhandlung des Beklagten statt. Die Anwesenheitsliste zur Gründungsverhandlung des Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill am 24. Mai 1996 führte 112 Gründungsmitglieder auf, von denen 57 anwesend waren. Der Plan, der veränderte Satzungsentwurf und die Errichtung des Verbandes wurden laut der Niederschrift über die Gründungsverhandlung des Wasser- und Bodenverbandes Lahn-Dill am 24. Mai 1996 einstimmig beschlossen. Wegen der Einzelheiten des Ablaufs der Gründungsverhandlung vom 24. Mai 1996 wird auf diese Niederschrift Bezug genommen. Randnummer 10 Der Landrat des Lahn-Dill-Kreises genehmigte mit Verfügungen vom 28. Mai 1996 die Satzung des Beklagten und dessen Errichtung. Die Satzung des Beklagten und die Genehmigungen wurden im Staatsanzeiger 1996, S. 1886, öffentlich bekannt gemacht. Randnummer 11 Der Kläger war am Errichtungsverfahren des Beklagten nicht beteiligt. Mit an den Beklagten adressiertem Schreiben vom 1. Januar 1997 verpflichtete sich der Kläger für einen Zeitraum von acht Jahren zur Nutzung eines Mulchgeräts des Beklagten. In diesem Schreiben erklärt der Kläger, Randnummer 12 „Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des Wasser und Bodenverbandes Lahn-Dill u. U. und die Maschinensatzung an. Grundlage der Nutzungsverpflichtung ist die Mitgliedschaft im Wasser u. Bodenverband L/D u. U. und den Maschinenring Lahn-Dill/Gießen e. V. Mit meiner Unterschrift trete ich den WBV als auch den MR bei.“ Randnummer 13 Am 30. Mai 2005 ging beim Beklagten ein Schreiben des Klägers vom 23. Mai 2005 ein, mit dem dieser seine Mitgliedschaft zum Verband rückwirkend zum 14. März 2005 kündigte. Der Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 mit, dass sich der Vorstand des Beklagten in seiner Sitzung vom 25. September 2007 entschlossen habe, dem Antrag auf Aufhebung der Mitgliedschaft, welcher der Verbandsversammlung am 2. Juli 2007 zur Anhörung vorgelegt worden sei, grundsätzlich stattzugeben. Die Aufhebung der Mitgliedschaft werde wirksam mit Zahlung des (das Austrittsentgelt betreffenden) bestandskräftigen Beitragsbescheides und werde sodann durch den Vorstand bestätigt werden. Randnummer 14 Am 2. Dezember 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Randnummer 15 Der Kläger hat sinngemäß beantragt, festzustellen, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten nicht besteht. Randnummer 16 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 18 Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Urteil vom 10. November 2010 - 8 K 4524/08.GI - festgestellt, dass ein Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Beklagten nicht wirksam begründet worden sei und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Randnummer 19 Der Beklagte hat gegen das ihm am 24. November 2010 zugestellte Urteil mit am 25. November 2010 beim Verwaltungsgericht Gießen eingegangenem Schriftsatz vom 24. November 2010 Berufung eingelegt und diese begründet. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. November 2010 - 8 K 4524/08.GI - abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 21 Der Kläger und der Beigeladene stellen keinen Antrag. Randnummer 22 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten im gesamten Verwaltungsstreitverfahren, den den Kläger betreffenden Behördenvorgang des Beigeladenen sowie die Gründungsakte des Beklagten (zwei Ordner) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Abwassergebühren und in diesem Zusammenhang gegen eine in der Satzung der Beklagten getroffene Regelung, nach der nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitete Wassermengen erst dann im Rahmen der Gebührenbemessung berücksichtigt werden, wenn sie die Menge von jährlich 20 m³ überschreiten. 2 Der Kläger ist Eigentümer eines im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen und von ihm bewohnten Grundstücks, zu dem ein großer Garten gehört. Auf dem Grundstück erzeugt der Kläger mit Hilfe eines Gewächshauses Obst und Gemüse zum Eigenbedarf. Zur Bewässerung des Gartens hat er gesonderte Wasserleitungen installiert, die mit zwei geeichten Frischwasserzählern versehen sind, über die sich die zur Gartenbewässerung entnommene Wassermenge feststellen lässt. Diese belief sich im Zeitraum vom 06.12.2005 bis zum 11.11.2006 auf 63 m³. 3 Nach § 37 Abs. 1 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung der Beklagten vom 10.12.2002 (im Folgenden: AbwS) wird die Abwassergebühr nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt. Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 AbwS gilt in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum als angefallene Abwassermenge die dem Grundstück aus der öffentlichen Wasserversorgung zugeführte Wassermenge. Wassermengen, die nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitet wurden, werden auf Antrag des Gebührenschuldners bei der Bemessung der Abwassergebühr abgesetzt (§ 40 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Von der Absetzung ausgenommen ist eine Wassermenge von 20 m³/Jahr (§ 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS). Nach § 40 c Abs. 1 Satz 1 AbwS hat jeder Gebührenschuldner unter anderem bei Inanspruchnahme von Absetzungen auf seine Kosten zuverlässig arbeitende und leicht zugängliche Messeinrichtungen mit ausreichender Messkapazität durch zugelassene Fachfirmen einzubauen, zu unterhalten, zu erneuern, regelmäßig abzulesen und Aufzeichnungen darüber zu führen, die eine einwandfreie Erfassung der nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Abwassermengen ermöglichen. Der Gebührenpflichtige hat private Messeinrichtungen auf seine Kosten entsprechend der jeweils gültigen Eichordnung (derzeit 6 Jahre) zu ersetzen (§ 40 c Abs. 3 Satz 1 AbwS). Für landwirtschaftliche Betriebe soll der Nachweis durch Messungen eines besonderen, den eichrechtlichen Vorschriften entsprechenden Wasserzählers erbracht werden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 AbwS). Die Regelung, wonach von der Absetzung eine Wassermenge von 20 m³/Jahr ausgenommen ist, findet bei landwirtschaftlichen Betrieben keine Anwendung (§ 40 Abs. 2 Satz 3 AbwS). 4 Mit Bescheid vom 10.01.2007 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 06.12.2005 bis zum 11.12.2006 für eine Abwassermenge von 176 m³ unter Zugrundelegung eines Kubikmeter-Preises von 2,53 EUR Abwassergebühren in Höhe von 445,28 EUR fest. Die Beklagte legte der Berechnung der Abwassermenge einen Frischwasserbezug von 219 m³ zugrunde. Aufgrund der in der Abwassersatzung festgelegten Bagatellgrenze von 20 m³ setzte die Beklagte hiervon anstatt der tatsächlich nachweislich nicht in die öffentliche Abwasseranlage eingeleiteten Wassermenge von 63 m³ lediglich eine Menge von 43 m³ ab (219 m³ - 43 m³ = 176 m³). 5 Den gegen den Bescheid vom 10.01.2007 am 24.01.2007 erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 30.03.2007 zurück. 6 Auf die vom Kläger am 04.05.2007 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 01.09.2008 den Gebührenbescheid der Beklagten vom 10.01.2007 sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben, soweit darin Abwassergebühren über den Betrag von 394,-- EUR hinaus (Gesamtgebühr von 445,28 EUR abzüglich 50,60 EUR für eine Wassermenge von 20 m³ multipliziert mit einem Kubikmeterpreis von 2,53 EUR) festgesetzt wurden. 7 In den Entscheidungsgründen heißt es: Die satzungsrechtlichen Regelungen in § 40 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 AbwS hätten zur Folge, dass landwirtschaftliche Betriebe für nachweisbar nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitetes Frischwasser überhaupt keine Abwassergebühren, andere Gebührenschuldner indes erst ab 20 m³ nachweisbar nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitetes Frischwasser Abwassergebühren nicht bezahlen müssten. Diese Differenzierung sei mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS sei deshalb nichtig mit der Folge, dass der Kläger keine Abwassergebühr für das gesamte nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleitete Wasser zu entrichten habe. Ein sachlich einleuchtender Grund für die unterschiedliche Behandlung bei der Absetzung nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Frischwassers hinsichtlich landwirtschaftlicher Betriebe einerseits und sonstiger Gebührenschuldner andererseits sei nicht ersichtlich. 8 Die ungleiche Behandlung der Gebührenschuldner könne auch nicht mit Gründen der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt werden. Der Verwaltungsaufwand bei der Ermittlung der bei der Festsetzung der Abwassergebühr absetzbaren Wassermenge sei bei landwirtschaftlichen Betrieben und den sonstigen Gebührenschuldnern identisch. In beiden Fällen könne die diesbezüglich zu ermittelnde Wassermenge durch Ablesen der hierfür speziell installierten Wasserzähler mit gleich großem Verwaltungsaufwand erfolgen. 9 Gegen das der Beklagten am 08.09.2008 zugestellte Urteil hat diese am 22.09.2008 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie mit am 10.11.2008 (einem Montag) eingegangenem Schriftsatz vor: Da der Frischwassermaßstab nur dann als sachgerechter Maßstab für die Bemessung der Abwassergebühren anerkannt werde, wenn die Satzung eine Absetzung der nachweislich nicht eingeleiteten Frischwassermengen zulasse, habe sie die Absetzungsmöglichkeit in § 40 Abs. 1 AbwS aufgenommen. Die in § 40 Abs. 1 Satz 2 AbwS aufgenommene Bagatellgrenze sei jedoch unabdingbar, da ansonsten immer dann, wenn von einem Gebührenschuldner eine Absetzung der nicht in die öffentliche Kanalisation eingeleiteten Frischwassermenge geltend gemacht werde, im Einzelfall eine Überprüfung stattfinden müsse. Ferner sei in der Praxis davon auszugehen, dass bei allen Grundstücken immer ein Teil des zugeführten Wassers durch Gießen, Verdampfen, Vertrocknen oder im Rahmen von gewerblichen oder industriellen Produktionsprozessen verbraucht werde. Ohne eine entsprechende Bagatellregelung müssten auch Geringstmengen des nicht eingeleiteten Frischwassers auf Nachweis im Rahmen der Gebührenbemessung berücksichtigt werden. Da es sich bei der Abwassergebührenberechnung um ein Massengeschäft handele, hätte eine individuelle Berücksichtigung der nicht eingeleiteten Wassermengen einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand zur Folge, auch dann, wenn die nicht eingeleitete Wassermenge vom Gebührenschuldner aufgrund eines geeichten Wasserzählers nachgewiesen werden könne. 10 Aufgrund ihrer Satzungshoheit müsse es ihr auch möglich sein, einen näher bestimmbaren Kreis von Gebührenschuldnern zu privilegieren, wenn sie dies für geboten halte. Dies sehe sie bei landwirtschaftlichen Betrieben als gegeben an, da diese anders als sonstige Gewerbetreibende oder industrielle Gebührenschuldner aufgrund der landwirtschaftlichen Tätigkeit einen Beitrag zur Bewirtschaftung des Naturraums leisteten. Da sich auf der Gemarkung der Beklagten insgesamt nur sehr wenige landwirtschaftliche Betriebe befänden, bleibe auch der Verwaltungsaufwand bei der Berechnung der Absetzung der nicht eingeleiteten Frischwassermengen in die öffentliche Kanalisation auf wenige Einzelfälle beschränkt und damit gering. Anders würde sich dies, wie im Fall des Klägers, dann darstellen, wenn bei allen Gebührenschuldnern die konkrete Absetzmenge einzeln erfasst werden müsste. Gerade im Bereich der Gartenbewirtschaftung sei mit einer Vielzahl von Fällen zu rechnen. 11 Die Beklagte beantragt, 12 das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 01.09.2008 - 2 K 1521/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen. 13 Der Kläger beantragt, 14 die Berufung zurückzuweisen. 15 Er verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt er Folgendes vor: Eine unterschiedliche Behandlung von landwirtschaftlichen Betrieben einerseits und den übrigen Gebührenschuldnern andererseits sei nicht gerechtfertigt, weil nur eine geringe Anzahl der Frischwasserbezieher und Gartenbesitzer geeichte Wasserzähler einbauen würde. Die Installation sei teuer und aufwändig. Die Zähler seien zudem alle sechs Jahre nachzueichen, was ebenfalls Kosten verursache. Diese Aufwendungen seien im Zusammenhang mit den eingesparten Abwassergebühren zu sehen, und es ergebe sich damit von selbst, dass für Bagatellmengen des durchschnittlichen Haushalts keine Anträge auf Absetzung nicht eingeleiteter Frischwassermengen gestellt würden. 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 1. September 2008 - 2 K 1521/07 - wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 v.H. dieses Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin 26. Kammer
Berlin
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27.11.2020
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt eine höhere Beihilfe für indirekte CO 2 -Kosten (Strompreiskompensation). Randnummer 2 Sie ist eine Herstellerin nahtloser Stahlrohre sowie spezifischer Rohranwendungen an verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen. In den Anlagen „...und „...in D...werden Stahlrohre hergestellt. In der Anlage „...ebenfalls in D...werden Rohre aus der S... - und der P...vergütet durch Härten und/oder Glühen und Anlassen in entsprechenden Öfen. Am 31. Mai 2017 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Emissionshandelsstelle – DEHSt – beim Umweltbundesamt eine Beihilfe zur Strompreiskompensation für das Abrechnungsjahr 2016 unter anderem für die genannten Anlagen. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 16. November 2017 bewilligte die DEHSt der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 3...Euro und lehnte den Antrag hinsichtlich der Anlage „...ab. Die dort stattfindende Wärmebehandlung müsse dem – nicht beihilfefähigen – NACE-Code 28.51 „Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung“ zugeordnet werden. Den gegen die Teilablehnung erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die DEHSt mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2018 zurück. Die in der Anlage „...stattfindende Wärmebehandlung sei kein zwingend notwendiger Prozessschritt zur Herstellung der im beihilfefähigen NACE-Code 27.22 beschriebenen nahtlosen Stahlrohre. Nur eine Teilmenge der in den Anlagen „...und „...hergestellten nahtlosen Stahlrohre werde in der „...einer Wärmebehandlung unterzogen. Diese Wärmebehandlung, das Vergüten, sei ein optionaler Prozessschritt, der nur dann vorgenommen werde, wenn die Produktanwendung eine bestimmte Materialgüte erfordere und der Kohlenstoffgehalt des Materials zwischen 0,2 und 0,3 % liege. Im Anschluss daran würden sowohl die in der V...wärmebehandelten als auch diejenigen Stahlrohre, die in der S...und P...verblieben und nicht wärmebehandelt worden seien, in der Adjustage endbearbeitet. Dort würden die Stahlrohre gerichtet, geprüft und gesägt. Die Adjustagen befänden sich im Umfang der Anlagen „...und „... . Aus dem Vergüten resultierten keine anderen Produkte, sondern Stahlrohre anderer Materialgüte. Es handele sich deshalb nicht um einen Herstellungsprozessschritt, sondern um einen Prozessschritt der Produktveredelung bzw. der Weiterverarbeitung. Die Tatsache, dass der notwendige Herstellungsprozessschritt der Adjustage dem Vergüten nachgelagert sei, ändere an dem Ergebnis nichts. Selbst wenn man die Wärmebehandlung nicht unter den NACE-Code 28.51 einordnen würde, weil es sich hier nicht um fremde Erzeugnisse handele, die bearbeitet würden, wäre die Vergütung keinem beihilfefähigen Sektor zuzuordnen. Randnummer 4 Mit ihrer am 12. Dezember 2018 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ihr stehe ein in der Selbstbindung der Beklagten durch ihre Verwaltungspraxis begründeter Anspruch auf eine weitere Beihilfe zu. Die Zuordnung der Anlage „...zu dem nicht beihilfefähigen NACE-Code 28.51 sei ermessensfehlerhaft. Diese sei tatsächlich allein dem NACE-Code 27.10 [gemeint wohl 27.22] zuzuordnen. Die Beklagte sei an die NACE-Klassifikation gebunden. Sie sei dieser bei der Zuordnung der klägerischen Tätigkeit aber nicht gefolgt, um eine Ungleichbehandlung der gleichen Prozesskette bei Anlagen zu vermeiden, die keine eigenen Produkte vergüten würden. Randnummer 5 Das ermessensfehlerhafte Handeln der Beklagten ergebe sich zudem aus dem Verständnis, das sie in ständiger Verwaltungspraxis dem Begriff „Erzeugung von nahtlosen Stahlrohren" zugrunde lege. Die Beklagte ziehe für die Zuordnung die „Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen“ des Statistischen Bundesamtes (WZ 2003) heran. Danach erfolge die Zuordnung zu einem NACE-Code anhand der Haupttätigkeit der jeweils zu betrachtenden Einheit. Die WZ 2003 basiere auf der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Union (NACE REV 1.1), so dass von den Erläuterungen der WZ 2003 auf die Klassifikation der NACE Rev. 1.1. geschlossen werden könne. In ihrem „Leitfaden zur Erstellung von Anträgen auf Beihilfe für indirekte CO 2 -Kosten“ ziehe die Beklagte zur Beschreibung der beihilfefähigen Sektoren ebenfalls die WZ 2003 heran. Auch das Güteverzeichnis für Produktionsstatistiken des Statistischen Bundesamtes (GP) diene der Auslegung der NACE Rev. 1.1. Randnummer 6 Im vorliegenden Fall liege der Wertschöpfungsanteil der „...sowie auch die Bruttoproduktion dieser Einheit bezüglich der Wärmebehandlung weit unterhalb des Anteils der Herstellung von Stahlrohren. Der Sachverhalt sei auch nicht mit demjenigen vergleichbar, der vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. November 2017 (VG 26 K 306.15) entschieden worden sei. Anders als in dem dortigen Fall sei der Prozess der Herstellung nahtloser Stahlrohre nach der Wärmebehandlung noch nicht abgeschlossen. Die Rohre würden nach dem Durchlaufen der Wärmebehandlung noch kein verkaufsfertiges Produkt darstellen. Es handele sich vielmehr um einen untergeordneten Teilschritt im Produktionsvorgang. Erst nach Durchlaufen der Anlage „...würden sowohl die wärmebehandelten als auch die nicht wärmebehandelten Stahlrohre in der Adjustage endbearbeitet. Damit diene die Wärmebehandlung der Herstellung des Produkts und nicht lediglich dessen Veredelung. Randnummer 7 Nach dem Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken sei unter die Position „Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung" mit dem NACE-Code 28.51 demgegenüber nur die Veredelung von zugekauften Erzeugnissen und die Veredelung fremder Erzeugnisse im Lohnauftrag (Lohnveredelung) zu zählen. Eine solche Tätigkeit finde in der Anlage „...nicht statt. Die einzelnen Produktionsschritte bei der Herstellung eines Produktes seien für die Beihilfefähigkeit nicht von Relevanz. Randnummer 8 Es handele sich bei den hergestellten Produkten unabhängig von der Wärmebehandlung um nahtlose Stahlrohre. Die Wärmebehandlung führe nicht zu einer anderen Produktklassifikation, sondern ausschließlich zu anderen Qualitäten und möglichen Verwendungszwecken der Rohre der gleichen Produktklasse. Die Anlage „...sei ein integrierter Teil des Herstellungsprozesses einiger Arten von nahtlosen Stahlrohren, die sie, die Klägerin, in mehreren Anlagen produziere, die immissionsschutzrechtlich unterschiedlich genehmigt, insgesamt aber Teil eines einzigen integrierten Standorts seien. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, Randnummer 10 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids der Deutschen Emissionshandelsstelle vom 16. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben vom 14. November 2018 zu verpflichten, ihr für das Abrechnungsjahr 2016 eine weitere Beihilfe für den auf die Anlage „...entfallenden maßgeblichen Stromverbrauch zu bewilligen, und Randnummer 11 die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Beihilfeberechtigt sei nach dem NACE-Code 27.22 lediglich die Herstellung nahtloser Stahlrohre und nicht die Wärmebehandlung. Diese diene der Veränderung des bereits hergestellten Produkts. Die in den Anlagen „...und „...bereits produzierten nahtlosen Stahlrohre müssten in eine andere Anlage („... ) gebracht werden, um dort weiterbearbeitet zu werden. Es liege somit ein eigener, abtrennbarer und separater Bearbeitungsschritt vor, der eine differenzierte Betrachtung zulasse und notwendig mache. Es handele sich gerade nicht um einen integrierten Herstellungsprozess, sondern um einzelne Produktionsschritte zur Veränderung der Materialgüte, die nicht mehr dem eigentlichen Herstellungsprozess zuzurechnen seien. Würden solche Zwischenschritte, die sowohl unabhängig vom Herstellungsprozess und auch tatsächlich räumlich selbständig vorgenommen werden könnten, von der Definition des NACE-Codes umfasst, würde dies zu einer unzulässigen Ausweitung des beihilfeberechtigten Teilsektors führen. Diese Bewertung und Einordnung werde auch dadurch gestützt, dass es eine spezifische Kategorisierung des Bearbeitungsschrittes der V..., also der Wärmebehandlung, gebe. Die Tätigkeit der Wärmebehandlung sei jedenfalls nicht mehr von der Tätigkeit „Herstellung" umfasst und deshalb nicht beihilfefähig. Weder die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 noch das Güterverzeichnis der Produktionsstatistiken führten zu einem anderen Ergebnis. Randnummer 15 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Compact Discs) verwiesen, welche in elektronischer Form vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 2. Kammer
Rheinland-Pfalz
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19.01.2017
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Randnummer 2 Der 1972 geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit 12. Mai 1992 als Betonarbeiter beschäftigt. Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb in C-Stadt mit mehr als 100 Mitarbeitern Steine zur Veredelung von Flächen im Garten- und Landschaftsbereich her. Über das Werksgelände führt eine Verladestraße mit einem durch Poller und rot-weißes Band abgetrennten Fußweg (Lichtbild B 3 = Bl. 78 d. A.). Dabei wird durch ein großes Schild (Lichtbild B 4 = Bl. 79 d. A.) darauf hingewiesen, dass im gesamten Werk das Tragen von Sicherheitsausstattung (Sicherheitsweste, Sicherheitsschuhe, Sicherheitshelm) Pflicht ist und Besucher die Fußwege benutzen. In der Betriebsanweisung "Persönliche Schutzausrüstung (PSA)", die an jeder Steinfertigungsanlage durch Aushang bekannt gemacht wird, ist u.a. festgelegt, dass das Tragen von Warnwesten in Verkehrs- und Lagerbereich Pflicht ist (Bl. 76 d. A.). Zudem wurde der Kläger über die Pflicht zum Tragen der Warnweste auch persönlich unterrichtet (Unterweisungsnachweis für den Kläger Bl. 77 d. A.). In der Betriebsanweisung für Gabelstapler (Bl. 80 d. A.), die an jeder Steinfertigungsanlage durch Aushang bekannt gemacht wird, ist im Rahmen der Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln u.a. Folgendes festgelegt: "Beim Abstellen des Staplers gilt: Gabel absenken, Feststellbremse betätigen, Schlüssel abziehen, Verkehrswege freihalten." Zudem wurde der Kläger auch insoweit persönlich unterrichtet (Unterweisungsnachweis für den Kläger Bl. 81 d. A.). Randnummer 3 Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 (Bl. 31 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen des ihm vorgeworfenen vorzeitigen Verlassens seines Arbeitsplatzes um 10:25 Uhr am 10. Juni 2015 ohne Abmeldung bei einem seiner Vorgesetzten. Randnummer 4 Mit einem weiteren Schreiben vom 24. Juni 2015 (Bl. 32 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung: Randnummer 5 " Abmahnung Randnummer 6 Sehr geehrter Herr A., Randnummer 7 wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen. Randnummer 8 Am 10.06.2015 haben Sie um 10:25 Uhr den Sozialraum umgezogen verlassen und sind, ohne Ihre Warnweste zu tragen, zum Mitarbeiterparkplatz gelaufen. Außerdem haben Sie nicht den vorgeschriebenen Fußweg genutzt, sondern sind auf der Hauptverladestraße gegangen. Zeuge für diesen Vorfall waren der Technische Werkleiter, Herr C. B., und Ihr Meister, Herr J. T. Randnummer 9 Dieses fahrlässige Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Randnummer 10 Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen. Randnummer 11 Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab." Randnummer 12 Weiterhin erhielt der Kläger ein drittes Schreiben der Beklagten vom 24. Juni 2015 (Bl. 33 d. A.) mit folgender Abmahnung: Randnummer 13 " Abmahnung Randnummer 14 Sehr geehrter Herr A., Randnummer 15 wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen. Randnummer 16 Am 12.06.2015 um ca. 13:25 Uhr fuhren Sie mit Ihrem Stapler vor die Werkstatt und ließen diesen mit laufendem Motor und außerhalb Ihres Sichtfeldes stehen. Sie haben den Stapler über 40 Minuten unbeaufsichtigt gelassen, haben weder den Schlüssel abgezogen, noch den Stapler gegen unbefugte Inbetriebnahme gesichert. Randnummer 17 Zeugen für diesen Vorfall waren Ihr Meister, Herr J. T., der den Stapler ausschaltete und den Schlüssel abzog sowie Ihr Meister Herr M. P. und der Technische Werkleiter, Herr C. B. Randnummer 18 Ihr fahrlässiges Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Randnummer 19 Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen. Randnummer 20 Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab." Randnummer 21 Unter dem 03. Juli 2015 wurde dem Kläger von der Beklagten folgende Abmahnung (Bl. 34 d. A.) erteilt: Randnummer 22 " Abmahnung Randnummer 23 Sehr geehrter Herr A., Randnummer 24 wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen. Randnummer 25 Am 02.07.2015 um 13:51 Uhr sind Sie vom Mitarbeiterparkplatz zu den Umkleideräumen gegangen, ohne die vorgeschriebene Warnweste zu tragen. Dieses wurde vom Technischen Werkleiter, Herrn C. B., und Ihrem Meister, Herrn J. T., beobachtet. Randnummer 26 Dieses fahrlässige Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen die bestehenden Sicherheitsbestimmungen dar. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, das oben geschilderte Verhalten zukünftig zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Randnummer 27 Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen. Randnummer 28 Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab." Randnummer 29 Mit Schreiben vom 13. Juli 2015 (Bl. 35 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Abmahnung: Randnummer 30 " Abmahnung Randnummer 31 Sehr geehrter Herr A., Randnummer 32 wir mussten feststellen, dass Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt haben. Ihr im Folgenden geschildertes Verhalten veranlasst uns, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten hinzuweisen. Randnummer 33 Am 10.07.2015 um ca. 8:20 Uhr stand Ihr Meister, Herr J. T., mit Ihrem Kollegen Herrn H. G., vor der Werkstatt und führte mit diesem ein Gespräch. Hierbei konnte Herr T. beobachten, dass Sie mindestens 10 Minuten mit Ihrem Stapler vor dem Meisterbüro auf und ab fuhren und sich mit dem Stapler im Kreis drehten. Dabei schrien und brüllten Sie. Randnummer 34 Als Herr T. zu Ihnen blickte, schauten Sie ihn an und riefen "Fick dich!". Sofort danach fuhren Sie dann mit Ihrem Stapler weg. Randnummer 35 Herr T. frage Herrn G., der während des Vorfalls auf seinem Stapler saß: "Hast du das gerade gehört?" H. G. antwortete: "Meinst du, Fick dich?" Randnummer 36 Zu Ihren Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis gehört u.a. der respektvolle und wertschätzende Umgang mit den Kollegen und Vorgesetzten. Mit Ihrer beleidigenden Äußerung haben Sie gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Wir mahnen Sie hiermit ab und fordern Sie ausdrücklich auf, künftig derartige beleidigende Formulierungen zu unterlassen und Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu erfüllen. Randnummer 37 Im Falle einer Wiederholung des in dieser Abmahnung gerügten Verhaltens behalten wir uns vor, Ihr Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß, gegebenenfalls sogar außerordentlich/fristlos, zu kündigen. Randnummer 38 Eine Durchschrift dieser Abmahnung legen wir in Ihrer Personalakte ab." Randnummer 39 Am 07. September 2015 arbeitete der Kläger in der Spätschicht als Abfahrer an der sog. "Masa-Anlage", einer Steinfertigungsanlage, die von drei Arbeitnehmern (ein Nassseitenfahrer, ein Trockenseitenfahrer und ein Abfahrer) bedient wird. Ein Band führt von der Maschine zum Hallenausgang, wo die Produkte gebunden in Lagen zu zehn, sechs oder drei Steinen heraus kommen und vom Band mit dem Gabelstapler abgehoben, neben das Band abgesetzt und von dort je nach Produktart an ihre Lagerplätze gefahren werden. An diesem Tag stoppte die Anlage. Vor der Anlage stand der Gabelstapler des Klägers abgeschaltet mit steckendem Schlüssel. Als der Werkleiter der Beklagten, Herr B., zum Stapler des Klägers ging, sah er den steckenden Schlüssel und zog diesen ab. Randnummer 40 Mit Schreiben vom 28. September 2015 (Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. April 2016. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 08. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage. Randnummer 41 Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. April 2016 - 6 Ca 3545/15 - Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., Z., T., J., P. und G.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. April 2016 verwiesen. Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen. Randnummer 42 Gegen das ihm am 10. Mai 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 25. Mai 2016 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. August 2016 mit Schriftsatz vom 03. August 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 05. August 2016 eingegangen, begründet. Randnummer 43 Der Kläger trägt vor, er habe sich zu dem Zeitpunkt, als die Anlage gegen 15:58 Uhr am 07. September 2015 gestoppt habe, am Zwischenlager befunden und mit Herrn M. das weitere Vorgehen bezüglich der Abfallsteine besprochen. Einen Rückstau am Band habe er nicht bemerkt. Soweit das Arbeitsgericht allein darin eine Pflichtverletzung gesehen habe, dass kein lückenloser Produktionsablauf wegen des Nichtabfahrens der fertigen Paletten mit den produzierten Steinen erfolgt sei, habe es übersehen, welche konkreten Aufgaben der Abfahrer letztlich habe. Auch wenn das Abfahren zu seinen Aufgaben gehört habe, seien diese nicht darauf beschränkt, die Paletten aus der Maschine zu entnehmen und einen weiteren Produktionsfluss zu gewährleisten. Er müsse als Abfahrer die Produkte abnehmen und an verschiedene Standorte bei der Beklagten verbringen, wobei es zu seinen Aufgaben neben dem Abfahren auch gehöre, das Material mit minderer Qualität ins Zwischenlager zu bringen. Dort müsse es sortiert und strukturiert abgeladen werden, um dann nach entsprechender Absprache festzuhalten, ob es sich tatsächlich um Ausschuss handele oder aber um Material, welches als zweite Wahl ebenfalls noch verkauft werde. Je nach entsprechender Entscheidung sei mit dem Material dann letztlich anders umzugehen. Insofern müsse klargestellt werden, dass es nicht seine alleinige Aufgabe sei, vor der Maschine zu warten, bis eine Palette mit Steinen fertig produziert werde, um diese dann je nach Produktionsgrad an den jeweiligen Lagerplatz zu stellen und danach sofort zurückzukommen, um die nächste Palette in Empfang zu nehmen. Wie der Zeuge bereits erstinstanzlich bestätigt habe, könne dies je nach Produktionsgeschwindigkeit dazu führen, dass innerhalb von zwei Minuten jeweils eine neue Palette mit Steinen produziert werde. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass darüber hinaus die Fahrwege unterschiedlich lang seien, woraus ebenfalls zeitliche Verzögerungen resultieren würden. Es sei im Übrigen auch nicht untypisch, dass es während des Produktionsprozesses zum Stopp der Maschine komme. Dies könne technische Gründe im Falle eines Defekts durch die Maschine haben. Falls die Paletten nicht ordnungsgemäß in die Maschine eingebracht würden und sich letztlich verkeilten, könne aber auch dies zum Produktionsstopp führen. Ebenso könne es zum Produktionsstopp kommen, wenn der Abfahrer weitergehende andere Tätigkeiten ausübe und nicht sofort zugreiflich sei. Er habe vorgetragen, dass er im Zwischenlager gewesen sei und dort Abstimmungen mit Herrn M. getroffen habe. In der Vergangenheit sei so etwas regelmäßig bei Abfahrern geschehen, was in der Regel nicht zu arbeitsrechtlichen Sanktionen geführt habe. In einem solchen Fall werde genauso gehandelt wie an dem hier streitgegenständlichen Tag. Der Maschinenführer erscheine und rufe nach dem Abfahrer, der dann die Anlage beräume. Er habe selbst ein Interesse daran, dass die Maschine kontinuierlich laufe, zumal er auch eine sog. Bretterprämie erhalte, die umso höher sei, je mehr Paletten mit jeweils fertiggestellten Produkten (Bretter) produziert und verkauft würden. Selbst wenn man gemäß der Argumentation der Beklagten davon ausgehe, dass eine Nichtwahrnehmung arbeitsvertraglich geschuldeter Teilaufgaben gegeben sei, so setze dies zur Rechtfertigung einer Kündigung eine einschlägige Abmahnung voraus, die hier nicht vorliege. Selbst bei einem vorliegenden vertragswidrigen Verhalten scheitere die Kündigung an der Störung des Arbeitsverhältnisses. In Anbetracht seiner Einstellung als Betonarbeiter bestehe im Rahmen dieser arbeitsvertraglichen Festlegung die Möglichkeit, ihn außerhalb der Tätigkeit als Staplerfahrer anderweitig einzusetzen. Eine Problematik mit dem Stapler würde sich daraus dann nicht mehr ergeben. Falls er also nicht mehr im Bereich des Abladens tätig sein sollte und damit nicht mehr eine Funktion des Staplerfahrers wahrnehme, könnte die Problematik in Gänze umgangen werden, was das Arbeitsgericht verkannt habe. Letztlich müsse im Rahmen der Interessenabwägung dem Arbeitsgericht entgegengetreten werden. Die Beklagte habe erst Mitte 2015 begonnen, das bereits seit 1992 beanstandungsfrei bestandene Arbeitsverhältnis mit Abmahnungen zu überziehen, und habe dann letztlich wegen eines wenige Minuten dauernden Produktionsstopps, der nicht unüblich sei, eine Kündigung ausgesprochen. Gerade aufgrund der langen Beschäftigungszeit hätte es bezüglich des Tragens der Warnweste, der Fußwegbenutzung sowie der Staplerbenutzung ausgereicht, im Rahmen eines eindringlichen Gesprächs mit ihm persönlich auf entsprechende Verhaltensweisen hinzuweisen und deren Abänderung zu fordern. Die Beklagte hätte auf das weniger einschneidende Mittel einer Ermahnung bzw. eines Gespräches zurückgreifen können, um letztlich das begehrte Ziel der Verhaltensanpassung zu erwirken. Ein vertragswidriges Verhalten habe zumindest in dem Nichtabfahren des Materials aus der Maschine nicht vorgelegen, weil er einem anderen Teilbereich der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nachgegangen sei. Darüber hinaus habe die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bei der Beklagten bestanden. So könne er nach einer zumutbaren Anlernzeit an der Maschine eingesetzt werden und damit letztlich von der Staplerarbeit entbunden werden. Randnummer 44 Der Kläger beantragt , Randnummer 45 das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21. April 2016 - 2 Ca 3545/15 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28. September 2015 nicht beendet worden ist. Randnummer 46 Die Beklagte beantragt , Randnummer 47 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 48 Sie erwidert, der Kläger sei am 07. September 2015 seiner Arbeitspflicht nicht mehr ausreichend nachgekommen, so dass es an der "Masa-Anlage", wo er als Abfahrer beschäftigt gewesen sei, zu einem Überlauf der abzufahrenden Fertigprodukte und zum Bandstillstand gekommen sei. Ferner habe der Kläger eine Sicherheitsverpflichtung verletzt, weil er entgegen der Arbeitsanweisung für die Benutzung von Gabelstaplern den Schlüssel habe stecken lassen, als er den Stapler verlassen habe. Die genannten Vertragspflichtverletzungen am 07. September 2015 hätten sich als Wiederholungsfälle dargestellt, die auch nach langer Betriebszugehörigkeit den Eindruck vermittelt hätten, der Kläger sei für ihre Weisungen nicht mehr empfänglich. Soweit der Kläger zu suggerieren versuche, dass seine Aufgabe darin bestünde, die an der Steinfertigung abgestapelte Ware zum Lager oder zum Zwischenlager zu verbringen, sei das unzutreffend. Nur wenn der an der Steinfertigungsanlage beschäftigte Trockenseitenfahrer nach der von ihm durchzuführenden Qualitätskontrolle der hergestellten Steine diese als mangelhaft ansehe, werde diese Ware von ihm mit einem rot-weißen Flatterband markiert und nicht zum Außenlager, sondern in ein Zwischenlager verbracht, was aber keinesfalls der Regelfall sei. In der Regel werde fehlerfreie Ware produziert und zum Lagerplatz abgefahren. Gegen 15:58 Uhr habe der Werkleiter, Herr B., in der Produktionshalle festgestellt, dass die Anlage abgeschaltet gewesen sei, weil keine Steine mehr abgefahren würden und aufgrund dessen die an der Anlage befindliche Lichtschranke "gestoppt" habe, weil die Trockenseite vollgefahren gewesen sei. Die Behauptung des Klägers, er habe sich mit Herrn M. betreffend das weitere Vorgehen bezüglich der Abfallsteine besprochen, sei falsch. Ein Gespräch habe nicht stattgefunden. Richtig sei, dass Herr M. auf die Frage des Herrn B., wo denn der Kläger sei, geantwortet habe, dass er dies nicht wisse. Erst als der Arbeitskollege Z. aus der Produktionshalle herausgekommen sei und den Kläger laut gerufen habe, sei dieser aus einer hinteren Ecke zum Stapler gekommen, woraufhin auch Herr B. zum Stapler gegangen sei und den steckenden Schlüssel gesehen habe. Die Annahme des Klägers, dass das Arbeitsgericht die Pflichtverletzung allein in einem nicht lückenlosen Produktionslauf wegen des Nichtabfahrens der fertigen Paletten mit den produzierten Steinen gesehen habe, sei unzutreffend, weil das Arbeitsgericht ebenso wie sie die Pflichtverletzungen am 07. September 2015 darin gesehen habe, dass der Kläger zum einen seiner Arbeitspflicht als Abfahrer nicht nachgekommen sei und zum anderen entgegen den Sicherheitsbestimmungen in ihrem Betrieb den Stapler abgestellt habe, ohne den Schlüssel zu ziehen. Soweit der zuständige Meister die am Zwischenlager gelagerte Ware begutachte und entsprechende Anweisungen gebe, wie hiermit zu verfahren sei, habe der Kläger mit diesem Ausleseverfahren als Abfahrer nichts zu tun. Der Abfahrer sei auch nicht gehalten, fehlerhaftes Material zu sortieren und zu strukturieren. Er treffe auch keine entsprechenden Absprachen, ob es sich tatsächlich um mangelhafte Ware oder um Ware handele, die als zweite Wahl verkauft werden könne. Der Kläger habe als Abfahrer lediglich das zu tun, was der Meister ihm aufgebe, nämlich Ware abzufahren, ohne dass er eine eigene Entscheidungsbefugnis habe. Der Abfahrer übe nur dann andere Tätigkeiten aus, wenn der Schichtführer an der Steinfertigungsanlage ihm eine entsprechende Anweisung gebe. Im vorliegenden Fall habe aber keine Anweisung vorgelegen, sondern der Kläger sei schlicht verschwunden gewesen und habe den Stapler abgestellt sowie den Schlüssel stecken gelassen, ohne Bescheid zu geben. Es habe erst nach ihm gesucht und gerufen werden müssen, bis er wieder erschienen sei. Der Kläger habe keinerlei Absprache mit Herrn M. getroffen, sondern einfach den Arbeitsplatz verlassen und den Stapler mit gestecktem Schlüssel abgestellt. Das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Kläger gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen habe, indem er zum einen sich von der Anlage entfernt und zum anderen den Stapler mit steckendem Schlüssel verlassen habe. Rechtsfehlerfrei habe das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass bereits fünf einschlägige Abmahnungen vorgelegen hätten. Abgemahnt seien nämlich Vertragspflichtverletzungen, die darin bestanden hätten, dass der Kläger betriebliche Anweisungen nicht befolgt bzw. gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen habe. Es komme nicht darauf an, wie der Kläger eingesetzt werden könne, sondern darauf, dass der Kläger beharrlich gegen Arbeitsanweisungen verstoßen habe und aufgrund seines Verhaltens auch zukünftig Vertragspflichtverletzungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Randnummer 49 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.04.2016 - 2 Ca 3545/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 2. Senat
Hessen
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27.06.2000
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Randnummer 1 Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Randnummer 2 Der ... 1947 geborene Kläger stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und ist im März 1969 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. In seiner Heimat war der Kläger nicht versicherungspflichtig beschäftigt, in der Bundesrepublik zunächst bis 30. Januar 1970 als Maschinenarbeiter. Danach arbeitete er versicherungspflichtig bei der Fa. M-R, hier zunächst vom 4. Februar 1970 bis 28. Februar 1971 als angelernter Revolverdreher mit einer Bezahlung nach Lohngruppe V des Lohnrahmenvertrages Metall, vom 1. März 1971 bis 31. Juli 1991 als Entgrater mit einer Bezahlung seit 1. November 1979 nach Lohngruppe VI, und seit 1. August 1991 als Werkzeugausgeber unter Übernahme der Lohngruppeneinstufung der vorherigen Tätigkeit, obwohl die Tätigkeit nur der Lohngruppe V entsprochen hat. Das Arbeitsverhältnis wurde am 31. März 1994 beendet. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 68.577,-- DM. Seit 23. März 1993 war der Kläger laufend arbeitsunfähig. Nach dem Entlassungsbericht vom 9. Dezember 1993 über eine in der Zeit vom 28. Oktober bis 9. Dezember 1993 in O durchgeführte medizinische Reha-Maßnahme litt der Kläger an Restbeschwerden nach einer TEP links am 23. Juli 1993 sowie einem Wirbelsäulensyndrom. Außerdem bestand eine massive Hyperlipidämie. Der Kläger könne vollschichtig leichte Arbeiten, derzeit überwiegend im Sitzen, ohne längere Anmarschwege, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen und ohne Absturzgefahr verrichten. Randnummer 3 Am 7. April 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dazu wurde ein Befundbericht des Dr. E vom 18. April 1994 sowie die Kopie eines Schwerbehindertenausweises vom 4. Juli 1991 (GdB 50 %, Merkzeichen "G") vorgelegt. Die Beklagte zog den Kurentlassungsbericht aus O vom 9. Dezember 1993 sowie die Unterlagen des Klägers vom MDK-Offenbach bei und veranlasste eine orthopädische Begutachtung durch Dr. S. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 20. Juli 1994 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen: Randnummer 4 1.  Gang- und Funktionsbehinderung des linken Hüftgelenkes bei Zustand nach Hüft-TEP, versteifender Coxarthrose bei Verdacht auf alte Epiphysenlösung. Randnummer 5 2.  Wirbelsäulenbeschwerden bei teilfixierter Fehlhaltung, Fehlstatik der Wirbelsäule mit Beinverkürzung rechts von 1 cm; Bandscheibenschaden bei L4/L5 und L5/S1 sowie Spondylarthrose. Randnummer 6 3.  Schulter-Nackenbeschwerden bei Streckfehlhaltung der HWS mit altersüblichen Verschleißerscheinungen. Randnummer 7 4.  Leichtere Kniegelenksbeschwerden beidseits links mehr als rechts bei leichteren Verschleißerscheinungen im Kniescheibengleitlager. Randnummer 8 5.  Muskelverschmächtigung des linken Beines. Randnummer 9 6.  Sog. Sensibles Nervus ulnaris Syndrom im rechten Arm unklarer Ursache ohne Funktionseinbuße. Randnummer 10 Der Kläger könne leichte Arbeiten vollschichtig unter Beachtung folgender zusätzlicher qualitativer Einschränkungen verrichten: überwiegend im Sitzen, gelegentlich im Stehen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Heben und Tragen (zumutbar 5 -- 10 kg), ohne Bewegen von Lasten, in geschlossenen Räumen. Dieser Zustand bestehe seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 9. Juni 1994. Nach Anhörung ihres medizinischen Beraters lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 6. August 1994 ab. Mit dem festgestellten Leistungsvermögen liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor. Der Kläger erhob gegen den am 18. August 1994 zur Post aufgelieferten Bescheid am 7. September 1994 Widerspruch, den er nicht begründete. Die Beklagte holte eine Auskunft des früheren Arbeitgebers, der Fa. M-R, vom 8. November 1994 ein. Mit Bescheid vom 3. März 1995 wies sie den Widerspruch des Klägers zurück. Selbst wenn dieser aufgrund der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Beschäftigung dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter zuzuordnen wäre, liege weder Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor. Mit dem noch vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger noch zumutbar als Pförtner oder Warensortierer arbeiten. Randnummer 11 Der Kläger erhob dagegen am 21. März 1995 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Er hielt sich für rentenberechtigt. Während des Verfahrens legte er ein ärztliches Attest des Dr. K, Arzt für Neurochirurgie, vom 7. November 1996 vor. Die Beklagte verblieb demgegenüber bei ihrer ablehnenden Haltung, für die sie im Laufe des Verfahrens Stellungnahmen ihres ärztlichen Beraters Dr. H vom 27. Oktober 1995, 10. Januar 1996, 19. April 1996 und 16. Januar 1997 zur weiteren Begründung vorlegte. Randnummer 12 Das Sozialgericht zog Akten des Klägers bei vom Ausländeramt Offenbach und vom Versorgungsamt F am Main, ferner die Untersuchungsmappe vom MDK-Offenbach sowie die Leistungsakte des Klägers vom Arbeitsamt O mit arbeitsamtsärztlichen Gutachten der Medizinaldirektorin Dr. S-M vom 11. Juli 1994/15. September 1994 und 8. Januar 1997/30. April 1997. Aus arbeitsamtsärztlicher Sicht bestand vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers für die Verrichtung leichter Arbeiten unter Beachtung zusätzlicher qualitativer Einschränkungen. Das Sozialgericht holte Befundberichte ein von den Neurochirurgen Dr. W vom 23. Mai 1995, Dr. R vom 13. November 1995 (mit Befundunterlagen) und 5. Februar 1996, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B vom 30. März 1996 und dem Orthopäden Dr. E vom 29. Mai 1996. Weiter erhob das Sozialgericht Beweis durch Einholung eines neurochirurgischen Fachgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main, vom 24. April 1997. Es wurde ein operationswürdiger Bandscheibenvorfall L4/L5 links diagnostiziert, der zu lumboischialgieformen Beschwerden und zu einer Bewegungseinschränkung führe. Der Kläger könne noch ganztags leichte Arbeiten als Hausbote, Museumsaufseher, Platzanweiser, Eingangskontrolleur verrichten oder als Garderobenkraft arbeiten. Es seien Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen sinnvoll. Überkopfarbeiten seien weniger geeignet. Auch Arbeiten in gebückter Haltung und auf nicht ebenem Boden seien ungeeignet. Ebenfalls nicht geeignet seien Wechselschichten, Akkordarbeiten oder Fließbandarbeiten unter Zeitdruck. Die geistigen Fähigkeiten oder Daueraufmerksamkeit seien nicht signifikant beeinträchtigt. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten gemieden werden, ebenso schweres Heben und Tragen. Weniger geeignet seien auch Arbeiten in Kälte und Nässe. Eine unfallchirurgische bzw. orthopädische Zusatzbegutachtung wegen der Hüftgelenkssituation werde empfohlen, bei bestehenden Blasenentleerungsstörungen eine urologische Untersuchung. Anschließend erhob das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Dr. K vom 20. August 1997. Nach dem Ergebnis des Gutachtens bedeute der festgestellte Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 links eine erhebliche Herabsetzung der Belastbarkeit des Achsenskeletts sowohl in vertikaler Richtung als auch bei Vor- und Rückneigung des Rumpfes. Der Gesundheitsschaden durch den Bandscheibenvorfall sei ein dauerhafter; er bestehe mit leichter Besserung schon seit drei Jahren. Das weitere erwerbsmindernde Leiden betreffe das linke Hüftgelenk. Dort sei wegen eines unfallbedingten Verschleißes ein zementloses Kunstgelenk eingesetzt worden. Bei gutem Operations- und sonstigem Ausheilungsergebnis bestehe eine leicht verminderte Beweglichkeit in alle Richtungen und grundsätzlich nur geringe Belastbarkeit, um die Lebensdauer des Kunstgelenks nicht zu gefährden. Mit den festgestellten Gesundheitsstörungen könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten. Für Tätigkeiten mit geringen körperlichen Belastungen und nur kurzen Gehwegen mit der Möglichkeit häufiger Sitzpausen bestehe ohne weiteres Arbeitsfähigkeit. Dazu gehörten auch Arbeiten als Hausbote, Museumsaufseher, Platzanweiser, Eingangskontrolleur und Garderobenkraft. Tätigkeiten, welche sehr schnelle Reaktionen und kurze, starke Kraftanstrengungen oder schnelle Laufleistungen erforderten, seien nicht zumutbar, ebensowenig das Besteigen mehrerer Stockwerke in kurzer Zeit nacheinander. Arbeiten unter Zwangshaltungen des Rumpfes, wie gebückt, verdreht oder über Kopf seien grundsätzlich nicht möglich. Das Gehen auf unebenen Strecken sei nur für eine geringe Strecke zumutbar. Arbeiten in Akkord, am Fließband oder unter Zeitdruck seien nur begrenzt möglich, da insbesondere die Schnelligkeit beim Gehen und Bewegen herabgesetzt sei. Darüber hinaus seien keine Arbeiten zumutbar, die regelmäßig schweres Heben und Tragen erforderten. Zu den zu schonenden Körperteilen gehöre insbesondere das linke Bein im Hinblick auf die Bedienung von Geräten. Es sollten auch keine Arbeiten verrichtet werden, welche häufige Rumpfneigungen oder Drehungen erforderten. Bei der schwierigen Rekonstruktion im Verlauf der Gesundheitsstörungen des Klägers lasse sich ungefähr sagen, dass etwa im Juli 1994 ein ähnlicher Zustand bestanden habe, der sich jedoch durch den Bandscheibenvorfall L4/5 vorübergehend verschlechtert habe. Seit Februar 1996 seien keine Veränderungen eingetreten. Die Tatsache, dass der Kläger in den letzten Jahren keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, habe den Heilungsverlauf begünstigt, so dass der Wiedereintritt in eine regelmäßige Erwerbstätigkeit zu vertreten sei. Der Kläger befinde sich in einer altersgemäß guten geistigen Verfassung ohne Hinweis auf eine Minderung der Anpassungs-, Umstellungs- und Konzentrationsfähigkeit. Weitere Gutachten seien nicht erforderlich. Randnummer 13 Durch Urteil vom 8. Dezember 1997 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor, so dass auch kein entsprechender Rentenanspruch gegeben sei. Der Kläger genieße als ungelernter Arbeiter im Rahmen des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI keinen Berufsschutz, da sein Erwerbsleben nicht durch bestimmte qualifizierte Tätigkeiten und Leistungen geprägt sei. Dies bestätigten insbesondere die Arbeitsbescheinigungen in den Leistungsakten des Arbeitsamtes, die von der Beklagten eingeholten schriftlichen Auskünfte des letzten Arbeitgebers und die beigezogenen Akten des Ausländeramtes. Auf der Grundlage der Gutachten des Prof. Dr. M vom 24. April 1997 und des Gutachtens des Dr. K vom 20. August 1997 sowie des Entlassungsberichts aus O vom 9. Dezember 1993, der Gutachten des Dr. S (für die LVA) vom 20. Juli 1994, der Frau Dr. S-M (Arbeitsamt O) vom 11. Juli/15. September 1994 und des Medizinaldirektors A (MdK Offenbach) vom 8. Juni 1994 sowie der Berichte der Dres. M und Kollegen vom 5. Februar 1996 und des Dr. E vom 8. Mai 1996 sei der Kläger noch in der Lage, leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten mit geringen körperlichen Belastungen und nur kurzen Gehwegen mit der Möglichkeit häufiger Sitzpausen, ohne Zwangshaltungen/Akkord/Zeitdruck, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit schwerem Heben und Tragen. Da der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne, sei das Sozialgericht bei dem noch vorhandenen Leistungsvermögen des Klägers nicht gehalten, eine konkrete zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen. Erwerbslosigkeit falle in den Risikobereich der Arbeitsverwaltung (Arbeitsvermittlung, Arbeitslosenversicherung) und nicht in den der Rentenversicherung. Der Kläger könne Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung beantragen. Randnummer 14 Gegen das ihm am 17. Februar 1998 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 16. März 1998 eingelegte Berufung, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Der Kläger macht weitere Gesundheitsstörungen im kardiologischen Bereich geltend. Der behandelnde Neurochirurg sehe ihn nicht mehr als leistungsfähig an. Zur Beurteilung sei die Einholung weiterer Fachgutachten notwendig. Der Kläger bezieht sich auf Arztbriefe der Orthopädischen Klinik F/H vom 17. August 1993 und des Kardiologischen Centrums, Rot-Kreuz-Krankenhaus F am Main, vom 17. Juni 1999. Randnummer 15 Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. August 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1995 zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich auf Stellungnahmen ihres beratenden Arztes Dr. H vom 21. Oktober 1998, 8. März 1999 sowie 20. und 27. Mai 1999, 7. September 1999 und 8. Oktober 1999. Weiter überreicht sie Fotokopien eines ablehnenden Bescheides ihrer Reha-Abteilung vom 30. Juni 1998 sowie der zum Reha-Antrag vorgelegten ärztlichen Berichte. Randnummer 18 Der Senat hat die Akten des Klägers vom Versorgungsamt F am Main und vom Arbeitsamt O (Leistungsakten) beigezogen. Es wurden Befundberichte eingeholt von der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B vom 10. Juli 1998 mit Befundunterlagen sowie ein ergänzender Bericht (Eingang: 25. August 1999), dem Arzt für Neurochirurgie Dr. K vom 15. September 1998 mit ergänzendem Bericht (Eingang: 11. Mai 1999), dem Arzt für Neurochirurgie Dr. R vom 18. Oktober 1998 mit Befundunterlagen. Weiter wurden beigezogen Berichte des K-Krankenhauses vom 27. März 1998, des Ambulanten Herzzentrum vom 9. Juli 1998 und ein Arztbrief des Radiologen Dr. P vom 23. Juni 1999. Nach den Berichten des Kardiologischen Centrums vom 15. September 1999 über dortige stationäre Untersuchungen in der Zeit vom 7. bis 9. Juli 1999 (EKG, Belastungs-EKG bis 125 Watt, Echokardiogramm, Farbdoppler-Echokardiogramm, Laborwerte und erneute Kontrastmitteldarstellung der Herz-Kranz-Gefäße) ergaben die Kontrolluntersuchungen insgesamt ein gutes Langzeitresultat bei insgesamt regelrechtem Belastungs-EKG von 125 Watt. Randnummer 19 Anschließend hat der Senat Beweis durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. T vom 18. Februar 2000 erhoben. Danach wird das Leistungsvermögen des Klägers herabgesetzt durch den Zustand nach Einbau eines künstlichen, zementfrei verankerten Hüftgelenkes bei guter Funktion, ohne Hinweis für Lockerung und normaler Belastung des linken Hüftgelenkes, ferner durch ein Lumbalsyndrom/Lumboischialgie links, ohne motorische neurologische Ausfälle bei Bandscheibenvorfall L4/L5 links. Der Kläger könne weiterhin vollschichtig ganztags eine leichte körperliche Arbeit ausführen in wechselnder Körperhaltung bzw. im Sitzen. Der Anteil sitzender Arbeiten sollte 50 % (knapp 4 Stunden) betragen. Die Arbeit sollte überwiegend oder zumindest zeitweilig im Sitzen (ca. 50 % der Arbeitszeit) verrichtet werden. Arbeiten in Zwangshaltung der Wirbelsäule (Überkopfarbeiten, starke Rumpfvorneigung) seien auszuschließen. Der Einsatz auf Leitern und Gerüsten sei auf Dauer nicht mehr möglich. Die Tätigkeit sollte in geschlossenen Räumen mit ebener Erde ausgeübt werden. Einschränkungen hinsichtlich des Weges zur Arbeitsstelle bestünden nicht. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit April 1994. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes sei in Zukunft nicht zu erwarten. Eine Zusatzbegutachtung sei nicht erforderlich. Randnummer 20 Auf Anfrage des Senats hat das Landesarbeitsamt Hessen in einer berufskundlichen Auskunft vom 24. Mai 2000 den Kläger unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen für nicht mehr fähig gehalten, die bisher ausgeübten Tätigkeiten als Dreher/Werkzeugmacher zu verrichten. Berufsfremd könne er noch arbeiten als Pförtner/Tagespförtner, Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder Warensortierer. Bei den vorgenannten Verweisungstätigkeiten handele es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich sei und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden könnten. Für die genannten Tätigkeiten seien im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von max. 3 Monaten Dauer erforderlich. Die genannten Tätigkeiten stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Randnummer 21 Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte sowie der beigezogenen Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Dezember 1997 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem dieses seinen weiteren Asylantrag als unzulässig abgelehnt hat. 2 Der nach eigenen Angaben am 01.01.1987 geborene, aus der Provinz Ghazni in der Südostregion Afghanistans stammende Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er reiste am 30.01.2011 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 09.02.2011 einen Asylantrag. 3 Mit Bescheid vom 18.03.2011 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Zudem enthält der Bescheid eine Ausreiseaufforderung, eine Abschiebungsandrohung nach Afghanistan (Ziffer 5) sowie eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Die hiergegen erhobene Klage lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit am 16.05.2013 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 21.03.2011 vollumfänglich ab (- 8 K 850/11 -). 4 Der Kläger stellte beim Bundesamt am 29.11.2011 einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Zur Begründung trug er schriftsätzlich sowie bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 03.03.2017 im Wesentlichen vor, dass er zwischenzeitlich zum christlichen Glauben konvertiert und am 15.09.2013 getauft worden sei. 5 Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 23.05.2017 die Anträge des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Ziffer 1) sowie auf Abänderung des Bescheides vom 10.04.2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Ziffer 2) ab. Zudem forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihm andernfalls die Abschiebung nach Afghanistan an (Ziffer 3). Darüber hinaus enthält der Bescheid eine Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). 6 Der Kläger hat am 06.06.2017 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. 7 Der Kläger beantragt, 8 den Bescheid des Bundesamts vom 23.05.2017 aufzuheben. 9 Die Beklagte beantragt, 10 den Antrag abzulehnen. 11 Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Bescheid. 12 Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gründen angehört. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. 13 Dem Gericht lag die den Kläger betreffende Verwaltungsakte des Bundesamts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
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SG Kiel 2. Kammer
Schleswig-Holstein
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06.02.2019
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Randnummer 1 Streitig sind Regresse für die Abforderung von Sprechstundenbedarf in den Jahren 2012 und 2013. Randnummer 2 Der Kläger ist ein Medizinisches Versorgungszentrum für die Erbringung radiologischer Leistungen. Im Jahr 2012 forderte der Kläger Sprechstundenbedarf in Höhe von 1.190.152,17 EUR ab. Bei insgesamt 35.036 Behandlungsfällen ergab sich ein durchschnittlicher Fallwert von 33,97 EUR. Der Fallwert der Kläger betrug 33,97 EUR. Der Fallwert der Gruppe der Radiologen betrug 15,47 EUR, der Fallwert der Untergruppe der MRT-Abrechner 17,64 EUR. Für das Jahr 2012 hörte die Prüfungsstelle der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein die Kläger am 31. März 2014 zu einer festgestellten Überschreitung des Gruppendurchschnitts der Radiologen zuzüglich 60 % um 322.961,85 EUR an. Der Kläger trug vor, dass diverse Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Darauf wird Bezug genommen. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 setzte die Prüfungsstelle einen Regress in Höhe von 62.789,00 EUR für das Jahr 2012 fest. Der Gruppenfallwert der Untergruppe zuzüglich 60 % werde um 201.316,86 EUR überschritten. Bei der Gegenüberstellung der anzuerkennenden Mehransätze der MRT-Leistungen sei demzufolge nicht mehr die gesamte Fachgruppe heranzuziehen, sondern nur noch die Ansatzfrequenz der abrechnenden Praxen. Diese seien in der Häufigkeitsstatistik als modifizierter Vergleichswert angegeben. Der Mehraufwand der Praxis des Klägers werde in Höhe der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Ansatz der Leistungserbringer für MRT-Leistungen einerseits und CT-Leistungen andererseits und dem jeweiligen Ansatz der einschlägigen GOP-Leistungen durch die Kläger als Mehrbedarf anerkannt. Die Überschreitung reduzierte sich um 138.448,22 EUR. Weitere zu berücksichtigende Sachverhalte seien nicht zu erkennen. Der Kläger legte am 11. Dezember 2014 Widerspruch ein. Randnummer 4 Im Jahr 2013 forderte die Kläger Material für Sprechstundenbedarf in Höhe von insgesamt 1.184.539,16 EUR ab. Bei insgesamt 35.870 Behandlungsfällen ergab sich ein durchschnittlicher Fallwert von 33,02 EUR. Der Fallwert der Radiologen betrug 15,61 EUR, der der modifizierten Vergleichsgruppe der MRT-Abrechner 17,29 EUR. Randnummer 5 Der Gruppendurchschnitt zuzüglich 60 % wurde um 192.231,48 EUR überschritten. Für das Jahr 2013 hörte die Prüfungsstelle mit Schreiben vom 9. Juli 2015 an. Der Kläger trug vor, dass diverse Besonderheiten zu berücksichtigen seien, auf die verwiesen wird. Randnummer 6 Für das Jahr 2013 setzte die Prüfungsstelle am 24. September 2015 einen Regress in Höhe von 91.438,00 EUR fest. Sie berücksichtigte einen Mehraufwand für MRT und CT entsprechend der überdurchschnittlichen Abrechnung von CT bzw. MRT-Leistungen. Als Mehraufwand wurden 100.705,83 EUR berücksichtigt. Weiterer Mehraufwand für im Einzelfall teurere Fälle sei nicht zu berücksichtigen. Tatsächlich sei auch nicht mehr Kontrastmittel verbraucht worden. Unwirtschaftlich sei es insbesondere gewesen, das MRT-Kontrastmittel Gadovist in Form von 463 Packungen 10 x 15 ml zu beziehen. Wären stattdessen Packungen anderer Größe bezogen worden, wären Einsparungen möglich gewesen. Dagegen legte der Kläger am 6. Oktober 2015 Widerspruch ein. Randnummer 7 Seine Widersprüche begründete er am 11. März 2016 mit grundsätzlichen Einwänden gegen die angewandte Prüfmethode und der Geltendmachung von Praxisbesonderheiten. Unter anderem dürfe nach § 6 Abs. 13 der Prüfvereinbarung i.V.m. Anlage 9 ein Vergleich nur der Gruppe der „Radiologen“ erfolgen. Tatsächlich sei offenbar ausweislich der Anzahlstatistik ein Vergleich nicht arztgruppenspezifisch unter Einbeziehung auch der fachübergreifenden Leistungen anderer Fachgruppen erfolgt. Das zeigten die in der Anzahlstatistik ausgewiesenen Zahlen für Leistungen des Kapitels 17 EBM. Für Nuklearmediziner sei eine Prüfung nach Durchschnittswerten in der Prüfvereinbarung nicht vorgesehen. Die Verordnungen des Sprechstundenbedarfs für Radiologen dürften nicht mit Verordnungsdaten von fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen verglichen werden, da die Einbeziehung von Fällen auch anderer Fachgruppen zu einem Verdünnungseffekt in der Vergleichsgruppe führe, insbesondere in Anbetracht der hohen Verordnungskosten für Kontrastmittel. Fehlerhaft sei es, die Verwendung von Kontrastmitteln bei allen CT- bzw. allen MRT-Leistungen als lediglich fakultativen Leistungsbestandteil zu werten, das sei bei der Ziffer 34552 nicht der Fall. Sofern die Verwendung von Kontrastmitteln lediglich fakultativer Leistungsbestandteil sei, lasse sich aus der Anzahlstatistik weder für den Bedarf im Fachgruppendurchschnitt noch für die Praxis des Klägers ermitteln, ob die Verwendung von Kontrastmitteln erforderlich und wirtschaftlich war oder nicht. Auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Untersuchungsgebiete lasse sich nicht pauschal bewerten, welche Mengen an Kontrastmittel für einzelne Untersuchungen erforderlich gewesen seien. Daher lasse die relative Zahl der CT- bzw. MRT- Untersuchungen im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt keine Rückschlüsse auf die Notwendigkeit der Verwendung von Kontrastmitteln zu. Da der Einsatz von Kontrastmitteln einen erhöhten ärztlichen Aufwand mit sich bringe, bestehe überdies kein Anreiz, sie ohne medizinische Notwendigkeit einzusetzen. Er verwies nochmal auf Praxisbesonderheiten. Auf den weiteren Vortrag wird Bezug genommen. Randnummer 8 Die Widersprüche wies der Beklagte mit Beschluss vom 23. März 2016 – ausgefertigt am 15. Juli 2016 – zurück. Er bestätigte die festgesetzten Regresse der Prüfungsstelle.Da sämtliche Ärzte des MZV Radiologen und nur einige zusätzlich Nuklearmediziner seien, sei keine Fehlzuordnung der Fachgruppe festzustellen. Ferner werde die Prüfung des Sprechstundenbedarfs auf Basis der Betriebsstätten durchgeführt, so dass sämtliche Ärzte der Betriebsstätte im Rahmen der Zuordnung zur Fachgruppe mit dieser entsprechend verglichen werden würden. Zur Bildung der Untergruppe der MRT-Abrechner seien die Abrechner der Gruppe in der Spalte ANZoE herangezogen. In dieser Spalte hätten überwiegend 25 Betriebsstätten Leistungen abgerechnet. Der Untergruppenwert sei aus den 25 Betriebsstätten gebildet worden. Es gebe zwar auch Leistungen, die von weniger Praxen erbracht werden, jedoch würden diese in einem äußerst geringen Umfang abgerechnet werden. Das habe für die Untergruppenbildung keine Bedeutung. Für diese im Regelfall 25 Betriebstätten sei die Ansatzfrequenz der Spalte ModAE herangezogen worden. Die Ziffer 34452 werde ebenfalls von allen Betriebsstätten erbracht. Da die Ansatzfrequenz der Kläger nur geringfügig über dem Durchschnitt der Erbringerpraxen liege, könne nicht nachvollzogen werden, dass diese GOP in der Praxis der Kläger mehr Kontrastmittel erfordere. Ferner sei die Abforderung von Gadovist unwirtschaftlich. Dieses Kontrastmittel mache nahezu dreiviertel der Abforderung des SSB aus. Die 65ml-Flasche bleibe ausweislich der Fachinformation für mindestens 8 Stunden stabil. Daher sei die 65 ml-Flasche gegenüber den 15ml-Flaschen die eindeutig wirtschaftlichere Alternative. Randnummer 9 Dagegen richtet sich die am 17. August 2016 eingegangene Klage. Der Kläger wiederholt, vertieft und ergänzt seine bisherige Argumentation: Der Beklagte sei nicht fachkundig besetzt gewesen, da ihm kein Facharzt für Radiologie angehörte. Der Bescheid sei unzureichend begründet worden. Er – der Kläger – sei nicht in der Lage, anhand der im Bescheid genannten Ausführungen die von Seiten des Beklagten angestellten Erwägungen – insbesondere zur Bildung einer sachgerechten und homogenen Vergleichsgruppe - auf sachliche Richtigkeit zu prüfen. Der Beklagte habe die Gründe für die Wahl einer sachgerechten Vergleichsgruppe nicht dargelegt, sondern lediglich – fälschlicherweise – darauf abgestellt, dass alle Ärzte Radiologen seien. Zweifelhaft sei, ob der Beklagte sich überhaupt der Tatsache bewusst gewesen sei, dass die zwei gängigen Kontrastmittel Gadovist bzw. Dotarem eine unterschiedliche Molarität (Stoffmengenkonzentration) aufweisen. Für das gleiche Ergebnis im bildgebenden Verfahren werde eine unterschiedliche Menge des Kontrastmittels benötigt. Fehlerhaft sei insbesondere, dass der Beklagte in die Vergleichsgruppe auch fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften einbezogen habe, in denen neben Radiologen z. B. auch Gynäkologen tätig seien. In die Gruppe würden auch radiologisch tätige Praxen fallen, die gar keine MRT-Leistungen anbieten. Daher sei die Vergleichsgruppe nicht homogen. Die Kontrastmittel, die von den Nuklearmedizinern verwendet werden, dürften nicht als Leistung der Ärzte der Fachgruppe der Radiologen angesehen werden, so dass auch aus diesem Grund ein Vergleich mit der Fachgruppe der Radiologen nicht sachgerecht sei. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Beschluss vom 23. März 2016, ausgefertigt am 15. Juli 2016, aufzuheben. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Der Beklagte erwidert, dass die Fachgruppe der Radiologen auch die Nuklearmediziner umfasse. Alle vier Fachärzte für Nuklearmedizin hätten MRT-Leistungen abgerechnet, so dass sie in die Prüfung einbezogen werden könnten. Die Prüfung werde aufgrund der Zuordnung durch die Kassenärztliche Vereinigung für die Betriebsstätte durchgeführt, da die Abforderung für die Betriebsstätte erfolge. Besonderheiten würden im Übrigen durch den 60 %-igen Zuschlag ausgeglichen werden. Eine Differenzierung nach obligaten und fakultativen Leistungsinhalten sei nicht erforderlich. Der fakultative Leistungsinhalt setze zwar nicht zwingend den Einsatz von Kontrastmitteln voraus, jedoch sei es möglich, dass es appliziert werde. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Kontrastmittel nur bei der Abrechnung des Zuschlags verabreicht werde. Für die GOP 34452 sei keine erneute Kontrastmittelgabe erforderlich. Da sämtliche MRT-Leistungen der GOP 34410 bis 34490 berücksichtigt worden seien, seien auch die Angiographien berücksichtigt worden. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen. Randnummer 15 Der Kammer lagen die Verwaltungsvorgänge vor.
1. Der Beschluss des Beklagten vom 23. März 2016, ausgefertigt am 15. Juli 2016, wird aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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1 Der am ... 1981 in .../Afghanistan geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben im April 2011 in die Bundesrepublik ein. 2 Der Kläger stellte erstmals am 20. April 2011 einen Asylantrag (Az. ...). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hörte ihn am 11. August 2011 zu den Gründen seines Asylantrags an. Mit Bescheid vom 14. März 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziff. 1) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziff. 2) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids oder unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert, andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (Ziff. 4). Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (A 8 K 781/13) abgewiesen. 3 Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts ... vom 28. Februar 2014 (...) wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei die höchste Einzelstrafe zwei Jahre betrug. Die Freiheitsstrafe wurde vom Landgericht ... mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 (...) zur Bewährung auf drei Jahre ausgesetzt und mit Beschluss vom 17. Dezember 2019 der zur Bewährung ausgesetzte Rest der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts ... vom 28. Februar 2014 erlassen. 4 Am 24. August 2015 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). 5 Das Bundesamt hörte den Kläger am 19. Januar 2017 zu den Gründen seines Folgeantrags an. Als Asylgrund machte der Kläger geltend, er sei homosexuell. Er trug im Wesentlichen vor, er habe Kontakt mit Männern. Dies sei ein Gefühl für ihn. Im Iran und Afghanistan sei dies verboten. Als er nach Deutschland gekommen sei, habe er Schwierigkeiten mit der Sprache gehabt. Er habe sich geschämt, darüber zu sprechen. Er habe keine Hilfe bekommen können und unter Druck gestanden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Asylerstverfahrens sei er sich seiner homosexuellen Neigung bewusst gewesen. Schon als er kleiner gewesen sei, habe er diese Gefühle gehabt. Auf die Nachfrage, warum er nicht bereits im Asylerstverfahren seine homosexuelle Neigung angegeben habe, machte er geltend, er habe Angst gehabt. Auf die Frage nach der Entwicklung der eigenen Sexualität trug er vor, er habe das erste Mal sexuellen Kontakt im Alter von zehn Jahren mit zwei Männern gehabt. Am Anfang sei dies unangenehm für ihn gewesen. Der eine Mann habe im Laden seines Vaters gearbeitet und ihm bei den Hausaufgaben helfen sollen. Der Mann habe mit seinem Körper gespielt. Er - der Kläger - habe Abstand genommen. Der Mann habe gesagt, er dürfe nichts sagen, da er ihn sonst töte. Auf die Nachfrage, wann er das erste Mal die Vermutung gehabt habe, sich stärker zum eigenen Geschlecht hingezogen zu fühlen, gab er an, er sei 20 Jahre alt und im Iran gewesen. Dort habe ein Cousin seiner Tante väterlicherseits gelebt, mit dem er befreundet gewesen sei. Dieser habe eines Tages so etwas mit ihm machen wollen. Dies sei für ihn interessant gewesen und es habe ihm Spaß bereitet. Sie hätten es drei- oder viermal zusammen gemacht, dann habe er - der Kläger - Abstand genommen. Zwischen der Sache als Kind und dem späteren Kontakt im Iran habe er keine homosexuellen Kontakte gehabt. Männerkontakte seien für ihn leichter und einfacher. Der Kläger gab des Weiteren an, er sei jetzt 35 oder 36 Jahre und habe bisher keine sexuellen Kontakte zu Frauen gehabt. Er habe seiner Schwester und seinem Bruder in Deutschland zwischenzeitlich von seiner Homosexualität erzählt, die es mittlerweile akzeptierten. Es sei nicht möglich, in Afghanistan Kontakt mit anderen Männern aufzunehmen. Er wisse nicht, wie homosexuelle Menschen in seinem Heimatland kommunizierten. Im Iran werde man gesteinigt, in Afghanistan sei es noch schlimmer. Auf Nachfrage, ob er homosexuelle Kontakte in Deutschland habe, gab er an, er habe bis jetzt noch nichts gemacht. Er habe jedoch Hinweise von seinem Therapeuten bekommen, wie man solche Kontakte finden könne. Er schäme sich nicht mehr für seine Homosexualität. Auf den Vorhalt, er habe bei seinem Therapeuten angegeben, drei Kontakte mit einer 26-jährigen Frau gehabt zu haben, trug er vor, es habe sich um ein Mädchen im Alter von 19 oder 20 Jahren gehandelt und es sei keine sexuelle Beziehung gewesen. Er habe ihren Körper sehen wollen, was diese abgelehnt habe. Bei der Rückübersetzung ergänzte der Kläger, er habe mit dem Mädchen im Iran zwei- oder dreimal Sex gehabt, wobei diese aber ihre Kleider nicht ausgezogen habe. 6 Mit Bescheid vom 22. September 2017, am 25. September 2017 als Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Ziff. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4). Der Kläger wurde zur Ausreise innerhalb von einer Woche nach der Bekanntgabe des Bescheids aufgefordert, andernfalls wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 96 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6). 7 Der Kläger hat am 4. Oktober 2017 Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, er sei homosexuell und habe das Bedürfnis nach homosexuellen Kontakten. Auf die Ausführungen von Prof. Dr. ... vom 17. Januar 2017 werde Bezug genommen. Des Weiteren legte der Kläger eine Stellungnahme von Prof. Dr. ... über den psychotherapeutischen Behandlungsverlauf vom 15. März 2019, einen Bewährungsbericht der Bewährungs- und Gerichtshilfe vom 13. März 2019 sowie eine Stellungnahme von ... e.V. vom 1. März 2019 vor. Nach Einschätzung von Herrn Prof. Dr. ... habe die deliktorientierte Psychotherapie mit Ablauf der Bewährungszeit beendet werden können, da die rückfallprophylaktische Arbeit und die therapeutischen Maßnahmen zur Stabilisierung im Sinne einer Fortführung der selbstständigen Legalbewährung für ausreichend erachtet worden seien. Straftaten habe er keine mehr begangen. Mit ... e.V. und dem ihm zugeteilten „Buddy“ stehe er regelmäßig im Kontakt. Bevor die Termine pandemiebedingt ausgesetzt worden seien, habe er einmal monatlich am Angebot „cooking love“ des Vereins teilgenommen. Er befinde sich mit einem anderen Afghanen in einer festen Beziehung, der ebenfalls noch im Asylverfahren sei. Aus Angst vor der Reaktion der anderen Afghanen in seiner Unterkunft, halte er die Beziehung weitestgehend geheim, wobei die engste Familie hiervon Kenntnis habe. Sein Freund habe bisher einem Treffen mit seinem Bruder nicht zugestimmt, da er Angst vor einem Bekanntwerden seiner sexuellen Neigung in der afghanischen Community habe. Die Eltern hätten von der Verurteilung sowie seiner sexuellen Neigung erfahren. Seine Mutter sei am 5. Januar 2021 verstorben. Sein Vater, der als Rentner im Iran lebe, habe eine Kontaktaufnahme abgelehnt. Familienangehörige in Afghanistan gebe es keine mehr. Ein verheirateter Bruder lebe mit seinen vier Kindern in .... Dieser lasse ihm im Einzelfall kleinere Beträge zukommen und helfe, Zeiten zu überbrücken, in denen sich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verzögerten. Eine Schwester lebe in ... und fünf weitere Geschwister hielten sich im Iran auf. Die beiden Brüder im Iran seien über die Homosexualität informiert, missbilligten diese jedoch. 8 Der Kläger beantragt, 9 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. September 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, 10 hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, 11 weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. 12 Die Beklagte beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14 Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Bescheid vom 22. September 2017 und macht ergänzend geltend, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die homosexuelle Neigung für den Kläger tatsächlich identitätsbildend sei. Die in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe für die Flüchtlingseigenschaft fänden keine Anwendung auf den nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Es sei dem Kläger zuzumuten, seine homosexuelle Neigung in Afghanistan nicht nach außen dringen zu lassen. 15 Mit Beschluss vom 10. Januar 2018 hat das Gericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und mit Abänderungsbeschluss vom 28. März 2018 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. 16 Das Gericht hat am 29. März 2019 mündlich verhandelt. Der Vertreter der Beklagten erklärte in der mündlichen Verhandlung, der Bescheid vom 22. September 2017 werde insoweit abgeändert, als die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutz als einfach unbegründet abgelehnt werden. Bezüglich der Anhörung des Klägers wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 29. März 2019 verwiesen. 17 Mit Beschluss vom 7. Mai 2019 hat das Gericht Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amts, Amnesty International, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, UNHCR, der Deutschen Orient-Stiftung sowie von Frau … zu den Fragen, ob es Erkenntnisse gebe, ob die afghanischen Behörden bei einer Wiedereinreise Kenntnis von einem in Deutschland ergangenen Urteil wegen Kindesmissbrauchs erhalten und ob dies zu einer besonderen Beobachtung durch den afghanischen Staat führen könnte oder diese Kenntnisse an Dritte weitergegeben würden, sowie, ob mit einer Doppelbestrafung zu rechnen sei. Des Weiteren, ob es in größeren Städten, insbesondere Kabul, Orte gebe, an denen sich Homosexuelle treffen könnten, ob diese Orte allgemein bekannt seien, ob diese von der Regierung/ den Taliban toleriert würden und ob diese unter besonderer Beobachtung stünden. Weiter, ob es eine Szene gebe, in der Homosexualität ausgelebt werden könne und ob auch Homosexuelle, die ihre Homosexualität nur im Privaten lebten, mit Verfolgungsmaßnahmen durch den afghanischen Staat oder Dritten rechnen müssten sowie, ob der afghanische Staat oder Dritte aktiv Maßnahmen ergriffen, Homosexuelle aufzufinden, die ihre Homosexualität nur im Privaten lebten. Schließlich, ob es Erkenntnisse gebe, ob die Behauptung, jemand sei homosexuell, zu staatlichen Maßnahmen führe und wie diese aussähen. 18 Das Bundesamt legte am 21. August 2020 ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17. August 2020 vor, nach dem laut Mitteilung der Bundespolizei Informationen über Straftaten auf offiziellem Weg nicht an die afghanischen Behörden übermittelt würden. 19 Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2021 erneut angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2021 verwiesen. 20 Dem Gericht liegt die Gerichtsakte im Verfahren A 8 K 781/13, die Akten des Bundesamts zum Erst- sowie zum Folgeverfahren (Az. ... und ...), die Akte des Landgerichts ... im Verfahren ... Jug., das Bewährungsheft des Landgerichts ... ...), die Ausländerakte der Großen Kreisstadt ..., eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 26. März 2021 sowie die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 12. Juni 2019, die Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 1. Juli 2019, die Auskunft von UNHCR vom 20. August 2019, die Auskunft von Amnesty International vom 28. Oktober 2019, die Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. April 2020 und das Gutachten von Frau ... vom 18. Juni 2020 vor. 21 Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf, auf die gewechselten Schriftsätze, die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel zu Afghanistan sowie die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 29. März 2019 und 11. Mai 2021 Bezug genommen.
Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziff. 4 bis 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. September 2017 verpflichtet, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bezüglich Afghanistan vorliegt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt 2/3 und die Beklagte 1/3 der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
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1 Umstritten ist, ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, dass die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BeKV - im Folgenden nur BK 4301) im Widerspruchsbescheid vom 17.4.1997 fehlerhaft gewesen ist. 2 Die am 1962 geborene Klägerin arbeitete von 1979 bis 22.3.1994 (Ausbildung bis Arbeitsunfähigkeit, mit kurzer Unterbrechung in einer Massagepraxis u. Mutterschaftsurlaub) als Arzthelferin (ab 1990 Teilzeit) in verschiedenen Arztpraxen, wo sie während der überwiegenden Zeit gegenüber latexhaltigen gepuderten Handschuhen und Materialien exponiert war. Während dessen – die Angaben variieren in den verschiedenen Befunderhebungen zwischen 1979 bzw. ab dem 3. Berufsjahr - stellte sich verstärkender Niesreiz und Augenjucken ein, nach Hinzutreten von Hauterscheinungen an Dekolletee, Kniekehlen, Ellenbogen, Hals und Händen sowie Atemnot und Kreislaufkollaps erfolgte eine diagnostische Abklärung bei Prof. Dr. L. in der Universitäts-Hautklinik T., der nach positiver Prick-Testung mit 5% Latexmilch der Fa. B. die Diagnose Latex-Allergie und Atopie stellte (Bericht vom 28.2.1994). Er zeigte der Beklagten den Verdacht einer BK an. Nasale und bronchiale Symptome traten auch später während einer Bürotätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei von November 1998 bis November 1999 auf. Darüber hinaus war die Klägerin nicht berufstätig. 3 Die Beklagte ermittelte in Richtung auf eine Berufskrankheit sowohl durch Atemwegserkrankung als auch durch Hauterkrankung. Prof. Dr. S., Institut für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik, Bad Salzuflen, begutachtete die Klägerin auf Haut- und Atemwegserkrankungen vom 27.2. bis 4.3.1995 stationär. In seinem Gutachten vom 26.3.1995 teilte er mit, dass weder basisimmunologisch, noch in nasalen und bronchialen Provokationstestungen mit Latex-Extrakten und Latexhandschuhen verschiedener Hersteller - auch der von der Klägerin von ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung gestellten - sich Empfindlichkeitssteigerungen oder Sensibilisierungen nachweisen ließen. Die Beschwerden der Klägerin seien als bronchiales Reizsyndrom mit unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität unter dem Einfluss von Dämpfen und Stäuben nach rezidivierendem Auftreten von Infekten zu werten, weiter liege ein Sinupathie vor, was insgesamt die Anerkennung einer BK 4301/4302 nicht rechtfertige. Bezüglich der Hauterkrankung liege lediglich eine - klinisch stumme - Sensibilisierung gegen Nickelsulfat vor, die sowohl beruflich als auch privat erworben sein könne. Mit Bescheiden vom 10.8.1995 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK 4301/4302 sowie der Hautkrankheit als BK 5101 ab. 4 Dagegen legte die Klägerin unter Hinweis auf die erneut positive Prick- und Scratch-Testung (Naturlatex braun der Fa. H., Sempermed Latexhandschuhe) an der Universitäts-Hautklinik T. mit zweimalig eindeutigem Nachweis der Latex-Allergie (Bericht Prof. Dr. G. vom 18.12.1995, Bl. 148 VA) Widerspruch ein. 5 Prof. Dr. S. äußerte in seiner Stellungnahme vom 23.4.1996 Zweifel an der Validität der Testungen in T. und wies auf eine blutgasanalytisch gesicherte – latexunabhängige - Hyperventilität bei der Klägerin hin, die zu Ohnmachtszuständen führen könne. Er verblieb bei seiner Einschätzung im Gutachten, dass eine aktuelle Latexsensibilisierung des Hautorgans und der Atemwege nicht vorliege. Ergänzend holte die Beklagte die Stellungnahme nach Aktenlage von Prof. Dr B., Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Ruhr-Universität B., vom 19.6.1996 ein. Er hielt auf Grund der eindeutigen Anamnese und der Hauttestungen zumindest im Februar 1994 eine kutane Sensibilisierung gegenüber Naturlatex mit rhinokonjunktivalen Symptomen für gegeben, so dass die Voraussetzung für die Anerkennung einer BK 4301 gegeben sei. Allerdings hätte durch konsequente Maßnahmen, nämlich Meiden von gepuderten Latexhandschuhen, Austausch in Vinylhandschuhe auch bei den Kolleginnen der Verbleib am Arbeitsplatz stattfinden können. Die Interpretation hinsichtlich der Ohnmachtsanfälle von Prof. Dr. S. als hyperventilationsbedingt entspreche auch seiner Erfahrung. Die MdE schätzte er auf 0 v.H. (ergänzende Stellungnahme v. 11.2.1997). 6 Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Meidung des Allergens bei Latexallergikern mit Schleimhautsymptomen in der Praxis kaum durchführbar sei (Schreiben v. 4.11.1996, Bl. 195 VA). Im Widerspruchsbescheid vom 17.4.1997 half sie dem Widerspruch die Atemwegserkrankung betreffend unter Abweisung im Übrigen durch Anerkennung als BK 4301 ab. Nach Prof. Dr. B. liege eine Rhinopathie, ausgelöst durch Sensibilisierung gegenüber Naturlatex vor; die MdE betrage 0 v.H.. Der Widerspruch hinsichtlich der Hauterkrankung wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 17.4.1997). Die Beklagte erbrachte in der Folgezeit Leistungen (Übergangsleistungen für 5 Jahre Bl. 307 VA, Heilbehandlung Bl. 345 VA, Medikamente, Erstattung von Krankengeld Bl. 264 VA, Kostenübernahme Lehrgang für moderne Bürokommunikation). 7 Am 12.5.1997 erhob die Klägerin dagegen Klagen zum Sozialgericht Reutlingen (SG), mit denen sie sich sowohl gegen die Ablehnung der Hauterkrankung als Berufskrankheit (Az S 3 U 1190/97) und hinsichtlich der anerkannten Atemwegserkrankung gegen die Versagung einer Verletztenrente (Az. S 3 U 1062/97) wandte. Im Hinblick auf das die Hauterkrankung betreffende Verfahren hat das SG jenes die Atemwegserkrankung betreffend mit Beschluss vom 17.12.1998 zum Ruhen gebracht. Mit Urteil vom 14.10.1999 hob das SG den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Hauterkrankung auf und verurteilte die Beklagte, gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. P., Dermatologische Klinik und Poliklinik der L.-M.-Universität M. (LMU) vom 26.7.1999, der Klägerin ab 20.9.1995 wegen einer berufsbedingten Hautkrankheit Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hob der Senat das Urteil auf und wies die Klage mit der Begründung ab, dass ein objektiver Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit von den Gutachtern nicht bestätigt worden sei (Urteil vom 17.1.2001- L 2 U 4862/99). Die dagegen eingelegte Beschwerde vor dem Bundessozialgericht nahm die Klägerin zurück. 8 Das SG nahm das Klageverfahren hinsichtlich der Atemwegserkrankung am 3.12.2001 wieder auf (Az. S 3 U 3280/01) und holte auf das Kostenrisiko der Klägerin gem. § 109 SGG mit der Fragestellung, ob außer der Rhinopathie auch eine latexbedingte obstruktive Atemwegserkrankung vorliege, und zur Höhe der MdE bei der BK 4301, das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. N., Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der LMU vom 1.10.2003 ein. Nach ambulanter Untersuchung am 24. und 25.9.2003 mit negativer Inhalationsprovokation eines Latexextrakts und negativer Prick-Testung auf Latex teilte der Gutachter mit, dass sich kein Hinweis auf eine durch Latexexposition bedingte obstruktive Erkrankung der unteren Atemwege ergebe. Grundsätzlich könne das Latexallergen zu zwei verschiedenen Reaktionstypen führen: Spätreaktion vom Typ IV– Hautveränderungen, Sofortreaktion vom Typ I – allergische Rhinopathie, Konjunktivitis etc.. Anamnestische Hinweise auf Atemnot und Hustenreiz seien nicht in einen kausalen Bezug auf eine Latexexposition zu bringen. Die Klägerin nahm daraufhin am 16.3.2004 die Klage zurück. 9 Die Beklagte kam in Folge dessen zu der Auffassung, dass die Anerkennung der BK zu Unrecht erfolgt sei. Mit Schreiben vom 16.3.2004 hörte sie die Klägerin an und stellte mit Bescheid vom 23.9.2004 gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. N. und Prof. Dr. S. fest, dass die Anerkennung der BK 4301 im Widerspruchsbescheid vom 17.4.1997 fehlerhaft gewesen sei, eine obstruktive Atemwegserkrankung i.S. von § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4301 nicht bestehe und künftig gem. § 48 Abs. 3 SGB X keine Leistungen mehr erfolgten (Ziff. 3). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos, eine Latexallergie habe zu keiner Zeit bestanden (Widerspruchsbescheid vom 17.12.2004). 10 Dagegen hat die Klägerin am 7.1.2005 erneut Klage zum SG erhoben und die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X nicht vorlägen. Eine andere Beurteilung des gleichen medizinischen Sachverhalts durch Prof. N. reiche hierzu nicht aus. Mit Urteil vom 18.12.2006 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 23.9.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei dem aufgehobenen Bescheid vom 17.4.1997 um einen begünstigenden Bescheid gehandelt habe, dessen Rechtswidrigkeit nicht nachgewiesen sei. Von der anerkannten BK 4301 sei neben der obstruktiven Atemwegserkrankung als Erkrankung der unteren Atemwege ausdrücklich auch die Rhinopathie, nämlich die Erkrankung der oberen Atemwege als Vorstadium der Obstruktion mit umfasst. Diese habe die Beklagte im Bescheid vom 17.4.1997 gestützt auf die Feststellungen von Prof. Dr. B. anerkannt. Sie könne sich nun nicht mehr auf die früheren Feststellungen von Prof. Dr. S. stützen und das Gutachten von Prof. Dr. N. treffe zur anerkannten Rhinopathie keine Aussage. Doch selbst wenn die Anerkennung der Rhinopathie als BK zu Unrecht erfolgt sei, könne die Beklagte diese wegen Verstreichung der Frist nicht mehr nach § 45 SGB X zurücknehmen. Auch die Voraussetzungen der „Abschmelzung“ nach § 48 Abs. 3 SGB X lägen nicht vor. Diese Vorschrift, deren Anwendungsbereich mehr und mehr ausgedehnt worden sei, sei vorliegend zwar grundsätzlich einschlägig, weil die Klägerin tatsächlich Leistungen erhalten habe. Gegen die Anwendbarkeit spreche aber, dass die tatbestandlich vorgesehene Änderung der Verhältnisse nicht vorliege, vor deren Eintreten die Beklagte nicht zu der getroffenen Feststellung berechtigt sei. 11 Gegen das ihr am 6.3.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.3.2007 Berufung eingelegt. Sie hält ihre Feststellungen im angefochtenen Bescheid für rechtmäßig, da sämtliche Testungen auf Latex bei Prof. Dr. S. und Prof. Dr. N. negativ verlaufen seien. Prof. Dr. B. habe sich irrtümlich auf die Untersuchungen der Universität Tübingen unter Verkennung der RAST und IgE-Antikörper-Untersuchungen gestützt. Bei fehlender Sensibilisierung auf Latex scheide eine Anerkennung der Rhinopathie als BK aus. Nach einhelliger Meinung könne die Feststellung nach § 48 Abs. 3 SGB X auch vor Eintritt einer Änderung getroffen werden. In der mündlichen Verhandlung am 8.7.2009 hat die Beklagte die Verfügung Ziff. 3 im Bescheid vom 23.9.2004 aufgehoben. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat die Klage insoweit für erledigt erklärt. 12 Die Beklagte beantragt, 13 das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage bzgl. Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids vom 23.9.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2004 abzuweisen. 14 Die Klägerin beantragt, 15 die Berufung zurückzuweisen, 16 hilfsweise Prof. P. und Prof. N. ergänzend dazu zu hören, a) welche Gesichtspunkte es dafür gibt, dass im Hinblick auf die Atemwegserkrankung auch 1998 bzw. heute Arztpraxen latexfrei sind, so dass Latexanteile in der Atemluft nicht mehr vorkommen und daher die Klägerin sich dann, wenn sie latexhaltige Luft einatmet, nicht gefährdet; b) hilfsweise Prof. P. und Prof. N. ergänzend dazu zu hören, ob er auf Grund der Bescheinigung Dr. Blumenschein vom 10.5.2009 und der dort attestierten Latexreaktion weiterhin der Auffassung ist, dass ein Zwang zur Aufgabe der Berufstätigkeit der Klägerin nicht gegeben sei. 17 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. 18 Der Senat hat ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. N., Facharzt für Arbeitsmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin - im Hinblick auf die Untersuchungen vom 24. und 25.9.2003 nun nach Aktenlage - eingeholt. In seinem Gutachten vom 29.7.2008 führte der Gutachter aus, dass die Begutachtung 2003 nur unter der Fragestellung einer obstruktiven Atemwegserkrankung erfolgt sei, nicht aber in Bezug auf eine ebenfalls von der BK 4301 erfasste Rhinopathie, weshalb zwar eine bronchiale aber keine nasale Provokationstestung mit Rhinomanometrie durchgeführt worden sei. Nach Aktenlage seien im April 1997 die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 4301 nicht vorgelegen. Für die Kausalkette zum Nachweis einer Rhinopathie sei erster Baustein der Nachweis einer Latex-Sensibilisierung, für den Haut-Prick-Testungen bzw. IgE Antikörper-Untersuchungen ausschlaggebend seien. In einem zweiten Schritt müsse eine typische allergologische Anamnese oder ein positiver nasaler Provokationstest mit Latex-Allergenen hinzutreten. Bis zur Einstellung der belastenden Tätigkeit seien Hauttestungen allein in der Universitäts-Hautklinik T. vorgenommen worden, wo mit einer Quaddelgröße von 2+ (entspricht 3-4 mm) für das Jahr 1994 allenfalls eine grenzwertig positive Hautreaktion auf Latex dokumentiert worden sei, Befunde der späteren Untersuchung im Dezember 1995 lägen nicht vor. Die Diagnose einer Latex-Allergie durch die T. Ärzte sei lediglich als hypothetisch anzusehen. Auch die anamnestischen Angaben der Klägerin, wiederholte Rhinorrhoe oder nasale Obstruktion, seien nämlich nicht spezifisch für eine Rhinopathie, deshalb sei für einen Nachweis eine positive nasale Provokationstestung zu fordern. Diese habe sich jedoch bei der ersten entsprechenden Untersuchung durch Prof. Dr. S. nicht positiv gezeigt, was auf Grund der Art der durchgeführten Untersuchungen und auch nach 11-monatiger Expositionskarenz - die Reaktionsbereitschaft könne im Laufe der Zeit nachlassen - beim Vorliegen einer relevanten Typ I-Sensibilisierung mit einer entsprechend ausgeprägten klinischen Symptomatik zu fordern gewesen wäre. Eine durch Latex-Allergene verursachte allergische Rhinopathie könne deshalb nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit begründet werden. Allenfalls seien auf Grund der vorliegenden Befunde die niederschwelligeren § 3-Maßnahmen mit Verwendung latexfreier Arbeitsmittel, nicht aber eine krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe angezeigt gewesen. Wie auch Prof. B. begründet habe, sei dadurch eine Aufgabe der Tätigkeit zu verhindern gewesen. Die von der Klägerin berichtete, insbesondere anaphylaktoide Reaktion sei nicht typisch für eine Latex-Allergie und eher einem hyperventilatorischen Zustand zuzuordnen. 19 Auf das Kostenrisiko der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat noch erneut ein Gutachten in der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU bei Prof. Dr. Dr. R. (ehemaliger Leiter Prof. Dr. P.) eingeholt. Im hautärztlichen Gutachten vom 22.1.2009 führte er aus, dass sich bei der Untersuchung am 7.1.2009 keine allergische Reaktion auf Naturlatex ergeben habe. Labordiagnostisch hätten spezifische Antikörper vom IgE-Typ gegen Naturlatex nicht nachgewiesen werden können; die Haut- und konjunktivale (am Auge) Provokation mit Naturlatex habe die Klägerin reaktionslos vertragen. Die Durchführung einer Rhinomanometrie sei nicht möglich gewesen, da bereits das Einträufeln der latexfreien Trägerlösung als Negativkontrolle zu einer Zunahme der Durchflussstörung geführt habe. Bei der intranasalen Provokation mit der Naturlatexlösung sei es zwar zu einer starken Reaktion mit Verdrehen der Augen, Schieflage des Kopfes und In-sich-Zusammensacken gekommen. Diese Symptome seien anamnestisch bereits früher unter starken psychischen Belastungen aufgetreten. Eine Erklärung habe sich hierfür nicht finden lassen, da die Vitalparameter bei mehreren Messungen und untypischerweise die Mastzelltryptase unauffällig gewesen seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe es sich dabei nicht um eine allergische Reaktion gehandelt, sondern sei eher neurologischer oder psychovegetativer Ursache. Dennoch sei die BK 4301 zu Recht anerkannt worden. Nach Aktenlage und Anamnese habe eine latexbedingte Rhinopathie vorgelegen. Die Sensibilisierung auf Naturlatex habe in der Universitätsklinik Tübingen und 1999 bei ihnen im Institut eindeutig nachgewiesen werden können. Die konsequente Meidung eines Allergens könne zur Reduktion des Sensibilisierungsgrades führen, nach heutigem Wissensstand bestehe diese jedoch lebenslang und könne bei entsprechendem Kontakt wieder klinisch relevant werden. Eine Reaktion der Klägerin auch während der Tätigkeit als Rechtsanwaltsgehilfin müsse auf Grund der dort vorhandenen Büromaterialien (Radiergummi, Briefumschläge) nicht unbedingt den Kontakt mit Latex ausgeschlossen haben. Prof. Dr. Dr. R. schloss sich der Auffassung von Prof. Dr. B. an, dass die positiven Hauttestungsergebnisse gut mit der klinischen Symptomatik (Beschwerden der oberen Atemwege) der Klägerin zusammenpassten. Prof. Dr. N. schließe er sich jedoch insoweit an, als dieser davon ausgehe, dass die Klägerin unter konsequenten Arbeitsschutzmaßnahmen und unter Verwendung nicht gepuderter Naturlatex-freier Handschuhe weiter in ihrem Beruf hätte tätig bleiben können. Die Bewusstlosigkeit von 1994 sei eindeutig nicht auf Naturlatex-Kontakt zurückzuführen. Diesbezüglich sei eine neurologische Abklärung erforderlich. 20 Die Klägerin hat die Bescheinigung von Dr. B. vom 10.5.2009 über eine notfallmäßige Behandlung am 24.3.2009 vorgelegt. Danach habe sie eine anaphylaktische Reaktion nach Kontakt mit Latex-Material durch Handschuhe und Atem-Maske im Rahmen eines Einsatzes des roten Kreuzes nach Kreislaufsynkope mit kurzer Bewusstlosigkeit gehabt. 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (3 Band), die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten des SG Az. S 3 U 1190/97, S 3 U 3280/01, S 3 RA 198/02 und die Akten des Senats Az. L 2 U 4862/99 Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18.12.2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin ein Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen.
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ArbG Mainz 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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23.09.2020
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über einen Anspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG. Randnummer 2 Die Klägerin wurde am 01.09.2000 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Bürokauffrau eingestellt und zunächst in der Produktionsplanung beschäftigt. Nachdem unter dem Datum des 28.08.2000 unterzeichneten auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag erhielt die Klägerin eine Vergütung nach Tarifgruppe K3C. Randnummer 3 Im Mai 2001 unterzeichneten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin einen unbefristeten Anstellungsvertrag, demzufolge sie ab dem 01.09.2001 als Sachbearbeiterin zu einer Vergütung nach Tarifgruppe K4B weiterbeschäftigt werden sollte. Randnummer 4 Nach einem Zwischenzeugnis vom 21.05.2002 war sie in der Disposition tätig und dem Leiter der Abteilung Produktionsplanung direkt unterstellt. Randnummer 5 Zum 01.10.2001 bzw. 01.01.2002 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die im Tenor benannten Mitarbeiter in der Produktionsplanung ein, welche jeweils von der Klägerin eingearbeitet wurden. Randnummer 6 Im März 2002 wurde die Klägerin in den Betriebsrat gewählt, dessen Mitglied sie seither ununterbrochen war. Seit März 2018 ist sie dessen Vorsitzende und in dieser Position freigestellt. Randnummer 7 Im Juni 2002 wurde die Abteilung Disposition dem Bereich Einkauf zugeordnet. Nach dem beklagtenseits mit Nichtwissen bestrittenen Vortrag der Klägerin gefiel es dem dortigen Bereichsleiter nicht, dass die Klägerin Betriebsratstätigkeit ausübte, weswegen es zu einer Versetzung der Klägerin in die Abteilung Trockenproduktion kam; seit 2010 ist sie im Bereich Flüssigproduktion tätig. Ihre Eingruppierung änderte sich seit 2002 nicht. Randnummer 8 Die im Tenor benannten Kollegen - von Beruf Industriekaufmann bzw. Chemikant - wurden spätestens 2008 in die Entgeltgruppe K5 höhergruppiert, ohne ihre Stelle gewechselt zu haben. Die Klägerin geht davon aus, dass sie darüber hinaus weitere Zulagen erhalten. Randnummer 9 Die Klägerin ist zusammengefasst der Auffassung, dass auch sie eine derartige Gehaltssteigerung erfahren hätte, wenn sie nicht 2002 aus der Abteilung Disposition herausversetzt worden wäre, was wiederum allein aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit geschehen sei. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt: Randnummer 11 1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über das aktuelle Gehalt der Mitarbeiter H. (Abt. Planung) und R. W. (Abt. Disposition) zu erteilen. Randnummer 12 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend ab dem 01.07.2019 zusätzlich zur bereits gezahlten Vergütung die Differenz zwischen ihrer Vergütung und der durchschnittlichen Vergütung der beiden in Ziff. 1 genannten Mitarbeiter zu zahlen. Randnummer 13 hilfsweise zu 1. und 2.: Randnummer 14 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend ab dem 01.07.2019 zusätzlich zu der bereits gezahlten Vergütung die Differenz zwischen der tariflichen Grundvergütung der Entgeltgruppe K4 (derzeit EUR 4.371,00 brutto) und der tariflichen Grundvergütung der Entgeltgruppe K5 (derzeit EUR 5.002,50) gemäß § 18 („Gehaltsgruppen“) des Manteltarifvertrages Feinkost-, Nährmittel- und Teigwarenindustrie in Hessen in Höhe von derzeit EUR 631,50 brutto monatlich zu zahlen. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Die Beklagte wendet ein, für die Beurteilung eines Anspruches nach § 37 Abs. 4 BetrVG sei auf die letzte Betriebsratswahl im Mai 2018 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin im Backoffice der Abteilung Flüssigproduktion tätig und auch unstreitig richtig eingruppiert. Die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter seien daher als Vergleichspersonen im Sinne von § 37 Abs. 4 BetrVG heranzuziehen, in dieser Abteilung ist jedoch (unstreitig) niemand höher als in K4 eingruppiert. Randnummer 18 Die Geschehnisse um die Versetzung der Klägerin im Jahre 2002 könnten seitens der Beklagten nicht mehr nachvollzogen werden, da der genannte Bereichsleiter schon seit über 10 Jahren nicht mehr im Unternehmen. Die Behauptung der Klägerin, diese Versetzung sei ausschließlich in ihrer Betriebsratstätigkeit begründet gewesen, sei unsubstantiiert und schon gar nicht geeignet, eine ausschließliche Vergleichbarkeit mit den von ihr benannten Mitarbeitern zu begründen. Diese seien auch nicht mit ihr vergleichbar, da ihre Qualifikationen bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten aufgrund ihres Ausbildungsberufes und ihrer Berufserfahrung über die der Klägerin hinausgegangen seien. Randnummer 19 Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über das aktuelle Gehalt der Kollegen H. und W. zu erteilen. 2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. 3. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
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Landesarbeitsgericht Hamburg 2. Kammer
Hamburg
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17.01.2018
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Randnummer 1 Die klagende Partei verlangt eine höhere Anpassung ihrer betrieblichen Versorgungsleistungen für die Jahre 2015 und 2016. Randnummer 2 Die klagende Partei war bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zum 31. Dezember 2006. Zuletzt war die klagende Partei in Hamburg beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2007 bezieht sie eine betriebliche Rente, die jeweils zum Monatsersten für den laufenden Monat gezahlt wird. Randnummer 3 Rechtsgrundlage der betrieblichen Rente ist die „Versorgungsordnung vom 01.04.1985 – Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung – 01.04.1985“ (im Folgenden VO 85), die zwischen der Tarifgemeinschaft der B. Unternehmensgruppe und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen abgeschlossen wurde. Randnummer 4 § 6 der VO 85 enthält unter der Überschrift „Anpassung der Renten“ folgende Regelung: Randnummer 5 „1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt. Randnummer 6 2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden. Randnummer 7 (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten). Randnummer 8 3. Die Renten werden angepaßt, wenn der Versorgungsfall vorm 01.12. des Vorjahres eingetreten ist. Randnummer 9 4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Die Beschlußfassung ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.“ Randnummer 10 Eine Anpassung der Renten nach § 16 BetrAVG nimmt die Beklagte nicht vor. Randnummer 11 Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,719 auf 107,0. Zum 1. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2015 bis Juni 2016 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 107,0 auf 107,3. Randnummer 12 Die Beklagte nahm im Jahr 2015 keine Anpassung der betrieblichen Renten im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung zum 1. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Die Versorgungsbezüge der klagenden Partei wurden zum 1. Juli 2015 nur in diesem Umfang erhöht. Für die klagende Partei zahlte die Beklagte vor dem 1. Juni 2015 Versorgungsleistungen in Höhe von 1.590,42 € brutto monatlich und erhöhte diese für die Zeit ab dem 1. Juli 2015 auf 1.598,37 € brutto monatlich. Randnummer 13 Auch im Jahr 2016 nahm die Beklagte keine Anpassung der betrieblichen Rente im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats – und gegen deren ausdrücklichen Wunsch – durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat am 17. Mai 2016 den Beschluss, die Rentenanpassung zum 1. Juli 2016 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Die Versorgungsbezüge des Klägers wurden entsprechend erhöht. Für die klagende Partei zahlte die Beklagte beginnend ab dem 1. Juli 2016 Versorgungsleistungen in Höhe von monatlich 1.606,36 € brutto. Randnummer 14 Die klagende Partei verlangt mit ihrer Klage Anpassungen ihrer Rente zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016 in einem den gesetzlichen Rentenerhöhungen entsprechendem Umfang. Randnummer 15 Die klagende Partei hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte die volle Anpassung der Versorgungsbezüge gemäß § 6 Abs. 1 VO 85 schulde. Sie könne sich nicht auf § 6 Ziff. 4 VO 85 stützen. Die Regelung sei unwirksam, weil sowohl unklar als auch unverhältnismäßig.Die behauptete Neuausrichtung des Konzerns werde bestritten. Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten unterstelle, ergebe sich hieraus jedoch nicht, dass die behauptete strategische Neuausrichtung im Konzern überhaupt Auswirkungen auf die Beklagte hat. Würde man für die Anpassungsentscheidung des § 6 Abs. 4 Auswirkungen im Konzern ausreichen lassen, führe dies dazu, dass die Beklagte den Betriebsrentenanspruch der Versorgungsempfänger leerlaufen lassen könne. Jedenfalls seien die Entscheidungen des Vorstandes und Aufsichtsrates in beiden Jahren unbillig.Die klagende Partei bestreite mit Nichtwissen, dass die Betriebsräte und der Gesamtbetriebsrat ordnungsgemäß angehört worden seien und dass Vorstand und Aufsichtsrat einen formell ordnungsgemäßen Beschluss entsprechend § 6 Abs. 4 der VO85 gefasst haben soll. Die Anpassungsentscheidung sei im Übrigen zumindest für 2015 zu spät erfolgt, nämlich erst nach dem Anpassungstermin. Die klagende Partei habe jedenfalls einen Anspruch aus betrieblicher Übung auf die begehrte Erhöhung. Randnummer 16 Die klagende Partei hat beantragt, Randnummer 17 1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.08.2016 über den Betrag von 1.606,36 € hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 86,42 € brutto zu zahlen; Randnummer 18 2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei einen Betrag von 391,22 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 25,40 € seit dem 01.07.2015, auf 25,40 € seit dem 01.08.2015, auf 25,40 € seit dem 01.09.2015, auf 25,40 € seit dem 01.10.2015, auf 25,40 € seit dem 01.11.2015, auf 25,40 € seit dem 01.12.2015, auf 25,40 € seit dem 01.01.2016, auf 25,40 € seit dem 01.02.2016, auf 25,40 € seit dem 01.03.2016, auf 25,40 € seit dem 01.04.2016, auf 25,40 € seit dem 01.05.2016, auf 25,40 € seit dem 01.06.2016 und auf 86,42 € seit dem 01.07.2016 zu zahlen; Randnummer 19 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 20 die Klage abzuweisen. Randnummer 21 Die Beklagte hat gemeint, dass die klagende Partei über die bereits erfolgte Erhöhung der betrieblichen Rente um 0,5 Prozent hinaus keinen Anspruch auf Erhöhung seiner Versorgungsbezüge habe. Die Entscheidung der Beklagten zur Rentenanpassung im Jahr 2015 sei von § 6 Abs. 4 VO 85 gedeckt. Die Regelung sei wirksam, insbesondere nicht zu unbestimmt. Die Regelung treffe eine gem. § 17 BetrAVG zulässige, von § 16 BetrAVG abweichende Regelung zur Anpassung der Renten. Sie sei dahin auszulegen, dass der Vorstand jährlich entscheiden müsse, wie der sogenannte Teuerungsausgleich zu erfolgen habe. Halte er eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar, müsse er mit dem Aufsichtsrat über einen angemessenen Ausgleich entscheiden und diesen definieren, wobei Vorstand und Aufsichtsrat eine gemeinsame Entscheidung nach billigen Ermessen treffen müssten. Auslegungsbedürftig sei in § 6 Abs. 4 VO 85 der Begriff „vertretbar“. Dieser sei dahin auszulegen, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien. Dies bedeute, dass eine von § 6 Abs. 1 VO 85 negativ abweichende Anpassung der Renten einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Ein solcher sachlicher Grund liege den Anpassungsentscheidungen der Beklagten zugrunde. Hierbei müsse es sich nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 BetrAVG handeln. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten im Sinne des § 16 Abs. 1 und 4 BetrAVG und die in diesem Zusammenhang vom BAG vorgegebenen Maßstäbe für das rechtmäßige Unterbleiben der gesetzlichen Anpassung seien nicht relevant, da die VO 85 eine zulässige abweichende Regelung treffe. Der erforderliche sachliche Grund folge aus dem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens der Beklagten, dessen wesentlicher Baustein das Konzept „S.“ bilde. Mit diesem Programm sichere der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit trotz widriger Rahmenbedingungen für die Zukunft. Grundlage dieses Konzepts sei nicht die wirtschaftliche Lage der Beklagten, sondern deren zukunftsfähige Aufstellung am Markt. Ziel des Konzepts sei u.a. die Einsparung von Personalkosten mit der Folge, dass die aktiven Mitarbeiter einen erheblichen Beitrag zur Stärkung des Konzerns leisten müssten. Daher sei es angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Hinzu komme, dass das Interesse des Klägers im Hinblick auf einen Teuerungsausgleich als eher gering anzusehen sei, da das Versorgungsniveau bei den Versorgungsempfängern nach der VO 85 - im Vergleich zu anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern - bereits überdurchschnittlich hoch sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und Hintergründe dieses Konzepts werde ergänzend auf die ausführlichen Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 14. November 2016, Seite 9 ff. (Bl. 41 ff. d. A.), Bezug genommen. Der gemeinsame Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat sei auch für das Jahr 2015 rechtzeitig erfolgt. Er habe nicht bis zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2015, sondern lediglich mit Wirkung zu diesem Stichtag erfolgen müssen. Dies sei jedoch geschehen. Insbesondere hebe der gemeinsame Beschluss der Gremien nicht eine vorherige automatische Anpassung nach § 6 Abs. 1 VO 85 nachträglich wieder auf, sondern ersetze die nach § 6 Abs. 1 VO 85 vorzunehmende Anpassung. Eine automatische Erhöhung der Renten in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente sei in der VO 85 nicht vorgesehen. Vielmehr sei in jedem Fall eine Prüfung und Entscheidung des Vorstands zur Anpassung der Versorgungsbezüge erforderlich. Auch sei entgegen der Auffassung der klagenden Partei keine betriebliche Übung entstanden. Dass die Beklagte bislang von dem ihr ausdrücklich eingeräumten Vorbehalt der anderweitigen Anpassung keinen Gebrauch gemacht hat, begründe kein Vertrauen darauf, dass dies so bleiben werde. Randnummer 22 Mit Urteil vom 16. Februar 2017 hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend - mit Ausnahme der begehrten Zinsen - stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Randnummer 23 Der Zahlungsanspruch der klagenden Partei folge aus § 6 Ziffer 1 VO 85. Die klagende Partei könne danach eine Erhöhung ihrer Gesamtversorgungsbezüge zum 01. Juli 2015 entsprechend der Erhöhung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09171 Prozent und ab dem 01. Juli 2016 entsprechend der Erhöhung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24521 Prozent verlangen, weil sich die zum 1. Juli von der Beklagten vorgenommenen Anpassungsentscheidungen als nicht der Billigkeit entsprechend erweise. Randnummer 24 Der Beklagten sei dabei in zweierlei Hinsicht eine Ermessensentscheidung eingeräumt. Zum einen dürfe sie entscheiden, ob abgewichen wird, nämlich wenn die planmäßige Anpassung gemäß Absatz 1 „nicht vertretbar“ ist. Sodann stehe es in ihrem Ermessen, wie abgewichen wird, indem ein Vorschlagsrecht des Vorstands dahingehend bestehe, „was nach seiner Auffassung geschehen soll“. Hinsichtlich der Entscheidung wie abgewichen wird, sehe die Regelung zwar eine Konsultationspflicht vor, weise aber der Beklagten einseitig die Leistungsbestimmung zu. Die Leistungsbestimmung nach § 6 Ziff. 4 VO 85 habe gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Randnummer 25 Die Regelungen gemäß § 6 VO 85 würden – anders als die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes in der Fassung vom 19. April 2002 – zwar nicht ausdrücklich das Vorliegen „veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse“ für die Anpassung voraussetzen. Aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 6 Ziff. 1 und Ziff. 4 VO 85 folge jedoch ebenfalls, dass auch die Ermessensausübung unter § 6 Ziff. 4 VO 85 an eben dieser Voraussetzung, nämlich veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen in diesem Fall in der Sphäre der Beklagten zu messen sei, was im Übrigen der gesetzlichen Wertung gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG entspreche. Danach seien insbesondere die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers einerseits, die Belange des Versorgungsempfängers andererseits zu berücksichtigen. Weiter folge aus dem Regel/Ausnahmeverhältnis der Regelungen unter § 6 Ziff. 1 und 4 VO 85, dass die vorzunehmende Ermessensentscheidung auf den Umfang der Abweichung von der planmäßigen Erhöhung der Versorgungsbezüge zu beziehen sei, d.h. nur insoweit, als dies aus wirtschaftlichen Gründen auf Seiten der Beklagten geboten sei, dürfe in die planmäßig vorgesehene Anpassung eingegriffen werden. Nur dann seien die Belange der Versorgungsempfänger angemessen berücksichtigt. Ob die Entscheidung unter den dargelegten Annahmen billigem Ermessen entspreche, unterliege der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Eine der Billigkeit entsprechende Leistungsbestimmung könne vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Randnummer 26 Die Beklagte berufe sich bei ihrer Entscheidung auf erschwerte Rahmenbedingungen für die Versicherungswirtschaft (z.B. abschwächendes Wachstum, Solvency 2, anhaltend niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen). Hingegen habe die Beklagte nicht vorgetragen, inwieweit diese erschwerten Rahmenbedingungen konkret auf ihre gegenwärtige oder künftige Ertragskraft durchschlagen sollen. Es sei zwar durchaus denkbar, dass die Beklagte aufgrund der beschriebenen Rahmenbedingungen ein schwaches Ergebnis erwirtschafte mit der Folge, dass sich eine Anpassung der Versorgungsbezüge in dem nach § 6 Abs. 1 VO 85 vorgegebenen Rahmen als unbillig erweisen könne. Konkreter Vortrag der Beklagten hierzu fehle jedoch. Maßstab für die Anpassungsentscheidung der Beklagten müsse jedoch die konkrete Ertragssituation sein, nicht die bloße Möglichkeit, dass die Erträge ohne die schwierigeren Rahmenbedingungen möglicherweise noch höher gewesen wären bzw. sich die erschwerten Rahmenbedingungen nur eventuell oder in ungewisser Zukunft auf die konkreten Erträge der Beklagten auswirken. Randnummer 27 Auch der von der Beklagten bemühte Vergleich mit ihrer aktiven Belegschaft trage nicht. Die Beklagte trage insoweit vor, dass Einsparungen von Personalkosten in nicht kundennahen Funktionen von 30 % generiert werden sollen z.B. durch Einstellungs-, Entfristungs- und Beförderungsstopps. Die Mitarbeiter müssten damit einen erheblichen Beitrag zur Stärkung und Zukunftssicherung der A. leisten. Die Beklagte verkenne dabei jedoch, dass die aktiven Beschäftigten keinen Anspruch auf Einstellung, Entfristung oder Beförderung hätten, während die Altersversorgung eine Gegenleistung für eine bereits von der klagenden Partei erbrachte Arbeitsleistung darstelle. Es sei legitim, dass die Beklagte für ihre aktiven Beschäftigten entsprechende Maßnahmen zur Zukunftssicherung ergreife. Der Unterschied zu der klagenden Partei sei jedoch, dass die Beklagte für die Maßnahmen gegenüber den aktiven Beschäftigten keine Ausnahmeregelung nach der VO 85 bemühen müsse und es auf deren „Vertretbarkeit“ mithin nicht ankomme. Randnummer 28 Auch der Vergleich mit Rentnern anderer Versorgungssysteme trage nicht. Es sei zwar zutreffend, dass Rentner, deren Versorgungsleistungen sich an dem Anstieg des Verbraucherpreisindex orientieren, zum 01. Juli 2015 nur geringere Zuwächse verzeichnen könnten als nach der VO 85 (zum Anpassungsstichtag 01. Juli 2016 trage die Beklagte insoweit nichts vor). Die Beklagte berücksichtige bei dieser Überlegung aber nicht, dass nach eigenem Vortrag der Beklagten die gesetzlichen Rentenanpassungen, an denen sich im Grundsatz die Beklagte orientiert, seit Jahren überwiegend niedriger ausfielen als die Verbraucherpreissteigerungen nach VPI. Es entspreche nicht der Billigkeit, dass die Beklagte über Jahre von den niedrigeren gesetzlichen Rentenanpassungen profitiert und dann in Jahren, in denen ausnahmsweise die gesetzlichen Rentenanpassungen höher ausfallen als die Verbraucherpreisindexsteigerungen, eine Kürzung der Ansprüche der Begünstigten aufgrund der Ermessensregelung vornehme. Richtigerweise hätten derlei Überlegungen bei der Anpassungsentscheidung komplett berücksichtigt zu bleiben, denn die Beklagte habe mit der VO 85 eine Systementscheidung getroffen, nach der für die Anpassungsregelung die Steigerung der gesetzlichen Renten maßgeblich seien und eben nicht die Änderungen des Verbraucherpreisindex. An dieser Systementscheidung sei die Beklagte festzuhalten. Randnummer 29 Genauso wenig überzeuge die Überlegung der Beklagten, nach der diese auf das überdurchschnittlich hohe Versorgungsniveau der Rentner der VO 85 verweist und aus diesem Grund eine reduzierte Anpassung vornehmen möchte. Hierzu sei festzustellen, dass die Anpassungsregelung des § 6 Ziff. 4 VO 85 nicht dazu diene, der vereinbarten Versorgungsregelung, die die Beklagte nunmehr als zu teuer empfinde, einen anderen Inhalt zu geben. Es sei denkbar, dass die Versorgung nach den Versorgungsordnungen der Beklagten überdurchschnittlich ist, diese sei jedoch entsprechend von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern vereinbart worden. Dass dies der Beklagten mittlerweile nicht mehr gefalle, möge sein, könne jedoch nicht dazu führen, dass dies im Rahmen der Ermessensausübung der Anpassungsregelung anspruchsmindernd von der Beklagten berücksichtigt werden könne. Randnummer 30 Weiter entspreche die Anpassungsentscheidung der Beklagten deshalb nicht billigem Ermessen, weil die Beklagte ausdrücklich keine quantifizierbaren wirtschaftlichen Umstände vortrage, die eine Überprüfung der Anpassungssätze gerade von 0,5 % erlauben würden. Mangels belastbaren Zahlenmaterials könne weder festgestellt werden, welcher Aussagewert den von der Beklagten herangezogenen Kriterien in wirtschaftlicher Hinsicht zukomme, noch sei deren Gewichtung zu ermitteln. Dass und warum die wirtschaftliche Lage ausgerechnet eine Anpassung um 0,5 %, nicht mehr und nicht weniger, gebiete und damit weniger als 25 % der planmäßigen Regelanpassung ausmache, sei nicht durch veränderte wirtschaftliche Verhältnisse begründet und daher unbillig. Die Orientierung am Inflationsausgleich zum Zwecke einer angestrebten Harmonisierung der Versorgungsleistungen im Konzern sei demgegenüber kein im Kontext des § 6 VO 85 angelegter und damit zu berücksichtigender Grund. Das Versorgungsniveau der der VO 85 unterfallenden Betriebsrentner sei der Regelung immanent und daher gewollt. Randnummer 31 Da die Anpassungsentscheidung der Beklagten unbillig sei, sei die Bestimmung gemäß § 315 Abs. 2 BGB durch das Gericht vorzunehmen. Es sei kein belastbares Zahlenmaterial und sonstige Anhaltspunkte vorgetragen, die das Gericht für eine eigene Leistungsbestimmung heranziehen könne, die von der durch § 6 Ziff. 1 VO 85 vorgesehenen Regelanpassung abweiche. Vor diesem Hintergrund habe es auch keiner näheren Darlegung der zu berücksichtigenden Aspekte zur Ausübung einer Ersatzleistungsbestimmung durch das Gericht nach § 315 Abs. 2 S. 2 BGB bedurft. Daher sei die Bestimmung mit 100% der planmäßigen Anpassung vorzunehmen. Diese sei hinsichtlich der Berechnung unstreitig und zutreffend, ebenso die daraus folgenden monatlichen Differenzbeträge. Randnummer 32 Soweit die klagende Partei für ihre Ansprüche Zinsen begehrt, sei die Klage abzuweisen gewesen. Dem Kläger stünden Zinsen erst ab Rechtskraft des Urteils zu, weil die die Fälligkeit der Anpassungsforderungen des Klägers nicht vor der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils eintrete. Leistungen, die – wie vorliegend - nach billigem Ermessen zu bestimmen seien, würden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig. Randnummer 33 Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen (Bl. 231 ff. d.A.). Randnummer 34 Das Urteil ist der Beklagten am 24. Februar 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 22. März 2017 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. Mai 2017 mit an diesem Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Randnummer 35 Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Sie trägt vor, Grundlage der Beschlussfassung zur reduzierten Anpassung der Betriebsrente seien die widrigen Rahmenbedingungen und der Druck am Markt gewesen. Diese hätten erhebliche Spar- und Personalreduzierungsprogramme mit sich gebracht, so insbesondere das sog. „S.-Konzept“ mit weiteren Maßnahmen, das sich bei der Beklagten in der Umsetzung befände. Die Verringerung der Rentenanpassungen sei Teil eines umfassenden Einsparkonzeptes, um sicherzustellen, dass der A.-Konzern auch in Zukunft am Markt mit Gewinnen bestehen könne. Es gebe ein schwieriges Marktumfeld, das durch die niedrigen Zinsen (Leitzins von 0% bzw. 0,05 %) und die niedrige Inflation (0,3 % im Juni 2015) bestimmt werde. Wegen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werde es für Versicherer immer schwieriger, das Geld lukrativ anzulegen. Das Zinsniveau stelle eine erhebliche Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Die Beklagte sei zum 1. Juli 2015 davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 abschwächen werde. Sie gehe weiter von einer nur schwachen konjunkturellen Entwicklung im Euroraum aus. Risiken ergäben sich zudem aus der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung. Es seien außerdem signifikant gestiegene Kundenanforderungen zu verzeichnen, v.a. angestiegene Preissensitivität bei sinkender Loyalität. Weitere Risikopotenziale seien aus vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld entstanden, die letztlich die Folge der Finanzmarktkrise seien. Wettbewerber würden Kostensenkungs- und Automatisierungs-programme forcieren und variable Produktmodelle ohne feste Garantien. Die Komplexität der Lebensversicherung sei durch das Mitte 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) weiter gesteigert worden. Der für Lebensversicherungsprodukte erforderliche finanzielle Aufwand sei deutlich erhöht worden. Die Umsetzung des LVRG habe zu erheblichen Produktänderungen im gesamten Konzern und zu einer Veränderung der Provisionsregelungen geführt. Der Aufwand der Versicherungsunternehmen für die Vergütung der Vermittler habe sich spürbar erhöht. Solvency II verschlechtere die Rahmenbedingungen, weil die Versicherer hiernach über so viel Kapital verfügen müssten, dass sie Negativergebnisse verkraften könnten, die statistisch gesehen nur einmal in 200 Jahren aufträten. Somit hätte zum 1. Januar 2016 mit der Umsetzung von Solvency II in nationales Recht die Notwendigkeit bestanden, eine risiko- bzw. marktwertorientierte Bewertung der Kapitalanlagen und Leistungsverpflichtungen vorzunehmen. Ferner würden weitgehende Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen gestellt und die Berichtspflichten von Versicherern erweitert worden. Dieses umzusetzen, habe finanziellen Aufwand für den Konzern und die Beklagte bedeutet. Wegen des negativen Marktumfeldes habe der Konzern u.a. eine sog. Zinszusatzreserve 2 Milliarden Euro aufbauen müssen. Allein 2016 habe dieser Posten um ca. 620 Millionen Euro aufgefüllt werden müssen, und es sei mit steigenden Entwicklungen zu rechnen. Als Folge des Marktdrucks sei es konzernweit zu einem Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. 2016 hätten im Konzern etwa 1.135 Personen den Konzern bei einem Personalbestand von etwa 13.000 verlassen. Der angestellte Außendienst werde reduziert, das Provisionsmodell massiv angepasst. Im Konzern gebe es weitere Spar-programme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene für Neu-eintritte). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016 zu Einsparungen in Höhe von etwa 2,7 Mio. Euro sowie eine Reduzierung der Rückstellungen um 43,6 Millionen Euro geführt. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es noch gelungen, für die Unternehmen des Konzerns einen Gewinn zu erwirtschaften. Vor allem der Personalabbau von ca. 8,5 % der kompletten Belegschaft in Deutschland allein im Jahr 2016 zeige, wie sehr auf den Marktdruck habe reagiert werden müssen. Näheres ergebe sich auch aus dem S.-Konzept. Vorüberlegungen hierzu seien beginnend mit dem 23. Februar 2015 erfolgt. Zum 25. Mai 2015 sei es soweit abgeschlossen gewesen, dass es gegenüber der Belegschaft der Beklagten habe kommuniziert werden können. Das Konzept beinhalte eine Neuausrichtung zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbs-fähigkeit. Es hätten die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestanden habe, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im September 2015 hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzepts aufgenommen werden können. Mittlerweile befände sich das Konzept in der Umsetzungsphase. In finanzieller Hinsicht ziele das Konzept auf die konzernweite Einsparung von Kosten in Höhe von 160 bis 190 Mio. Euro pro Jahr ab. Ein Teil der Planungen habe in dem Übergang des gesamten Personals der Beklagten und der A. V. AG auf die neue A. D. AG bestanden, was mit Standortverlagerungen und Standortzusammenschlüssen einhergegangen sei. In diesem Zusammenhang stünde der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft leiste einen erheblichen Beitrag für die zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns mit u.a. folgenden Maß-nahmen: Personalabbau i.V.m. einem Einstellungs- und Beförderungsstopp sowie einem Verbot von Entfristungen befristeter Arbeitsverträge, was eine Verdichtung der Arbeitsbelastung bedeute, Betriebsübergänge auf die A. D. AG, Reduzierung des angestellten Außendienstes, Kürzung der Budgets für Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten, Kürzung des Budgets für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung bei Neueintritten auf der Stufe der Vorstände und leitenden Angestellten um die Hälfte des bisherigen Volumens, keine Gehaltserhöhung für außertarifliche Ange-stellte in 2016 (bis auf individuelle Sonderfälle). Demgegenüber wögen die Interessen des Klägers nur gering. Die Betriebsrentnerinnen und -rentner hätten ihren Beitrag zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten zu leisten. Der von ihnen ein-geforderte Beitrag sei im Verhältnis zu dem Beitrag der aktiven Belegschaft nur sehr gering. Das Versorgungsniveau in der VO 85 sei überdurchschnittlich hoch. Kaufkraftschwund und die Inflationsentwicklung seien bei der Anpassungsentscheidung im Jahr 2015 ausreichend berücksichtigt worden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich die klagende Partei nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 4 VO 85 ausdrücklich vorgesehen. Der Vorstand der Beklagten hätte in Folge der Entscheidung des Vorstands der A. D. AG beschlossen, die Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 anzuwenden und dem Aufsichtsrat vorzuschlagen, die zum 1. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Dabei hätte sich der Vorstand an der Inflationsrate orientiert, die bei 0,28 % gelegen habe. Diese habe man für den Zeitpunkt der Entscheidung auf 0,5 % geschätzt. Die Betriebsräte seien ausreichend angehört worden und hätten Stellung genommen. Sodann hätten Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2015 beschlossen. Der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung sei am 26. August 2016, der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten am 9. Oktober 2015 erfolgt. Auf die Erforderlichkeit einer Interessenabwägung sei in den jeweiligen Beschlussvorlagen ausdrücklich hingewiesen worden. Beide Gremien hätten alle Argumente abgewogen und in ihre Entscheidung einfließen lassen, auch die Stellungnahmen der Betriebsräte. Zudem seien Erwägungen zur ungekürzten Anpassung und weniger einschneidenden Kürzungen enthalten gewesen. Die Beklagte habe von § 6 Ziff. 4 VO 85 Gebrauch machen dürfen. Der Begriff „vertretbar“ sei so zu verstehen, dass die jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 6 Ziff. 4 VO 85 durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt sei. Eine von § 6 Ziff. 1 VO 85 negativ abweichende Anpassung der Versorgungsbezüge erfordere einen sachlichen Grund, der die Abweichung rechtfertige. Der Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat wirke auf den Zeitpunkt zurück, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert worden seien. Ein sachlicher Grund für die Entscheidung nach § 6 Ziffer 4 VO 85 könne in einem Konzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn die sachlichen Gründe willkürfrei, nachvollziehbar und anerkennenswert seien. Randnummer 36 Die Beklagte beantragt, Randnummer 37 das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Februar 2017, Az. 7 Ca 414/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 38 Die klagende Partei beantragt, Randnummer 39 die Berufung zurückzuweisen . Randnummer 40 Die klagende Partei verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Sie trägt vor, die Regelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 sei unwirksam, da sie nicht hinreichend bestimmt sei. Aber auch wenn von einer Auslegungsfähigkeit und damit von der Wirksamkeit der Norm ausgegangen werde, sei die Entscheidung der Beklagten zur Anpassung der Versorgungsbezüge unwirksam. § 6 Ziff. 4 VO 85 enthalte eine Anpassungsautomatik. Nur dann, wenn die wirtschaftliche Lage bzw. die Finanzierbarkeit die Anpassung nach § 6 Abs. 1 VO 85 nicht zulasse, könne die Beklagte eine andere Entscheidung treffen. Sie müsse dann unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage/der Finanzierbarkeit entscheiden, was stattdessen geschehen solle. Vor diesem Hintergrund seien die von der Beklagten angeführten Gründe nicht geeignet, den Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat zu rechtfertigen. Die Beklagte begründe die getroffene Entscheidung letztlich mit einem Interesse an der Gewinnmaximierung. Dies reiche jedoch nicht aus. Randnummer 41 Hinsichtlich des ergänzenden Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 24. Mai 2017 (Bl. 302 ff. d.A.), auf die Berufungsbeantwortung vom 28. Juni 2017 (Bl. 460 ff. d.A.) und den Schriftsatz der Beklagten vom 14. Dezember 2017 (Bl. 491 ff. d.A.) verwiesen. Wegen des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen überreichten Unterlagen, ihrer Beweisantritte und ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Februar 2017 - Gz.: 7 Ca 414/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.08.2016 über den Betrag von 1.606,36 € hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 86,34 € brutto zu zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag von 391,14 € brutto zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Die Revision wird nur für die Beklagte zugelassen.
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LG Magdeburg 10. Zivilkammer
Sachsen-Anhalt
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07.09.2010
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Randnummer 1 Der Kläger ist Inhaber einer Kfz-Reparaturwerkstatt und macht aus abgetretenem Recht weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall gegen die beklagte Gebietskörperschaft geltend und beruft sich hierfür auf Amtshaftung. Randnummer 2 Am 19. Juni 2009 gegen 10.26 Uhr kam es zu einer Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten, weil im Bereich der Bundesstraße 6 n in der Ortslage von F ein Brand zu bekämpfen gewesen sein soll. Randnummer 3 Ein Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr setzte sich nach seiner Alarmierung mit dem Fahrrad in Richtung des Feuerwehrgerätehauses in Bewegung. Auf der Fahrt zum Feuerwehrgerätehaus befuhr der Feuerwehrmann in der Ortslage H u.a. die N Straße. Der Geschädigte befuhr mit seinem Pkw die W in Richtung Q. Um weiter zum Feuerwehrgerätehaus zu gelangen, hätte der Feuerwehrmann die N Straße an deren Einmündung in die vorfahrtsberechtigte W verlassen müssen, um nach Überquerung der W auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Fahrt fortzusetzen. Als der Feuerwehrmann aber mit dem Fahrrad in die W einbog, übersah er das herannahende Fahrzeug des Geschädigten und stieß mit diesem zusammen. Hierbei wurde das Fahrzeug des Geschädigten beschädigt. Randnummer 4 Der Kommunale Schadensausgleich, bei dem die Beklagte versichert ist, geht von einem Mitverschulden des Geschädigten in Höhe von 50 Prozent aus. Unter Zugrundelegung dieser Haftungsquote zahlte er auf das Sachverständigengutachten 253,71 Euro, auf die Reparaturrechnung 2.601,78 Euro, auf die Abschleppkosten 104,42 sowie auf die Mietwagenkosten des Geschädigten 335,20 Euro. Randnummer 5 Mit Vereinbarung vom 16. November 2009 trat der Geschädigte seine Ansprüche zur gerichtlichen Geltendmachung an den Kläger ab. Randnummer 6 Der Kläger vertritt die Ansicht, dass sich der Geschädigte ein Mitverschulden nicht entgegenhalten lassen müsse. Er verlangt deshalb weiteren Schadensersatz, den er insgesamt wie folgt berechnet: Randnummer 7 Die Reparaturkosten belaufen sich auf 5.203,57 Euro, die Abschleppkosten auf 208,85 Euro. Die Kosten für das Gutachten belaufen sich auf 507,42 Euro. Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs sind Kosten in Höhe von 1.472,20 Euro angefallen. Zuzüglich einer Kostenpauschale von 20 Euro und außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 680,30 Euro errechnet der Kläger einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.092,34 Euro. Randnummer 8 Unter Abzug bereits gezahlter Beträge beantragt er, Randnummer 9 die Beklagte zu verurteilen, Randnummer 10 1. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 4.797,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 11. September 2009 zu zahlen, und Randnummer 11 2. an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf 8.092,34 Euro vom 11. September 2009 bis einschließlich 17. November 2009 in Höhe von 77,19 Euro zu zahlen, und Randnummer 12 3. Nebenforderungen in Höhe von 680,30 Euro zu zahlen. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden des Geschädigten in Höhe von 50 Prozent entgegenhalten lassen. Eine alleinige Haftung des Beklagten wäre nur gegeben, wenn das Unfallereignis einen Fall höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG darstellen würde. Der Feuerwehrmann der Beklagten sei berechtigt gewesen, Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch zu nehmen. Überdies seien Mietwagenkosten nur in Höhe von 670,40 Euro erstattungsfähig. Randnummer 16 Am 27. Juli 2010 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Zu deren Inhalt und zu Einzelheiten des Parteivortrages wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 99 f. d.A.) sowie ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen und verwiesen.
1. Unter Klagabweisung im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.176,77 Euro, 546,69 Euro und weitere 60,74 Euro, d.h. insgesamt 2.784,20 Euro, zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien jeweils zur Hälfte. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. und beschlossen : Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.500,00 Euro
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LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer
Berlin
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01.02.2010
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Randnummer 1 Die Parteien sind beide bei der Agentur für A. am Sitz H. .., 1…. Berlin beschäftigt und streiten um Schadenersatz für Lackschäden und einen Glasschaden am PKW der Klägerin. Randnummer 2 Die Klägerin ist Halterin eines PKW Mazda II Comfort mit dem amtlichen Kennzeichen PM-LL … (Erstzulassung 20. Juli 2005). Am Dienstag, dem 17. Februar 2009 parkte die Klägerin gegen 6:30 Uhr ihren PKW auf dem zum Dienstgebäude ihrer Arbeitgeberin gehörenden Parkplatz. Der Beklagte war zu diesem Zeitpunkt mit der Schneeräumung unter Zuhilfenahme eines motorisierten Einachsschleppers vom Typ Agria 3400 (Bl. 31 d.A.) auf diesem Parkplatz befasst und hatte bereits einige Stellplätze geräumt. Die Klägerin parkte ihr Fahrzeug auf einem noch nicht geräumten Stellplatz. Trotz Aufforderung durch den Beklagten nutzte die Klägerin keinen geräumten Stellplatz. Das Fahrzeug der Klägerin war zu einem späteren Zeitpunkt am 17. Februar 2009 zumindest teilweise schneebedeckt (Bl. 6-7 d.A.). Zwischen dem 17. Februar 2009 und dem 27. Februar 2009 hat die Klägerin ihren PKW weiter im Fahrbetrieb genutzt, aber nicht gewaschen. Randnummer 3 Am Freitag, dem 27. Februar 2009 stellte die TÜ-Service Ingenieur- und Beratungsgesellschaft mbH Lackbeschädigungen an der linken Fahrzeugseite fest, die nach Form und Größe durch Splitt im Schnee beim Schneefräsen verursacht sein könnten. Auch in der Frontscheibe gebe es Einschläge, die von unten links nach oben rechts erfolgt seien und deshalb nicht beim Fahrbetrieb entstanden sein könnten, weil sie dann direkt von vorn eingeschlagen wären. Bei durchschnittlichen Verrechnungspreisen entstünden Reparaturkosten einschließlich Lackierung von 2.291,-- EUR netto bzw. 2.726,29 EUR brutto. Randnummer 4 Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Erstattung dieser Kosten, dazu geht sie von einer Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 150,-- EUR aus, die sie ebenso vom Beklagten verlangt wie die Gutachterkosten in Höhe von 427,98 EUR, einen Nutzungsausfall für 2 Tage im Umfang von 58,-- EUR und eine Aufwandspauschale für die Klägerin von 20,-- EUR. Randnummer 5 Die Klägerin behauptet, dass der Kläger vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig den Schnee mit der von ihm genutzten Kehrmaschine gezielt in Richtung des PKW der Klägerin gekehrt habe. Das hätten die Zeuginnen E. Sch. und P. L. vom Fenster des Dienstgebäudes aus gesehen. Das Fahrzeug sei regelrecht zugeschippt gewesen. Aufgrund des maschinell aufgewirbelten und in Richtung des Fahrzeugs der Klägerin gekehrten Schnees mit den darin befindlichen Splittsteinen sei es zu den Beschädigungen gekommen. Randnummer 6 Der Kläger hat die Beschädigung des Fahrzeugs im Rahmen der Schneeräumung bestritten. Die Kehrmaschine entwickle keineswegs eine große Wucht bei der Schneeräumung. Der Schnee werde mit dieser Maschine so beiseite geschoben, dass es nicht zu einer Beschädigung von Fahrzeugen kommen könne. Er habe handelsüblichen Streusand verwendet, bei der die einzelnen Körner nur eine Länge von 2-4 mm hätten. Dass die Lackbeschädigungen dazu passen würden, habe der Gutachter nicht festgestellt, weil ihm Form und Größe gar nicht bekannt gewesen seien. Da Schneeräumung an Straßen üblich sei und dabei auch Splitt aufgewirbelt würde, sei es für den Kläger ggf. auch nicht vorhersehbar gewesen, einen Schaden zu verursachen. Hilfsweise hat sich der Beklagte auf ein Mitverschulden der Klägerin durch die uneinsichtige Haltung bei der Auswahl des Stellplatzes berufen. Randnummer 7 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. November 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin schon nicht nachgewiesen habe, dass die Lackschäden an ihrem PKW durch den Beklagten bei der Schneebeseitigung am 17. Februar 2009 entstanden seien. Das Gutachten habe nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagte mit der Kehrmaschine Steine, Streugut bzw. Splitt gegen den PKW der Klägerin geschleudert habe. Die Klägerin habe aber auch kein rechtswidriges Handeln des Beklagten am 17. Februar 2009 dargelegt. Denn es sei die Aufgabe des Beklagten gewesen, den Parkplatz vom Schnee zu räumen. Die Klägerin habe ihn dabei absichtlich unangemessen beeinträchtigt. Selbst wenn der Beklagte aber den Schaden schuldhaft verursacht hätte, treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden. Randnummer 8 Gegen dieses dem Klägerinvertreter am 8. Dezember 2009 zugestellte Urteil legte dieser am 11. Dezember 2009 Berufung ein und begründete diese sogleich. Randnummer 9 Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass durch das erstinstanzlich vorgelegte Gutachten der Schadenumfang, sowie die Kausalität zwischen Schadenhergang und Schadenerfolg nachgewiesen worden sei. Das Arbeitsgericht habe auch den Vortrag der Klägerin nicht hinreichend beachtet, dass durch Zeugenbeweis belegt werde, dass der Beklagte das Fahrzeug der Klägerin gezielt zugekehrt habe. In der Lichtbilddokumentation als Anlage zur Klageschrift, die im Termin vor dem Berufungsgericht als Farbfotos übergeben wurden, seien sowohl der Schnee als auch Splittsteinchen etc. in dem am Auto aufgeworfenen Schnee sowie am Auto selbst ersichtlich. Im Zusammenhang mit den angebotenen Zeugenaussagen sei der Beweis der Kausalität angetreten. Sie habe sich noch am 17. Februar 2009 mit einem Rechtsanwalt und dem Gutachter in Verbindung gesetzt, aber erst am 27. Februar 2009 den Termin zur Begutachtung erhalten. Randnummer 10 Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt, Randnummer 11 unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 2009, Az.: 58 Ca 17291/09 den Beklagten zu verurteilen, Randnummer 12 1. an die Klägerin 2.888,98 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20. März 2009 zu zahlen; Randnummer 13 2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den aus dem Steinschlag am Fahrzeug der Klägerin, dem PKW Mazda II Comfort, mit dem amtlichen Kennzeichen PM-LL …., resultierenden, weitergehenden Schaden in Form von Mehrwertsteuer und Nutzungsausfall bei Reparaturnachweis mit Umsatzsteuer ausgewiesener Rechnung zu ersetzen. Randnummer 14 Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er bleibt bei seinem erstinstanzlichen Bestreiten. Erstaunlich sei, dass die Klägerin ihr Fahrzeug zwar auf dem Parkplatz sofort fotografiert, den Gutachter aber erst 10 Tage später aufgesucht habe. Der Beklagte bestreitet die Aussage des Gutachters zum Einschlagwinkel und das Nichtvorhandensein von Vorschäden. Im Übrigen bestreite der Beklagte die Schadenhöhe, da eine Spot-Repair-Methode deutlich kostengünstiger sei. Dass die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen beobachtet hätten, werde bestritten. Randnummer 17 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 27. Oktober 2009, den Schriftsatz der Beklagten vom 23. November 2009 sowie auf die Berufungsbeantwortung des Klägers vom 18. Dezember 2009 und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. November 2009 - 58 Ca 17291/09 - wird zurückgewiesen. II. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin. III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.388,98 EUR festgesetzt. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 6. Senat
Hessen
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09.05.2007
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Bescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 17. Juli 2003, mit denen der Klägerin als Betreiberin einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung in Höhe von 14.600,00 € auferlegt wurde. Randnummer 2 Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 20. Dezember 2001 war der xxx GmbH & Co. KG die Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Lagerung und Behandlung von besonders und nicht besonders überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung auf dem Grundstück X-straße 12 in  Darmstadt nach §§ 4, 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes– BImSchG – erteilt worden. Der Genehmigungsbescheid war mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen versehen, u.a. war der Betreiberin unter Nr. 1.8 im Abschnitt III des Genehmigungsbescheids aufgegeben worden, spätestens sechs Monate nach Bestandskraft dieses Bescheids eine unbefristete Sicherheit zu leisten. Die Höhe der Sicherheitsleistung blieb einem gesonderten Bescheid vorbehalten. Randnummer 3 Im März 2002 wurde dem Regierungspräsidium Darmstadt angezeigt, dass die Klägerin neue Betreiberin der vorbezeichneten Anlage sei. Daraufhin hörte das Regierungspräsidium Darmstadt die Klägerin zur Höhe der noch ausstehenden Sicherheitsleistung an und erließ sodann unter dem Datum des 5. August 2002 eine Anordnung des Inhalts, dass die Betreiberin unbefristete Sicherheit in Höhe von 14.000,00 € zu leisten habe. Randnummer 4 Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid – ihr zugestellt am 9. August 2002 – mit Telefax vom 9. September 2002 Widerspruch ein. Zur Begründung stützte sie sich im Schreiben vom 20. Oktober 2002 darauf, dass die mit der Anordnung vom 5. August 2002 geänderte Nebenbestimmung Nr. 1.8 des Genehmigungsbescheids vom 20. Dezember 2001 nichtig sei, da sie tatsächlich Unmögliches verlange. Die Nebenbestimmung laute nämlich nunmehr dahingehend, dass sie innerhalb von sechs Monaten nach Bestandskraft des Genehmigungsbescheids vom 20. Dezember 2001 die Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,00 € zu erbringen habe. Da diese Frist im Zeitpunkt der Anordnung vom 5. August 2002 bereits abgelaufen gewesen sei, sei es ihr unmöglich, die auferlegte Verpflichtung zu erfüllen. Unabhängig davon sei die Anordnung der Sicherheitsleistung dem Grunde nach in der Genehmigung vom 20. Dezember 2001 rechtswidrig gewesen, weil eine Sicherheitsleistung ermessensfehlerfrei nur dann angeordnet werden könne, wenn die anordnende Behörde konkrete Vorstellungen zur Höhe der Sicherheitsleistung habe. Die Auferlegung der Sicherheitsleistung dem Grunde nach sei auch ermessensfehlerhaft. Die Sicherheitsleistung solle bei unseriösen Betreibern bzw. im Falle der Nichtvorhersehbarkeit einer Verwertungsabsicht oder eines hinreichenden Verwertungskonzepts für die gelagerten Abfälle dazu dienen, die Kosten der Ersatzvornahme im Insolvenzfall zu decken. Bei ihr – der Klägerin – handele es sich weder um eine unseriöse Betreiberin noch beständen Zweifel an der Verwertungsabsicht oder dem Verwertungskonzept. Sie sei seit den 70er Jahren in der Abfallentsorgung tätig und übernehme als Entsorgungsfachbetrieb die Abfallentsorgung als Beauftragte nach § 16 KrW-/AbfG für zahlreiche Kommunen im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinausgehend. Die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb sei erst vor wenigen Wochen erneuert worden; die Verwertungsabsicht und das Verwertungskonzept seien dabei überprüft worden und würden ständig überwacht. Voraussetzung für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Auferlegung einer Sicherheitsleistung sei in jedem Fall, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betreibers beurteilt werde und eine Insolvenzgefahr gegeben sei. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung auf Verdacht – wie im vorliegenden Fall erfolgt – sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Unabhängig davon verfüge sie – die Klägerin – über eine gesicherte Liquidität, sei gegen Betriebsrisiken ausreichend versichert und geriete auch bei Stilllegung des Abfalllagers in Darmstadt auf Grund der Verpflichtungen aus § 5 Abs. 3 BImSchG nicht in Zahlungsschwierigkeiten. Schließlich lasse sich die Höhe der Abfallentsorgungskosten, die durch die Sicherheitsleistung abgedeckt werden sollten, nicht nachvollziehen. Randnummer 5 Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2003 wies das Regierungspräsidium Darmstadt den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. August 2002 zurück und setzte die zu erbringende Sicherheitsleistung auf 14.600,00 € fest. Dabei stützte es sich bzgl. der Höhe auf die mit Erlass vom 26. September 2002 landesweit neu eingeführten Vorgaben des Hessischen Umweltministeriums „Arbeitshilfe Nr. 3 – Sicherheitsleistung“; wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen (Bl. 180 – 188 des Verwaltungsvorgangs). Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 23. Juli 2003 zugestellt. Randnummer 6 Am 25. August 2003 – einem Montag – hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung auf den im Verwaltungsverfahren gewechselten Schriftverkehr Bezug genommen. Vertiefend und ergänzend hat sie vorgetragen, die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid – S. 4 – machten deutlich, dass er hinsichtlich der Frage, ob eine Sicherheitsleistung anzuordnen sei, von einer gebundenen Entscheidung ausgehe, so dass eine Ermessensausübung unterblieben sei. Maßgebliches Leistungskriterium für das „ob“ der Anordnung einer Sicherheitsleistung sei die finanzielle Leistungsfähigkeit, also die Insolvenzgefahr des Betreibers; allein das Ziel eines verminderten Überwachungsaufwandes rechtfertige die Anordnung hingegen nicht. Der Beklagte könne sich zur Begründung einer unterbliebenen Ermessensausübung auch nicht auf irgendwelche Verwaltungsvorschriften beziehen; dies führe zur Widersprüchlichkeit zwischen Verwaltungshandeln und gesetzlicher Zweckbestimmung. Die Vorgaben der „Arbeitshilfe Nr. 3 – Sicherheitsleistung“ machten deutlich, dass die Behörde bei Befolgung derselbigen ein eigenes Ermessen nicht mehr ausübe. Darüber hinaus verstießen die Vorgaben des Vollzugshandbuchs der Abfallwirtschaft gegen die Vorschriften des § 12 Abs. 1, des § 17 Abs. 4a und des § 5 Abs. 3 BImSchG. Soweit die Arbeitshilfe die für die Ermessensentscheidung relevanten Belange vorgebe, seien diese von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Auch soweit die Arbeitshilfe vorgebe, dass weitere Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen werden könnten, sofern sie sich aus der konkreten Anlagensituation oder aus der Situation des Betreibers ergäben, habe die Behörde dies ebenfalls unterlassen. Die Anordnung der Sicherheitsleistung verletze auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie im Hinblick auf die Klägerin als zertifizierter Fachentsorgungsbetrieb weder geeignet noch erforderlich sei. Sie stehe auch nicht in Einklang mit der Intention des Gesetzgebers, die Annahme von Abfällen ohne betriebswirtschaftlich abgesichertes Verwertungskonzept zu unterbinden. Ermessenfehlerhaft sei auch die Wertung des Beklagten, der von einer immer vorliegenden Insolvenzgefahr ausgehe, soweit es sich nicht um eine Anlage einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unmittelbar oder eines Eigenbetriebs handele. Rein vorsorglich hat die Klägerin ausgeführt, dass nach ihrer eigenen Berechnung für den Fall der Stilllegung der Anlage Entsorgungskosten lediglich in Höhe von 1.892,00 € anfielen; im Zweifel möge ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 9. August 2002 (richtig: 5. August 2002) nichtig ist, und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben, Randnummer 8 hilfsweise den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 9 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Er hält den streitgegenständlichen Bescheid vom 5. August 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2003 weder für nichtig noch für rechtswidrig. Die Anordnung vom 5. August 2002 bestimme, dass die Sicherheitsleistung sechs Monate nach Bestandskraft dieser Änderungsanordnung erbracht worden sein müsse und verlange damit nichts tatsächlich Unmögliches. Die Anordnung sei auch nicht wegen Ermessensnichtgebrauchs nach § 114 Abs. 1 VwGO rechtswidrig; die Behörde habe das ihr nach § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG zustehende Ermessen sowohl in der Anordnung vom 5. August 2002 als auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens umfassend – und fehlerfrei – ausgeübt. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung sei erforderlich, da gerade bei Abfallentsorgungsanlagen der von der Klägerin betriebenen Art nicht ausgeschlossen werden könne, dass es auch bei Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren komme. Dabei sei es nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Erlasses einer entsprechenden Forderung Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit eines Betreibers beständen. Das vorsorgliche Verlangen einer Sicherheitsleistung sei ermessensfehlerfrei, denn auch bei einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen könne kurzfristig eine Verschlechterung der finanziellen Situation eintreten. Umstände, die für ein Absehen von einer Sicherheitsleistung sprechen könnten, lägen nicht vor. Die Klägerin betreibe ihren Betrieb in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Diese Rechtsform werde regelmäßig gewählt, um die Haftung auf das Vermögen der als Komplementärin voll haftenden GmbH zu beschränken. Die Gefahr, im Falle einer Insolvenz wegen der Haftungsbeschränkung die Kosten für die Nachsorgeerfordernisse nicht realisieren zu können, sei besonders hoch. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass neben der GmbH auch Herr XXX als weiterer Komplementär voll hafte, da auch dessen Liquidität nicht garantiert sei. Die streitgegenständliche Anordnung sei auch verhältnismäßig. Die Höhe der Sicherheitsleistung sei unter Zugrundelegung von Kostenansätzen ermittelt worden, die sich auf Grund jahrelanger Erfahrung ergeben hätten und deshalb auch vom Hessischen Umweltministerium in der „Arbeitshilfe Nr. 3 - Sicherheitsleistung“ dokumentiert und den nachgeordneten Behörden zur Beachtung und Anwendung vorgegeben worden seien. Die Klägerin trage zwar andere Kostenansätze vor und behaupte, diese seien ortsüblich und angemessen, sie habe ihre Behauptungen aber nicht belegt. Randnummer 11 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit am 30. September 2005 verkündetem Urteil abgewiesen. Dabei ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass sowohl die im Hauptantrag erhobene Nichtigkeitsfeststellungsklage als auch die im Hilfsantrag erhobene Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet seien. Im Rahmen des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabes des § 114 VwGO beständen an den sich aus dem Widerspruchsbescheid ergebenden Ermessenserwägungen in Bezug auf die Frage des „ob“ sowie der Höhe der Sicherheitsleistung keine Bedenken. Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19. Dezember 2005 zugestellt worden. Randnummer 12 Am 2. Januar 2006 hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 20. März 2006 begründet. Dabei weist sie zunächst auf einen Betreiberwechsel zum 1. Januar 2006 hin. Neuer Betreiber sei die XXX GmbH mit Sitz in Darmstadt; das Stammkapital betrage 25.000,00 €; Gesellschafter seien die Klägerin und die Wissenschaftsstadt Darmstadt – Eigenbetrieb Abfallwirtschaft und Stadtreinigung der Stadt Darmstadt (EAD) – zu gleichen Teilen; Geschäftsführer seien Herr XXX und Herr YYY. Die Klägerin stützt sich zur Begründung der Berufung darauf, dass die Festsetzung der Sicherheitsleistung in Höhe von 14.600,00 € durch Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 17. Juli 2003 – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – gem. § 44 Abs. 2 Nr. 4 HVwVfG nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei. Dabei bezieht sie sich auf ihren Vortrag im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren und vertieft insbesondere ihre Ausführungen zur fehlenden bzw. fehlerhaften Ermessensausübung durch die Behörde. Randnummer 13 Die Klägerin hat die Berufung hinsichtlich des in erster Instanz gestellten Hauptantrags im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen. Randnummer 14 Sie beantragt nunmehr, das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 5. August 2002 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Er hält daran fest, dass die angegriffenen Bescheide weder nichtig noch rechtswidrig seien und weist darauf hin, dass zwischenzeitlich auch das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main im Urteil vom 31. Mai 2006 (2 E 2225/04) die durch Verwaltungsvorschriften gelenkte rechtmäßige Ermessensausübung bei der Festsetzung der Sicherheitsleistung bestätigt habe. Wegen der ergänzenden Erklärungen des Vertreters des Beklagten zur Ermessensausübung wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 9. Mai 2007 (Bl. 337ff. der Gerichtsakten) verwiesen. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und des Verwaltungsvorgangs (1 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 30. September 2005 abgeändert. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Darmstadt – Abteilung Staatliches Umweltamt Darmstadt – vom 5. August 2002 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 17. Juli 2003 werden aufgehoben. Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 18. Berufungskammer
Hessen
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28.03.2022
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Der Kläger wendet sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung und verlangt seine Weiterbeschäftigung. Hilfsweise begehrt er eine höhere Sozialplanabfindung, weiter hilfsweise Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 AGG. Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Limited) mit Sitz in Irland und gehört dem A-Konzern an. Sie unterhielt als ausländische Gesellschaft in Frankfurt am Main eine selbstständige Zweigniederlassung ohne eigene Rechtsfähigkeit. Für die Zweigniederlassung war ein Betriebsrat gebildet. Der Niederlassung wurden 45 Arbeitnehmer zugerechnet, die nicht alle vom Betrieb Frankfurt aus, sondern teilweise im Außendienst oder im Homeoffice arbeiteten. Nach der dem Betriebsrat anlässlich der Kündigung aller Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der Zweigniederlassung Frankfurt übergebenen Mitarbeiterliste (Anlage K4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020, Bl. 82 d.A.) betraf dies 27 von 45 Personen. Die Parteien sind im ersten Rechtszug – rechtlich fehlerhaft – davon ausgegangen, dass die Niederlassung in Frankfurt („Office Frankfurt“) eine eigene Rechtspersönlichkeit besaß. Die Beklagte unterhielt 13 weitere selbständige Zweigniederlassungen außerhalb der Republik Irland in Europa, so z.B. in Wien (Österreich), Vilnius (Litauen) und Warschau (Polen). Die Niederlassungen in Wien, Vilnius und Warschaus bestehen neben anderen Niederlassungen fort. Zumindest die Zweigniederlassung Wien („Office Austria“) besitzt ebenfalls keine eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. Auszug aus dem Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ..., Anlage 12 zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. August 2021, Bl. 364-366 d.A.). Die Beklagte setzt ihre Arbeitnehmer innerhalb einer Matrixorganisation ein. Dabei arbeiten auch Arbeitnehmer verschiedener selbständiger Zweigniederlassungen in unterschiedlichen Staaten außerhalb Irlands zusammen. Aufgabe des Office Frankfurt war neben dem Vertrieb des Finanztransfergeschäfts, also der Zusammenarbeit mit Netzwerkagenturen und Agents, das Erbringen vertriebsnaher Dienstleistungen in den Bereichen Compliance, Regulatorik und Marketing. Der am xx.xx.1966 geborene, ledige Kläger, der aus Costa Rica stammt, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und keine Unterhaltspflichten hat, arbeitete seit 1. März 2002 für eine Gesellschaft des A-Konzerns in Costa Rica, ab 2009 war er für eine Konzerngesellschaft in Panama tätig. Mit Datum vom 28. Januar 2010 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Anstellungsvertrag, wonach er seit 1. November 2009 für diese als Senior Regional Operations Manager arbeitete. Als Arbeitsort war Frankfurt bestimmt (Ziff. 3.1 des Vertrages), die Parteien vereinbarten die Geltung deutschen Rechts (Ziff. 17.1 des Vertrages). Zur vollständigen Wiedergabe des Inhalts des Anstellungsvertrags wird auf die Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 12-26 d.A.). Der Kläger hat am 24. September 2009 in Panama City außerdem noch einen Anstellungsvertrag mit der B über eine Tätigkeit als Senior Regional Operations Manager ab 15. Oktober 2009 geschlossen. Die B hat dieses Arbeitsverhältnis vorsorglich am 29. Oktober 2020 zum 30. April 2021 gekündigt, nachdem der Kläger gegen die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2020 Klage erhoben hatte. Der Rechtsstreit des Klägers mit der B ist ebenfalls in der Kammer anhängig (Az. 18 Sa 78/22). Es ist unstreitig, dass der Kläger erst ab dem 1. November 2009 von Frankfurt aus gearbeitet hat. In dem Verfahren des Klägers gegen die B (Az. 18 Sa 78/22) ist streitig, ob das Arbeitsverhältnis mit dieser in Vollzug gesetzt wurde. Das Office Frankfurt der Beklagten und die B waren schon vor der Schließung des Office Frankfurt unter derselben Adresse in Frankfurt tätig; der Betriebsrat vertrat nur die Beschäftigten der Zweigniederlassung Frankfurt der Beklagten. Der Kläger erzielte 2019 ein Jahreseinkommen von 114.515,45 € brutto, was 9.542,95 € brutto monatlich entspricht. Er arbeitete von Frankfurt aus im Bereich administrativer Unterstützungsleistungen, nicht im Vertrieb. Wegen der Schließung der Zweigniederlassung in Frankfurt am Main zum 31. Mai 2020 vereinbarte die Beklagte mit dem in der Niederlassung gebildeten Betriebsrat am 18. Februar 2020 einen Interessenausgleich (folgend: IA), einen Sozialplan (folgend: SP) und eine Freiwillige Betriebsvereinbarung (Anlagen 1 bis 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020, Bl. 67-69, 70-73 und 75 f. d.A.). Mit Schreiben vom 30. Januar 2020, korrigiert durch weitere Schreiben vom 7. Februar 2020 und 18. Februar 2020, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die geplanten Entlassungen gemäß § 17 Abs. 2 KSchG. Zum Inhalt der Unterrichtungsschreiben wird auf die Anlagen 5, 6 und 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020 verwiesen (Bl. 83-97, 130, 132 d.A.). Eine Beratung über die beabsichtigte Massenentlassung fand anlässlich der Verhandlung über den Interessenausgleich am 18. Februar 2020 statt. In § 5 Abs. 2 IA ist geregelt, dass der Interessenausgleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG ersetzt. Am 25. Februar 2020 reichte die Beklagte eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit Frankfurt/Main ein. Zur Wiedergabe des Inhalts der Massenentlassungsanzeige wird auf die Anlage 8 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020 Bezug genommen (Bl. 98-131 d.A.). Die Agentur für Arbeit Frankfurt/Main bestätigte am 27. Februar 2020 den Eingang der Massenentlassungsanzeige am 25. Februar 2020 (Anlage 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020, Bl. 133 f. d.A.). Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 18. Februar 2020 zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Zur Wiedergabe des Inhalts der Betriebsratsanhörung einschließlich der dem Betriebsrat überlassenen Mitarbeiterliste wird auf die Anlage 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18. August 2020 Bezug genommen (Bl. 77-81, 82 d.A.). Der Betriebsrat bestätigte auf dem Anhörungsschreiben, dieses am selben Tag erhalten zu haben. Er nahm nicht Stellung. Die Beklagte kündigte das zum Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen am 26. Februar 2020 zum 31. August 2020 (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 28 f. d.A.). Ebenso kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse der in der Massenentlassungsanzeige angeführten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass die früheren Mitarbeiter der Beklagten im Office Frankfurt, Herr C und Herr D, die dem Vertrieb zuzurechnen waren, seit 1. Juni 2020 für das Office Austria tätig sind. Der eingereichte Arbeitsvertrag von Herr C mit der Beklagten nebst Anlage zum Homeoffice in Augsburg für die Dauer der Pandemie, abgeschlossen für den „Branch Austria“ bzw. die „Zweigniederlassung Wien“, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, datiert vom 13. März 2020 (vgl. Anlage 13 zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. Dezember 2021, Bl. 435-453, 454 d.A.). Ebenfalls ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass die Niederlassungsleiterin des Office Frankfurt gemäß § 13e HGB, Frau E, weiter gegenüber den Arbeitnehmern C und D fachlich weisungsgefugt ist, Frau E ist außerdem seit 1. Juni 2020 Geschäftsführerin der B. Der Kläger erhob am 16. März 2020 Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main und begehrte seine Weiterbeschäftigung als Senior Operations Manager. Hilfsweise verlangte er die Feststellung, dass der Sozialplan vom 18. Februar 2020 ihn benachteilige und verlangte eine Sozialplanabfindung i.H.v. 222.721,51 €. Die Klage wurde der Beklagten am 4. April 2020 zugestellt. Der Kläger hat geltend gemacht, die ihm erklärte Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Es habe keine unternehmerische Entscheidung gegeben, wodurch der Beschäftigungsbedarf aller in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer voraussichtlich zum 31. Mai 2020 entfallen sei. Falls eine solche unternehmerische Entscheidung tatsächlich getroffen worden sei, sei hilfsweise erheblich, dass diese als rechtsmissbräuchlich bewertet werden müsse, denn wirtschaftliche oder sachliche Erwägungen seien nicht erkennbar. Der Kläger hat dazu behauptet, dass die von der Beklagten angegebene unternehmerische Entscheidung nicht umgesetzt worden sei. Frühere Angestellte seien nunmehr formell bei dem Office Austria beschäftigt, im Rahmen von mobilem Arbeiten wären sie aber weiterhin von Deutschland aus tätig. Diesen Mitarbeitern seien Anschlussverträge mit dem Office Austria angeboten worden. Sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, sondern nur verlagert worden. Dies sei durch die für die Niederlassung Wien ausgeschriebene Stelle eines „Regional Operations Manager“ ersichtlich, deren Tätigkeitsbeschreibung der bisher von ihm ausgefüllten Stelle entspreche (vgl. Anlage K17 zum Schriftsatz des Klägers vom 12. November 2020, Bl. 170 f. d.A). Der Kläger hat in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, zumindest im Wege der Änderungskündigung, in einem im Ausland gelegenen Betrieb anzubieten. Dazu hat er die Ansicht vertreten, er habe zunächst auch von Frankfurt aus mobil arbeiten können. Der Kläger hat außerdem gerügt, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört wurde. Diesem hätten zusätzliche Informationen vorgelegt werden müssen. Die Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG sei nicht ordnungsgemäß erstattet worden. Hilfsweise für den Fall, dass seine Kündigungsschutzklage abgewiesen wird, hat der Kläger geltend gemacht, dass er Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung habe, als die Beklagte ihm zugestehen wolle. Hierfür hat er geltend gemacht, dass seine Zugehörigkeit zu dem A Konzern seit dem 1. März 2002 maßgeblich für die Berechnung seiner Betriebszugehörigkeit nach § 2 Abs. 2 (a) SP sei. Dies folge insbesondere aus der Regelung in Ziff. 1.4 des Arbeitsvertrags (Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 12-26 d.A.), der Angabe zu seinem Arbeitsverhältnis in der Mitarbeiterliste zur Massenentlassungsanzeige (Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 28. August 2020, Bl. 89 d.A.) und der Anerkennung seiner 15-jährigen Konzernzugehörigkeit im März 2017 (vgl. Anlage K8 zum Schriftsatz des Klägers vom 12. November 2020, Bl. 172 d.A.). Ergänzend hat er dazu die Auffassung vertreten, dass die Höchstbegrenzungsklausel gemäß § 2 Abs. 2 (d) SP, welche die Grundabfindung auf zwölf Bruttomonatsentgelte begrenzt, Arbeitnehmer mittelbar wegen ihres Alters benachteilige. Die Beklagte müsse ihm daher eine Sozialplanabfindung i.H.v. 222.721,51 € brutto zahlen, wenn die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2020 beendet habe. Weiter hilfsweise, für den Fall, das die Kappungsklausel nach § 2 Abs. 2 (d) SP nicht als unwirksam beurteilt werde, hat der Kläger die Auffassung vertreten, ihm stehe neben einer Sozialplanabfindung i.H.v. 115.039,34 € brutto ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG zu. Er hat dazu angeführt, er werde durch die Bestimmung gemäß § 2 Abs. 2 (d) SP auch persönlich mittelbar wegen seines Alters und seiner Herkunft diskriminiert. Dazu hat der Kläger behauptet, die Niederlassungsleiterin Frau E habe anlässlich der Sozialplanverhandlungen erklärt, die Höchstbegrenzungsklausel träfe nur wenige Mitarbeiter, darunter ihn, er habe keine Kinder, für ihn seien zwölf Bruttomonatsgehälter genug. Der Kläger hat zuletzt beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2020 nicht aufgelöst worden ist; 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde, zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Senior Operation[s] Manager zu einem monatlichen Bruttogehalt von 9.586,61 € brutto bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen; hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2.: 3. festzustellen, dass die Höchstbegrenzungsklausel in § 2 Abs. 2 (d) des zwischen den Parteien und dem bei der Beklagten errichteten Betriebsrat geschlossenen Sozialplan[s] vom 18. Februar 2020 den Kläger unrechtmäßig benachteiligt und damit unwirksam ist; 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Sozialplanabfindung i.H.v. 222.721,51 € brutto zu zahlen; hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3. und/oder zu 4.: 5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Sozialplanabfindung i.H.v. 115.039,34 € brutto sowie einen Schadensersatz nach dem AGG [ Schreibfehler des Protokolls korrigiert ] i.H.v. 107.682,17 € brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage zurückzuweisen. Die Beklagte hat behauptet, die Konzernmutter der A-Gruppe habe entschieden, digitale Kundentransaktionen auszubauen, Tätigkeiten zu zentralisieren und insgesamt 47 Standorte in verschiedenen Regionen weltweit zu schließen. Dies habe auch die Niederlassung in Deutschland betroffen. Die Beklagte habe in Umsetzung der Vorgabe der Konzernmutter im Juli 2019 entschieden, den Betrieb in Deutschland mit Wirkung zum 31. Mai 2020 völlig einzustellen. Die Vertriebsaufgaben, d.h. die Betreuung der lokalen Agenten und die Kommunikation mit den Netzwerkagenturen, sollten zukünftig im Wesentlichen online erbracht werden. Die Pflege bestehender Agenten werde bedarfsgerecht von Vertriebsmitarbeitern der Standorte in Litauen, Österreich, der Schweiz, Belgien, den Niederlanden oder in Polen erfolgen. Netzwerkagenturen (Reisebank, Deutsche Bank) würden von den in Polen und Österreich ansässigen Account Managern betreut. Die Neuakquisition von Agenten werde durch Mitarbeiter anderer Länder erfolgen, insbesondere aus Österreich. Die danach noch notwendige administrative Unterstützung werde von Mitarbeitern anderer Länder übernommen, u.a. von der Niederlassung in Wien und dem Standort in Vilnius. Die OperationsAktivitäten nehme ein länderübergreifendes Team war, welches flexibel nach Bedarf eingesetzt werde. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Aufgaben des Klägers würden daher zum 31. Mai 2020 entfallen bzw. nur in geringem Umfang noch von Mitarbeitern im Ausland erbracht werden. Die Beklagte hat geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei nicht möglich gewesen, da sie ihren einzigen Betrieb in Deutschland vollständig stillgelegt habe. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger die Stelle des „Regional Operations Manager“ in Wien anzubieten oder eine Änderungskündigung zu erklären. Eine Weiterbeschäftigungspflicht im Unternehmen erstrecke sich nicht auf eine Stelle im Ausland, da das KSchG nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung finde. Darüber hinaus hat die Beklagte behauptet, die Stelle des Klägers sei mit der Stelle in Wien nicht vergleichbar. Der dortige „Regional Operations Manager“ sei für Zentraleuropa zuständig und sechs Mitarbeitern vorgesetzt. Die Stelle sei höher vergütet, in der Stellenanzeige sei – nach österreichischem Recht – nur das Bruttomindestgehalt anzugeben. Wegen der Betriebsschließung sei keine Sozialauswahl erforderlich gewesen. Die Massenentlassungsanzeige sei – wie dem Inhalt nach unstreitig dargelegt – ordnungsgemäß erfolgt, ebenso die Anhörung des Betriebsrats. In Bezug auf die hilfsweise gestellten Anträge des Klägers hat die Beklagte die Ansicht vertreten, das Eintrittsdatum 1. März 2002 sei für die Betriebszugehörigkeit nach dem SP nicht erheblich, der nicht auf eine Konzernzugehörigkeit abstelle. Die Höchstbegrenzungsklausel sei wirksam, sie verhindere zulässig Ansprüche überproportional hoher Abfindungen wegen langjähriger Betriebszugehörigkeit zu Lasten aller betroffenen Arbeitnehmer bei begrenztem Sozialplanvolumen. Der Kläger sei nicht wegen seines Alters oder seiner Herkunft diskriminiert worden, ein Anspruch wegen des Streits um den Umfang der Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, stehe nicht in Zusammenhang mit der Sozialplanabfindung. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 10. März 2021 die Kündigungsschutzklage und den Antrag auf Weiterbeschäftigung abgewiesen. Auf die Hilfsanträge des Klägers hat sie die Beklagte zur Zahlung einer Sozialplanabfindung i.H.v. 114.515,45 € brutto verurteilt und den Feststellungsanspruch und die Zahlungsansprüche im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Niederlassung in Frankfurt zum 31. Mai 2020 zu schließen und die Betriebstätigkeit vollständig einzustellen. Die Organisationsentscheidung, Aufgaben künftig überwiegend nur noch online durchzuführen, Zuständigkeiten zu zentralisierten sowie Tätigkeiten nur noch aus Niederlassungen im Ausland zu erbringen, sei nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Die unternehmerische Entscheidung sei umgesetzt worden. Die Beklagte habe den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Frankfurt vollständig eingestellt und sämtlichen Mitarbeitern gekündigt. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass verschiedene Mitarbeiter nun in Österreich tätig seien, diese seien Beschäftigte der dortigen Niederlassung. Für den Kläger habe keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestanden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland zu prüfen und dem Kläger anzubieten. Es sei nicht anzunehmen, dass die Beklagte als Vertragsarbeitgeber Einfluss auf die ausländische Niederlassung habe, bei der der Kläger zu beschäftigen wäre. Außerdem habe die Beklagte dargelegt, dass die Stelle des Regional Operations Manager nicht mit der bisherigen Tätigkeit des Klägers vergleichbar sei. Der Betriebsrat sei gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden. Die Massenentlassungsanzeige der § 17 KSchG sei ordnungs- und fristgemäß durchgeführt worden. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 26. Februar 2020 aufgelöst worden sei. Zu den Hilfsanträgen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Feststellungsantrag zu 3. sei unbegründet, da die Höchstbegrenzungsklausel nach § 2 Abs. 2 (d) SP wirksam sei. Der Antrag zu 4. sei teilweise begründet, dem Kläger stehe eine Sozialplanabfindung i.H.v. 114.515,45 € brutto zu. Wegen der zulässigen Höchstbegrenzungsklausel könne dahinstehen, ob Beschäftigungszeiten vor dem 1. November 2009 bei der Abfindungsberechnung zu berücksichtigen gewesen wären. Der Antrag zu 5. sei unbegründet, der Kläger habe keinen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Er habe bereits keine Indizien vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen. Zur vollständigen Darstellung der Entscheidungsgründe und des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil verwiesen (Bl. 224-233 d.A). Der Kläger hat gegen das ihm am 7. April 2021 zugestellte Urteil mit am 7. Mai 2021 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangener Berufungsschrift Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 7. Juni 2021 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 14. Juni 2021 zugestellt worden. Die Beklagte hat nach rechtzeitig gestelltem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbeantwortung durch am 16. August 2021 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz auf die Berufung erwidert und zugleich Anschlussberufung eingelegt und begründet. Mit der Berufung nimmt der Kläger Bezug auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und vertieft es. Er behauptet, die Niederlassung Frankfurt sei geschlossen worden, um den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer zu umgehen und sich des Betriebsrats zu entledigen. Er macht geltend, die Arbeiten des Office Frankfurt würden fortgeführt und beruft sich hierfür auf die Vertriebsmitarbeiter C und D, die zwar jetzt bei der Niederlassung in Wien angestellt seien, aber von ihrem Homeoffice aus am Wohnort in Deutschland arbeiteten. Außerdem suche die Beklagte 2022 wieder Mitarbeiter für Frankfurt. Der Kläger wiederholt seine Ansicht, dass die Beklagte ihm eine Weiterbeschäftigung auf der Stelle des Regional Operations Manager in Wien anbieten musste. Seine bisherige Stelle sei nur von Frankfurt nach Wien verschoben worden. Er behauptet, die Stelle sei erstmals noch vor Ablauf seiner Kündigungsfrist zum 31. August 2020 ausgeschrieben worden (vgl. Anlage K15 zum Schriftsatz des Klägers vom 12. November 2020, Bl. 170 f. d. A.) und sei – bis auf die Stellenbezeichnung – mit der im Januar 2022 erneut ausgeschrieben Stelle „Operations and Strategic Initiatives Leader“ identisch (vgl. Anlage 31 zum Schriftsatz des Klägers vom 26. Januar 2022, Bl. 493-495 d.A.). Der Stelleninhaber habe an Frau E zu berichten. Diese Berichtslinie habe auch für ihn gegolten. Er behauptet, dass er entgegen der Darstellung der Beklagten in erster Instanz seit 2015 „Head of Operations for Central Europe“ gewesen sei, damit zuständig für 13 Länder. Hierfür verweist er auf ein Organigramm zu den „Central Europe Operations“ aus dem Jahr 2016 (Anlage 21 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2021, Bl. 405 f. d.A.), eine Länderübersicht der „Region Central Europe“ (Anlage 22 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2021, Bl. 407 d.A.), eine Mail vom 9. September 2015, mit der über seine Beförderung informiert wurde (Anlage 28 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2021, Bl. 415 d.A.) und das ihm am 7. Juli 2020 erteilte Zwischenzeugnis (Anlage 27 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2021, Bl. 413 f. d.A.). Auch die Behauptung der Beklagten, er habe eine geringere Vergütung erzielt als für die Stelle im Office Austria vorgesehen, sei falsch. Er sei als Senior Manager auf Level 13 eingestuft gewesen und habe bereits 2018 insgesamt 113.253,00 € brutto verdient. Es sei nicht erheblich, dass für die Stelle des „Regional Operations Manager“ des Office Austria ein Anspruch auf Aktienoptionen bestehe. Die Beklagte habe sich erst nach der ihm erklärten Kündigung entschieden, auch Mitarbeitern unterhalb des Levels „Director“ Aktienoptionen anzubieten. In Bezug auf Frau E, die unstreitig die Position einer „Regional Vice President Central Europe“ innehat, behauptet der Kläger, diese habe die fachliche und personelle Entscheidungsbefugnis für alle Niederlassungen der Region Central Europe, auch wenn andere Personen als Niederlassungsleiter/in eingesetzt seien. Hierzu verweist der Kläger auch darauf, dass die persönliche Assistentin von Frau E, Frau F, die vor dem 31. Mai 2020 einen Arbeitsvertrag mit dem Office Frankfurt hatte, weiterhin für Frau E tätig ist, nunmehr aber – dies ist unstreitig – auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit dem Office Austria. Frau E habe außerdem – auch dies ist unstreitig – dem ehemaligen Arbeitnehmer H in Zusammenhang mit dessen Kündigungsrechtsstreit im März 2021 eine Stelle bei der Niederlassung Wien angeboten (vgl. Anlage 23 zum Schriftsatz des Klägers vom 4. Oktober 2021, Bl. 408 f. d.A.). Der Kläger beruft sich – nach dem Hinweis vom 21. Januar 2022, wonach nicht von einer eigenen Rechtsfähigkeit der Niederlassung Frankfurt ausgegangen werden könne (Bl. 467 d.A.) – darauf, dass die Beklage verpflichtet gewesen wäre, ihm die Stelle des „Regional Operations Manager“, ausgeschrieben für das Office Austria, in ihren Unternehmen anzubieten. Es sei wegen der Matrixstruktur der Beklagten nicht erheblich, dass die Stelle nicht in Deutschland angesiedelt sei, zumal die Beklagte ihre Tätigkeiten überwiegend digitalisiert habe. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte auch anderen Arbeitnehmern (C, D, F) den Wechsel nach Wien ermöglicht habe, ihre Arbeitsverträge generell eine Versetzung innerhalb des Konzerns vorsähen und er innerhalb des A-Konzerns bereits von Costa Rica nach Panama und von Panama nach Deutschland wechselte. Für den Fall des Unterliegens mit der Kündigungsschutzklage vertritt der Kläger auch im Berufungsverfahren die Auffassung, ihm stehe über den Betrag von 114.515,45 € brutto hinaus eine Sozialplanabfindung von insgesamt 222,721, 51 € zu. Seine Konzernzugehörigkeit seit 1. März 2002 sei erheblich, durch die Höchstbegrenzungsklausel werde er mittelbar wegen seines Alters und seiner Herkunft diskriminiert. Die Abfindung sei aber auch bei Geltung der Kappungsklausel falsch berechnet und müsse mindestens 115.039,34 € brutto betragen. Zu dem in der Berufung klageerweiternd geltend gemachten Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses (Antrag zu 5.) hat der Kläger in der Berufungsbegründung keine Ausführungen gemacht. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2021 – 11Ca 1830/20 – teilweise abzuändern und 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2020 nicht aufgelöst worden ist; 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde, zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Senior Regional Operations Manager zu einem monatlichen Bruttogehalt von 9.586,61 € brutto bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen; hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2.: 3. festzustellen, dass die Höchstbegrenzungsklausel in § 2 Abs. 2 (d) des zwischen den Parteien und dem bei der Beklagten errichteten Betriebsrat geschlossenen Sozialplan[s] vom 18. Februar 2020 den Kläger unrechtmäßig benachteiligt und damit unwirksam ist; 4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine weitere Sozialplanabfindung i.H.v. 108.206,06 € brutto zu zahlen; 5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes und wohlwollendes Abschlusszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie auf Leistung, Verhalten und Führungsverhalten erstreckt und mindestens der Note „gut“ entspricht; hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3. und/oder zu 4.: 6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über die Sozialplanabfindung i.H.v. 114.515,45 € brutto hinausgehend einen Schadensersatz nach dem AGG i.H.v. 108.206,06 € brutto zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2021 – 11Ca 1830/20 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und nimmt Bezug auf ihren Vortrag aus erster Instanz. Die unternehmerische Entscheidung sei entsprechend den Vorgaben der Konzernmutter zur Umstrukturierung des Konzerns getroffen und die Schließung der Niederlassung umgesetzt worden. Der Bedarf für eine Beschäftigung des Klägers sei entfallen. In Bezug auf die ausgeschriebene Stelle eines Regional Operations Manager für das Office Wien wiederholt die Beklagte ihren bisherigen Vortrag und behauptet, diese Stelle sei höherwertiger als die alte Stelle des Klägers. Der Regional Operations Manager erhalte neben einem Festgehalt von 100.000,00 € brutto jährlich einen Bonus und zusätzlich Aktienoptionen der US-amerikanischen Konzernmutter. Dies sei durch die europaweite Verantwortung und die Führung von sechs Mitarbeitern gerechtfertigt, der Kläger sei nur für Deutschland und für zwei Mitarbeiter verantwortlich gewesen. Die Beklagte hat vor dem Hinweis der Kammer vom 21. Januar 2022, wonach nicht von einer eigenen Rechtsfähigkeit der Niederlassung Frankfurt ausgegangen werden könne (Bl. 467 d.A.), behauptet, es sei unklar, welche A-Gesellschaft die Position ausgeschrieben habe, sie habe sie nicht ausgeschrieben. Sie habe keinen Einfluss auf Personalentscheidungen für Österreich, auch nicht durch Frau E. Die Beklagte bestätigt, dass Frau E noch die fachliche Weisungsbefugnis gegenüber Herrn C und Herrn D habe. Die übrigen Behauptungen des Klägers zu den leitenden Funktionen von Frau E für verschiedene Konzerngesellschaften in Zentraleuropa und ihre Personalentscheidungsbefugnis seien falsch. Soweit Frau E unternehmensübergreifend Weisungen erteile, handele es sich um fachliche, nicht personelle Weisungen. Die Entscheidungen, Herrn C, Herrn D und Frau F einzustellen, seien von Herrn G als dortigem Personalleiter getroffen worden. Mit Schriftsatz vom 18. März 2022 vertritt die Beklagte die Ansicht, sie sei aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht verpflichtet, dem Kläger eine Weiterbeschäftigung im Ausland anzubieten, ungeachtet der fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit des Office Frankfurt. Sie behauptet, zum Zeitpunkt der Kündigung hätten bei ihr keine freien Stellen bestanden. Die Position des Regional Operations Manager habe nicht der alten Tätigkeit des Klägers entsprochen, die Stelle des Operations and Strategic Initiatives Leader (vgl. Anlage 31 zum Schriftsatz des Klägers vom 26. Januar 2022, Bl. 493-495 d.A.) sei erst ab Januar 2022 zu besetzen gewesen. Die Beklagte meint, für ein Unternehmen bestehe keine Pflicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG, eine Weiterbeschäftigung in einem im Ausland liegenden Betrieb zu ermöglichen. Sie habe sich auch nicht selbst gebunden, den Kläger ins Ausland zu versetzen. Die Versetzungsklausel in Ziff. 3.2 des Arbeitsvertrags sei auf das Bundesgebiet beschränkt. Zu den Hilfsanträgen zu 3. bis 6. des Klägers wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie rügt den Feststellungsantrag zu 3. als unzulässig und ist der Ansicht, der Kläger könne nicht auf ein Zeugnis mit der Note „gut“ klagen, ohne zu seiner Leistung und seinem Führungsverhalten vorzutragen. Ihre Anschlussberufung begründet die Beklagte damit, dass der Anspruch des Klägers auf eine Sozialplanabfindung gemäß § 2 Abs. 3 (a) SP noch nicht fällig sei. Das Arbeitsgericht habe nicht unterstellen dürfen, dass der Kläger gegen die Abweisung seiner Kündigungsschutzklage keine Berufung einlegen würde. Der Kläger vertritt zur Anschlussberufung die Auffassung, der Regelungszweck von § 2 Abs. 3 (a) SP sei gewahrt. Er habe den Antrag nur hilfsweise gestellt. Zur vollständigen Darstellung des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der von den Parteien vorgetragenen Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 28. März 2022 (Bl. 523 f. d.A.) verwies
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 2021 – 11 Ca 1830/20 – teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2020 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 81 % die Beklagte 19 % zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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LG Berlin 7. Zivilkammer
Berlin
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22.11.2011
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Randnummer 1 Seit dem 1. November 2004 unterhielt der Beklagte den Investmentfonds ... Investment Group (Anlage B 7) mit der Police Nr. ... mit einer Beitragsdauer von 30 Jahren und einer Laufzeit von 67 Jahren sowie eine fondsgebundene Lebensversicherung der ... -Versicherung zur Police-Nr. ... . Randnummer 2 Im Anschluss an ein Gespräch mit dem Versicherungsvermittler der Klägerin, dem Zeugen ... , kündigte der Beklagte den Investmentfonds ... Investment Group; er erhielt mindestens 1.553,03 EUR ausgezahlt. Darüber hinaus kündigte er die ... Versicherung; er erhielt mindestens 708,85 EUR ausgezahlt. Randnummer 3 Am 2. August 2008 unterzeichnete der Beklagte zwei mit “Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsversicherung” überschriebene Formulare (Anlagen K 1 und K 2). Randnummer 4 Auf Seite 2 des Formulars heißt es unter der Überschrift: Weitere Angaben zum Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung (separate Kostentilgung) jeweils: Randnummer 5 “ Die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten erfolgt separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen. Die Fälligkeit der Einmal- und Teilzahlungen richten sich nach § 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung. Randnummer 6 Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung....” Randnummer 7 Zum Antrag ... -021 wurden Abschlusskosten mit 1.260,- EUR, plus Einrichtungskosten von 1.680,- EUR = Barzahlungspreis von 2.940,- EUR angegeben. Für den Fall der Ratenzahlung (48 Monatsraten à 75,82 EUR) wurden der effektive Jahreszins mit 12% und der Teilzahlungspreis mit 3.639,36 EUR angegeben. Randnummer 8 Zum Antrag ... -022 wurden Abschlusskosten mit 1.890,- EUR, plus Einrichtungskosten von 2.520,- EUR = Barzahlungspreis von 4.410,- EUR angegeben. Für den Fall der Ratenzahlung (48 Monatsraten à 113,73 EUR) wurden der effektive Jahreszins mit 12% und der Teilzahlungspreis mit 5.459,04 EUR angegeben. Randnummer 9 Die beiden Antragsformulare wurden vom Beklagten jeweils viermal unterschrieben; eine Unterschrift bezog sich auf den Versicherungsantrag, eine weitere auf eine Widerrufsbelehrung im Rahmen des Versicherungsvertrages, eine weitere auf die Kostenausgleichsvereinbarung, die letzte auf eine Widerrufsbelehrung im Rahmen der Kostenausgleichsvereinbarung. Der Kläger beantragte die Ratenzahlung (48 Monatsraten à 75,82 EUR bzw. 113,73 EUR) zur Kostenausgleichsvereinbarung. Randnummer 10 In § 2 Abs. 2 der Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung (Anlage K 5) ist für den Fall des Ratenverzugs eine Gesamtfälligstellungsregelung enthalten. Randnummer 11 Mit Empfangsbestätigung vom 25. August 2008 (Anlage K 4) bestätigte der Beklagte die Versicherungspolice ... -022 sowie die Kostenausgleichsvereinbarung ... -022-001 erhalten zu haben. Mit weiterer Empfangsbestätigung vom 3. September 2008 (Anlage K 3) bestätigte der Beklagte die Versicherungspolice ... -021 sowie die Kostenausgleichsvereinbarung ... -021-001 erhalten zu haben.. Randnummer 12 Mit Email vom 29. August 2008 (Anlage B 1, Bl. 37 d. A.) widerrief der Beklagte den Antrag zur Versicherungsnummer ... -021. Weiter erklärte er: “ Die andere Versicherung ... -022 bleibt bestehen und startet wie geplant zum 01.09.2008 .” Randnummer 13 Mit Schreiben vom 3. September 2008 (Anlage K 8) erklärte der Beklagte die Kündigungsrücknahme zur Fondspolice Nr. ... -021. Randnummer 14 Mit Schreiben vom 24. November 2008 (Bl. 196, 198, 199 d.A.) gegenüber der Klägerin erklärte der Beklagte seinen Wunsch, dass der Vertrag zur Fondspolice ... -022 rückabgewickelt wird. Randnummer 15 Zur Kostenausgleichsvereinbarung ... -021-001 leistete der Beklagte drei Raten à 75,82 EUR von September bis November 2008, insgesamt 227,46 EUR, im Wege des Lastschriftverfahrens. Ab dem 1. Dezember 2008 leistete der Beklagte keine Zahlung mehr. Randnummer 16 Zum Kostenausgleichsvereinbarung ... -022-001 leistete der Beklagte drei Raten à 113,73 EUR von September bis November 2008, insgesamt 341,19 EUR. Ab dem 1. Dezember 2008 leistete der Beklagte keine Zahlung mehr. Randnummer 17 Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 (Anlage B 2, Bl. 38 d. A.) kündigte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Verträge Nr. ... -021 und Nr. ... -022 “mit sofortiger Wirkung”. Randnummer 18 Mit zwei Schreiben jeweils vom 17. Dezember 2008 (Anlagen B 3 und B 3 R, Bl. 39 und Bl. 39 R d. A.) bestätigte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Kündigung jeweils zum 6. Januar 2009 und forderte ihn mit zwei weiteren Schreiben vom 21. Dezember 2009 (Anlagen K 6 und K 7) auf, die gesamten noch offenen Beträge aus den Kostenausgleichsvereinbarungen bis zum 20. Januar 2010 zu zahlen. Randnummer 19 Mit Schreiben vom 3. Januar 2009 (Anlage B 4, Bl. 40 d. A.) kündigte der Beklagte gegenüber der Klägerin hilfsweise die Kostenausgleichsvereinbarungen “ mit sofortiger Wirkung”. Höchstvorsorglich erklärte er die Anfechtung der beiden Verträge wegen arglistiger Täuschung unter Berufung auf eine angebliche Zusage einer Garantieverzinsung von 6% durch den Zeugen ... . Randnummer 20 Mit Anwaltsschreiben vom 23. Februar 2009 (Anlage B 5, Bl. 41 d. A.) erklärte der Beklagte u. a., dass auch der Vertrag Nr. ... -022 “ von mir fristgerecht widerrufen wurde”. Randnummer 21 Die Klägerin behauptet: Der Zeuge ... habe den Beklagten bei den Vermittlungsgesprächen darauf hingewiesen, dass die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündbar sei und dass der Beklagte im Falle der Kündigung des Versicherungsvertrages die Beiträge zur Kostenausgleichsvereinbarung weiterhin bis zum Ablauf von 48 Monaten bezahlen müsse. Randnummer 22 Die Klägerin beantragt, Randnummer 23 den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.846,65 EUR nebst 13% Zinsen p. a. hieraus seit dem 21. Januar 2010, 16,- EUR Mahnkosten, 17,- EUR Auskunftskosten, 3,85 EUR für Vordruck und Porto und 535,- EUR Inkassokosten zu zahlen. Randnummer 24 Der Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Klage abzuweisen. Randnummer 26 Mit der Widerklage verlangt der Beklagte die gezahlten Raten (568,65 EUR) zu den Kostenausgleichsvereinbarungen zurück. Randnummer 27 Ferner verlangt er mit der Widerklage Schadensersatz in Höhe Differenz zwischen den eingezahlten Prämien (Investmentfonds ... Investment Group und ... Versicherung) und dem auf die Kündigungen jeweils gezahlten Rückkaufswert in Höhe von insgesamt 4.781,92 EUR. Schließlich verlangt er mit der Widerklage vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 550,- EUR erstattet. Randnummer 28 Der Beklagte behauptet hierzu: Der Zeuge ... habe ihm geraten den Investmentfonds ... Investment Group und die ... -Versicherung zu kündigen, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass der zu erwartende Rückkaufswert geringer sein werde als die eingezahlten Beiträge. Der Zeuge ... habe ihn bei Antragstellung durch unzutreffende Zusage einer Mindestgarantieverzinsung der von ihm vermittelten Verträge von 6% arglistig getäuscht. Der Zeuge habe auch erklärt, dass der Fonds durchschnittlich 9-13% Gewinne erziele, und zwar steuerfrei für ihn. Er habe am 3. September 2008 den Versicherungsantrag zur Nr. ... -022 sowie die entsprechende Kostenausgleichsvereinbarung durch Übergabe einer schriftlichen Erklärung an den Zeugen ... widerrufen. Randnummer 29 Der Beklagte vertritt die Auffassung: Die Widerrufsbelehrungen seien nicht deutlich genug und daher unwirksam. Die Kostenausgleichsvereinbarungen seien unwirksam unter dem Gesichtspunkt der Intransparenz sowie der unangemessenen Benachteiligung; es handele sich um eine Umgehung von § 169 Abs. 3 VVG. Randnummer 30 Er beantragt im Rahmen der Widerklage, Randnummer 31 die Klägerin zu verurteilen, an ihn 568,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Dezember 2008 sowie weitere 5.331,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Widerklagezustellung zu zahlen. Randnummer 32 Die Klägerin beantragt, Randnummer 33 die Widerklage abzuweisen. Randnummer 34 Die Klägerin bestreitet den Schadensersatzanspruch dem Grunde und der Höhe nach. Randnummer 35 Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. September 2011 (Bl. 191 d. A.) verwiesen. Ferner hat die Kammer den Beklagten persönlich angehört; auch wegen des Anhörungsergebnisses wird auf das vorbenannte Sitzungsprotokoll verwiesen. Randnummer 36 Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 227,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5 zu tragen. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jeder Partei bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% Höhe leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ..., FlstNr. ..., wie auch des in östlicher Richtung anschließenden Grundstücks ... FlstNr. .../1, beide Gemarkung ...,.... Sie begehren die Erteilung einer Baugenehmigung und wehren sich gegen eine Rückbauverfügung. 2 Mit Baubescheid vom 03.02.1950 wurde auf dem Grundstück FlstNr. ... der Neubau eines Wohnhauses mit Bäckerei und Laden genehmigt. Am 24.10.1958 wurde festgestellt, dass das Nebengebäude bzw. die Backstube geändert ausgeführt wurden. Mit Beschluss vom 19.08.1959 wurden unter Aufrechterhaltung der Bedingungen des Baubescheids vom 03.02.1950 die Nachtragspläne vom Oktober 1958 genehmigt. Nach der genehmigten Planfertigung ist die Errichtung eines Gebäudes mit einer Traufhöhe von 4,50 m und einer Firsthöhe von 7 m zulässig. 3 Mit Baugenehmigung vom 04.05.2018 wurde den Klägern der „Um- und Ausbau des Dachgeschosses eines Wohnhauses zu einer Wohnung mit Neuerrichtung von zwei Gauben und ein(em) Treppenhaus für das 3-Familienwohnhaus“ auf dem Grundstück FlstNr. ... genehmigt. 4 Unter dem 24.04.2020 wurde auf demselben Grundstück der „Neubau eines EFH ‚Villa il Falco‘ mit Garage und Stellplätze und Abbruch der vorhandenen Garage/ Scheune“ genehmigt. 5 Unter dem 17.07.2020 zeigten die Kläger der Beklagten die Teilung des Grundstücks FlstNr. ... nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LBO an. 6 Mit Schreiben vom 02.09.2020 teilte die Beklagte den Klägern mit, dass nach einer „überschlägigen“ Prüfung durch die Teilung des Grundstücks der notwendige Kfz-Stellplatz für das Wohnhaus auf dem Grundstück FlstNr. ... auf dem neu gegründeten Flurstück liege. Somit würden durch die Teilung baurechtlich rechtswidrige Zustände entstehen. Dies könnte mit einer Stellplatzbaulast gelöst werden. 7 Am 09.09.2020 erklärten die Kläger als Eigentümer des Grundstücks FlstNr. .../1 im Wege einer Baulastenübernahme, auf ihrem Grundstück einen Stellplatz für Kraftfahrzeuge oder eine Garage herzustellen und jederzeit uneingeschränkt und ungehindert zu Gunsten des Grundstücks FlstNr. ... zur Verfügung zu stellen. Der beigefügte Lageplan wurde zum Bestandteil der Baulast gemacht. Nach diesem Lageplan bezieht sich die Baulast auf den Stellplatz, der unmittelbar an das Grundstück FlstNr. ... grenzt. 8 Im Rahmen von Ortsbesichtigungen am 30.07.2021 und 02.08.2021 stellte die Beklagte fest, dass die Kläger das zum Grundstück FlstNr. .../1 grenzständig gebaute Nebengebäude auf dem Grundstück FlstNr. ... teilweise abgebrochen und ohne Genehmigung ein größeres Wohngebäude errichtet haben. 9 Unter dem 21.10.2021 erhoben die Kläger Fachaufsichtsbeschwerde gegen zwei Mitarbeiter der Beklagten. 10 Unter dem 09.04.2022 stellten die Kläger einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren zwecks „Aufstockung des Anbaugebäudes mit 2 neuen Gauben und Ausbau zu einer Maisonette-Wohnung „Twin Dormer““. 11 Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 04.05.2022 stellte die Beklagte fest, dass die Backstube, die in der Baugenehmigung vom 04.05.2018 als „Bestand“ gekennzeichnet ist, von dem Kläger zu 2 als Büro genutzt wird. 12 Mit Schreiben vom 15.06.2022 teilte der Kläger zu 2 der Beklagten mit, dass entlang der Grenze des Grundstücks FlstNr. ... zum Grundstück FlstNr. .../1 keine Abstandsflächen notwendig seien, da durch die Teilung des Grundstücks FlstNr. ... das Bestandsgebäude zum Grenzgebäude geworden sei. 13 Mit Schreiben vom 14.08.2022 teilten die Kläger der Beklagten mit, dass bei der Teilung des Grundstücks FlstNr. ... keine baurechtlichen Verstöße oder Vorbehalte erklärt worden seien, so dass sie Vertrauensschutz genössen. Das Gebiet sei geprägt von der besonderen halboffenen Bauweise. Es sei, wie aus der Bebauung auf den Grundstücken FlstNr. ... und ... ersichtlich sei, einseitig auf die Grenze gebaut worden, während auf der anderen Seite ein Abstand nach §§ 5 f. LBO eingehalten werde. 14 Mit Entscheidung vom 19.08.2022 wies die Beklagte den Bauantrag zurück (Ziffer 1). Außerdem ordnete sie an, dass das Nebengebäude auf dem Grundstück FlstNr. ..., wie in den beigefügten Anlagen dargestellt, in östlicher Richtung soweit dauerhaft zu reduzieren sei, dass die Abstandsflächen das zulässige Maß von mindestens 2,50 m auf dem Baugrundstück selbst einhielten (Ziffer 2 Buchstabe a) und dauerhaft auf die mit Beschluss vom 19.08.1959 unter Aufrechterhaltung der Bedingungen des Baubescheids vom 03.02.1950 genehmigte Traufhöhe von 4,50 m und genehmigte Firsthöhe von 7 m reduziert werde (Ziffer 2 Buchstabe b). Die unter Ziffer 2 angeordneten Maßnahmen seien spätestens drei Monate nach Bestandskraft dieser Entscheidung zu erfüllen (Ziffer 3). Im Fall der nicht fristgerechten Ausführung von Ziffer 2 werde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR angedroht (Ziffer 4). Zur Begründung machte die Beklage im Wesentlichen geltend: Für den Bereich des Grundstücks, auf dem das Vorhaben errichtet werden solle, sei nur die Errichtung eines Gebäudes mit einer Traufhöhe von 4,50 m zulässig, wie dem Baubescheid vom 03.02.1950 und den am 19.08.1959 genehmigten Nachtragsplänen entnommen werden könne. Soweit das Nebengebäude in den eingereichten Planunterlagen eine Traufhöhe von 4,61 m bzw. 5,66 m aufgewiesen habe, könne daher kein Bestandsschutz bestanden haben. Jedenfalls sei ein Bestandsschutz nachträglich dadurch erloschen, dass in so erheblichem Umfang in die bauliche Anlage eingegriffen worden sei, dass nicht mehr von einer bloßen Sanierung gesprochen werden könne. Es seien große Teile der Seitenwände im Obergeschoss erneuert und erhöht sowie das Dachgeschoss zur Gänze neu errichtet worden. Auch das Erdgeschoss - lege man die ursprünglich genehmigten Planunterlagen zugrunde - sei von einer Backstube mit Arbeitsraum und sanitären Einrichtungen in Büroräume verändert worden. Bereits mit der Aufstockung und der Errichtung eines neuen Dachstuhls mit zwei Gauben sei in die Standsicherheit des Bauwerks eingegriffen worden. Auch dürfte sich das Vorhaben hinsichtlich des Verhältnisses von Freifläche und überbaubarer Fläche nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügen. Gleiches gelte hinsichtlich der Höhenentwicklung und der Zahl der Vollgeschosse. Ob sich das Vorhaben dennoch einfügen könnte, könne offenbleiben, da die erforderlichen Abstandsflächen, die nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 LBO im vereinfachten Verfahren zu prüfen seien, nicht eingehalten würden. Ein Zwang zur Grenzbebauung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO finde sich in der näheren Umgebung nicht. Die nun vorzufindende Grenzständigkeit sei erst durch die Grundstücksteilung entstanden. Bereits das Bestandsgebäude sei direkt an der Grundstücksgrenze nicht zulässig gewesen und hätte aufgrund der Grenzziehung einer Abstandsfläche von mindestens 2,50 m bedurft. Bei der überschlägigen Prüfung der Grundstücksteilung seien die Traufhöhe und damit die Abstandsflächen des Nebengebäudes nicht thematisiert worden. Der Vermesser der Kläger habe im Rahmen des Bauantrags für die „Villa il Falco“ das bestehende Nebengebäude als eingeschossig dargestellt gehabt und auch der Entwurfsverfasser habe eine Bemaßung des Bestandsgebäudes unterlassen. Da sich die Baurechtsbehörde auf die Angaben in den Bauantragsunterlagen durch den öffentlich bestellten Vermessungsingenieur als auch des Entwurfsverfassers verlassen habe, seien diese Angaben bei der Grundstücksteilung nicht überprüft worden. Allerdings seien diese Angaben nicht korrekt gewesen, wie die Kläger in ihrer Fachaufsichtsbeschwerde vom 21.10.2021 eingeräumt hätten, sondern legten nahe, dass das Bestandsgebäude höher gewesen sei als in den vorgelegten und unterschriebenen Unterlagen. Diese Diskrepanz könne anhand der am 08.10.2021 eingegangenen, aus dem Generallandesarchiv angeforderten Unterlagen bestätigt werden. Zum anderen seien in der zu betrachtenden näheren Umgebung neben der grenzständigen Bauweise auch die offene und geschlossene Bauweise zu finden. Es könne daher keine „besondere Bauweise“ erkannt werden, wonach zwingend grenzständig gebaut werden müsse. Ferner dürfe nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO an die Grenze gebaut werden, da es an einer öffentlich-rechtlichen Sicherung durch eine Baulast nach § 71 LBO fehle. Die Übernahme einer Abstandsflächenbaulast nach § 7 LBO sei nicht möglich, da eine Überlagerung der Abstandsflächen des Bauvorhabens mit dem Gebäude auf dem Grundstück FlstNr. .../1 gegeben sei. Es seien weiter keine geringeren Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 LBO zuzulassen. Es liege kein Fall des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LBO vor. Insbesondere liege keine Traufgassenbebauung vor. Auch besondere örtliche Verhältnisse wie schwierige Grundstückszuschnitte oder topografische Besonderheiten bestünden nicht. Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO nicht vor. Nachbarliche Belange seien nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Die nach der Rechtsprechung erforderliche Sondersituation auf dem Nachbargrundstück sei nicht gegeben. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde dadurch Rechnung getragen, dass die bauliche Anlage in dem Umfang reduziert werde, dass nicht nur deren Abstandsflächen zum angrenzenden Grundstück das zulässige Maß von mindestens 2,50 m auf dem Baugrundstück selbst einhielten, sondern auch auf die mit Beschluss vom 19.08.1959 unter Aufrechterhaltung der Bedingungen des Baubescheids vom 03.02.1950 genehmigte Traufhöhe von 4,50 m und genehmigte Firsthöhe von 7 m reduziert werde. 15 Am 26.08.2022 erhoben die Kläger Widerspruch. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus: Aufgrund der Grundstücksteilung, die von der Baurechtsbehörde daraufhin geprüft worden sei, dass keine baurechtlichen Verstöße entstünden, sei die Grenzbebauung zulässig. Die nähere Umgebung zeichne sich zudem durch eine besondere halboffene Bauweise aus, mithin dürfe einseitig auf eine Grenze gebaut werden, während auf der anderen Seite die Abstandsflächen eingehalten werden müssten. Die Bebauung auf den Grundstücken FlstNrn. ... (...) und ... (...), FlstNr. 5841 (...), FlstNr. 5888 (...), FlstNr. 5844 (...), FlstNr. 5887 (...) sei zu berücksichtigen. Es werde auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 06.06.2008 (8 S 18/07) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.1980 (IV C 77.77) verwiesen. 16 Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2023 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück und machte zur Begründung ergänzend geltend: Das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Maßgeblich sei die östliche Bebauung der ... auf dem Abschnitt zwischen ...- und .... Die nähere Umgebung weise keine so tiefe Wohnbebauung auf, wie es im Rahmen des Vorhabens beantragt worden sei (ca. 23,2 m). Das tiefste Wohngebäude messe von der ... als Erschließungsstraße ca. 20,7 m (...). Auch finde sich im gesamten Geviert ... kein weiteres Gebäude, dass sowohl hinsichtlich einer seitlichen Grundstücksgrenze als auch der hinteren Grundstücksgrenze grenzständig errichtet worden sei. Der Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO stünden Gründe des Brandschutzes entgegen, da in der als Brandwand auszugestaltenden Grenzwand bereits ein Fenster eingebaut sei und ein weiteres eingebaut werden solle. Dies verstoße gegen § 7 Abs. 8 Satz 1 LBOAVO. Auch für eine Befreiung von den Vorschriften der §§ 5 und 7 LBO nach § 56 Abs. 5 Satz 1 LBO lägen die Voraussetzungen nicht vor. Das Vorhabengrundstück könne ohne unbilliges Ergebnis bebaut werden. Soweit die Kläger vortrügen, dass aufgrund der vollzogenen Grundstücksteilung, die von der Baurechtebehörde geprüft worden sei, keine baurechtlichen Verstöße vorlägen, sei dem nicht zuzustimmen. Eine Zustimmung zur Grundstücksteilung ersetze keine Baugenehmigung. Zudem sei der unteren Baurechtsbehörde bei der Anzeige der geplanten Grundstücksteilung kein Lageplan vorgelegt worden, der die tatsächlichen Maße des Grenzbaus enthalten habe. Selbst die im Grundbuch vollzogene Teilung eines Buchgrundstücks, durch welche bauordnungswidrige Verhältnisse geschaffen würden, sei ebenso privatrechtlich wirksam wie eine dem Bauordnungsrecht entsprechende Grundstücksteilung. Es sei im letzteren Fall Sache der Baurechtsbehörde, im Rahmen ihrer baurechtlichen Eingriffsbefugnisse einzuschreiten. Das in § 8 Abs. 1 LBO enthaltene Verbot, bauordnungswidrige Verhältnisse zu schaffen, ermächtige die Baurechtebehörden, den durch die Grundstücksteilung bewirkten baurechtswidrigen Zustand durch entsprechende Anordnungen, insbesondere gerichtet auf den Rückbau baulicher Anlagen, zu beheben. 17 Die Kläger haben am 15.03.2023 Klage erhoben. Sie machen im Wesentlichen ergänzend zum bisherigen Vorbringen geltend: Sie hätten auf Bestand aufgebaut und genössen Vertrauensschutz. Darüber hinaus ermögliche § 56 LBO genug Spielraum, um die begehrte Baugenehmigung zu erteilen. Das strittige Fenster habe einen Abstand von fünf Metern zu der geschlossenen Brandwand des Nachbargebäudes und entspreche somit dem Brandschutz. 18 Sie beantragen, 19 die Entscheidung der Beklagten vom 19.08.2022 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 01.03.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Baugenehmigung gemäß Bauantrag vom 09.04.2022 zu erteilen. 20 Die Beklagte beantragt, 21 die Klagen abzuweisen. 22 Sie macht im Wesentlichen geltend: Bei dem Bestandsgebäude auf dem Grundstück FlstNr. ... sei zwar ein Teil der ursprünglichen Außenwände bei den Umbauarbeiten stehen geblieben. Die Außenwände seien jedoch massiv aufgestockt und oben mit einem betonierten Ringanker versehen worden. Das Gebäude habe eine ganz andere Statik und die Standsicherheit beruhe nicht mehr auf dem ursprünglich vorhandenen Bestand. Bei der angezeigten Grundstücksteilung sei sie davon ausgegangen, dass es sich bei dem grenzständig werdenden Gebäudeteil um ein abstandsflächenprivilegiertes Nebengebäude nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO handele. Die Bebauungssituation im Umfeld des Baugrundstückes sei diffus. Es gebe teilweise eine offene, teilweise eine halboffene und teilweise eine geschlossene Bauweise. Eine einheitliche Struktur und eine klare Regelhaftigkeit, aus der sich auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB eine grenzständige Bebauung für das Baugrundstück zwingend ergeben würde, liege nicht vor. Der Verweis auf die Gebäude auf den Grundstücken FlstNr. ... und ... und ggf. in der weiteren Umgebung vorhandene ähnliche Bebauungssituationen verfange nicht, da bei dem Baugrundstück gerade keine vergleichbare Vorprägung vorhanden sei. Die unmittelbar angrenzenden Grundstücke der FlstNrn. .../1 und 5838 (...) seien mit Gebäuden in offener Bauweise bebaut, die die regulären Grenzabstände einhielten. Eine öffentlich-rechtliche Sicherung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sei aus mehreren Gründen nicht möglich. Es sei bereits eine Abstandsflächenbaulast von dem Baugrundstück FlstNr. ... zugunsten des Gebäudes auf dem Grundstück FlstNr. .../1 übernommen worden. Zudem befänden sich auf dem Grundstück FlstNr. .../1 in dem unmittelbar angrenzenden Bereich zwei Stellplätze, die im Zuge der Aus- und Umbaugenehmigung für das Hauptgebäude auf dem Baugrundstück FlstNr. ... über eine Stellplatzbaulast Letzterem zugewiesen seien. Eine Absicherung durch eine Abstandsbaulast gemäß § 7 LBO sei ebenfalls nicht möglich, da sich die Abstandsfläche für das streitgegenständliche Bauvorhaben und die Abstandsfläche für das genehmigte Gebäude auf dem Grundstück FlstNr. .../1 in einem nicht lediglich untergeordneten Umfang überschnitten. Dass die Kläger derzeit Eigentümer des Baugrundstücks FlstNr. ... wie auch des Nachbargrundstücks FlstNr. .../1 seien, führe im Hinblick auf die Einhaltung der Abstandsflächen zu keinen Besonderheiten. Die Eigentümerstellung könne sich bezogen auf die beiden Flurstücke jederzeit ändern. Im Falle eines Eigentümerwechsels müsse gewährleistet sein, dass durch die genehmigten baulichen Anlagen keine Beeinträchtigung der Angrenzer stattfinde. Ferner füge sich das Bauvorhaben mit seiner Bauweise und dem Grad der Überbauung nicht nach § 34 BauGB ein. Es fehle an einer Entsprechung in der näheren Umgebung. In Bezug auf die im Straßengeviert vorkommenden Vollgeschosse und die vorkommende Höhenentwicklung stelle das nunmehr entstandene Gebäude mit seinen zwei Vollgeschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss einen Ausreißer dar. Die überbaute Fläche auf dem Baugrundstück durch das vorhandene Hauptgebäude und das geplante Bauvorhaben liege bei 48,3 %. Der Überbauungsgrad bei den sonstigen Grundstücken in der näheren Umgebung liege im Schnitt bei unter 30 %. Ferner stehe der Erteilung einer Baugenehmigung entgegen, dass kein weiterer Stellplatz nachgewiesen sei. Die Stellplatzpflicht entfalle nicht nach § 37 Abs. 3 Satz 2 LBO, da die letzte Baugenehmigung vom 04.05.2018 für das Anwesen auf dem Baugrundstück zum Zeitpunkt der Ablehnung (und erst recht zum Zeitpunkt der Baueinstellung) noch keine fünf Jahre zurückgelegen habe. Schließlich sei am 12.09.2023 festgestellt worden, dass die im Bauantrag angegebenen Maße nicht mit der vor Ort bereits realisierten Bebauung übereinstimmten. 23 In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer vom Vorhabengrundstück und der näheren Umgebung einen Augenschein eingenommen. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf das Sitzungsprotokoll und die Lichtbilder in der Anlage hierzu Bezug genommen. 24 Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten der Beklagten in den Sachen B1800030, B1900311, B2000010, B2000156, B2100163, B2100215, B2200077, die Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums „21-2622.4-28/44 verbunden mit 2622.4-28/41“ und „RPK21-0532.3-45/2/2“ sowie die Gerichtsakten der Verfahren 4 K 723/22 und 4 K 1360/22 vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt, den der gewechselten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.
1. Die Klagen werden abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
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Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein 14. Senat
Schleswig-Holstein
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06.03.2023
1
Randnummer 1 Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst als Beamter der Landespolizei. Randnummer 2 Der 1971 in Leipzig geborene Beklagte absolvierte nach Erwerb der mittleren Reife von 1988 bis 1990 eine Berufsausbildung zum Instandhaltungsmechaniker. Von September 1990 bis Mai 1995 leistete er seinen Wehrdienst ab und war danach Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Am 1. September 1995 begann der Beklagte eine Ausbildung im mittleren Polizeivollzugsdienst der Landespolizei Sachsen. Nachdem er die Laufbahnprüfung im Februar 1998 mit der Note „befriedigend“ bestanden hatte, wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeimeister ernannt. Mit Wirkung vom 1. September 2000 erfolgte die Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit. Mit Wirkung vom 1. Juni 2003 wurde der Beklagte in den Polizeivollzugsdienst des Landes Schleswig-Holstein versetzt und war zunächst bei der Polizeiinspektion … tätig. Ab dem 1. Oktober 2004 war er an die Polizeiinspektion … versetzt und dort in der Polizeizentralstation … tätig. Mit Wirkung vom 1. Januar 2009 wurde er zum Polizeiobermeister ernannt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2011 wurde der Beklagte zur Polizeidirektion … und dort zum Polizeibezirksrevier … versetzt, wo er bis zuletzt im Schwerlast- und Gefahrgutdienst tätig war. Zum Stichtag 1. Oktober 2015 erhielt er eine dienstliche Beurteilung, wonach seine Leistungen die Anforderungen des Arbeitsplatzes überträfen (zweitbeste Bewertungsmöglichkeit). Mit Wirkung vom 1. Juli 2016 wurde der Beklagte zum Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) ernannt. Zum Stichtag 1. Oktober 2017 erhielt er eine dienstliche Beurteilung mit der Gesamtbewertung „für die Bewältigung der Aufgaben geeignet“ (viertbeste Bewertungsmöglichkeit). Randnummer 3 Der Beklagte ist seit 2014 in zweiter Ehe verheiratet. Aus einer ersten Ehe, die im Jahr 2004 geschieden wurde, hat er eine 2001 geborene Tochter. Aus einer nichtehelichen Beziehung mit D. hat er zwei Kinder, die 2003 geborene … und den 2005 geborenen … . Mit seiner jetzigen Ehefrau hat er drei weitere 2007, 2011 und 2014 geborene Kinder. Mit im Haushalt lebt auch ein 2002 geborenes Kind seiner Ehefrau. Randnummer 4 Der Beklagte ist vor den Vorwürfen, die den Gegenstand dieses Verfahren bilden, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Disziplinarrechtlich gilt er als unbelastet. Randnummer 5 Im Juni 2016 erstattete G., die Tochter der D., Anzeige gegen den Beklagten. Dieser habe sie, G., im Zeitraum zwischen 2003 und 2007 wiederholt geschlagen. Daraufhin führte die Kriminalpolizeiinspektion … Ermittlungen durch, in deren Rahmen mehrere vernommene Zeuginnen und Zeugen, darunter die ehemalige Lebensgefährtin D. sowie die gemeinsamen Kinder … und … bekundeten, dass der Beklagte unter anderem ihnen gegenüber regelmäßig gewalttätig geworden sei. Bei … und … sei es nach Schlägen ins Gesicht zum Teil zu Nasenbluten bzw. einem „blauen Auge“ gekommen. Randnummer 6 Aus diesem Anlass leitete der Leiter der Polizeidirektion … am 23. Februar 2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Dem Beklagten wurde die vielfache und über einen Zeitraum von mehreren Jahren begangene körperliche Misshandlung seiner eigenen Kinder, eines Stiefkindes sowie seiner ehemaligen Lebensgefährtin vorgeworfen. Das Disziplinarverfahren wurde vor dem Hintergrund des Strafverfahrens zunächst ausgesetzt. Randnummer 7 Mit Anklageschrift vom 10. August 2017 erhob die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht … Anklage gegen den Beklagten vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts … . Randnummer 8 Unter dem 25. September 2017 verfügte der Kläger auf Grundlage von § 38 Abs. 1 Nr. 1 LDG die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten. Die Stellenzulage für die Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst wurde einbehalten. Eine darüber hinausgehende Einbehaltung von Bezügen erfolgte nicht. Randnummer 9 In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht … am 5. Dezember 2017 ließ sich der Beklagte teilweise zur Sache ein (siehe das Hauptverhandlungsprotokoll, Beiakte B, Bl. 237 ff.). Randnummer 10 Zum Tatvorwurf unter Nummer 4. der Anklageschrift befragt, der lautete, Randnummer 11 „Im Jahr 2012 musste der Zeuge ... eine Strafarbeit aus der Schule zu Hause verfassen. Nachdem er sich auch hier diverse Male verschrieb, schlug der Angeschuldigte dem Zeugen ... acht Mal auf das nackte Gesäß. Hierbei missachtete er das Leid des Kindes“, Randnummer 12 äußerte der Beklagte unter anderem: Randnummer 13 „ habe ich vielleicht mal auf den Hintern geklopft, weil er nicht lernen wollte.“ Randnummer 14 Zum Tatvorwurf unter Nummer 5. der Anklageschrift befragt, der lautete, Randnummer 15 „Nachdem die Zeugin ... im Jahr 2014 einmal den Schulbus verpasste, schlug der Angeschuldigte sie so kräftig in das Gesicht, dass ihre Nase blutete. Dieses Ereignis blieb der Zeugin ... im Gedächtnis und beeinträchtigte ihr individuelles Empfinden nachhaltig. Dies nahm der Angeschuldigte zumindest billigend in Kauf“, Randnummer 16 äußerte der Beklagte: Randnummer 17 „Ich war zu der Zeit alleinerziehend. Ich habe sie nicht geschlagen, weil sie den Bus verpasste, sodass ihre Nase blutete.“ Randnummer 18 Zum Tatvorwurf unter Nummer 6. der Anklageschrift befragt, der lautete, Randnummer 19 „Wegen der wiederholten und andauernden Schläge und zusätzlicher permanenten [!] Beleidigungen, versuchte sich ... im August 2015 das Leben zu nehmen, indem sie sich vor ein herannahendes Auto warf. Infolgedessen verbrachte sie wegen Suizidgedanken zwei Monate in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Suizidgefahr nahm der Angeschuldigte als Folge seiner kontinuierlichen psychischen und physischen Erniedrigungen des 11-jährigen Kindes billigend in Kauf“, Randnummer 20 äußerte der Beklagte: Randnummer 21 „… war zu ihrer Mutter zurückgegangen. Frau D. rief mich danach an, dass sie [!] an Sophias Verhalten nichts geändert hatte und sie ihre Mutter beklaut und gegenüber ihren Geschwistern aggressiv war. … wurde in der Klinik in … vorgestellt und hatte eine Wartezeit, weil sie kein Akutfall war. … und spielten einmal an der Straße und ich hörte, dass es erfunden war, dass … vor ein Auto springen wollte.“ Randnummer 22 Zum Tatvorwurf unter Nummer 7. der Anklageschrift befragt, der lautete, Randnummer 23 „Im Winter 2015 schlug der Angeschuldigte ... den Zeugen ... mit der flachen Hand auf die rechte Wange, nachdem dieser beim Spielen eine Glasvitrine in seinem Zimmer versehentlich kaputt gemacht hatte. Hierbei nahm der Angeschuldigte die Beeinträchtigung des Wohlbefindens des Kindes zumindest billigend in Kauf“, Randnummer 24 äußerte der Beklagte: Randnummer 25 „Es war nicht im Winter 2015, sondern in 2014. Da haben … und … im Zimmer gespielt und kletterten an der Glasvitrine rum. Wir hörten es klirren und sahen … unter einer zerbrochenen Glasscheibe. Er hatte eine blutende Fleischwunde. Ich schnappte ihn mir, legte einen nassen Lappen auf das Schienbein und brachte ihn ins Krankenhaus.“ Randnummer 26 Zum Tatvorwurf unter Nummer 7. der Anklageschrift befragt, der lautete, Randnummer 27 „Im Winter 2015 schlug der Angeschuldigte den Zeugen ... ebenfalls mit der flachen Hand in das Gesicht, sodass dessen Nase anfing zu bluten, wobei er das Leid des Kindes missachtete“, Randnummer 28 äußerte der Beklagte: Randnummer 29 „Es kann sein, dass ich ihm einmal eine gepatscht habe, aber nicht so, dass ihm die Nase blutete. … stänkert und tritt zu. Wenn man ihm das gleiche zurückgibt, wird er stinkig. Er kann nur austeilen, aber nicht einstecken.“ Randnummer 30 Im Anschluss an die Vernehmung zu den einzelnen Tatvorwürfen äußerte der Beklagte auf Frage seines Verteidigers: Randnummer 31 „… hatte einmal eine Ohrfeige von mir bekommen. Ich habe die Kinder aber nicht so geschlagen, dass ihnen die Nase blutete. Es kann aber sein, dass ich ihnen einmal einen Klaps gegeben habe.“ Randnummer 32 Nachdem die Verhandlung zweimal unterbrochen worden war, wurde nach Ende der zweiten Unterbrechung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung Folgendes protokolliert: Randnummer 33 „Der Vorsitzende erklärte, dass das Gericht wegen Körperverletzung auf 8 Monate Gesamtfreiheitsstrafe erkennt, bei einem Geständnis. Randnummer 34 Der Angeklagte erklärte: Randnummer 35 Mir ist die Hand öfter ausgerutscht, weil ich überfordert war durch meinen Dienst und die vielen Kinder. Ich holte mir die Familienhilfe, was aber auch nicht richtig half. Zu … und … habe ich keinen Kontakt mehr. Mit meinen jetzigen Kindern gibt es keine Probleme. Wir leben harmonisch zusammen. Seitdem ich verheiratet bin, ist meine Frau der Ruhepol. Früher hatten wir auch Querelen. Meine Frau geht arbeiten.“ Randnummer 36 Das am 5. Dezember 2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts ..., durch welches der Beklagte ausweislich Seite 8 des Hauptverhandlungsprotokolls wegen Körperverletzung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung verurteilt wurde, gelangte mit den Entscheidungsgründen am 11. Dezember 2017 zur Geschäftsstelle. Das Urteil wurde am 13. Dezember 2017 rechtskräftig. Randnummer 37 Nach dem Entscheidungssatz des mit Gründen versehenen Urteils erachtete das Amtsgericht den Beklagten der Körperverletzung in fünf Fällen für schuldig. Das Urteil des Amtsgerichts enthält nachfolgend wiedergegebene Feststellungen, die mit dem Satz eingeleitet werden, dass das Gericht zu den Feststellungen „im Rahmen der heutigen Hauptverhandlung“ aufgrund des „glaubhaften Geständnisses“ des Angeklagten gelangt sei: Randnummer 38 „Die am 30.08.2003 geborene ... und der am 17.12.2005 geborene ... lebten seit ihrer Geburt mit einer Unterbrechung in den Jahren 2006 bis 2009 im Haushalt des Angeklagten, ihrem leiblichen Vater. Beide wurden wiederholt von diesem in das Gesicht und auf das Gesäß geschlagen, teilweise so kräftig, dass ihre Nasen bluteten und blaue Flecken zurückblieben. Beide verbrachten in der Folgezeit einige Monate in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Randnummer 39 Im Jahre 2012 musste der Geschädigte ... eine Strafarbeit aus der Schule zu Hause verfassen. Nachdem er sich diverse Male verschrieben hatte, schlug der Angeklagte ihm achtmal auf das nackte Gesäß und missachtete dabei das Leid des Kindes. Randnummer 40 Nachdem die Geschädigte ... im Jahre 2014 einmal den Schulbus verpasst hatte, schlug ihr der Angeklagte so kräftig in das Gesicht, dass ihre Nase blutete. Randnummer 41 Im August 2015 versetzte der Angeklagte der Geschädigten ... erneut und wiederholt Schläge, sodass letztgenannte sich in der Folgezeit für zwei Monate wegen möglicher Suizidgedanken in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie aufhalten musste. Randnummer 42 Im Winter 2015 schlug der Angeklagte dem Geschädigten ... mit der flachen Hand auf die Wange, nachdem dieser beim Spielen eine Glasvitrine in seinem Zimmer aus Versehen kaputt gemacht hatte. Randnummer 43 Ebenfalls im Winter 2015 schlug der Angeklagte dem Geschädigten ... erneut mit der Hand in das Gesicht, so dass dessen Nase anfing zu bluten.“ Randnummer 44 Unter dem 14. Februar 2018 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass das Disziplinarverfahren fortgesetzt werde. Randnummer 45 Der Kläger stellte unter dem 4. Mai 2018 das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in dem Disziplinarverfahren zusammen und gab dem Beklagten mit Schreiben vom 2. Juli 2018 Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme. Der Beklagte äußerte sich mit Anwaltsschriftsatz vom 4. September 2018. Er bezog sich auf sein Vorbringen im Strafverfahren sowie darüber hinaus im Wesentlichen auf die Überforderung mit der Situation, sich als alleinerziehender berufstätiger Vater um die beiden kleinen und verhaltensauffälligen Kinder kümmern zu müssen. Er bedaure außerordentlich, dass es gegenüber … und … zu „Überreaktionen von strafrechtlicher Relevanz“ gekommen sei. Hierfür sei die geschilderte Belastungssituation ursächlich. Vorgeworfene Taten zum Nachteil anderer, insbesondere zulasten seiner früheren Lebensgefährtin Frau D., ihrer Tochter G. sowie seiner Kinder … und …, habe er nicht begangen. Randnummer 46 Nach Beteiligung des Hauptpersonalrates der Landespolizei hat der Kläger am 5. November 2018 gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Randnummer 47 Der Kläger hat dem Beklagten vorgeworfen, ein Dienstvergehen begangen zu haben, indem er als Polizeivollzugsbeamter seine außerdienstlichen Beamtenpflichten wiederholt und in gravierender Weise verletzt habe. Randnummer 48 Unter Gliederungspunkt I. der Disziplinarklageschrift („Vorwürfe“) ist zur Darstellung des vorgeworfenen Dienstvergehens folgendes ausgeführt worden: Randnummer 49 „Die [!] Beklagte hat sich in mehrfacher Hinsicht und wiederholt wegen Körperverletzung (§ 223 StGB) strafbar gemacht, indem er nach dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts … seine beiden leiblichen Kinder in den Jahren 2012 bis 2015 wiederholt in das Gesicht und auf das Gesäß schlug, teilweise so kräftig, dass ihre Nasen bluteten und blaue Flecken zurück blieben. Beide Kinder verbrachten infolge dessen einige Monate in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Randnummer 50 Des Weiteren wird ihm nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft … vorgeworfen, in den Jahren 2003 bis 2006 die Tochter seiner Lebensgefährtin wiederholt geschlagen und geschubst haben, teilweise so heftig, dass sie gegen feste Gegenstände oder auf den Boden fiel.“ Randnummer 51 Als Sachverhalt bezüglich der vorgeworfenen schuldhaften Dienstpflichtverletzung hat der Kläger unter Gliederungspunkt V. der Disziplinarklageschrift („Ergebnis der Ermittlungen“) die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts … vom 5. Dezember 2017 wiedergegeben. Diese hat der Kläger im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 LDG als bindend angesehen. Randnummer 52 Das Dienstvergehen sei zwar außerhalb des Dienstes begangen worden, durch die vom Beklagten verwirklichte schwerwiegende Vorsatzstraftat, die sich über Jahre hinziehenden Körperverletzungen zum Nachteil seiner Kinder, sei jedoch das berufserforderliche Vertrauen in ihn als Polizeibeamten in besonderem Maße beeinträchtigt. Dies indiziere die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme. Entlastende Gesichtspunkte seien nicht erkennbar. Insbesondere die vom Beklagten behauptete Überforderung reiche nicht aus, um eine Entgleisung während einer zwischenzeitlich überwundenen negativen Lebensphase anzunehmen. Auch die erstmals gegenüber dem Strafgericht erfolgte geständige Einlassung sowie das ansonsten beanstandungsfreie dienstliche und außerdienstliche Verhalten könnten sich nicht zugunsten des Beklagten auswirken. Randnummer 53 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 54 den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Randnummer 55 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 56 eine mildere Maßnahme zu verhängen. Randnummer 57 Er hat sich unter anderem gegen eine Bindungswirkung des strafgerichtlichen Urteils gewandt. Er habe die Taten lediglich pauschal zugegeben, als das Gericht im Gegenzug ein Strafmaß von unter zehn Monaten Freiheitsstrafe in Aussicht gestellt habe. Konkret eingelassen habe er sich nicht. Weder aus dem Hauptverhandlungsprotokoll noch aus dem Strafurteil ergebe sich, was das Geständnis, aufgrund dessen das Amtsgericht zu seinen Feststellungen gelangt sein wolle, genau umfasst haben solle. Der Kläger hätte vor diesem Hintergrund eigene Ermittlungen, insbesondere auch zu entlastenden Gesichtspunkten, durchführen müssen. Randnummer 58 Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 17. Kammer - hat den Beklagten mit Urteil vom 15. September 2022 in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8), welches nach der aktuellen Laufbahnverordnung das Eingangsamt der Laufbahngruppe 1 darstellt, zurückgestuft. Das Verwaltungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil als bindend angesehen, jedoch zugunsten des Klägers insbesondere angenommen, dass er die Taten aus einer zwischenzeitlich überwundenen Überforderungssituation heraus begangen habe. Vor diesem Hintergrund gebiete das Dienstvergehen keine Entfernung aus dem Dienst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen. Randnummer 59 Gegen das ihm am 26. September 2022 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Oktober bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Berufung des Klägers. Er hält den Beklagten angesichts der Schwere des Dienstvergehens für untragbar. Bereits das Strafmaß einer Freiheitsstrafe von acht Monaten für einfache Körperverletzungen zeige, wie schwerwiegend die Taten seien. Es spreche gegen den Beklagten, dass er aus der Sorg- und Obhutspflicht für seine Kinder heraus diese über mehrere Jahre aufgrund nichtiger Anlässe bzw. kindertypischer Verhaltensweisen absichtsvoll körperlich gezüchtigt habe, um sie zu erziehen bzw. zu maßregeln. Die Schläge hätten außer Verhältnis zu ihren Anlässen gestanden und erhebliche Folgen für die Kinder gehabt. Auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten sei keine andere Maßnahme geboten. Er habe mit dem Dienstvergehen gezeigt, dass er die charakterliche Anforderung an einen Polizeibeamten, auch im privaten Lebensbereich über ein Mindestmaß an Selbstbeherrschung zu verfügen, nicht erfülle. Der Beklagte scheine, wie seine Einlassungen in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht gezeigt hätten, auch nicht erkennen zu können, dass er als Erwachsener auf kindliche Gewaltausbrüche oder anderes Verhalten nicht seinerseits mit Gewalt reagieren dürfe. Die bisher beanstandungsfreie Dienstverrichtung sowie überdurchschnittliche Beurteilungen, die zuletzt gar nicht vorgelegen hätten, könnten nicht für den Beklagten sprechen. Weder die langjährige Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen seien geeignet, schwere Pflichtverstöße wie die vorgeworfenen Körperverletzungen zulasten der eigenen Kinder in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Hinsichtlich der Überforderungssituation sei dem Beklagten außerdem anzulasten, dass er sich trotz des langen Zeitraums der schwierigen familiären Situation und der Häufigkeit der Schläge nie Hilfe in Bezug auf seine eigene Unbeherrschtheit gesucht habe und er trotz des Wissens, wie belastend die Situation auch für seine Kinder gewesen sei, hierauf keine Rücksicht genommen habe. Dass die Taten länger zurücklägen, könne schließlich ebenso wenig mildernd berücksichtigt werden wie das zwischenzeitliche Wohlverhalten gegenüber seinen Kindern. Ein dauerhafter Vertrauensverlust könne nicht durch eine Nachbewährung nachträglich wiederhergestellt werden. Eine Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Maßnahmenbemessung könne in dem vorliegenden Fall nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis vereinbart werden, da die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nicht mehr gewährleistet wäre, wenn ein Beamter, dessen berufliche Integrität dauerhaft beschädigt sei, weiterhin Dienst leiste. Randnummer 60 Der Kläger beantragt, Randnummer 61 unter Abänderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer - vom 15. September 2022 den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Randnummer 62 Der Beklagte beantragt, Randnummer 63 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 64 Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis, macht aber erneut geltend, das Geständnis in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht entgegen dem tatsächlichen Hergang der ihm zur Last gelegten Taten auf anwaltlichen Rat hin nur wegen des in Aussicht gestellten Strafmaßes abgelegt zu haben. Er habe die Bindungswirkung des Urteils für das Disziplinarverfahren verkannt. Seine Kinder seien bereit, die gegenüber der Polizei gemachten Aussagen, die unzutreffend gewesen seien, richtig zu stellen. Trotz des Strafverfahrens habe er inzwischen wieder ein normales Verhältnis zu beiden Kindern. … lebe bei ihm, während regelmäßige Umgänge wahrnehme. Randnummer 65 Der Senat hat den Kläger mit Beschluss vom 19. Dezember 2022 aufgefordert, die dem Beklagten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen, die unter Gliederungspunkt I. der Disziplinarklageschrift vom 2. November 2018 als Vorwürfe formuliert sind, hinsichtlich Zeit, Ort, Begehungsweise und Folgen zu konkretisieren. Randnummer 66 Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 4. Januar 2023 mitgeteilt, dass sich der unter Gliederungspunkt I. der Disziplinarklage zuerst genannte Vorwurf in tatsächlicher Hinsicht lediglich auf die fünf konkreten Vorfälle beziehe, derentwegen der Beklagte durch das Amtsgericht … mit Urteil vom 5. Dezember 2017 wegen Körperverletzung in fünf Fällen verurteilt worden sei. Dass beide betroffenen Kinder des Beklagten als Folge der körperlichen Misshandlungen einige Monate in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie verbringen mussten, ergebe sich aus der diesbezüglichen allgemeinen Feststellung des Amtsgerichts, die durch die in der Strafakte enthaltenen Arztbriefe der betreffenden Klinik belegt sei. Die unter Gliederungspunkt I. der Disziplinarklage an zweiter Stelle genannten Vorwürfe zum Nachteil der Tochter der seinerzeitigen Lebensgefährtin des Beklagten seien nicht Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts … und damit nicht Bestandteil des festgestellten Dienstvergehens. Randnummer 67 Angesichts dieser Klarstellung und der fehlenden weiteren Konkretisierung im Übrigen hat der Senat das Disziplinarverfahren mit Beschluss vom 6. Januar 2023, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, eingestellt, soweit der Disziplinarvorwurf über die fünf durch das Amtsgericht … abgeurteilten konkreten Vorfälle hinausgeht. Randnummer 68 Der Senat hat sich mit dem in der mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2023 verkündeten Beschluss vollständig von den tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts … - Schöffengericht - vom 5. Dezember 2017 - 8 Ls 571 Js 32265/17 (69/17) - gelöst. Randnummer 69 Mit Beschlüssen vom 10., 16. und 26. Januar 2023 hat der Senat Beweis erhoben und die Zeuginnen und Zeugen D., ..., ..., G., B., J., K., M., I., N., O. und Dr. ... zu den fünf streitgegenständlichen Vorwürfen vernommen. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Randnummer 70 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die in der Klageschrift aufgeführten Beiakten, wie sie dem Senat vorgelegen haben, verwiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des M-Stadt-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 17. Kammer - vom 15. September 2022 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin Disziplinarkammer
Berlin
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30.10.2019
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Randnummer 1 Der 1... in N... geborene Beklagte begann nach Ende seiner Schulausbildung (Abschluss mit der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule im Jahr 1977) eine Ausbildung zum Elektromaschinenbauer im Trafowerk N..., die er erfolgreich abschloss und kurzzeitig in diesem Beruf arbeitete. Nach Absolvierung eines dreijährigen Militärdienstes bei der NVA wurde der Beklagte im Jahr 1983 als Hauptwachtmeister der Volkspolizei im Streifeneinzeldienst eingesetzt. Im Juli 1988 wurde er zum Meister der Volkspolizei befördert. Randnummer 2 Nach der Wiedervereinigung übernahm ihn der Kläger zunächst im Angestelltenverhältnis im Polizeidienst und ernannte ihn dann zum 1. Januar 1992 unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeimeister. 1995 erfolgte die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit, im Jahr 2004 die Beförderung zum Polizeiobermeister und im Jahr 2011 die Ernennung zum Polizeikommissar. Er wurde als Sachbearbeiter im Einsatzdienst einer Dienstgruppe auf einem Abschnitt verwendet und leistungsmäßig zuletzt (Zeitraum 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2012) mit „C“ bewertet. Der Beklagte ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Er ist disziplinarisch unbelastet. Randnummer 3 Durch Urteil vom 21. August 2018 – (2...) – verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Beklagten wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Unterschlagung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 50,- Euro. Gegen den zuvor erlassenen Strafbefehl vom 13. Juni 2018 (Gesamtstrafe 120 Tagessätze zu je 70,- Euro) hatte der Beklagte Einspruch eingelegt. Das Urteil (abgekürzte Fassung) enthält folgende Feststellungen – der Beklagte wird hierin als Angeklagter bezeichnet –: Randnummer 4 „…Der Angeklagte übte seinen Dienst als Polizeibeamter auf der Wache des Abschnitts in der M... in 1... Berlin- aus. Randnummer 5 1. Am 19. August 2016 verlor der geschädigte K... sein Portemonnaie in Berlin-S.... Die Geldbörse wurde von zwei Mädchen gefunden, die es zu dem Polizeiabschnitt brachten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in dem Portemonnaie noch 20,00 €. Der Angeklagte nahm als wachhabender Polizeibeamter das Portemonnaie entgegen und fertigte eine Fundanzeige, indem er aufnahm, dass in dem Portemonnaie kein Bargeld war. Tatsächlich entnahm der Angeklagte aus dem Portemonnaie die dort darin befindlichen 20,00 € und steckte sie in sein Portemonnaie, um das Geld für sich zu verwenden. Randnummer 6 2. Nachdem sich weitere Vorfälle ergaben, aus denen sich ein Verdacht gegen den Angeklagten erhärtete und sich die Fälle, dass auf dem Abschnitt Gegenstände verschwunden sind, häuften, entschloss man sich zu einer Täterfalle. Zu diesem Zwecke wurde ein Portemonnaie mit 18 Geldscheinen im Wert von insgesamt 250,00 € präpariert. Das Portemonnaie wurde von KOK E... auf der Wache des Abschnitts 21 an den Angeklagten übergeben. Der Angeklagte fertigte eine Fundanzeige, in diese Anzeige nahm er auf, dass in dem Portemonnaie lediglich 5,00 € Bargeld enthalten gewesen seien. Der Angeklagte entnahm den darüber hinaus gehenden Betrag und steckte diesen in sein eigenes Portemonnaie. Später meldete sich auf dem Abschnitt KHK’in A... als Inhaberin des Portemonnaies, um dieses in Empfang zu nehmen. Der Angeklagte, dem nicht bekannt war, dass es sich hierbei um eine Kollegin handelte, übergab ihr das Portemonnaie samt Personalausweis und Führerschein und erklärte, in dem Portemonnaie seien nur 5,00 € enthalten gewesen. Die Geldscheine wurden anschließend im Portemonnaie des Angeklagten sichergestellt, er wurde aus dem Dienst an dem Tag entlassen und ist seitdem suspendiert. III. Randnummer 7 Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte in zwei Fällen des Verwahrungsbruchs gemäß § 133 Abs. 1 und 3 sowie der Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 und 2 StGB jeweils in Tateinheit schuldig gemacht. Der Angeklagte handelte in beiden Fällen in seiner Eigenschaft als Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB. Ausgehend von dem gesetzlichen Strafrahmen wurde bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass der Angeklagte den Sachverhalt vollumfänglich verfahrensbeschleunigt eingeräumt hat und strafrechtlich bislang noch nicht in Erscheinung getreten ist. Zum Nachteil des Angeklagten kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beute im Fall 2 nicht unerheblich gewesen ist. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgesichtspunkten ist die Verhängung einer Geldstrafe tat- und schuldangemessen betrachtet. Aus den Einzelstrafen wird unter angemessener Erhöhung der höchsten Einzelstrafe gemäß § 53 StGB eine Randnummer 8 Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen Randnummer 9 gebildet. Bei der Tagessatzhöhe wurde berücksichtigt, dass der Angeklagte seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet ist, dass die Krankenversicherung in Ansatz zu bringen ist, und die Geldstrafe in der Gesamtsumme nicht unerheblich ist, so dass die Tagessatzhöhe mit 50,00 € festgesetzt wurde…“ Randnummer 10 In seiner Beschuldigtenvernehmung am 17. August 2017 räumte der Beklagte die zweite Tat (nach kurzem Zögern) ein und gab zu seinen Motiven an: Randnummer 11 „Dazu möchte ich sagen, dass meine finanzielle Situation angespannt ist und ich immer gerade so bis zum Monatsende auskomme. Ich bin Alleinverdiener, meine Frau arbeitet aus gesundheitlichen Gründen nicht. Ich habe einen Autokredit zu bedienen für einen V...-T..., der 2012 27.000 € gekostet hatte. Ich habe die gesamte Kaufsumme über einen Kredit finanziert. Wie hoch die monatliche Belastung ist mir nicht bekannt. Das Finanzielle macht alles meine Frau. Für unsere Wohnung in N... bezahle ich über 700 € an Miete. Dann sind Raten vom Versandhaus zu bezahlen für einen Kühlschrank. Wie hoch die Rate ist kann ich nicht sagen. Die Raten werden immer beglichen, ich habe ansonsten keine Schulden. Ich verfüge über keinerlei finanzielle Rücklagen. Ich hangle mich Monat für Monat gerade so hin. Das Geld verwaltet meine Frau und ich bekomme von ihr auch kein Taschengeld für mich. Manchmal bekomme ich von meiner Mutter ein paar Euro, ansonsten verkaufe ich Laubsägearbeiten und habe somit ein wenig Geld, aber nicht viel. Ich habe zwar eine EC-Karte, aber schon lange damit kein Geld mehr abgeholt. Randnummer 12 …Abschließend möchte ich sagen, dass dieser Fehler heute für mich unerklärlich ist und es mir leid tut. Ich habe keine sinnvolle und nachvollziehbare Erklärung dafür und entschuldige mich dafür in aller Form.“ Randnummer 13 Anlässlich eines Diebstahls einer E-Zigarette auf dem Abschnitt waren am 23. September 2016 (also etwa einen Monat nach der ersten Tat) Spinde, Rucksäcke und Waffenschließfächer der Polizeibeamten der Dienststelle auf freiwilliger Basis ohne Erfolg durchsucht worden. Im Waffenschließfach des Beklagten hatte man seinerzeit eine kleine Brotbox mit der Aufschrift „Weihnachtsspendenbox“ gefunden, die 722,- Euro Bargeld enthielt. Der Beklagte hatte angegeben, es handele sich um Erlöse seiner verkauften Schnitzereien. Er verkaufe auch öfters Schnitzereien an seine Kollegen im Abschnitt. Randnummer 14 Wegen des sachgleichen Vorwurfs des Strafverfahrens leitete der Leiter der Direktion am 18. August 2017 das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und informierte diesen hierüber. Mit Schreiben vom 4. September 2017 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass der höhere Dienstvorgesetzte das Disziplinarverfahren an sich gezogen habe. Mit Bescheid vom 3. November 2017 wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben, von einer Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge sah der Kläger im Hinblick auf die finanzielle Situation des Beklagten und seiner Familie ab, insbesondere wegen der Bedienung mehrerer Kredite in einer monatlichen Gesamthöhe von über 1.000,- Euro. Randnummer 15 Nach Beteiligung der Frauenvertreterin und des Personalrats erhob der Kläger am 18. März 2019 Disziplinarklage gegen den Beklagten, wobei er diesem als Dienstvergehen sachgleich die dem Strafverfahren zugrunde liegenden Handlungen vorwirft und sich hierbei insbesondere auf die Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten bezieht. Randnummer 16 Das Dienstvergehen wiege schwer, der Beklagte habe das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn vollständig zerstört. Die Straftaten seien erschwerend während der Dienstzeit geschehen. Gerade als es gegolten habe, repräsentativ als Organ der Rechtspflege der Dienstpflicht nachzukommen und anvertrautes Geld pflichtgemäß zu verwahren, habe der Beklagte das Vertrauen der Bürger auf das Schwerste erschüttert und auch das Ansehen der Berliner Polizei geschädigt. Durchgreifende Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Insbesondere habe kein Handeln des Beklagten in einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage vorgelegen. Dass der Beklagte nicht selbst über sein Geld verfügen dürfe, da seine Frau dieses verwalte, könne nicht zu einer Notlage führen. Randnummer 17 Weder habe eine Schuldenlast noch eine besondere Versuchungssituation vorgelegen, ebenso wenig der Milderungsgrund der Geringwertigkeit. Die Fundunterschlagungen während der Dienstzeit verletzten den Kernbereich der Beamtenpflichten. Randnummer 18 Der Kläger beantragt, Randnummer 19 den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, Randnummer 21 die Disziplinarklage abzuweisen. Randnummer 22 Er verweist als zu berücksichtigenden mildernden Aspekt darauf, vor dem Strafgericht ein umfassendes Geständnis abgelegt zu haben. Randnummer 23 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogene o.g. Strafakte verwiesen.
Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 1. Senat
Sachsen-Anhalt
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11.10.2023
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Anerkennung von Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit im Wege der Vorabentscheidung. Randnummer 2 Der 1958 geborene Kläger steht seit 1999 als beamteter Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der M-L-Universität H-Stadt im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt. Das nach Absolvierung des Zivildienstes von ihm am 1. Oktober 1981 aufgenommene Medizinstudium schloss er am 21. Mai 1987 mit der Ärztlichen Prüfung ab. Unter dem 23. Juni 1987 vereinbarte er mit der M-P-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, vertreten durch den Direktor des M-P-Instituts für Biochemie, einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 1987 mit einer Arbeitszeit von 86 Stunden monatlich. Die Beschäftigungsdauer wurde nachträglich bis zum 30. April 1988 verlängert. Durch Vertrag vom 13. August 1988 erhielt der Kläger für die Zeit vom 1. August 1988 bis zum 31. Januar 1989, nachträglich verlängert bis zum 31. Dezember 1989, ein Stipendium nach den Stipendienrichtlinien der M-P-Gesellschaft für ein Forschungsvorhaben am M-P-Institut für Biochemie mit der Verpflichtung, seine volle Arbeitskraft auf den Stipendienzweck zu verwenden. Durch Vertrag vom 29. Januar 1990 wurde der Kläger ab dem 1. Februar 1990 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollbeschäftigung am M-P-Institut für Biochemie angestellt. Vom 1. März 1993 bis zum 31. März 1994 arbeitete er als Arzt an der Inneren Abteilung eines Krankenhauses, anschließend vom 1. April 1994 bis zum 30. November 1996 ganztägig und in hauptberuflicher Stellung als wissenschaftlicher Angestellter am M-von-P-Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der L-M-Universität A-Stadt. Randnummer 3 Am 7. November 1990 wurde der Kläger zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) und am 4. Juni 1992 zum Doktor der Medizin (Dr. med.) promoviert. Eingangs seiner medizinischen Dissertation wies er darauf hin, dass „diese Arbeit in der Zeit von Januar 1985 bis Juni 1987 […] am M-P-Institut für Biochemie […] angefertigt“ worden sei. Die medizinische Habilitation (Dr. med. habil.) erlangte der Kläger am 1. Dezember 1993. Am 8. Mai 1996 erwarb er die Qualifikation zum Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, nachfolgend zudem die Qualifikation zum Facharzt für Laboratoriumsmedizin. Zum Antrag auf Anerkennung als Facharzt für Laboratoriumsmedizin erteilte der Leiter der Abteilung Virusforschung des M-P-Institut für Biochemie, Herr Prof. Dr. med. Dr. phil. H., dem Kläger für die Zeit seiner „ganztags und in hauptberuflicher Stellung“ ausgeübten Tätigkeit in dieser Abteilung vom 1. August 1987 bis zum 31. Dezember 1992 ein Zeugnis vom 25. Januar 1994 über den Erwerb von Kenntnissen und Erfahrungen auf den Weiterbildungsgebieten der Laboratoriumsmedizin. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 28. Juli 2020 gab der Beklagte dem Kläger durch Vorabentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2, § 79 Abs. 3 LBeamtVG LSA bekannt, dass er unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage folgende Zeiten als ruhegehaltfähig anerkenne (Ziffer I): Randnummer 5 1. Studium der Medizin vom 1. Oktober 1981 bis zum 21. Mai 1987 (Ärztliche Prüfung am 21. Mai 1987) mit 3 Jahren gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG LSA Randnummer 6 2. Wissenschaftliche Hilfskraft am M-P-Institut vom 1. Juni 1987 bis zum 30. April 1988 anteilig mit 166,24 Tagen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. LBeamtVG LSA Randnummer 7 3. Tätigkeit als Stipendiat am M-P-Institut vom 1. August bis zum 7. November 1988 mit 99 Tagen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. LBeamtVG LSA Randnummer 8 4. Zeit der Vorbereitung auf die Promotion vom 8. November 1988 bis zum 7. November 1990 mit 2 Jahren gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 LBeamtVG LSA Randnummer 9 5. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am M-P-Institut vom 8. November bis zum 1. Dezember 1990 gemäß § 79 Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. LBeamtVG LSA Randnummer 10 6. Erbringung der Habilitationsleistung vom 2. Dezember 1990 bis 1. Dezember 1993 mit 3 Jahren gemäß § 79 Abs. 2 Satz 3 und 4 LBeamtVG LSA Randnummer 11 7. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am M-P-Institut vom 2. Dezember 1993 bis zum 31. März 1994 gemäß § 79 Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. LBeamtVG LSA Randnummer 12 8. Wissenschaftlicher Angestellter an der Universität A-Stadt vom 1. April 1994 bis zum 30. November 1996 mit 2 Jahren und 244 Tagen gemäß § 15 LBeamtVG LSA Randnummer 13 Darüber hinaus enthielt der Bescheid die Festlegung, dass über die Ruhegehaltfähigkeit von Zeiten außerhalb der §§ 15 bis 17, 79 Abs. 2 LBeamtVG LSA erst im Zusammenhang mit dem Versorgungsfall zu entscheiden sei (Ziffer II). Den weitergehenden Antrag des Klägers auf Anerkennung der Zeiten vom 22. bis zum 31. Mai 1987, vom 1. Mai bis zum 31. Juli 1988, vom 1. bis zum 31. Dezember 1996 und vom 1. September 1998 bis zum 14. Februar 1999 lehnte der Beklagte ab (Ziffer III). Randnummer 14 Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 18. August 2020, mit dem er zum einen die (volle) versorgungsrechtliche Berücksichtigung seines Zivildienstes, zum anderen der Zeiten seiner Tätigkeiten vom 1. Juni 1987 bis zum 30. November 1996 (9 Jahre und 183 Tage) am M-P-Institut für Biochemie sowie am M-von-P-Institut der L-M-Universität A-Stadt begehrte, wies der Beklagte mit am 27. November 2020 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 24. November 2020 als unbegründet zurück. Randnummer 15 Mit seiner am 26. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht Halle erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, Randnummer 16 den Beklagten zu verpflichten, den Zivildienst des Klägers im Zeitraum vom 1. August 1979 bis zum 30. November 1980 sowie die Tätigkeiten des Klägers am M-P-Institut für Biochemie und am M-von-P-Institut der L-M-Universität A-Stadt im Zeitraum vom 1. Juni 1987 bis zum 30. November 1996 vollzeitig als ruhegehaltfähig anzuerkennen, und den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24. November 2020 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht. Randnummer 17 Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat beantragt, Randnummer 18 die Klage abzuweisen. Randnummer 19 Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Juni 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Randnummer 20 Hinsichtlich seines Zivildienstes habe der Kläger nach § 79 Abs. 3 LBeamtVG LSA vor Eintritt des Versorgungsfalls keinen Anspruch auf Vorabanerkennung. Hinsichtlich der übrigen Zeiten - der Mehrarbeit im Anstellungsverhältnis am M-P-Institut, der zwei Facharztausbildungen und der zweiten Promotionszeit des Klägers - bestehe zwar dem Grunde nach ein solcher Bescheidungsanspruch. Der vom Beklagten insoweit bestimmte Umfang der Anerkennung sei indes rechtlich nicht zu beanstanden. Randnummer 21 Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers als wissenschaftliche Hilfskraft am M-P-Institut vom 1. Juni 1987 bis zum 30. April 1988 sei § 79 Abs. 2 Satz 5 LBeamtVG LSA. Zu beachten sei allerdings, dass nach § 79 Abs. 2 Satz 7 LBeamtVG LSA Zeiten mit einer geringeren als der regelmäßigen Arbeitszeit nur zu dem Teil als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden dürften, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur regelmäßigen Arbeitszeit entspreche. Im Einklang hiermit habe der Beklagte die ruhegehaltfähige Dienstzeit des Klägers für den genannten Zeitraum unter Berücksichtigung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 86 Wochenstunden berechnet. Auf den tatsächlichen Beschäftigungsumfang, wie ihn der Kläger behaupte, komme es dagegen nicht an. Unter dem Begriff „geringere Arbeitszeit“ im Sinne von § 79 Abs. 2 Satz 7 LBeamtVG LSA sei nämlich die normativ festgelegte Teilarbeitszeit unter Ausschluss der geleisteten Mehrarbeit zu verstehen. Andernfalls wäre die Mehrarbeit keine „Mehr“-Arbeit, sondern Teil der offiziellen Dienstzeit. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Mehrarbeit beim Kläger über eine längere Dauer erstreckt habe. Der Umfang der normativ festgelegten Teilzeitquote ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag vom 23. Juni 1987. Soweit der Kläger darlege, dass es üblich sei, Doktoranden, Habilitanden und wissenschaftliche Mitarbeiter auf halben Stellen oder ganz ohne Bezahlung vollzeitig zu beschäftigen, müsse er sich gleichwohl auf die arbeitsvertraglich fixierte Teilzeitbeschäftigung verweisen lassen. Dies entspreche dem Zweck der gesetzlichen Regelung, dem Hochschulpersonal eine Altersversorgung zu verschaffen, als wenn die vordienstlichen Tätigkeiten im Beamtenverhältnis abgeleistet worden wären. Auch im Beamtenverhältnis werde die über die Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit versorgungsrechtlich jedoch nicht berücksichtigt und seien Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung nach § 12 Abs. 1 Satz 3 LBeamtVG LSA nur nach Maßgabe des Verhältnisses der ermäßigten zur regelmäßigen Arbeitszeit ruhegehaltfähig. Randnummer 22 Der Kläger könne auch nicht die Zeiten seiner beiden Facharztausbildungen als ruhegehaltfähig beanspruchen. Es handele sich nicht um Zeiten, in denen der Kläger bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden besondere Leistungen erbracht habe, sondern um Ausbildungszeiten, in denen er als Assistenzarzt von erfahrenen Fachärzten die bestehenden Grundlagen und Methoden seines Fachgebiets durch praktisches Arbeiten erlernt habe. Besondere, für die Wahrnehmung seiner Professur förderliche Fachkenntnisse habe der Kläger nicht erworben. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die ärztlichen Ausbildungen für seine wissenschaftlich-akademische Qualifikation relevant gewesen seien. Eine solche Förderlichkeit habe die Personalstelle der M-L-Universität H-Stadt nicht bestätigt. Randnummer 23 Schließlich seien auch die Zeiten der zweiten Promotion des Klägers zum Doktor der Medizin nicht anerkennungsfähig. § 79 Abs. 2 Satz 2 LBeamtVG LSA begrenze die Anerkennungsfähigkeit der Promotionsvorbereitung auf lediglich eine Promotion. Dementsprechend habe der Beklagte die Zeit vom 8. November 1988 bis zum 7. November 1990 als ruhegehaltfähig anerkannt. Ein Anspruch auf Anerkennung einer zweiten Promotion bestehe nicht. Als Professor könne berufen werden, wer (unter anderem) die besondere Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit nachweise, und zwar in der Regel durch die Qualität einer Promotion. Mit seiner zweiten Promotion habe der Kläger eine wissenschaftliche Leistung erbracht, die keine Berufungsvoraussetzung gewesen sei. Nach Auskunft der M-L-Universität H-Stadt sei Berufungsvoraussetzung für die in Rede stehende Professur vielmehr entweder die Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften oder die Promotion zum Doktor der Medizin gewesen. Randnummer 24 Mit Beschluss vom 11. November 2022, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 14. November 2022, hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, die Tätigkeit des Klägers als wissenschaftliche Hilfskraft vom 1. Juni 1987 bis zum 30. April 1988 in vollem Umfang von 335 Tagen als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen; im Übrigen hat der Senat den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Randnummer 25 Der Kläger hat die Berufung - nach Verlängerung der Begründungsfrist durch den Senatsvorsitzenden - mit fristgerecht am 30. Januar 2023 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz gleichen Datums begründet. Er macht unter anderem geltend: Randnummer 26 Die vom Senat ausgesprochene Teilzulassung der Berufung sei unwirksam, weil die Berufungszulassung nicht auf einzelne Rechtsfragen oder einzelne von mehreren konkurrierenden Anspruchsgrundlagen beschränkt werden könne. Die ununterbrochene Forschungstätigkeit des Klägers am M-P-Institut vom 22. Mai 1987 bis zum 31. März 1994 sei im Rahmen der versorgungsrechtlichen Beurteilung weder tatsächlich noch rechtlich teilbar. Es handele sich um einen einheitlichen Gesamtanspruch, nicht um eine objektive Klagehäufung. Die Berufung sei daher auch insoweit statthaft, als der Kläger über den Zeitraum vom 1. Juni 1987 bis zum 30. April 1988 hinaus auch die Anerkennung des Zeitraums vom 22. Mai 1987 bis zum 31. März 1994 begehre. Randnummer 27 Auch der zehntägige Zeitraum vom 22. Mai bis zum 31. Mai 1987, in dem der Kläger nach Abschluss seines Medizinstudiums noch ohne Vertrag am M-P-Institut geforscht habe, könne in das Berufungsverfahren einbezogen werden. Der Kläger habe sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren deutlich gemacht, dass er auch diesen Zeitraum berücksichtigt wissen wolle. Jedenfalls stelle die insoweit interessengerechte Erweiterung eine sachdienliche Klageänderung dar. Randnummer 28 Die vollumfängliche Ruhegehaltfähigkeit der Tätigkeit des Klägers am M-P-Institut im Zeitraum vom 22. Mai 1987 bis zum 31. März 1994 ergebe sich daraus, dass der Kläger, der seine medizinische Dissertation bereits zwischen dem 1. Januar 1985 und der Beendigung seines Studiums am 21. Mai 1987 fertiggestellt habe, unmittelbar nach dem Studienabschluss mit den Arbeiten für seine Habilitation begonnen habe. Entgegen dem Rechtsstandpunkt des Beklagten sei für die Erbringung der Habilitationsleistungen des Klägers infolgedessen nicht der vor dem Habilitationsdatum (1. Dezember 1993) liegende Dreijahreszeitraum, der sich vollständig mit ohnehin nach § 79 Abs. 2 Satz 5 2. Halbs. LBeamtVG LSA ruhegehaltfähigen Zeiten der hauptberuflichen Tätigkeit des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter am M-P-Institut überschneide, zu berücksichtigen, sondern vielmehr der Zeitraum vom 22. Mai 1987 bis zum 21. Mai 1990. Anders als bei der zeitlichen Zuordnung von Promotionszeiten gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 LBeamtVG LSA gebe es in § 79 Abs. 2 Satz 3 und 4 LBeamtVG LSA keine normative Vorgabe, wonach auch Zeiten der Habilitation vom Ende her zu berechnen seien. Abzustellen sei deshalb auf die Zeit, in der der betreffende Beamte tatsächlich Leistungen für seine Habilitation erbracht habe. Diese Zeit müsse der Erlangung der Habilitation nicht unmittelbar vorausgehen. Für eine analoge Heranziehung der zeitlichen Rückberechnung wie bei der Promotion sei angesichts des unterschiedlichen Charakters und Ablaufs von Promotionsverfahren einerseits und Habilitationsverfahren andererseits kein Raum. Diese Unterschiede zeigten sich nicht zuletzt darin, dass die Promotion in einer einheitlichen Leistung bestehe, wohingegen die Habilitation ohne Weiteres mehrere wissenschaftliche Leistungen aus verschiedenen Forschungsprojekten an verschiedenen Forschungseinrichtungen umfassen könne. Randnummer 29 Der Kläger habe seine Habilitation unmittelbar nach Ablegung der Ärztlichen Prüfung in derselben Abteilung des M-P-Instituts in Angriff genommen, in der er zuvor - noch als Student - seine medizinische Doktorarbeit angefertigt habe. Er habe im Labor von Herrn Prof. Dr. Dr. H. über einen voll eingerichteten Arbeitsplatz und einen eigenen Schlüssel für die Abteilung verfügt. Er habe weitgehend selbständig, unterstützt durch eine medizinisch-technische Forschungsassistentin, gearbeitet. Ab dem 22. Mai 1987 sei er von Herrn Dipl.-Chem. Dr. rer. nat. D. in das Forschungsprojekt „Charakterisierung integrierter HBV-Sequenzen der Hepatomzelllinie huH4“ eingearbeitet worden, das später ein Teil seiner medizinischen Habilitation geworden sei. Im Juli 1987 habe der Kläger das Projekt von Herrn Dr. D. übernommen. Der Beklagte sei zur Vermeidung von Willkür sowie nach Treu und Glauben, weil er die Ruhegehaltfähigkeit der Vordienstzeiten des Klägers nicht schon bei dessen Berufung in das Beamtenverhältnis überprüft habe, verpflichtet, den 22. Mai 1987 als Beginn der Erbringung von Habilitationsleistungen durch den Kläger anzusetzen. Randnummer 30 Werde dem Kläger für die Vorbereitung seiner (ersten) Promotion der Zweijahreszeitraum vom 8. November 1988 bis zum 7. November 1990 anerkannt, seien für seine Habilitation richtigerweise die Zeiträume vom 22. Mai 1987 bis zum 7. November 1988 (1 Jahr und 170 Tage) sowie vom 8. November 1990 bis zum 21. Mai 1992 (1 Jahr und 195 Tage, insgesamt 3 Jahre) als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen. In diesem Gesamtzeitraum habe seine Forschungstätigkeit am M-P-Institut sowohl seiner medizinischen Habilitation als auch seiner naturwissenschaftlichen Promotion gedient. Randnummer 31 Dass der Arbeitsvertrag mit der M-P-Gesellschaft vom 23. Juni 1987 nur eine halbe Stelle ausweise, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kläger auch in der Zeit zwischen dem 1. Juni 1987 und dem 30. April 1988 tatsächlich eine Vollzeittätigkeit ausgeübt habe. Zu jener Zeit sei es üblich gewesen, dass noch nicht promovierte Wissenschaftler entweder ohne jede Bezahlung oder auf einer halben Stelle gearbeitet hätten. Die geforderte regelmäßige Wochenarbeitszeit habe jedoch nicht unter 40, sondern 60 oder mehr Stunden betragen. Das M-P-Institut habe als eine Einrichtung der Spitzenforschung höchste Leistungsbereitschaft von den bei ihm beschäftigten Wissenschaftlern erwartet. Für einen neu eingestellten Mitarbeiter sei es schlechterdings nicht vorstellbar gewesen, weniger als 40 Stunden zu arbeiten, auch wenn er nur einen „halben Vertrag" erhalten habe. Demgemäß habe auch Herr Prof. Dr. Dr. H. in seinem dem Kläger ereilten Weiterbildungszeugnis vom 25. Januar 1994 bestätigt, dass der Kläger vom 1. August 1987 (erst ab diesem Datum habe Herr Prof. Dr. Dr. H. die erforderliche Weiterbildungsbefugnis besessen) bis zum 31. Dezember 1992 „ganztags und in hauptberuflicher Stellung“ in der von ihm geleiteten Abteilung des M-P-Instituts tätig gewesen sei. Im Hinblick auf die davorliegenden Arbeitsmonate des Klägers habe es sich ebenso verhalten. Randnummer 32 Entgegen dem verwaltungsgerichtlichen Urteil komme es bei der Anwendung des § 79 Abs. 2 LBeamtVG LSA nicht allein auf den Inhalt der Arbeitsverträge, sondern auf die tatsächliche Arbeitszeit an. Die vom Kläger „zusätzlich“ geleisteten Arbeitsstunden seien nicht als „Mehrarbeit“ oder „Überstunden“ zu qualifizieren, sondern als regelmäßige Arbeitszeit. Dass diese Arbeit nur hälftig vergütet worden sei, sei für die Anerkennung als ruhegehaltfähig unerheblich. Vertragsrechtlich sei durch die Forderung oder zumindest Duldung der regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens 40 Wochenstunden durch den Arbeitgeber eine konkludente Vereinbarung zustande gekommen. Dass im Beamtenrecht die über die reguläre Arbeitszeit hinausgehende Mehrarbeit versorgungsrechtlich nicht berücksichtigt werde, ändere an dieser Beurteilung nichts. Bei einem teilzeitbeschäftigten Beamten könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass er zur Sicherung seines Lebensunterhalts eine weitere (Neben-) Tätigkeit ergreife und dadurch weitere Versorgungsansprüche erwerbe. Da der Kläger für die Tätigkeit am M-P-Institut jedoch seine volle Arbeitskraft eingesetzt habe, habe er keine weitere Beschäftigung aufnehmen können, um seine Altersversorgung zu ergänzen. Randnummer 33 Soweit § 79 Abs. 2 Satz 2 LBeamtVG LSA für die als ruhegehaltfähig geltende Promotionszeit eine vom Promotionsdatum ausgehende Rückberechnung vorschreibe, sei die Regelung verfassungswidrig. Da der Kläger bereits als Student in der Zeit nach dem 1. Januar 1985 seine medizinische Dissertation erstellt bzw. die dafür erforderlichen experimentellen Arbeiten durchgeführt habe, könne er insoweit - da sich dies für ihn in der Gesamtbetrachtung als günstiger darstelle - die Berücksichtigung eines vor dem 21. Mai 1987 liegenden Zweijahreszeitraums verlangen, der nicht vom dreijährigen, mit dem 1. Oktober 1981 beginnenden Anerkennungszeitraum für seine Hochschulausbildung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG LSA abgedeckt sei. Die in § 79 Abs. 2 Satz 2 LBeamtVG LSA aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität vorgesehene Rückberechnung verletze zum einen den allgemeinen Gleichheitssatz. Sie benachteilige die im Fach Medizin promovierten Beamten, weil deren Promotionszeiten häufig schon nach anderen Bestimmungen als ruhegehaltfähig anzuerkennen seien und daher nicht mehr wirksam in die berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten einfließen könnten. Diese Schlechterstellung betreffe alle promovierten Beamten, bei denen die mündliche Promotionsprüfung erst lange nach Abschluss der tatsächlichen Promotionsarbeiten stattfinde mit der Folge, dass es zu einer Überlappung mit sonstigen ruhegehaltsfähigen Zeiten komme. Zum anderen verstoße die Rückberechnung gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie beraube Beamte mit medizinischer Promotion und Beamte, die ihre Promotionsprüfung aus anderen Gründen erst während ihrer späteren Berufstätigkeit abgelegt hätten, eines Teils ihrer Versorgungsbezüge. Da die Vorschrift erst durch Gesetz vom 13. Juni 2018 neu geschaffen worden sei, habe der Kläger keine Möglichkeit gehabt, Dispositionen für eine anderweitige Alterssicherung zu treffen. Randnummer 34 Die von Herrn Prof. Dr. Dr. H. für den Zeitraum vom 1. August 1987 bis zum 31. Dezember 1992 bescheinigte Weiterbildung des Klägers zum Facharzt sei ferner deswegen vollständig als ruhegehaltfähig anzuerkennen, weil der Kläger die Qualifikation zum Facharzt benötigt habe, um die ihm mit der Berufung zum Professor übertragene Leitung des Instituts für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum H-Stadt einschließlich der damit verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung sowie der dem Institutsleiter obliegenden fachlichen Anleitung, Beaufsichtigung und Ausbildung der ihm unterstellten (Assistenz-) Ärzte wahrnehmen zu können. Die Facharztweiterbildung am M-P-Institut habe dem Kläger mithin besondere, als förderlich einzustufende Fachkenntnisse verschafft. Eine anderslautende Stellungnahme der Personalstelle der M-L-Universität H-Stadt existiere nicht. Im Gegenteil habe die M-L-Universität H-Stadt mit Schreiben an den Beklagten vom 3. August 2005 die dem Kläger zuerkannten Facharztqualifikationen als „zwingend notwendige Voraussetzungen“ für seine weitere wissenschaftliche Laufbahn als Hochschullehrer und aus diesem Grund explizit als förderlich für sein Amt bezeichnet. Randnummer 35 Rechtswidrig sei der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2020 auch insoweit, als der Zeitraum vom 1. September 1998 bis zum 14. Februar 1999 nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden sei. In diesem Zeitraum sei der Kläger als Beamter des Landes Baden-Württemberg unter Wegfall der Dienstbezüge beurlaubt gewesen. Diese Beurlaubung habe - wie seinerzeit vom Universitätsklinikum T-Stadt ausdrücklich festgestellt - dienstlichen Interessen gedient, weshalb es sich um regelmäßige ruhegehaltfähige Dienstzeit nach § 12 LBeamtVG LSA handele. Da diese Norm nicht unter § 5 Abs. 2 Satz 2 oder § 79 Abs. 3 LBeamtVG LSA falle, könne die Feststellung der Ruhegehaltfähigkeit zwar erst mit Eintritt des Versorgungsfalls erfolgen. Der insoweit fehlerhafte Ablehnungsbescheid des Beklagten bedürfe diesbezüglich aber der Aufhebung. Randnummer 36 Der Kläger beantragt (sinngemäß), Randnummer 37 1. den Beklagten im Wege der Vorabentscheidung nach § 5 Abs. 2 Satz 2, § 79 Abs. 3 LBeamtVG LSA zu verpflichten, Randnummer 38 a) die Tätigkeit des Klägers am M-P-Institut für Biochemie im Zeitraum vom 22. Mai 1987 bis zum 31. März 1994 in vollem Umfang von 6 Jahren und 314 Tagen, Randnummer 39 hilfsweise die Tätigkeit des Klägers am M-P-Institut für Biochemie im Zeitraum vom 1. Juni 1987 bis zum 30. April 1988 in vollem Umfang von 335 Tagen, Randnummer 40 b) dem Kläger für die Erlangung der Promotion den Zeitraum vom 22. Mai 1985 bis zum 21. Mai 1987 Randnummer 41 als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen, und den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24. November 2020 aufzuheben sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 29. Juni 2022 abzuändern, soweit sie dem entgegenstehen, Randnummer 42 2. den Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2020 aufzuheben, soweit die Anerkennung der Zeit der Beurlaubung des Klägers durch das Universitätsklinikum T-Stadt vom 1. September 1998 bis zum 14. Februar 1999 als ruhegehaltfähig abgelehnt worden ist. Randnummer 43 Der Beklagte beantragt unter Verteidigung seiner Bescheide und des angefochtenen Urteils, Randnummer 44 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 45 Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 25. Juli 2023 und 17. August 2023 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Die Berufung wird, soweit sie zulässig ist, zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung verworfen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Thüringer Landessozialgericht 6. Senat
Thüringen
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25.02.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2012 zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung verpflichtet ist. Randnummer 2 Der 1950 geborene Kläger war selbständiger Inkassounternehmer und ist seit dem 1.Oktober 1991 freiwilliges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. (nachfolgend einheitlich: Beklagte zu 1.) und seit dem 1. Januar 1995 Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. (nachfolgend einheitlich: Beklagte zu 2.). Randnummer 3 Er war seit August 2007 arbeitsunfähig erkrankt und gab an, im Rahmen seiner Tätigkeit Opfer einer Gewalttat geworden zu sein. Die Beklagte zu 1. gewährte ihm Krankengeld; der Kläger war in dieser Zeit beitragsfrei. Mit Bescheid vom 21. April 2009 teilte ihm die Beklagte zu 1. mit, dass nach Erreichen der Höchstanspruchsdauer, Krankengeld nur noch bis zum 30. April 2009 gezahlt werden könne. Mit Überprüfungsbescheid vom 14. Oktober 2010 lehnte sie eine Rücknahme des Bescheides vom 21. April 2009 ab. Widerspruch und Klage waren erfolglos. Das beim Senat anhängige Berufungsverfahren (L 6 KR 1282/12) wurde noch nicht entschieden. Randnummer 4 Die Beklagten zu 1. und 2. setzten durch jeweils gemeinsame Bescheide vom 20. und 28. Mai 2009 unter Beachtung einer Mindesteinnahmegrenze von 1.890 € die ab dem 1. Mai 2009 zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung unter Vorbehalt fest. Die endgültige Festsetzung sollte nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids erfolgen. In seinem Widerspruch vom 2. Juli 2009 berief sich der Kläger unter anderem darauf, ihm sei telefonisch zugesagt worden, dass er in der „Rehabilitationsphase“ zwar kein Krankengeld erhalte aber beitragsfrei gestellt sei. Die Beklagten zu 1. und 2. bestritten mit Schreiben vom 22. Juli 2009, dass eine solche Aussage gemacht worden sei. Mit Abhilfebescheid vom 25. August 2009 stuften sie den Kläger als bedürftigen Selbständigen ein und setzten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung unter Beachtung einer Mindesteinnahmegrenze von 1.260 € neu fest, den Widerspruch wiesen sie mit gemeinsamen Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2009 zurück. Randnummer 5 Das Sozialgericht Gotha hat die am 29. Januar 2010 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2010, dem Kläger zugestellt am 7. Juli 2010, abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Beitragsbefreiung lägen nicht vor. Randnummer 6 Mit seiner am Montag, den 9. August 2010 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangenen Berufung begehrt der Kläger die Aufhebung der Beitragsbescheide. Es sei zu berücksichtigen, dass er Opfer einer Gewalttat geworden sei. Der erkennende Senat solle entscheiden, dass er als Opfer einer Gewalttat einer Sonderregelung unterliege, die eine Beitragserhebung von vornherein ausschließe. Darüber hinaus sei ihm am 17. April 2009 fernmündlich zugesagt worden, ihn für die Zeit der Rehabilitation ab dem 1. Mai 2009 beitragsfrei zu stellen. Das diese Erklärung nicht schriftlich fixiert sei, sei unschädlich, weil es sich bei der Beklagten nicht um eine Behörde handele und das Schriftformerfordernis nicht gelte. Im Übrigen habe er nach dem Telefonat den Inhalt in einem Schreiben „Einigung vom 17.04.2009“ zusammengefasst und an die Beklagten zu 1. und 2. übersandt, wonach er sich mit „Herrn Sch. von der W. Zentrale der B. E.“ am 17. April 2009 u.a. über eine Beitragsfreiheit für die Dauer der Wiedereingliederungsphase geeinigt habe. Die Beklagten hätten dem Schreiben nicht widersprochen. Da ihm noch Ansprüche auf Krankengeld für die Zeit von Mai bis Dezember 2009 in Höhe von 8.000 € und für die Zeit von Juli 2011 bis Dezember 2012 in Höhe von 18.000 € zustünden, sei er bis einschließlich Dezember 2012 beitragsfrei gestellt. Letztlich habe das Sozialgericht fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden. Randnummer 7 Der Kläger beantragt, Randnummer 8 die Bescheide vom 18. April 2011 für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2012 aufzuheben. Randnummer 9 Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Sie sind der Ansicht, dass die Heranziehung des Klägers zu Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 1. Mai 2009 nicht zu beanstanden sei. Randnummer 12 Die Beklagten zu 1. und 2. haben nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids 2009 durch vier Bescheide vom 18. April 2011 die Beiträge für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2011 endgültig festgesetzt, ohne dass es zu einer Beitragsnachforderung kam. Mit weiterem Bescheid vom 18. April 2011 erfolgte eine Neufestsetzung der Beiträge ab dem 1. Mai 2011 unter Berücksichtigung einer Mindesteinnahmegrenze von 1.277,50 €. Randnummer 13 Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 17. Juni 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 67 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2014 L. Sch., Sachgebietsleiter in der Leistungsabteilung/Entgeltersatzleistungen der Beklagten, sowie die Ehefrau des Klägers, B. K. als Zeugen vernommen. Zum genauen Inhalt wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Randnummer 14 Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Klagen gegen die Bescheide vom 18. April 2011 werden abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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05.08.2015
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über einen auf Zahlung von Urlaubsabgeltung gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin. Randnummer 2 Die Klägerin war bei dem Beklagten vom 01.04.2008 bis zum 15.04.2014 als geringfügig Beschäftigte tätig. Sie arbeitete jeweils von montags bis freitags und erhielt zuletzt eine vertragsgemäße Arbeitsvergütung von 450,00 EUR netto monatlich. Randnummer 3 Der von der Beklagten vorformulierte Arbeitsvertrag der Parteien vom 01.04.2008 enthält in § 2 u.a. folgende Bestimmung: Randnummer 4 "…Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass die Vergütung entsprechend den Vorschriften des § 40a Einkommenssteuergesetz erfolgen soll und somit ein Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht besteht." Randnummer 5 Die Klägerin hat während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen bezahlten Urlaub erhalten. Randnummer 6 Mit ihrer am 07.08.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Abgeltung von insgesamt 101 Urlaubstagen für die Jahre 2010 bis 2014 mit einem Gesamtbetrag von 1.515,00 EUR netto in Anspruch genommen. Bezüglich der Zusammensetzung dieses Betrages wird auf die Klageschrift vom 05.08.2014 (dort Seite 2 = Bl. 2 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte zahlte nach Klageerhebung den auf das Urlaubsjahr 2014 entfallenden Teilbetrag an die Klägerin aus, so dass diese ihre Klage insoweit nicht mehr weiterverfolgt hat. Randnummer 7 Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.12.2014 (Bl. 35 bis 38 d. A.). Randnummer 8 Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt, Randnummer 9 die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.410,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.08.2014 zu zahlen. Randnummer 10 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 11.12.2014 in Höhe von 1.080,00 EUR netto nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Abgeltungsanspruchs für den ihr in den Jahren 2011, 2012 und 2013 nicht gewährten Urlaub. Der diesbezügliche Schadensersatzanspruch für das Jahr 2010 sei jedoch verjährt. Zur Darstellung der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf Bl. 5 bis 9 des erstinstanzlichen Urteils (= Bl. 38 bis 42 d. A.) verwiesen. Randnummer 13 Gegen das ihr am 20.01.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.02.2015 Berufung eingelegt und diese am 19.03.2015 begründet. Die Klägerin hat am 11.03.2015 Anschlussberufung eingelegt. Randnummer 14 Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts führe die im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, wonach der Klägerin im Hinblick auf § 40 a EStG kein Urlausanspruch zustehe, nicht dazu, dass der Klägerin bezüglich der verfallenen Urlaubsansprüche ein Schadensersatzanspruch zustehe. Die Verwendung der zweifellos rechtsunwirksamen Vertragsklausel habe lediglich zur Folge, dass die gesetzlichen Vorschriften anzuwenden seien. Die Klägerin sei daher gehalten gewesen, ihre Urlaubsansprüche jeweils rechtzeitig geltend zu machen. Sie - die Beklagte - habe bei Vertragsschluss insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen, als sie gemeint habe, in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen bestehe kein Urlaubsanspruch. Randnummer 15 Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 19.03.2015 (Bl. 74 bis 77 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, Randnummer 17 1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, Randnummer 18 2. die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, Randnummer 21 2. das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, über den bereits zugesprochenen Betrag von 1.080,00 EUR hinaus weitere 330,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2014 zu zahlen. Randnummer 22 Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil soweit der Klage stattgegeben wurde nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 29.04.2015 (Bl. 86 f. d. A.), auf die Bezug genommen wird. Zur Begründung ihrer Anschlussberufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht insoweit zum Teil verjährt, als er auf die Nichtgewährung von Urlaub im Jahr 2010 gestützt werde. Auch diesbezüglich sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihr im Arbeitsvertrag mitgeteilt habe, dass ein Urlaubsanspruch nicht bestehe. Sie - die Klägerin - sei daher davon ausgegangen, sie habe keinen Urlaubsanspruch. Erst infolge der Konsultierung ihres Rechtsanwalts am 06.05.2014 habe sie Kenntnis von der tatsächlichen Rechtslage erlangt. Randnummer 23 Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin zur Begründung ihrer Anschlussberufung wird auf deren Schriftsatz vom 10.03.2015 (Bl. 65 f. d. A.) Bezug genommen.
I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserlautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.12.2014, Az: 6 Ca 446/14, werden zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat 77 % und die Klägerin 23 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 3. Senat
Schleswig-Holstein
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23.11.2020
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Zuordnung des im Dezember 2013 erworbenen Pkw als Betriebsvermögen und die steuerliche Behandlung der damit zusammenhängenden Leasingsonderzahlung in der Einnahmenüberschussrechnung im Veranlagungszeitraum 2013. Randnummer 2 Die verheirateten Kläger werden gem. §§ 26, 26 b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG). Die Gewinnermittlung erfolgte durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Außerdem erzielte er im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), aus der Vermietung einer Ferienimmobilie (§ 21 EStG) sowie aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG). Die Klägerin erzielte Einkünfte aus selbständiger (§ 18 EStG) und nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG). Randnummer 3 Der Kläger bestellte am 07. Juni 2013 ein Leasingfahrzeug, Mercedes Benz ML 350. Der Leasingantrag erfolgte am 30. Oktober 2013 mit Liefertermin um den 10. Dezember 2013. Der Kläger schloss den Leasingvertrag mit einer Laufzeit von 36 Monaten ab. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 09. Dezember 2013. Am 08. Dezember 2013 leistete der Kläger eine Leasingsonderzahlung von 36.490,88 € zzgl. 6.933,27 € Umsatzsteuer (USt). Für das Fahrzeug fielen in 2013 zudem Benzinkosten i. H. v. 277,65 € zzgl. 52,75 € USt sowie Kfz-Steuern i. H. v. 453 € an. Randnummer 4 Laut den formlosen Aufzeichnungen des Klägers betrug die Fahrleistung im Dezember 2013 insgesamt 2.068 km. Davon seien 1.737 km für unternehmerische Fahrten (1.469 km für die selbständige Arbeit und 268 km für die Vermietungstätigkeit) zurückgelegt worden. Der Kläger machte daher 83,99 % der in 2013 verausgabten Kosten inklusive der Leasingsonderzahlung und somit insgesamt 31.262,36 € zzgl. 5.867 € gezahlter Vorsteuer als Betriebsausgaben bei seiner selbständigen Tätigkeit geltend. Randnummer 5 Im Rahmen einer für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2015 bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass der Kläger die Aufwendungen für die betrieblichen Fahrten in 2013 in sinngemäßer Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 a EStG mit den tatsächlichen Kosten angesetzt hatte und in den Jahren 2014, 2015 und 2016 im Rahmen der Nutzungseinlage mit dem pauschalen km-Satz von 0,30 € berücksichtigt hatte. Auch für die im Rahmen der Vermietungstätigkeit durchgeführten Fahrten wurde der pauschale km-Satz bei Berechnung der Werbungskosten zum Ansatz gebracht. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass in 2013 lediglich 83,99 % von 1/36 der Leasingsonderzahlung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei. Zur Berechnung und zur Begründung wird auf die Prüfungsfeststellung Nr. 2 Bezug genommen. Mit geändertem Bescheid vom 02. April 2019 setzte das Finanzamt die Prüfungsfeststellungen um. Unter Berücksichtigung eines Gewinns des Klägers aus selbständiger Arbeit von … € setzte es die Einkommensteuer für 2013 auf … € fest. Randnummer 6 Gegen den Bescheid vom 02. April 2019 legten die Kläger Einspruch ein. Das Nutzungsrecht für den Pkw sei dem Privatvermögen und nicht dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass das Fahrzeug nur vorübergehend überwiegend betrieblich genutzt werde. Die Kosten für die unternehmerische Nutzung des Fahrzeugs seien im Wege der Aufwandseinlage als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Zu den Kosten gehöre auch die Leasingsonderzahlung. Aufgrund der eindeutigen Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG komme eine Aufteilung der Sonderzahlung auf die Vertragslaufzeit nicht in Betracht, da letztere nicht länger als 5 Jahre sei. Randnummer 7 Im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2015 erläuterte das Finanzamt den Klägern, aus welchen Gründen es sich ihren Ausführungen zur Abziehbarkeit der Leasingsonderzahlung in 2013 nicht vollumfänglich anschließen könne, und teilte den Klägern mit, dass es im Rahmen der gem. § 367 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) vorzunehmenden Gesamtfallprüfung festgestellt habe, dass die private Pkw-Nutzung in 2013 nach der 1 %-Methode unter Ansatz eines Bruttolistenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung von 93.300 € und Berücksichtigung sämtlicher Kfz-Kosten (1/36 der Leasingsonderzahlung, Benzin und Steuer) zu ermitteln sei. Das Fahrzeug sei zu mehr als 50 % (1.469 von 2.068 km = 71,03 %) betrieblich genutzt worden, ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch liege jedoch nicht vor. Im Ergebnis sei die Einkommensteuerfestsetzung 2013 zuungunsten der Kläger zu ändern. Randnummer 8 Die Kläger entgegneten, dass ihrer Auffassung nach die private Kfz-Nutzung nicht nach der 1 %-Methode zu ermitteln sei. Die Verwaltung fordere für die Glaubhaftmachung einer betrieblichen Nutzung eines Pkw von mehr als 50 % formlose Aufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum von in der Regel drei Monaten (BMF-Schreiben vom 18. November 2009, BStBl. I 2009, 1325). Dieser Nachweis könne seitens der Kläger nicht geführt werden, da die betriebliche Nutzung im Zeitraum nach Dezember 2013 bei unter 50 % gelegen habe. Die dreiwöchige Nutzung im Dezember 2013 sei nicht repräsentativ. Randnummer 9 Ferner wies das Finanzamt darauf hin, dass entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. April 2010 VI R 20/08, BStBl II 2010, 805, die Leasingsonderzahlung in Höhe des auf Auswärtstätigkeiten entfallenden Nutzungsanteils grundsätzlich zu den sofort abziehbaren Werbungskosten gehöre. Dies scheide jedoch aus, soweit der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Leasingvertrages die Kfz-Kosten nach pauschalen km-Sätzen als Werbungskosten geltend mache. Durch die Pauschalbetragsberechnung sind regelmäßig sämtliche mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundene Aufwendungen abgegolten. Randnummer 10 Die Kläger machten auf Nachfrage des Finanzamts Angaben zum Umfang der betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs bzw. zum Umfang der Nutzung für die Vermietungstätigkeit und sie ermittelten jeweils die tatsächlichen Kosten je km, welche im Wege der Nutzungseinlage und bei Berechnung der Werbungskosten in 2014 bis 2016 nunmehr zum Ansatz gebracht werden sollten: Randnummer 11 2014 2015 2016 Gesamtfahrleistung (km) 29.434 36.000 24.336 § 18 2.200 7,47 % 5.000 13,89 % 2.500 10,27 % § 21 1.300 4,42 % 2.080 5,78 % 2.080 8,55 % tatsächlicher km-Satz 0,23 € 0,18 € 0,39 € Randnummer 12 Zwar seien die Kläger der Auffassung, dass das BFH-Urteil vom 15. Oktober 2010 nicht anwendbar sei, jedoch wären die Kläger damit einverstanden die Fahrtkosten in den Jahren 2014 bis 2016 und auch in 2017 mit den tatsächlich angefallenen Kosten anzusetzen. Randnummer 13 Zu der seitens des Finanzamts im Schriftsatz vom 25. September 2019 dargestellten Gewinnermittlung machten die Kläger geltend, dass die dem Kläger in 2013 zugeflossenen Zinsen nach § 233 a AO zur Umsatzsteuererstattung des Jahres 2011 i. H. v. … € den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen und als solche erklärt worden seien. Randnummer 14 Das Finanzamt wies mit Einspruchsentscheidung vom 05. Dezember 2019 den Einspruch als unbegründet ab und erhöhte die Einkommensteuer 2013 auf … €. Randnummer 15 Die Kläger haben am 03. Januar 2020 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass das wirtschaftliche Eigentum des Leasingfahrzeugs beim Leasinggeber liege, damit könne der Pkw nicht zum Betriebsvermögen gehören. Auch könne es sich bei den Rechten aus dem Nutzungsvertrag nicht um notwendiges Betriebsvermögen handeln, da hierfür darauf abzustellen sei, ob das Fahrzeug nicht nur vorübergehend eigenbetrieblich genutzt werde. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt, da nur während eines relativ kleinen Zeitraums von 1 Monat (Dezember 2013) während der Gesamtmietzeit von 36 Monaten das Fahrzeug in einem hohen Umfang betrieblich genutzt worden sei. Aus diesem Grund sei auch die Anwendung der 1 % Regelung nicht möglich. Da der Pkw eindeutig dem Privatvermögen zuzuordnen sei, würden die durch die unternehmerische Tätigkeit anfallenden Pkw-Kosten Betriebsausgaben sein (Nutzungseinlage). Zu diesen Kosten würde auch die Leasingsonderzahlung gehören, soweit sie nach § 11 Abs. 2 EStG im Veranlagungszeitraum abgeflossen sei. Randnummer 16 Des Weiteren seien die im Veranlagungszeitraum zugeflossenen Zinsen gem. § 233 a AO durch eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 2011 verursacht. Da die Vorsteuererstattung nicht den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sei, können die Zinsen nicht Betriebseinnahmen darstellen und sind wie erklärt als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Randnummer 17 Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020 haben die Kläger die Klage, soweit sie die Zuordnung der Erstattungszinsen gem. § 233 a AO zu den Einkünften aus Kapitalvermögen betrifft, zurückgenommen. Randnummer 18 Die Kläger beantragen, den geänderten Einkommensteuerbescheid 2013 vom 05. Dezember 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. Dezember 2019 zu ändern und die Einkommensteuer 2013 unter Berücksichtigung der Auffassung der Kläger entsprechend niedriger festzusetzen. Randnummer 19 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Zur Begründung verweist er auf die angefochtene Einspruchsentscheidung. Randnummer 21 Mit Schreiben vom 02. November 2020 teilt der Beklagte mit, dass am 21. Oktober 2020 eine Besprechung zwischen den Beteiligten stattgefunden habe. Eine tatsächliche Verständigung habe nicht erzielt werden können. Übereinstimmend gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, dass der im Dezember 2013 geleaste Pkw im Leasing-Zeitraum (Dezember 2013 bis Dezember 2016) ausgehend von einer Gesamtfahrleistung von 91.838 km zu 12,16 % (11.169 km) für die selbständige Tätigkeit des Klägers und zu 6,24 % (5.728 km) im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung genutzt worden sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. November 2020 stellten die Beteiligten das Zahlenwerk der Anlage 1 und 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 02. November 2020 unstreitig. Außerdem teilte der Kläger mit, dass sich das Problem mit der Leasingsonderzahlung und den hohen Kosten im Dezember alle 3 Jahre wiederhole. Immer dann werde ein neuer Leasingvertrag geschlossen (2016 und 2019).
Der Bescheid des Finanzamtes vom 02. April 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 05. Dezember 2019 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 05. Dezember 2019 werden abgeändert. Dem Finanzamt wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen zu 94 % die Kläger und zu 6 % der Beklagte. Soweit der Klage stattgegeben wurde, ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Revision wird zugelassen.
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SG Gießen 1. Kammer
Hessen
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08.05.2015
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Die Beteiligten streiten wegen der Rückforderung überzahlter Verletztenrente an den Vater des Klägers. Der Vater des Klägers erhielt von der Beklagten laufende Rentenzahlungen nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Mit einem vom Vater des Klägers unterzeichneten Schreiben vom 13.12.2010 teilte dieser der Beklagten mit, dass sich seine Bankverbindung ändere und die Rente ab Januar auf das Konto seines Sohnes, des Klägers Nr. 111111 bei der Postbank C-Stadt (Bankleitzahl 222222) überwiesen werden solle, bis er eine neue Bankverbindung selbst eingerichtet habe. Die Beklagte überwies die monatlichen Rentenzahlungen ab Januar 2011 auf dieses Konto. Am 15.09.2011 verstarb der Vater des Klägers. Am 16.04.2012 löste der Kläger das auf seinen Namen eingerichtete Girokonto Nr. 111111 bei der Postbank C-Stadt auf. Dies erfuhr die Beklagte am 23.05.2012. Am 27.06.2012 teilte das Einwohnermeldeamt A-Stadt der Beklagten den Tod des Vaters des Klägers mit. Mit Schreiben vom 04.07.2012 bat die Beklagte daraufhin den Kläger um Rückzahlung des zuviel gezahlten Betrages von Oktober 2011 bis April 2012 in Höhe von insgesamt 1.687,42 EUR. Hieran erinnerte sie unter dem 08.08.2012. Mit Schreiben vom 13.09.2012 teilte die Beklagte der Deutschen Postbank AG mit, auf das streitige Konto einen Betrag in Höhe von 1.687,42 EUR ohne Rechtsgrund gezahlt zu haben und bat unter Hinweis auf § 96 Abs. 3 SGB VII um Rücküberweisung. Mit Schreiben vom 09.10.2012 teilte die Postbank E-Stadt daraufhin der Beklagten mit, dass dem Rückforderungsersuchen nicht entsprochen werden könne, weil das Konto schon am 16.04.2012 aufgelöst worden sei, wobei die Schutzbeträge nicht durch eigene Forderungen reduziert worden seien. Die Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 15.10.2012 zur Erstattung von 1.687,42 EUR auf, da die Rente für seinen Vater für den Zeitraum Oktober 2011 bis April 2012 angesichts dessen Todes zu Unrecht weitergezahlt worden sei und der Kläger hierüber zu Unrecht verfügt habe. Hiergegen legte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten am 05.11.2012 Widerspruch ein, der nicht begründet wurde. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2013 zurück. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 12.04.2013 beim Sozialgericht Gießen eingegangenen Klage. Zur Begründung hat er ausgeführt, belastende Verwaltungsakte bedürften einer ordnungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage. Nach einer solchen habe er in seinem Schreiben vom 16.03.2013 gefragt, ohne eine Antwort erhalten zu haben. In der Sache verweist er im Übrigen darauf, dass die zuvor auf diesem Konto eingegangenen Zahlungen verbraucht seien. Er habe nicht gewusst, wo er dies melden solle. Bei der Postbank habe er den Tod seines Vaters angezeigt. Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 15.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.04.2013 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Klageerhebung hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 05.06.2013 zurückgewiesen, das Beschwerdeverfahren war erfolglos (Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 13.05.2014). Am 23.04.2015 hat der Kläger erneut Prozesskostenhilfe beantragt und zur Begründung auf eine Sterbeurkunde über den Tod seines Vaters verwiesen, die er der Postbank AG A-Stadt vorgelegt habe. Er hat hierzu ausgeführt, er werde diese Bescheinigung in der mündlichen Verhandlung vorlegen, dies ist sodann erfolgt. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Klage- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2015 gewesen sind.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der zweite Prozesskostenhilfeantrag wird zurückgewiesen. 3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger einen Betrag von 150,00 Euro zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
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ArbG Berlin 33. Kammer
Berlin
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05.09.2013
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses und die Zahlung von Vergütung. Randnummer 2 Der Kläger ist seit dem 11.04.2008 bei der Firma X. Service GmbH (im Folgenden: Streitverkündete) beschäftigt, welche ihre Mitarbeiter bei Drittunternehmen einsetzt. Mit dieser schloss er einen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 08.04.2008 (Bl. 21 f. d.A.) und bezog zuletzt eine Bruttostundenvergütung in Höhe 8,00 EUR. Randnummer 3 Der Kläger wurde zunächst u.a. beim J. Museum und seit dem 01.08.2008 sodann bei der Beklagten eingesetzt. Die Beklagte führt in ihrem Konferenzzentrum und in anderen Lokalitäten Veranstaltungen durch. Für deren Durchführung beschäftigt sie Veranstaltungsassistenten, die nicht mit veranstaltungsbedingten Catering- oder Umbauarbeiten beschäftigt werden. Für diese Arbeiten griff sie auf Mitarbeiter der sich nicht im Besitz einer Erlaubnis für Arbeitnehmerüberlassung befindenden Streitverkündeten zurück, welche sich auf eine mit „Leistungsbeschreibung Leistung/Dienstleistung: Personalgestellung für Catering/Konferenzassistenz und Möblierung des Konferenzzentrums Beletage der H.-B.-Stiftung Sch.str. … in Berlin Mitte“ betitelte Ausschreibung der Beklagten vom Mai 2010 (Bl. 72 ff. dA.) mit Angebot vom 29.06.2010 (Bl. 80 ff. d.A.) erfolgreich beworben hatte. In der Leistungsbeschreibung führte die Beklagte u.a. aus: Randnummer 4 Ziff. 2.2.1 Angaben zum Leistungsumfang Möblierung des Konferenzzentrums Beletage Randnummer 5 … Randnummer 6 Der Bieter/Die Bieterin muss sich verpflichten, das Personal aus einem festen Pool von eingearbeiteten Personen zu stellen. Die Einarbeitung erfolgt durch die H.-B.-Stiftung. Der Bieter/Die Bieterin muss der HBS das vorgesehene Personal vorab vorstellen, die HBS kann den Vorschlag ohne Nennung von Gründen annehmen oder ablehnen. Die Einweisung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die einzelnen Veranstaltungen vor Ort erfolgt durch die SachbearbeiterInnen des Tagungsbüros. Randnummer 7 … Randnummer 8 Der Kläger verrichtete bei der Beklagten zunächst Arbeiten sowohl in der Küche als auch im Umbau, seit dem 13.04.2011 nach mehreren Vorstellungsgesprächen dann nur noch im Umbau. Im Februar 2013 wurde er bei der Beklagten für 18,25 Stunden, im März 2013 für 24,25 Stunden und im Gesamtzeitraum vom 01.08.2008 bis zum 30.04.2013 für 543,47 Stunden eingesetzt. Randnummer 9 Im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses mit der Streitverkündeten forderte die Beklagte bei dieser Einsatzschichten für die vorgesehenen Veranstaltungen an. Schichtleiter der Streitverkündeten leiteten diese Anfrage an die von ihr für den Einsatz vorgesehenen Mitarbeiter weiter. Zu Beginn einer Schicht meldete sich der auf diese Weise für Arbeiten an einem bestimmten Tag vorgesehene Kläger am Empfang der Beklagten, wo er von Mitarbeitern der Beklagten einen Zettel erhielt, in dem die jeweils durchzuführenden Umbauarbeiten in den Räumen der Beklagten beschrieben waren (s. beispielhaft Bl. 24 ff. und 166 f. d.A.). Mitarbeiter der Beklagten machten auf diesen Zetteln gelegentlich handschriftliche Anmerkungen zu einzelnen Umbauarbeiten oder gaben dort ebenfalls gelegentlich handschriftlich ihre Telefonnummern bekannt. Randnummer 10 In einer Email an die Streitverkündete vom 05.01.2010 (Bl. 135 d.A.) bat eine Mitarbeiterin der Beklagten um die Anberaumung eines Termins mit allen Umbauern, in dem es im Hinblick auf sehr viele kaputte Möbel um den Umgang mit diesen gehen solle. Randnummer 11 Mit der am 11.04.2013 beim Arbeitsgericht Berlin in Telekopie eingegangenen und der Beklagten am 18.04.2013 zugestellten Klage macht der Kläger geltend, zwischen ihm und der Beklagten sei aufgrund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung ab dem 13.04.2011 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Er habe für die durchzuführenden Umbauarbeiten von Mitarbeiterinnen der Beklagten auch mündliche Weisungen und von der Beklagten ein die Beklagte ausweisendes Namensschild erhalten. Regelmäßig würden von der Beklagten Wünsche zu Änderungen bei der Schichtverteilung mitgeteilt, sofern die Streitverkündete nicht Abhilfe schaffen könne, würden diese Änderungen vor Ort von der Beklagten selbst durchgeführt und mit den eingesetzten Mitarbeitern der Streitverkündeten besprochen. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 1. festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 13.04.2011 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht; Randnummer 14 2. die Beklagte – für den Fall des Obsiegens in der ersten Instanz – zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als „Mitarbeiter Umbau“ zu beschäftigen. Randnummer 15 3. a) die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger in entsprechender Anwendung des § 13 AÜG Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Beschäftigten zu erteilen, der in der Zeit seit 13.04.2011 als Veranstaltungsassistent beschäftigt gewesen ist; Randnummer 16 und Randnummer 17 3. b) die Beklagte nach der Auskunft zu 3.a) zu verurteilen, Randnummer 18 3.aa) die sich auf Grund der Auskunft ergebende, noch zu bestimmende  Differenzvergütung für die Zeit seit 13.04.2011 nachzuzahlen, welche sich berechnet  aus dem regelmäßigen Entgelt abzüglich der bereits bezogenen Vergütung; die  nachzuzahlenden Beträge sind mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz  jeweils seit Fälligkeit zu verzinsen; Randnummer 19 und Randnummer 20 3.bb) dem Kläger über die Differenzvergütung hinaus beginnend ab dem 13.04.2011  diejenigen sonstigen noch zu bestimmenden Arbeitsbedingungen zu gewähren, die  ein Veranstaltungsassistent der Beklagten im Jahr 2011 und 2012 bezogen hat. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Klage abzuweisen. Randnummer 23 Die Beklagte behauptet, die vom Kläger auszuführenden Umbauarbeiten beruhten auf einer werkvertraglichen Vereinbarung der Beklagten mit der Streitverkündeten. Die Umbauarbeiten seien im Wesentlichen stets gleich und variierten lediglich im Hinblick auf die Platzierung der Möbelstücke. Sie erforderten daher keine weiteren konkreten Anweisungen seitens der Beklagten. Die auf den von den Mitarbeiterinnen der Beklagten übergebenen Zetteln enthaltenen Informationen seien sämtlich gegenständlich begrenzt auf die zu erbringende Werkleistung. Die Mitarbeiter der Streitverkündeten könnten sich innerhalb eines veranstaltungsbedingt vorgegebenen Zeitrahmens grundsätzlich frei einteilen, wie sie die einzelnen Umbauaufgaben erledigten. Wie der Personaleinsatz geplant werde sei ausschließlich Sache der Streitverkündeten. Diese führe auch Schulungen für ihre Mitarbeiter durch und sorge dafür, dass ständig Ansprechpartner für Mitarbeiter und Auftraggeber zur Verfügung stünden. Randnummer 24 Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
I. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten seit dem 13.04.2011 ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits als Mitarbeiter für Umbau zu beschäftigen. II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. III. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Teilurteil auf 353,00 EUR festgesetzt
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Hessisches Finanzgericht 12. Senat
Hessen
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16.10.2014
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Die Kläger begehren die Änderung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Jahres 1996 der ehemaligen E KG dahingehend, dass weitere Aufwendungen als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die E KG (im Folgenden: KG) wurde durch notariellen Vertrag vom 02.05.1986 zum 01.01.1986 gegründet. Alleiniger Komplementär war F; Kommanditisten waren seine Kinder D und C. Der alleinige Komplementär F hatte seine Einlage in der Weise geleistet, dass er seine beiden Einzelfirmen "G, Inh. F" und "F - Immobilien und Beteiligungen" in die KG eingebracht hatte (Kommanditgesellschaftsvertrag vom 27.12.1995, rote Akte). Die "F - Immobilien und Beteiligungen" hatte im Zusammenhang mit der Anschaffung und Bebauung von Grundstücken Darlehen bei der H Bank aufgenommen. Die hypothekarische Absicherung erfolgte in Bezug auf diese Grundstücke. Diese Grundstücke und das Darlehen wurden mit Einbringung der "F - Immobilien und Beteiligungen" in die KG überführt. Mit Vertrag vom 07.10.1988 veräußerte die KG die besicherten Grundstücke an die Pensionskasse der I zum Kaufpreis von 80.468.700,00 DM. Die Eheleute F tilgten am Tag des Eingangs des Kaufpreises, am 01.11.1988, ihre Einkommensteuerschulden i.H.v. insgesamt 12.758.318,03 DM und verwendeten einen Betrag von XXX DM für die Darlehensrückzahlung an die K Bank und zur Rückführung der Kontokorrentschulden der KG. Die Darlehen für die Anschaffung und Bebauung der Grundstücke wurden aus dem Verkaufserlös unstreitig nicht abgelöst. Im Rahmen einer Umschuldung wurde die KG aus der Darlehensschuld erlassen. Das Darlehen bei der H Bank (Wert 31.12.1995: XXX DM) wurde auf die Eheleute F umgeschrieben und in den Bilanzen der "F - Grundstücksverwaltung" erfasst. Die Zins - und Tilgungsleitungen erfolgten von dem laufenden Konto der "F - Grundstücksverwaltung". F als Komplementär der KG machte die an die H Bank für die Jahre 1988 bis 1996 gezahlten Zinsen i.H.v. als Sonderbetriebsausgaben geltend. Die Verbindlichkeiten gegenüber der L Bank (Wert 31.12.1995: XXX DM) wurden erstmals zum 31.12.1994 in einer gesonderten Bilanz der "F - Grundstücksverwaltung" erfasst. F schied zum 31.12.1995 vermögens - und ergebnismäßig aus der KG aus. Bis zu seinem Tod im Juli 2000 war er weiterhin Komplementär der KG. Nach der Ausscheidungs- und Abfindungsvereinbarung vom 27.12.1995 verzichtete die KG als Ausgleich für das Ausscheiden auf den Ausgleich des nach Verrechnungen verbleibenden negativen Kapitalkontos des F. Das negative Kapitalkonto sollte um das Festkapital, um die abgetretenen Kapitalkonten an vier Schiffbeteiligungsgesellschaften und um die abgetretenen Veräußerungserlöse aus dem geplanten Verkauf von Gesellschaftsanteilen an drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung reduziert werden. Als weiteren Abfindungsbetrag sollte die KG die Verbindlichkeiten des ausscheidenden Komplementärs, die per 31.12.1995 in einer steuerlichen Sonderbilanz erfasst wurden, übernehmen. Der Wert der Geschäftsanteile sollte durch einen Wirtschaftsprüfer festgestellt werden. Auf die Abfindungsvereinbarung (Blatt 30 ff. der Klageakte) wird Bezug genommen. Unmittelbar nach dem Ausscheiden des F brachten D und C ihre Kommanditanteile, die das gesamte Vermögen der KG darstellten, in die "B GmbH & Co KG" gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ein. Nach dem Tod des F im Juli 2000 wurde die Firma in "B GmbH & Co KG" geändert. Deren Geschäftszweck war die Fortführung des Betriebs der beiden eingelegten Einzelunternehmen des F (Blatt 51 Klageakte; Blatt 5 Bp - Bericht vom 29.3.2004; Handelsregisterauszug rote Akte). In der Zeit vom 21.06.1999 bis 20.01.2004 wurde bei der KG eine die Jahre 1992 bis 1996 umfassende steuerliche Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer ließ die für 1996 geltend gemachten Zinszahlungen i.H.v. insgesamt 1.753.831,66 DM an die H Bank ( XXX DM) und an die L Bank ( XXX DM) nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zu. Ferner berücksichtigte der Prüfer Aufwendungen i.H.v. insgesamt 133.023,34 DM ebenfalls nicht als Betriebsausgaben. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 29.03.2004 wird Bezug genommen. Das beklagte Finanzamt (der Beklagte) folgte der Auffassung des Prüfers und erließ unter Hinweis auf den Prüfungsbericht vom 29.03.2004 am 22.11.2004 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) entsprechend geänderten Feststellungsbescheid 1996 für die "ehemalige E KG" (Steuernummer XXX; Blatt 180 Klageakte I); der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Am 23.12.2004 legten die Kläger gegen den Feststellungsbescheid nach Betriebsprüfung Einspruch ein. Am 19.09.2006 und am 16.11.2006 wurde der Bescheid (Steuernummer XXX) nach § 172 AO geändert; beide Bescheide ergingen für InsO-Verfahren über das Vermögen der Fa. L - GmbH. Der Einspruch wurde mit Entscheidung vom 08.02.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Klage wird vorgetragen, in der Abfindungsvereinbarung vom 27.12.1995 habe die KG verschiedene Vermögensgegenstände, insbesondere Abtretungen von Kapitalkonten und zu erwartende Veräußerungserlöse sowie die "Verbindlichkeiten des ausscheidenden Komplementärs, die per 31.12.1995 in seiner steuerlichen Sonderbilanz erfasst sind" übernommen. Bei letzteren handele es sich um die Verbindlichkeiten gegenüber der H Bank i.H.v. DM und gegenüber der L Bank i.H.v. XXX DM. Auf den Ausgleich des sich nach den Verrechnungen noch ergebenden negativen Kapitalkontos habe die KG in der Vereinbarung verzichtet; es habe sich auf XXX DM belaufen. Die KG habe diesen Abfindungsvertrag unter Aufdeckung von in drei Immobilien vorhandenen stillen Reserven aktiviert. Der Beklagte habe auf Grund der Feststellungen des Betriebsprüfers die vorgenommene Abschreibung auf die Immobilien rückgängig gemacht. Da der Beklagte mit Bescheid vom 19.09.2006 auf Grund der vorgelegten Wertgutachten den erhöhten Wertansatz berücksichtigt habe, sei der Grund für die Nichtberücksichtigung der Abschreibung entfallen; diese sei i.H.v. XXX DM gewinnmindernd zu berücksichtigen. Der Beklagte erkenne Zinszahlungen für die im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des F übernommenen Verbindlichkeiten gegenüber der H Bank und der L Bank nicht als Betriebsausgaben an. Angeblich solle u.a. ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen. Nachdem der Beklagte aber nunmehr das Vorhandensein stiller Reserven von Mio. DM nicht mehr bestreite, sei auch die Grundlage für diese Argumentation entfallen. Spätestens jetzt seien die Verbindlichkeiten als Verbindlichkeiten der KG zu behandeln und stellten Betriebsausgaben dar, unabhängig davon, ob diese bis dahin zum Sonderbetriebsvermögen gehörten oder nicht. Die Übernahme der Verbindlichkeiten stelle eine Abfindungszahlung an F dar; die Übernahme sei aus betrieblichem Anlass geschehen. Der Beklagte stelle einen Sachverhalt dar, der die zu Grunde liegende Prüfungsfeststellung zumindest sehr verzerre. Er behaupte, aus einem in 1988 erzielten Kaufpreis i.H.v. XXX DM seien "teils private, teils betriebliche Schulden ausgeglichen worden. Der Betriebsprüfungsbericht, dort Tz. 45, sage jedoch nichts Derartiges. Dort werde lediglich ausgeführt, dass am Tag des Eingangs des Kaufpreises die Ablösung privater Darlehen bzw. die Tilgung von Einkommsteuerschulden erfolgt sei und zwar mit einem Betrag von XXX DM. Die Verwendung betreffe also nur 15,8 v.H. des erzielten Veräußerungserlöses. Es liege im Streitfall keine Betriebsveräußerung vor, so dass der Vortrag des Beklagten nicht einschlägig sei. Die Verwendung der Darlehensmittel habe sich durch den beschriebenen Vorgang nicht verändert. Die Darlehensmittel seien im Betriebsvermögen der KG verblieben. Das Darlehen bei der H Bank habe mit dem Verkauf in 1988 nichts zu tun. Dieses Darlehen betreffe die Finanzierung der Immobilie M, die nicht 1988, sondern erst 1990 veräußert worden sei. Zudem sei der Kaufpreis bis 2001 gestundet gewesen, so dass bereits deswegen 1990 keine schädliche Kaufpreisverwendung habe erfolgen können. Die vom Beklagten vorgetragene Zuweisung zur Privatsphäre habe nicht stattgefunden und würde auch nicht dazu führen, den Charakter als betriebliche Schuld zu ändern. Eine reine Willenserklärung des Steuerpflichtigen könne nicht eine private Schuld zu einer betrieblichen machen und umgekehrt. Ausschlaggebend sei allein die Verwendung der Darlehensmittel. Letztlich könne dies alles aber dahingestellt bleiben. Spätestens seit der im Rahmen der Ausscheidungsvereinbarung übernommenen Verbindlichkeit liege Betriebsvermögen vor; die Verbindlichkeiten seien auch in voller Höhe übernommen worden. Auch der Vortrag, mit der Übertragung auf die "F Grundstücksverwaltung" sei eine Übertragung auf die Eheleute F unf FE erfolgt, sei nicht zutreffend. In dem Vermögen der "F. Grundstücksverwaltung" sei insbesondere das negative Sonderbetriebsvermögen des F ausgewiesen. Die anderen noch abzuziehenden Beträge beliefen sich auf insgesamt DM. DM beträfen Grundschuldbestellungen zur Absicherung privater Schulden bei der N Bank, die auf privaten Grundstücken der Gesellschafter besichert waren. DM beträfen Sonderberatungen des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der KG, die Ende 1995 begonnen hatte und sich mit Folgearbeiten bis 1996 gezogen habe. Dabei sei es insbesondere um das Ausscheiden des Gesellschafters F und die damit in Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragestellungen gegangen. 2.500 DM seien als Zahlung an die O Bank erfolgt. 1990 sei der Verkauf des Hauses erfolgt, dessen Kaufpreis bis 2001gestundet gewesen sei, Käufer sei die P gewesen, die als Sicherheit eine Bankgarantie habe stellen müssen. Die Käuferin habe die Garantie zur Aufnahme eines Darlehens genutzt. In 1996 habe sich bei der Käuferin eine Umstrukturierung ergeben; Rechtsnachfolger sei eine Q Vertragspartner geworden. In diesem Zusammenhang seien wegen der Änderung der Urkunde diese Kosten entstanden. XXX DM und XXX DM beträfen Fluggast- und Gruppenunfallversicherungen. Es handele sich um betrieblich veranlasste Versicherungen. 1.046,26 DM, die der Beklagte mit der Bezeichnung "Zeitungen/Zeitschriften" benenne, sei nicht nachvollziehbar. Aufwendungen könnten sehr wohl Betriebsausgaben sein, entweder als Fortbildungskosten oder als Auslagen zum Lesen für Kunden. 316, 60 DM beträfen kleine Büchlein, die als Werbeartikel im Reisebüro zur Mitnahme ausgelegt waren. 5.617,50 DM beträfen eine Zahlung an die R. 45.893,88 DM beträfen eine Notrufanlage, die Montage, Transport und Verpackungskosten (abzüglich einer Gutschrift). Im Rahmen des Jahresabschlusses 1995 seien die in 1993 ausgebuchten Rechnungen wegen angenommener Verjährung erfolgswirksam ausgebucht worden. Nachdem zum Jahreswechsel 1996/1997 die Beitreibung der Forderung betrieben wurde, habe der Betrag als außerordentlicher Aufwand in 1996 berücksichtigt werden müssen. Die Kläger beantragen, den Feststellungsbescheid des Jahres 1996 vom 13.03.2008 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben i.H.v. XXX DM und XXX DM berücksichtigt werden und für den Fall des Unterliegens, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt der Beklagte vor, die Firma "F - Immobilien und Beteiligungen" habe einst eine Reihe von Darlehen aufgenommen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung und Bebauung von Grundstücken dienten. Mit Einbringung der " F - Immobilien und Beteiligungen" in die KG seien die Grundstücke und die Darlehen in das Gesamthandsvermögen der KG überführt worden. Mit Vertrag aus 1988 habe die KG die Grundstücke zu einem Preis von DM verkauft und mit dem Erlös teils private, teils betriebliche Schulden ausgeglichen, nicht aber die streitgegenständlichen Darlehen abgelöst. Stattdessen sei es in der Folgezeit zu einer Umschuldung gekommen. Die Schuld aus den betreffenden Darlehen i.H.v. XXX DM sei von der KG auf die "F Grundstücksverwaltung", mithin auf die Eheleute F als Gesamtschuldner übertragen worden. Als Absicherung hätten seither Grundstücke aus dem Privatvermögen von F gedient. Die Darlehen seien daher infolge ihrer Nichttilgung zu notwendigem Privatvermögen geworden. Folglich seien die im Zusammenhang damit angefallenen Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Diese Zuweisung zur Privatsphäre komme auch in der nachfolgenden Neuordnung der gesamten Darlehensverhältnisse, d.h. in der befreienden Schuldübernahme durch die Eheleute F zum Ausdruck. Die erforderliche Verbindung zum Betrieb der Kläger sei damit endgültig gelöst und der Wandel der Darlehensverbindlichkeiten von betrieblichen zu privaten Schulden vollzogen worden. Der hier zu beurteilende Wechsel in der Schuldnerschaft sei als privat veranlasst anzusehen. Für ihn lasse sich keine im Betrieb der KG wurzelnde Verpflichtung erkennen. Vielmehr hätten die Eheleute F durch die "freiwillige" buchmäßige und bilanzielle Überführung der Darlehensschuld in die private Vermögenssphäre bei der "F Grundstücksverwaltung" dargetan, dass der tatsächliche Grund für die Schuldübernahme im persönlichen Bereich liege. Diese Würdigung setze sich auch nicht in Widerspruch zu den rechtlichen Erwägungen der Kläger. Denn die Umqualifizierung der Schuld sei hier nicht lediglich Folge einer einseitigen Willensentscheidung der Betroffenen, sondern lasse nach dem Kriterium der tatsächlichen Mittelverwendung die unmittelbare finanzielle Entlastung der KG aus privaten Motiven als Entstehungsgrund erkennen. Damit hebe sich der Sachverhalt auch deutlich ab von dem zitierten Beispiel, wonach die rechtliche Form, in der eine Schuld hypothekarisch abgesichert sei, für deren Einstufung als betrieblich oder privat unerheblich sei. Der weitere Vortrag, die Bilanzen der "F Grundstücksverwaltung" wiesen insbesondere das negative Sonderbetriebsvermögen des F aus, werfe die Frage auf, weshalb in den Aufzeichnungen einer grundsätzlich privaten Vermögensverwaltung gewerbliche Ausgaben auf Grund einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft erfasst sein sollten. Es mag letztlich auf sich beruhen, ob die Grundsätze des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Behandlung von zurückbehaltenen Schulden bei einer Betriebsveräußerung auf den Streitfall - d.h. bei der Veräußerung von auf Kredit erworbenen Wirtschaftsgütern - anwendbar sind. Angesichts der konstitutiven Wirkung der Schuldübernahme an sich seien auch die genannten Modalitäten der Kaufpreiszahlung für das veräußerte Objekt "M" unbeachtlich. Genauso wenig abziehbar seien die weiteren auf ein Darlehen bei der L Bank entfallenden Zinsaufwendungen i.H.v. XXX DM. Hinsichtlich dieser Schuld hätten die Kläger im Verwaltungsverfahren lediglich vorgebracht, dass kraft der Einbuchung mit Anweisung vom 04.08.1994 ein betrieblicher Zusammenhang mit der KG hergestellt worden sei. Weiterführende Auskünfte über die Art und den Einsatz des Wirtschaftsguts, dessen Beschaffungskosten durch das Darlehen ursprünglich finanziert worden sei, habe der Beklagte nicht erhalten. Eine solchermaßen als isoliert dastehende Schuld könne unter keinen Umständen in das Betriebsvermögen eingelegt werden. An dieser Qualifizierung der Schuldzinsen als privat veranlasst ändere auch die Begebenheit nichts, dass die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten im Innenverhältnis im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Gesellschafters F stehe. Das Abfindungsversprechen sei nicht durch den Betrieb der KG veranlasst. Bei Ausscheiden eines Gesellschafters werde die Gesellschaft grundsätzlich unter den Gesellschaftern fortgesetzt, denen der Anteil des Ausgeschiedenen anteilig zuwachse. Erhalte der ausscheidende Gesellschafter eine Abfindung, stelle diese das Entgelt für den Übergang seines Gesellschaftsanteils auf die Verbleibenden dar. Insoweit sei ein solcher Vorgang als Veräußerung eines Mitunternehmeranteils anzusehen. Für die verbleibenden Gesellschafter bedeute das anteilige Anwachsen des Gesellschaftsanteils einkommensteuerrechtlich eine entgeltliche Anschaffung der Anteile des Ausscheidenden an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern. Nichts anderes gelte für Aufwendungen, die den verbleibenden Gesellschaftern dadurch entstünden, dass sie einen bisherigen Gesellschafter von Verbindlichkeiten gegenüber Dritten durch Schuldübernahme freistellten. Es spreche sogar viel dafür, dass die von den Gesellschaftern zu leistenden Abfindungszahlungen im Hinblick auf den privaten Schuldgrund der Darlehen steuerlich völlig unberücksichtigt zu bleiben hätten. Wie die Kläger bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hätten, sei es eben nicht ohne weiteres möglich, Aufwendungen, die keine Betriebsausgaben seien, per Willensentscheidung als Betriebsausgaben zu behandeln. Selbst wenn durch die Vereinbarungen im Abfindungsvertrag vom 27.12.1995 dem Grunde nach Betriebsausgaben "geschaffen" worden sein sollten, würden die steuerlichen Auswirkungen nicht das Streitjahr, sondern das Jahr 1995 betreffen. Denn die in der Höhe noch ungewisse Zahlungsverpflichtung wäre im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag nach dem Vorsichtsprinzip als Rückstellung in 1995 zu passivieren gewesen. Die anderen geltend gemachten Aufwendungen könnten seitens des Beklagten lediglich mit einem Betrag von 4.914 DM berücksichtigt werden. Die Anerkennung weiterer Betriebsausgaben i.H.v. 133.023,34 DM (netto) sei zu versagen, da diese Aufwendungen nicht weitaus überwiegend durch den Betrieb der KG veranlasst seien bzw. ein diesbezüglicher Nachweis nicht erbracht worden sei. Allein aus der notariellen Vertragsurkunde sei nicht ersichtlich, dass - wie die Kläger behaupteten - betriebliche Schulden der KG besichert gewesen seien. Die dingliche Belastung der Grundstücke zu Gunsten der KG begründe für sich noch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang zu deren Einkünften. Insofern sei die zusätzliche Vorlage der zu Grunde liegenden Kreditverträge unverzichtbar, weil nur diese eine Geschäftsbeziehung der KG zu der bezeichneten N Bank im Streitjahr belegten und über den tatsächlichen Verwendungszweck der Darlehen Auskunft geben könnten. Hinsichtlich der Notarkosten für Grundschuldbestellung vom 29.10.1996 komme zu dem bereits oben Gesagten hinzu, dass die diesbezügliche notarielle Urkunde nur unvollständig vorliege und es gerade an der Klausel zur Kostentragung fehle. Es sei daher nicht nachvollziehbar, ob überhaupt die KG mit den angefallenen Gebühren belastet worden sei. Angesichts des handschriftlichen Vermerks auf der beigefügten Kostenrechnung "bezahlt CF 7.1.97" sei nicht auszuschließen, dass Herr C privat geleistet habe. Ohne entsprechenden Nachweis (Gebührennote, Beratervertrag) könnten die Rechtsanwaltskosten für die Sonderberatung von 41.700 DM nicht berücksichtigt werden. Betreffend die vorgelegte Kopie über eine Zahlung an die O Bank i.H.v. 2.500 DM sei die Kopie leider nicht nur schwer lesbar, sondern gar nicht zu entziffern; eine inhaltliche Überprüfung sei daher nicht möglich. Hinsichtlich der Kosten für eine Fluggast- und Gruppenunfallversicherung entziehe es sich einer Beurteilung, ob durch die in Rede stehenden Versicherungen private oder berufliche Risiken abgedeckt worden seien. Hinsichtlich der Kosten für Zeitschriften sei es allein Aufgabe der Kläger, durch geeignete Dokumente zu belegen, dass Aufwendungen für den Bezug von Druckerzeugnissen zu betrieblichen Zwecken entstanden seien. Das gleiche gelte für die Werbeartikel. Auch hier könne mangels entsprechender Nachweise die betriebliche Veranlassung nicht geprüft werden. Auch hinsichtlich der periodenfremden Aufwendungen sei die vorgelegte Kopie gar nicht zu entziffern, so dass auch keine Überprüfung möglich sei. Hinsichtlich des geltend gemachten außerordentlichen Aufwands sei der geschilderte Lebenssachverhalt schwer nachvollziehbar. Zunächst stelle sich die Frage, weshalb eine Rechnung für eine im Jahr 1993 fällige Zahlung entgegen der eindeutigen damaligen Gesetzeslage wegen " angenommener Verjährung" bereits in 1993 ausgebucht worden sein soll. Genauso unklar bleibe, aus welchen Gründen das leistende Unternehmen trotz des ausdrücklich auf den Rechnungen vermerkten Zahlungstermins zum 29.12.1993 derart lange bis zum Jahreswechsel 1996/1997 mit Beitreibungsmaßnahmen gewartet und offenbar auch keinen Verzugsschaden geltend gemacht habe. Angesichts dessen könne dem Begehren der Kläger nicht gefolgt werden. Es fehlten substantiierte Unterlagen, um glaubhaft zu machen, dass es tatsächlich im entscheidenden Zeitraum zu einem ernsthaften Versuch des Gläubigers gekommen war, die Forderung zu realisieren. Ein solcher Nachweis sei allein schon deshalb unerlässlich, da eine handschriftliche Notiz jeweils auf dem letzten Blatt der Rechnungen - versehen mit dem Datum 15.12.1993 - die Möglichkeit nicht ausschließe, dass damit die Prüfung und Zahlung der Rechnung dokumentiert wurde. Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 10.04. 2014 und vom 16.10.2014 Bezug genommen. Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung die entsprechenden Verwaltungsakten vor. Am 13.03.2008 hat der Beklagte dem Begehren der Kläger in den Punkten "Abschreibungen auf Immobilien i.H.v. XXX DM und Erhöhung des Veräußerungsgewinns um XXX DM" entsprochen und einen entsprechenden Änderungsbescheid erlassen; dieser Änderungsbescheid wurde Gegenstand des Klageverfahrens.
Der Feststellungsbescheid 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.02.2007, zuletzt geändert mit Bescheid vom 13.03.2008, wird dahingehend geändert, dass Betriebsausgaben i.H.v. 4.915,00 DM berücksichtigt werden Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
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LG Hamburg 12. Zivilkammer
Hamburg
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03.06.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Einfuhr von Markenprodukten in Form von C.-Akkus des Typs LP-E10, ob es sich bei diesen um Produktfälschungen handelt. Randnummer 2 Die ehemalige Klägerin zu 1) ist die C. Deutschland GmbH; sie vertreibt unter anderem digitale Kameras. Randnummer 3 Die Beklagte ist ein auf dem Gebiet der Reparatur von Digitalkameras und dem Handel mit Digitalkameraersatzteilen sowie Zubehör tätiges Unternehmen. Sie importiert die für diese Produkte erforderlichen Ersatz- und Zubehörteile unter anderem aus China. Randnummer 4 Die C. K. K. (Klägerin zu 2)) ist Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingetragenen Wort-/Bildmarke „C.“ sowie der beim HABM eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke „C.“, jeweils mit folgender Gestaltung: Randnummer 5 Bild entfernt Randnummer 6 Die Marken sind für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen eingetragen, u.a. auch Akkus. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anl. K1 verwiesen. Randnummer 7 Am 15. September 2011 kam es auf Antrag der ursprünglichen Klägerin zu 1) zu einer Grenzbeschlagnahme (Geschäftszeichen ...) gemäß der EU-VO Nr. 1383/2003. Das Hauptzollamt Dresden – Zollamt Flughafen Leipzig – setzte hinsichtlich einer für die Beklagte bestimmten Warensendung von insgesamt über 3.000 Digitalkameraakkus die Überlassung der Waren an die Beklagte aus. Dabei handelte es sich neben Produkten der Marke C. auch um solche der Marken Panasonic, Fujifilm, Olympus, Nikon und Sony. Randnummer 8 Die Überprüfung der streitgegenständlichen 100 Akkus vom Typ LP-E10 für Digitalkameras der Marke C. erfolgte durch die Klägerin zu 1) und ergab nach deren Auffassung, dass es sich um Fälschungen handele. Mit Schreiben vom 30. September 2011 mahnte die Klägerin zu 1) die Beklagte erfolglos ab. Die Abmahnung wie auch alle übrigen im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit vorgenommenen Handlungen wurden von den Klägervertretern dieses Rechtsstreits vorgenommen, die ihre Legitimation dazu auf eine Vollmacht vom 15. Juni 2011 stützen, die von einem bei der Klägerin zu 2) tätigen Herrn K. N. unterzeichnet ist. Dieser ist Mitarbeiter der Klägerin zu 2) in deren Rechtsabteilung; er ist nicht ihr gesetzlicher Vertreter. Bezüglich der Einzelheiten der Vollmachtserteilung wird auf die Anl. K2 und K7 Bezug genommen. Randnummer 9 Schließlich erhob die Klägerin zu 1) mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2011 Klage. Mit Schriftsatz vom 8. November 2012 hat sie ihr Ausscheiden aus dem Rechtsstreit und die Klägerin zu 2) die Übernahme des Rechtsstreits erklärt. Die Beklagte hat dem Parteiwechsel widersprochen und im Übrigen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der klägerischen Parteivertreter bestritten. Randnummer 10 Die Klägerin zu 2) trägt vor, Randnummer 11 Die C. K. K. (im Folgenden nur noch Klägerin zu 2)) habe Rechtsanwalt U. S. bevollmächtigt zur umfassenden Rechtsverfolgung ihrer Markenrechte für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland (Anlage K 2 und K 7). Herr Rechtsanwalt U. S. als ihr Prozessbevollmächtigter habe dann zu einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung wiederum die Klägerin zu 1) zur Geltendmachung der Rechte im eigenen Namen im Rahmen des Gerichtsverfahrens ermächtigt (Anlage K 2). Dieses Vorgehen sei von der erteilten Vollmacht gedeckt; insbesondere sei der Unterzeichner der entsprechenden Vollmacht vom 15. Juni 2011 auf Seiten der Klägerin zu 2), Herr K. N., berechtigt gewesen zur Vornahme entsprechender Anwaltsbeauftragungen und zur Erteilung von Prozessvollmachten. Auch sei die dem Prozessbevollmächtigten von der Klägerin zu 1) erteilte Vollmacht wirksam gewesen, da eine entsprechende Berechtigung des bzw. der Unterzeichner gegeben sei. Ihre Aktivlegitimation ergebe sich aus ihrer Markeninhaberschaft. Randnummer 12 Bei der Überprüfung der ihr vom Hauptzollamt Dresden (unter dem Geschäftszeichen ...) zugesandten Warenproben hätten Produktspezialisten der Klägerin zu 1) festgestellt, dass es sich bei den Akkus des Typs LP-E10 der Marke C. nicht um Originalware handele, welche von einer Gesellschaft des C.-Konzerns hergestellt oder in den Verkehr gebracht bzw. von einer Konzerngesellschaft des C.-Konzerns autorisiert oder lizensiert worden sei. Vielmehr handele es sich dabei um Produktfälschungen. Randnummer 13 Dass es sich dabei um Fälschungen handele, habe sie durch eine Überprüfung der Hologramme mittels eines sogenannten Handyviewers festgestellt. Soweit es sich um echte Hologramme handele, veränderten sie sich bei Betrachtung mittels eines Handyviewers derart, dass sie schwarz werden; bei gefälschten Hologrammen dagegen blieben die Hologramme bei derartiger Betrachtung unverändert. Bei der Überprüfung der streitgegenständlichen Akkus in der genannten Weise hätten die Hologramme keine Veränderung gezeigt. Randnummer 14 Die Klägerin zu 2) beantragt, Randnummer 15 I. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, Markenprodukte der Klägerin in Form von C.-Akkus des Typs LP-E10 einzuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, soweit sie mit der Wort/Bildmarke „C.“ versehen und nicht von einer Konzerngesellschaft der Klägerin produziert, in den Verkehr gebracht oder sonst wie autorisiert sind. Randnummer 16 II. Die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Waren herauszugeben. Randnummer 17 III. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin im Zusammenhang mit sämtlichen von ihr angebotenen, vertriebenen und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr gebrachten Ware gemäß I. unverzüglich Auskunft über Namen und Anschrift des Herstellers, dessen Lieferanten oder anderer Vorbesitzer, sämtlicher gewerblicher Abnehmer sowie über die Menge der von ihrem Lieferanten erhaltenen Gegenstände zu erteilen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Sie trägt vor, die Klägerin zu 1) sei nicht die deutsche Tochter der Klägerin zu 2) und der Unterzeichner der Vollmacht vom 15. Juni 2011, Herr K. N., auch nicht zur Erteilung einer Prozessvollmacht befugt. Daher sei die am 15. Juni 2011 durch die C. K. K. erteilte Vollmacht an ihren Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt U. S., nicht wirksam. Auch sei das Vorgehen des Klägervertreters, wonach dieser die Klägerin zu 1) zur Geltendmachung der Rechte im eigenen Namen ermächtigt habe und seinerseits wiederum als Klägervertreter der Klägerin zu 1) bevollmächtigt worden sei, dem Umfang nach nicht von der genannten Vollmacht gedeckt. Außerdem sei die Prozessvollmacht der Klägerin zu 1) deshalb nicht wirksam erteilt worden, da der bzw. die Unterzeichner nicht über eine entsprechende Berechtigung verfügen. Randnummer 21 Hinsichtlich des Parteiwechsels auf Klägerseite trägt die Beklagte vor, entsprechende Einwilligungen der Klägerin zu 1) und der Klägerin zu 2) lägen nicht vor. Randnummer 22 In der Sache trägt die Beklagte vor, bei den streitgegenständlichen Akkus vom Typ LP-E10 der Marke C. handele es sich nicht um Produktfälschungen. Nachdem ihr die Vorwürfe der Klägerin zu 1) bekannt geworden seien, habe sie diese nach Eingang der Abmahnung der Klägerin auf ihre Richtigkeit überprüfen wollen; dazu habe sie die Klägerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2011 (Anlage K 6) um Fristverlängerung gebeten, aber gerade nicht die von ihr verlangte Abgabe der Unterlassungserklärung abgelehnt. Randnummer 23 Sie habe dann die vor dem Versand der Waren in China entnommenen Proben der beanstandeten Waren von einem Prüflabor der Firma C. China Ltd. in Peking auf ihre Echtheit hin überprüfen lassen. Das Ergebnis sei gewesen, dass es sich bei den Akkus um Originalware handele. Ein entsprechender Prüfbericht mit der Nummer... auch im Intranet des C.-Konzerns abrufbar. Dies habe sie der Klägerin zu 1) am 20. Oktober 2011 auch mitgeteilt (Anlage B 1). Die Akkus seien von einer Gesellschaft des C.-Konzerns hergestellt bzw. in Verkehr gebracht worden bzw. von einer Konzerngesellschaft des C.-Konzerns autorisiert oder lizensiert worden. Randnummer 24 Die Akkus könnten bei Betrachtung mit dem Handyviewer keine Veränderung zeigen, da die streitgegenständlichen Akkus selbst nicht mit Hologrammen versehen seien, sondern - insoweit unstreitig - diese sich vielmehr ausschließlich auf der Verpackung befinden. Auch gebe es eine Möglichkeit seitens C., die Akkus selbst und nicht lediglich die Umverpackung auf ihre Echtheit zu überprüfen. Randnummer 25 Schließlich spreche für die Echtheit der Akkus auch der Umstand, dass sie die von ihr aus China importierten Waren ausschließlich bei von dem jeweiligen Markenhersteller autorisierten Vertragshändlern einkaufe um sicherzustellen, dass es sich bei den dort erworbenen Markenprodukten nicht um Produktfälschungen handele. Zudem würden auch Qualitätskontrollen durchgeführt und Warenproben genommen. Für die Echtheit spräche auch indiziell die Bestätigungen des C. Europe Anti-Counterfeit Team vom 7. März 2014 (Anl. B10). Außerdem müssten für die Feststellung einer Fälschung die Akkus selbst untersucht werden, da es durchaus sein könne, dass sich in gefälschten Umverpackungen echte Akkus befänden. Dies sähe auch die C. China ausweislich des Schreibens Anl. B11 so. Randnummer 26 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2013 und 18. März 2014 Bezug genommen. Randnummer 27 Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 24. Oktober 2013 (Bl. 90ff d.A.) Beweis erhoben durch Augenscheinseinnahme und Vernehmung des Zeugen Rechtsanwalt D.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18. März 2014 (Bl. 118ff d.A.) Bezug genommen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland Markenprodukte der Klägerin in Form von C.-Akkus des Typs LP-E10 einzuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, soweit sie mit der Wort/Bildmarke „C.“ versehen und nicht von einer Konzerngesellschaft der Klägerin produziert, in den Verkehr gebracht oder sonst wie autorisiert sind. II. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Waren herauszugeben. III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin im Zusammenhang mit sämtlichen von ihr angebotenen, vertriebenen und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr gebrachten Ware gemäß I. unverzüglich Auskunft über Namen und Anschrift des Herstellers, dessen Lieferanten oder anderer Vorbesitzer, sämtlicher gewerblicher Abnehmer sowie über die Menge der von ihrem Lieferanten erhaltenen Gegenstände zu erteilen. IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme derjenigen der Klägerin zu 1), die diese selbst zu tragen hat. V. Das Urteil ist bezüglich I. und III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00, bezüglich II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,00 und bezüglich IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 8. Kammer
Hessen
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02.06.2015
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Die Parteien streiten um eine Entschädigungszahlung. Der Kläger ist ua. ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich Alternative Energien. Nach seinem Schwerbehindertenausweis vom 12. Juli 2011 beträgt der Grad seiner Behinderung 50. Die Beklagte ist als hessische Kommune eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie übertraf im Jahr 2012 die Pflichtquote in § 71 Abs. 1 SGB IX mit einem Besetzungsgrad von 11,32 %. Mitte 2013 veröffentlichte die Beklagte eine Stellenausschreibung für einen technischen Angestellten zur Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik des von ihr unterhaltenen Komplexes "Palmengarten". Die Vergütung der Stelle sollte entsprechend der Entgeltgruppe 11 TVöD, was zum Ausschreibungszeitpunkt in Stufe 1 € 2.861,96 brutto monatlich entsprach, erfolgen. In der Stellenausschreibung, wegen deren Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 52 d. A. verwiesen wird, heißt es auszugsweise wie folgt: "... Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/ Sanitär-/ Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; langjährige Berufs- und Führungserfahrung; fundierte Kenntnis und sichere Anwendung der einschlägigen Regelwerke, insbes. der BetrSichV, UVV, MLAR, HausPrüfVO, HBO, VOB, VOL; Führungs- und Organisationskompetenz; Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit; soziale Kompetenz; Durchsetzungsvermögen; Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft; selbstständiges Arbeiten; gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit; gute Kenntnisse der MS-Office-Programme; Bereitschaft zum gelegentlichen Dienst an Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden; Bereitschaft zur Weiterbildung; interkulturelle Kompetenz. ...Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt... Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen richten Sie bitte bis zum 30.08.2013 unter Angabe der Kennziffer xxxxx/xxxl an den: Magistrat der Stadt ..." Mit Schreiben vom 14. August 2013 (Bl. 3 f. d. A.) bewarb sich der Kläger bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Stelle, wobei er unter der Grußformel mit Namen Folgendes aufnahm: "Anlagen: Anschreiben Lebenslauf Zeugnis Schwerbehindertenausweis" Seinem Bewerbungsschreiben waren eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises sowie ein insgesamt 5-seitiger tabellarischer Lebenslauf vom 15. Juli 2013 beigefügt, der auszugsweise folgende Angaben enthielt und wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 5 ff. d. A. verwiesen wird: "... BERUFSERFAHRUNG 10/07 - 09/12 ... Projektsachbearbeiter, Fa. A Aufgaben ... - Unterstützung der Projektleiter bei der Verwaltung der einzelnen Projekte ... - Objektleiter von vier Büroliegenschaften mit ca. je 5000 qm Bürofläche ... - Ökologische und Ökonomische Objektführung - Beurteilung der Technischen Einrichtungen und Anlagenteile ... - Führung der Objekttechniker - Beratung des Niederlassungsleiters ... ... 09/04 - 08/09 Stellvertretender Betriebsleiter in Teilzeit, Fa. B, C Umwelttechnik, Alternative Energien, Energieberatung, Heizung, Lüftung und Sanitär Unterstützung des Geschäftsführers, ca. 4 Mitarbeiter in Deutschland, ... 08/04 - 06/06 Weiterbildung zum staatlich geprüften Umweltschutztechniker, Technikerschule, D, ... ... 10/99 -10/00 Obermonteur, Fa. D ... Aufgaben ... - Ausbildung von Auszubildenden ... ... 08/96 -10/99 Hausmeister und Technischer Leiter ... Aufgaben ... - Mitarbeiterführung ... ..." Auf die Stellenausschreibung gingen insgesamt 56 Bewerbungen ein. Ausweislich der Bewerberübersicht, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 43 ff. d. A. verwiesen wird, war der Beklagten die Schwerbehinderung des Klägers bekannt. Mit Schreiben vom 22. August 2013 (Bl. 49 d. A.) informierte die Beklagte den Kläger über wie folgt über den Eingang seiner Bewerbung: "Sehr geehrter Herr F, wir bestätigen den Eingang Ihrer Bewerbung und danken Ihnen für das gezeigte Interesse. Die Prüfung erfordert erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit. Wir bitten Sie daher, das Ergebnis, über das wir Sie in jedem Fall benachrichtigen werden, abzuwarten und sich bis dahin zu gedulden." Mit Schreiben vom 4. November 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage seiner Bewerbung. In dem Schreiben, wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 50 d. A. verwiesen wird, führte sie ua. wie folgt aus: "... Inzwischen wurde über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle entschieden. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie hierbei nicht berücksichtigt werden konnten, da es hinsichtlich der Erfüllung der fachlichen Anforderungen einen besser qualifizierten Bewerber gab, der sehr ausgeprägte Fachkenntnisse sowie langjährige Berufserfahrung in allen genannten Gewerken vorweisen kann und zudem im besonderen Maße über die im Anforderungsprofil geforderte langjährige Führungserfahrung verfügt ..." Mit seiner am 15. November 2013 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 7. Dezember 2013 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung als schwerbehinderter Mensch geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, bereits im Hinblick auf die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sei davon auszugehen, dass die ablehnende Entscheidung seiner Bewerbung zumindest auch wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei. Dabei sei eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern angemessen. Der Kläger hat beantragt , die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die allerdings € 8.585,88 nicht unterschreiten sollte. Die Beklagte hat beantragt , die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger sei bei der Auswahlentscheidung für die zu besetzende Stelle nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei für die Besetzung der Stelle offensichtlich ungeeignet gewesen, da er nicht das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung erfüllt habe. Er habe in seiner Bewerbung nämlich nicht die Anforderungsprofile "langjährige Führungserfahrung" und "Führungskompetenz" nachgewiesen. Im Übrigen habe es sich bei der Bewerbung nicht um eine Bewerbung im Rechtssinne gehandelt, weil der Kläger keinerlei Nachweise für die angeführten Berufsabschlüsse bzw. keine Arbeitszeugnisse beigefügt habe. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage mit am 24. April 2014 verkündetem Urteil stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei im Rahmen des Bewerbungsverfahrens in unzulässiger Weise als schwerbehinderter Mensch diskriminiert worden. Zumindest ließen die unstreitigen Umstände des Bewerbungsverfahrens ein entsprechendes diskriminierendes Motiv der Beklagten nach § 22 AGG vermuten. Der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv geeignet gewesen. Die Stellenausschreibung der Beklagten enthalte eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungskriterien, ohne dass bei jedem Kriterium deutlich wird, was als zwingende Anforderung und was lediglich als wünschenswerte Anforderung verstanden wird. Gerade bei den Kriterien "Führungskompetenz" und "Führungserfahrung" handele es sich um solche, die regelmäßig nicht durch Vorlage förmlicher Abschlüsse bzw. Zertifikate nachgewiesen werden könnten. Auch sei weder aus der Stellenausschreibung noch aus dem Prozessvortrag der Beklagten letztendlich erkennbar, was sie unter diesen Begrifflichkeiten konkret verstehe und was sie von den Bewerbern zum Nachweis der erwarteten Kompetenzen konkret erwartet habe. Unabhängig davon habe der Kläger in seinem Lebenslauf aufgeführt, dass er in unterschiedlichen Funktionen als Vorgesetzter Mitarbeiter und Auszubildende geführt habe. Es habe sich auch um eine Bewerbung im Rechtssinne gehandelt. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger das an die Beklagte gerichtete Bewerbungsanschreiben vom 14. August 2013 tadellos formuliert habe. Auch der dem Bewerbungsanschreiben beigefügte tabellarische Lebenslauf sei sehr umfassend und sorgfältig ausgearbeitet worden und gebe einen umfassenden Überblick über seinen beruflichen Werdegang. Für eine nicht ernsthaft gemeinte Bewerbung des Klägers gebe es allein vor diesem Hintergrund mithin keinerlei Anhaltspunkte. Schließlich habe die Beklagte im Schreiben vom 4. November 2013 die abschlägige Bescheidung der Bewerbung des Klägers auch nicht mit fehlenden bzw. unvollständigen Bewerbungsunterlagen, sondern mit besser qualifizierten Bewerbern begründet. Als angemessene Entschädigung für die unzulässige Diskriminierung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung im streitgegenständlichen Bewerbungsverfahren sei ein Betrag in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern festzusetzen. Vorliegend rechtfertige sich die Festsetzung einer Entschädigung von drei Bruttomonatsgehältern vor allem aufgrund des Umstandes, dass das Bewerbungsverfahren abgeschlossen sei und der Kläger dauerhaft die Chance der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bezüglich der ausgeschriebenen Stelle verloren habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Beklagte ihr Fehlverhalten bisher weder eingestanden noch sich beim Kläger wegen der unterbliebenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entschuldigt habe. Gegen das Urteil vom 24. April 2014, das der Beklagten am 23. September 2014 zugestellt worden ist, hat sie mit am 8. Oktober 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 23. Dezember 2014 durch am 19. Dezember 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte macht mit der Berufung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, weil ihm die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich gefehlt habe. Ihre Stellenbeschreibung enthalte nur zwingende Anforderungen. Dies gelte jedenfalls für die genannte Ausbildung und die geforderte Führungsverantwortung. Die vom Kläger durchlaufene Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer sei nur ein kleiner Teilausschnitt des Gewerkes "Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik". Ihm fehle es aber auch an der Führungserfahrung. In jedem Fall sei die Höhe der Entschädigung vom Arbeitsgericht übersetzt worden. Von ihr könne nicht verlangt werden, ihr Fehlverhalten einzugestehen oder sich zu entschuldigen. Dieses Abwägungselement laufe darauf hinaus, ihr abzuverlangen, ihren zumindest vertretbaren Rechtsstandpunkt aufzugeben, dass der Kläger offensichtlich ungeeignet sei. Es müsse auch einem öffentlichen Arbeitgeber möglich sein, sich in der Sache zu verteidigen, ohne dafür im Gegenzug mit einer höheren Entschädigung sanktioniert zu werden. Sie habe zudem die Rechte der Schwerbehinderten im Übrigen geachtet. Sie habe nicht nur die Schwerbehindertenvertretung eingeschaltet, sondern auch die Agentur für Arbeit. Zudem beschäftige sie deutlich mehr Schwerbehinderte als nach dem SGB IX erforderlich. Die Beklagte beantragt , das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2014 - 21 Ca 8338/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt , die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er trägt vor, eine offenkundige fachliche Nichteignung für die zu besetzende Stelle habe nicht vorgelegen. Insbesondere die Führungskompetenz eines Menschen könne erst durch einen persönlichen Eindruck des Bewerbers in einem Vorstellungsgespräch ermittelt werden. An der durch das Arbeitsgericht ermittelten Entschädigungshöhe sei festzuhalten. Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. April 2014 - 21 Ca 8338/13 - unter Zu0 rückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 2.861,96 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 1/3 die Beklagte und zu 2/3 der Kläger zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 3. Senat
Schleswig-Holstein
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25.03.2019
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Billigkeitserlass einer Kindergeldrückforderung unter dem Gesichtspunkt der Anrechnung des Kindergeldes auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Randnummer 2 Der Kläger ist am xx.xx.1995 geboren und erhielt das Kindergeld aufgrund des Abzweigungsbescheides vom 05. März 2015 für den Zeitraum Januar 2015 bis einschließlich Mai 2016 direkt ausbezahlt. Kindergeldberechtigt war seine Mutter. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 teilte die Beklagte der Kindergeldberechtigten zunächst mit, dass ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für den Kläger nicht mehr bestehe und die Kindergeldfestsetzung entsprechend ab dem Monat Januar 2015 aufzuheben sei, da dieser seiner Meldepflicht bei der Arbeitsvermittlung nicht nachgekommen sei. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 meldete sich das Jobcenter des Kreises A bei der Beklagten und beantragte für den Kläger Kindergeld, da er sich dort ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 23. Februar 2015 die Abzweigung des Kindergeldes und Zahlung an ihn selbst, da er nicht mehr mit seiner Mutter in einem Haushalt lebe. Nachdem der Kläger die aufgrund des Schreibens des Jobcenters von der Beklagten geforderten Unterlagen übersandt hatte, bewilligte diese das Kindergeld mit Bescheid vom 05. März 2015 ab Januar 2015 mit dem Hinweis, dass das durch das Jobcenter vorverauslagte Kindergeld für die Monate Januar und Februar 2015 verrechnet werde. Mit weiterem Bescheid vom 05. März 2015 bewilligte die Beklagte die Abzweigung des monatlichen Kindergeldes zugunsten des Klägers. Die Belehrung über die Mitwirkungspflichten des Klägers lautete wie folgt: „ Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie verpflichtet sind, jede wichtige Veränderung – wie z. B. Umzug, Beendigung der Ausbildung und ähnliches – unverzüglich unter Angabe der Kindergeldnummer und des Namens des Kindergeldberechtigten der obengenannten Familienkasse mitzuteilen.“ . Anschließend wurde das Kindergeld dann bis einschließlich Mai 2016 ausbezahlt und entsprechend bei den Sozialleistungen nach dem SGB II in Abzug gebracht. Randnummer 5 Mit Bearbeitungshinweis vom 19. August 2015 stellte die Beklagte fest, dass der streitbefangene Kindergeldfall zur Überprüfung anstehe, da der Kläger ein Kind ohne Ausbildungsplatz sei und diese Fälle halbjährlich zu überprüfen seien. Diese Überprüfung erfolgte laut Aktenlage nicht. Randnummer 6 Mit weiterem Bearbeitungshinweis vom 17. Februar 2016 stellte die Beklagte erneut fest, dass ein weiteres halbes Jahr vergangen sei und eine weitere Überprüfung des Falles hinsichtlich der anspruchsbegründenden Voraussetzungen für ein Kind ohne Ausbildungsplatz anstünde. Diese Überprüfung erfolgte ebenfalls laut Aktenlage nicht. Randnummer 7 Am xx.xx.2016 vollendete der Kläger das 21. Lebensjahr, woraufhin die Beklagte die Bewilligung der Kindergeldzahlung für den Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 2015 aufhob. Mit Schreiben vom 26. Mai 2016 forderte die Beklagte das Jobcenter des Kreises A auf, mitzuteilen, ob der Kläger in der Zeit von März 2015 bis Mai 2016 durchgehend ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen sei. Der Kläger erhielt mit gleichem Datum eine Abschrift des Schreibens. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 beantragte das Jobcenter erneut die Festsetzung von Kindergeld für den Kläger. Zeitgleich informierte es die Beklagte darüber, dass der Kläger seit März 2015 keine Bewerbungen auf Ausbildungsplätze vorgelegt habe und daher nicht mehr ausbildungsplatzsuchend gemeldet sei. Die Beklagte forderte daraufhin die Kindergeldberechtigte mit Schreiben vom 14. Juni 2016 auf, die entsprechenden Nachweise für die Ausbildungsplatzsuche einzureichen. Diese teilte daraufhin mit, dass sie darüber keine Angaben machen könne, da der Kläger seit November 2014 nicht mehr bei ihr wohne. Der Kläger teilte darüber hinaus mit, dass er Leistungen nach dem SGB II erhalten habe und das Kindergeld vollumfänglich angerechnet worden sei. Er habe kein Geld zu viel erhalten. Im Rahmen seiner Weiterbewilligungsanträge im Mai 2015, im November 2015 und im Mai 2016 habe ihn niemand darüber informiert, dass er diese Nachweise einreichen müsse. Er ging davon aus, dass das Jobcenter die Meldung „ausbildungsplatzsuchend“ für den streitgegenständlichen Zeitraum bestätigen würde. Randnummer 9 Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Kläger ab März 2015 auf und forderte den Betrag in Höhe von insgesamt 2.830,00 € zurück. Sie wies die Kindergeldberechtigte daraufhin, dass sie den Betrag aufgrund der Abzweigung vom Kläger fordern würde. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 forderte die Beklagte den Betrag vom Kläger. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 06. März 2017 wies der Kläger auf eine Vollstreckungsankündigung hin und erklärte, dass er keinen Rückforderungsbescheid erhalten habe. Darüber hinaus vertrat er die Auffassung, dass ein Rückforderungsanspruch nicht bestehen könne, da er Leistungen nach dem SGB II erhalten habe und das Kindergeld in Abzug gebracht worden sei. Er hätte ohne die Kindergeldzahlung höhere Leistungen nach dem SGB II erhalten können. Durch die Rückzahlung des Kindergeldes würde er also schlechter gestellt werden. Er würde nicht nur kein Kindergeld erhalten, er könne diese Beträge auch nicht nachträglich vom Jobcenter fordern. Letztlich habe man ihm im Jobcenter bestätigt, dass er einen Anspruch auf Kindergeld habe. Er habe auf diese Angaben vertraut. Randnummer 11 Mit Datum vom 04. April 2017 erließ die Beklagte einen neuen Rückforderungsbescheid gegenüber dem Kläger. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Anspruch auf Kindergeldzahlung für den Kläger nicht bestanden habe, da er seine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nicht nachgewiesen habe. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 19. April legte der Kläger gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Nachweise für seine Bemühungen um einen Ausbildungsplatz legte er nicht vor. Zur Begründung führte er erneut die Verrechnung mit den Leistungen nach dem SGB II an. Randnummer 13 Mit Entscheidung vom 24. Mai 2017 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er ausbildungsplatzsuchend gewesen sei. Randnummer 14 Mit Schreiben vom 30. Mai 2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Erlass des Rückforderungsbetrages in voller Höhe gem. § 227 der Abgabenordnung (AO) mit der bereits bekannten Begründung der Verrechnung mit den SGB II- Leistungen. Randnummer 15 Mit Bescheid vom 16. August 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erlass ab, da die Voraussetzungen des § 227 AO nicht gegeben seien. Randnummer 16 Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 06. September 2017 Einspruch ein. Randnummer 17 Mit Entscheidung 11. Dezember 2017 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 227 AO Forderungen nur zu erlassen seien, wenn deren Einziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre. Die Einziehung der Forderung könne aus sachlichen Gründen unbillig sein. Sachliche Unbilligkeit liege vor, wenn die Einziehung der Forderung dem Zweck der anspruchsbegründenden Regelung widerspräche, mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen unvereinbar wäre. Der Erlass einer Forderung komme daher insbesondere in Betracht, wenn die Einziehung den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben oder dem Erfordernis der Zumutbarkeit widersprechen würde. Nachteile, die in der Norm selbst begründet seien, würden daher grundsätzlich nicht die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit rechtfertigen. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen könne gerechtfertigt sein, wenn bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes II als Einkommen Kindergeld festgesetzt worden, bei einer Rückforderung des Kindergeldes eine nachträgliche Korrektur der Leistungen in Höhe des Kindergeldes jedoch nicht möglich sei. Eine sachliche Unbilligkeit liege jedoch nur vor, wenn die Rückforderung nicht auf das Verhalten des Berechtigten zurückzuführen sei. Vorliegend habe der Kläger aber nicht nachgewiesen, dass er seit dem 27. Februar 2015 ausbildungsplatzsuchend bzw. überhaupt ausbildungswillig gewesen sei. Nach Angaben des Jobcenters habe der Kläger keine Bewerbungsunterlagen eingereicht. Der Kläger sei damit seiner Mitwirkungspflicht aus § 68 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht nachgekommen. Im Antrag auf Kindergeld habe er aber gegenüber der Familienkasse versichert, Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich mitzuteilen. Hierzu gehöre auch die Mitteilung über die fehlende Ausbildungssuchendmeldung. Die Anrechnung bei den SGB II- Leistungen könne nur dann einen Erlassgrund darstellen, wenn die Mitwirkungspflichten eingehalten würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Billigkeitsverfahren sei das Verhalten des Kindergeldberechtigten, des Sozialleistungsträgers und der Familienkasse zu würdigen und abzuwägen. Im vorliegenden Fall sei der Familienkasse kein Fehlverhalten anzulasten, welches zu einer Überbezahlung des Kindergeldes geführt hätte. Im Rahmen der Ermessensabwägung sei auch zu berücksichtigen, dass eine generelle Verpflichtung zum Erlass des Kindergeldrückforderungsanspruchs bei einer Anrechnung auf die bezogenen SGB II Leistungen, die Funktionsfähigkeit der Familienkasse erheblich gefährden würde. Denn für den betroffenen Kindergeldberechtigten und Empfänger von SGB II Leistungen bestünde dann keinerlei Veranlassung seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, weil das Vermeiden dieses Aufwands für ihn folgenlos bliebe. Hierdurch wäre die Arbeit der Familienkasse erheblich beeinträchtigt, da sie zur Klärung der Anspruchsvoraussetzung auf die Mitwirkung des Kindergeldberechtigten angewiesen sei. Randnummer 18 Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 15. Januar 2018 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erhobenen Klage. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine im außergerichtlichen Verfahren vorgebrachten Argumente. Randnummer 19 Der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2017 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Hauptforderung in Höhe von 2.830,00 € nebst Säumniszuschlägen zu erlassen. Randnummer 20 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 21 Zur Begründung verweist sie vollumfänglich auf den Inhalt ihrer Einspruchsentscheidung.
Unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 16. August 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2017 wird die Beklagte verpflichtet, die durch Bescheid vom 04. April 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 2017 ausgesprochene Kindergeldrückforderung für die Monate September 2015 bis Mai 2016 in Höhe eines Betrages von 1.890,00 € zu erlassen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 2/3 und der Kläger zu 1/3. Das Urteil ist - soweit der Klage stattgegeben wurde - wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LArbG Berlin-Brandenburg 3. Kammer
Berlin
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01.02.2019
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die zutreffende Beschäftigung und Vergütung der Klägerin. Randnummer 2 Das beklagte Land veröffentlichte im Amtsblatt von Berlin Nr. 3 vom 20. Januar 2017 eine Stellenausschreibung für „Fahrerin/Fahrer für personengebundene Fahrdienstleistungen“ mit der Entgeltgruppe 4. Im Internet war unter www.berlin.de die ausführliche Stellenbeschreibung veröffentlicht. – Wegen des Inhalts der im Amtsblatt und der im Internet veröffentlichten Stellenausschreibungen wird auf die Anlagen B2 (Bl. 26 der Akte) und B3 (Bl. 27 der Akte) Bezug genommen. Es waren mehrere Stellen zu besetzen. Randnummer 3 Die Klägerin, die als Busfahrerin bei der BT Berlin T. GmbH beschäftigt war, bewarb sich am 16. Februar 2017 um die ausgeschriebene Stelle. Am 3. April 2017 fand ein Vorstellungsgespräch statt. In diesem wurde über die Einsatzbedingungen einer ständigen persönlichen Fahrerin eines hohen Regierungsfunktionsträgers gesprochen. Randnummer 4 Das beklagte Land, vertreten durch das L. Berlin, führte in dem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 10. August 2017 auszugsweise aus: Randnummer 5 „ich beabsichtige Sie ab 01.09.2017 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt (entweder zum 1. oder zum 15. eines Monats) als Vollzeitbeschäftigte (Personenkraftwagenfahrerin) mit einer Monatsarbeitszeit von bis zu 289,33 Stunden unbefristet einzustellen. Randnummer 6 Für das Arbeitsverhältnis gelten der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen, in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Berlin jeweils gilt, solange das Land Berlin hieran gebunden ist in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen der Personenkraftwagenfahrer der Länder (Pkw-Fahrer-TV-L) vom 12. Oktober 2006 in der jeweiligen Fassung. Außerdem gelten die beim Land Berlin geltenden sonstigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung, solange das Land Berlin hieran gebunden ist. Randnummer 7 Sie werden in der Entgeltgruppe E 4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabsatz 2 der Entgeltordnung zum TV-L, als ständiger persönlicher Fahrer der Stufe 1. bis 10. Jahr PKW-Fahrer TV-L eingruppiert. Die Höhe Ihres monatlichen Bruttoentgelts beträgt 3.790,93 EUR. Randnummer 8 …. Randnummer 9 Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Annahme dieses Beschäftigungsangebotes möglichst bald schriftlich bestätigen (gerne auch per E-Mail) und sich mit mir telefonisch wegen des genauen Einstellungsdatums in Verbindung setzen. Randnummer 10 …. Randnummer 11 Da für die Zahlbarmachung des Entgelts folgende Unterlage/n unbedingt benötigt werden, bitte ich diese umgehend vorzulegen bzw. zu übersenden; Randnummer 12 … Randnummer 13 Ich mache darauf aufmerksam, dass ohne rechtzeitige Vorlage der angeforderten Unterlagen eine termingerechte Berechnung und Anweisung Ihres Entgeltes nicht möglich ist.“ Randnummer 14 - Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens vom 10. August 2017 wird auf die Anlage K2 (Bl. 10 der Akte) verwiesen.- Randnummer 15 Das beklagte Land hat Schreiben, die inhaltlich dem Schreiben vom 10. August 2017 im Wesentlichen entsprechen, auch an andere Bewerber/Bewerberinnen gesandt. Randnummer 16 Mit E-Mail vom 16. August 2017 (Anlage K3, Bl. 11 der Akte) schrieb die Klägerin dem L. auszugsweise: Randnummer 17 „ich konnte meinen derzeitigen Vertrag nun doch zum 31.08.2017 aufheben, so dass ich Ihnen gern ab dem 01.09.2017 als Personenkraftwagenfahrerin zur Verfügung stehe. Randnummer 18 Alle von Ihnen benötigten Unterlagen werde ich schnellstmöglich einreichen.“ Randnummer 19 Die Klägerin beendete ihr Arbeitsverhältnis mit der BT Berlin T. GmbH durch einen Aufhebungsvertrag zum 31. August 2017. Randnummer 20 Am 1. September 2017 nahm die Klägerin die Arbeit bei dem beklagten Land auf. Sie wurde nicht als ständige persönliche Fahrerin eingesetzt. Unter dem 12. September 2017 unterzeichneten die Klägerin und ein Vertreter des beklagten Landes einen Arbeitsvertrag, der in Auszügen wie folgt lautet: Randnummer 21 „§ 1 Randnummer 22 Frau K. wird ab 1. September 2017 als vollbeschäftigte Personenkraftwagenfahrerin eingestellt. § 2 Randnummer 23 Geltendes Tarifrecht Randnummer 24 (1) Für das Arbeitsverhältnis gelten Randnummer 25 - der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), Randnummer 26 - der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV- L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) sowie Randnummer 27 - die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen, in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Berlin jeweils gilt, solange das Land Berlin hieran gebunden ist. Randnummer 28 Außerdem gelten die beim Land Berlin geltenden sonstigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung, solange das Land Berlin hieran gebunden ist. § 4 Randnummer 29 Eingruppierung, Regelung zum Direktionsrecht Randnummer 30 Die Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe 4 TV-L eingruppiert. Randnummer 31 Der Arbeitgeber ist berechtigt, der Beschäftigten aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.“ Randnummer 32 - Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Anlage K1 (Bl. 8 bis 9 der Akte) Bezug genommen. - Randnummer 33 Im Schreiben vom 13. September 2017 (Anlage B4, Bl.28 der Akte) teilte das beklagte Land der Klägerin ua. mit, sie sei aufgrund ihrer Tätigkeit als Fahrerin in die Entgeltgruppe 4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 der EGO zum TV-L eingruppiert, in ihrem Fall sei davon auszugehen, dass sie nicht nur gelegentlich über die regelmäßige Arbeitszeit beschäftigt werde. In dem Schreiben heißt es ua. weiter, es werde unterstellt, dass die Klägerin bis zum 31. Dezember 2017 eine Monatsarbeitszeit im Umfang von mindestens 197 bis zu 220 Stunden habe, sie werde deshalb zunächst der Pauschalgruppe II zugeordnet. Das beklagte Land zahlte der Klägerin für September 2017 und Oktober 2017 jeweils ein Pauschalentgelt in Höhe von 2.915,71 Euro brutto (vgl. Entgeltnachweis für 09/2017, Anlage K4, Bl. 12 der Akte). Dies entsprach dem damals in Berlin geltenden Pauschalentgelt für Fahrer/Fahrerinnen der Pauschalgruppe II für neuangestellte Beschäftigte der Entgeltgruppe 4 gemäß der Anlage 1 zum Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen der Personenkraftfahrer der Länder (PKW-Fahrer-TV-L). Die Klägerin wies das beklagte Land in ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2017 ua. auf den Inhalt des Schreibens vom 10. August 2017, auf die Gründe für ihre Bewerbung und auf die nunmehr von dem beklagten Land vorgenommene Vergütungszahlung hin. In dem Schreiben vom 31. Oktober 2017 (Anlage K5, Bl. 13 der Akte) heißt es zum Schluss: „Wir bitten um ihre schriftliche Stellungnahme und um Zahlung des uns im Schreiben vom 10. August 2017 zugesagten Bruttoentgelts.“ Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 7. November 2017 (Anlage K6, Bl. 14 der Akte) ua. mit, das in dem Schreiben vom 10. August 2017 genannte Tätigkeitsmerkmal „ständiger persönlicher Fahrer“ und das in Aussicht gestellte Bruttoentgelt (Pauschalentgelt) in Höhe von 3.790,93 Euro seien irrtümlich falsch gewesen. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht der Pauschalgruppe „ständige persönliche Fahrer/Fahrerinnen“ zuzuordnen sei und ihrem Wunsch nach Zahlung des Pauschalentgelts gemäß dieser Personengruppe nicht entsprochen werden könne. Randnummer 34 Mit Schreiben vom 3. November 2017 (Anlage B6, Bl. 30 der Akte) teilte das beklagte Land der Klägerin unter Hinweis auf die im September 2017 geleistete Monatsarbeitszeit von 295,58 Stunden mit, sie werde gemäß § 5 Abs. 1 PKW-Fahrer -TV-L der Pauschalgruppe IV zugeordnet und die Nachzahlung erfolge zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 28. November 2017 (Anlage B7, Bl. 31 der Akte) teilte das beklagte Land der Klägerin unter Hinweis auf die im Oktober 2017 geleistete Monatsarbeitszeit von 284,73 Stunden mit, sie werde gemäß § 5 Abs. 1 PKW-Fahrer -TV-L der Pauschalgruppe IV zugeordnet und die Nachzahlung erfolge zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2017 (Anlage B8, Bl. 32 der Akte) teilte das beklagte Land der Klägerin unter Hinweis auf die im November 2017 geleistete Monatsarbeitszeit von 258,96 Stunden mit, sie werde gemäß § 5 Abs. 1 PKW-Fahrer -TV-L der Pauschalgruppe IV zugeordnet und die Nachzahlung erfolge zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Randnummer 35 Im Dezember 2017 war die Klägerin als ständige persönliche Fahrerin eines Staatssekretärs eingesetzt. Hierfür hat sie das entsprechende Pauschalentgelt erhalten. Seit Januar 2018 wurde die Klägerin nicht mehr als ständige persönliche Fahrerin eingesetzt. Randnummer 36 Das beklagte Land teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11. Januar 2018 ( Anlage B9, Bl. 33 der Akte) mit, sie werde im 1. Kalenderhalbjahr 2018 der Pauschalgruppe IV zugeordnet und erhalte das entsprechende Pauschalentgelt. Randnummer 37 Die Klägerin, vertreten durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten, forderte das beklagte Land mit Schreiben vom 7. März 2018 (Anlage K7, Bl. 15 der Akte) auf, ihr vertragsgerecht die Vergütung als ständige persönliche Fahrerin der Stufe 1. bis 10. Jahr PKW-Fahrer TV-L in Höhe von 3.790,93 Euro brutto ab September 2017 und in Höhe von 3.848,66 Euro brutto ab Dezember 2017 zu zahlen und sie ab sofort vertragsgemäß als ständige persönliche Fahrerin eines Senators, Staatssekretärs bzw. des Präsidenten des Abgeordnetenhauses einzusetzen und zu vergüten. Dies lehnte das beklagte Land mit Schreiben vom 19. März 2018 (Anlage K8, Bl. 17 der Akte) ab. Randnummer 38 Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach der Entgeltgruppe E4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 iVm. § 5 Abs. 2 PKW-Fahrer -TV-L, Stufe 1. bis 10. Jahr, Anlage 1, als ständige persönliche Fahrerin eingesetzt und bezahlt zu werden. Die Zusage des beklagten Landes, sie als ständige persönliche Fahrerin einzusetzen und zu vergüten, ergebe sich aus dem Angebot mit Schreiben vom 10. August 2017, welches sie mit Schreiben vom 16. August 2017, spätestens jedoch mit der Arbeitsaufnahme am 1. September 2017 angenommen habe. Eine korrigierende Rückgruppierung komme nicht in Betracht. Randnummer 39 Die Klägerin hat beantragt Randnummer 40 festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, Randnummer 41 a) die Klägerin seit dem 01.09.2017 als ständige persönliche Fahrerin einzusetzen und Randnummer 42 b) ihr Vergütung aus der Entgeltgruppe E 4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 der Entgeltordnung zum TV-L in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Pkw-Fahrer-TV-L, Stufe 1. bis 10. Jahr, Anlage 1 als ständige persönliche Fahrerin zu zahlen und Randnummer 43 c) den Differenzbetrag zwischen den der Klägerin tatsächlich monatlich gezahlten Vergütungen und den ihr zustehenden monatlichen Vergütungen aus der Entgeltgruppe E 4 Fallgruppe Teil III Abschnitt 2 Unterschnitt 2 der Entgeltordnung zum TV-L in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Pkw-Fahrer-TV-L, Stufe 1. bis 10. Jahr, Anlage 1, als ständige persönliche Fahrerin, nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus der jeweiligen monatlichen Nachforderung ab dem Tag nach der jeweiligen monatlichen Fälligkeit zu erstatten. Randnummer 44 Das beklagte Land hat beantragt, Randnummer 45 die Klage abzuweisen. Randnummer 46 Das beklagte Land hat im Wesentlichen vorgetragen: Die Klägerin sei am 1. September 2017 als Personenkraftwagenfahrerin eingestellt worden und werde seitdem als solche vertragsgemäß beschäftigt. Das Pauschalgruppenmerkmal „ständiger persönlicher Fahrer/ständige persönliche Fahrerin“ sei kein Tätigkeitsmerkmal nach der Entgeltordnung und damit nicht eingruppierungsrelevant. Die Zuordnung zu einer Pauschalgruppe sei weder ein rechtsgestaltender noch ein rechtsbegründender Akt. Die Angabe bezüglich der Eingruppierung im Schreiben vom 10. August 2017 sei dahingehend unrichtig gewesen, dass Pauschalgruppe und Pauschalentgelt als Bestandteile der Eingruppierung dargestellt worden seien. Es sei aber ausdrücklich auf die Geltung der einschlägigen Tarifverträge verwiesen worden. Aus der fehlerhaften Darstellung von Pauschalgruppe und –entgelt könne daher nicht gefolgert werden, dass das beklagte Land diese bewusst und ggf. übertariflich habe zubilligen wollen, oder dass es bewusst sein Direktionsrecht habe beschränken wollen. Das Schreiben vom 10. August 2017 sei letztlich auch unbeachtlich, da nach § 2 TV-L für den Abschluss eines Arbeitsvertrages die Schriftform vorgeschrieben sei. Diese sei dadurch erfüllt worden, dass es (das beklagte Land) am 29. September 2017 einen Arbeitsvertrag mit der Klägerin geschlossen habe, mit dem diese „als vollbeschäftigte Personenkraftwagenfahrerin“ eingestellt worden sei. Ein Anspruch der Klägerin auf übertarifliche Bezahlung bestehe nicht. Er lasse sich nicht aus dem geschlossenen Arbeitsvertrag herleiten. Die Klägerin sei tarifgerecht in die Entgeltgruppe 4 TV-L eingruppiert. Pauschalentgelt werde nur nach Maßgabe des PKW-Fahrer -TV-L gezahlt. Randnummer 47 Im Termin zur Güteverhandlung vom 11. Juni 2018 haben die Parteien übereinstimmend beantragt, dass der Rechtsstreit durch eine Entscheidung des Vorsitzenden allein erstinstanzlich abgeschlossen werden möge. Das Arbeitsgericht hat mit am 20. Juni 2018 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammengefasst ausgeführt: Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Ein Beschäftigungsanspruch spezifiziert auf die Tätigkeit einer ständigen persönlichen Fahrerin samt dazugehöriger Vergütung sei nicht durch einen Arbeitsvertrag der Parteien vom 10./16. August 2017 geregelt. Insofern fehle es an komplementären Willenserklärungen der Parteien. Zwar enthalte das Schreiben vom 10. August 2017 des beklagten Landes ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages iSv. §§ 130 Abs. 1, 145 BGB, welches hinsichtlich der Hauptleistungspflichten auch hinreichend spezifiziert sei. Während die ersten beiden Absätze des Schreibens die zentralen Bestandteile der beklagtenseitigen Willenserklärung beinhalteten, enthalte der dritte Absatz des Schreibens keine Elemente der beklagtenseitigen Willenserklärung. Dort seien vielmehr bloße Wissenserklärungen – also Bekundungen vermeintlichen Wissens – beinhaltet. Dies sei das Ergebnis der nach § 133 BGB vorzunehmenden Auslegung des Schreibens. Der Wortlaut der ersten beiden Sätze des dritten Absatzes lasse zwar einen klaren Inhalt entstehen, der den Rückschluss auf einen dementsprechenden Rechtsbindungswillen nahelege. Die systematisch-normative Auslegung des Schreibens gebiete es aber, deutliche Anzeichen für einen fehlenden Rechtsbindungswillen aufgrund der Nennung einer Eingruppierung und/oder einer konkreten Entgelthöhe anzunehmen. Hierbei sei § 12 Abs. 2 TV-L zu beachten. Dies gebe einen ersten Hinweis darauf, dass auch das vorliegend in Rede stehende Arbeitsvertragsangebot von dem Gedanken getragen worden sei, die Klägerin über ihre zukünftige Eingruppierung und ihr zukünftiges Einkommen lediglich in Kenntnis zu setzen. Die im dritten Absatz angesprochene Eingruppierung sei auch die zutreffende, denn der Klägerin werde ausweislich des ersten Absatzes eine Beschäftigung als „Personenkraftwagenfahrerin“ angeboten. Soweit der dritte Absatz indessen seine Ausführungen fortsetze und innerhalb der Entgeltgruppe 4 von einer Eingruppierung als „ständiger persönlicher Fahrer der Stufe 1. bis 10. Jahr PKW-Fahrer TV-L“ spreche, sei dies objektiv unzutreffend und erkennbar irrtumsbehaftet. Eine Eingruppierung in die „Stufe 1. bis 10. Jahr PKW-Fahrer TV-L“ sei rechtlich nicht existent. Gleiches gelte für eine Eingruppierung als „ständiger persönlicher Fahrer“. Der dritte Absatz beschreibe also insoweit etwas rechtlich Unmögliches, sodass die beiden zitierten Stellen des dritten Absatzes im Zuge der Auslegung als nicht geschrieben zu werten seien. Es sei auch darauf zu verweisen, dass sich eine Beschreibung der Tätigkeit im ersten Absatz finde und gerade nicht auf „ständige persönliche Fahrerin“ laute. An dem Auslegungsergebnis ändere sich nichts, wenn weitere tatsächliche Aspekte in die Auslegung einbezogen würden. Der tatsächliche Einsatz der Klägerin erweise sich zu dem Auslegungsergebnis konform. Hinweise, dass das beklagte Land der Klägerin bewusst eine günstigere Rechtsstellung habe einräumen wollen, finden sich nicht. Hierfür trage die Klägerin die Darlegungslast. Hierzu mache sie keine näheren Ausführungen. Zu dem vorstehend inhaltlich bestimmten Arbeitsvertragsangebot des beklagten Landes existiere in Gestalt der klägerischen E-Mail vom 16. August 2017 keine komplementäre Zustimmung iSv. §§ 130 Abs. 1 Satz 1, 147 Abs. 2 BGB. Da es sich jeweils um Hauptleistungspflichten handele, liege der durch §§ 154 Abs.1, 155 BGB nicht geregelte Fall des Totaldissenses vor. Der klägerseits für sich in Anspruch genommene Inhalt des Arbeitsvertrages ergebe sich auch nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 10. August/1. September 2017. Auch eine anzunehmende konkludente Annahmeerklärung der Klägerin durch die Arbeitsaufnahme am 1. September 2017 führe nicht zu einem Arbeitsvertragsschluss, es läge wiederum ein Totaldissens vor. Der unzweideutig zustande gekommene Arbeitsvertrag vom 12. September 2017 biete für das hier zu betrachtende streitgegenständliche Feststellungsinteresse der Klägerin keinerlei Stütze. Die Frage, ob der Arbeitsvertrag unter dem 12. September 2017 geeignet sei, einen etwaig früher zustande gekommenen Arbeitsvertrag abzulösen, habe dahinzustehen. Das beklagte Land schulde der Klägerin auch keine Nachzahlung. Denn die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis gestanden, in welchem sie einen Beschäftigungsanspruch spezifiziert auf die Tätigkeit einer ständigen persönlichen Fahrerin nebst dem entsprechend höheren Entgelt inne gehabt habe. - Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. – Randnummer 48 Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11. Juli 2018 zugestellte Urteil hat dieser mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 9. August 2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem bei dem Landesarbeitsgericht am 11. September 2018 eingegangenen Schriftsatz begründet. Randnummer 49 Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor: Das Arbeitsgericht nehme zu Unrecht an, dass es an entsprechend komplementären Willenserklärungen der Parteien fehlen würde. Es gehe insoweit fälschlich davon aus, dass in dem dritten Absatz des Schreibens vom 10. August 2017 keine Elemente einer beklagtenseitigen Willenserklärung, sondern lediglich bloße Wissenserklärungen beinhaltet seien. In dem Schreiben komme nicht deutlich zum Ausdruck, dass es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer sogenannten Wissenserklärung handele. Der Arbeitsvertrag vom 12. September 2017 könne bereits aufgrund der zeitlichen Differenz nicht zur Auslegung des Angebotes herangezogen werden. Der geschlossene Arbeitsvertrag ändere nichts an der zwischen ihr und dem beklagten Land geschlossenen Vereinbarung, dass sie als ständige persönliche Fahrerin eines hohen Regierungsfunktionsträgers eingesetzt werde und dafür ein entsprechendes Pauschalentgelt erhalte. Diese Angaben stünden der geschlossenen konkreten arbeitsvertraglichen Vereinbarung vom 12. September 2017 nicht entgegen, sondern stellten lediglich die allgemeinen Grundlagen dar, die durch das Angebot vom 10. August 2017 und die entsprechende Annahme durch sie mit E-Mail vom 16. August 2017 im Folgenden bereits näher konkretisiert worden sei. Für diese Auslegung spreche auch, dass in dem Vorstellungsgespräch vom 3. April 2017 lediglich über die Einsatzbedingungen einer ständigen persönlichen Fahrerin eines hohen Regierungsfunktionärs gesprochen worden sei. Mit dem Schreiben vom 10. August 2017 habe ihr bewusst die konkrete Stelle einer personengebundenen Fahrerin eines hohen Funktionsträgers mit der entsprechenden Darstellung der Zuordnung zu der Pauschalgruppe und dem entsprechend daraus folgenden Entgelt offeriert werden sollen. Dies folge auch aus weiteren Umständen. Ihr sei bekannt gewesen, dass in den Vorjahren einige ihrer Kolleginnen und Kollegen der BT Berlin T. GmbH im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung langjährig als ständige persönliche Fahrer von hohen Regierungsfunktionsträgern beschäftigt worden seien und dass die vereinbarte Arbeitnehmerüberlassung zum Ende des Jahres 2017 beendet worden sei. Ihr sei daher bewusst gewesen, dass bei dem beklagten Land ein erheblicher Bedarf an ständigen persönlichen Fahrern zum Einstellungszeitpunkt vorgelegen habe. Dass das beklagte Land bewusst den Einsatz als personengebundene Fahrerin mit dem entsprechend genannten Gehalt mit dem Schreiben vom 10. August 2017 habe anbieten wollen, auch wenn das gegebenenfalls übertariflich geschehe bzw. das L. bewusst sein Direktionsrecht habe einschränken wollen, ergebe sich auch daraus, dass im Zeitraum August 2017 solche Angebotsschreiben nicht erstmalig und auch nicht fälschlich bzw. irrtümlich versandt worden seien. Das L. habe ganz bewusst eine solche Zusage gegeben, da es beabsichtigt habe, die neu einzustellenden Fahrer und Fahrerinnen als ständige persönliche Fahrer/Fahrerinnen einzusetzen. Auch im Januar 2016 sei ein gleichlautendes Schreiben verfasst worden. Es sei langjährige Praxis beim L., den einzustellenden Fahrern eine solche Zusage zu geben und diese im Folgenden dann auch entsprechend als ständige persönliche Fahrer zu beschäftigen und zu vergüten. Es habe auch die Notwendigkeit bestanden, sie als personengebundene Fahrerin eines hohen Funktionsträgers einzustellen, nämlich aufgrund der Beendigung des Personalgestellungsvertrages mit der BT Berlin T. GmbH zum 31. Dezember 2017. Die Ausführungen im dritten Absatz des Schreibens vom 10. August 2017 seien auch nicht objektiv unzutreffend und erkennbar irrtumsbehaftet. In der Anlage 1 zum PKW-Fahrer -TV-L finde sich genau die angegebene Pauschalgruppe der „ständigen persönlichen Fahrer/Fahrerinnen“ mit dem zum damaligen Zeitpunkt korrekt zuzuordnenden Betrag von 3.790,93 Euro. Der tatsächliche Einsatz rechtfertige keine andere Auslegung. Sie habe das Angebot mit E-Mail vom 16. August 2017 angenommen. Ein Totaldissens sei hier nicht anzunehmen. Der nachfolgend unterschriebene Arbeitsvertrag und das Eingruppierungserläuterungsschreiben änderten daran nichts, stellten insbesondere auch keine Auslegungshilfe für das abgegebene Angebot dar. Randnummer 50 Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2019 trägt die Klägerin vor, es sei bereits vorgetragen worden, dass das beklagte Land bereits im Januar 2016 mit gleichlautenden Angeboten aufgetreten sei, es sei auch vorgetragen worden, dass im Folgenden die mit einer solchen Zusage eingestellten Fahrer auch entsprechend als ständige persönliche Fahrerinnen und Fahrer eingruppiert und vergütet worden seien, unabhängig davon, ob sie tatsächlich als solche eingesetzt worden seien. Randnummer 51 Die Klägerin beantragt, Randnummer 52 das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Juni 2018 – 60 Ca 6627/18 – wird abgeändert. Es wird festgestellt, Randnummer 53 a) dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin als ständige persönliche Fahrerin einzusetzen; Randnummer 54 b) dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Kläger Vergütung aus der Entgeltgruppe E 4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 TV-L iVm. § 5 Abs. 2 Pkw-Fahrer-TV-L, Stufe 1. bis 10. Jahr, Anlage 1, als ständige persönliche Fahrerin, zu zahlen; Randnummer 55 c) dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 01.09.2017 den Differenzbetrag zwischen den der Klägerin tatsächlich monatlich gezahlten Vergütungen und den ihr zustehenden monatlichen Vergütungen aus der Entgeltgruppe E4 Fallgruppe 4 Teil III Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 TV-L iVm. § 5 Absatz 2 Pkw-Fahrer-TV-L, Stufe 1. bis 10. Jahr, Anlage 1, als ständige persönliche Fahrerin, nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus der sich hieraus jeweils ergebenden monatlichen Nachforderung ab dem ersten Tag nach der jeweiligen monatlichen Fälligkeit zu erstatten. Randnummer 56 Das beklagte Land beantragt, Randnummer 57 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 58 Das beklagte Land schließt sich den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts an. Das beklagte Land ist weiter der Ansicht, es gebe bezüglich des dritten Absatzes des Schreibens vom 10. August 2017 bezüglich der Vergütung keine Elemente einer Willenserklärung. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom 12. September 2017 stehe dem von der Klägerin begehrten Ergebnis eines Nebeneinanders zweier Arbeitsverträge mit verschiedenen Inhalten bezüglich der Eingruppierung und damit einhergehenden Vergütungshöhe entgegen. Die Parteien hätten nur einen Vertrag gewollt, der spätestens mit der Vereinbarung vom 12. September 2017 im Sinne eines Änderungsvertrages die tarifvertragliche Eingruppierung/Vergütung in der Entgeltgruppe 4 TV-L, nicht aber als „ständige persönliche Fahrerin“ regele. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom 12. September 2017 sei auch als Aufhebungsvertrag in Bezug auf frühere Regelungen der Vergütung zu werten. Der Klägerin sei auch im Vorstellungsgespräch nicht mitgeteilt worden, dass sie ausschließlich für die Tätigkeit als „ständige persönliche Fahrerin“ eingestellt werden solle. Soweit eine fehlerhafte Schreibvorlage mehrfach als Vorlage genutzt worden sei, zeige dies gerade den deklaratorischen Charakter der Mitteilung auf. Es habe auch keine zwingende Notwendigkeit für eine Einstellung der Klägerin als ständige persönliche Fahrerin bestanden. Auch in der Vergangenheit sei keine Anstellung von Fahrzeugführern erfolgt, die allein als ständige persönliche Fahrer eines hohen Regierungsfunktionsträgers eingestellt worden seien, da bekanntermaßen die Regierungsfunktionsträger ihren Fahrer wählen können bzw. Einfluss haben, wer ihnen als Fahrer/Fahrerin zugeteilt werde. Es habe auch eine ausreichende Anzahl von Bewerbern in der Bewerbungsrunde der Klägerin gegeben. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, Anreize für die Personalgewinnung anzubieten. Randnummer 59 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Juni 2018 – 60 Ca 6627/18 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Neustadt (Weinstraße) 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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29.10.2020
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen eine straßenrechtliche Widmungsverfügung der Beklagten. Randnummer 2 Er erwarb mit Kaufvertrag vom 29. September 1995 das Grundstück Flurstück-Nr. …, M..., das im historischen Ortskern der Beklagten liegt und im vorderen Bereich an die M... (Flurstück-Nr. …) und im hinteren Bereich an die O... (Flurstück-Nr. …) angrenzt. An das Anwesen angeschlossen ist ein im 16. Jahrhundert errichteter Gewölbekeller, der sich unterhalb der O... erstreckt und nur vom Gebäude des Klägers aus erreichbar ist. Der Voreigentümer des Anwesens M... hatte den Gewölbekeller in den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts verfüllt; zwischenzeitlich legte der Kläger den Keller wieder frei. Randnummer 3 Im Oktober 2015 kam es durch Arbeiten der damaligen Verbandsgemeinde Grünstadt-Land an einer Wasserleitung, die in unmittelbarer Nähe zum Anwesen des Klägers verläuft, zu einem Wasserschaden am Gebäude des Klägers. In der Folgezeit sperrte der Kläger den Teil der O..., der sich vor seinem Grundstück Flurstück-Nr. … oberhalb des Gewölbekellers befindet, mit Bauzäunen und L-Steinen ab, sodass seither weder ein Durchgang noch eine Durchfahrt mehr möglich ist. Randnummer 4 Wegen dieser Sperrung der O... führen die Verfahrensbeteiligten einen Zivilrechtsstreit. Mit Urteil vom 25. September 2018 verurteilte das Landgericht Frankenthal den Kläger, die auf der gesamten Breite der O... errichteten Mauerwerke/Aufbauten in Höhe des Anwesens M... zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand, nämlich eine Straße mit Kopfsteinpflaster (Basaltpflaster), welcher dem Kopfsteinpflasterbelag (Basaltpflaster) der O... entspricht, wiederherzustellen, wobei der Belag mit Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen befahrbar sein muss (Az. 7 O 318/17). Randnummer 5 Gegen dieses Urteil ist ein Berufungsverfahren beim OLG Zweibrücken anhängig. Randnummer 6 Etliche Verkehrsanlagen in N... wurden nach Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes zunächst nicht gewidmet. Der Gemeinderat der Beklagten beschloss am 8. April, alle diese Anlagen, darunter auch die M... (Flurstück-Nr. …) und die O... (Flurstück. Nr. …) als Gemeindestraßen dem öffentlichen Verkehr zu widmen. Die entsprechende Allgemeinverfügung wurde am 2. Mai 2019 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde L öffentlich bekannt gemacht. Randnummer 7 Gegen diese Widmungsverfügung erhob der Kläger Widerspruch, soweit sie die M... und die O... umfasst. Den Widerspruch wies der Kreisrechtausschuss der Kreisverwaltung Bad Dürkheim mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2020 zurück. Randnummer 8 Daraufhin hat der Kläger am 25. März 2020 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt: Randnummer 9 Die Widmungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig, da sie keine Begründung enthalte, die den gesetzlichen Anforderungen genüge. Sie sei auch materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 LStrG nicht vorlägen. Im Falle der O... sei nicht die Beklagte, sondern er selbst Eigentümer des in Rede stehenden Straßenabschnitts. Er habe an dem Teil der O..., der sich über dem Gewölbekeller des Hausanwesens M... befinde, rechtsgeschäftlich Eigentum erworben. Das Grundstück Flurstück-Nr. … sei der Beklagten im Grundbuch nicht zugewiesen. Das Grundbuch von N..., Blatt …, Stand 24. Oktober 2017, erfasse als laufende Nummer … die Flurstück-Nr. …. Die Beklagte werde aber im Bestandsverzeichnis nicht als Eigentümerin dieses Grundstücks aufgeführt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte nunmehr im Grundbuchblatt … vom 28. April 2020 unter der laufenden Nummer … als Eigentümerin dieses Grundstücks geführt werde. Randnummer 10 Sein Grundstück habe seit dem Jahr 1837 eine Größe von über 100 m². Dementsprechend umschreibe auch der Kaufvertrag vom 29. September 1995 das Grundstück Flurstück-Nr. … als Hof- und Gebäudefläche zu 140 m². Auch das Grundbuchblatt … vom 19. Dezember 2002 spreche von „Gebäude und Freifläche M... (Flurstück-Nr. …4) zu 110 m²“. Diese Grundstücksgröße und nicht lediglich die mit dem Gebäude überbaute Fläche von 49 m² seien dem Grundstück Flurstück-Nr. … seit 180 Jahren zugeordnet. Dies sei bedeutsam, weil erst mit der Einführung des Grundbuchs im Jahr 1890/91 den Gassen in N... Flurstück-Nummern zugeteilt worden seien, während die Gebäude dort bereits seit 1837 welche besessen hätten. Randnummer 11 Die Widmungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, weil sie keine Ermessenserwägungen enthalte. Zudem sei das öffentliche Interesse an der Straßennutzung der O... allenfalls schwach ausgeprägt. Die Straße weise lediglich eine Breite von 2,25 m aus, wobei teilweise eine Steigung von bis zu 30% zu bewältigen sei. Wegen der geringen Breite sei die Straße deshalb auch immer nur jeweils in einer Richtung gleichzeitig befahrbar, und das, obwohl es sich offensichtlich nicht um eine Einbahnstraße handeln solle. Gleichzeitig sei es in der Vergangenheit schon häufiger vorgekommen, dass Fahrzeuge in der Kurve (Flurstück-Nr. …) stecken geblieben seien und aufwendig hätten geborgen werden müssen. Demgegenüber hätten seine schutzwürdigen Interessen als Straßenanlieger größeres Gewicht. Aufgrund der Wasserschäden im Jahr 2015 habe der Gewölbekeller unter der O... wiederhergestellt werden müssen, da die Fortführung der Wohnnutzung seines Hausanwesens M... aus statischen Gründen nur durch diese Maßnahmen habe sichergestellt werden können. Die Nutzung der O... in dem jetzt vorgesehenen Widmungsumfang werde hingegen erhebliche Schäden an seinem Hausanwesen bzw. dem Gewölbekeller zur Folge haben. Randnummer 12 Auch hinsichtlich der M... (Flurstück-Nr. …) habe die Beklagte ihr Eigentum nicht nachgewiesen. Auf diesem Grundstück befinde sich eine Treppe als Zugang zu seinem Haus. Dieser Bereich der M... sei nicht Teil einer öffentlichen Straße, da er nicht dem Katalog des § 1 Abs. 3 LStrG unterfalle und damit auch nicht Gegenstand einer straßenrechtlichen Widmungsverfügung sein könne. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, Randnummer 14 die Widmungsverfügung der Beklagten, auf Grund des Beschlusses der Beklagten vom 08. April 2019, veröffentlicht im Amtsblatt der Verbandsgemeinde L vom 2. Mai 2019 sowie den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 10. März 2020 – KRA-Nr. 182/19 – aufzuheben, soweit die O... und die M... in N..., in der Anlage zur Verfügung mit … bzw. … (Flurstücks. Nr.) bezeichnet, insbesondere im Bereich seines Hausanwesens M... durch die angefochtene Widmungsverfügung gewidmet werden. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen Randnummer 17 und erwidert: Randnummer 18 Einer Begründung bedürfe es im Falle einer Widmung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht, da es sich um eine öffentlich bekanntgemachte Allgemeinverfügung handele. Sie sei Eigentümerin der gewidmeten Straßengrundstücke Flurstück-Nrn. … (M...) und … (O...), wie sich dem vom Amtsgericht Grünstadt geführten Grundbuch von N..., Blatt …, entnehmen lasse. Die Widmung sei auch ermessensfehlerfrei ergangen, weil der fragliche Bereich seit jeher für den öffentlichen Verkehr genutzt werde. Treppenstufen im öffentlichen Verkehrsraum von historischen Gemeinden seien schon immer im Rahmen des Anliegergebrauchs üblich gewesen. Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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SG Marburg 12. Kammer
Hessen
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05.12.2007
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten noch um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den drei Quartalen III und IV/02 sowie IV/03 in Höhe von insgesamt 8.575,46 Euro. Randnummer 2 Der Kläger ist seit Januar 1980 als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Randnummer 3 In den Quartalen III/02 bis IV/03 ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG): Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Pkte. In % III/2002 VZA* 189 109 32 41,6 VG** 457 77 IV/2002 VZA* 210 120 50 71,4 VG** 544 70 I/2003 VZA** 214 100 20 25,0 VG** 478 80 II/2003 VZA* 216 98 23 30,7 VG** 465 75 III/2003 VZA* 218 103 28 37,3 VG** 474 75 IV/2003 VZA* 240 117 49 72,1 VG** 594 68 Randnummer 4 Nach einem Antrag der Beigeladenen zu 2) bis 89) für das Quartal III/03 bzw. einem Auswahlverfahren für die übrigen Quartale führte die 4. Kammer des Prüfungsausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen - Hessen - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale durch. Der Prüfungsausschuss lud den Kläger zu einer Prüfsitzung, an der er teilnahm. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 20.01.2005, dem Kläger am 23.03.2005 zugestellt, setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 8.824,90 € fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte auf die streitigen 8.575,46 € reduzierte. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen (vor Berücksichtigung der HVM-Einbehalte) vor: Randnummer 6 III/02 um 164,36 € IV/02 um 4.032,65 € IV/03 um 4.627,89 € Randnummer 7 Im Ergebnis gestand der Prüfungsausschuss dem Kläger für alle streitbefangenen Quartale jeweils den 1,4-fachen Fallwert zu. Randnummer 8 Hiergegen legte der Kläger am 18.05.2005 Widerspruch ein, den der Beklagte zunächst mit Beschluss vom 25.05.2005 als unzulässig verwarf. Nach Klageerhebung vor der Kammer (Az.: S 12 KA 1165/05) verpflichtete sich die Beklagte zur Neubescheidung. Randnummer 9 Der Beklagte führte eine weitere Prüfsitzung durch, an der der Kläger nicht teilnahm. Randnummer 10 Mit Beschluss vom 22.11.2006, ausgefertigt am 23.04.2007 und dem Kläger am 16.04.2007 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte des Klägers legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Im Ergebnis hätten Praxisbesonderheiten sowie Unterschiede in der Praxisstruktur, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand in seinem gesamten Umfang zu rechtfertigen, nicht festgestellt werden können. Man habe ferner die Abrechnung mit Blickrichtung auf die gegenüber der Vergleichsgruppe geringere Fallzahl und des daraus sich möglicherweise ergebenden erhöhten Zeitpotenzials für die Versorgung der Patienten beleuchtet. Zu berücksichtigen sei, dass jede zahnärztliche Praxis darauf ausgerichtet sei, eine zügige Therapie durchzuführen. Generell könne das hiermit verbundene Argument einer schnellen Durchsanierung auch nur dann Bedeutung erlangen, sofern ein erhöhter Sanierungsbedarf zu verzeichnen sei. Ein dahingehend großes Ausmaß habe nicht festgestellt werden können. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei Klinikpatienten ein erhöhter Bedarf vorliegen solle. Ein erhöhter Anteil älterer Patienten se nicht feststellbar gewesen. Aufgrund der flächendeckenden Zahnarztversorgung stelle KX. kein zahnärztlich unterversorgtes Gebiet dar. Fast alle Klinikpatienten verfügten über einen Hauszahnarzt. Eine exemplarische Überprüfung der Behandlungsfälle habe gezeigt, dass der Kläger das Gebot der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht eingehalten habe. Der Beklagte hat dies im Einzelnen ausgeführt. Insoweit wird auf Bl. 5 bis 7 des Widerspruchbescheides Bezug genommen. Kompensatorische Einsparungen im Verhältnis WB-Maßnahmen – Extraktionen seien nicht feststellbar gewesen. Zahnärztliche Leistungen müssten auch indikationsbezogen erfolgen. Auch die Vergleichsgruppe arbeite zahnerhaltend. Er habe eine Kürzung auf den 1,4-fachen Vergleichswert für erforderlich gehalten. Randnummer 11 Hiergegen hat der Kläger am 14.05.2005 die Klage erhoben. Er trägt vor, vor dem Prüfungsausschuss habe er nachgewiesen, dass sein Patientengut deutlich älter sei und der Anteil von psychiatrischen sowie neurologischen Kliniken deutlich erhöht sei. A-Stadt habe auch drei Seniorenheime. Diese strukturellen Unterschiede dürften nicht unbeachtet bleiben. Die Bevölkerung KX. sei insgesamt überaltert. Ältere Menschen hätten einen höheren Behandlungsbedarf. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses vom 22.11.2006 den Beklagten zu verpflichten, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Randnummer 13 Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 9) beantragen übereinstimmend, die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Der Beklagte verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, eine signifikante Erhöhung des Behandlungsbedarfs durch die Behandlung älterer Patienten sei nicht feststellbar gewesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein erhöhter Aufwand gerade bei älteren Patienten anfallen solle. Ein erhöhter Aufwand für Klinikpatienten sei nicht nachvollziehbar, da diese zunächst von ihrem Hauszahnarzt am Wohnort betreut werden würden. Sie suchten vielfach als Schmerzfall den Zahnarzt am Klinikort auf, was sich eher punktwertsenkend auswirke. Randnummer 15 Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich den Ausführungen des Beklagten an. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 15.05.2007 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
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VG Frankfurt 9. Kammer
Hessen
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31.07.2000
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Randnummer 1 Der Kläger ist als an der Johann Wolfgang Goethe-Universität tätiger Professor im Dienst des beklagten Landes beihilfeberechtigt. Mit Anträgen vom 26.11. und 21.12.1998 beantragte er die Gewährung von Beihilfeleistungen u.a. für zahnärztliche Behandlungen, hinsichtlich derer er Rechnungen des behandelnden Zahnarztes Ecker vom 25.09., 20.11., 07. , 16. und 18.12.1998 vorlegte. Zuvor hatte er bereits unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans für die geplanten Behandlungen und einer ausdrücklichen Schilderung der geplanten Maßnahmen wegen einer Beihilfegewährung angefragt. Die Beihilfestelle des Präsidenten der Johann Wolfgang Goethe-Universität teilte dem Kläger am 26.01.1999 mit, dass aufgrund seiner Anträge eine Beihilfe in Höhe von 9784 DM gewährt werde; von den mit den erwähnten Rechnungen geltend gemachten Beträgen für die zahnärztlichen Behandlungen erkannte die Beihilfestelle wegen der Überschreitung des "Schwellenwertes" der GDZ Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4132, 85 DM nicht als beihilfefähig an, was einer Beihilfe von 2686 DM entsprochen hätte. Zur Begründung führte die Beihilfestelle aus, dass standardisierte Kurzbegründungen nur als Anhaltspunkt herangezogen werden könnten, für jeden Einzelfall aber eine Begründung abzugeben sei. Randnummer 2 Hiergegen erhob der Kläger am 15.02.1999 "Einspruch". Auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der zahnärztlichen Abteilung des Stadtgesundheitsamts der Stadt Frankfurt am Main vom 23.02.1999 (Bl. 63 ff. der Verwaltungsvorgänge) wies der Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.1999 zurück (Bl. 73 ff. der Verwaltungsvorgänge). Auch auf der Grundlage der gutachtlichen Stellungnahme des Stadtgesundheitsamtes komme die Gewährung einer zusätzlichen Beihilfe nicht in Betracht, da die vom Zahnarzt in Rechnung gestellten, den Schwellenwert des 2,3-fachen Gebührensatzes nach GOZ übersteigenden Beträge aufgrund der von ihm gegebenen schriftlichen Begründungen in der Rechnung nicht gerechtfertigt seien. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 27.03.1999 zugestellt. Randnummer 3 Auch eine mit Schreiben des Klägers vom 08.04.1999 nachgereichte Erläuterung durch den behandelnden Zahnarzt, hinsichtlich derer die Beihilfestelle ebenfalls eine gutachtliche Stellungnahme der zahnärztlichen Abteilung des Stadtgesundheitsamtes einholte, führte zu keinem anderen Ergebnis. Randnummer 4 Der Kläger hat am 27.04.1999 Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, dass eine Bemessung der ihm in Rechnung gestellten zahnärztlichen Leistungen jedenfalls zum 3,5-fachen Gebührensatz gerechtfertigt sei. Die erbrachten Leistungen wiesen technologisch fortgeschrittenen Standard auf und seien von der veralteten Gebührenordnung insoweit nicht erfasst. Der Zahnarzt habe dies auch hinreichend begründet. Im übrigen beanstandet der Kläger, dass die Beihilfestelle vor ihrer Entscheidung über die Beihilfegewährung kein Gutachten der Landeszahnärztekammer eingeholt habe. Die gutachterliche Stellungnahme des Stadtgesundheitsamtes genüge den beihilferechtlichen Erfordernissen nicht. Es sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Beklagte zuvor Beihilfe auf der Grundlage eines Gebührenfaktors 3,5 gewährt habe, nunmehr davon aber grundsätzlich absehe. Im übrigen habe er - der Kläger - auf eine weitaus teurere Behandlung verzichtet, die jedoch in einem größeren Umfang beihilfefähig gewesen wäre, und so dem Land grundsätzlich Kosten erspart. Schließlich macht der Kläger geltend, das der Zahnarzt auf der Grundlage neuerer Urteile von Amtsgerichten aufgrund anderer Positionen der GOZ habe abrechnen können, die dem geleisteten Aufwand eher gerecht würden, insoweit sogar zu einem von der Beihilfe voll abgedeckten Rechnungsposten geführt hätten, das beklagte Land aber insgesamt teurer gekommen wären. Folglich sei eine Erstattung zum Faktor von 3,5 in seinem Fall gerechtfertigt. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, Randnummer 6 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Präsidenten der Johann-Wolfgang-Goethe Universität vom 26.01.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 26.03.1999 zu verurteilen, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 2686 DM zu gewähren. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Zur Begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie macht geltend, dass die Verfahrensvorschriften eingehalten worden seien, da die Beihilfestelle keine Zweifel über die Angemessenheit der berechneten Gebühren hatte und folglich ein Gutachten der Landeszahnärztekammer nicht habe einholen müssen. Randnummer 10 Auf Ersuchen des Gerichts nahm die Landeszahnärztekammer am 10.04.2000 (Bl. 76 ff. d. A.) zu den Rechnungen des Zahnarztes Stellung. Auf die Stellungnahme wird Bezug genommen. Randnummer 11 Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf sie und die Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Das beklagte Land wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Präsidenten der Johann Wolfgang Goethe-Universität vom 26.01.1999 und des Widerspruchsbescheides vom 26.03.1999 verurteilt, an den Kläger eine weitere Beihilfe von 524,-- DM zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu 4/5 und das beklagte Land zu 1/5 zu tragen. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf ihn entfallenden Kostenanfalls abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Darmstadt 3. Kammer
Hessen
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04.07.2011
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Randnummer 1 Der Beteiligten streiten um den Widerruf der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter. Randnummer 2 Der Kläger wurde im Jahre 1962 in Midyat/Türkei geboren. Er ist assyrischer Christ. Im März 1981 kam er nach Deutschland und beantragte am 10.04.1981 die Anerkennung als Asylberechtigter. Er trug vor, als Christ habe er schon in seiner Kindheit Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems erleben müssen. Er habe sich entschieden, die Türkei zu verlassen, nachdem seine Werkstatt im Jahre 1980 im Abstand von zwei Wochen zweimal von moslemischen Gruppen unter Hinweis darauf ausgeraubt worden sei, dass diese als Moslems den Christen das Geld abzunehmen hätten. Randnummer 3 Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 22.02.1983 ab. Aufgrund der hiergegen gerichteten Verpflichtungsklage des Klägers wurde die Beklagte vom Verwaltungsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 10.12.1984 - X/1 E 05402/83 - unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof stellte in seinem Urteil vom 30.09.1991 - 12 UE 766/85 - fest, dass dem nicht vorverfolgten Kläger bei der Rückkehr in die Türkei im Rahmen des abzuleistenden Militärdienstes an seine Religionszugehörigkeit anknüpfende Einzelverfolgung bevorstehe. Daraufhin erkannte die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 05.02.1992 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorlagen. Randnummer 4 In seiner Zeit in Deutschland lebte der Kläger im Wesentlichen von Gelegenheitsarbeiten und Sozialleistungen. Aufgrund eines Hörsturzes hat der Kläger einen Hörschaden und wurde als zu 70 % schwerbehindert eingestuft. Im Übrigen litt der Kläger aufgrund nicht unerheblichen Alkoholkonsums unter Leberproblemen und Diabetes mellitus Typ 2. Um seinen Alkoholbedarf zu finanzieren, lieh sich der Kläger Geld von verschiedenen Bekannten und Verwandten und häufte so bis zum Jahre 2009 Schulden in Höhe von ca. 23.400,- Euro an. Randnummer 5 Der Kläger ist mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Noch während des laufenden Asylverfahrens wurde der Kläger durch Urteil des Landgerichts C-Stadt vom 14.12.1989 - … - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Haschisch zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht A-Stadt verhängte mit Strafbefehl vom 29.06.2000 - … - eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 40,00 DM wegen Betruges gegen ihn. Randnummer 6 Durch Urteil des Landgerichts L. vom 17.04.2009 - … - wurde der Kläger wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. In dem Urteil wurde festgestellt, dass der Kläger am 02.11.2008 5.856,4 g Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 12,8 % THC aus den Niederlanden nach Deutschland transportierte, wo das Haschisch weiterverkauft werden sollte. Hintergrund der Kurierfahrt war, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt beim Auftraggeber der Kurierfahrt Schulden in Höhe von 700,- Euro hatte. Als dieser vom Kläger das geliehene Geld zurückforderte und der Kläger nicht zahlen konnte, forderte er den Kläger auf, den Drogentransport für ihn durchzuführen, im Gegenzug sollten ihm seine Schulden erlassen werden. Dabei wurde die Aufforderung des Auftraggebers durch dessen Schwiegersohn verstärkt, der eine Handbewegung ausführte, als wolle er den Kläger am Hals festhalten. Randnummer 7 Aufgrund dieser Verurteilung befand sich der Kläger bis zum 05.04.2011 in Haft. Randnummer 8 Die Beklagte leitete am 21.09.2009 ein Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylVfG ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 13.10.2009 zu der Absicht an, die asylrechtliche Begünstigung zu widerrufen. Er erfülle wegen der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren den Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG. Nach Aktenlage könne er die Rückkehr in das Heimatland auch nicht aus zwingenden Gründen ablehnen, die auf früheren Verfolgungen beruhten. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 17.01.2010 nahm der Kläger über seinen Bevollmächtigten dahingehend Stellung, dass es sich bei der Vorschrift des § 60 Abs. 8 AufenthG um eine solche mit ultima-ratio-Charakter handele, deren Tatbestandsmerkmale insofern eng auszulegen seien. Daher sei die erforderliche Wiederholungsgefahr beim Kläger nicht gegeben, da es sich bei seiner Tat lediglich um einen singulären Konflikt gehandelt habe. Weiterhin spreche gegen eine solche Wiederholungsgefahr das Verhalten des Klägers nach der Festnahme, da dieser die Tat vollumfänglich eingeräumt und zur Überführung der Mittäter beigetragen habe. Darüber hinaus sei der Kläger zwar im Jahre 1989 bereits wegen eines Betäubungsmitteldeliktes verurteilt worden, zwischen beiden Verurteilungen lägen aber mehr als 20 Jahre. Ein Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter komme auch nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht in Betracht, da sich die Verhältnisse für syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei seit Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter nicht erheblich und dauerhaft geändert hätten. Randnummer 10 Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 11.03.2010 die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Darüber hinaus stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht bestünden. Die Entscheidung begründete sie damit, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG eingetreten seien, weil der Kläger durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Krefeld zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon aus der gesetzlichen Wertung, dass derart schwerwiegende Straftaten, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren führen, typischerweise mit einem hohen Wiederholungsrisiko verknüpft seien. Dies gelte insbesondere für schwere Rauschgiftdelikte. Hierfür spreche beim Kläger, dass er bereits im Jahr 1989 aufgrund eines Betäubungsmitteldeliktes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Die Tatsache, dass der Kläger durch einen seiner Gläubiger zum Transport gedrängt wurde, könne ihn nicht entlasten, da er derart viele Schulden angehäuft habe, dass er damit habe rechnen müssen, dass er diese nur durch die Beteiligung am Rauschgifthandel tilgen könne. Dafür spreche auch, dass dem Kläger eine wirtschaftliche Integration nicht gelungen sei und keinerlei Bemühungen erkennbar seien, dass er seinem Alkoholkonsum ernsthaft entgegentrete. Randnummer 11 Überdies seien die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht mehr gegeben, weil die Prognose drohender politischer Verfolgung nicht mehr zu treffen sei. Der Hessische VGH habe festgestellt, dass sich die Situation syrisch-orthodoxer Christen in der Türkei verbessert habe. Auch die Voraussetzungen zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor. Auf den gegenüber § 51 AuslG erweiterten Schutzumfang könne es bei dieser Beurteilung schon deshalb nicht ankommen, weil der Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG gegeben sei. Schließlich kämen auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht in Betracht. Randnummer 12 Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 29.03.2010 Klage erhoben, die er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Anhörungsverfahren stützt. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.03.2010 aufzuheben. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Zur Begründung beruft sie sich auf ihre Ausführungen in der Widerrufsentscheidung. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 18.01.2011 ist das Verfahren dem Einzelrichter übertragen worden. Randnummer 17 In der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2011 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Dies geschah im Hinblick darauf, dass während des vorliegenden Verfahrens das Landgericht E. die Aussetzung des Restes der Freiheitsstrafe des Klägers zur Bewährung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu prüfen hatte. Im Rahmen dieses Verfahrens ist durch Beschluss vom 17.12.2010 - … - ein Gutachten zur Rückfallgefahr des Klägers bei vorzeitiger Entlassung aus der Haft in Auftrag gegeben worden. Randnummer 18 In seinem Gutachten vom 27.02.2011 hat der Sachverständige Dr. T. festgestellt, dass Motiv für die Straftaten des Klägers Geld gewesen sei (Bl. 123 der Gerichtsakte) und nicht übermäßiger Alkoholkonsum oder eine Wettleidenschaft: „Im tatmotivierenden Universum des Probanden stellten die Rückzahlungsforderungen seines Auftraggebers das ‚Zentralgestirn‘, die Neigung des Probanden zum Alkohol- und Haschischkonsum sowie seine Wettleidenschaft nur ‚Satellitenbildungen‘ dar.“ (Bl. 123 Rn. 15 der Gerichtsakte). Daher lasse sich feststellen, dass „es sich bei dem Alkoholkonsum – in Übereinstimmung mit dem aburteilenden Gericht – um einen tatbegünstigenden, weil Bedenken bei Seite schwemmenden Faktor, nicht aber um die Ursache der abgeurteilten Kriminalität“ (Bl. 127 der Gerichtsakte) handele. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der Kläger die Inhaftierung als besonders leidvoll erlebe (Bl. 124 der Gerichtsakte). Ihm habe seit der Inhaftierung nicht der Alkohol und nicht das Haschisch gefehlt, sondern „… die Familie.“ Randnummer 19 Der Sachverständige empfiehlt, den Kläger anzuweisen, nach dessen Entlassung aus der JVA (mindestens) zwei Jahre lang zwei Mal pro Monat in der Nähe seines Wohnortes die Anonymen Alkoholiker ambulant aufzusuchen und an den Gruppentreffen (mindestens) zwei Jahre lang teilzunehmen. Danach könne bestätigt werden, dass bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr bestehe, dass dessen durch die Tat zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbestehe (Bl. 127 der Gerichtsakte). Randnummer 20 Mit Beschluss vom 05.04.2011 hat das Landgericht E. die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts L. vom 17.04.2009 zur Bewährung ausgesetzt. Für die Bewährungszeit hat das Landgericht dem Kläger die seitens des Sachverständigen empfohlenen Weisungen erteilt. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten, die den Kläger betreffenden Behördenakten des Bundesamtes (drei Hefte) sowie der Ausländerbehörde und die Gefangenen-Personalakte der JVA F. (Gefangenenbuch Nr. …) Bezug genommen. Diese sind ebenso Gegenstand der Entscheidung gewesen wie die in das Verfahren aufgrund der in der Generalakte des Gerichts befindlichen Verfügung vom 12.05.2005 (Türkei: Liste 1 bis 18) und der mit Verfügung vom 21.01.2011 (Türkei: Liste 0) eingeführten Erkenntnisquellen.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11.03.2010 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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ArbG Hamburg 14. Kammer
Hamburg
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15.06.2016
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung, über die Entfernung von fünf Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers und über diverse Zahlungsansprüche. Randnummer 2 Der 1970 geborene Kläger ist seit dem 01. Januar 2012 auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 02. Dezember 2011 (Anlage K 1 - Bl. 1316 d.A.) beschäftigt. Dort war der Kläger zunächst als Leiter der Landesdirektion H. auf der Führungsebene 2 mit dem Titel Regionaldirektor. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Klägers beläuft sich auf 10.039,99 Euro, die sich aus einem monatlichen Festgehalt in Höhe von 4.583,33 Euro brutto, einer festen Abschlagszahlung „Anteilsprovision“ in Höhe von 5.416,66 Euro brutto und dem Arbeitgeberanteil zur Vermögensbildung in Höhe von 40,00 € brutto errechnet. Randnummer 3 Der Anstellungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt: Randnummer 4 § 1 Stellung und Aufgaben Randnummer 5 1. Herr B. wird ab dem 01.01.2012 als Leiter der Landesdirektion H. tätig. Herr B. ist leitender Angestellter der Gesellschaft und gehört der zweiten (F2-Ebene) Führungsebene an. Er führt den Titel „Regionaldirektor“. Randnummer 6 2. Die Gesellschaft behält sich vor, Herrn B. aus sachlichem Grund ein anderes Aufgaben- und Verantwortungsgebiet zu übertragen, soweit dies nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten für ihn zumutbar ist, Dies gilt insbesondere für eine Änderung des Vertriebsgebiets, der zugeordneten Bestände und/oder eine Änderung der Vertriebspartner der Landesdirektion Hamburg. Randnummer 7 3. (...) Randnummer 8 4. (...) (...) Randnummer 9 § 7 Urlaub Randnummer 10 (...) Herr B. wird seinen Urlaub nach Abstimmung mit dem Vorgesetzten unter Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft nehmen. (...) Randnummer 11 § 11 Dienstwagen Randnummer 12 1. Die Gesellschaft stellt Herrn B. einen Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung. Randnummer 13 2. (...) (...) Randnummer 14 Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Bei ihr sind ein Betriebsrat und ein Sprecherausschuss gebildet. Randnummer 15 Mit Wirkung zum 01. Januar 2015 wurde die Vo. AG mit der Beklagten verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 30. Dezember 2014 in das Handelsregister eingetragen (Anlage B 1 - Bl. 118-130 d.A.). Die Verschmelzung, die Teil des Projektes Z. ist, und die sich daraus ergebenden Umstrukturierungen wurden mit dem Konzernbetriebsrat verhandelt (Anlage B 2 - Bl. 131-135 d.A.). Im Zuge dieser Verschmelzung und der Umsetzung des Projektes Z. wurde die Außendienststruktur der Beklagten neu aufgestellt. Randnummer 16 Im Rahmen von Organisationsdirektions-Standorten wurden die Vertriebsgebiete West und Ost festgelegt. Jeder Bereichsvorstand in einem Vertriebsgebiet führt seitdem zwölf Organisationsdirektions-Standorte, die wiederum untergliedert sind in 187 Filialdirektions-Standorte. Die Führung des Außendienstes erfolgt seit dem 01. Januar 2015 durch die 24 Organisationsdirektoren (24 OD-Standorte) sowie die 187 Filialdirektoren (187 FD- Standorte), die den Organisationsdirektoren zugeordnet sind (Anlage B 3 - Bl. 136 d.A.). Randnummer 17 Mit der Umsetzung dieser Strukturänderung zum 01. Januar 2015 entfielen sämtliche Regional- und Landesdirektionsstellen. Die Aufgaben der Regionaldirektoren wurden in der neuen Struktur aufgeteilt zwischen den Organisationsdirektoren, die als Spitzenführungskräfte der ersten Führungsebene unmittelbar an den Bereichsvorstand berichten, und den neu geschaffenen Filialdirektoren, die die zweite Führungsebene bilden. Randnummer 18 Die Beklagte sprach bereits im Laufe des Jahres 2014 mit dem Kläger über die zukünftige Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes. Die Beklagte bot dem Kläger Anfang September 2014 eine Tätigkeit in der neuen Struktur als Filialdirektor an (Anlage B 4 - Bl. 137-139 d.A.). Randnummer 19 Unter dem 24. September 2014 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Mit Klage vom 21. November 2014 hatte der Kläger seine Beschäftigung als Leiter der Landesdirektion mit dem Titel Regionaldirektor vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 14 Ca 390/14 geltend gemacht. Randnummer 20 Am 21.November 2014 unterzeichnete der Kläger den Vertragsentwurf hinsichtlich einer zukünftigen Tätigkeit als Filialdirektor und übersandte diesen an die Beklagte. Randnummer 21 Mit Schreiben vom 28. November 2014 (Anlage K 3 - Bl. 20 d.A.), das dem Kläger am 29. November 2014 per Boten zugestellt wurde, erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung einer vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende zum 30. Juni 2015. Hiergegen erhob der Kläger unter dem Aktenzeichen 14 Ca 390/14 Kündigungsschutzklage. Im Kündigungsschreiben formulierte die Beklagte auszugsweise: Randnummer 22 Sie sind mit sofortiger Wirkung ab dem 26.11.2014 bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der Bezüge von jeglicher weiteren Tätigkeit unwiderruflich freigestellt. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf sämtliche etwaigen Urlaubsansprüche. Randnummer 23 In der mündlichen Kammerverhandlung vom 11. August 2015 des Rechtsstreits 14 Ca 390/14 erklärte die Beklagte, dass sie aus der Kündigung vom 28. November 2014 keine Rechte mehr herleite und forderte den Kläger auf, seine Arbeit in der Filialdirektion M. am 17. August 2015 um 10.00 Uhr aufzunehmen. Randnummer 24 Der Kläger hatte zuvor dem ihm von der Beklagten zur Verfügung gestellte Dienstwagen zum 30. Juni 2015 an die Beklagte zurückgegeben. In der Zeit vom 01. Juli 2015 bis zum 25. August 2015 konnte der Kläger seinen Dienstwagen nicht nutzen. Der Listenpreis für den Dienstwagen betrug 46.700,00 Euro. Der Kläger hatte monatlich 467,00 Euro = 1% zu versteuern (Anlage K 6 - Bl. 41 d.A.). Randnummer 25 Am 13. August 2015 erklärt der Kläger per E-Mail, dass er die Stelle antreten werde (Anlage B 6 - Bl. 141-142 d.A.). Im Nachgang stellte die Beklagte den Kläger aus organisatorischen Gründen und zur Unterrichtung des Betriebsrats für zwei Wochen unwiderruflich frei. Der Betriebsrat in H. stimmte der personellen Maßnahme mit Schreiben vom 28. August 2015 zu (Anlage B 7 - Bl. 143-144 d.A.). Der Betriebsrat in D. als Betriebsrat der aufnehmenden Organisationsdirektion wurde mit Schreiben vom 31. August 2015 beteiligt (Anlage B 8 - Bl. 145-146 d.A.). Der Betriebsrat in D. verweigerte mit Schreiben vom 04. September 2015 seine Zustimmung (Anlage B 8 - Bl. 146 d.A.). Die Beklagte nahm sodann die Versetzung des Klägers vorläufig vor und leitete eine arbeitsgerichtliches Verfahren nach §§ 99, 100 BetrVG ein. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19. Februar 2016 zum Aktenzeichen 14 BV 201/15 die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt und die Versetzung als aus sachlichen Gründen dringend erforderlich angesehen. Randnummer 26 Die Versetzung des Klägers erfolgte sodann mit Wirkung zum 31. August 2015. Mit Schreiben vom 31. August 2015 wurde dem Kläger eine Aufgabenbeschreibung für die neue Tätigkeit übergeben (Anlage K 7 - Bl. 42-43 d.A.). Für die Stelle eines Filialdirektors existiert bei der Beklagten eine Aufgabenbeschreibung (Anlage B 9 - Bl. 147-149 d.A.). Randnummer 27 Am 01. September 2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsunfähig und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 08. September 2015 bescheinigte. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand bis zum 23. September 2015 fort. Unter dem 24. September 2015 legte der Kläger der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die als Erstbescheinigung ausgestellt war und eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Oktober 2015 attestierte. In der Zeit vom 15. Oktober 2015 bis einschließlich 27. Oktober 2015 hatte der Kläger genehmigten Urlaub. In der Zeit vom 28. Oktober 2015 bis einschließlich 30. Oktober 2015 blieb der Kläger der Arbeit fern. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger für diese Zeit Urlaub gewährt hat. Randnummer 28 Für die Zeit vom 24. September 2015 bis einschließlich 14. Oktober 2015 und vom 28. Oktober 2015 bis einschließlich 30. Oktober 2015 leistete die Beklagte keine Entgeltzahlung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Oktober 2015 (Anlage B 10 - Bl. 150-152 d.A.) erklärte die Beklagte, dass sie „grundsätzliche Zweifel an dem Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit" habe und forderte den Kläger auf, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Beklagte teilte dem Kläger weiter unter dem 13. Oktober 2015 mit anwaltlichem Schreiben mit (Anlage B 11 - Bl. 153-154 d.A.), dass die der Beklagten übersandte pauschale Mitteilung des den Kläger behandelnden Arztes, dass es sich um eine Ersterkrankung handele, nicht geeignet sei, die bei der Beklagten bestehenden Zweifel auszuräumen. Eine Schweigepflichtsentbindung gegenüber der Beklagten durch den Kläger erfolgte nicht. Randnummer 29 Der Kläger legte der Beklagten für folgende Zeiträume Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, die ihm folgende Erkrankungen attestierten: Randnummer 30 01.09.2015 - 08.09.2015 Magen-Darm-Infekt, ICD Klasse A, Erstbescheinigung 09.09.2015 - 23.09.2015 Blasen-Nieren-Entzündung, ICD Klasse N, Erstbescheinigung 24.09.2015 - 14.10.2015 Beschwerdebilder mit deutlichen Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, ICD Klassem R, F und I, Erstbescheinigung 05.11.2015 - 13.11.2015 Bluthochdruck bei arterieller Hypertonie, Verdacht auf Karzinom, ICD Klassen I und Z, Erstbescheinigung 19.11.2015 - 20.11.2015 Grippaler Infekt, ICD Klasse J, Erstbescheinigung 11.01.2016 - 15.01.2016 Magen-Darm-Infekt, ICD Klasse A, Erstbescheinigung 21.01.2016 - 22.01.2016 Bluthochdruck, ICD Klasse Z, Erstbescheinigung 05.02.2016 - 04.03.2016 Psychosomatische Disbalance bei Mobbing, arterielle Hypertonie usw., ICD Klassen Z, I, F und R, Erst- und Folgebescheinigung 07.03.2016 - 25.03.2016 Hauterkrankung Psoriasis, chronische Bronchitis, ICD Klassen L, A, Z und J, Erstbescheinigung Randnummer 31 Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich bei den Erkrankungen des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten ab dem 24. September 2015 jeweils um Fortsetzungserkrankungen gehandelt hat bzw. handelt. Randnummer 32 Für den Monat September 2015 zahlte die Beklagte an den Kläger Gehalt in Höhe von 5.106,67 Euro brutto (= 3.799,90 Euro netto). Für den Monat Oktober 2015 erhielt der Kläger kein Gehalt. Für November 2015 und Dezember 2015 zahlte die Beklagte eine Vergütung in Höhe von jeweils 4.866,67 Euro brutto monatlich. Für die Monate Januar und Februar 2016 zahlte die Beklagte keine Vergütung. Randnummer 33 Mit insgesamt fünf Schreiben erteilte die Beklagte dem Kläger Abmahnungen. Es liegen folgende Sachverhalte zugrunde: Randnummer 34 Am 28. September 2015 schrieb der Kläger eine E-Mail an die zuständige Sachbearbeiterin Frau H. (Anlage K 12 - Bl. 64 d.A.): Randnummer 35 3. Wegen meiner AU konnte ich den bereits genehmigten Urlaub am 24. und 25.09. nicht nehmen, ebenso fällt mein erster Urlaubstag am 14.10.2015 noch in meine aktuelle AU. Ich bitte Sie daher, diese 3 Tage zur Abgeltung für den 28., 29. und 30.10. zu vermerken. Damit ist mein Resturlaub für das Jahr 2014 dann abgegolten. Randnummer 36 Frau H. antwortete per E-Mail am 28. September 2015 auszugsweise (Anlage K 13 - Bl. 65 d.A.): Randnummer 37 3. Wie bereits in meiner E-Mail vom 20.08.2015 unter Ziffer 12 geschrieben, sehen wir Ihren Resturlaub aus dem Jahr 2014 als bereits abgegolten. Ihren Erholungsurlaub vom 14. - 27.10.2015 haben wir Ihnen ebenfalls bereits genehmigt. Die Urlaubstage während Ihrer Krankheit haben wir gutgeschrieben. Diese stehen Ihnen bis Ende 2015 zur Verfügung. Randnummer 38 Der Kläger trat seinen Urlaub vom 15. Oktober 2015 bis zum 30. Oktober 2015 an. Am 28. Oktober 2015 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Abmahnung mit folgendem Inhalt. Randnummer 39 Sehr geehrter Herr B., Ihr nachfolgend dargestelltes Verhalten veranlasst uns, Sie abzumahnen und Sie dazu anzuhalten, nicht gegen Ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu verstoßen. Randnummer 40 Dies geschieht aus folgenden Gründen: Randnummer 41 Für die Zeit vom 14. bis 27. Oktober 2015 hatten wir Ihnen Urlaub gewährt. Für die Zeit bis einschließlich 14. Oktober 2015 hatten Sie sich krankheitsbedingt arbeitsunfähig gemeldet und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht. Eine darüber hinausgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liegt uns nicht vor. Am 28. Oktober 2015 waren Sie demnach verpflichtet gewesen, Ihre Arbeit wieder anzutreten oder im Falle der erneuten Arbeitsunfähigkeit diese unverzüglich anzuzeigen. Randnummer 42 Die Verpflichtung, die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen, ergibt sich aus § 5 EFZG. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG sind Sie verpflichtet, Randnummer 43 Ihrem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob im konkreten Fall noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegeben ist oder nicht. Randnummer 44 Da Sie weder die Arbeit angetreten, noch eine Mitteilung über die Arbeitsunfähigkeit gemacht haben, haben Sie entweder Ihre Arbeitspflicht oder die gesetzliche Anzeigepflicht verletzt. Randnummer 45 Wir mahnen Sie hiermit ausdrücklich ab und fordern Sie auf, zukünftig Ihre Arbeits- bzw. Anzeigepflichten nachzukommen. Sofern kein Fall der Arbeitsunfähigkeit vorliegen sollte, fordern wir Sie auf, Ihre Arbeit unverzüglich aufzunehmen und sich spätestens am Freitag, 30.10.2016 [sic] in der Organisationsdirektion D. einzufinden. (...) Randnummer 46 Am 07. November 2015 erhielt der Kläger eine Abmahnung vom 05. November 2015 über Express-Post. In der Abmahnung heißt es zusammenfassend: Der Kläger sei am 05. und 06. November 2015 nicht in der OD D. erschienen. Erst am 06. November 2015 übermittelte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Personalabteilung. Der Kläger habe weder am 05. noch am 06. November 2015 seine Arbeitsunfähigkeit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung angezeigt. Randnummer 47 Unter dem 18. Januar 2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine weitere Abmahnung (Anlage K 18 - Bl. 165-166 d.A.). Darin heißt es auszugsweise: Randnummer 48 Am 7. Januar 2016 endete der Zeitraum der von Ihnen im Wege der einstweiligen Verfügung vom 17. November 2015 erwirkten Freistellung von der Arbeitspflicht. Sie hätten Ihren Dienst somit am Freitag, den 08. Januar 2016, in der Filialdirektion D. wieder aufnehmen müssen. Randnummer 49 Mit E-Mail vom 8. Januar 2016, 06:55 Uhr, an Frau H. teilten Sie mit, dass es Ihnen nicht möglich sei den Dienst in D. aufzunehmen, da Sie Ihren Dienstwagen kurzfristig in die Werkstatt bringen müssten, um die Verkehrssicherheit wieder herstellen zu lassen. Randnummer 50 Auf Nachfrage durch Frau H. erläuterten Sie mit E-Mail vom 13. Januar 2016, 11:48 Uhr, dass Ihr Dienstwagen eine defekte Frontscheibe aufgewiesen hätte und Sie aus diesem Grund nicht nach D. hätten fahren können. Ein früherer Termin in der Werkstatt sei nicht möglich gewesen. Von der Werkstatt hätten Sie als Ersatzfahrzeug einen Kleinstwagen der Marke Skoda „Citygo“ erhalten, der in der Fahrzeugklasse nicht mit Ihrem Dienstwagen vergleichbar gewesen sei. Weitere Angaben machten Sie nicht. Insbesondere ließen Sie offen, inwieweit Sie nicht auch mit dem Ersatzwagen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach D. hätten anreisen können, um Ihre Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Randnummer 51 Aufgrund Ihres Arbeitsvertrages sind Sie verpflichtet, die von Ihnen geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Nach Ihrer Versetzung haben Sie Ihre Tätigkeiten im Bereich der Organisationsdirektion D. auszuüben. Gegen diese Verpflichtung haben Sie verstoßen indem Sie am Freitag, dem 8. Januar 2016, die Arbeit nicht angetreten sind. Randnummer 52 Ein berechtigter Grund für das Fernbleiben von der Arbeit lag nicht vor. Allein die Reparatur des Ihnen zur Verfügung gestellten Dienstwagens berechtigt Sie nicht, von der Arbeit fernzubleiben. Sie hatten zum einen die Möglichkeit, den Ihnen von der Werkstatt zur Verfügung gestellten Leihwagen für die Anreise nach D. zu nutzen. Darüber hinaus wäre es Ihnen alternativ auch möglich gewesen, die Anreise nach D. mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu organisieren, Unsere Nachfragen bezüglich dieser Alternativen haben Sie unbeantwortet gelassen. Weitere Gründe für Ihr Fernbleiben haben Sie nicht mitgeteilt. Randnummer 53 Am 18. Januar 2016 erhielt der Kläger von seinem Vorgesetzten Herrn He. per E-Mail ein Kontaktverbot zu den Mitarbeitern der Filialdirektion M.. Der Kläger erhielt auf seine Bitte hin eine Telefonliste der Mitarbeiter der Filialdirektion M.. Er kontaktierte mit seinem Privattelefon einen Mitarbeiter der Filialdirektion M., Herrn Uwe Ze., und lud Herrn Ze. zu einem Gespräch für den 20. Januar 2016 um 14:00 Uhr in die OD D. ein. Über diese Einladung informierte der Kläger seinen Vorgesetzten Herrn He. per E-Mail vom 19. Januar 2016. Herr Ze. teilte dem Kläger später mit, dass er den Kläger nicht treffen dürfe. Der Kläger sagte daraufhin das Gespräch ab. Am 25. Januar 2016 erhielt der Kläger eine Abmahnung, die auszugsweise folgenden Inhalt aufweist (Anlage K 17 - Bl. 159-160 d.A.): Randnummer 54 Mit E-Mail vom 18. Januar 2016 (11:08 Uhr) ließ Herr He., Organisationsdirektor in D., Ihnen auf Ihren Wunsch hin eine Telefonliste der Mitarbeiter der FD M. zukommen. Mit gleicher E-Mail wurden Sie ausdrücklich angewiesen, vor Ihrer offiziellen Vorstellung und vor einweisenden Informationen durch Herrn He., nicht mit den Mitarbeitern der FD M. in Kontakt zu treten. Randnummer 55 Trotz dieser Anweisung kontaktierten Sie einen Mitarbeiter der FD M., Herrn Ze.. Dessen Handynummer entnahmen Sie der zuvor von Herrn He. übersandten Telefonliste und luden Herrn Ze. sodann per SMS für den 20. Januar 2016, 14:00 Uhr zu einem Arbeitsgespräch in die OD ein. Über diese Einladung informierten Sie Herrn He. mit E-Mail vom 19. Januar 2016 (15:24 Uhr). Randnummer 56 Aufgrund Ihres Arbeitsvertrages sind Sie verpflichtet, Weisungen der Arbeitgeberin Folge zu leisten. Als Ihr Vorgesetzter übt der Organisationsdirektor Herr He. das arbeitsrechtliche Weisungsrecht aus. Das Weisungsrecht der Arbeitgeberin beinhaltet auch, Ihnen eine Kontaktaufnahme zu einzelnen Mitarbeitern aus betrieblichen Gründen und für einen gewissen Zeitraum zu untersagen. Randnummer 57 Gegen diese ausdrückliche, per E-Mail erteilte Weisung der Arbeitgeberin haben Sie verstoßen, als Sie Herrn Ze. kontaktierten. Randnummer 58 Am 05. Februar 2016 erhielt der Kläger eine Abmahnung vom 26. Januar 2016 (Anlage K 20 - Bl. 177-178 d.A.). Dort heißt es auszugsweise: Randnummer 59 Mit E-Mail vom 21. Januar 2016 (10:54 Uhr) teilten Sie Herrn He., Ihrem vorgesetzten Organisationsdirektor in D., mit, dass Sie an diesem Tage, seit Ihrem Arbeitsbeginn um 8:15 Uhr ohne Arbeit gewesen seien. Entsprechend gehen wir davon aus, dass Sie in dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbracht haben. Randnummer 60 Tatsächlich hatten Sie allerdings einen klaren Arbeitsauftrag. Mit E-Mail vom 20. Januar 2016, 11:30 Uhr waren Sie von Herrn He. ausdrücklich angewiesen worden, im Selbststudium die in der betriebsintern zugänglichen G. V. AGOnline Akademie für Sie vorgesehenen Selbstlernkurse „Geldwäscheprävention 2016“, „Code of Conduct 2016“, „ G. V. AGRente Profil Plus 2016“ und „ G. V. AGBeratung Plus 2016“ zu absolvieren. Randnummer 61 Eine Überprüfung der von Ihnen absolvierten Trainings zeigt aber, dass Sie mit Stand vom 21. Januar 2016, 12:07 Uhr, keinen dieser Kurse vollständig durchgearbeitet haben. Alle genannten Kurse zeigten zu diesem Zeitpunkt den Status „in Bearbeitung“ an. Diese Kurse hatten Sie demnach lediglich geöffnet und begonnen, nicht aber abgeschlossen. Entgegen der ebenfalls ausdrücklich erteilten Anweisung durch Herrn He. haben Sie ihm entsprechend auch nicht die Zertifikate über die erfolgreiche Absolvierung der Kurse übersandt. Randnummer 62 Aufgrund Ihres Arbeitsvertrages sind Sie verpflichtet, Arbeitsanweisungen Ihrer Arbeitgeberin Folge zu leisten und diese ordnungsgemäß zu erfüllen. Randnummer 63 Als Ihr Vorgesetzter übt der Organisationsdirektor Herr He. das arbeitsrechtliche Weisungsrecht aus. Darüber hinaus sind Sie zur Rücksichtnahme, zum Schutz und zur Förderung des Vertragszweckes verpflichtet, Sie sind durch die arbeitsvertragliche Treuepflicht gehalten, alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber und dem Betrieb abträglich ist. Randnummer 64 Gegen diese Verpflichtungen haben Sie verstoßen, indem Sie weisungswidrig die genannten Selbstlernkurse nicht vollständig absolviert haben und Herrn Hernes gegenüber zudem wahrheitswidrig behauptet, ohne Arbeit zu sein. Ihnen waren wirksam Arbeitsaufgaben zugewiesen worden. Randnummer 65 Diese hatten Sie entgegen Ihrer Aussage noch nicht erfüllt. Randnummer 66 Mit Beschluss vom 17. November 2015 (Anlage B 21 - Bl. 263-264 d.A.) wurde die Beklagte außerhalb der mündlichen Verhandlung auf eine einstweilige Verfügung des Klägers zum Aktenzeichen 14 Ga 10/15 verurteilt, dem Kläger Erholungsurlaub für die Zeit vom 23. November 2015 bis einschließlich 07. Januar 2016 zu gewähren. Randnummer 67 Mit seiner Klage und seinen Klageerweiterungen möchte der Kläger die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Versetzung überprüft wissen. Zudem begehrt er Differenzvergütung und Entgeltfortzahlung, Aufwendungsersatz und die Entfernung von fünf Abmahnungen aus seiner Personalakte. Randnummer 68 Der Kläger trägt vor: Randnummer 69 Die Versetzung in die Filialdirektion M. vom 11. August 2015 bzw. 31. August 2015 sei rechtswidrig. Die Versetzung sei weder vom Arbeitsvertrag noch von § 106 GewO gedeckt. Die Aufgaben seien auch nicht gleichwertig. Auch habe die Beklagte kein billiges Ermessen ausgeübt. Die Versetzung sei überraschend im zweiten Kammertermin des Rechtsstreits 14 Ca 390/14 erfolgt, obwohl die Beklagte zuvor noch erklärt habe, dass es für den Kläger keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gäbe. Auch hätten sich die Aufgaben des Klägers erheblich qualitativ geändert und wichen erheblich vom Arbeitsvertrag ab, so dass sich die Versetzung als Umgehung des Änderungskündigungsschutzes darstelle. Randnummer 70 Durch die Versetzung sei der Arbeitsvertrag erheblich geändert worden. Nach seinem Arbeitsvertrag habe er Anspruch auf eine Jahreszielvergütung in Höhe von 141.801,37 Euro brutto, nach der Versetzung solle das neue Jahreszielgehalt lediglich 71.920,00 Euro betragen. Das Grundgehalt sei von 55.000,00 Euro brutto p.a. auf 31.900,00 Euro brutto p.a. reduziert worden, die Superprovision von zuletzt 67.801,37 Euro brutto p.a. auf 20.000,00 Euro brutto p.a. Vor der Versetzung sei eine Geschäftsplanvergütung von 19.000,00 Euro brutto p.a. vorgesehen, die nach der Versetzung ersatzlos entfalle. Randnummer 71 Die Beklagte schulde ihm Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 25. August 2015 in Höhe von insgesamt 843,61 Euro brutto. Randnummer 72 Die Abmahnung vom 28. Oktober 2015 sei unverhältnismäßig und unwirksam. Er sei nicht arbeitsunfähig gewesen. Er habe ausweislich der E-Mail- Korrespondenz Urlaub beantragt und gewährt bekommen. Anders habe der Kläger die E-Mail von Frau H. nicht verstehen können. Die Beklagte habe sein Urlaubsbegehren nicht abgelehnt. In der Vergangenheit habe der Kläger seinen Urlaub stets nur in Textform beantragen müssen. Der Urlaub habe dann als gewährt gegolten, es sei denn, es sei unverzüglich etwas Gegenteiliges per E-Mail geäußert worden. Die Beklagte hätte am 28. Oktober 2015 auch per E-Mail nachfragen können, warum er nicht erschienen sei. Insoweit sei die Abmahnung unverhältnismäßig. Randnummer 73 Die Abmahnung vom 05. November 2015 sei unverhältnismäßig. Der Kläger sei an diesem Tag gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitsunfähigkeit in den ersten Stunden seines Arbeitstages anzuzeigen. Dies sei ihm unmöglich gewesen. Er habe aufgrund starker Schmerzen seinen Arzt Dr. med. A. in W. aufgesucht und sei von seiner Ehefrau dorthin gefahren worden. Nach einer ersten Untersuchung habe Dr. A. dem Kläger empfohlen, unbedingt sofort in ein Krankenhaus zu fahren, um weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen. Der Kläger und seine Frau wären sehr erschrocken gewesen und hätten unter Schock gestanden. Die Abmahnung sei ohne Rücksprache mit dem Kläger am 05. November 2015 erstellt worden. Eine Ermahnung wäre ausreichend gewesen. Randnummer 74 Die Abmahnung vom 18. Januar 2016 verstoße gegen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Am 08. Januar 2016 habe der Kläger zur Arbeit fahren wollen und festgestellt, dass seine Frontscheibe am Dienstfahrzeug defekt gewesen sei. Er habe einen Werkstatttermin für 10.00 Uhr erhalten und sei zur Werkstatt K&M nach W. gefahren, um die Frontscheibe reparieren zu lassen. Dort sei festgestellt worden, dass ein Frontscheibenersatz notwendig sei. Mit der defekten Frontscheibe habe der Kläger nicht nach D. fahren können. Wäre er mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach D. gefahren, wäre er erst gegen 16.00 Uhr dort angekommen. Er hätte zudem kein vergleichbares Austauschfahrzeug erhalten. Randnummer 75 Die Abmahnung vom 25. Januar 2016 verstoße ebenfalls gegen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Das Kontaktverbot sei unverhältnismäßig und sittenwidrig. Der Beklagten sei es nicht gestattet gewesen, dem Kläger jeglichen Kontakt mit Mitarbeitern der Filialdirektion M. zu verbieten. Ein solches Recht ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus dem Gesetz. Es lasse sich auch nicht aus § 106 GewO ableiten. Seit August 2015 sei der Kläger nach M. versetzt worden. Zu den Aufgaben eines Filialdirektors gehöre es, Kontakt zu den Mitarbeitern aufzunehmen und diese zu führen. Randnummer 76 Die Abmahnung vom 26. Januar 2016 verstoße ebenfalls gegen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Dem Kläger sei keine vertragsgerechte Arbeit zugewiesen worden. Randnummer 77 Offen seien das anteilige Gehalt für September 2015 in Höhe von 4.933,32 Euro brutto (= 10.039,99 Euro brutto abzüglich gezahlter 5.106,67 Euro) sowie das Oktobergehalt 2015 in Höhe von 10.039,99 Euro brutto, insgesamt für die beiden Monate in Höhe von 14.973,31 Euro brutto. Randnummer 78 Für die Monate November und Dezember 2015 schulde die Beklagte Vergütung in Höhe von insgesamt 10.346,64 Euro brutto, für den Januar und den Februar 2016 jeweils 10.039,99 Euro brutto. Randnummer 79 Für den Fall der Unrechtmäßigkeit der Versetzung schulde ihm die Beklagte für die Monate November und Dezember 2015 Aufwendungsersatz in Höhe von 1.150,60 Euro netto (Anlagenkonvolut K 16 - Bl. 73-81 d.A.) für Fahrt- und Hotelkosten, Taxi, Parkgebühren, abzüglich gezahlter Spesenpauschale in Höhe von 480,00 Euro brutto sowie weitere 598,05 Euro netto für die Zeit vom 17. bis 21. Januar 2016. Randnummer 80 Der Kläger beantragt: Randnummer 81 1. Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 11. August 2015 zum 17. August 2015 in die Filialdirektion M. unwirksam war. Randnummer 82 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 843,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 467,00 Euro brutto seit dem 1. August 2015 und aus 376,61 Euro brutto seit dem 1. September 2015 zu zahlen. Randnummer 83 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.973,31 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 4.933,32 Euro seit dem 1. Oktober 2015 sowie aus 10.039,99 Euro seit dem 1. November 2015 zu zahlen. Randnummer 84 4. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 28. Oktober 2015 (Arbeitsaufnahme 28. bis 30.10.2015) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 85 5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.346,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 5.173,32 Euro seit dem 01. Dezember 2015 und dem 1. Januar 2016 zu zahlen. Randnummer 86 6. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.150,60 Euro netto abzüglich 480,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 87 7. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 5. November 2015 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 88 8. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 25. Januar 2016 (Abmahnung wegen Kontaktverbots) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 89 9. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 18. Januar 2016 (Dienstwagen) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 90 10. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 598,05 € netto zu zahlen. Randnummer 91 11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 10.039,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen. Randnummer 92 12. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 26. Januar 2016 (Selbstlernkurse) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 93 13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 10.039,99 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2016 zu zahlen. Randnummer 94 14. Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers zum 31. August 2015 als „Filialdirektor“ nach „M.“ rechtswidrig war. Randnummer 95 Die Beklagte beantragt, Randnummer 96 die Klage abzuweisen. Randnummer 97 Die Beklagte trägt vor: Randnummer 98 Die Versetzung sei wirksam. Die Beklagte sei gemäß § 1 Abs. 2 des Anstellungsvertrages berechtigt, dem Kläger aus sachlichen Gründen ein anderes Aufgaben- und Verantwortungsgebiet zu übertragen, soweit dies nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten für ihn zumutbar sei. Arbeitsvertraglich sei vor dem Hintergrund dieser Versetzungsklausel weder ein bestimmter Tätigkeitsinhalt noch ein Tätigkeitsort vertraglich festgelegt worden. Die Versetzung habe insbesondere billigem Ermessen entsprochen. Zugunsten der Beklagten sei die unternehmerische Entscheidung zur Durchführung des Projektes Z. mit Wirkung zum 01. Januar 2015 mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen. Dies beinhalte auch den Wegfall der Ebene der Regionaldirektoren. Weiter sei die unternehmerische Entscheidung zu berücksichtigen, der Besetzung der Stelle des Filialdirektors M. unbedingte Priorität einzuräumen. Die Beklagte habe nachvollziehbare, sachliche Gründe gehabt, zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile am Standort die dort verkannte Führungsposition zeitnah zu besetzen. Unzumutbare persönliche, familiäre oder sonstige außervertragliche entstandene Belastungen habe der Kläger nicht vorgetragen. Die zweifellos auftretenden Unbequemlichkeiten und zusätzlich entstehenden Kosten müsse der Kläger hinnehmen. Sie gingen im Grundsatz nicht über das hinaus, was Arbeitnehmern regelmäßig zugemutet werde, nämlich die Belastungen des Wegs zur und von der Arbeit zu tragen. Der Einsatz an einem für den Kläger günstigeren Einsatzort oder mit einer anderen Tätigkeit sei im Zeitpunkt der Versetzung unmöglich gewesen. Randnummer 99 Der Kläger habe keinen Anspruch auf den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden für den Gebrauch des Dienstwagens für die Zeit vom 01. Juli 2015 bis 25. August 2015. Ein Anspruch auf Überlassung des Dienstwagens nach Ablauf der Kündigungsfrist bestehe nicht und könne auch vom Kläger nicht geltend gemacht werden. Randnummer 100 Dem Kläger stünde auch kein Anspruch auf die geltend gemachten vermeintlich zu Unrecht einbehaltenen Gehaltszahlungen für September bis Dezember 2015 zu. Die Beklagte habe im Zeitraum vom 24. September 2015 bis einschließlich den 14. Oktober 2015 die Gehaltszahlungen aufgrund berechtigter Zweifel am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit eingestellt. Für die Zweifel hätten die Verhaltensweisen des Klägers Anlass gegeben. Seit der gerichtlichen Ausnahmeersetzung der Parteien und der nachfolgenden Versetzung habe der Kläger zeitlich fast lückenlos Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt, die bewirkt hätten, dass der Kläger tatsächlich kaum als Filialdirektor in M. tätig gewesen sei. Randnummer 101 Im Zeitraum vom 28. bis 30. Oktober 2015 habe der Kläger keinen Anspruch auf Erholungsurlaub, sodass die Gehaltszahlungen wegen unberechtigten Fernbleibens von der Arbeit und somit in zulässiger Weise nicht zur Auszahlung gelangt seien. Die Beklagte habe dem Kläger lediglich in der Zeit vom 14. bis 27. Oktober 2015 Urlaub gewährt. Aus der E-Mail der Beklagten hätte der Kläger nicht entnehmen können, dass die Beklagte ihm über diesen Zeitpunkt hinaus auch weiteren Urlaub habe gewähren wollen. Im Übrigen sei der Resturlaub aus 2014 durch die unwiderrufliche Freistellung des Klägers in dem Schreiben vom 28. November 2014 bereits abgegolten. Randnummer 102 Die vermeintlich ausstehende Gehaltsdifferenz für November und Dezember 2015 stünden dem Kläger aufgrund der geänderten Arbeitsbedingungen nicht zu. Randnummer 103 Die Abmahnung vom 28. Oktober 2015 sei wirksam, da der Kläger unentschuldigt gefehlt habe. Auch die weitere Abmahnung vom 5. November 2015 sei wirksam, weil der Kläger unentschuldigt die Arbeit nicht angetreten und nicht unverzüglich seine Arbeitsunfähigkeit angezeigt habe. Die Abmahnung vom 18. Januar 2016 sei wirksam, weil der Kläger am 08. Januar 2016 grundlos der Arbeit ferngeblieben sei. Die Reparatur des Dienstwagens sei hierfür jedenfalls nicht ausreichen, da ihm alternative Möglichkeiten durch öffentliche Verkehrsmittel oder die Fahrt mit dem Ersatzwagen zur Verfügung gestanden hätten. Die Abmahnung vom 25. Januar 2016 sei wirksam, weil dem Kläger mit E-Mail vom 18. Januar 2016 untersagt worden sei, mit den Mitarbeitern der Filiale D. in Kontakt zu treten und der Kläger trotz dieser Anweisung am 20. Januar 2016 Kontakt mit dem dortigen Mitarbeiter aufgenommen habe. Die Abmahnung vom 26. Januar 2016 sei wirksam, weil der Kläger trotz konkreter Anweisung der Beklagten die Selbstlernkurse nicht vollständig absolviert und gegenüber der Beklagten erklärt habe, er sei ohne Arbeit. Randnummer 104 Die Beklagte schulde dem Kläger keinen Ersatz für die streitgegenständlichen Mehraufwendungen. Jedenfalls seien die geltend gemachten Kosten der Höhe nach schon nicht erforderlich. Randnummer 105 Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf die einbehaltenen Gehaltszahlungen für Januar und Februar 2016. Für die Zeit vom 01. bis 07. Januar 2016 habe der Kläger unberechtigten Urlaub erwirkt. Am 8. Januar 2016 sei er grundlos der Arbeit ferngeblieben. Im Übrigen seien die Gehaltszahlungen aufgrund berechtigter Zweifel am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit eingestellt worden. Randnummer 106 Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 ZPO).
1. Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom 11. August 2015 zum 17. August 2015 in die Filialdirektion M. unwirksam war. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 843,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 467,00 Euro brutto seit dem 1. August 2015 und aus 376,61 Euro brutto seit dem 1. September 2015 zu zahlen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.941,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.590,74 Euro seit dem 1. Oktober 2015 sowie aus 4.350,71 Euro seit dem 1. November 2015 zu zahlen. 4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.173,32 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.173,32 Euro seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen. 5. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 25. Januar 2016 (Abmahnung wegen Kontaktverbots) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. 6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 6.693,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2016 zu zahlen. 7. Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers zum 31. August 2015 als „Filialdirektor“ nach „M.“ rechtswidrig war. 8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 9. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 45 % und die Beklagte 55 % zu tragen. 10. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 107.752,13 Euro festgesetzt. 11. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 12. Kammer
Hessen
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13.11.2013
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Randnummer 1 Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung von Auskünften und zur Zahlung von Beiträgen im Rahmen des Sozialkassenverfahrens des Baugewerbes für die Zeit von Februar 2009 bis März 2012. Randnummer 2 Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen im Baugewerbe verpflichtet. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie mit Sitz in A, das an seinem Sitz mit über 400 Mitarbeitern überwiegend Rohre aus Stahl für große Industrieanlagen herstellt. Daneben fertigt sie Metallbehälter und Metallkonstruktionen für den industriellen Gebrauch. Sie verarbeitet monatlich fast 600 T Stahl für die Herstellung von Stahlkonstruktionen und Pipelines. Die Beklagte entsandte im Klagezeitraum bis zu 58 gewerbliche Arbeitnehmer nach Deutschland. Sie waren auf der Baustelle des Kohlekraftwerks in Lünen eingesetzt und dort mit dem Einbau und Verschweißen ausschließlich von der Beklagten in A hergestellter und gelieferter Metallrohre und -konstruktionen beschäftigt. Randnummer 3 Der Kläger hat die Beklagte, die auch für ihre Aktivitäten in der Bundesrepublik nicht Mitglied eines der tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes ist, auf Erteilung von Auskünften und Zahlung der sich aus den Auskünften ergebenden Mindestbeiträge für den Zeitraum Februar 2009 bis März 2012, und für den Fall der nicht rechtzeitigen Erteilung der Auskünfte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von € 242.887,08 in Anspruch genommen. Randnummer 4 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die in die Bundesrepublik entsandten und auf der Baustelle in Lünen mit dem Einbau und Verschweißen von Rohrleitungen tätigen Arbeitnehmer der Beklagten dem Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifvertrags unterfallen; denn sie seien nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV als selbständige Betriebsabteilung anzusehen, weil die Monteure eine Gesamtheit von Arbeitnehmern darstellten, die außerhalb der stationären Betriebsstätte – unstreitig – baugewerbliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV erbringe. Randnummer 5 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 6 die Beklagte zu verurteilen, I. ihm hinsichtlich jeden einzelnen Arbeitnehmers, den sie seit dem 01.02.2009 in die Bundesrepublik Deutschland entsandt hat, auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular folgende Auskünfte zu erteilen: 1. Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse; 2. Bankverbindung in Deutschland und A 3. Art der Tätigkeit, 4. Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit in der Bundesrepublik 5. Einzugsstellen und deren Adressen, an welche die lohnbezogenen Beiträge zu Systemen der sozialen Sicherheit abgeführt werden, 6. Nummer, unter der der Arbeitgeber bei unter Ziff. 5 genannten Stellen geführt wird, 7. Finanzamt und dessen Adresse, an welches die Lohnsteuer abgeführt wird 8. Die Steuernummer II. ihm auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen über 1. Höhe der monatlichen Bruttolöhne in Euro 2. Zeit des Ausscheidens 3. Beschäftigungstage, soweit kein voller Beschäftigungsmonat 4. gewährte Urlaubstage und gewährte Urlaubsvergütung, soweit darauf bereits ein tariflicher Anspruch bestand, jedes einzelnen von ihr in den Monaten Februar 2009 bis März 2012 in die Bundesrepublik entsandten gewerblichen Arbeitnehmers; III. ihm Auskunft zu erteilen über die Höhe des in den Monaten Februar 2009 bis März 2012 jeweils fällig gewordenen und an den Kläger abzuführenden Urlaubskassenbeitrags; IV. für den Fall, dass sie diese Auskunftsverpflichtungen innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, an ihn eine Entschädigung in Höhe von € 242.887,08 zu zahlen; V. an ihn die sich aus den innerhalb dieser Frist (sechs Wochen) erteilten Auskünften ergebenden Sozialkassenbeiträge zu zahlen. Randnummer 7 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie in A einen nach Abschnitt I Abs.1 der Einschränkungsklauseln der AVE von der Allgemeinverbindlichkeit des VTV ausgenommenen Industriebetrieb der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie unterhalte. Bei den Montagetätigkeiten in Deutschland handele es sich ebenfalls um einen von der AVE ausgenommenen Betriebsteil, da diese Aktivitäten als außerbetriebliche Montagestelle der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie, die ebenfalls von der AVE ausgenommen sind, anzusehen seien. Randnummer 10 Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 28.11.2012 – 11 Ca 345/12 - die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt, dass die Beklagte im Klagezeitraum in A einen Industriebetrieb der Metall- und Elektroindustrie geführt habe, der von der AVE des VTV ausgenommen sei. In Ansehung dessen stellten sich ihre Aktivitäten im Inland als außerbetriebliche Arbeitsstelle (Montage) dieses Industriebetriebes im Sinne der AVE Einschränkung des VTV dar. Weil die Mitarbeiter im Inland ausschließlich von der Beklagten selbst industriell hergestellte Metallprodukte montierten, gelte dies auch, obwohl die Rohre auf der Baustelle nicht mit industriellen Methoden verschweißt werden. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine außerbetriebliche Arbeitsstelle (Montage) von Betrieben der Eisen-, Metall- oder Elektroindustrie handele, sei hinsichtlich der eigentlichen Tätigkeit ausschließlich auf die außerbetriebliche Arbeitsstelle abzustellen. Wenn diese im Wesentlichen industriell gefertigte Produkte des zugehörigen Metallindustriebetriebs montiert, sei sie als außerbetriebliche Arbeitsstelle des jeweiligen Industriebetriebs zu behandeln. Das gelte unabhängig davon, ob die außerbetriebliche Arbeitsstelle selbst ein Industriebetrieb sei. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 151R - 153 d.A.). Randnummer 11 Der Kläger hat gegen das ihm am 04.01.2013 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 01.02.2013 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese am 01.03.2013 begründet. Randnummer 12 Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten nach Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmer bildeten eine abgrenzbare und organisatorisch vom Gesamtunternehmen losgelöste Betriebsabteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Ua.1 S.3 VTV handele. Bereits aufgrund des Umfangs und der Komplexität ihrer unstreitigen Tätigkeit in Lünen sei es erforderlich gewesen, dass die Arbeitnehmer in koordinierter Form zusammenarbeiteten und so eine Gesamtheit bildeten. Bei ihrer Tätigkeit handelte es sich um Rohrleitungsbau im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 25 VTV. Die Tätigkeiten seien auch nicht von der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) ausgenommen; denn die hier allein in Betracht kommende Einschränkung nach Abs. 5 gelte nach der Regelung in der AVE nur dann, wenn und soweit diese Tätigkeiten eine Ausnahme von den Tarifverträgen des Baugewerbes nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV begründen. Zu den dort aufgeführten Ausnahmen gehöre die Metall- und Elektroindustrie nicht. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, Randnummer 14 das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28.11.2012 – 11 Ca 345/12 abzuändern und die Beklagte nach den zuletzt gestellten klägerischen Anträgen I. Instanz zu verurteilen. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Die in Deutschland von der Beklagten entfalteten Aktivitäten seien als außerbetriebliche Montagestelle eines serbischen Unternehmens der Metallindustrie von der Allgemeinverbindlichkeit des VTV nicht erfasst. Auch handele es sich dabei nicht um eine selbständige Betriebsabteilung, weil nur einzelne Arbeitnehmer Montagetätigkeiten vornähmen. Randnummer 18 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 28. November 2012 – 11 Ca 345/12 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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OLG Frankfurt 22. Zivilsenat
Hessen
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20.04.1999
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Randnummer 1 Die ... (im folgenden Versicherungsnehmerin genannt) betrieb in ... bei ... eine Gaststätte, für die bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung bestand. Als die Klägerin am 14.03.1994 die Gaststätte besuchte, stürzte sie, von der Toilette kommend, über einen unzureichend beleuchteten Schwellenabsatz und zog sich dabei einen komplizierten Mittelfußbruch zu, an dessen schweren Folgen sie noch leidet. Randnummer 2 Die Klägerin teilte der Beklagten diesen Schadensfall und ihre daraus hergeleiteten Schadensersatzansprüche gegen die Versicherungsnehmerin mit. Die Beklagte zahlte an die Klägerin insgesamt 68.819,20 DM Schadensersatz. Da die Beklagte der Klägerin weiteren Schadensersatz verweigerte, kündigte die Klägerin ihr mit Rechtsanwaltsschreiben vom 13.11.1995 (Bl.8 d.A.) an, sie werde demnächst gegen die Versicherungsnehmerin Klage erheben. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 28.11.1995 (Bl. 9 d.A.) übersandte die Klägerin der Beklagten die Abschrift ihrer Klageschrift gegen die Versicherungsnehmerin vom 10.11.1995, die sie beim Landgericht Kiel eingereicht habe. Durch Teilversäumnis- und Endurteil vom 23.02.1996, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl.10 bis 16 d.A.), verurteilte das Landgericht Kiel die Versicherungsnehmerin zur Zahlung weiteren Schadensersatzes (6.629,10 DM + monatlich insgesamt 1.821,00 DM ab 01.11.1995 + 10.000,00 DM jeweils nebst Zinsen) und stellte fest, daß die Versicherungsnehmerin verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren künftigen Schäden aus dem Schadensfall vom 14.03.1994 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf gesetzliche Versicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden. Durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 02.05.1996 (Bl.18 und 19 d.A.) setzte das Landgericht Kiel die Prozeßkosten, welche die Versicherungsnehmerin an die Klägerin zu erstatten hat, auf 8.347,70 DM fest. Am 18.03.1996 wurde der Klägerin das Teilversäumnis- und Endurteil des Landgerichts Kiel zugestellt. Hiervon übersandte sie der Beklagten mit Rechtsanwaltsschreiben vom 21.05.1996 (Bl.21 d.A.) eine Fotokopie. Randnummer 3 Die Klägerin ließ durch Beschluß des Amtsgerichts Kiel vom 09.07.1996 den Befreiungsanspruch der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte aus der Haftpflichtversicherung pfänden und sich überweisen. Die Beklagte verweigerte mit Schreiben vom 22.07.1996 (Bl.22 d.A.) jegliche Zahlung, da sie der Versicherungsnehmerin "aus vertragsinternen Gründen" den Versicherungsschutz versagt habe. Die Versicherungsnehmerin beantragte die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen. Der Antrag wurde mangels Masse abgewiesen. Randnummer 4 Die Klägerin hat geltend gemacht, mit der Pfändung und Überweisung des Befreiungsanspruchs der Versicherungsnehmerin habe sie gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch auf die Versicherungsleistung erlangt. Dieser Zahlungsanspruch entfalle auch dann nicht, wenn die Versicherungsnehmerin die Klage der Klägerin und das Urteil des Landgerichts Kiel nicht der Beklagten angezeigt habe und diese hierdurch gegenüber der Versicherungsnehmerin leistungsfrei geworden sein sollte. Denn die Beklagte sei von der Klage der Klägerin rechtzeitig durch das Rechtsanwaltsschreiben der Klägerin vom 28.11.1996 unterrichtet worden. Im übrigen habe die Beklagte ihre Eintrittspflicht für den Schadensfall durch die Teilzahlung der 68.819,20 DM anerkannt. Randnummer 5 Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, zugunsten der Klägerin Deckungsschutz aus der zwischen der Beklagten und deren Versicherungsnehmerin, der ..., ..., ..., zu Versicherungsnummer: ... abgeschlossenen Haftpflichtversicherung aus Anlaß des Schadensfalls vom 14.03.1994 in der von der Versicherungsnehmerin der Beklagten in ... seinerzeit betriebenen Gaststätte zu gewähren -- Schadennummer der Beklagten: ... --, und zwar im Umfange der zugunsten der Klägerin gemäß Teilversäumnis- und Endurteil des Landgerichts Kiel vom 23.02.1996 -- Az.: 6 0 433/95 -- gegen die Versicherungsnehmerin der Beklagten, die ..., ausgeurteilten Ansprüche einschließlich der gemäß Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Kiel vom 02.05.1996 -- Az.: 6 0 433/95 -- gegen die Versicherungsnehmerin der Beklagten festgesetzten Kosten. Randnummer 6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei gegenüber der Versicherungsnehmerin leistungsfrei, da diese ihr die Klage der Klägerin und das Urteil des Landgerichts Kiel nicht angezeigt habe. Von diesem Urteil habe die Beklagte erst nach seiner Rechtskraft erfahren. Deshalb habe sie der Versicherungsnehmerin nicht früher den Versicherungsschutz versagen können. Die 68.819,20 DM habe die Beklagte der Klägerin nur "unter Vorbehalt und ohne Präjudiz" gezahlt. Die Beklagte hat die Höhe des von der Klägerin erlittenen Schadens bestritten und ihr ein erhebliches Mitverschulden an ihrem Schaden angelastet. Randnummer 8 Durch Urteil vom 09.04.1997, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 61 bis 71 d.A.), hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Es hat in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt: Die Klägerin habe mit der Pfändung und Überweisung des Befreiungsanspruchs der Versicherungsnehmerin einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte erlangt. Die Beklagte sei gegenüber der Versicherungsnehmerin nicht leistungsfrei geworden. Zwar habe die Versicherungsnehmerin dadurch, daß sie der Beklagten nicht die Klage der Klägerin angezeigt habe, die ihr obliegende Auskunftspflicht verletzt. Jedoch habe das nicht nach § 6 Abs.3 VVG die Leistungsfreiheit der Beklagten herbeigeführt, da die Versicherungsnehmerin mangels eines gegenteiligen Vortrags der Beklagten nicht vorsätzlich, sondern nur grob fahrlässig gehandelt habe und die Verletzung der Auskunftspflicht keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Versicherungsleistung gehabt habe. Die Beklagte sei nämlich durch das Rechtsanwaltsschreiben der Klägerin vom 28.11.1995 über die Klage der Klägerin unterrichtet gewesen und habe deshalb den Prozeß zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin beeinflussen können. Randnummer 9 Gegen dieses ihr am 12.05.1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 11.06.1997 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie, nachdem ihr die Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.08.1997 verlängert worden war, mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Randnummer 10 Die Beklagte wiederholt unter Ergänzungen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug und trägt darüber hinaus vor: Die Versicherungsnehmerin habe die ihr obliegende Pflicht, der Beklagten die Klage der Klägerin anzuzeigen, vorsätzlich verletzt. Die Beklagte habe am 06.12.1995 die Versicherungsnehmerin in einer persönlichen Vorsprache darauf hinweisen lassen, daß sie die Beklagte unverzüglich unterrichten müsse, wenn ihr eine Klage der Klägerin zugestellt werde (Beweis: Zeuge ...). Da die Versicherungsnehmerin dem nicht nachgekommen sei, sei die Beklagte ihr gegenüber leistungsfrei geworden. Dem stehe nicht entgegen, daß der Beklagten die Klageschrift der Klägerin durch das Rechtsanwaltschreiben der Klägerin vom 28.11.1995 zur Kenntnis gelangt sei. Die Beklagte habe nicht zwingend davon ausgehen können, daß die Klage tatsächlich erhoben werde. Sie hätte sich ohnehin nicht an dem Prozeß zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin beteiligen und sich gegen die Klage der Klägerin sowie das Urteil des Landgerichts Kiel wehren können. Dies um so weniger, als die Klägerin ihr nicht den Streit verkündet und ihr das Urteil erst nach Rechtskraft übersandt habe. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Randnummer 13 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt unter Ergänzungen ihren erstinstanzlichen Vortrag und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen. Die Klägerin meint, die Beklagte habe sich, nachdem sie die Klageschrift der Klägerin zur Kenntnis bekommen habe, selbst um weitere Informationen über den Prozeß zwischen der Klägerin und der Versicherungsnehmerin kümmern müssen. Randnummer 14 Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird Bezug genommen auf den Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten vom 11.08.1997 (Bl.149 bis 158 d.A.) und den Berufungserwiderungsschriftsatz der Klägerin vom 03.09.1997 (Bl.162 bis 167 d.A.).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 9. April 1997 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaften eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden. Die Beklagte ist mit 125.000,00 DM beschwert.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 10. Senat
Berlin
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13.04.2016
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Randnummer 1 Klagegegenstand ist ein Nachbarwiderspruch gegen einen der Beigeladenen erteilten baurechtlichen Vorbescheid. Randnummer 2 Der Kläger, ein Segelverein, wendet sich dagegen, dass der Beklagte der Beigeladenen einen Vorbescheid für die Errichtung eines Wohnhauses mit Gewerbeanteil auf dem Nachbargrundstück in Berlin-Wannsee erteilt und dabei die Zustimmung für Befreiungen von verschiedenen Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans in Aussicht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Vorbescheid insoweit aufgehoben, als die Befreiung von der festgesetzten Vollgeschosszahl und der Baumassenzahl in Aussicht gestellt worden ist. Randnummer 3 Auf den Antrag der Beigeladenen hat der Senat mit Beschluss vom 14. Dezember 2015 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen. Dieser Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen am 17. Dezember 2015 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18. Januar 2016 hat die Beigeladene Klageabweisung beantragt und die Berufung ausführlich begründet. Dieser Schriftsatz ist am Dienstag, dem 19. Januar 2016, im Nachtbriefkasten des Oberverwaltungsgerichts eingegangen. Zugleich hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 beantragt, ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil weder sie persönlich noch ihren Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Frist treffe. Zur Begründung trägt sie vor: Randnummer 4 Ihr Prozessbevollmächtigter habe sich nach fristgerechter Fertigstellung der Berufungsbegründung darauf verlassen können, dass seine Anweisungen zur weiteren fristwahrenden Bearbeitung der Sache von seiner Sekretärin Frau S. beachtet würden. Diese sei ausgebildete Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte und habe ihre Ausbildung im Jahr 2010 erfolgreich abgeschlossen. Seitdem sei sie für Anwälte der Kanzlei tätig gewesen und habe sich bei Erfüllung ihrer Aufgaben stets als außerordentlich zuverlässig und auch in Stresssituationen belastbar erwiesen. Ihr sei jedoch am 18. Januar 2016 ein Fehler unterlaufen, der durch die ordnungsgemäße Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten nicht habe verhindert werden können. Frau S. habe den Auftrag erhalten, die bereits unterzeichnete Berufungsbegründung fristwahrend per Justizboten an das Oberverwaltungsgericht zu versenden. Nachdem sie den Schriftsatz in Empfang genommen habe, habe sie die Unterschrift kontrolliert, den Schriftsatz kopiert und die Abschriften ausgefertigt. Diese habe sie dem Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß zur Beglaubigung vorgelegt und anschließend den Versand per Justizboten vorbereitet. Hierzu habe sie die Berufungsbegründung nebst den drei Abschriften in eine Versandtasche eingelegt und diese mit dem Adressaufkleber des Justizboten für das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg versehen. Anschließend habe sie die Versandtasche auf ihren Arbeitsplatz gelegt und den Postausgang per Justizboten im Fristenbuch vermerkt, obwohl dies nach den vom Prozessbevollmächtigten erteilten Anweisungen erst nach Einlegung des Schriftstücks in die zur Abholung für den Justizboten bereitstehende Ablage hätte geschehen dürfen. Gleichzeitig habe sie die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender gestrichen. Anschließend habe sie aufgrund ihres zeitnahen Arbeitsschlusses noch weitere Postausgänge für die normale Briefpost bearbeitet und zum Versand vorbereitet. Dabei habe sie ihre Unterschriftenmappe auf den zu versendenden Umschlag an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gelegt. In diesem Moment sei sie durch einen Mandantenanruf abgelenkt gewesen und habe erst am folgenden Tag den Umschlag an das Oberverwaltungsgericht nach Abarbeitung der in der Unterschriftenmappe noch befindlichen Schreiben gesehen. Frau S. sei angewiesen, die Postausgänge nach den konkreten Anweisungen des Prozessbevollmächtigten zu bearbeiten, zu versenden bzw. aufzugeben und den Ausgang unter konkreter Bezeichnung der Versandart im Fristenbuch zu vermerken. Erst nach erfolgter Ablage im Postausgang für den Justizboten und Eintragung des Abgangsvermerks im Fristenbuch dürfe die Frist dort gestrichen werden. Bei der abendlichen Fristenkontrolle habe aufgrund der fehlerhaft vorgenommenen Streichung der Frist im Fristenbuch von einer fristgerechten Erledigung des Vorgangs ausgegangen werden müssen. Zum gleichen Ergebnis sei der Prozessvertreter gelangt, der stets vor dem Verlassen der Kanzleiräume Einsicht in das Fristenbuch nehme. Frau S. sei bei der Eintragung der Fristen, der Versendung und Dokumentation bislang stets sehr gewissenhaft und zuverlässig gewesen. Die durchgeführten Kontrollen hätten nie zu einer Beanstandung geführt. Die Entnahme der Gerichtspost aus der bereitstehenden Ablage zur fristgerechten Zustellung durch den Justizboten am selben Tag erfolge auf der Grundlage der dargestellten Büroorganisation seit Jahren zuverlässig und ohne einen Zwischenfall. Diese Angaben hat der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen anwaltlich versichert und eine entsprechende eidesstattliche Versicherung von Frau S. beigefügt. Ferner ist eine Ablichtung aus dem Fristenkalender vorgelegt worden, die unter dem 18. Januar 2016 unter anderem die Eintragung des Fristablaufs zur Berufungsbegründung in der vorliegenden Streitsache enthält, wobei dieser Fristeintrag abgehakt und durchgestrichen und mit dem Kürzel von Frau S., dem Datum „18.1.16“ und dem Vermerk „ab per JB 4537“ versehen ist. Randnummer 5 Die Beigeladene bittet darum, vorab über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, und beantragt, Randnummer 6 unter Abänderung des angefochtenen Urteils vom 15. August 2015 die Klage abzuweisen sowie Randnummer 7 ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Randnummer 8 Der Kläger und der Beklagte haben sich bislang zu der Berufung in der Sache noch nicht geäußert und unterstützen die Bitte um Vorabentscheidung über deren Zulässigkeit, wobei der Beklagte die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für erfüllt hält. Der Kläger hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Randnummer 9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen, die vorgelegen hat und – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Die Berufung ist zulässig.
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LG Limburg 2. Zivilkammer
Hessen
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02.03.2023
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Prämienänderungen in der privaten Krankenversicherung. Der Kläger unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine private Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer. Bei der Beklagten wurde der Vertrag unter der Versicherungsnummer  weitergeführt. Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die folgenden Prämienanpassungen für die Jahre 2019 bis 2022. Den streitgegenständlichen Anpassungen lagen als auslösende Faktoren jeweils geänderte Leistungsausgaben zugrunde. Im - nicht streitgegenständlichen - Jahr 2018 zahlte der Kläger einen Monatsbeitrag (einschließlich Pflegeversicherung) von 782,16 Euro, wovon ein Teilbetrag i.H.v. 445,12 Euro auf den Tarif entfiel. Insofern hatte die Beklagte dem Kläger für das Jahr 2018 eine Gutschrift 21,59 Euro gewährt. Im Jahr 2019 belief sich der monatliche Zahlbetrag einschließlich Pflegeversicherung auf 815,65 Euro. Der Beitrag für den Tarif   erhöhte sich auf 468,86 Euro, was einer Erhöhung von 23,74 Euro entsprach. Diese beruhte in Höhe von 21,59 Euro darauf, dass die im Jahr 2018 gewährte Gutschrift nicht verlängert wurde, im Übrigen darauf, dass sich der gesetzliche Zuschlag um 2,15 Euro von 40,47 Euro auf 42,62 Euro erhöht hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein (Anlagen K 1a und B 1, Bl. 8 und 35 d.A.) verwiesen. Die Beklagte erstellte ein Informationsblatt (Anlage B 2, Bl. 36 d.A.), dessen Zugang beim Kläger streitig ist. Darin hieß es: „Gesetzlich geregelt: jährliche Prüfung Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben. Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch die Prüfung der Lebenserwartungen kann zu einer Beitragsänderung führen. Das ist gesetzlich so geregelt. In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung und genehmigt sie. Zusätzlich legen wir die Änderung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor.“ Für das Jahr 2019 erhielt der Kläger eine Beitragsrückerstattung in Höhe von 2.344,30 Euro (Anlage B 7, Bl. 115 d.A.). Zum 01.01.2020 betrug der insgesamt zu zahlende Monatsbeitrag einschließlich Pflegeversicherung 863,84 Euro. Im Tarif    belief sich der monatlich zu zahlende Beitrag auf 511,06 Euro bei einer Gutschrift von 30,64 Euro; der gesetzliche Zuschlag betrug 46,46 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein (Anlagen K 1b und B 3, Bl. 9 f. und 37 f. d.A.) verwiesen. Mit dem Nachtrag erhielt der Kläger ein Informationsblatt (Anlage K1b und B 4, Bl.9R und 39 d.A.). Darin hieß es: „Gesetzlich geregelt: jährliche Prüfung Jedes Jahr prüfen wir neu, ob die tatsächlichen Ausgaben denen entsprechen, die der Beitragskalkulation zugrunde liegen. Wir gleichen dabei auch ab, ob sich die durchschnittlichen Lebenserwartungen geändert haben. Wenn in einem Tarif die Ausgaben für Leistungen von den kalkulierten deutlich abweichen und diese Änderung nicht vorübergehend ist, müssen wir die Beiträge anpassen. Auch die Prüfung der Lebenserwartungen kann zu einer Beitragsänderung führen. Das ist gesetzlich so geregelt. In diesem Jahr ist der maßgebliche Grund für die Beitragsanpassung die Abweichung in den Leistungsausgaben. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung und genehmigt sie. Zusätzlich legen wir die Änderung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor.“ Zum 01.01.2021 belief sich der zu zahlende Beitrag zum Tarif    auf 557,05 Euro bei einer monatlichen Gutschrift von 57,39 Euro; der gesetzliche Zuschlag hatte sich auf 50,64 Euro erhöht. Für den Tarif     erfolgte eine Leistungsanpassung von 8,08; Hintergrund war eine Erhöhung des Krankentagegeldsatzes von 132,00 Euro/Tag auf 140,00 Euro/Tag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein (Anlagen K 1c und B 5, Bl. 10R und 40 f. d.A.) verwiesen. Die Beklagte erstellte ein Informationsblatt (Anlage B 6, Bl. 42 d.A.), dessen Zugang beim Kläger streitig ist. Darin hieß es: „Warum überprüfen wir die Beiträge jährlich? Damit wir Ihnen die Leistungen garantieren können, müssen die Beiträge Ihres Tarifs dauerhaft den Ausgaben entsprechen. Der Gesetzgeber schreibt uns vor, jährlich für jeden Tarif die ausgezahlten Versicherungsleistungen mit denjenigen zu vergleichen, die im Beitrag einkalkuliert sind. Wann genau kommt es zu Beitragsanpassungen? Wenn in einem Tarif die tatsächlichen Ausgaben um einen bestimmten Prozentsatz über den kalkulierten Einnahmen liegen oder die Lebenserwartung deutlich steigt, müssen wir die Beitragskalkulation nach einem. genau geregelten Verfahren überprüfen. Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Beiträge neu zu berechnen, wenn die festgestellte Abweichung nicht nur vorübergehend ist. In diesem Fall müssen wir neben den Leistungsausgaben und der Lebenserwartung auch alle anderen Rechnungsgrundlagen (z.B. den Rechnungszins) aktualisieren. Dadurch ändert sich der Beitrag. Ein unabhängiger Treuhänder prüft die Anpassung der Beiträge und genehmigt sie, wenn die gesetzlichen Anforderungen vorliegen. Zusätzlich informieren wir die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. 2021: Aus welchem Grund steigen Ihre Beiträge im kommenden Jahr? Der maßgebliche Grund für die Neuberechnung Ihrer Beiträge zum 1. Januar 2021 sind höhere Ausgaben für Leistungen.“ Für das Jahr 2021 erhielt der Kläger eine Beitragsrückerstattung in Hohe von 2.785,25 Euro (Anlage B 8, Bl. 116a d.A.). Zum 01.01.2022 wurde der für den Tarif    zu zahlende Beitrag auf 620,18 Euro erhöht. Dies beruhte in Höhe von 57,39 Euro darauf, dass die im Jahr 2021 gewährte Gutschrift von 57,39 Euro wegfiel, im Übrigen (5,74 Euro) auf einer Erhöhung des gesetzlichen Zuschlags von 50,64 Euro auf 56,38 Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein (Anlage K 1d, Bl. 11 ff. d.A.) verwiesen. Der Kläger hat ursprünglich beantragt, 1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Krankenversicherung, Versicherungsschein Nr.:      , in den nachfolgenden Zeiträumen nicht wirksam geworden sind: a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif    die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 23,74 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 42,20 Euro, zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 45,99 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 63,13 Euro; b) in der Krankentagegeldversicherung im Tarif      die Erhöhungen zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um 8,08 Euro; c) in der Pflegeversicherung im Tarif     die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 12,18 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 14,07 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 3,40 Euro; 2. festzustellen, dass der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages aus den folgenden Erhöhungen des Monatsbeitrags verpflichtet ist: a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif      die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 23,74 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 42,20 Euro, zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 45,99 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 63,13 Euro; b) in der Krankentagegeldversicherung im Tarif      die Erhöhungen zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um 8,08 Euro; c) in der Pflegeversicherung im Tarif    die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 12,18 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 14,07 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 3,40 Euro; 3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.930,81 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage, 4. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis Rechtshängigkeit der Klage aus den in den Jahren 2019 bis 2022 auf die unter Ziffer 2. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat. Mit Beschluss vom 25.08.2022 (Bl. 94 f. d.A.) hat das Gericht im Hinblick auf die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte auch für die private Pflegeversicherung den Rechtsstreit in Bezug auf die Klageanträge zu 1c) und 2c), den Klageantrag zu 3. in Höhe von 816,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und den Klageantrag zu 4., soweit die im Klageantrag zu 2c) aufgeführten Beitragserhöhungen betroffen sind, an das Sozialgericht Wiesbaden verwiesen. Der Kläger ist der Ansicht, das Auslaufen einer Gutschrift und die Erhöhung eines gesetzlichen Zuschlags sei wie eine Prämienerhöhung zu behandeln. Der Kläger beantragt, 1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Krankenversicherung, Versicherungsschein Nr.:     , in den nachfolgenden Zeiträumen nicht wirksam geworden sind: a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif    die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 23,74 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 42,20 Euro, zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 45,99 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 63,13 Euro, b) in der Krankentagegeldversicherung im Tarif     die Erhöhungen zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um 8,08 Euro, 2. festzustellen, dass der Kläger nicht zur Tragung des jeweiligen Erhöhungsbetrages aus den folgenden Erhöhungen des Monatsbeitrags verpflichtet ist: a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif      die Erhöhungen zum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022 um 23,74 Euro, zum 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 42,20 Euro, zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 45,99 Euro und zum 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 um weitere 63,13 Euro b) in der Krankentagegeldversicherung im Tarif       die Erhöhungen zum 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022 um 8,08 Euro, 3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.113,85 Euro zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage, 4. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis Rechtshängigkeit der Klage aus den in den Jahren 2019 bis 2022 auf die unter Ziffer 2. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, auch für die Jahre 2019 und 2021 seien dem Kläger zusammen mit dem Nachtrag zum Versicherungsscheine die von ihr erstellten Merkblätter zugegangen. Das Gericht hat den Kläger informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen    . Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.02.2023 (Bl. 134 ff.) verwiesen
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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LG Wiesbaden 5. Zivilkammer
Hessen
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21.02.2018
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Die Klägerin verlangt Restwerklohn. Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach einer öffentlichen Ausschreibung, den Seitenstreifen und den 1. Fahrstreifen der BAB A66 zwischen der AS Maintal-Bischoffsheim und Frankfurt/Bergen-Enkheim in Fahrtrichtung Frankfurt zwischen km ca. 112,750 und 116,100 erneuern zu lassen. Es galt die VOB/B 2012. Der Werklohn sollte nach Einheitspreisen abgerechnet werden. Es ist zur Position 00.04.0004 ein negativer Einheitspreis von -209,14 €/m vereinbart. Die Beklagte hatte die Klägerin zur Aufklärung des negativen Einheitspreises aufgefordert. Diese sandte der Beklagten einen Auszug ihrer Urkalkulation zu. Im Leistungsverzeichnis (LV) heißt es zu dieser Position u. a.: „Markierung Typ II für vorübergehende Markierung herstellen und warten. Zu markierende Fläche von losem Schmutz reinigen. Vormarkieren. Sicherungsmaßnahmen durchführen. Markierung = Unterbrochener Strich. Strichbreite = 0,15 m. … Für Bauphase: Bauabschnitt 01 (Gemäß VZP-Nr. 01 / Blatt-Nr. 01)“ Zur Position 05.03.0002 heißt es im LV u. a.: „… 1.140 m … Längsmarkierung Typ II herstellen Längsmarkierung Typ II einschl. evtl. Sperrflächenumrandung herstellen. Losen Schmutz von zu markierender Fläche entfernen. Abgerechnet wird der markierte Strich, bei Doppelstrichen zwei Striche. Strich mit Vormarkierung als Erneuerung. Strichbreite = 0,15 m. Unterbrochen; Verhältnis Strich/Lücke 1 zu 2. …“ Im Standardleistungskatalog heißt es: „… Längsmarkierung Typ II einschl. evtl. Sperrflächenumrandung herstellen. Losen Schmutz von zu markierender Fläche entfernen. Abgerechnet wird der markierte Strich, bei Doppelstrichen zwei Striche.“ Die Klägerin stellte unter dem 03.09.2015 eine Abschlagsrechnung. Die Klägerin berechnete 1.176,00 m für Position 00.04.0004. Die Beklagte berechnete für ihre Kürzung nicht nur die Markierung, sondern auch die Zwischenräume zwischen den Markierungen. Sie hat als Masse 3.528,00 m berechnet. Die Beklagte kürzte die Rechnung bezüglich der Position 00.04.0004 um 491.897,28 EUR netto. In der Richtlinie für Markierungen von Straßen – RMS – gelten für Autobahnen eine Länge des markierten Strichs von 6 m und eine Lücke von 12 m. Aus dem Verkehrszeichenplan (in der Leistungsbeschreibung als VZP-Nr. 01 / Blatt-Nr. 01 beschrieben) ergibt sich eine Baustellenlänge von 3,335 km zuzüglich Schwenkungsbereich. Am 28.09.2015 wurden die Arbeiten der Klägerin abgenommen. Mit Mahnschreiben vom 30.09.2015 verlangte die Klägerin die offene Forderung. Unter dem 17.12.2015 rechnete die Klägerin ihre Leistungen in ihrer Schlussrechnung ab. Die Schlussrechnung ging der Beklagten am 18.12.2015 zu. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 585.357,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 12.10.2015 bis zum 18.12.2015 und seit 18.01.2016 sowie weitere 2.303,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 6. Kammer
Hessen
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22.11.2017
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Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 01. Juli 2015 sowie zum 01. Juli 2016. Der Kläger war bei einem Unternehmen des (ehemaligen) A Konzerns beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zum 31. Dezember 1997. Seit dem 01. September 2003 bezieht der Kläger neben der zum gleichen Zeitpunkt beginnenden gesetzlichen Altersrente betriebliche Altersrente. Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den Deutschen B-Konzern eingebunden ist. Die B Deutschland AG (bis zum 15. September 2015 firmierend unter "B Deutschland Holding AG") ist die Holdinggesellschaft des B-Konzerns und als solche über eine Zwischenholding (die B Beteiligungs- und Verwaltungs-AG) insbesondere Muttergesellschaft der beiden Versicherungsgesellschaften B Versicherung AG und B Lebensversicherung AG (vormals A Deutsche Sachversicherung AG und A Deutsche Lebensversicherung AG). Die Beklage ist demgemäß als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers Versorgungsschuldnerin. Rechtsgrundlage der betrieblichen Altersversorgung sind die "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes, Stand 19. April 2002" (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 16 - 39 d. A. und Anlage B3 zur Klageerwiderung, Bl. 120 - 131 d. A.). Die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden: BVW) lauten auszugsweise wie folgt: " Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes § 4 Höhe der Versorgungsbezüge Die für die Bemessung der Pensionsergänzung maßgebenden Gesamtversorgungsbezüge werden wie folgt festgesetzt: Gesamt-Ruhebezüge und Gesamt-Invaliditätsbezüge Die für den Fall des Bezuges einer Alters- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente der Versorgungskasse zu gewährenden monatlichen Gesamt-Ruhebezüge bzw. Gesamt-Invaliditätsbezüge betragen 40 % + soviel Prozent, wie Dienstjahre bis zum Eintritt des Versorgungsfall verflossen sind, höchstens jedoch 70 % des pensionsfähigen Arbeitsentgelts nach Maßgabe der Ausführungsbestimmungen.(...) § 5 Zusammensetzung der VersorgungsbezügeErreichen die nachstehenden Leistungen zusammen in der Höhe nicht die erworbenen Gesamtversorgungsansprüche, wird eine Pensionsergänzungszahlung fällig: Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge sind: 1.1. die Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hat der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung rentenindividuell zu kürzen, so gilt die ungekürzte Rente als Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge (z. B. familienrechtlicher Versorgungsausgleich). 1.2. die Renten aus der freiwilligen Höherversicherung bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit für sie ein freiwilliger Firmenzuschuss seitens der A geleistet wurde.(...) 1.6. Renten der Versorgungskasse und die ihnen gleichgestellten sonstigen Versorgungsleistungen.(...) "Die Bestimmungen des BVW gewähren damit eine Gesamtversorgung. Das Versorgungsniveau setzt sich aus Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sowie dem Anspruch gegenüber der Pensionskasse, der Versorgungskasse der A VVaG zusammen. Soweit diese Zahlungen zusammengenommen das Versorgungsniveau nicht erreichen, gewähren die Regelungen des BVW eine Direktzusage in Höhe der Lücke zwischen der zugesagten Gesamtversorgung und den Zahlungen aus der Versorgungskasse und der gesetzlichen Renten die sogenannte Pensionsergänzungszahlung. Mit Eintritt in die Rente betrug der Anspruch des Klägers auf monatliche Gesamtversorgungsbezüge 3.993,48 €. Die Zahlungen aus der Versorgungskasse beliefen sich auf 749,00 €. Unter Berücksichtigung der anzurechnenden Rente der gesetzlichen Rentenversicherung errechnete sich die Pensionsergänzungszahlung mit 1.593,82 € (vgl. Anlage K2 zur Klageschrift "Berechnung der Pensionsergänzung", Bl. 40 d. A.). Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen des BVW unter der Überschrift "Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse" das folgende geregelt: Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 der §§ 65, 68 des SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten). Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden. Hält der Vorstand die Veränderungen der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziff. 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhörung der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziff. 1.(...) "Bei den Bestimmungen des BVW handelt es sich um eine Gesamtbetriebsvereinbarung. Zuletzt vor den streitgegenständlichen Betriebsrentenanpassungen betrugen die betrieblichen Rentenzahlungen an den Kläger im Juni 2015 an Rentenleistungen der Versorgungskasse (sog. VK-Rente) 771,75 € und an Pensionsergänzungszahlung (sog. VOFUE-Rente) 2.182,25 € brutto monatlich (vgl. Anlage B6 zur Klageerwiderung, Bl. 141a d. A.). Die gesetzliche Rente wurde zum 01. Juli 2015 um 2,0972 % angepasst. Die Beklagte passte die Pensionsergänzungszahlung mit Wirkung zum 01. Juli 2015 um 0,5 % auf 2.193,60 € brutto monatlich an. Mit seiner am 23. Mai 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Anpassung der Pensionsergänzungszahlung und der Rentenleistung der Versorgungskasse zum 01. Juli 2015 in Höhe der Anpassung der gesetzlichen Altersrente auf zusammen 3.015,94 € beantragt und zuletzt den Differenzbetrag zu den Leistungen der Beklagten und der Versorgungskasse - zusammen 2.964,91 € brutto monatlich - in Höhe von 51,04 € brutto monatlich für 12 Monate geltend gemacht. Zum 01. Juli 2016 wurde die gesetzliche Altersrente angepasst um 4,24512 %. Die Beklagte passte mit Wirkung zum 01. Juli 2016 die Pensionsergänzungszahlung um 0,5 % auf 2.204,13 € brutto monatlich an. Die Rentenleistungen der Versorgungskasse betrugen zu diesem Zeitpunkt 775,69 €. Mit Klageerweiterung, eingegangen beim Arbeitsgericht am 02. September 2016, hat der Kläger die Anpassung der Pensionsergänzungszahlung und der Rentenleistungen der Versorgungskasse um den Anpassungsfaktor der gesetzlichen Altersrente auf zusammen 3.144,13 € begehrt und die Zahlung des Differenzbetrages von 164,31 € brutto monatlich zu den Leistungen der Beklagten und den Rentenleistungen der Versorgungskasse zum 01. Juli 2016 für die Monate Juli, August und September 2016 beantragt. Der Vorstand der B Lebensversicherung AG (GEL) und der B Versicherung AG (GEV) haben in Folge der Entscheidung des Vorstandes der B Deutschland AG beschlossen, die in § 6 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW normierte Ausnahmeregelung anzuwenden und den Aufsichtsräten der beiden Gesellschaften jeweils zur gemeinsamen Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 01. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge nicht gemäß der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2,1 %, sondern nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Die Betriebsräte im Konzern wurden vor der Beschlussfassung angehört (vgl. die als Anlage B7 zur Klageerwiderung vorgelegte E-Mail vom 15. Juni 2015 bzw. das als Anlage B7 zur Klageerwiderung vorgelegte Schreiben vom 15. Juni 2015, Bl. 154 - 157 d. A.). Der Gesamtbetriebsrat sowie die Betriebsräte C, D, E, F, G, H, I, J, K, L der Beklagten, der Betriebsrat der Zentrale der ehemaligen A AG und der Konzernbetriebsrat haben Stellungnahmen abgegeben (vgl. die Anlage B8 zur Klageerwiderung, Bl. 161 - 181 d. A.). In der Stellungnahme des Gesamtbetriebsrates heißt es auszugsweise wie folgt:"Nach dem Willen der zum Zeitpunkt der Vereinbarung der betroffenen Regelungen vertragsschließenden Parteien wäre eine Anwendung des § 6 Abs. 3 (BVW) bzw. Abs. 4 (VO 85) beschriebenen Ausnahmefalls nur dann zulässig, wenn das Unternehmen nicht über die wirtschaftliche Fähigkeit verfügen würde, die vertragsgemäßen höheren (in vollem Umfang angepasste) Renten zahlen zu können. Diese Situation ist für die B Versicherungen (2014 herausragendes Geschäftsergebnis mit 236 Mio. € Jahresüberschuss) ganz sicher nicht gegeben. "Der Vorstand der B Deutschland AG hat im Weiteren beschlossen, den Betriebsräten eine längere Anhörungsfrist zu gewähren. Der Konzernbetriebsrat sollte Gelegenheit erhalten, das Thema "Auf oberster Ebene" ausführlich zu erörtern. Der Vorstand und der Aufsichtsrat haben sodann auf Basis des Vorschlages des Vorstandes im zweiten Schritt gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 01. Juli 2015 beschlossen. Der Beitrag des Vorstandes zur gemeinsamen Beschlussfassung ist am 26. August 2015 erfolgt. Der inhaltlich entsprechende Beschluss des Aufsichtsrates der Beklagten zur gemeinsamen Beschlussfassung ist im Umlaufverfahren mit Ablauf der Rückmeldefrist am 09. Oktober 2015 erfolgt. Die Vorstände der B Versicherung AG und der B Lebensversicherung AG (Beklagte) haben am 20. Juni 2016 (vgl. die Anlage B14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 31. Oktober 2016, Bl. 433 d. A.) beschlossen, wie im Jahr 2015 die in § 6 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen des BVW bzw. § 6 Ziff. 4 der VO 85 normierte Ausnahmeregelung anzuwenden und den Aufsichtsräten der GEV und der GEL zur Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 01. Juli 2016 zu gewährende Rentenanpassung nicht wie grundsätzlich vorgesehen gemäß der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 4,25 %, sondern nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Die Betriebsräte im Konzern - der Gesamtbetriebs sowie höchstvorsorglich die örtlichen Betriebsräte der Beklagten - wurden vor der Beschlussfassung angehört und zu diesem Zweck mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben (vgl. E-Mail vom 17. Mai 2016, Anlage B15 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. Dezember 2016 und Schreiben an den Gesamtbetriebsrat vom 13. Mai 2016, Anlage B15 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. Dezember 2016, Bl. 370 - 373 d. A.). Soweit die angehörten Betriebsräte Stellungnahmen abgegeben haben, haben sie die geplante Anpassung kritisiert (vgl. die Stellungnahmen, Anlage B 16 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. Dezember 2016, Bl. 379 - 405 d. A.). Die Vorstände und Aufsichtsräte der B Lebensversicherung AG (Beklagte) und der B Versicherung AG haben gemeinsam mit den Aufsichtsräten im zweiten Schritt am 22. Juni 2016 beschlossen, gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 01. Juli 2016 beschlossen (vgl. die Anlage B17 zum Schriftsatz der Beklagten vom 02. Dezember 2016, Bl. 406 - 412 d. A.). Die Beklagte hat behauptet, Grundlage der Beschlussfassungen seien die widrigen Rahmenbedingungen am Markt. Der B Konzern habe auf diese Umstände mit einem Zukunftsprogramm reagiert. Den wesentlichen Baustein dieses Programms des Konzerns bildet das Konzept "Simpler, Smarter, For you (SSY)", mit dem der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft sichern wolle. Grundlage des SSY-Konzept sei ausdrücklich nicht die aktuelle wirtschaftliche Lage des Konzerns oder der Beklagten. Der B Konzern habe sich vielmehr vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfeldes zu einer Neuausrichtung entschieden, solange noch die Möglichkeit bestehe, die Zukunft des Konzerns aktiv zu gestalten. Das SSY-Konzept sei daher zwar von wirtschaftlichen Erwägungen geprägt, aber nicht auf eine aktuelle wirtschaftliche Zwangslage zurückzuführen. Das schwierige Marktumfeld sei geprägt durch eine historische Niedrigzinsphase. Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sei es für Versicherer, insbesondere Lebensversicherer immer schwieriger, das Geld ihrer Kunden lukrativ anzulegen. Die Beklagte sei im Zeitpunkt der Anpassungsprüfungen davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 bzw. 2016 abschwächen wird. Hinzutreten würde die demografische Entwicklung. Der B Konzern als Versicherungskonzern müsse größere Risiken tragen, namentlich das sog. Langlebigkeitsrisiko. Zudem stelle auch der zunehmende regulatorische Druck eine Herausforderung dar, insbesondere durch das Lebensversicherungsreformgesetz und Solvency II. Die Neuausrichtung des B Konzerns und der Beklagten gemäß dem SSY-Konzept solle die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Beklagten sichern. B biete im Kreise der 10 größten Anbieter auf dem Lebensversicherungsmarkt derzeit nur noch die geringste Überschussbeteiligung bei Lebensversicherungsprodukten. Als Folge des Marktdruckes sei es zu einem konzernweiten Einstellungsstopp und zu massivem Personalabbau gekommen. Im Deutschen B Konzern hätten allein im Jahr 2016 ca. 1135 Personen den Konzern bei einem Mitarbeiterbestand von ca. 13000 Personen verlassen. Davon entfielen ca. 35 Austritte auf die Beklagte und ca. 509 Austritte auf die B Versicherung AG. Dazu sei angemerkt, dass in der Zwischenzeit weder die B Versicherung AG noch die Beklagte aktives Personal aufweise, da der gesamte aktive Mitarbeiterbestand im Rahmen des SSY-Konzepts auf die B Deutschland AG übergegangen sei. Allein im Zuge des SSY-Konzepts seien bislang ca. 442 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. "Überbrückungsmodell" unterzeichnet worden. Dabei ca. 111 bei der B Versicherung AG und ca. 50 bei der Beklagten. Des Weiteren gebe es im Konzern verschiedene weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger, beginnend ab dem 01. September 2016 über den Betrag von 2.979,82 € brutto hinaus, jeweils zum 1. eines Monats einen Betrag in Höhe von 164,31 € brutto zu zahlen und die begehrten Differenzbeträge in Höhe von 612,36 € brutto und in Höhe von 328,62 € brutto zu leisten. Es hat angenommen, dass die getroffene Regelung in § 6 Ziff. 3 der Ausführungsbestimmungen BVW gegen § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG verstoße. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichtes im Weiteren wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes hat die Beklagte innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 22. November 2017 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Die Beklagte meint zunächst, das Arbeitsgericht gehe von einer unzutreffenden Grundannahme aus, soweit es in seinem Urteil zu der Feststellung gelange, dass die in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW getroffene Regelung gegen § 17 Abs. 3 S. 1 BetrAVG verstoße und deshalb unwirksam sei. Das Arbeitsgericht übersehe, dass die Beklagte alle drei Jahre zusätzlich zur jährlichen, vertraglichen Anpassung nach § 6 Ausführungsbestimmungen BVW Anpassungen der Direktzusage nach § 16 BetrAVG prüfe. Die vertragliche Regelung bedinge § 6 BetrAVG nicht ab. Die Beklagte meint weiter, dass die Anpassungsregelung in § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW mitbestimmungsfrei und formell wirksam sei und auch die materiellen Voraussetzungen gemäß § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW erfüllt seien. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus der Überschrift des § 6 Ausführungsbestimmungen BVW. Aus der Überschrift gehe insbesondere nichts dazu hervor, dass die veränderten "wirtschaftlichen Verhältnisse" bei der Beklagten vorliegen müssten, damit diese eine Anpassung vornehmen könne. Vielmehr bringe die Überschrift zu § 6 Ausführungsbestimmungen BVW nur zum Ausdruck, dass die vorgesehene Rentenanpassung einer Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldet ist. Ein solcher Grund für die teilweise ausgesetzte Anpassung könne auch in einem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens liegen. Die Beklagte habe willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte Gründe für ihre Entscheidung. Die Entscheidung der Beklagten entspräche entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes auch billigem Ermessen. Das Bundesarbeitsgericht erkenne im Recht der betrieblichen Altersversorgung an, dass eine gleichmäßige und gerechte Belastung von aktiver Belegschaft und Betriebsrentnern zu erfolgen habe. Die aktive Belegschaft leiste bereits einen erheblichen Beitrag und werde das über weitere Jahre tun. Die Beklagte beantragt: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 14. Dezember 2016 - 11 Ca 731/16 - aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 14. Dezember 2016 - 11 Ca 731/16 - mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger, beginnend mit dem 01. Juli 2017 über den gezahlten Betrag von 3.036,58 € brutto hinaus, mindestens je 164,31 € brutto zu zahlen. Der Kläger bestreitet zunächst erneut die Anhörung (sämtlicher) Betriebsräte und die (ordnungsgemäße) Beschlussfassung der Beklagten. Er meint, es komme jedoch in den Stellungnahmen der Betriebsratsgremien zum Ausdruck, dass von Ziff. 3 nur Gebrauch gemacht werden sollte, wenn eine wirtschaftliche Notlage vorliegt bzw. gravierende Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten dies zwingend erforderlich machen. Dies sei auch gemeinsames Verständnis der Betriebsparteien bei Unterzeichnung des BVW gewesen. So sei dies beispielhaft Thema am Rande einer Aufsichtsratssitzung im Januar 1995 gewesen. Nicht zuletzt sei dies dem Gesamtbetriebsrat u. a. in einer Aktennotiz bestätigt worden. Jedenfalls sei "nicht vertretbar" im Sinne von § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW im Sinne von "nicht finanzierbar" auszulegen; wenn die Finanzierbarkeit ausscheide, könne die Beklagte eine andere Entscheidung treffen. Dass vorliegend eine Anpassung der Betriebsrenten gemäß der Anpassung der gesetzlichen Renten zum 01. Juli 2015 bzw. 01. Juli 2016 nicht finanzierbar sei, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Der Kläger bestreitet weiter den Vortrag der Beklagten zu den Gründen der unterbliebenen Anpassung im Zusammenhang mit dem vorgetragenen SSY-Konzept. Er meint, die Gründe würden zudem den Konzern und nicht die Beklagte betreffen. Auch das "Neidargument" der Beklagten greife nicht. Kein Mitarbeiter habe auf finanzielle Ansprüche verzichtet und eine Reduzierung der Vergütung oder anderer finanzieller Leistungen hinnehmen müssen. Der Kläger hält an seinem Vortrag zum Bestehen einer betrieblichen Übung auf Anpassung gemäß § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen BVW fest. Selbst in Zeiten der Weltwirtschaftskrise ab 2007 seien die Rentenanpassungen entsprechend der gesetzlichen Rentenanpassungen erfolgt. Der Kläger hält seinen Vortrag zum Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes aufrecht, so dass nach seiner Meinung § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW einen unzulässigen Verzicht des Betriebsrates auf sein Mitbestimmungsrecht darstelle. Die Beklagte lasse bei ihrer Argumentation außer Acht, dass die Betriebsparteien vorliegend mit der Regelung in § 6 Ziff. 1 Ausführungsbestimmungen BVW zu verteilende Mittel für eine über das Gesetz hinausgehende Anpassung zur Verfügung gestellt haben, hinsichtlich derer ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe. Der Kläger meint weiter, die Rechtsgedanken des Bundesarbeitsgerichtes zu den Regelungen des AGB-Rechts seien heranzuziehen. § 6 Ziff. 3 Ausführungsbestimmungen BVW sei sowohl in seine Voraussetzungen als auch in seinen Rechtsfolgen absolut unklar formuliert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden vom 14. Dezember 2016 - 11 Ca 731/16 - abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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AG Kassel
Hessen
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07.05.2013
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Löschung von Daten aus einer Datenbank. Randnummer 2 Der Kläger erlitt am … unverschuldet einen Verkehrsunfall. An seinem Pkw entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden. Die Beklagte regulierte diesen für ihren Versicherungsnehmer, den Unfallgegner des Klägers. Mit Schreiben vom … informierte sie den Kläger darüber, die Daten seines Fahrzeuges, nämlich Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) zu melden, welches von Firma … betrieben werde und Unternehmen der Versicherungsbranche zur Verfügung stehe. Der Kläger willigte hierin nicht ein. Mit der Klage verfolgt der Kläger das Ziel, im Ergebnis die Löschung dieser Daten zu erreichen. Randnummer 3 Der Kläger meint, die Beklagte habe die Speicherung personenbezogener Daten veranlasst. Da die Beklagte sich nicht auf berechtigte Interessen berufen könne und auch eine Interessenabwägung nicht unternommen habe, sei dies rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Randnummer 4 Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Firma … die Löschung der unter der Schaden Nr. … im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) gespeicherten Daten zu Gunsten des Klägers zu beantragen, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Kfz-Haftpflichtschaden vom …, Schaden Nr. …, die persönlichen Daten des Klägers im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) oder in einem vergleichbaren Datenverarbeitungssystem einzustellen oder einstellen zu lassen sowie die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seinen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 € freizustellen. Randnummer 5 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 6 Sie meint, personenbezogener Daten in Bezug auf den Kläger seien nicht gespeichert. Im übrigen beruft sie sich auf ein schutzwürdiges Interesse deswegen, weil er die Dateien notwendig sei, um fehlerhafte, unwahre, unvollständige oder betrügerische Angaben im Zusammenhang mit der Regulierung von Straßenverkehrsunfällen bzw. in anderen Verschlechterungssparten überprüfen und gegebenenfalls eindämmen zu können. Randnummer 7 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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AG Charlottenburg
Berlin
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21.11.2021
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Randnummer 1 Die Klägerin als Eigentümerin und Vermieterin nimmt den Beklagten nach Kündigungen wegen Eigenbedarfs auf Räumung der von ihm gemieteten Wohnung in Anspruch. Randnummer 2 Der Beklagte mietete von der Klägerin, vertreten durch die ... Hausverwaltung, ab 1. September 2019 die 1 Zimmer-Wohnung im Vorderhaus, 1. Geschossmitte des Hauses ... , ... Uhr Berlin, deren Größe ca. 46,26 m² beträgt. Das Mietverhältnis wurde gemäß § 2 Nr. 1a) des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit geschlossen, wobei eine ordentliche Kündigung erstmals zum 31.8.2020 zulässig sein sollte. Mit Schreiben der ... Hausverwaltung vom 11.6.2021 wurde das Mietverhältnis mit dem Beklagten wegen Eigenbedarfs zum 30.9.2021 mit der Begründung gekündigt, sie sähen sich gezwungen das Mietverhältnis ordentlich zu kündigen, weil die Mietsache für ... (geborene ... ) aufgrund folgender Umstände benötigt werde: „Arbeitsstelle wieder Vollzeit in Berlin – Frau ... wird in Zukunft wieder mehr in den Familienbetrieb eingebunden, weshalb sie unter der Woche in Berlin bleiben wird und die Wohnung als Schlafmöglichkeit unter der Woche nutzt.“ Randnummer 3 Der Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 17.6. und 1.7.2021, auf die verwiesen wird (Anlagenkonvolut K4/Bl. 18 - 20 der Akte), und forderte die Fortsetzung des Mietverhältnisses. Unter anderem rügte der Beklagte, nach ihm seien 4 Mieter eingezogen, nämlich 2 im oberen und 2 im unteren Geschoss, und außerdem würden 3 Wohnungen nicht rechtmäßig genutzt und stünden somit zur Verfügung. Anschließend wurde mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 19.7.2021 unter dem Rubrum „ ... “ ausgeführt, Frau ... werde künftig wieder in einer Vollzeitbeschäftigung in Berlin arbeiten und den Familienbetrieb unterstützen. Dazu benötige sie eine Wohnung in Berlin. Derzeit sei sie in ... in ... wohnhaft und benötige bis zu ihrer Arbeitsstelle am ... in ... Berlin per Auto mit der schnellsten Verbindung ca. 1h 32min und habe eine Strecke von ca. 136 km (einfach) zu fahren. Rein vorsorglich werde namens und in Vollmacht der GbR ... unter Beifügung einer Vollmacht erneut die ordentliche Kündigung hinsichtlich der Wohnung mit Wirkung zum 31. Oktober 2021 wegen Eigenbedarfs ausgesprochen. Die Kündigungsgründe seien in dem Schreiben vom 11.6.2021 bereits ausführlich geschildert worden und bestünden weiterhin. Frau ... sei Gesellschafterin der GbR ... (Eigentümergemeinschaft) und wolle die Räumlichkeiten wie oben geschildert für sich nutzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Kündigungsschreiben verwiesen (Anlagen K2 und K3/Bl. 14 - 17 der Akte). In der Klageschrift vom 23.7 2021 führte die Klägerin auf Seite 3 aus, Frau ... sei für die GbR ... und für die die Eigentümerin vertretende Hausverwaltung ... tätig. Sie werde künftig wieder in einer Beschäftigung in Vollzeit in Berlin arbeiten und den Familienbetrieb unterstützen, da der Arbeitsanfall ihre tägliche Anwesenheit zu den üblichen Arbeitszeiten vor Ort erforderlich mache. Dazu benötige sie eine Wohnung in Berlin, in der sie unter anderem übernachten könne, um nicht mehr pendeln zu müssen. Derzeit sei sie in ... in ... wohnhaft und benötige bis zu ihrer Arbeitsstelle am ... in ... Berlin per Auto mit der schnellsten Verbindung ca. 1h 32 und habe eine Strecke von ca. 136 km (einfach) zu fahren. Auf Seite 4 der Klageschrift sprach die Klägerin nochmals die ordentliche Kündigung „wegen des bereits dargelegten Eigennutzungsbegehrens der Frau ... “ aus. Randnummer 4 Die Klägerin macht geltend, ihre Gesellschafterin benötige die von dem Beklagten gemietete Wohnung. Später eingezogenen Mietern sei deswegen nicht gekündigt worden, weil sie einerseits von einem Auswahlermessen ausgegangen sei und die Bedarfsperson zum anderen nicht im Erdgeschoss wohnen wolle. Zum einen befürchte sie Einbrüche, da keine Außenjalousien oder andere einbruchshemmende Vorrichtungen vorhanden seien und es über den vorhandenen Balkon sehr einfach wäre, in die Wohnräume zu gelangen. Zudem seien die Wohnungen im Erdgeschoss unsaniert und fußkalt, da sich unter den Wohnungen unbeheizte Garagen befänden (Beweis: Inaugenscheinnahme). Die Klägerin bezieht sich auf eine Liste der insgesamt 14 Wohneinheiten im Objekt (Anlage K5/Bl. 40 der Akte), aus der sich Vermietungszeitpunkte ergeben, und trägt vor, auch alle anderen Wohnungen in dem betreffenden Objekt seien vermietet und würden ständig von einem oder zwei Mietern bewohnt, wobei eine Mieterin zwei Wohnungen angemietet und diese Einheiten im 1. OG links und im 1. OG Mitte links durch einen Durchbruch zu einer einheitlichen Wohnung verbunden habe. Die Klägerin trägt vor, die Bedarfsperson habe sich deswegen für die Wohnung des Beklagten entschieden, weil dies die einzige Wohnung in dem Objekt sei, welche saniert worden sei. Im Jahr 2019 habe eine umfassende Sanierung stattgefunden, wobei ein neues Bad eingebaut worden sei und alle Wände neu gestaltet worden seien. Außerdem liege die Wohnung gut eingebettet zwischen anderen Wohnungen und kühle dadurch deutlich weniger aus. Zusätzlich können die Bedarfsperson von dieser Wohnung aus die Aussicht in den Garten besonders gut genießen (Beweis: wie vor). Die Klägerin behauptet, die berufliche Veränderung der Bedarfsperson sei zum Zeitung des Abschlusses des Mietvertrages mit dem Beklagten am 23.8.2019 noch nicht absehbar gewesen. Seinerzeit habe die Bedarfsperson an 3 Tagen der Woche für 5 Stunden gearbeitet und im Übrigen sei eine Mitarbeiterin in Vollzeitanstellung (40 Wochenstunden) für das Familienunternehmen tätig gewesen. Im Juni 2021 sei die Entscheidung getroffen worden, dass die Mitarbeiterin nicht weiter tätig sein werde und ab Juli 2021 ausscheiden werde. Seit diesem Zeitpunkt (Juli 2021) arbeite die Bedarfsperson in Vollzeit (mindestens 40 Wochenstunden). Zeitlich nachfolgend auf die Ankündigung der personellen Veränderung im Juni 2021 habe die Bedarfsperson den Entschluss gefasst, die Wohnung des Beklagten dauerhaft selbst nutzen zu wollen, um täglich vor Ort in Berlin sein zu können. Die Kündigung gegenüber dem Beklagten sei deswegen dann unter dem 11.6.2021 erfolgt. Die Klägerin behauptet, ihre Gesellschafterin ... (geborene ... ) habe den Willen, die streitgegenständliche Wohnung für sich zu nutzen (Beweis: Zeugnis ihres Ehemanns ... ). Im Verhandlungstermin hat die Klägerin auf Nachfrage mitgeteilt, die Bedarfsperson sei (nur) für die Hausverwaltung ... tätig. Die Klägerin macht geltend, die Eigennutzung der streitgegenständlichen Wohnung würde für die Bedarfsperson eine erhebliche Ersparnis an zeitlichem sowie finanziellem Aufwand bedeuten. Außerdem könnten Arbeitsabläufe durch direkte Kommunikationswege effektiver gestaltet werden. Von ihrem jetzigen Wohnort aus könne die Bedarfsperson nur schwerlich arbeiten, da sie den direkten Zugriff auf die Akten und Dokumente haben müsse sowie einen den Anforderungen entsprechenden, eingerichteten Arbeitsplatz benötige, der nicht vorhanden sei. Zusätzlich sei die Qualität der Internetverbindung sehr schlecht (Beweis: wie vor). Ein weiterer für die Bedarfsperson erheblicher Aspekt sei, dass sie durch die Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaften die entsprechenden Versammlungen durchführe sowie Belegprüfungen betreue. Diese Termine fänden zu ca. 90 % in den Abendstunden statt und auch deshalb würde die Bedarfsperson gern eine Wohnung in Berlin haben und nicht mehr, wie derzeit notwendig, in den späten Abendstunden respektive nachts noch zu ihrem Wohnort pendeln müssen. Die Klägerin meint, ihre Kündigungen vom 11.6. und 19.7.2021 seien ausreichend begründet worden, weil die wesentlichen Kerntatsachen in den Schreiben mitgeteilt worden seien und eine Angabe von Details nicht erforderlich gewesen sei. Eine nähere Erläuterung der Kerntatsachen durch Mitteilung von Ergänzungstatsachen habe auch später noch erfolgen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Klagevortrags wird auf den Schriftsatz vom 22.9.2021 verwiesen (Bl. 37 - 39 der Akte). Randnummer 5 Die Klägerin beantragt, Randnummer 6 den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung ... in ... Uhr Berlin, Vorderhaus, 1. OG Mitte, Größe ca. 46,26 m², bestehend aus einem Zimmer nebst Küche, Toilette, Dusche, Bad und einem Balkon, bis zum Ablauf des 31. Oktober 2021 zu räumen und geräumt an sie herauszugeben. Randnummer 7 Der Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Der Beklagte beruft sich zunächst darauf, bei Abschluss des Mietvertrages habe ihm die Hausverwaltung und Herr ... vermittelt, dass ein langfristiges Mietverhältnis geschlossen werde und es sei keine Andeutung bezüglich eines möglichen Eigenbedarfs erfolgt (Beweis: Parteivernehmung des Beklagten). Die betriebliche Situation und damit die Begründung des Eigenbedarfs sei außerdem unklar. Es werde von einem Familienunternehmen gesprochen, wobei nicht klar sei, ob damit die GbR ... oder die Hausverwaltung ... gemeint sei. Randnummer 10 Damit bleibe unklar, ob die Tätigkeit der Bedarfsperson sich auf die Hausverwaltung beziehe oder auf die GbR bzw. ob Frau ... für beide Unternehmen tätig sei. Auch bezüglich der Arbeitszeit werde nicht klargestellt, wo und für welches Unternehmen Frau ... tätig gewesen sei. Der Beklagte bestreitet, dass Frau ... vollzeitbeschäftigt ist. Außerdem rügt er, es sei unbekannt, inwiefern die GbR ... ein Unternehmen darstelle, für welches eine Tätigkeit erforderlich sei. Er bestreitet deswegen, dass die GbR ... überhaupt eine wirtschaftliche Tätigkeit, abseits des Immobilieneigentums, entfaltet und beruft sich darauf, soweit für die GbR gar keine Tätigkeit notwendig sei, sei auch der Eigenbedarf für das Familienunternehmen nicht gegeben. Der Beklagte meint, die Kündigung vom 11.6.2021 scheitere schon daran, dass sich daraus nicht ergebe, ob der Hausverwalter zu einer Kündigung im eigenen Namen bevollmächtigt gewesen sei. Außerdem sei die Kündigung nur unzureichend begründet. Auch in materieller Hinsicht mangele es an einem nachvollziehbaren Nutzungsinteresse. Es sei schon nicht klar, welcher Betrieb mit dem Familienbetrieb gemeint gewesen sei, in den ... eingebunden werden solle. Im Ergebnis könne er das Nutzungsinteresse der Klägerin weder nachvollziehen noch aus der Kündigung überhaupt erkennen, welcher Sachverhalt ihr zugrunde liege. Auch die Kündigung vom 19.7.2021 hält der Beklagte wegen zu knapper Darlegung des wesentlichen Sachverhalts schon für formell unwirksam. Er meint, jedenfalls sei auch diese Kündigung völlig unzureichend begründet, da für ihn überhaupt nicht ersichtlich sei, worin der Grund des Nutzungsbedarfs eigentlich bestehe. Randnummer 11 Außerdem könne sich die Klägerin bei der Begründung einer Kündigung nicht pauschal auf bereits erfolgte Kündigungen beziehen. Bezüglich der Kündigung in der Klageschrift vom 23.7.2021 meint der Beklagte, die Schriftsatzkündigung per beA an das Amtsgericht Charlottenburg erfülle schon nicht die formellen Voraussetzungen. Denn es sei nur die für das Gericht bestimmte Urschrift eigenhändig unterzeichnet worden und er als Kündigungsempfänger habe keine mit einem Beglaubigungsvermerk des Verfassers des Schriftsatzes versehene Abschrift erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beklagtenvortrags wird auf die Klageerwiderung vom 22.10.2021 verwiesen (Bl. 42 - 46 der Akte). Randnummer 12 Das Gericht hat die Klägerin mit Verfügung vom 26.8.2021, auf die Bezug genommen wird (Bl. 28 der Akte), darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob die bis dahin erfolgten Kündigungen ausreichend begründet wurden im Sinne von § 573 Abs. 3 BGB. Randnummer 13 Weitere, entsprechende Hinweise sind der Klägerin im Verhandlungstermin erteilt worden. Randnummer 14 Auf die Seiten 1/2 des Verhandlungsprotokolls vom 25.10.2021 wird verwiesen (Bl. 47 der Akte).
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 5. Kammer
Schleswig-Holstein
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13.07.2017
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Randnummer 1 In der Berufungsinstanz streiten die Parteien zuletzt noch darum, ob sich der erstinstanzlich geführte Kündigungsrechtsstreit durch Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, hilfsweise durch außergerichtlichen Vergleich erledigt hat. Nur hilfshilfsweise führt der Kläger den Kündigungsrechtsstreit fort. Randnummer 2 Bei der Beklagten handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der I. H. GmbH. Die Beklagte verlegte ihren Betrieb im September/Oktober 2015 von K. nach H.-U.. Im Februar 2016 beschäftigte die Beklagte regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer. Der 46-jährige Kläger ist mit einem Grad von 40 schwerbehindert. Er war zunächst seit dem 01.10.2009 als Leiharbeitnehmer für die Beklagte tätig und wurde sodann von der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.07.2010 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 29.06.2010 als Service Manager eingestellt (Bl. 6 ff. d. A.). Dieses Arbeitsverhältnis kündigte der Kläger mit Schreiben vom 23.04.2013 zum 15.11.2013 (Bl. 127 der Akte). Durch Gesellschafterbeschluss vom 18.06.2013 wurden der Kläger sowie Herr S. zum 01.07.2013 zu Geschäftsführern der Beklagten bestellt und zugleich die Geschäftsführer S. und N. abberufen (Bl. 128 d. A.). Hiernach war der Kläger berechtigt, die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem Prokuristen oder einem weiteren Geschäftsführer zu vertreten. Daraufhin schlossen die Parteien am 26.06.2013 eine Aufhebungsvereinbarung, aufgrund derer sie das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.06.2013 auflösten (Bl. 129 d. A.). Am 01.07.2013 schlossen die Parteien einen schriftlichen Geschäftsführervertrag ab (Bl. 14 ff. d. A.). Die Beklagte kündigte diesen Geschäftsführer-Dienstvertrag im November 2015 ordentlich. Im Anschluss daran begründeten die Parteien mit Wirkung ab dem 01.12.2015 erneut ein Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.12.2015 (Bl. 20 ff. d. A.). Dieser zweite Arbeitsvertrag enthält folgende Präambel: Randnummer 3 „Die Parteien sind miteinander verbunden durch einen gekündigten Geschäftsführervertrag vom 01.07.2013. Dieser Vertrag wird mit Unterschriftsleistung unter diesen Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben.“ Randnummer 4 Danach wurde der Kläger ab dem 01.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik beschäftigt zu einem monatlichen Bruttogrundgehalt von 6.500,00 € zzgl. der Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs. Eine Probearbeitszeit wurde ausdrücklich nicht vereinbart. Randnummer 5 Die Gesellschafterversammlung der Beklagten traf am 10.02.2016 den Beschluss, den „Betrieb in der bisherigen Form“ einzustellen, allen Mitarbeitern sowie den Mietvertrag mit der I. I. GmbH fristgerecht zu kündigen (Bl. 137 d. A.). Mit Schreiben vom 16.02.2016 kündigte die Beklagte „das mit Ihnen seit dem Juli 2010 bestehende Arbeitsverhältnis“ fristgerecht zum Ablauf des 30.04.2016, weil die „M. E. GmbH in der bisherigen Form nicht weitergeführt“ werde (Bl. 47 d. A.). Randnummer 6 Am 29.02.2016 hat der Kläger gegen diese Kündigung beim Arbeitsgericht Klage mit einem Kündigungsschutz- sowie einem allgemeinen Kündigungsfeststellungsantrag erhobenen. Randnummer 7 Am 24.02.2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX. Mit noch nicht rechtskräftigem Bescheid vom 18.04.2016 wies die Bundesagentur für Arbeit seinen Antrag zurück (Bl. 286 f. d. A.). Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis „vorsorglich erneut“ mit Schreiben vom 02.05.2016 (Bl. 90 d. A.). Randnummer 8 Der Kläger hat gemeint, Randnummer 9 er habe sich ab Juli 2010 durchgängig in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden, sodass die Wartefrist des § 1 KSchG bei Ausspruch der Kündigung erfüllt gewesen sei. Auch das Geschäftsführerverhältnis sei als „Arbeitsverhältnis gelebt“ worden. Er sei gegenüber der Beklagten weisungsgebunden gewesen und habe keine alleinige Personalentscheidungsbefugnis gehabt. Das ab Juli 2010 begründete Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 26.06.2013 wirksam aufgehoben worden, § 307 Abs. 1 BGB. Ungeachtet dessen hat der Kläger den Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 angefochten. Er habe sich darüber geirrt, dass es nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu einem Wiederaufleben des zuvor existierenden Arbeitsverhältnisses kommen könne. Die Kündigung vom 16.02.2016 sei sozialwidrig. Die Beklagte habe inklusive Leiharbeitnehmern regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Im Februar 2014 seien es ca. 34 Arbeitnehmer gewesen und im Zeitraum bis Mai 2015 jedenfalls mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Leiharbeitnehmer seien mit allgemeinen Lagerarbeiten, der Lieferung und Abholung von Material bei Zulieferern, Botengängen, der Inventur, der Inbetriebnahme von Elektroinstallationen etc. in dem Einheitsbetrieb der Beklagten in K. beschäftigt gewesen. Die Beklagte bilde mit den Gesellschaften I. I. GmbH, K., I. mGmbH, K., b. V.gesellschaft mbH, B. B., I. P. Support GmbH, R.-V., B. Holding, B. B., L. Technik I. GmbH, K., E. E. N. mbH, B. B., H. GmbH, N., r..de S.V.T., W., R. GmbH, K., s. GmbH, K., einen Gesamtbetrieb. Dieser Gesamtbetrieb werde gesteuert von der Muttergesellschaft I. H. GmbH. Geschäftsführer dieser Gesellschaft seien der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Schm., sowie der Gesellschaftergeschäftsführer Herr Schn.. Herr Schm. sei nicht nur bei der Beklagten, sondern auch bei sämtlichen nachfolgenden Gesellschaften als Geschäftsführer berufen und Herr Schn. sei an den genannten Gesellschaften direkt oder indirekt beteiligt; eine Ausnahme bilde lediglich die I. GmbH. Diese Gesellschaften seien verteilt auf zwei Geschäftsadressen, nämlich auf den K. Weg 36 bis 38 in K. sowie die B. 4 in H.-U.. Alle Gesellschaften hätten einen gemeinsamen Internetauftritt und träten dort als Partnerunternehmen auf. Die Kündigung sei auch wegen Verstoßes gegen die Anzeigepflicht des § 17 KSchG unwirksam. Randnummer 10 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 11 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.02.2016 weder zum 31.03.2016 noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist, Randnummer 12 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 02.05.2016 zum Ablauf des 31.05.2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt endet, Randnummer 13 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, Randnummer 14 4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 gemäß Arbeitsvertrag vom 14.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. Randnummer 15 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Die Beklagte hat gemeint, Randnummer 18 dass das Kündigungsschutzgesetz mangels Erfüllung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht anwendbar sei. Das mit Wirkung ab 01.07.2010 begründete Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 zum 30.06.2013 wirksam beendet worden. Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages sei bereits verfristet und im Übrigen fehle es auch an einem Anfechtungsgrund. Der Kläger könne sich nicht auf einen Rechtsirrtum berufen. Ungeachtet dessen hätte das Arbeitsverhältnis ohnehin durch die Eigenkündigung des Klägers vom 23.04.2013 zum 15.11.2013 geendet. Nach der ausdrücklichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hätten die Parteien ausschließlich ein Geschäftsführer-Dienstverhältnis begründet. Der Kläger sei vom 01.07.2013 bis zum 30.11.2015 nicht als Arbeitnehmer, sondern als Geschäftsführer für sie, die Beklagte, tätig gewesen. Auf Einschränkungen der Vertretungsbefugnis des Klägers im Innenverhältnis komme es insoweit nicht an. Erst mit Wirkung zum 01.12.2015 hätten die Parteien wiederum ein Arbeitsverhältnis begründet. Die Tätigkeit als Geschäftsführer sei in die Wartezeit des § 1 KSchG nicht einzubeziehen. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht gegeben. Sie, die Beklagte, beschäftige nur neun Arbeitnehmer, wobei eine Arbeitnehmerin nur mit sechs Wochenstunden tätig sei. Im Betrieb würden auch nicht regelmäßig Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplätzen eingesetzt. Sie habe lediglich bei dem Umzug von K. nach H.-U. vorübergehend Leiharbeitnehmer beschäftig. Im Zeitpunkt der Kündigung habe sie überhaupt keine Leiharbeitnehmer beschäftigt. Randnummer 19 Sie, die Beklagte, bilde mit anderen Konzerngesellschaften jedenfalls im Kündigungszeitpunkt keinen Gemeinschaftsbetrieb. Von einem Gemeinschaftsbetrieb mit den vom Kläger benannten Gesellschaften könne nicht die Rede sein, insbesondere nicht mehr seit ihrem Umzug nach H.-U. im September/Oktober 2015. Es gebe keinen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck und auch keine einheitliche Leitung. Eine gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln finde zumindest seit dem Umzug der Beklagten nach H.-U. nicht statt. Im Übrigen sei die Kündigung betriebsbedingt begründet gewesen, da sie in Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses vom 10.02.2016 erfolgt sei. Randnummer 20 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.08.2016 die Klage insgesamt abgewiesen. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar, da das gekündigte Arbeitsverhältnis noch nicht sechs Monate bestanden habe, § 1 Abs. 1 KSchG. Das ursprünglich ab Juli 2010 begründete Arbeitsverhältnis hätten die Parteien mit Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013 wirksam zum 30.06.2013 beendet. Der Kläger habe den Aufhebungsvertrag nicht wirksam nach §§ 119 BGB angefochten, da er sich nur auf einen reinen Rechtsirrtum berufen habe. Gründe für die Anfechtung nach § 123 BGB habe er nicht vorgetragen. Ungeachtet dessen wäre das ursprüngliche Arbeitsverhältnis spätestens mit Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages konkludent beendet worden. Der Kläger sei ab dem 01.07.2013 im Rechtssinne Geschäftsführer und nicht Arbeitnehmer gewesen, sodass es nicht darauf ankomme, inwieweit sich das Rechtsverhältnis materiellrechtlich als Arbeitsverhältnis gestaltet habe. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass entgegen dieser ausdrücklichen Regelungen gleichwohl über den 30.06.2013 hinaus ein ruhendes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hätte. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem neuen Arbeitsvertrag vom 14.12.2015. Allein die Tatsache, dass die Beklagte im Kündigungsschreiben auf ein „seit dem Juli 2010 bestehendes Arbeitsverhältnis“ Bezug genommen habe, führe nicht dazu, dass entgegen der ausdrücklich entgegenstehenden Vereinbarungen von einem durchgängigen Arbeitsverhältnis auszugehen wäre. Das Kündigungsschutzgesetz finde aber auch deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb handele. Der Kläger habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte mit anderen konzernangehörigen Betrieben einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalte. Es fehle schon daran, dass die diversen konzernangehörigen Firmen nicht in einer Betriebsstätte vorhandene materielle und immaterielle Betriebsmittel zu einem einheitlichen Zweck zusammenfassen und gezielt einsetzen würden. Der Sitz der Beklagten sei in H.-U., die übrigen vom Kläger genannten Gesellschaften hätten ihre Betriebsstätten u. a. in K., B. B., R.-V., N., W. und K.. Da es sich bei der Beklagten mithin um einen Kleinbetrieb handele, finde § 17 KSchG mangels Betriebsgröße keine Anwendung. Randnummer 21 Gegen das ihm am 26.09.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.09.2016 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 27.12.2016 begründet. Randnummer 22 Der Kläger wiederholt und vertieft Randnummer 23 seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Betrieb der Beklagten sei nicht stillgelegt. Der Kläger bestreitet einen Stilllegungsbeschluss der Gesellschafterversammlung. Das gekündigte Arbeitsverhältnis unterliege sowohl dem persönlichen als auch dem betrieblichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Bei der Frage der Erfüllung der Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG habe das Arbeitsgericht fehlerhaft die Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer nicht mit einbezogen. Ein GmbH-Geschäftsführer könne dann Arbeitnehmer sein, wenn er von der GmbH „persönlich abhängig“, d. h. weisungsabhängig sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Er sei Fremdgeschäftsführer gewesen und habe selbstverantwortlich gerade nicht über Zeit, Ort und Art der Beschäftigung entscheiden können. Durch den Abschluss des Geschäftsführervertrages sei keine Verbesserung seiner Konditionen eingetreten. Die Auslegung des ersten Arbeitsvertrages und des Geschäftsführervertrages ergebe, dass das Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen sollte. Hiergegen spreche nicht der Aufhebungsvertrag vom 26.06.2013. Damit sollte der bereits erworbene Bestandsschutz gerade nicht aufgehoben werden. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 KSchG. Auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG seien gegeben. Neben den Arbeitnehmern beschäftige die Beklagte zur Deckung des regelmäßigen Personalbedarfs Leiharbeitnehmer. Dies habe das Arbeitsgericht gar nicht berücksichtigt. Ungeachtet dessen bilde die Beklagte einen Gemeinschaftsbetrieb mit anderen Betrieben desselben Konzernunternehmens, insbesondere mit der Muttergesellschaft, der I. H. GmbH, sowie der I. GmbH, der R. GmbH und der I. I. GmbH, allesamt mit Sitz in K., wo die Beklagte vor kurzem auch noch betriebsansässig gewesen sei. Der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern werde mithin bei weitem überschritten. Die Personalangelegenheiten und Buchhaltung der Beklagten würden unstreitig von Mitarbeitern der I. GmbH erledigt. Die Kündigung sei auch sozialwidrig, insbesondere habe die Beklagte unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsbetriebs keine Sozialauswahl durchgeführt. Die Kündigung sei aber auch treuwidrig gemäß § 242 BGB und verstoße gegen § 17 KSchG. Zudem sei er mit einem Grad von 40 schwerbehindert und habe am 24.02.2016 mündlich und am 22.03.2016 schriftlich einen Gleichstellungsantrag gestellt (Bl. 380 f. d. A.). Randnummer 24 Der Kläger hat zunächst beantragt, Randnummer 25 das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen. Randnummer 26 Die Beklagte verteidigt Randnummer 27 unter Aufrechterhaltung ihres Sach- und Rechtsvortrags in erster Instanz das angefochtene Urteil. Randnummer 28 Mit gerichtlicher Verfügung vom 28.03.2017 hat das Berufungsgericht den Parteien einen Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 ZPO unterbreitet, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2016 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000,00 € sowie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und folgende Ausschlussklausel beinhaltete: Randnummer 29 „Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten.“ Randnummer 30 Diesem Vergleichsvorschlag hat die Beklagte „aus prozessökonomischen Gründen“ mit Schriftsatz vom 29.03.2017 zugestimmt. Mit E-Mail vom 29.03.2017 teilte der Geschäftsführer der Beklagten seinem Prozessvertreter sodann mit, dass er das Zeugnis auf „sehr gut“ umstellen und dem Kläger auch das erbetene Empfehlungsschreiben erteilen könne, aber nur, wenn es bei der Generalquittung verbleibe (Bl. 465 d. A.) Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 03.04.2017 mitgeteilt, dass sich die Parteien noch in Vergleichsverhandlungen befänden. Randnummer 31 Mit Schreiben vom 29.03.2017 teilte der Klägervertreter der Beklagten u. a. Folgendes mit (Bl. 429 f. d. A.): Randnummer 32 „Aus grundsätzlichen Erwägungen des Unterzeichners, insbesondere möglicher Haftungsansprüche, kann ich unserem Mandaten zudem nicht empfehlen, die Generalquittung in Ziffer 4. so zu akzeptieren. Ich kann nicht überblicken, ob noch weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Sämtliche Ansprüche aus und in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Ansprüchen und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können jedoch als mit der Abfindungszahlung abgegolten bzw. erledigt gelten.“ Randnummer 33 Mit E-Mail vom 04.04.2017 übersandte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter die korrigierten Passagen des gerichtlichen Vergleichstexts einschließlich des Empfehlungsschreibens mit der Bitte, den gesamten Vergleichstext nebst Anlage zurückzusenden, damit ein übereinstimmender Vergleichsvorschlag bei Gericht eingereicht werden könne (Bl. 439 d. A.). Der Klägervertreter kam dieser Bitte umgehend mit E-Mail vom 04.04.2017 nach und teilte mit, dass er den Vergleichstext sogleich an das Gericht faxen werde (Bl. 439 d. A.). Randnummer 34 Mit Telefax-Schriftsatz vom 04.04.2017, 17:38 Uhr, hat die Beklagte mitgeteilt, dass sich die „Parteien zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten“ auf folgenden Vergleichstext geeinigt hätten: Randnummer 35 „1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Kündigung der Beklagten aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2016 endete. Randnummer 36 2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto analog §§ 9, 10 KSchG. Randnummer 37 3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013 zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wird der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegen. Die Beklagte verpflichtet sich, von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe abzuweichen. Zudem verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das als Anlage (Bl. 411 d. A.) diesem Vergleich beigefügte Empfehlungsschreiben zu erteilen. Randnummer 38 4. Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten. Randnummer 39 5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.“ Randnummer 40 Mit Telefax-Schriftsatz vom 05.04.2017, 10:32 Uhr, hat auch der Kläger bestätigt, dass sich die Parteien „zur Erledigung und Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche … aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung“ auf den vorstehenden Vergleich geeinigt hätten. Ebenfalls mit Telefax-Schreiben vom 05.04.2017, 11:30 Uhr, hat die Beklagte Folgendes mitgeteilt: Randnummer 41 „Es bestand Einvernehmen zwischen den Parteien, dass der Vergleich zur Erledigung sämtlicher Ansprüche geschlossen werden soll. Insoweit bitte ich um eine Klarstellung in Ziffer 4 des Vergleichs, wo von der Erledigung aller gegenseitigen Ansprüche der Parteien ‚aus ihrem Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung‘ gesprochen wird. Da die Parteien mehrere Anstellungsverhältnisse miteinander verband, ist klarzustellen, dass alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien ‚aus ihren Anstellungsverhältnissen - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten sind.‘“ Randnummer 42 Nach Eingang der Bestätigung des Klägers vom 05.04.2017 hat die Vorsitzende die Aufhebung des Berufungstermins vom 06.04.2017 veranlasst, noch bevor das Telefax des Beklagtenvertreters vom 05.04.2017 eingegangen war. Den Feststellungsbeschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO hat sie vorbereiten lassen, aber noch nicht unterzeichnet, da das Original des dem Feststellungsbeschluss beizufügenden Empfehlungsschreibens noch nicht da war. Mit Verfügung vom 06.04.2017 hat die Vorsitzende die Parteien darauf hingewiesen, dass der Rechtsstreit nicht durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO erledigt sei, da die Parteien im Hinblick auf die Ausgleichsklausel in Ziffer 4 keine Einigung erzielt hätten. Randnummer 43 Der Kläger meint, Randnummer 44 das Gericht habe die Erledigung des Rechtsstreits durch Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 festzustellen. Die Beklagte habe bereits dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag mit gleicher Erledigungsklausel uneingeschränkt zugestimmt. Ziff. 4 des gerichtlichen Vergleichsvorschlags sei identisch mit Ziff. 4 des von den Parteien übereinstimmend mitgeteilten Vergleichs. Auch in der außergerichtlichen Korrespondenz sei es immer nur um die Ansprüche aus dem (letzten) Arbeitsverhältnis gegangen. Zudem habe der Beklagtenvertreter in einem Telefonat vom 29.03.2017 telefonisch mitteilt, dass man mit den Änderungswünschen des Klägers zwar grundsätzlich einverstanden sei, die vom Gericht vorgeschlagene Ausgleichsklausel indessen unverändert bleiben müsse. Beide Parteien hätten dem Gericht dann den wortidentischen Vergleichstext mit der Bitte, nach § 278 Abs. 6 ZPO zu verfahren, unterbreitet. Die Ziff. 4 des Vergleichstextes sei eindeutig und beziehe sich nicht auf das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis. Ein Dissens liege nicht vor. Ein verfahrensbeendender Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO sei demnach zustande gekommen. Das Gericht stelle das erfolgte Zustandekommen nur noch gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO fest. Der Beschluss des erkennenden Gerichts über das Zustandekommen des Vergleichs habe lediglich deklaratorischen Charakter. Hilfsweise beruft sich der Kläger darauf, dass sich die Parteien auf den am 04.05.2017 übereinstimmend mitgeteilten Vergleich außergerichtlich bereits geeinigt hätten, sodass ihm Ansprüche auf Erfüllung aus dem Vergleich zustünden. Die Leistungsklage sei vorrangig gegenüber der Feststellungsklage. Sollte das Gericht auch diesem Hilfsantrag nicht stattgeben, sei das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und der Klage mit den erstinstanzlich gestellten Anträgen stattzugeben. Randnummer 45 Der Kläger beantragt zuletzt, Randnummer 46 I. das Zustandekommen des nachfolgenden Vergleichs der Parteien durch gerichtlichen Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festzustellen: Randnummer 47 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Kündigung der Beklagten aus dringenden betriebsbedingten Gründen zum 30.04.2016 endete. Randnummer 48 2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto, analog §§ 9, 10 KSchG. Randnummer 49 3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013, zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wird der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegen. Die Beklagte verpflichtet sich, von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe abzuweichen. Zudem verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das als Anlage diesem Vergleich beigefügte Empfehlungsschreiben zu erteilen. Randnummer 50 4. Damit sind dieser Rechtsstreit als auch alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus ihrem mit Wirkung ab dem 01.12.2015 begründeten Arbeitsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung - gleich aus welchem Rechtsgrund - erledigt bzw. abgegolten. Etwaige Ansprüche der Parteien aus ihrem vorherigen Geschäftsführeranstellungsverhältnis sowie dem zum 30.06.2013 bereits beendeten Arbeitsverhältnis bleiben hiervon unberührt. Randnummer 51 5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil. Randnummer 52 Anlage zum Vergleich Randnummer 53 „Empfehlung Randnummer 54 Sehr geehrter Herr W., Randnummer 55 ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich noch einmal recht herzlich für Ihr außerordentliches Engagement während unserer gemeinsam durchgeführten Führung der M.-E. GmbH zu bedanken. Durch Ihren Einsatz ist es gelungen, die Firma wieder in eine funktionierende und erfolgsversprechende Gesellschaft umzugestalten. Randnummer 56 Sie haben die äußerst schwierige Aufgabe der Neustrukturierung übernommen und die Mitarbeiter aller Betriebsteile und Disziplinen zu einem Team verschmolzen. Bemerkenswert war, mit welcher Leichtigkeit und Integrität Sie dort erfolgreich waren, wo andere vor Ihnen gescheitert sind. Dass Sie planerisches Geschick und großes Organisationstalent besitzen, dass Sie effizient, eigenständig, termingerecht und kostenbewusst arbeiten, kann ich hier noch einmal bestätigen. Sie genießen für Ihre Leistungen die Anerkennung und den Respekt aller Kollegen. Ihr technisches Fachwissen und Ihre Kompetenz werden von unseren Kunden und Ihren Mitarbeitern geschätzt. Randnummer 57 Dass der Gesellschafter beschlossen hat, den Geschäftsbetrieb einzustellen, bedaure ich sehr, da ich Sie dadurch als langjährigen Kollegen verliere. Ich hoffe, dass ich zukünftig die Gelegenheit erhalte, wieder mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Randnummer 58 Ich bedanke mich für die stets partnerschaftliche und nette Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für Ihre private und geschäftliche Zukunft alles erdenklich Gute. Randnummer 59 Mit freundlichen Grüßen" Randnummer 60 II. hilfsweise, Randnummer 61 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 € brutto analog §§ 9, 10 KSchG zu zahlen. Randnummer 62 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollendes und qualifiziertes Zeugnis mit der Note "sehr gut" sowohl in Leistungs- als auch Sozialbeurteilung endend mit einer Dankes- und Bedauernsklausel und besten Wünschen für die private und berufliche Zukunft, jeweils für das Arbeitsverhältnis vom 01.07.2010 bis 30.06.2013 zunächst als Leiter Service und ab Januar 2012 als Leiter Konstruktion und Vertrieb, für das Geschäftsführerverhältnis vom 01.07.2013 bis 30.11.2015 und für das sich anschließende Arbeitsverhältnis vom 01.12.2015 bis 30.04.2016 als Leiter Konstruktion und Leiter Technik und zwar jeweils unter dem Ausstellungsdatum des jeweils letzten Tages des betreffenden Arbeitsverhältnisses zu erteilen, wobei der Kläger der Beklagten die von ihm vorformulierten drei Zeugnisse vorlegt und die Beklagte von dem Text nur bei Vorliegen wichtiger Gründe berechtigt ist abzuweichen. Randnummer 63 3. die Beklagte zu verurteilen, unter ihrem Briefkopf und dem Ausstellungsdatum 30.04.2016 das nachfolgende Empfehlungsschreiben zu erteilen: Randnummer 64 „Empfehlung Randnummer 65 Sehr geehrter Herr W., Randnummer 66 ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich noch einmal recht herzlich für Ihr außerordentliches Engagement während unserer gemeinsam durchgeführten Führung der M.-E. GmbH zu bedanken. Durch Ihren Einsatz ist es gelungen, die Firma wieder in eine funktionierende und erfolgsversprechende Gesellschaft umzugestalten. Randnummer 67 Sie haben die äußerst schwierige Aufgabe der Neustrukturierung übernommen und die Mitarbeiter aller Betriebsteile und Disziplinen zu einem Team verschmolzen. Bemerkenswert war, mit welcher Leichtigkeit und Integrität Sie dort erfolgreich waren, wo andere vor Ihnen gescheitert sind. Dass Sie planerisches Geschick und großes Organisationstalent besitzen, dass Sie effizient, eigenständig, termingerecht und kostenbewusst arbeiten, kann ich hier noch einmal bestätigen. Sie genießen für Ihre Leistungen die Anerkennung und den Respekt aller Kollegen. Ihr technisches Fachwissen und Ihre Kompetenz werden von unseren Kunden und Ihren Mitarbeitern geschätzt. Randnummer 68 Dass der Gesellschafter beschlossen hat, den Geschäftsbetrieb einzustellen, bedaure ich sehr, da ich Sie dadurch als langjährigen Kollegen verliere. Ich hoffe, dass ich zukünftig die Gelegenheit erhalte, wieder mit Ihnen zusammenarbeiten zu dürfen. Randnummer 69 Ich bedanke mich für die stets partnerschaftliche und nette Zusammenarbeit und wünsche Ihnen für Ihre private und geschäftliche Zukunft alles erdenklich Gute. Randnummer 70 Mit freundlichen Grüßen" Randnummer 71 III. hilfshilfsweise Randnummer 72 das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16, abzuändern und Randnummer 73 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.02.2016 weder zum 31.03.2016 noch zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst worden ist, Randnummer 74 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 02.05.2016 zum Ablauf des 31.05.2016 oder zu einem späteren Zeitpunkt endet, Randnummer 75 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, Randnummer 76 4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 gemäß Arbeitsvertrag vom 14.12.2015 als Leiter Konstruktion und Technik bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen. Randnummer 77 Die Beklagte beantragt, Randnummer 78 die Berufung insgesamt zurückzuweisen. Randnummer 79 Die Beklagte trägt vor, Randnummer 80 dass sie bei den infolge des vom Kläger abgelehnten gerichtlichen Vergleichsvorschlags aufgenommenen Vergleichsverhandlungen nur bereit gewesen sei, einer verbesserten Zeugnisregelung und einem Empfehlungsschreiben zuzustimmen, wenn dadurch sämtliche Ansprüche der Parteien, also auch die vom Kläger im Verlauf des arbeitsgerichtlichen Verfahrens angesprochenen vermeintlichen Bonus- und Tantiemeansprüche erledigt seien. Dem habe der Kläger letztlich mit Anwaltsschreiben vom 04.04.2017 zugestimmt. Dementsprechend habe sie den Vergleichsvorschlag gemäß § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO „zur Erledigung sämtlicher Streitigkeiten“ mit Schriftsatz vom 04.04.2017 eingereicht. Die Parteien hätten sich mithin nicht auf den vom Kläger gewünschten Vergleich geeinigt, vorsorglich ficht die Beklagte einen dahingehend geschlossenen Vergleich an. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Randnummer 81 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 13.07.2017 verwiesen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 31.08.2016, Az. 3 Ca 262 a/16, wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Bescheids. 2 Der Kläger bezog bis zum 24.09.2004 Arbeitslosengeld. Am 07.10.2004 beantragte er Arbeitslosenhilfe. Er legte Kontoauszüge, Bankbescheinigungen und Versicherungsunterlagen über sein Vermögen vor. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.10.2004 ab. Sie führte aus, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen mit einem Wert von EUR 12.379,55. Dieses übersteige den Freibetrag von EUR 5.600,00 um EUR 6779,55. Es fehle daher an der Bedürftigkeit. 3 Mit Schreiben vom 23.01.2009, bei der Beklagten am 09.02.2009 eingegangen, beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 26.10.2004. Er trug vor, insbesondere die Verwertung des Bausparvertrags sei unwirtschaftlich gewesen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.04.2009, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 28.04.2009, ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 02.10.2009 ab (S 5 AL 1982/09). Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 25.06.2010 zurück (L 8 AL 4639/09). Es führte aus, der Überprüfungsantrag des Klägers habe zu Recht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt werden dürfen. Bei Stellung des Überprüfungsantrags sei die Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bereits abgelaufen gewesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer solchen Ausschlussfrist scheide aus. 4 Zwei Wochen später, am 09.07.2010, beantragte der Kläger per e-mail bei der Beklagten die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004. Er führte aus, der Bescheid leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Beklagte habe bei seinem Erlass wesentliche Vorschriften über das Verfahren nicht beachtet, insbesondere § 16 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und §§ 8, 20 und 21 SGB X. Deshalb habe sie zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht. Mit Schreiben vom 19.07.2010 verwies die Beklagte auf das Urteil des LSG vom „01.07.2010“ (gemeint: 25.06.2010) und führte aus, sie werde nichts Weiteres veranlassen. 5 Am 26.07.2010 hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 5 AL 3106/10). Er hat beantragt, die Nichtigkeit des Bescheids vom 26.10.2004 festzustellen. Der Bescheid verstoße insbesondere gegen die guten Sitten. Der Kläger hat erneut vorgetragen, die Verwertung des damaligen Vermögens sei unwirtschaftlich bzw. unzumutbar gewesen. 6 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei nicht nichtig. Selbst wenn er nichtig wäre, so hätte er aber das damalige Verwaltungsverfahren beendet und damit die Verjährung etwaiger Leistungsansprüche wieder beginnen lassen. Ansprüche des Klägers aus dem Jahre 2004 seien daher inzwischen verjährt. Insofern stelle sich auch die Frage nach einem besonderen Feststellungsinteresse des Klägers. 7 Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Sie sei unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2004 sei nicht nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege nicht vor. Die vom Kläger behaupteten Verfahrensverstöße hätten keine Sitten-, sondern allenfalls Rechtswidrigkeit begründet. Auch leide der Bescheid nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler. Die Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosenhilfe mit der Begründung, das anzurechnende Vermögen übersteige die Freibetragsgrenze, sei ohne Weiteres mit der damaligen gesetzlichen Regelung in § 193 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und erst recht mit wesentlichen Wertvorstellungen der Rechtsordnung zu vereinbaren. Der Kläger trage hierzu ersichtlich nur vor, die Beklagte habe den Sachverhalt seinerzeit unzureichend aufgeklärt. Das Ausmaß der erforderlichen Ermittlungen sei indes abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Stütze sich eine Behörde wie hier die Beklagte ausschließlich auf die vom Antragsteller selbst vorgelegten Unterlagen, so könne dies als Entscheidungsgrundlage durchaus genügen. Selbst wenn eine Behörde im Einzelfall erforderliche weitere Ermittlungen unterlasse, ergebe sich daraus nicht die Nichtigkeit ihrer Entscheidung. 8 Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 20.11.2010 zugestellt wurde, hat der Kläger am 20.12.2010 Berufung zum LSG eingelegt. Er trägt vor, er verfüge über ein besonderes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids. Die Beklagte könne sich nach Treu und Glauben nicht auf Verjährung berufen. Weiterhin seien von ihm erbetene Auskünfte durch die Beklagte nach wie vor nicht erteilt worden. 9 Der Kläger beantragt, 10 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2004 nichtig ist. 11 Die Beklagte beantragt, 12 die Berufung zurückzuweisen. 13 Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid. 14 Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 15. Senat
Berlin
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30.09.2015
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Randnummer 1 Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen einen Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin, soweit darin Ausfallwagnis und Unternehmergewinn der Beklagten (zusammengefasst) für den Zeitraum vom 31. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 auf einen Wert von 4,7 % auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten) festgesetzt wurden, sowie gegen den Gebühren-Beschluss der Schiedsstelle. Randnummer 2 Die Beklagte betreibt in Berlin derzeit ca. 60 Einrichtungen des ambulanten betreuten Einzelwohnens für behinderte Menschen. Am 05. Dezember 2013 schloss sie mit dem Kläger eine Vereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 für den Leistungstyp: Betreutes Einzelwohnen für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung (BEWER). Die Vereinbarung beinhaltete eine Leistungsvereinbarung, eine Prüfungsvereinbarung sowie eine weitergeltende Vergütungsvereinbarung. Die prospektiv angestrebte Kapazität der zu betreuenden Personen (Plätze) betrug nach Punkt 3 der Leistungsvereinbarung im Vertragszeitraum 90. Unter Punkt III. regelten die Vertragsschließenden, dass die bis einschließlich 31. Dezember 2013 vereinbarte Vergütungsvereinbarung bis zu einer Neuregelung unverändert weiter gelten solle. Die Vergütung betrug zum 31. Dezember 2013 pro Fachleistungsstunde 37,89 Euro. Bezüglich der Prüfungsvereinbarung wurde festgelegt, dass diesbezüglich die gesetzlichen Regelungen nach den §§ 75 ff. SGB XII sowie der Berliner Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für Hilfen in Einrichtungen einschließlich Diensten im Bereich Soziales (BRV) in der jeweils geltenden Fassung gelten sollten. Randnummer 3 Am 18. Dezember 2013 forderte die Beklagte den Kläger zu Vergütungsverhandlungen für den Leistungstyp BEWER für den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 auf. Die Entwicklung der Vergütung beim Leistungstyp BEWER sei in den letzten Jahren dadurch gekennzeichnet, dass die gegenwärtig vereinbarte Vergütung von den Anforderungen an eine leistungsgerechte Vergütung weit entfernt sei. Dies habe seine Ursachen wesentlich in der Struktur des Entgeltes bzw. in der Methode der Ermittlung bei den Vergütungsbestandteilen, die sich nicht auf die Personalkosten für die in der Betreuung tätigen Mitarbeiter bezögen. Anbieter von insgesamt ca. 1.700 BEWER-Plätzen in Berlin hätten sich in den vergangenen Monaten im Rahmen eines Benchmarks ausgetauscht. In diesem Austausch hätten sie eine mögliche Struktur für eine künftige Entgeltberechnung entwickelt. Diese Struktur sei in drei Bestandteile gegliedert, und zwar Personalkosten, Personalkosten als Leitungskosten sowie Sachkosten. Die Klägerin errechnete eine Maßnahmepauschale für 2014 in Höhe von 49,77 Euro. Dabei legte sie zugrunde, dass sich die Personalkosten in 2013 um 7,10% und in 2014 um 3,48% gegenüber 2013 gesteigert hätten. Es wurde eine Leitung pro 40 Klienten angesetzt. Das Ausfallwagnis wurde mit 7% angenommen. Aufgrund der bestehenden Gegebenheiten (beispielsweise Klient sei nicht anwesend oder bereit, die vereinbarte/zustehende Betreuung anzunehmen) sei die Berücksichtigung eines Ausfallwagnisses für das pädagogische Personal zwingend notwendig. Empirische Erfahrungswerte der Träger führten zu einem realistischen Ausfallwagnis von 7%. Randnummer 4 Da keine Einigung erfolgte, stellte die Beklagte mit Schreiben vom 31. Januar 2014 bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin einen Antrag auf Entscheidung. Sie begehrte die Festlegung eines Gesamtentgeltes von 49,77 Euro pro Betreuungsstunde mit Wirkung ab dem 31. Januar 2014, hilfsweise ab Zugang des Schiedsstellenantrags bei der Schiedsstelle. Randnummer 5 Während des laufenden Schiedsstellenverfahrens bot der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 08. April 2014 den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung an. Er war bereit, eine Maßnahmepauschale von 43,20 Euro pro Betreuungsstunde zu zahlen. Diese setzte sich zusammen aus 34,31 Euro Betreuungskosten je Stunde und 8,89 Euro sonstiger Kosten je Stunde. Die sonstigen Kosten sollten sich nach dem Angebot des Beklagten zusammensetzen aus der Sachkostenpauschale in Höhe von 5,48 Euro zzgl. eines Anteils der Sachkosten für eine Leitungskraft in Höhe von 3,22 Euro und eines Betrages für die Supervision von 0,19 Euro. Ein Wagniszuschlag war nicht vorgesehen. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass die für den Leistungstyp BEWER sich ergebende neue Maßnahmepauschale im externen Vergleich die oberste der bisher vereinbarten Maßnahmepauschalen darstelle und daher auch gemäß Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Januar 2009 eine Berücksichtigung eines Wagniszuschlages nicht mehr angemessen sei. Randnummer 6 Die Beklagte hat im Schiedsstellenverfahren vorgetragen, sie habe auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG in die Entgeltsatzkalkulation ein Ausfallwagnis in Höhe von 7% sowie einen (fiktiven) prospektiven Unternehmergewinn in Höhe von 2,5% eingestellt. Das Ausfallwagnis berücksichtige Ausfälle von Vergütungen von Leistungen, die durch die Antragstellerin jedoch vorgehalten würden. Die Risiken des Ausfalls seien seit dem Jahr 1995 nicht gesunken, sondern nähmen - im Gegenteil – eher zu, so dass die beantragten 7% als Ausfallwagnis zu berücksichtigen seien. Zur Höhe des einzustellenden Ausfallwagnisses habe die Antragstellerin die entsprechenden Positionen in der Vergangenheit erhoben sowie hinsichtlich des (fiktiven) prospektiven Unternehmergewinns eine entsprechende Abschätzung angestellt. Randnummer 7 Die Tatsache, dass ein Unternehmergewinn bei der Berechnung des Entgelts zu berücksichtigen sei, sei zwischen den Beteiligten nicht streitig. Im Streit stünde die Höhe des einzubeziehenden Gewinns. Bei der Beklagten habe der Kläger jedoch den Unternehmergewinn mit 0,00% bewertet, so dass eine Berücksichtigung des Gewinns faktisch nicht stattgefunden habe. Randnummer 8 Die Beklagte beantragte, die Schiedsstelle solle (u.a.) hinsichtlich des Ausfallwagnisses ein Sachverständigengutachten einholen. Randnummer 9 Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 04. August 2014 den Antrag der Beklagten auf höhere Vergütung zurückzuweisen und als Vergütung einen Betrag von 43,20 Euro pro Stunde festzusetzen. Die Beklagte mache ein Ausfallwagnis von 7% sowie zusätzlich einen fiktiven Unternehmergewinn von 2,5% geltend. Bezüglich der Ermittlungen dieses Wertes und seiner Herleitung habe die Beklagte keinerlei Unterlagen oder Berechnungen zur Begründung des Ausfallwagnisses vorgelegt. Weiter entspreche der geforderte Aufschlag zum Ausgleich des Ausfallwagnisses nicht dem ertragsrelevanten Ausfall, da ausgefallene Termine zu einem Teil später nachgeholt werden könnten. Welcher finanzielle Schaden der Beklagten durch die kurzfristige Absage von Terminen entstehe, sei in keiner Weise plausibel dargelegt worden. Randnummer 10 Gemäß Urteil des BSG vom 29. Januar 2009 sei eine Vergütung erst dann leistungsgerecht, wenn sie auch eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos beinhalte. Die grundsätzliche Berücksichtigung eines Aufschlages für das Unternehmerrisiko als Möglichkeit zur Gewinnerzielung sei deshalb zwischen den Beteiligten nicht streitig. Die Vergütung müsse jedoch auch den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und – im SGB XII zusätzlich – der Sparsamkeit genügen. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einer Vergütungsforderung sei ihre Position am Markt. Sofern ein Leistungserbringer eine Vergütung fordere, die im unteren Drittel des externen Vergleiches liege, halte der Kläger ebenfalls einen Zuschlag von 2,5% zur Vergütung des Unternehmerrisikos für angemessen. Die angebotene Vergütung ohne Risikozuschlag von 43,20 Euro liege an der Spitze des oberen Drittels des externen Vergleichs. Entsprechend der an einen Markt angelehnten Vergütungssystematik des SGB XII müsse der Zuschlag deshalb geringer ausfallen. In einem analogen Fall habe die Schiedsstelle nach § 76 SGB XI des Landes Berlin am 27. August 2012 entsprechend entschieden und der – aufgrund ihrer tarifbedingt hohen Personalkosten - teuersten Einrichtung am Markt keinen Risikozuschlag mehr zugebilligt. Randnummer 11 Die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens sehe der Kläger nicht. Das Bundesverwaltungsgericht weise der Schiedsstelle als Expertengremium die Einschätzungsprärogative zu (Hinweis auf das Urteil vom 01. Dezember 1998, Az.: 5 C 17.97). Randnummer 12 Mit Schriftsatz vom 06. August 2014 schlug der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Schiedsstelle vor, angesichts der Gleichförmigkeit von neun anhängigen Schiedsstellenverfahren zunächst vier exemplarisch anzuberaumen und gemeinsam zu verhandeln und ggfs. zu verbinden. Randnummer 13 Mit Schriftsatz vom 21. August 2014 erwiderte der Kläger, dass er den Vorschlag der Beklagten, angesichts der Gleichförmigkeit der Verfahren zunächst vier Verfahren themenbezogen zu verhandeln, für zulässig halte. Bezüglich des Vorschlags, die Verfahren gemeinsam zu verhandeln, äußerte er sich nicht, führte jedoch aus, dass eine Verbindung der Verfahren aus seiner Sicht nicht in Betracht komme, da die Schiedsstelle je Einrichtung eine Entscheidung zu treffen habe, die zu einem Entgeltbetrag führe, der individuell festgesetzt werde. Dabei seien die konkreten Sachverhalte der jeweiligen Einrichtung zu würdigen. Randnummer 14 In der Niederschrift zur nichtöffentlichen Sitzung der Schiedsstelle vom 25. September 2014 ist festgehalten, dass „auf Anregung der Schiedsstelle und mit Zustimmung der Parteien“ die Verfahren 1/14, 3/14, 7/14 und 8/14 zusammen verhandelt wurden. Randnummer 15 Mit Beschluss vom 25. September 2014 hat die Schiedsstelle die Sachkosten auf 6,50 Euro und die Entgeltbestandteile „Ausfallwagnis und Unternehmergewinn“ (zusammengefasst) auf einen Wert von 4,7% Aufschlag auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten) festgesetzt, und zwar für den Zeitraum vom 31. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014. In den Gründen hat die Schiedsstelle ausgeführt, dass über die Anteile für die Vergütung für Personalaufwendungen (einschließlich Leitung und Verwaltung) zwischen den Beteiligten habe Einigkeit erzielt werden können, streitig geblieben seien die geltend gemachten Vergütungsanteile für Sachkosten, Ausfallwagnis und Unternehmergewinn. Hinsichtlich des Ausfallwagnisses und des Unternehmergewinns sei sie nach längerer Beratung zu dem Ergebnis gelangt, dass die geltend gemachten Vergütungsbestandteile für Ausfallwagnisse und Unternehmergewinn durch einen pauschalen Zuschlag zu erfassen seien. Weder ein Ausfallwagnis noch ein Unternehmergewinn ließen sich exakt rechnerisch ermitteln bzw. kalkulieren. Ein Ausfallwagnis hänge von vielen Unwägbarkeiten ab, die jedenfalls zu einem Teil auch wiederum durch den Leistungserbringer auszugleichen seien. Ein gewisses Wagnis werde indes unabweisbar sein. Dies habe die Schiedsstelle berücksichtigt. Randnummer 16 Ein Unternehmergewinn sei ebenfalls nicht mit einer bestimmten Zahl festzulegen, zumal die (Gesamt-)Vergütung, die am Ende zu bewerten sei, ohnehin dem externen Vergleich standhalten müsse. Zudem sei ein Unternehmergewinn bereits – jedenfalls zu einem Teil – durch den Divisor berücksichtigt. Daher halte es die Schiedsstelle auch insoweit für angezeigt, einen pauschalen Zuschlag anzusetzen. Die Beklagte habe ebenso wenig genau angeben können, wie sich ihre Vergütungsangebote insoweit errechneten. Sie habe gleichfalls nach Pauschalen gegriffen. Randnummer 17 Die Schiedsstelle habe ihr Ermessen und ihre Einschätzungsprärogative nutzbar gemacht und nach allen Seiten hin die Argumente der Vertragsparteien gegeneinander abgewogen. Die Schiedsstelle habe beide streitigen Vergütungsbestandteile im Grundsatz für berücksichtigungsfähig gesehen. Die Höhe des Aufschlags sei lediglich zu schätzen. Insgesamt halte die Schiedsstelle einen Aufschlag von 4,7% für angemessen. Dem Verfahrensantrag, ein Sachverständigengutachten einzuholen, sei die Schiedsstelle nicht gefolgt. Die anstehenden Fragen, die einer wertenden und von einer Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle geprägten Beurteilung unterlägen, eigneten sich grundsätzlich nicht für ein Sachverständigengutachten. Randnummer 18 Gegen den ihm am 22. Oktober 2014 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 21. November 2014 Klage bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhoben. Er wendet sich gegen die Festsetzung der Entgeltbestandteile „Ausfallwagnis“ und „Unternehmergewinn“. Die Entscheidung der Schiedsstelle sei unter Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze zustande gekommen. Der Kläger habe mit jedem Dienst eine gesonderte Vergütungsvereinbarung abzuschließen, wodurch auch getrennte Schiedsverfahren durchzuführen seien (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009, Az.: B 3 P 3/08 R). Die Anpassung der Vergütungsvereinbarung sei dabei für jeden Dienst nach den konkreten einrichtungsspezifischen Gegebenheiten vorzunehmen, so dass die Schiedssprüche im Einzelfall unterschiedlich ausfallen könnten. Die Schiedsstelle habe dagegen in einer mündlichen Verhandlung am 25. September 2014 sowohl über das hier streitige Verfahren als auch über drei weitere Schiedsverfahren gemeinsam verhandelt. Der Kläger habe einer gemeinsamen Verhandlungsführung mit Stellungnahme vom 21. August 2014 widersprochen, ohne dass die Schiedsstelle auf diesen Widerspruch eingegangen sei. Durch die gemeinsame Verhandlung hätten den drei Vertreter/innen des Klägers insgesamt 13 Vertreter/innen der vier verschiedenen Einrichtungsträger gegenüber gestanden. Damit seien die Träger mit mehr Personen vertreten gewesen, als beim Kläger insgesamt für den Bereich der SGB XII-Verträge für 1038 Einrichtungen beschäftigt seien. Eine Ermittlung des einrichtungsspezifischen Sachverhalts durch die Schiedsstelle in einem fairen und willkürfreien Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs sei schon unter diesem Aspekt nicht gewährleistet. Die gemeinsame Verhandlung habe zudem zur Folge gehabt, dass die Schiedsstelle in der angegriffenen Entscheidung nur die Aspekte aus den gesamten Sachverhaltsvorträgen der vier beteiligten Einrichtungsträger berücksichtigt habe, welche für die Beklagte am günstigsten gewesen seien. So sei zum Beispiel die Problematik des Ausfallwagnisses ausschließlich anhand der Ausführungen des Einrichtungsträgers „D e. V.“ erörtert worden. Die Ergebnisse dieser Erörterung seien ohne einzelfallspezifische Prüfung auf die Beklagte übertragen worden. Randnummer 19 Die Schiedsstelle habe ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht genüge getan. Sie habe es insbesondere versäumt, die Tatsachen bezüglich der strittigen Sachverhalte zum konkret betroffenen Dienst der Beklagten zu ermitteln. Randnummer 20 Der Entscheidungsbegründung lasse sich zudem nicht entnehmen, auf welchen Annahmen die Festsetzung der Vergütungsbestandteile für Ausfallwagnisse und Unternehmergewinn beruhten. Ein Schiedsspruch müsse jedoch nach der Rechtsprechung des BSG auf Nachvollziehbarkeit unter Beachtung der allgemeinen Beweisgrundsätze überprüfbar sein (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 14. Dezember 2009, Az.: B 3 P 19/00 R). Randnummer 21 Die Entscheidung der Schiedsstelle sei darüber hinaus materiell-rechtlich rechtswidrig, weil die Schiedsstelle nicht alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen und die Entscheidung nicht an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts vorgenommen habe. Randnummer 22 Der Kläger beantragt, Randnummer 23 die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Berlin vom 25. September 2014 aufzuheben, soweit darin die Entgeltbestandteile „Ausfallwagnis“ und „Unternehmergewinn“ zusammengefasst und auf einen Wert von 4,7% Aufschlag auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten) festgesetzt worden sind, Randnummer 24 sowie den Gebühren-Beschluss der Schiedsstelle (ohne Datum) aufzuheben. Randnummer 25 Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 26 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Randnummer 27 Die die Beklagte betreffenden Verwaltungsakten des Klägers sowie die Akten der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin (Az.: 8/14) haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin vom 25. September 2014 wird aufgehoben, soweit darin die Entgeltbestandteile „Ausfallwagnis“ und „Unternehmensgewinn“ zusammengefasst und auf einen Wert von 4,7% Aufschlag auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten) festgesetzt worden sind. Der Gebühren-Beschluss der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin (ohne Datum) wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Hamburg 4. Kammer
Hamburg
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24.06.2010
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und gegen den Entzug seines Jagdscheins sowie die damit verbundenen Maßnahmen. Randnummer 2 Der Kläger war Inhaber der folgenden waffenrechtlichen Erlaubnisse: Randnummer 3 - Waffenbesitzkarte Nr. 2975 vom 23.10.1979 - Waffenbesitzkarte Nr. 8/94/2 vom 13.2.1995 - Waffenbesitzkarte Nr. 60/96 vom 7.10.1996 - Waffenbesitzkarte Nr. 5/98 vom 10.2.1998 - Waffenbesitzkarte Nr. 139/99 vom 4.6.1999 - Waffenbesitzkarte Nr. 138/03 vom 16.10.2003 - Amtliche Eintragungen zwecks gemeinsamer Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen, in den Herrn B ausgestellten Waffenbesitzkarten Nr. 556-1/04, 556-2/04, 556-3/04 und 556-4/04 vom 28.9.2004 Randnummer 4 Der Kläger war bis zum 14. November 2008 im Besitz der folgenden Waffen: Randnummer 5 1. Einzelladerbüchse, Kaliber 6,5 x 55, Carl Gustav Nr. 112947 2. Einzelladerflinte, Kaliber 12/76, Marlin, Nr. 1073470 3. Repetierer, Kaliber 9,3 x 64, Mauser, Nr. G 23194 4. Drilling, Kaliber 7 x 65 R 16/70, Krieghoff, Nr. 71781 5. Wechsellauf, Kaliber 12/70, Merkel, Nr. 96471 6. Doppelbüchsdrilling, Kaliber 8 x 60 R 20/70, F.W. Vandrey, Nr. 705315890 7. Wechsellauf, Kaliber 6,5 x 57 R 16/70, F.W. Vandrey, Nr. 15890 8. Wechsellauf, Kaliber 7 x 66SevH, Mauser 66, Nr. SG 373160 9. Einzelladerflinte, Kaliber 32, Mod 60M, Nr. 367198 10. Einzelladerflinte, Kaliber 12/70, Merkel, Nr. 761071 Randnummer 6 Für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2009 wurde dem Kläger der Jagdschein Nr. 1/06 erteilt. Randnummer 7 Am 19. Juni 2007 verurteilte das Landgericht Hamburg den Kläger wegen Bestechlichkeit in 279 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieses Urteil wurde am 12. Juli 2008 rechtskräftig. Randnummer 8 Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2008 die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers, erklärte den Jagdschein des Klägers für ungültig und zog letzteren ein. Außerdem ordnete sie an, dass der Kläger die in seinem Besitz befindlichen Waffen sowie die dazugehörige Munition bis zum 14. November 2008 unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen habe. Darüber hinaus verpflichtete sie den Kläger, seine Waffenbesitzkarten und seinen Jagdschein bis zum selben Termin der Landespolizeiverwaltung zurückzugeben sowie die auf Herrn B ausgestellten Waffenbesitzkarten zur Streichung der amtlichen Eintragung des Klägers vorzulegen. Die Beklagte führte zur Begründung ihrer Entscheidung aus, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG fehle, weshalb die waffenrechtlichen Erlaubnisse zwingend nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen seien. Der Kläger sei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden und für die Frage der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit komme es nicht darauf an, dass die Straftat, die der Verurteilung zugrunde liege, einen Bezug zum Umgang mit Waffen habe. Eine Härtefallregelung sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Da dem Kläger die Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG fehle, dürfe ihm laut § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG lediglich ein sog. Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG erteilt werden. Der nach § 15 Abs. 1 BJagdG erteilte Jagdschein des Klägers sei deshalb für ungültig zu erklären und einzuziehen gewesen. Randnummer 9 Gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2008 legte der Kläger am 31. Oktober 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2008, eingegangen beim Kläger am 17. Dezember 2008, zurückwies. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die Begründung des Ausgangsbescheides. Randnummer 10 Mit der am 19. Januar 2009, einem Montag, bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, dass die angegriffenen Bescheide ihn in seinen Rechten aus Art. 3 GG verletzten. Die gesetzliche Grundlage der Bescheide in § 45 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) WaffG sei verfassungswidrig. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr sei der Widerruf zwingend vorgeschrieben, ohne dass eine Einzelfallbetrachtung im Ausnahmefall möglich sei. Dies verstoße gegen das Differenzierungsgebot des Art. 3 GG. Das Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung sei aber ungeeignet, um die mangelnde Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers zu rechtfertigen und den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis zu begründen. Denn in der Bundesrepublik Deutschland könne nicht von einer gleichmäßigen Verhängung von Freiheitsstrafen ausgegangen werden. Dies habe sich in einer Reihe von empirischen Untersuchungen gezeigt, in denen sowohl regionale als auch richterspezifische Unterschiede in der Strafzumessungspraxis von Strafrichtern festgestellt worden seien. Aufgrund dieser Unterschiede seien im Ergebnis Zufälligkeiten für die Frage der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit entscheidend. Darüber hinaus führe die Praxis, Strafverfahren durch Absprachen über das Strafmaß einvernehmlich zu beenden, dazu, dass die verwaltungsrechtlichen Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung vom Verhandlungsgeschick des Strafverteidigers abhingen. Schließlich verstoße es gegen den Gleichheitsgrundsatz, dass in der Fristenregelung des § 5 Abs. 1 WaffG an den Zeitpunkt der Rechtskraft der Verurteilung und nicht an den Tatzeitpunkt angeknüpft werde. Diese Regelung benachteilige die Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse, weil die Frist, in welcher der Gesetzgeber von einer Unzuverlässigkeit ausgehe, um die Dauer des Strafverfahrens, das sich gelegentlich über etliche Jahre hinziehen könne, verlängert werde. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, Randnummer 12 den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2008 aufzuheben. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Begründung der angefochtenen Bescheide. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 7. April 2009, Aktenzeichen 4 E 3478/08, hat das Gericht den am 23. Dezember 2008 eingegangenen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 31. Oktober 2008 abgelehnt. Mit Beschluss vom 25. November 2009, Aktenzeichen 3 Bs 80/09, hat das OVG Hamburg die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss vom 7. April 2009 zurückgewiesen. Auf die Gründe der Beschlüsse wird Bezug genommen. Randnummer 17 Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 8. Juni 2010 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Juni 2010 auf die mündliche Verhandlung verzichtet.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
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VG Weimar 3. Kammer
Thüringen
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05.02.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Genehmigung für einen Friedhof. Unter dem 14.03.2011 beantragte die Klägerin bei dem Landratsamt Weimarer Land die Genehmigung eines Bestattungswaldes. Dort sollen unter den Bäumen Urnenbestattungen vorgenommen werden. Eine klassische Einfriedung durch Zäune oder Mauern ist nicht vorgesehen, die Außengrenzen des betreffenden Waldstücks sollen durch Markierungsschilder sichtbar gemacht werden, die etwa alle 30 Meter angebracht werden. Randnummer 2 Auf eine entsprechende Weisung des Thüringer Landesverwaltungsamts hin lehnte das Landratsamt Weimarer Land den Antrag mit Bescheid vom 28.06.2012 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung nach § 27 Abs. 1 Thüringer Bestattungsgesetz - ThürBestG - sei nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 ThürBestG nicht vorlägen. Ein öffentliches Bedürfnis der Klägerin für die Errichtung eines Friedhofs in Form eines Bestattungswaldes könne nicht festgestellt werden, denn sie unterhalte für ihre knapp 7.700 Einwohner bereits vier Friedhöfe. Alleine die Nachfrage einzelner Bürger begründe noch kein öffentliches Bedürfnis. Außerdem sei den Unterlagen zu entnehmen, dass der geplante Bestattungswald ein eventuell vorhandenes oder zu weckendes überörtliches Bedürfnis befriedigen solle. Damit ginge die Errichtung einer solchen Anlage über die Erfüllung der Pflichtaufgabe der Gemeinde hinaus. Zudem begegneten andere Thüringer Städte der wachsenden Nachfrage der Bürger nach alternativen Bestattungsformen damit, dass sie auf ihren Friedhöfen auch Baumbestattungen und andere pflegegünstige alternative Grabformen anböten. Randnummer 3 Daneben mangele es auch an einer ordnungsgemäßen Einfriedung. Nach § 27 Abs. 2 ThürBestG müssten die Wahl des Standorts, die Gestaltung und die Unterhaltung der Friedhöfe dem Anspruch an die Würde eines Friedhof entsprechen und historische Strukturen wahren. Dabei werde der Umfriedung eines Friedhofs eine besondere Bedeutung zugemessen. Ein Friedhof stelle eine räumlich abgegrenzte („eingefriedete“) Fläche dar. Als Einfriedung bezeichne man allgemein die Eingrenzung eines Terrains, das nur durch ein Tor, eine Schranke oder eine vergleichbare Einrichtung betretbar sei. Der Begriff werde im Speziellen meistens für die Umfriedung, die Abgrenzung eines Grundstücks durch einen Zaun, eine Mauer oder eine Hecke genutzt. Ohne eine solche Einfriedung sei der Friedhof hier nicht ausreichend vor Wildschäden geschützt. Dadurch sei zum einen die Wahrung der Totenruhe nicht sichergestellt, zum anderen sei mit einer Gefährdung von Besuchern durch umherstreifende Wildtiere zu rechnen. Weiterhin scheitere die Genehmigungsfähigkeit an einer hier beabsichtigten unzulässigen Übertragung von gemeindlichen Kompetenzen an den vorgesehenen Verwaltungshelfer. Denn gemäß § 24 Abs. 2 ThürBestG könnten Träger von Friedhöfen nur Gemeinden oder Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sein. Zwar könne sich der Träger für die Durchführung bestimmter Tätigkeiten Dritter bedienen, allerdings müsse hierbei die Einflussnahme auf diesen Dritten sichergestellt bleiben. Der beabsichtigte Vertrag mit der F... GmbH begegne rechtlichen Bedenken. So sei insbesondere die Übertragung der Kompetenz zur Erstellung von Gebührenbescheiden auf die F... GmbH unzulässig. Ferner fehlten in dem Vertrag Regelungen über die Ausgestaltung des Weisungsrechts. Das betreffe insbesondere ein unbeschränktes Weisungsrecht der Gemeinde, die jederzeitige Möglichkeit der Einsichtnahme in die den Friedwald betreffenden Unterlagen und die Möglichkeit, die Liegenschaft jederzeit betreten zu dürfen. Zudem beabsichtige die Gemeinde, ausdrücklich auf ihr Recht zu verzichten, die zulässigen Beisetzungsarten auf ihren Friedhöfen festzulegen, denn nach dem Vertragsentwurf dürften im Bestattungswald keine anderen Beisetzungsarten geduldet oder angeboten werden, obwohl nach § 23 Abs. 2 ThürBestG dort auch eine Aschestreuwiese zulässig wäre. Darüber hinaus verpflichte sich die Gemeinde, auf ihren bestehenden vier Friedhöfen keine Baumbestattungen zuzulassen. Weiterhin sei geplant, dass die Forstverwaltung für Bestattungen ausschließlich zuständig sei. Damit hätten die Nutzer des Bestattungswaldes keine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Bestattungsinstituten. Außerdem dürfte eine freihändige Vergabe an die F... GmbH vergaberechtlich unzulässig sein. Randnummer 4 Gegen diesen ihr am 30.06.2012 zugestellten Bescheid legte die Klägerin am 04.07.2012 Widerspruch ein, den das Thüringer Landesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2013 aus im Wesentlichen gleichen Gründen zurückwies. Ein Friedhof müsse hauptsächlich den Einwohnern der Gemeinde zugutekommen, er dürfe nicht angelegt werden, um ein überörtliches Bedürfnis zu bedienen. Auch biete die Klägerin nach ihrer Friedhofssatzung bereits jetzt verschiedene Bestattungsformen an, etwa die Beisetzung in Wahlgrabstätten, Urnenwahlgrabstätten und Urnengemeinschaftsgrabstätten. Damit bestehe bereits eine Alternative für Personen, bei denen niemand die Pflege eines Grabes übernehmen werde. Weitere alternative Formen wären Aschestreuwiesen oder auch die Beisetzung von Urnen bei auf den Friedhöfen möglicherweise befindlichen Bäumen. Die Anlage eines Bestattungswaldes stelle auch einen Eingriff in die Natur dar. Die Nutzung des Waldes zur Beisetzung menschlicher Aschen sei eine neue Nutzung, die schon allein durch die forstwirtschaftliche Aufbereitung zur Sicherung der Bäume, die Anbindung an das Wegenetz und die vermehrte Frequentierung durch die Angehörigen der Verstorbenen einen Eingriff in die Natur bedeute. Zudem werde der Umfriedung des Friedhofs im Hinblick auf die Verhinderung von Wildschäden eine besondere Bedeutung zugemessen. Außerdem läge nach dem vorliegenden Vertragsentwurf mit dem vorgesehenen Verwaltungshelfer nicht das erforderliche Über-/Unterordnungsverhältnis vor. Zudem sollten dem Verwaltungshelfer Aufgaben zugewiesen werden, deren Wahrnehmung durch Private unzulässig sei. Diese Fragen der späteren Leistungserbringung berührten auch die Frage der Genehmigungsfähigkeit, denn Voraussetzung für eine Genehmigung sei die Einhaltung des Thüringer Bestattungsgesetzes. Wenn schon aus den Antragsunterlagen eine unzulässige Beteiligung eines Dritten hervorgehe, dann sei dies zu berücksichtigen. Weiterhin habe die Genehmigungsbehörde zu beachten, ob die vergaberechtlichen Voraussetzungen eingehalten würden. Randnummer 5 Am 05.03.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Randnummer 6 Sie trägt vor, der Beklagte gehe davon aus, dass sich der Begriff öffentliches Bedürfnis in § 25 Abs. 1 Satz 2 ThürBestG ausschließlich auf Friedhöfe im herkömmlichen Sinne beziehe. Ein Bestattungswald sei jedoch kein Friedhof im herkömmlichen Sinne, sondern biete eine alternative Form der Bestattung an, die den Veränderungen der Gesellschaftsstruktur und damit auch dem steigenden Umweltbewusstsein der Einwohner Rechnung trage. Die gesellschaftliche Entwicklung tendiere zunehmend zu Singlehaushalten. Dies habe zur Folge, dass es niemanden gebe, der nach dem Ableben die Grabpflege übernehmen könne oder wolle. Auch handele es sich bei der Bestattung in einem Bestattungswald um eine überaus umweltschonende Form der Bestattung. Daneben spreche ein großes tatsächliches Interesse in der Bevölkerung für die Errichtung eines Bestattungswaldes. Dieses Interesse zeige sich u.a. daran, dass eine Bürgerinitiative für den Bestattungswald gegründet worden sei. Auch eine Einfriedung sei nicht zwingend erforderlich. Weder sehe das ThürBestG eine solche vor, noch könne dem Begriff „Friedhof" ein derartiges Erfordernis entnommen werden. Auch zur Wahrung der Totenruhe genüge das Anbringen von Hinweisschildern, das Ablegen einzelner naturbelassener Baumstämme oder von Kronenmaterial oder auch eine ortsübliche Anpflanzung. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung finde der Verstorbene seine friedliche Ruhe, wenn sein Bestattungs- oder Beisetzungsort nicht mehr kurzfristig verändert werden könne. Hierzu sei lediglich erforderlich, den Bestattungswald von dem übrigen Waldgebiet optisch abzugrenzen. Auch durch Wildtiere drohe keine Gefahr. Nach dem Gutachten des Thüringer Forstamts Bad Berka vom 04.11.2011 seien Wildschäden an den Grabstätten oder eine Gefährdung von Besuchern nicht zu erwarten. Eine unzulässige Übertragung gemeindlicher Kompetenzen an einen Verwaltungshelfer sei ebenfalls nicht zu befürchten. Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass sie, die Klägerin, nicht auf eine Kooperation mit der F... GmbH festgelegt sei. Im Gegenteil sei aus der Mitte des Stadtrates vielmehr die Anregung gekommen, den Bestattungswald als Eigenbetrieb zu führen. Im Übrigen berührten diese Fragen zur späteren Leistungserbringung und Abrechnung die Genehmigungsfähigkeit nicht. Es liege auch keine unzulässige Bestattertätigkeit des Forstamtes vor. Das Forstamt bestimme lediglich den konkreten Ort, an den die Urne eingebracht werden solle, öffne und schließe das Grab. Die übrigen Bestattungsaufgaben würden nach wie vor von einem Bestatter wahrgenommen. Sofern es für erforderlich gehalten werde, werde er die Urne bis zur Grabstätte tragen. Damit sei durchaus eine Wahlmöglichkeit der Nutzer des Friedhofs zwischen verschiedenen Bestattungsunternehmen gegeben. Ein etwaiger Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften sei für die Erteilung der Genehmigung ebenfalls irrelevant, da die Einhaltung von Vergabevorschriften nicht Bestandteil einer Genehmigung nach § 27 ThürBestG sei. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt zu erkennen: Randnummer 8 Der ablehnende Bescheid des Landratsamtes Weimarer Land vom 28.06.2012, Az. 32 Wü/Wü 75210/01/11, und der Widerspruchsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 05.02.2013, Az. 200.12-2475-15/12 AP, werden aufgehoben. Das Landratsamt Weimarer Land wird verpflichtet, die beantragte Genehmigung zur Errichtung eines Naturfriedhofes in Form eines Bestattungswaldes zu erteilen. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Er beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Randnummer 12 Der Vertreter des öffentlichen Interesses, der keinen Antrag stellt, vertieft die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Die Klägerin verkenne, dass sich die gemeindliche Aufgabe der Bestattung und Friedhofsvorsorge allein nach den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft zu richten habe. Der Klägerin entstehe durch die Ablehnung der Genehmigung auch kein finanzieller Nachteil. Randnummer 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Weimarer Land vom 28.06.2012 und des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 05.02.2013 verpflichtet, die beantragte Genehmigung zur Errichtung eines Naturfriedhofes in Form eines Bestattungswaldes zu erteilen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 1. Kammer
Rheinland-Pfalz
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24.01.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 28.02.2013 geendet hat. Randnummer 2 Der Kläger war ab dem 09.08.1993 bei der Beklagten als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04.02.2008 zum 30.06.2009 aus betriebsbedingten Gründen. Aufgrund eines dreiseitigen Vertrages (Bl. 7 ff. d. A.) wechselte der Kläger zum 01. Mai 2009 für die Dauer von 12 Monaten in eine Transfergesellschaft. Nach Maßgabe des genannten Vertrages endete das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. April 2009. Randnummer 3 Im Zeitraum vom 01.03. - 31.03.2010 war der Kläger aufgrund eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen der Transfergesellschaft und der Beklagten bei dieser als Helfer in der Produktion beschäftigt. Ab dem 01.05.2010 war der Kläger zunächst arbeitslos; ab September 2010 arbeitete er für ein Drittunternehmen. Randnummer 4 Unter dem 14.05.2010 schlossen die Parteien einen für den Zeitraum vom 15.05.2012 bis 30.06.2012 befristeten Arbeitsvertrag. Mit Vertrag vom 15.06.2012 wurde das befristete Beschäftigungsverhältnis bis zum 31. August 2012 verlängert. Unter dem 09.08.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit Beendigung der Einarbeitungszeit der Zeitgrad-Durchschnitt ab 01.08.2012 von 10% auf 30% angehoben worden sei. Randnummer 5 Hinsichtlich des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23.08.2013. Randnummer 6 Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage mit den Anträgen, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 16.08.2012 am 28.02.2013 geendet hat und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 28.02.2013 hinaus zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen im Bereich Operations weiter zu beschäftigen abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt: Randnummer 7 Die Befristung zum 28.02.2013 sei nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG gerechtfertigt. Bei der Befristungsabrede vom 16.08.2012 handele es sich um eine nach § 14 Abs. 2 S. 1 2. Halbs. TzBfG statthafte Verlängerung und nicht um den Neuabschluss eines weiteren sachgrundlos befristeten Vertrages. Dies ergebe sich daraus, dass die Befristung zum 31.08.2012 noch während der Laufzeit mit Vereinbarung vom 16.08.2012 bis zum 28.02.2013 verlängert worden sei und durch diese Vereinbarung die Arbeitsbedingungen mit Ausnahme der Vertragslaufzeit nicht geändert worden seien. Ohne Bedeutung sei dem gegenüber die zuvor auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 09.08.2012 erfolgte Vergütungserhöhung. Diese Änderung sei zeitlich vor der Verlängerung vereinbart worden. Randnummer 8 Die am 16.08.2012 vereinbarte Befristung verletze auch nicht das sogenannte Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehe ein früheres Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit demselben Arbeitgeber einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dann nicht entgegen, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege. Auch der Einsatz des Klägers vom 01.03. - 31.03.2010 bei der Beklagten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung rechtfertige keine andere Beurteilung. Während dieser Zeit sei die Beklagte nicht der Vertragsarbeitgeber gewesen. Randnummer 9 Der Beklagten sei eine Berufung auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtsmissbräuchlichen Vertragsgestaltung verwehrt. Sie habe das Zuvor-Beschäftigungsverbot nicht in einer mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbaren Weise umgangen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte gerade nicht durchgängig die Arbeitskraft des Klägers mit seiner sechzehnjährigen Berufserfahrung genutzt habe, sondern dies nur innerhalb der maßgeblichen 3-Jahres-Frist im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung für einen Monat der Fall gewesen sei. Randnummer 10 Das genannte Urteil ist dem Kläger am 16.10.2013 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 15.11.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 03.12.2013, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 04.12.2013, begründet. Randnummer 11 Nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 83 ff. d. A.), macht der Kläger zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen geltend: Randnummer 12 Die Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung lägen nicht vor, da ein Verstoß gegen das Verbot der Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG vorliege. Die vom Bundesarbeitsgericht zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zuvor" in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG angenommene 3-Jahres-Frist stelle eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers dar. Selbst wenn man von einer Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots auf einen Zeitraum von drei Jahren vor Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrages abstelle, müsse hiervon wieder eine Ausnahme für den Fall gemacht werden, dass der betroffene Arbeitnehmer innerhalb dieser 3-Jahres-Frist von einer vom Arbeitgeber selbst ins Leben gerufenen Transfergesellschaft als Leiharbeitnehmer beschäftigt werde. Wenn in Anlehnung an die gesetzliche Verjährungsfrist des § 195 BGB von einer 3-Jahres-Frist ausgegangen werde, müsse auf die gesetzliche Verjährungsfrist insgesamt und damit auch § 199 Abs. 1 BGB abgestellt werden. Schließlich handele es sich bei der zweiten Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages ab dem 01.09.2012 auch nicht um eine Verlängerung zu unveränderten Arbeitsbedingungen, weil im Zusammenhang mit dieser Verlängerung durch das vergütungserhöhende Schreiben der Beklagten vom 09.08.2012 eine Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen erfolgt sei. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, Randnummer 14 das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 23.08.2013, Az.: 4 Ca 582/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 16.08.2012 am 28.02.2013 geendet hat; die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen im Bereich Operations weiter zu beschäftigen. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 16.01.2014, auf den Bezug genommen wird (Bl. 106 ff. d. A.), als zutreffend.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 23.08.2013, AZ: 4 Ca 582/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Hamburg 2. Senat
Hamburg
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15.02.2023
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten, ob der Kläger wegen der Folgen zweier Arbeitsunfälle Anspruch auf Verletztengeld hat. Randnummer 2 Der im Jahre 1964 geborene Kläger erlitt im Rahmen seiner Tätigkeit als Sichtprüfer bei der Fa. B. in A. am 30. Januar 2008 einen Unfall, als ihm beim Einlegen von Material die Schutztür einer Maschine gegen die Halswirbelsäule schlug. Der den Unfall aufnehmende Durchgangsarzt Dr. K. diagnostizierte 5 ½ Stunden später eine HWS-Prellung, ohne röntgenologischen Hinweis auf knöcherne Verletzungen. Mit Nachschaubericht vom 7. Mai 2008 berichtete Dr. K1, dass der Kläger sich mit Schmerzen im Bereich der HWS vorgestellt habe. Dabei sei die Beweglichkeit der HWS nicht eingeschränkt gewesen, ohne neurologische Ausfälle, aber mit einer Blockierung, welche chirotherapeutisch gelöst werden konnte, weitere Behandlungen seien nicht indiziert. Randnummer 3 Am 6. Juni 2008 erlitt der Kläger wiederum einen Unfall, als ihm bei derselben Tätigkeit wie am 30. Januar 2008 die Arbeitsschutztür auf den Schädel fiel. Der Durchgangsarzt Dr. K. diagnostizierte nach Vorstellung des Klägers am 9. Juni 2008 eine Schädelprellung sowie einen Zustand nach Commotio cerebri. Der Radiologe Dr. Z. erklärte nach am 18. Juni 2008 durchgeführter Kernspintomographie der HWS, dass kein Anhalt für eine stattgehabte knöcherne oder discoligamentäre frische Verletzung, keine wesentliche Bandscheibenprotrusion, kein Bandscheibenvorfall und kein Anhalt für eine Myelopathie bestehe, bei im Wesentlichen altersentsprechender Veränderung der HWS. Der Facharzt für Neurologie Dr. F. berichtete mit Arztbrief vom 19. Juni 2008, dass der Kläger sich mit chronifiziertem Beschwerdekomplex vorgestellt habe, wobei auffällig eine entsprechende Schon-/Fehlhaltung gewesen sei, die über muskuläre Verkürzungen und Verspannungen auch das vom Kläger subjektiv empfundene Gefühl der Fehlstellung des Kopfes im Sinne einer Fehlhaltung erkläre. Die bildgebende Diagnostik habe jedoch keine weiteren relevanten Unfallfolgen gezeigt. Randnummer 4 Zur Abklärung der Unfallfolgen aus beiden Versicherungsfällen erstatteten Prof. Dr. B1 und Dr. H. im Auftrag der Beklagten ein freies fachärztlich-chirurgisches Zusammenhangsgutachten vom 3. August 2009. Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfalls vom 30. Januar 2008 bis zum 4. Februar 2008 und zu keinem Zeitpunkt Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Unfallereignisses vom 6. Juni 2008 bestanden habe. Am 30. Januar 2008 habe sich der Kläger eine Halswirbelsäulenprellung und am 6. Juni 2008 eine Schädelprellung zugezogen. Darüber hinaus führten die Gutachter aus, dass beide Unfälle zu keinem Zeitpunkt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hinterlassen hätten. Eine Nachuntersuchung sei nicht erforderlich. Randnummer 5 Der Neurologe und Psychiater Dr. N. sowie der Neurochirurg Dr. J. kamen in ihrem nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 3. August 2009 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger keine Verletzungsfolgen auf nervenärztlichem Fachgebiet vorlägen. Unfallunabhängig bestehe in erster Linie eine Kolloidzyste, also ein gutartiger Tumor im dritten Ventrikel, welcher die Nervenwasserzirkulation behindere und damit zu Kopfschmerzen sowie Sehstörungen führe sowie eine depressive Episode. So beklage der Kläger eine Angst- und affektive Störung seit Frühjahr 2009. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 10. November 2009 lehnte die Beklagte weitere Heilbehandlungsmaßnahmen aufgrund des Unfalls vom 30. Januar 2008 über den 22. Februar 2008 hinaus ab, da die darüber hinaus bestehenden Beschwerden unfallunabhängiger Natur seien. Ebenfalls mit Bescheid vom 10. November 2009 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Heilbehandlungsmaßnahmen aufgrund des Unfallereignisses vom 6. Juni 2008 über den 20. Juni 2008 hinaus ab, da die weiterhin bestehenden Beschwerden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall stünden. Randnummer 7 Auf die hiergegen eingelegten Widersprüche des Klägers erließ die Beklagte am 19. März 2010 die entsprechenden Widerspruchsbescheide. Randnummer 8 Das Sozialgericht Nürnberg (Az. S 2 U 85/10) holte im Rahmen des vom Kläger gegen beide Ablehnungsbescheide eingereichten Klageverfahrens ein weiteres Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K2 vom 3. November 2011 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 30. Juli 2012 und 27. November 2012 ein. Dieser führte aus, dass es bei dem Unfallereignis vom 30. Januar 2008 zu einer HWS-Prellung mit leichtgradiger Einschränkung der Beweglichkeit gekommen sei und weder eine Schädigung des zentralen Nervensystems des Rückenmarks noch von Rückenmarkswurzeln im Sinne eines Körperschadens eingetreten sei. Auch ein psychischer Primärschaden sei hinsichtlich des Ereignisses vom 30. Januar 2008 nicht dokumentiert. Bei dem Ereignis vom 6. Juni 2008 sei es zu einer Schädelprellung gekommen, die nach neurotraumatologischer Erfahrung zu keiner Schädigung des zentralen Nervensystems geführt habe. Diagnostisch habe bei dem Kläger zum Untersuchungszeitpunkt eine depressive Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradiger Ausprägung nach Panikstörung auf dem Boden einer depressiv-histrionischen Persönlichkeitsentwicklung bestanden, welche eine unfallunabhängige psychische Funktionsstörung darstelle. Die Unfälle vom 30. Januar 2008 und 6. Juni 2008 hätten nachweisbar auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zu keinem Körperschaden geführt. Das Sozialgericht Nürnberg wies mit Urteil vom 9. Oktober 2013 die Klage des Klägers ab, nachdem es die tatsächlichen Verhältnisse an dem Arbeitsplatz des Klägers in Augenschein genommen hatte. Die vom Kläger eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Schweinfurt (Az. L 17 U 6/14) mit Urteil vom 20. Oktober 2016 zurück. Das LSG führte aus, dass nach überzeugender Darstellung des Sachverständigen Dr. K2 gegen einen Unfallzusammenhang zwischen den vom Kläger geltend gemachten Kopfschmerzen und Auswirkungen auf psychiatrischem Fachgebiet spreche, dass strukturelle Schäden nicht nachweisbar seien. Soweit der Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung geltend mache, fehle es durchgängig an einer ärztlichen Dokumentation der nach den anerkannten Klassifikationssystemen geforderten Symptome. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten für beide Arbeitsunfälle die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte lehnte für beide Arbeitsunfälle die Gewährung einer Verletztenrente mit Bescheiden vom 4. Juli 2017 ab und verwies im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. K2 und die Entscheidungsgründe des LSG Schweinfurt. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 29. August 2017 zurück. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit könne in beiden Fällen nicht festgestellt werden, da keine Unfallfolgen verblieben seien. Auch eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor. Randnummer 10 Der Kläger hat gegen die Widerspruchsbescheide jeweils Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben, das die Verfahren mit Beschluss vom 13. Juni 2018 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat. Der Kläger hat vorgetragen, dass das Sozialgericht Nürnberg die tatsächlichen Umstände der Unfälle nicht richtig aufgeklärt habe. So sei der Aufprall des Stoppers, der ihn getroffen habe, weitaus heftiger gewesen, als der Aufprall von dem das Urteil ausgehe. Auch sei eine Einblutung im Gehirn nachgewiesen worden. Zudem sei nicht beachtet worden, dass dem Kläger von Seiten des Landesversorgungsamtes ein GdB von 50 zugesprochen worden sei. Überdies hätten die psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers vor den Unfällen nicht bestanden. Randnummer 11 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf ihre Argumentation in den angefochtenen Bescheiden bezogen und darauf verwiesen, dass das LSG Schweinfurt in seiner Entscheidung auch über die Frage des Vorliegens einer Posttraumatischen Belastungsstörung entschieden und diese abgelehnt habe. Randnummer 12 Auf Antrag des Klägers hat das Sozialgericht gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisch-nervenärztliches Gutachten von Dr. S. vom 7. Oktober 2019 eingeholt. Dr. S. hat als psychischen Befund mitgeteilt, dass die Stimmung des Klägers subdepressiv moros verstimmt und verbittert sei. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei etwas labil, aber erhalten. Es bestünden unauffällige Gedächtnisleistungen, kein Hinweis auf Merkfähigkeitsstörung oder Beeinträchtigungen von Aufmerksamkeit und Konzentration, keine inhaltliche Denkstörung, kein Wahn, keine Wahnstimmung und keine psychotischen Wahrnehmungsstörungen im Beschwerdevortrag oder in der Verhaltensbeobachtung. Der Sachverständige diagnostiziert eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4), eine Angst- und depressive Störung, gemischt (ICD-10 F41.2) sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61.0). Er weist ferner darauf hin, dass die beiden Arbeitsunfälle im Januar und (Juli) 2008 leichtgradig gewesen seien. Weder sei dabei die Halswirbelsäule verletzt worden, noch sei es zu einem Schädel-Hirn-Trauma gekommen. Die von dem Kläger beklagten und seit 2008 persistierenden Beschwerden könnten somit nicht plausibel den beiden damaligen Unfallereignissen zugeordnet werden. Randnummer 13 Das Sozialgericht hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 25. August 2021 abgewiesen. Randnummer 14 Der Kläger habe bei seinem Unfall vom 30. Januar 2008 Prellung der Halswirbelsäule erlitten, welche seine Erwerbsfähigkeit auf Dauer aber nicht in rentenberechtigender MdE minderte. Unstreitig seien auf chirurgischem Fachgebiet keine dauerhaften Verletzungen verblieben. Es lägen keine weiteren medizinischen Anhaltspunkte für weiterhin bestehende Gesundheitsstörungen auf chirurgischem Gebiet vor, so dass eine MdE von mindestens 10 oder 20 v.H. in diesem Rahmen nicht festgestellt werden könne. Dasselbe gelte für den Arbeitsunfall vom 6. Juni 2008, da die daraus resultierende Schädelprellung ebenfalls chirurgisch folgenlos verheilt sei. Darauf hätten zu Recht die bereits im Verwaltungsverfahren angehörten chirurgischen Gutachter Prof. Dr. B1 und Dr. H. hingewiesen. Randnummer 15 Ebenso könne eine rentenberechtigende bzw. stützrentenberechtigende MdE aufgrund verbliebener psychischer Gesundheitsstörungen, insbesondere im Rahmen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, nicht angenommen werden. Zum einen hätten nachvollziehbar die im Verwaltungsverfahren und Sozialgerichtsverfahren angehörten Gutachter und Sachverständigen Dr. N./Dr. J. sowie Dr. K2 festgestellt, dass die bei dem Kläger diagnostizierten psychischen Beschwerden nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen seien. Zum anderen ließe sich weder feststellen, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung überhaupt vorliege noch, dass eine solche kausale Unfallfolge sei. Die Unfallereignisse seien im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne bereits nicht geeignet gewesen, im weiteren zeitlichen Verlauf auch eine Posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen, da es durch den Schlag der Schutztür auf Halswirbelsäule bzw. Schädel des Klägers weder zu einem zeitnah detektierten psychischen Gesundheitserstschaden noch zu einer schwereren knöchernen, ligamentären oder organischen Verletzung gekommen sei. Ohne dass es für die Entscheidung darauf ankomme, habe dieses Ergebnis schließlich auch der vom Kläger gemäß § 109 Abs. 1 SGG benannte Gutachter Dr. S. bestätigt. Randnummer 16 Der Kläger hat gegen diese seinem Prozessbevollmächtigten am 26. August 2021 zugestellte Entscheidung am 9. September 2021 Berufung eingelegt. Er rügt insbesondere das Gutachten des Sachverständigen Dr. S., der den Unfallhergang und dessen gravierende Folgen verkannt habe. Bei dem Arbeitsunfall am 6. Juni 2008 sei die Sicherheitstür ähnlich einem Fallbeil ungebremst heruntergefahren. Da er sich mit seinem Kopf auf einem Drehteller befunden habe, der sich sekundenschnell um seine eigene Achse gedreht und die Tür über ihm sich nicht wieder geöffnet habe, habe er Panik bekommen. Deshalb sei von einer Posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen, für die beide Unfälle gleichermaßen verantwortlich seien. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 25. August 2021 und die Bescheide der Beklagten vom 4. Juli 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der Arbeitsunfälle vom 30. Januar 2008 und 6. Juni 2008 ab Klageerhebung eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von jeweils mindestens 20 v.H. zu gewähren, Randnummer 19 hilfsweise, Randnummer 20 dem Kläger aufgrund der Folgen der Arbeitsunfälle vom 30. Januar 2008 und 6. Juni 2008 eine Stützrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von jeweils mindestens 10 v.H. zu gewähren, Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 23 Sie wendet ein, der Kläger wiederhole lediglich seinen bisherigen Sachvortrag, die Sach- und Rechtslage sei aber bereits umfassend erörtert und geklärt. Der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Dr. S. habe sich zuletzt mehrfach und intensiv mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt und sei zu einem mit den früheren Gutachtern übereinstimmenden Ergebnis gelangt. Randnummer 24 Der Senat hat über die Berufung am 15. Februar 2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Az.:20080199258) wird Bezug genommen.
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zu gelassen.
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VG Berlin 2. Kammer
Berlin
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24.08.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) Auskunft zu dienstlichen Kontakten eines früheren Bundesministers der Finanzen zu Interessenvertretern. Randnummer 2 Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 beantragte sie beim BMF die Herausgabe aller dienstlichen Kontakte des früheren Bundesministers der Finanzen seit dem 24. Oktober 2017 zu 42 – näher bezeichneten – Verbänden der Finanzbranche, Organisationen der Zivilgesellschaft und Unternehmen; zu nennen sei das Datum und um welche Art des Kontakts es sich jeweils gehandelt habe (Treffen, Videoanruf oder Telefonat). Randnummer 3 Das BMF lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. August 2021 ab. Eine Aufstellung sämtlicher dienstlicher Kontakte, geordnet nach Gesprächspartnern und Datum, sei nicht vorhanden. Der Antrag sei mangels Eingrenzung auf ein bestimmtes Thema oder ein Vorhaben zu unbestimmt. In Anbetracht der Vielzahl möglicher Beteiligter sei eine inhaltlich komplexe Analyse und Auswertung von Aufzeichnungen erforderlich, die nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht geschuldet sei. Randnummer 4 Mit Widerspruch vom 25. August 2021 erklärte die Klägerin, die Informationen über Treffen sollten in Form eines Kalenders vorliegen und somit keinen erheblichen Mehraufwand in der Aufbereitung produzieren. Das BMF wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2021 zurück. Das Informationsfreiheitsgesetz vermittle keinen Anspruch auf Informationsbeschaffung. Die Klägerin begehre im Ergebnis eine inhaltliche Auswertung etwaiger im BMF vorhandener Kalender und deren Aufbereitung. Zudem bleibe der Antrag zu unbestimmt. Randnummer 5 Die Klägerin hat am 22. Oktober 2021 Klage erhoben. Sie trägt vor, ihr Antrag sei hinreichend bestimmt. Mit der Bezeichnung als Treffen, Videoanruf und Telefonat habe sie deutlich gemacht, was unter Kontakten zu verstehen sei. Indem sie beispielhaft darauf hingewiesen habe, dass die Kontakte sich aus dem Kalender ergeben sollten, habe sie deutlich gemacht, dass der Antrag sich auf Aufzeichnungen beziehe. Für die Bestimmtheit des Antrags sei nicht erheblich, ob er sich auf einen umfangreichen oder einen begrenzten Informationsbestand beziehe. Die begehrte Aufstellung erfordere nur eine verwaltungstechnische Aufbereitung vorhandener Informationen. Es sei davon auszugehen, dass die begehrten Informationen ohne großen Aufwand identifiziert werden könnten, indem das BMF die genannten Stellen in die Suchmaske des elektronischen Kalenders des Bundesministers eingebe. Zudem biete sich ein Abgleich mit etwaigen zu den einzelnen Verbänden und Unternehmen bestehenden – digitalen – Unterlagen an, in denen ebenfalls Informationen über zurückliegende Kontakte festgehalten sein dürften, z.B. Gesprächsprotokolle. Randnummer 6 Die Klägerin beantragt, Randnummer 7 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des BMF vom 9. August 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2021 zu verpflichten, ihr Auskunft über alle dienstlichen Kontakte (Datum des Kontakts und Art des Kontakts, Treffen, Videoanruf, Telefonat) des ehemaligen Bundesministers der Finanzen  mit den nachfolgend aufgeführten Verbänden, Unternehmen und Organisationen zwischen dem 14. März 2018 und dem 8. Juni 2021 zu erteilen, einschließlich der im Kalender von Bundesfinanzminister  eingetragenen dienstlichen Kontakte: Randnummer 8 Verbände der Finanzbranche Randnummer 9 - Bankenfachverband Randnummer 10 - Bundesverband Alternative Investments (BAI) Randnummer 11 - Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken Randnummer 12 - Bundesverband der Wertpapierfirmen (BWF) Randnummer 13 - Bundesverband deutscher Banken (BdB) Randnummer 14 - Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) Randnummer 15 - Bundesverband deutscher Leasing-Unternehmen Berlin (BDL) Randnummer 16 - Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV) Randnummer 17 - Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) Randnummer 18 - Bundesverband deutscher Versicherungsmakler Randnummer 19 - Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) Randnummer 20 - Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) Randnummer 21 - Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen Randnummer 22 - Deutsche Aktuarvereinigung Randnummer 23 - Deutscher Derivateverband (DDV) Randnummer 24 - Deutscher Factoring Verband Randnummer 25 - Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) Randnummer 26 - Deutsches Aktieninstitut (DAI) Randnummer 27 - Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) | ehemals: Zentraler Randnummer 28 Kreditausschuss (ZKA) Randnummer 29 - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Randnummer 30 - Prepaid Verband Deutschland Randnummer 31 - Verband der Auslandsbanken in Deutschland (VAB) Randnummer 32 - Verband der Finanzdienstleistungsinstitute (VFI) Randnummer 33 - Verband unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa (VOTUM) Randnummer 34 - Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VUV) Randnummer 35 Zivilgesellschaft Randnummer 36 - Bund der Versicherten Randnummer 37 - Deutscher Gewerkschaftsbund Randnummer 38 - Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Randnummer 39 - Initiative Minderheitsaktionäre Randnummer 40 - Verbraucherzentrale Bundesverband Randnummer 41 Unternehmen Randnummer 42 - Allianz Randnummer 43 - Blackrock Randnummer 44 - Commerzbank Randnummer 45 - Deutsche Bank Randnummer 46 - Deutsche Börse Randnummer 47 - Deutsche Kreditbank Randnummer 48 - DZ Bank Randnummer 49 - Generali Randnummer 50 - MasterCard Europe Randnummer 51 - MünchenerRück Randnummer 52 - UniCredit Bank Randnummer 53 - Wirecard Randnummer 54 Die Beklagte beantragt, Randnummer 55 die Klage abzuweisen. Randnummer 56 Sie erwidert ergänzend: Das Informationsfreiheitsgesetz biete keine Grundlage, um Kontakte der Bundesregierung öffentlich bekannt zu machen. Insoweit habe der Gesetzgeber mit dem Lobbyregistergesetz eine abschließende Regelung geschaffen. Der thematisch nicht begrenzte Antrag verursache einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand. Selbst nach einer umfangreichen Recherche und Auswertung von Akten lasse sich nicht vollständig rekonstruieren, mit welchen der 42 Stellen bzw. diesen angehörenden Personen der Minister dienstliche Kontakte gehabt habe. Eine Recherche im Kalender des Ministers scheide nicht zuletzt aus datenschutzrechtlichen Gründen aus. Der Antrag auf Zugang zu Kalendereinträgen sei eine Klageänderung, der sie widerspreche. Randnummer 57 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Berufung wird zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes 1. Senat
Saarland
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01.10.2014
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Randnummer 1 Der 1947 geborene Kläger begehrt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse B, wobei diese im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen einer räumlichen und zeitlichen Beschränkung unterliegen soll. Randnummer 2 Seine 1965 erworbene Fahrerlaubnis war ihm durch Verfügung der Kreisverwaltung Pirmasens vom 8.1.1987 entzogen worden, weil er infolge eines Unfallgeschehens vom 20.6.1984 ausweislich des Krankheitsberichts des erstbehandelnden Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität M. vom 30.8.1984 schwere Hirnverletzungen erlitten hatte und eine fachärztliche Untersuchung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ausweislich des Attestes vom 18.12.1986 zu dem Ergebnis führte, dass eine Fahrtauglichkeit nicht gegeben war. Randnummer 3 In den Folgejahren beantragte der Kläger mehrfach, erstmals am 23.11.1987, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Die Verfahren, in deren Verlauf zur Frage der Fahreignung des Klägers diverse ärztliche Atteste und Gutachten von Fachärzten bzw. von Begutachtungsstellen vorgelegt bzw. eingeholt wurden, die in psychischer Hinsicht als Unfallfolge ein hirnorganisches Psychosyndrom, das verschiedentlich als „ausgeprägt“ bzw. „schwer“ bezeichnet wurde (nervenärztliches Gutachten Dr. K vom 14.12.1987; Gutachten der Universität Homburg vom 24.7.1989 und vom 20.4.1993), feststellten, endeten teils durch Rücknahme bzw. nicht Nichtweiterverfolgung des Antrags (Schreiben vom 8.7.1988: Untätigkeit auf behördliche Mitteilung vom 23.8.1996; Schreiben vom 9.1.1998; Aktenvermerk vom 26.1.2000), teils durch ablehnende Bescheide (Verfügung vom 15.1.1991; angefochtene Verfügung vom 18.8.1993 - insoweit Verfahrensabschluss durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.3.1995). Unter anderem absolvierte der Kläger am 20.12.1995 eine Fahrprobe im Stadtgebiet und der näheren Umgebung von Mainz, anlässlich derer er zwar über weite Strecken unauffällig fuhr, andererseits aber wiederholt auf Verkehrssituationen verspätet oder gar nicht reagierte. Randnummer 4 Nach Wechsel seines Wohnsitzes in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten erfolgte die erste Antragstellung am 7.8.1998. Diesen Antrag verfolgte der Kläger in Konsequenz eines negativen medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 14.12.1999 nicht weiter (Aktenvermerk vom 26.1.2000). Am 14.10.2003 beantragte er unter Beifügung eines Schreibens vom 10.10.2003 erneut die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, wobei er den Antrag auf das Führen eines Pkw’s in den Landkreisen Homburg und A-Stadt und dem Gebiet der Gemeinde B. in der schnee- und eisfreien Zeit beschränkte, sich mit der Einholung eines die Beschränkung der Fahrerlaubnis berücksichtigenden Gutachtens einverstanden erklärte und einen Hinweis unterzeichnete, wonach das Verfahren behördlicherseits abgeschlossen wird, wenn die notwendigen Prüfungen nicht binnen näher bezeichneter Fristen abgelegt werden. Hieraufhin gab der Beklagte ihm mit Anordnung vom 18.11.2003 auf, bis zum 18.2.2004 ein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Kraftfahreignung vorzulegen und vorab sein Einverständnis mit der Aktenübersendung zu erklären. Eine entsprechende Einverständniserklärung unterzeichnete der Kläger am 16.6.2004, woraufhin der Beklagte das medizinisch-psychologische Institut der Universitätsklinik in Homburg mit Schreiben vom 17.6.2004 unter Hinweis auf die vom Kläger gewünschte örtliche Beschränkung des Geltungsbereichs der Fahrerlaubnis mit der Gutachtenerstellung beauftragte. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 16.8.2004 teilten die Prozessbevollmächtigten des Klägers dem Beklagten mit, der Kläger wolle das Verfahren durchführen, vorab jedoch eine andere zeitaufwendige Angelegenheit zu Ende bringen. Er werde - voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2005 - auf die Angelegenheit zurückkommen. Randnummer 6 Dies geschah mit Schreiben vom 2.1.2008, in welchem der Kläger die Ansicht vertrat, die geforderte medizinisch-psychologische Untersuchung sei entbehrlich und die entsprechende Anordnung daher ermessenswidrig. Durch die ärztlichen Bescheinigungen des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N vom 9.4.1997 und des Facharztes für Neurologie Dr. W vom 10.11.2003 sei belegt, dass unter der Bedingung ausreichender Sehfähigkeit aus nervenärztlicher Sicht dem Führen eines Kraftfahrzeugs nichts im Wege stehe; insbesondere sei eine deutliche Besserung der anfänglichen posttraumatischen Halbseitenstörungen zu verzeichnen und es lägen keine Indizien einer drohenden Gefährdung durch Krampfanfälle vor. Angesichts dessen und da nicht die generelle Fahreignung zur Überprüfung anstehe, sei die Fahrprobe - ebenso wie bei Eignungszweifeln wegen altersbedingter Entwicklungen - das geeignete Mittel, um über einen wichtigen Teilbereich der Fahreignung, nämlich die praktische Fahrfertigkeit, Aufschluss zu geben. Zu einer Fahrprobe sei er bereit. Randnummer 7 Der Beklagte verwies mit Schreiben vom 11.2.2008 auf das Bestehen einer durch den Zeitablauf bedingten Notwendigkeit einer neuen Antragstellung. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 15.10.2009 bekräftigte der Kläger seinen Wunsch, dass über den Antrag aus dem Jahre 2003 entschieden werde. Auf den Hinweis des Beklagten vom 29.10.2009, dass für einen rechtsmittelfähigen Bescheid Gebühren in Höhe von rund 100,-- Euro anfallen würden, hielt der Kläger ausweislich seines Schreibens vom 7.7.2010 an dem Wunsch auf Verbescheidung des alten Antrags fest und bekräftigte dies auf den erneuten Hinweis vom 29.7.2010 mit Schreiben vom 11.8.2010 ein weiteres Mal. Randnummer 9 Hieraufhin erging der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 13.8.2010, durch den der Beklagte die Neuerteilung der beantragten Fahrerlaubnis unter Hinweis auf die Nichtbeibringung des durch Anordnung vom 18.11.2003 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens in Anwendung des § 11 Abs. 8 FeV ablehnte. Randnummer 10 Der fristgerecht eingelegte Widerspruch des Klägers wurde durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26.6.2012 ergangenen Widerspruchsbescheid, dem Kläger zugestellt am 12.7.2012, zurückgewiesen. Der Beklagte habe angesichts der medizinischen Vorgeschichte des Klägers zur Abklärung der hieraus resultierenden Zweifel an seiner Kraftfahreignung zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Insbesondere sei die klägerseits angebotene Fahrprobe kein geeignetes Mittel. Bei Vorliegen eines hirnorganischen Psychosyndroms müsse die Schwere der durch dieses bedingten Leistungsmängel festgestellt werden und dies sei nur mit Hilfe eines medizinischen/psychologischen Sachverständigen möglich. Da das geforderte Gutachten nicht beigebracht worden sei, rechtfertige § 11 Abs. 8 FeV die Ablehnung des Neuerteilungsantrags. Randnummer 11 Das Verwaltungsgericht hat die am 13.8.2012, einem Montag, unter Wiederholung der Einwände aus dem Verwaltungs- und dem Widerspruchsverfahren erhobene Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30.10.2013 ergangenes Urteil, dem Kläger zugestellt am 18.11.2013, zurückgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei die Ablehnung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Ergebnis rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Randnummer 12 Zwar sei zweifelhaft, ob § 11 Abs. 8 FeV die Ablehnung des Neuerteilungsantrags rechtfertige, da fraglich sei, ob die behördliche Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung vom 18.11.2003 gemäß § 11 Abs. 6 FeV die Fragen, die von der Gutachterstelle zu klären sind, hinreichend präzisiere, und die nichtbefolgte Anordnung zudem im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidungen schon mehrere Jahre alt gewesen sei. Letzteres sei problematisch, weil die Vermutung, dass ein Fahrerlaubnisbewerber, der einer Gutachtenanordnung ohne ausreichenden Grund nicht nachkomme, etwas zu verbergen habe, ihre Berechtigung verlieren könne, wenn zwischen Gutachtenanordnung und Versagung der Fahrerlaubnis mehrere Jahre liegen, in denen sich die Gesundheitssituation des Fahrerlaubnisbewerbers grundlegend geändert haben könne. Dies könne aber ebenso wie die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in seinem Fall überhaupt gerechtfertigt gewesen sei, dahinstehen, denn nach dem Sachstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erfülle der Kläger die Voraussetzungen für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht. Randnummer 13 Nach Nr. 7.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung bestehe bei einem schweren chronischen hirnorganischen Psychosyndrom keine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Eine leichte Ausprägung schließe nach Nr. 7.2.1 vorbezeichneter Anlage demgegenüber die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht zwingend aus. In diesem Falle bestehe die Eignung abhängig von Art und Schwere der Erkrankung. Zwar sei die neueste ärztliche Bescheinigung, die sich bei den Akten befinde, schon im November 2003 von Dr. W erstellt worden, weswegen eine Beurteilung der aktuellen Gesundheitssituation des Klägers nicht abschließend möglich sei. Indessen könne aber nach derzeitigem Sachstand auch nicht mit Sicherheit von einer nur leichten - der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nicht zwingend entgegenstehenden - Ausprägung des hirnorganischen Psychosyndroms im Sinne der Nr. 7.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ausgegangen werden. Die Ergebnisse der bislang letzten ausführlichen verkehrspsychologischen Begutachtung vom 14.12.1999 stünden nach wie vor unwiderlegt im Raum. Die dem Kläger günstigen Atteste des Dr. N vom 9.4.1997 und des Dr. W vom 10.11.2003, auf die der Kläger sich berufe, beträfen ebenso wie die dem Kläger günstigen nervenärztlichen Begutachtungen vom 22.3.1990 und vom 6.5.1992 nur den neurologischen Gesundheitszustand des Klägers. Damit sei aber nicht die gesamte beim Kläger vorhandene, fahreignungsrelevante Gesundheitsproblematik abgedeckt. So stünden kognitive und andere Einschränkungen in Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Belastungsresistenz und Affektsteuerung in Rede. Während die neurologische Beurteilung seines Gesundheitszustandes schon seit Jahrzehnten vergleichsweise günstig sei, seien die während desselben Zeitraums vorgenommenen (verkehrs-) psychologischen Untersuchungen allesamt negativ verlaufen. Demgemäß sei schon in dem nervenärztlichen Gutachten des Zentrums für Psychologische Medizin vom 22.3.1990 auf die dringende Notwendigkeit einer medizinisch-psychologischen Abklärung des Ausmaßes seines chronischen hirnorganischen Psychosyndroms hingewiesen worden. Ebenso habe Dr. W in seinem Attest vom 10.11.2003 festgestellt, dass zur „Beurteilung der generellen Fahreignung das Ergebnis einer psychiatrisch-psychologischen Untersuchung (z.B. MPI des technischen Überwachungsvereins) maßgeblich“ sei. Auch wenn man statt einer medizinisch-psychologischen Begutachtung die nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung für Demenz- und organische Persönlichkeitsveränderungen empfohlene Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie und nach dessen Empfehlung eine neuropsychologische Zusatzuntersuchung als ausreichend ansehen wollte, ändere dies nichts daran, dass eine gründliche ärztliche Abklärung der verkehrsrelevanten Fähigkeiten des Klägers durch einen entsprechenden Facharzt, der zugleich über eine verkehrsmedizinische Qualifikation verfügen müsse, bzw. durch einen Arzt einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 der Fahrerlaubnisverordnung erfülle, unbedingt erforderlich sei. Diese gründliche ärztliche Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit des Klägers könne durch eine Fahrprobe nicht ersetzt werden. Eine solche könne nur einen Augenblicksbefund ermitteln und bewerten und sei schon deswegen nicht ausreichend, weil nach den bisherigen Erkenntnissen die Befindlichkeit des Klägers als wechselnd beschrieben werde. Auch die Ergebnisse der 1995 vorgenommenen Fahrprobe und die Bewertung der dort gezeigten Leistungen durch den Kläger selbst, die im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung am 14.12.1999 zu Tage getreten sei, zeigten, dass eine Fahrprobe zum Beleg der Fahreignung des Klägers nicht in gleichem Maße geeignet sei wie eine gründliche psychiatrische und gegebenenfalls neuropsychologische Exploration durch einen hierfür ausgebildeten (Fach-) Arzt. Die Forderung einer ärztlichen Untersuchung belaste den Kläger nicht unverhältnismäßig, da im Interesse aller Verkehrsteilnehmer am Ausschluss ungeeigneter Fahrer vom Kraftfahrzeugverkehr die früheren dem Kläger ungünstigen ärztlichen und psychiatrischen Untersuchungsergebnisse widerlegt werden müssten, was nur durch gleichwertige aktuelle (fach-) ärztliche Untersuchungen geschehen könne. Demgemäß lasse auch § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV die Anordnung einer Fahrprobe erst zu, wenn dies nach der Würdigung eines Gutachtens nach § 11 Abs. 2 oder Abs. 3 FeV erforderlich sei. Die insoweit klägerseits aufgeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs betreffe - wie im Einzelnen dargelegt wird - andere Fallgestaltungen und sei nicht übertragbar. An alldem ändere auch der Umstand, dass nur eine räumlich und zeitlich beschränkte Fahrerlaubnis beantragt sei, nichts. Denn auch unter dieser Prämisse könnten unvorhergesehene - zu schneller Reaktion zwingende - Umstände auftreten bzw. Wetterlagen - wie Starkregen oder Nebel - bestehen, die die Übersicht erschweren. Randnummer 14 Schließlich habe der Beweisanregung des Klägers, ein Sachverständigengutachten zur Frage der Geeignetheit einer Fahrprobe zur Überprüfung seiner Fähigkeit, mit den „Überforderungen des Straßenverkehrs“ hinreichend zurecht zu kommen, einzuholen, nicht nachgegangen werden müssen. Insoweit sei bereits dargelegt, dass den rechtlichen Vorgaben im Fall des Klägers allein durch eine Fahrprobe nicht genügt werden könne, zumal eine solche nur einen stichprobenhaften Charakter aufweise und daher wegen der nach den bisherigen Untersuchungen im Raum stehenden Wechselhaftigkeit seiner Befindlichkeit die Gefahr eines falsch-positiven Ergebnisses in sich berge. Randnummer 15 Auf den am 18.12.2013 eingegangenen Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 26.5.2014, dem Kläger zugestellt am 30.5.2014, zur Ermöglichung einer Abklärung des aktuellen fahreignungsrelevanten Gesundheitszustandes des Klägers zugelassen. Randnummer 16 Nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 30.7.2014 hat der Kläger seine Berufung unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 7.7.2014 begründet und ergänzend ausgeführt, die Gutachtenanordnung und die aus der Nichtbeibringung des Gutachtens behördlicherseits gezogenen Schlüsse seien rechtswidrig. Der Beklagte müsse erneut über die beantragte Wiedererteilung entscheiden. Das Verwaltungsgericht sei gehindert, die Versagung der Fahrerlaubnis aus Gründen, die der Beklagte bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, im Ergebnis aufrecht zu erhalten. Die behördlicherseits geforderte Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei vom Gesetz nicht zwingend vorgesehen, sondern stehe im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Diese habe jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine medizinisch-psychologische Untersuchung im Hinblick auf das verfolgte Ziel notwendig und angemessen sei, da die Erhebung insbesondere der psychologischen Befunde nicht unerheblich in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen eingreife. Zu berücksichtigen sei bei der Ermessensausübung, dass keine sensorische oder organische Beeinträchtigung vorliege, sondern vielmehr Bedenken bestünden, ob der Kläger den besonderen Belastungen des Straßenverkehrs gewachsen sei. Der Kläger nehme seit Jahren Fahrstunden und verfüge daher über eine kontinuierliche Fahrpraxis. Durch eine von einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr abgenommene Fahrprobe könnten sein Fahrverhalten und seine praktischen Fahrfertigkeiten verlässlich beurteilt werden. Der Ablauf der Fahrprobe könne so gestaltet werden, dass die Erfüllung der an einen Kraftfahrer konkret zu stellenden Anforderungen nachgewiesen werden könnten. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 30.10.2013 - 10 K 739/12 - den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 13.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses vom 26.6.2014 zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis mit der Einschränkung, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs räumlich auf die Kreise Homburg und A-Stadt und das Gebiet der Gemeinde B. sowie zeitlich auf die schnee- und eisfreie Zeit beschränkt wird, wieder zu erteilen, soweit der Kläger seine Fahreignung durch eine Fahrprobe bei einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr nachgewiesen hat, Randnummer 19 hilfsweise, Randnummer 20 den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers zu entscheiden, ihm die Fahrerlaubnis mit der Einschränkung, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs räumlich auf die Kreise Homburg, A-Stadt und das Gebiet der Gemeinde B. sowie zeitlich auf die schnee- und eisfreie Zeit beschränkt wird, wieder zu erteilen, soweit der Kläger seine Fahreignung durch eine Fahrprobe bei einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr nachgewiesen hat. Randnummer 21 Der Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 23 Ausweislich eines zur Akte gereichten Schreibens vom 24.7.2014 an den Kläger fordert der Beklagte diesen auf, die Eignungszweifel spätestens bis zum 24.10.2014 durch Vorlage eines fachärztlichen psychiatrischen Gutachtens, das klären soll, ob die vorliegende Gesundheitsstörung unter Nr. 7.2.1 (leicht) oder unter Nr. 7.2.2 (schwer) der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung fällt, ggf. ob und in welchem Umfang Nachuntersuchungen erforderlich sind, auszuräumen. Randnummer 24 Gegen diese Untersuchungsanordnung hat der Kläger mit Schreiben vom 4.8.2014 Widerspruch eingelegt und mitgeteilt, infolge eines am 28.7.2014 erlittenen Oberschenkelhalsbruches zur Zeit in stationärer Behandlung zu sein. Er werde nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahmen, voraussichtlich in etwa fünf Monaten, auf die Angelegenheit zurückkommen. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Ordner) sowie der Akte des Widerspruchsverfahrens (1 Heft), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 17. Kammer
Hessen
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23.11.2015
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und die einer Änderungskündigung. Der Kläger ist bei der Beklagten als Flugbegleiter mit Stationierungsort Berlin beschäftigt. Der hiermit in Bezug genommene Arbeitsvertrag der Parteien vom 25. April 2006 (Bl. 13 f d.A.) lautet auszugsweise: 1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung (1) Herr A wird ab dem 25.04.2006 als Flugbegleiter in Berlin beschäftigt. (2) Lufthansa kann Herrn A an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen. 2. Rechte und Pflichten Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Gemischt und Interkont geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages. Die Beklagte und die bei ihr aufgrund Tarifvertrages gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG (TV PV) gebildete Gesamtvertretung für das fliegende Personal schlossen den hiermit in Bezug genommenen Interessenausgleich und Sozialplan vom 8. Mai 2013 (IA/SP, Bl. 20 f d.A.), der auszugsweise wie folgt lautet: Erster Abschnitt: Interessenausgleich § 1 Geltungsbereich Dieser Interessenausgleich gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser die in einem Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Lufthansa AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung in einem nicht wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis stehen. ... § 3 Ziele und Maßnahmen Erklärung der Lufthansa zu den Zielen und Maßnahmen: 3.1 "Zur Verbesserung der Marktsituation und notwendigen Verringerung der Kosten wurden von der Geschäftsleitung nach umfangreichen Untersuchungen folgende Maßnahmen beschlossen. Die direkten Europaverkehre der Lufthansa, die alle innerdeutschen und europäischen Verbindungen außerhalb der Drehkreuze Frankfurt und München umfassen, wurden zum 1.1.2013 kommerziell und organisatorisch mit B in einer Gesellschaft auf Basis der B GmbH zusammengeführt. Die hohen Verluste im dezentralen Verkehr machen die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Hamburg, Berlin und Stuttgart notwendig. ... 3.2 Der Arbeitgeber wird die von der Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffenen Mitarbeiter zur Weiterbeschäftigung nach Frankfurt oder München versetzen bzw. ggf. eine Änderungskündigung aussprechen." 3.3 Die Betriebspartner begleiten diesen Prozess, indem sie für die von den Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sozialverträgliche und die Folgen abmildernde Lösungen wie zB. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung, Arbeitnehmerüberlassung gemäß Schlichtungsvereinbarung, befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) entwickeln. Näheres regelt der Sozialplan. § 4 Mitarbeiterbefragung Die von der Schließung bzw. der Einschränkung der Stationierungsorte Düsseldorf, Hamburg, Berlin und Stuttgart betroffenen Mitarbeiter werden über die Einzelheiten ihrer Weiterbeschäftigung bzw. die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung individuell befragt. Die Befragung wird von Lufthansa schriftlich durchgeführt. Entsprechende Musteranschreiben an die betroffenen Mitarbeiter sind als Anlage dem Interessenausgleich und Sozialplan beigefügt. Die Mitarbeiter haben sich verbindlich innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Zugang des Befragungsbogens gegenüber der Lufthansa zu äußern. Sollte keine bzw. keine fristgerechte Äußerung erfolgen - maßgebend ist hierbei das Datum des Eingangs bei Lufthansa - erfolgt die Stationierung nach Bedarf in FRA oder MUC. ... Zweiter Abschnitt: Sozialplan § 6 Ziele des Sozialplans Der Sozialplan dient dem Ausgleich und der Milderung wirtschaftlicher Nachteile und sozialer Härten, die aus Anlass der im Interessenausgleich beschriebenen Maßnahmen und deren Folgen für das Kabinenpersonal entstehen. § 7 Geltungsbereich Dieser Sozialplan gilt für alle Stewardessen und Stewards bzw. Purseretten und Purser der Deutschen Lufthansa AG, die in einem Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Lufthansa AG stehen und auf die der Manteltarifvertrag für das Kabinenpersonal in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet und die von der strukturellen Reform des Direktverkehrs durch die Schließung bzw. Einschränkung ihres Stationierungsortes betroffen sind. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung in einem nicht wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis stehen. ... § 8 Abmilderung der Folgen Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f): a) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung b) Direkter Einsatz aus FRA oder MUC c) Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012 d) Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur B gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012 e) Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) f) Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten. ... e) Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der B. Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25% der Auslagenpauschale sowie 60% des Zuschlags zur Auslagenpauschale. Die auf 25% reduzierte Auslagenpauschale wird bei Teilzeit analog der vorstehenden Regelungen bei Wechsel nach FRA oder MUC gekürzt. Dienstreisetickets mit dem Status S7 werden nach Ablauf der virtuellen Stationierung für einen Zeitraum bis zu 3 Jahren gewährt, so dass sich in Summe immer eine Gesamtlaufzeit von 5 Jahren ergibt. Darüber hinaus hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, für den Zeitraum von einem Jahr eine BahnCard 50 Business Comfort bzw. deren Gegenwert und eine Einmalzahlung in Höhe von 1500 € zu wählen. Nach Ablauf der zwei Jahre des virtuellen Verbleibs am bisherigen Stationierungsort wird der Mitarbeiter zum darauffolgenden Winter- bzw. Sommerflugplanwechsel gemäß Ergebnis der nach § 4 erfolgenden Mitarbeiterbefragung in FRA (Einsatzgruppe nach Bedarf) oder MUC eingesetzt werden. Privilegierte Rückkehroption Für den Fall, dass Lufthansa einen Stationierungsort zu einem späteren Zeitpunkt wieder eröffnet oder neuer Bedarf besteht, wird dem von der Schließung und Versetzung betroffenen Mitarbeiter eine Rückkehrmöglichkeit zu seinem ursprünglichen Stationierungsort eingeräumt, von der er vor allen Anderen Gebrauch machen kann. Dies gilt auch für eine Neueröffnung von Stationierungsorten (z.B. BER statt TXL). Dasselbe gilt für Mitarbeiter, die von Düsseldorf nach Frankfurt oder München versetzt werden, soweit zu einem späteren Zeitpunkt in Düsseldorf aufgrund von Fluktuation oder Wachstum wieder Einstellungsbedarf besteht. Nach Befragung und Übersendung eines Fragebogens wählte der Kläger ausweislich des Schreibens seines Bevollmächtigten vom 24. Juni 2013 (Bl. 45 f d.A.) unter Vorbehaltszusatz die Option der Variante b) mit Stationierungsort Frankfurt am Main. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 (Bl. 91 R f d.A.) an sowohl die Gruppenvertretung der Purseretten/Purser als auch die Gruppenvertretung der Stewardessen/Stewards bat die Beklagte gemäß § 88 TV PV um Zustimmung zur Versetzung der in der beigefügten Liste aufgeführten Mitarbeiter - darunter der Kläger - nach Frankfurt am Main. Sowohl die Gruppenvertretung der Purseretten/Purser als auch die Gruppenvertretung der Stewardessen/Stewards stimmten unter dem Datum des 12. Dezember 2013 zu. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 (Bl. 19 d.A.) - nicht wie irrtümlich vorgetragen vom 16. Dezember 2013 - versetzte die Beklagte den Kläger zum 1. April 2014 nach Frankfurt am Main, und wies ihm ab diesem Zeitpunkt Frankfurt am Main als Einsatzort zu. Nachdem der Kläger hiergegen Klage erhoben hatte, hörte die Beklagte mit Schreiben vom 18. März 2014 (Bl. 89 f d.A.) die Gruppenvertretung der Stewardessen/Stewards zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 26. März 2014 (Bl. 61 f d.A.) erklärte sie gegenüber dem Kläger die ordentliche Änderungskündigung verbunden mit dem Angebot einer Weiterbeschäftigung mit Einsatz-/Stationierungsort Frankfurt am Main. Der angebotene neue Arbeitsvertrag (Bl. 65 f d.A.) enthält u.a. folgende Formulierungen: 3. Inkrafttreten Voraussetzung für das Zustandekommen und die Durchführung des Vertrages ist: - Die ärztliche Bestätigung der Flugdiensttauglichkeit von Herrn A. - Das Vorliegen der erforderlichen behördlichen Erlaubnisse für die Beschäftigung als Flugbegleiter/in, insbesondere der positiven Zuverlässigkeitsüberprüfung ... 5. Betriebliche Altersversorgung Lufthansa verpflichtet sich, die bisherige Altersversorgung von Herrn A zu übernehmen und entsprechend dem in Nachwirkung befindlichen Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Kabinenpersonal bis zu dem Zeitpunkt für Herrn A fortzuführen, zu dem eine ablösende neue Regelung in Kraft tritt. 6. Überprüfung nach § 7 Luftsicherheitsgesetz Verliert Herr A während des laufenden Arbeitsverhältnisses die Berechtigung zur Ausübung ihres Berufs durch Verfall oder Entzug der behördlichen Erlaubnisscheine, stellt insbesondere die zuständige Luftsicherheitsbehörde fest, dass Herr A die nach § 7 Luftsicherheitsgesetz erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt, endet das Arbeitsverhältnis. 7. Flugdiensttauglichkeit Wird bei Herrn A während des laufenden Arbeitsverhältnisses Flugdienstuntauglichkeit festgestellt, endet das Arbeitsverhältnis. 8. Schlussbestimmungen Soweit nicht individuelle Vereinbarungen getroffen werden, bedürfen alle Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für die Aufhebung der Schriftform. Mit Schreiben vom 8. April 2014 (Bl. 62 d.A.) nahm der Kläger das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung bzw. Wirksamkeit an. Mit seiner Klage, die er mit am 11. April 2014 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Schriftsatz u.a. um einen Änderungsschutzantrag erweitert hatte, hat sich der Kläger gegen Versetzung und Änderungskündigung gewandt. Wegen weiterer Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 191 bis 194R d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch am 16. September 2014 verkündetes Urteil, 5 Ca 1238/14, unter Klageabweisung im Übrigen die Unwirksamkeit sowohl der Versetzung vom 16. Dezember 2013 - gemeint offensichtlich: 13. Dezember 2013 - als auch der Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. März 2014 festgestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Versetzung entspräche nicht billigem Ermessen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, eine ordnungsgemäße Abwägung der wechselseitigen Interessen durchgeführt zu haben. Angesichts eines noch mehrere hundert Flüge monatlich umfassenden Flugvolumens in Berlin erscheine es nicht nachvollziehbar, gegenüber sämtlichen dort beschäftigen Arbeitnehmern ohne Ausnahme und ohne Rücksicht auf die jeweiligen sozialen Verhältnisse eine Versetzung anzuordnen. Hinzu komme, dass die Beklagte sich selbst in der Lage gesehen habe, sämtlichen betroffenen Arbeitnehmern für zwei Jahre den virtuellen Verbleib am bisherigen Stationierungsort anzubieten. Aus denselben Gründen sei die Änderungskündigung unverhältnismäßig. Hinzu komme, dass die Änderungskündigung zu weitgehend sei, da das Änderungsangebot eine im bisherigen Vertrag nicht enthaltene doppelte Schriftformklausel enthalte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 194R bis 197 d.A.) verwiesen. Gegen dieses ihr am 7. November 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2. Dezember 2014 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund am 12. Dezember 2014 eingegangenen Antrags erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 9. März 2015 am 9. März 2015 begründet. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Vortrag und meint, die angefochtene Entscheidung verkenne, dass sie die unterschiedlichen individuellen Belange ihrer Mitarbeiter im Rahmen der Umsetzung des neuen Stationierungskonzepts beachtet und gegenüber ihren unternehmerischen Interessen abgewogen habe. Eine solche Abwägung habe bereits dadurch stattgefunden, dass sie die persönlichen Interessen bezüglich der im IA/SP angebotenen verschiedenen Maßnahmen bei jedem Mitarbeiter abgefragt und im Rahmen der Versetzung berücksichtigt habe. Sie meint, eine Abwägung dahin, dass sie einzelne Arbeitnehmer nicht versetze, sei nicht in Betracht gekommen, da es sich in Berlin nicht um eine Teilschließung gehandelt habe, die ggf. ein Auswahlverfahren unter Berücksichtigung der Einzelfallinteressen erfordert hätte, sondern um eine vollständige Schließung unter Einbeziehung aller Arbeitnehmer zum einheitlichen Schließungsdatum 1. April 2014. Die Beklagte behauptet, seit dem 1. April 2014 finde kein Einsatz des Kabinenpersonals mehr aus Berlin statt. Ein sog. "Originärprogramm" aus Berlin heraus habe ab diesem Zeitpunkt nicht mehr stattgefunden. Flüge von und zu den HUBs Frankfurt am Main und München seien ab 1. April 2014 aus diesen heraus operiert und gesteuert worden. Die betreffenden Flugbegleiter bzw. Purser seien ab diesem Zeitpunkt ab Frankfurt am Main oder München als Teil von komplexeren Umläufen von drei bis fünf Tagen nach Berlin und zurück geflogen. Die Zahl der sog. Direktflüge aus Berlin heraus habe sich von noch 2.896 im Monat September 2012 auf Null reduziert. Sofern sie nach dem Schließungszeitpunkt noch einige wenige Flüge von Berlin heraus durchgeführt habe, habe es sich um Flüge gehandelt, die sie im Auftrag der B GmbH (in der Folge: B) geflogen sei, da diese im Rahmen des Übernahmeprozesses unvorhergesehen und übergangsweise vereinzelt noch nicht über ausreichend eigene Kapazitäten verfügt habe, wobei das wirtschaftliche Risiko und die wirtschaftliche Verantwortung für diese Flüge bereits bei der B gelegen hätten. Die Beklagte behauptet, eine erneut vorgenommene Analyse bestätige, dass sich ihr Flugvolumen durch die Übernahme der sog. Direktverbindungen durch die B um 49,1 % auf 50,1 % des ursprünglichen noch im September 2012 bestehenden Flugvolumens reduziert habe. Sie meint, die angefochtene Entscheidung verkenne, dass wesentlicher Bestandteil ihrer Neuausrichtung sei, infolge der Übertragung des gesamten Direktverkehrs an die B keine sog. Direktflüge von und nach Berlin mehr durchzuführen und dass deshalb auch die Station Berlin geschlossen worden sei, da eine Aufrechterhaltung unter diesen Umständen wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten gewesen sei. Die Beklagte vertieft insoweit auch ihren Vortrag zu der mit der Restrukturierung verfolgten Kostenersparnis und Verbesserung der betrieblichen Abläufe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen auf Seiten 11 f des Schriftsatzes vom 6. März 2015 (Bl. 220 f d.A.) verwiesen. Sie führt aus, Organisationsentscheidung sei, dass sie künftig nur noch von den HUBs aus ihre Umläufe fliege, somit auch nur dort stationiert sei und sie den Stationierungsort Berlin schließe. Sie führt aus, wie im Interessenausgleich und Sozialplan angenommen seien zum Schließungszeitpunkt, dem 31. März 2014, alle "Flugzeuge der Direktverkehre in Berlin" in das AOC der B übergegangen. Sie führt aus, die Zweckmäßigkeit der von ihr beschlossenen Neuordnung unterliege keiner gerichtlichen Kontrolle, für Missbrauch oder Willkür bestehe kein Anhaltspunkt. Die Beklagte meint, wenn die angefochtene Entscheidung sinngemäß verlange, dass sie zumindest bis zum Ablauf der zweijährigen sog. "virtuellen Stationierung" von der Versetzung hätte absehen können, so verkenne sie, dass dann wesentliche Teile des neuen Stationierungskonzepts nicht hätten umgesetzt werden können. Auch dem "virtuellen Verbleib" hätte eine Versetzung und damit eine örtliche Stationierung in Frankfurt am Main oder München mit dem dortigen Beginn der Umläufe zugrunde gelegen. Bei einem Absehen von der streitgegenständlichen Versetzung und dem damit verbundenen virtuellen Verbleib hätte die Schließung des jeweiligen Standortes mit der damit verbundenen erheblichen Kostensenkung und die weitergehende Einsatzplanung aufgrund mehrtägiger Umläufe von den HUBs aus nicht umgesetzt werden können. Die Beklagte meint, die vollständige Schließung des Standorts sei nur mit der Versetzung - die den virtuellen Verbleib wiederum mit einschließe - aller Mitarbeiter in eine der HUBs bzw. dem Ausscheiden gegen Abfindung oder dem Einsatz bei der B im Wege der Arbeitnehmerüberlassung umzusetzen gewesen. Die Beklagte meint, die Personalvertretung ordnungsgemäß beteiligt zu haben, vertritt die Auffassung, die Versetzung basiere auf einem einvernehmlichen Wechsel, der durch die außergerichtliche Mitteilung des Klägers begründet worden sei, welche Maßnahme des Sozialplans gewünscht werde, und meint, jedenfalls sei die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt. Sie meint, durch die Formulierungen im Kündigungsschreiben sei deutlich gemacht worden, dass neben der örtlichen Versetzung kein Eingriff in bestehende Arbeitsbedingungen hätten vorgenommen werden sollen. Der beigefügte Arbeitsvertrag enthalte auch rein deklaratorische Verweise auf die bestehende Rechtslage. Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 6. März 2015 (Bl. 210 f d.A.) und 01. Oktober 2015 (Bl. 302 f d.A.) verwiesen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2014, 5 Ca 1238/14, abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags und meint, unzureichende Ermessensausübung zeige sich schon daran, dass die Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung individueller Sozialdaten und familiärer Umstände unterblieben sei. Da in Berlin noch Flugvolumen vorhanden sei, sei die Versetzung aller Flugbegleiter und Purser willkürlich. Er meint, eine von der Beklagten behauptete Stationsschließung sei überhaupt nicht durchgeführt, was sich aus dem Angebot des sog. "virtuellen Verbleibs" ergebe. Er hält daran fest, die Personalvertretung sei zur Versetzung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Auch die Änderungskündigung sei unwirksam. Gründe bestünden nicht. Die Kündigung sei darüber hinaus unverhältnismäßig, wobei das Änderungsangebot weitergehende Änderungen als die Veränderung des Stationierungsorts enthalte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 29. Mai 2015 (Bl. 274 f d.A.) und 8. Oktober 2015 (Bl. 326 f d.A.) verwiesen. Der Schriftsatz vom 22. Oktober 2015 lag der Kammer bei der Beratung vor und gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 2014, 5 Ca 1238/14, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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VG Berlin 7. Kammer
Berlin
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14.03.2013
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt Verlängerung der Dauer ihres Mutterschutzes für ihr am 17. Juli 2009 geborenes Kind. Randnummer 2 Die am 13. Februar 1970 geborene Klägerin steht als Richterin im Dienst des Beklagten. Ihr Statusamt ist seit dem 28. Februar 2003 Richterin am Landgericht. Sie ist Mutter von vier (am 10. Mai 2001, am 6. September 2003, am 11. April 2006 und am 17. Juli 2009) geborenen Kindern. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes gewährte ihr der Präsident des Landgerichts auf ihren Antrag für den Zeitraum 3. Dezember 2003 bis 2. August 2004 Elternzeit und verlängerte diese in der Folgezeit mehrfach bis einschließlich 1. September 2009. Randnummer 3 Unter dem 15. Mai 2009 teilte die Klägerin ihre Schwangerschaft mit ihrem vierten Kind mit. In dem von der Klägerin mit der Anzeige übersandten ärztlichen Attest wurde der 10. August 2009 als voraussichtlicher Entbindungstermin und der 28. Juni 2009 als letzter Arbeitstag mitgeteilt. Unter dem 7. August 2009 teilte die Klägerin mit, ihr viertes Kind sei bereits am 17. Juli 2009 geboren worden und reichte eine ärztliche Bescheinigung ein, wonach die Geburt, weil in der 36 Schwangerschaftswoche geschehen, als Frühgeburt einzustufen sei und das Geburtsgewicht des Kindes zwar über 2.500 g betragen habe, aber wesentlich erweiterte Pflegebedürftigkeit wegen verfrühter Beendigung der Schwangerschaft bestehe. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 2. September 2009 teilte der Präsident des Landgerichts der Klägerin mit, ihre Mutterschutzfrist ende am 9. Oktober 2009. Zwar sehe § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG vor, dass sich die Mutterschutzzeit um den Zeitraum der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG verlängere, der der Arbeitnehmerin wegen einer Frühgeburt oder einer sonstigen vorzeitigen Entbindung entgangen sei. Vorliegend bedürfe es einer Verlängerung trotz der mitgeteilten Frühgeburt aber nicht. Die Klägerin habe sich nämlich vor der Geburt in Elternzeit befunden und habe daher nicht vor Gefahren, Überforderung und Gesundheitsschäden am Arbeitsplatz geschützt werden müssen. Randnummer 5 Am 23. September 2009 erhob die Klägerin Widerspruch mit dem Ziel der Verlängerung ihrer Mutterschutzzeit über den 9. Oktober 2009 hinaus bis zum 2. November 2009. Zur Begründung führte sie aus, ihre Mutterschutzfrist sei um die ihr aufgrund der Frühgeburt entgangene Mutterschutzzeit vor Entbindung von sechs Wochen zu verlängern. Die Verweigerung dieser Verlängerung wegen der während der Mutterschutzfrist bestehenden Elternzeit sei schon mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG nicht vereinbar. Auch entspreche die Zweckargumentation (fehlendes Schutzbedürfnis) des Präsidenten des Landgerichts nicht dem Zweck der Norm. Der Zweck der Norm sei nämlich kompensatorischer Natur. Es gehe nicht um die Anerkennung weiterer nach der Geburt bestehender Schutzbedürftigkeit. Schließlich verletze die Versagung der Verlängerung von Mutterschutz auch Art. 8 der RL 92/85/EWG. Danach müssten die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass allen Arbeitnehmerinnen ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt werde. Diese Verpflichtung werde auch nicht durch die Gewährung von Elternurlaub erfüllt. Denn Elternurlaub und Mutterschaftsurlaub verfolgten unterschiedliche Zwecke. Randnummer 6 Den Widerspruch der Klägerin wies die Präsidentin des Kammergerichts mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2010, der Klägerin zugestellt am 2. Februar 2010, aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Randnummer 7 Am 1. März 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung nimmt sie der Sache nach Bezug auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, Randnummer 9 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts Berlin vom 2. September 2009 und des Widerspruchsbescheides der Präsidentin des Kammergerichts vom 28. Januar 2010 zu verpflichten, ihre Mutterschutzfrist für ihr am 17. Juli 2009 geborenes Kind über den 9. Oktober 2009 hinaus bis einschließlich 2. November 2009 festzulegen. Randnummer 10 Der Beklagte beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Zur Begründung nimmt der Beklagte der Sache nach Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide. Randnummer 13 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Streitakte (1 Band) und den Verwaltungsvorgang (1 Hefter), die dem Gericht vorlagen und Gegenstand des Erörterungstermins waren.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des Landgerichts vom 2. September 2009 und des Widerspruchsbescheides der Präsidentin des Kammergerichts vom 28. Januar 2010 verpflichtet, der Klägerin über 9. Oktober 2009 hinaus bis zum 2. November 2009 weitere Mutterschutzzeit zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Übernahme von Beiträgen zur Unfallversicherung im Rahmen einer von der Beklagten erbrachten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei den Klägern. 2 Die Kläger zu 1 und 2 sind seit dem 18.10.2003 Pflegeeltern des am ... geborenen Kindes C. J. Die Klägerin zu 1 ist mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 26.02.2009 zusätzlich zum Vormund des Kindes bestellt worden. Beide Kläger haben mit gemeinsamem Schreiben vom 11.05.2017 bei der Beklagten die Erstattung ihrer Aufwendungen als Pflegeeltern für eine private Unfallversicherung im Zeitraum von 2005 bis 2017 gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII beantragt. 3 Mit Bescheid vom 06.06.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine rückwirkende Erstattung der Versicherungsbeiträge nicht möglich sei. Es habe an einer vorherigen Anzeige eines entsprechenden Bedarfs gefehlt; der Sozialhilfeträger sei nicht verpflichtet, einen bestimmten Bedarf zu erahnen. Für die Versicherungsbeiträge bis zum 31.12.2016 fehle es daher am Gegenwartsbezug. Im Hinblick auf die Erstattungsansprüche für die bis zum 31.12.2012 entrichteten Beiträge erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung. 4 Gegen den Bescheid legten die Kläger mit gemeinsamem Schreiben vom 07.07.2017 Widerspruch ein; zugleich beschränkten sie ihre Forderung aufgrund der Verjährung auf die seit 2013 entrichteten Beiträge. Zur Begründung führten sie aus, dass die Beitragserstattung nach § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII keines Antrags bedürfe, sodass sich der Erstattungsanspruch nicht auf die in der Zukunft anfallenden Kosten beschränke. Vielmehr lege der Gesetzeswortlaut nahe, dass zunächst die Aufwendungen zur Unfallversicherung getätigt würden und anschließend die Erstattung erfolge. 5 Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 21.08.2017 die Erstattung von 220,15 Euro (Bruttobeitrag inkl. Versicherungssteuer) für die 2017 entrichteten Beiträge zur Unfallversicherung. 6 Am 10.10.2017 haben beide Kläger Untätigkeitsklage erhoben. 7 Mit einem an die Klägerin zu 1 als Vormund des Pflegekindes C. J. gerichteten Widerspruchsbescheid vom 12.01.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung trug sie vor, es dürfte unstrittig sein, dass die Widerspruchsführerin als Jugendliche, die Leistungen nach § 27 i.V.m. §§ 33, 39 SGB VIII beziehe, zum Personenkreis gehöre, welcher grundsätzlich leistungsberechtigt sei. Die wirtschaftliche Jugendhilfe habe lediglich Annex-Charakter und die Deckung gegenwärtiger Bedarfe Vorrang. Eine rückwirkende Bewilligung von Leistungen zum Unterhalt sei daher ausgeschlossen. Eine Selbstbeschaffung der Hilfe ohne vorherige Befassung des zuständigen Jugendhilfeträgers begründe grundsätzlich keinen Leistungsanspruch. Eine Ausnahme sei allenfalls dann möglich, wenn der Jugendhilfeträger eine beantragte Leistung rechtswidrig ablehne, die Entscheidung über die Übernahme verzögere und Eile geboten sei. Dies sei nicht der Fall gewesen. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistung sei seitens des Jugendhilfeträgers nicht erforderlich, im Übrigen aber in der Handreichung für interessierte Pflegeeltern seit Jahren enthalten. 8 Die Kläger haben die Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheids als Verpflichtungsklage aufrechterhalten und mit dem Antrag fortgeführt, die Beklagte zur Übernahme von Unfallversicherungsbeiträgen der Kläger für die Kalenderjahre 2013 bis 2017 in Höhe von 1.100,80 EUR zu verpflichten. Sie haben vorgetragen, dass der Erstattungsanspruch der Person zustehe, die entsprechende Aufwendungen getätigt habe. Er unterscheide sich grundlegend von den anderen laufenden Leistungen nach § 39 SGB VIII, da er gerade keine Annexleistung zum Unterhalt darstelle, der schlechterdings nur für die Zukunft bewilligt werden könne. Eine zeitliche Beschränkung des Erstattungsanspruchs könne sich daher allenfalls aus der vierjährigen Verjährungsfrist ergeben. 9 In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg haben die Kläger ihre Klage hinsichtlich der Unfallversicherungsbeiträge für das Jahr 2017 zurückgenommen. Die Beklagte hat ergänzend vorgetragen, dass Inhaber des Anspruchs auf Erstattung der Unfallversicherungsbeiträge - ebenso wie bei den Unterhaltsleistungen nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII - allein die Personensorgeberechtigten, nicht aber die Pflegeeltern seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum und inwiefern die Beiträge zu Unfallversicherung und Altersvorsorge von den Leistungen nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII abweichen sollten. 10 Mit Urteil vom 09.01.2019 hat das Verwaltungsgericht Freiburg den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2017 und deren Widerspruchsbescheid vom 12.01.2018 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Unfallversicherungsbeiträge für die Jahre 2013 bis 2016 (in Höhe von 880,60 Euro) zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der notwendige Unterhalt nach § 39 Abs. 1 SGB VIII einerseits die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes umfasse, der als regelmäßig wiederkehrender Bedarf durch laufende Leistungen nach § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gedeckt werden solle. Dazu zählten ausweislich § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII auch die nachgewiesenen Aufwendungen für die Beiträge zu einer Unfallversicherung. Der Erstattungsanspruch stehe der Pflegeperson selbst und damit beiden Klägern zu. Zwar lege der Wortlaut des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nahe, dass der Erstattungsanspruch als Annex zu den laufenden Leistungen der Hilfe zur Erziehung den personensorgeberechtigten Personen zustehe. Danach wäre die Klägerin zu 1 als Vormund des Pflegekindes auch hinsichtlich des Erstattungsanspruchs des Klägers zu 2 aktivlegitimiert. Die Regelung sei in systematischer Hinsicht jedoch verfehlt und führe zu impraktikablen Ergebnissen. Eine Erstattung sei nur dort sinnvoll und möglich, wo tatsächlich Kosten entstanden seien. In der Praxis erfolge diese daher aufgrund entsprechender Vereinbarungen zwischen Sorgeberechtigten und Pflegepersonen, etwa einer Abtretung oder einer Bevollmächtigung, in aller Regel unmittelbar an diese. Der durch den Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe neu eingefügte Satz 2 des § 39 Abs. 4 SGB VIII bilde in der Regelungssystematik einen Fremdkörper und sei, da sich die Erstattungsregelung grundlegend von den übrigen laufenden Leistungen unterscheide, im Hinblick auf Regelungsort und -technik atypisch. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine Parallele zur Bemessung des Pflegegeldes an Tagespflegepersonen hergestellt; diesen seien die Kosten einer Unfallversicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII selbst und unmittelbar zu erstatten. Sinn und Zweck des § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sei die Steigerung der Attraktivität der Übernahme von Hilfen zur Erziehung durch eine zusätzliche Absicherung der Pflegeperson gewesen. Da nur diese durch die Erstattung der Versicherungsbeiträge finanziell entlastet würden und nur diese einen Nachweis über deren Höhe führen könnten, seien die Pflegepersonen für den Erstattungsanspruch aktivlegitimiert. Die tatsächlich entrichteten Beiträge seien rückwirkend zu erstatten, da § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sich gerade nicht auf die laufenden Kosten zur Deckung konkreter Unterhaltsbedarfe beziehe, sondern ausweislich des Wortlauts der Norm „entstandene Kosten“ zu decken seien. Über die Verjährung hinaus bestehe daher keine zeitliche Einschränkung der rückwirkenden Erstattung. 11 Gegen das Urteil hat die Beklagte am 14.02.2019 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese nach Gewährung einer Fristverlängerung am 18.04.2019 begründet. Sie trägt vor, die Klage sei hinsichtlich des Klägers zu 2 mangels Aktivlegitimation abzuweisen, hinsichtlich der Klägerin zu 1 sei sie unbegründet. Inhaber des Anspruchs auf Erstattung der Unfallversicherungsbeiträge seien die Personensorgeberechtigten. Bereits der Wortlaut der Norm weise den Anspruch auf die Annexleistungen der Hilfe zur Erziehung nach § 27 i.V.m. § 33 SGB VIII der sorgeberechtigten Person zu; die Bedarfe für den Kindesunterhalt und die Vorsorgeaufwendungen der Pflegeperson seien sprachlich zu einer laufenden Leistung zusammengefasst. Auch systematisch sei eine Aufspaltung der Anspruchsinhaberschaft nicht geboten. Dem Pflegeverhältnis liege eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen Pflegeperson und sorgeberechtigter Person zugrunde. Dies sei die Basis für die Vergütung der Pflegeperson; die Beklagte als Trägerin der Jugendhilfe sei wiederum gegenüber der Personensorgeberechtigten aufgrund der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung zur Zahlung der Annexleistungen verpflichtet. Die aus der Bewilligung der Vollzeitpflege resultierenden Ansprüche der Pflegeeltern gegen den Jugendhilfeträger seien in § 37 SGB VIII gesondert geregelt; darüber hinaus bestünden keine Ansprüche. Anderenfalls würde etwa dann eine Lücke entstehen, wenn der Jugendhilfeträger die Gewährung von Hilfen zur Erziehung ablehne, die sorgeberechtigte Person das Kind aber gleichwohl bei den Pflegeeltern belasse und den Pflegevertrag mit dieser nicht beende: In diesem Fall bestünde die Vergütungspflicht im Verhältnis zu den Pflegeltern fort. Systematisch sei daher notwendigerweise die gesamte laufende Leistung nach § 39 SGB VIII an die Anspruchsinhaberschaft für die Hilfe zur Erziehung gekoppelt. Dass die Personensorgeberechtigten in der Praxis ihre Ansprüche oftmals abträten und Direktzahlungen erfolgten, sei ein Umstand, der die praktische Abwicklung erleichtere, sich aber nicht eigne, den Gesetzeswortlaut zu widerlegen. Im Übrigen lasse sich auch vertreten, dass die Bewilligung der Hilfe zur Erziehung einen Schuldbeitritt im Umfang der Bewilligung darstelle. Eine Aufspaltung der Anspruchsinhaberschaft führte dazu, dass die Unfallversicherungsbeiträge als „Annex zur Annexleistung“ von der Pflegeperson eigenständig einklagbar wären, obwohl dieser im Rahmen der Hilfe zur Erziehung keine eigenständige Rechtsposition zukomme. Das Argument, dass ausweislich der Gesetzesbegründung nur nachgewiesene Kosten zu erstatten seien, überzeuge nicht. Zwar gleiche die Regelung der Anspruchsnormierung derjenigen im Bereich der Kindertagespflege, dort sei aber bereits nach dem Gesetzeswortlaut die Tagespflegeperson Anspruchsinhaberin. Im allgemeinen Leistungserbringungsrecht des SGB VIII, dem die Regelung zur laufenden Leistung nach § 39 SGB VIII zuzuordnen sei, gebe das leistungsrechtliche Dreieck die Rechtsbeziehungen vor. § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begrenze den Anspruch der Personensorgeberechtigten auf diejenigen Ansprüche, die sie über die von ihr beauftragte Pflegeperson nachweisen müsse, aber auch nachweisen können müsste. An dem Nachweis der Aufwendungen hätten sowohl die Personensorgeberechtigte als auch Pflegeperson ein Interesse. Die Abwicklung begegne aufgrund der in der Praxis üblichen Anspruchsabtretung an die Pflegeeltern keinen Schwierigkeiten. 12 Hinsichtlich der Klägerin zu 1 sei die Klage unbegründet. Die rückwirkende Erstattung sei nicht möglich; sie widerspreche unabhängig von der Inkenntnissetzung des Jugendhilfeträgers dem Rechtsgedanken des § 36a SGB VIII. Als Regelung zur Gewährleistung der Steuerungs- und Finanzierungskompetenz des Jugendhilfeträgers gehe § 36a SGB VIII den Verjährungsregeln vor. Nach § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII komme eine Übernahme der Kosten durch den Jungendhilfeträger nur in Betracht, wenn diese aufgrund seiner Entscheidung im Rahmen der Hilfeplanung entstanden seien. Dies setze voraus, dass ein entsprechender Bedarf an den Träger herangetragen worden sei; dies gelte insbesondere für die Annexleistungen, deren Höhe nach § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nachzuweisen sei. Zwar sehe das SGB VIII kein formales Antragserfordernis vor. Dass der Träger über die Kosten in Kenntnis zu setzen sei, ergebe sich jedoch aus § 36a Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII. Anderenfalls könne der Träger die Angemessenheit der Unfallversicherung nicht ermitteln und damit seiner Finanzierungsverantwortung nicht nachkommen. Da eine private Unfallversicherung lediglich in 39% aller Haushalte in der Bundesrepublik bestehe, sei eine Berücksichtigung der Beitragszahlungen im Rahmen von § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nicht regelhaft geboten. Die Regelung des § 36a SGB VIII sei gleichzeitig mit § 39 SGB VIII in Kraft getreten; es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht auf die Unfallversicherungsbeiträge der Pflegeperson anwendbar sei. Im Gegenteil finde sie als allgemeiner Grundsatz der Leistungen des 3. Unterabschnitts des 4. Abschnitts des SGB VIII auf die dort normierten Leistungen Anwendung. Dem Ziel des Gesetzgebers, Pflegeverhältnisse attraktiver zu machen, sei mit der Schaffung der Möglichkeit zur Erstattung von Unfallversicherungsbeiträgen 2005 Rechnung getragen worden. Eine Regelung, wie und über welche Zeiträume dies gelte, sei nicht getroffen worden, sodass insoweit auf die allgemeinen Regelungen zurückzugreifen sei. 13 Die Beklagte beantragt, 14 das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 09.01.2019, Az. 4 K 4857/18 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 15 Die Kläger zu 1 und 2 beantragen, 16 die Berufung zurückzuweisen. 17 Zur Begründung verweisen sie auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie auf ihre Klagebegründung vom 12.02.2018. 18 Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. 19 Dem Senat liegen die Akten der Stadt Freiburg, Amt für Soziales und Senioren, sowie des Verwaltungsgerichts Freiburg vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 9. Januar 2019 - 4 K 8757/17 - hinsichtlich des Klägers zu 2 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Hinsichtlich der Klägerin zu 1 wird die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, der Klägerin zu 1 die Beiträge zur privaten Unfallversicherung für die Jahre 2013 bis 2016 für beide Kläger in Höhe von insgesamt 880,60 Euro zu erstatten. Von den im gerichtskostenfreien Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Hälfte der Kläger zu 2 und 1/10 die Klägerin zu 1. Die Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den im gerichtskostenfreien Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof angefallenen außergerichtlichen Kosten trägt die Beklagte diejenigen der Klägerin zu 1, der Kläger zu 2 diejenigen der Beklagten zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Koblenz 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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22.08.2017
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch den Beklagten ab dem Schuljahr 2015/2016. Randnummer 2 Der Kläger ist wohnhaft in der A.-Straße ... in B. und besucht momentan die 3. Klasse der C. Grundschule in B., welche sich in der D.-Straße ... in B. befindet. Im September 2015 beantragte die Mutter des Klägers die Übernahme von Schülerfahrtkosten durch den Beklagten ab dem Schuljahr 2015/2016. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 29. September 2015 lehnte der Beklagte die Übernahme der Schülerfahrtkosten ab und führte aus, dass die Voraussetzungen für eine Fahrtkostenübernahme nicht gegeben seien. Eine Übernahme der Fahrtkosten sei nach § 69 Abs. 2 Satz 1 des Schulgesetzes (SchulG) in Verbindung mit der Satzung über die Schülerbeförderung und den Schülerbeförderungsrichtlinien nur möglich, wenn der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar sei, weil er entweder besonders gefährlich sei oder der kürzeste, nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und Grundschule länger als 2 km sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung enthielt keinen Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Widerspruchs. Randnummer 4 Der Großvater des Klägers, Herr E., sprach am 5. Oktober 2015 unter Vorlage einer am selben Tage ausgestellten Vollmacht der Mutter des Klägers vor, wandte sich gegen den Bescheid vom 29. September 2015 und legte zwei Pläne mit Erläuterungen vor, mit denen er als zumutbaren Schulweg einen mehr als 2 km langen Weg beschrieb. Es gab weitere Telefonate und E-Mails zwischen dem Sachbearbeiter und dem Großvater des Klägers, in denen dieser auf den erhobenen Widerspruch hinwies und in denen Details erörtert wurden. Dabei wies der Beklagte auch auf den nach seiner Ansicht kürzesten nicht besonders gefährlichen Weg hin, der von der A.-Straße über F.-Straße, G.-Straße, H.-Straße, Schulstraße bis zur Grundschule Haupteingang (D.-Straße) verläuft. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 27. November 2015, das der Großvater des Klägers anlässlich eines Gesprächstermins am 1. Dezember 2015 dem Beklagten übergab, „bestätigte er im Nachgang zu seinem am 7. Oktober 2015 im Dienstzimmer von Herrn I. zur Niederschrift eingelegten Widerspruch, nun denselben in Schriftform". Zur Begründung führte er an, dass der von dem Beklagten angegebene kürzeste Schulweg nicht sicher genug sei. Der einzig verantwortbare kürzeste Schulweg über Bürgersteige und ausgewiesene Gehwege des gerade neu eingeschulten Kindes, der über die J.-Straße, Am K., In den L., Im M., N.-Straße, O.-Straße, Hauptstraße, P.-Wiese, H.-Straße, Schulstraße, D.-Straße führe, überschreite die Zumutbarkeitsgrenze von 2 km. Randnummer 6 Während des Widerspruchsverfahrens führte der Beklagte am 16. Dezember 2015 eine Ortsbegehung mit dem Großvater des Klägers und unter Beteiligung zweier Beamter der Polizeiinspektion S. durch. Letztere teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 12. Januar 2016 unter Beifügung einer Lichtbildmappe mit, dass sie das Kriterium der besonderen Gefährlichkeit des Schulweges im Hinblick auf die Verkehrssituation in der G.-Straße als erfüllt ansehe. Mit Schreiben vom 2. März 2016 erläuterte die Polizeiinspektion S. mit Ausdrucken aus der Verkehrsunfallstatistik, dass auch die von dem Beklagten ergänzend benannten Wege schon vorab als weniger tauglich aus der Ortsbesichtigung am 16. Dezember 2015 ausgeschlossen worden seien. Diese Auffassung werde aufrechterhalten. Randnummer 7 Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten wies den Widerspruch aufgrund der mündlichen Erörterung vom 27. Oktober 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2016 – KRA 0172-16 – zurück und führte im Wesentlichen aus, der Widerspruch sei bereits mangels Einhaltung der Widerspruchsfrist unzulässig. Hilfsweise sei der Widerspruch im Übrigen auch unbegründet gewesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung. Der Schulweg sei nach § 69 Abs. 2 SchulG ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar, wenn er besonders gefährlich sei oder wenn der kürzeste nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und Grundschule länger als 2 km sei. Maßgebend für die besondere Gefährlichkeit im Sinne des § 69 SchulG seien dabei nicht die subjektiven Befürchtungen und Sorgen von Eltern oder den Schülern selbst, sondern lediglich „objektive Gegebenheiten". Deren Beurteilung sei nach den einschlägigen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung in Anlehnung an den polizei- und ordnungsrecht-lichen Gefahrbegriff vorzunehmen. Der Fußweg sei somit gefährlich im Sinne des Gesetzes, wenn die Wahrscheinlichkeit der Schädigung von Rechtsgütern wie Leben, Leib und körperliche und persönliche Unversehrtheit gegeben seien. Das zusätzliche Merkmal „besonders" gefährlich umschreibe und verlange eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Im vorliegenden Fall lägen keine Anhaltspunkte für eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges im Sinne des § 69 Abs. 2 SchulG vor. Wegen der weiteren Einzelheiten insbesondere zu den einzelnen vorgeschlagenen Wegen wird auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2016 verwiesen. Randnummer 8 Mit der am 26. Januar 2017 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens weiter. Er führt unter anderem ergänzend aus, bei einem von dem Beklagten organisierten Ortstermin am 16. Dezember 2015 seien lediglich die Wege in Augenschein genommen worden, welche überhaupt als nicht besonders gefährlich infrage kommen könnten. Die Polizeikommissarin Q. sowie der Polizeioberkommissar R. seien Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion S. und hätten sämtliche Wege, welche über die G.-Straße führten, als besonders gefährlich eingestuft. Auch die zusätzlichen Empfehlungen der Polizeibeamten der Polizeiinspektion S. vom 2. März 2016 stellten erneut die besondere Gefährlichkeit des von dem Beklagten vorgeschlagenen Weges fest und legten dar, dass bereits im ersten Ortstermin vom 16. Dezember 2015 die erneut vorgeschlagenen Wege ausgeschlossen worden seien, da diese noch weniger tauglich seien als die Wege über die G.-Straße. Die Polizeibeamten hätten darauf hingewiesen, dass die von dem Beklagten ins Spiel gebrachten Wege und Straßen sehr schmal und teilweise nur einspurig ausgebaut seien. Ebenso fehlten in diesen Straßen die notwendigen Fußgängerbereiche. Auch in dem Schreiben der Polizeiinspektion S. vom 22. Mai 2017 seien wie in den vorangegangenen Schreiben die von dem Beklagten ins Auge gefassten Schulwege allesamt als besonders gefährlich eingestuft. Lediglich der in dem Schreiben vom 27. November 2015 vorgeschlagene und über 2 km lange Weg sei nicht besonders gefährlich. Nach alledem sei der Beklagte zur Übernahme der Schülerbeförderungskosten seit dem Schuljahr 2015/2016 zu verurteilen. Randnummer 9 Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29. September 2015 zu dem Aktenzeichen 4.41-17672 in Form des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsauschusses der Kreisverwaltung Mayen- Koblenz vom 27. Dezember 2016 zu dem Aktenzeichen KRA 0172-16 zu verpflichten, die Schülerfahrtkosten zu übernehmen. Randnummer 10 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Er verweist auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, er halte seine Einwände gegen die Zulässigkeit der Klage und die Rechtzeitigkeit des Widerspruchs nicht aufrecht. Die im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Schulwege erfüllten die Kriterien der besonderen Gefährlichkeit nicht. Selbst die G.-Straße, die aus Sicht der Polizeiinspektion S. „an mehreren, verschiedenen Stellen als sehr gefährlich" angesehen werde, weil Gehwege im eigentlichen Sinne nicht vorhanden seien und die Breite des Gehweges teilweise nur 20 bis 40 cm betrage, sei aus Sicht des Beklagten nicht „besonders gefährlich". Sie weise zwar aufgrund der baulichen Struktur des Ortskerns zum Teil schmale Gehwege auf, sei aber im kompletten Abschnitt mit Gehwegen versehen. Zu berücksichtigen sei auch die Tatsache, dass diese Gehwege sich in einem Bereich mit dorfähnlichem Charakter ohne große Verkehrsbelastung befänden. Die polizeiliche Einschätzung als „sehr gefährlich" basiere auf der Aufzählung von mehreren Gefahrenbereichen in der Straße, die sich als durchaus schlecht begehbar und schwierig darstellen könnten, wie z.B. die zum Teil auf dem Gehweg befindlichen Treppenvorbauten, einige sehr enge Stellen oder parkende Autos an Engstellen. Dies könne nicht zur Annahme eines „besonders gefährlichen" Schulweges führen. Auch durch die auf Bitten des Gerichts vorgelegte Stellungnahme der Polizeiinspektion S. vom 22. Mai 2017 werde eine „besondere Gefährlichkeit" der in Betracht kommenden Schulwege nicht belegt. In dieser Stellungnahme werde lediglich dargestellt, dass es aus deren Sicht keinen „sicheren Fußweg" von der A.-Straße zur Grundschule B. gebe und alle vorgeschlagenen Wege „zu gefährlich" seien. Mit dem in § 69 SchulG normierten Begriff der „besonderen Gefährlichkeit" habe sie sich hingegen nicht auseinandergesetzt. Es werde darüber hinaus eine Stellungnahme der Verbandsgemeindeverwaltung B. vom 11. Juli 2017 zu der Ausschilderung und der Gefährlichkeit der Wege vorgelegt. Danach lägen sämtliche Wegführungen in der Tempo-30-Zone bzw. es liege eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h vor. In der mündlichen Verhandlung legte der Beklagte Pläne zu zwei weiteren Wegevarianten vor. Randnummer 12 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen (Fotografien, Karten, Luftbilder und ein Video sowie die Stellungnahme der Polizeiinspektion S. vom 22. Mai 2017 mit Lichtbildmappe) sowie die vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen; sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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ArbG Hamburg 29. Kammer
Hamburg
1
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19.05.2016
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über eine monatliche Entgelterhöhung seit dem Monat August 2015 und über einen Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2015. Randnummer 2 Die Beklagte war bis April 2008 tarifgebundenes Mitglied des Landesverbandes des H. E. e.V., dessen Tarifverträge auch Vergütungsregelungen enthalten. Am 01.08.1997 schloss die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung G." (Anlage A 4, Bl. 19 - 29 d. A., nachfolgend „BV"), die unter anderem folgenden Inhalt hat: Randnummer 3 „Präambel: Randnummer 4 Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist. Randnummer 5 Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlußzeiten des Einzelhandel in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden. Randnummer 6 Als Grundlage wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Tarifverhandlung des Einzelhandels statt. Randnummer 7 Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung). Randnummer 8 Jedem G. GmbH wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben. … Randnummer 9 Inhaltsverzeichnis Randnummer 10 … Randnummer 11 § 9 Urlaubs- und Weihnachtsgeld Randnummer 12 … G. GmbH zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. ... … Randnummer 13 § 17 Gehaltstarif Randnummer 14 Die G. GmbH-Gehälter garantieren eine Mindesthöhe über den jeweiligen Hamburger Tarifen Randnummer 15 In den Tarifen G0 , G1 , G2 sind das DM 200,00 In den Tarif G3 sind das DM 300,00 In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00 … Randnummer 16 Gehaltserhöhungen: Randnummer 17 Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehaltes. Randnummer 18 In den Tarifen G0, G1, G2 sind das DM 200,00 In den Tarif G3 sind das DM 300,00 In den Tarifen G4a G4b sind das DM 500,00 Randnummer 19 Gehaltsgruppen: Randnummer 20 Die Tätigkeitsbereiche der G. GmbH werden verschiedenen Gehaltsgruppen zugeordnet. Für die Eingruppierung des G. kommt es auf die gemäß Arbeitsvertrag vereinbarte und zu verrichtende Tätigkeit an. ... … Randnummer 21 Gehaltsgruppe G 1 Randnummer 22 G. mit vorwiegend einfacher kaufmännischer Tätigkeit, und zwar Randnummer 23 - Verkäufer ohne erweiterten Verantwortungsbereich - Büroangestellte in allgemeiner Buchhaltung wie Kontierung, Ablage, Rechnungsprüfung, Telefon - Lagerangestellte im Bereich Warenannahme, Lagerung, Kommissionierung, Versand, Kontrolle Angestellte in der Auftragsabwicklung, Telefonisten … Randnummer 24 Gehaltsgruppe G 2 Randnummer 25 G. mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse in einem entsprechend übertragenen Aufgabenkreis erfordert, und zwar Randnummer 26 - Verkäufer mit eigenem Verantwortungsbereich - G. in der Warenannahme, Lagerung, Packerei, Auftragsannahme, die eigenständig den Bereich leiten können. - Gehobene Kräfte in der Buchhaltung und Verwaltung … Randnummer 27 § 22 Schlußbestimmung Randnummer 28 Diese Betriebsvereinbarung tritt ab 1.8.97 in Kraft. Sie ist mit einer Frist von 6 Monaten zum Kalenderjahres, erstmals zum 28.2.98 kündbar.“ Randnummer 29 Der Kläger ist seit auf der Grundlage des Arbeitsvertrages von (Anlage A 3, Bl. 14 - 18 d. A.) bei der Beklagten beschäftigt. In dem von beiden Parteien am xx Unterzeichneten Einstellungsbogen (Anlage A 12, Bl. 76 d. A.) ist als Gehaltsgruppe G1-1 und als „GT-ÜT Zahlung" der Betrag von 102,26 € eingetragen. Sein regelmäßiger Bruttomonatsverdienst betrug im Jahr 2015 2.200,26 €, nach der Abrechnung für den Monat November 2015 (Anlage A 1, Bl. 12 d. A.) zusammengesetzt aus dem Grundgehalt in Höhe von 2.098,00 € und der Zulage in Höhe von 102,26 € gemäß § 17 der BV. Der Kläger hatte auch regelmäßig Entgelterhöhungen entsprechend den Tariferhöhungen gemäß § 17 der BV erhalten. Randnummer 30 Die Beklagte kündigte die BV mit Schreiben vom 27.06.2014 (Anlage B 1, Bl. 62 d. A.) zum 31.12.2014. Mit ihrer „Information an die Mitarbeiter“ vom 31.07.2015 (Anlagen A 5, Bl. 30 d. A., und B 2, Bl. 63 d. A.) teilte die Beklagte mit, dass sie aufgrund der angespannten Personalkostensituation die Tariferhöhungen nicht weitergeben und im November auch kein Weihnachtsgeld auszahlen könne. Dementsprechend gab die Beklagte die zum 01.08.2015 in Kraft getretene Tariferhöhung von 2,5 % nicht an ihre Mitarbeiter weiter. Mit Schreiben vom 26.09.2015 (Anlage A 9, Bl. 36 d. A.) machte der Kläger seine Ansprüche auf Entgelterhöhung entsprechend der Tariferhöhung (52,45 € brutto monatlich) geltend, mit Schreiben vom 17.10.2015 (Anlage A 10, Bl. 37 d. A.) den Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2015 und mit Schreiben vom 04.01.2016 (Anlage A 11, Bl. 38 d. A.) den der Höhe nach unstreitigen Anspruch auf Vergütungserhöhung wegen eines Stufenaufstiegs in der Gehaltsgruppe ab dem 6. Berufsjahr mit Wirkung ab dem 01.12.2015. Mit seiner Klage vom 12.01.2016 verfolgt er diese Ansprüche weiter, in Bezug auf die Entgelterhöhungen für die Monate August 2015 bis Februar 2016. Randnummer 31 Der Kläger trägt vor , er sei in der Logistik tätig. Die Klageforderungen ergäben sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit Abs. 3 der Präambel zur BV, und zwar auf der Grundlage einer Gesamtzusage bzw. eines gebündelten Vertragsangebotes an alle Arbeitnehmer, das diese stillschweigend durch Annahme der Leistungen angenommen hätten. Auf eine etwaige Unwirksamkeit der BV gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG komme es vor diesem Hintergrund nicht an. Vorsorglich stützt der Kläger seine Klageforderungen auch auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung. Randnummer 32 Der Kläger beantragt, Randnummer 33 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 209,80 € brutto (Entgelterhöhung ab 01.08.2015 für die Monate August bis November 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils 52,45 € ab dem 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015 und 01.12.2015, Randnummer 34 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 845,94 € brutto (Entgelterhöhung ab 01.12.2015 für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils 281,94 € ab dem 01.12.2015, 01.02.2016 und 01.03.2016, Randnummer 35 3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.375,16 € brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015. Randnummer 36 Die Beklagte beantragt, Randnummer 37 die Klage abzuweisen. Randnummer 38 Die Beklagte trägt vor , der Kläger sei als Lagerist tätig. Ihm sei die BV nicht ausgehändigt worden. Die Formulierung in Abs. 3 der Präambel zur BV habe keine arbeitsvertraglichen Ansprüche begründet. Sie bestätige nur deklaratorisch die unmittelbare und zwingende Wirkung von Betriebsvereinbarungen in Arbeitsverhältnissen gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Da die BV indes nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam sei, habe sie überhaupt keine Rechtsansprüche begründet. Sie könne auch nicht in eine Gesamtzusage oder in gebündelte Vertragsangebote umgedeutet werden. Ansprüche aus betrieblicher Übung bestünden nicht, weil die Beklagte die Leistungen schon aufgrund einer anderen, wenn auch tatsächlich nicht bestehenden, Rechtspflicht habe erbringen wollen. Den Klageforderungen stehe im Übrigen entgegen, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit nur Vergütung nach der Lohngruppe A Lohnstaffel 2 des Lohntarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel beanspruchen könne, das heißt in Höhe von monatlich 2.175,00 € brutto. Randnummer 39 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien und ihrer Beweisangebote wird gemäß §§ 313 Abs. 2 Satz 2, 495 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 209,80 € brutto (Entgelterhöhung ab 01.08.2015 für die Monate August bis November 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von jeweils 52,45 € ab dem 01.09.2015, 01.10.2015, 01.11.2015 und 01.12.2015. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 845,82 € brutto (Entgelterhöhung ab 01.12.2015 für die Monate Dezember 2015 bis Februar 2016) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz auf den Betrag von jeweils 281,94 € ab dem 01.01.2016, 01.02.2016 und 01.03.2016. 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.375,16 € brutto (Weihnachtsgeld 2015) zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. 6. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.430,90 € festgesetzt. 7. Für den Fall, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € nicht übersteigt, wird die Berufung für die Beklagte gesondert zugelassen.
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SG Magdeburg 16. Kammer
Sachsen-Anhalt
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02.03.2010
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), vorliegend ausschließlich um die Anrechnung der Unfallrente der Zeugin ... H. auf die dem Kläger nach dem SGB II zu bewilligenden Leistungen. Randnummer 2 Der Kläger hat insgesamt vier Klagen erhoben. Die Verfahren S 16 AS 2270/07, S 16 AS 1060/08, S 16 AS 1070/08 sowie S 16 AS 2800/08 wurden durch Beschluss vom 22.4.2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Randnummer 3 Mit der Klage S 16 AS 2270/07 wendet sich der Kläger gegen einen Bescheid der Beklagten vom 12.7.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2007, durch welchen Leistungen für den Zeitraum 1.8.2007 bis 31.1.2008 bewilligt worden sind. Randnummer 4 Mit der Klage S 16 AS 1060/08 wendet sich der Kläger gegen einen Bescheid der Beklagten vom 18.1.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2008, durch welchen Leistungen für den Zeitraum 1.2.2008 bis 31.7.2008 bewilligt worden sind. Randnummer 5 Mit der Klage S 16 AS 1070/08 wendet sich der Kläger gegen einen Bescheid der Beklagten vom 29.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.3.2008, durch welchen Leistungen für den Zeitraum 1.11.2007 bis 31.1.2008 bewilligt worden sind, wobei dieser Bescheid in Abänderung des oben angeführten Bescheides vom 12.7.2007 ergangen ist. Randnummer 6 Mit der Klage S 16 AS 2800/08 wendet sich der Kläger gegen einen Bescheid der Beklagten vom 21.4.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.5.2008, mit der aufgrund einer Rentenerhöhung der Zeugin H. sowie der Anpassung der Regelleistungen zum 1.8.2007 und der damit verbundenen Erhöhung des prozentualen Abzuges der Kosten der Warmwasserbereitung ein Betrag in Höhe von insgesamt € 4,76 für den Zeitraum vom 1.8.2007 bis 31.1.2008 zurück gefordert wurde. Randnummer 7 Dabei hat die Beklagte den Kläger und die Zeugin H. als Bedarfsgemeinschaft und die Unfallrente der Zeugin als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt. Randnummer 8 Der Kläger sowie Zeugin bildeten seit etwa 1983 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Im Jahr 1988 bezogen der Kläger, die Zeugin und deren gemeinsamer, im Jahr 1983 geborener Sohn L. die im Rubrum bezeichnete Wohnung in der ... straße ... in M.. Der Sohn zog im Jahr 2005 wegen einer Arbeitsaufnahme in L. aus der Wohnung aus. Alleiniger Mieter der Wohnung war und ist laut Mietvertrag der Kläger. Die Wohnung umfasst 2 ½ Räume, eine Küche und ein Bad. Streit über die Angemessenheit der Wohnung und die hierfür zu zahlenden Kosten der Unterkunft besteht zwischen den Parteien nicht. Randnummer 9 Unstreitig ist, dass der Kläger etwa in den Jahren 1991 bis 1994 sowie für einige Jahre ab 1996 in P. (N.-W.) einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und in dieser Zeit nur an den Wochenenden nach M. in die oben bezeichnete Wohnung gekommen ist. Ab 2001 hat der Kläger für etwa drei Jahre eine Umschulung in S. gemacht und während dieser Zeit in der Woche in einem angeschlossenen Internat gewohnt. Randnummer 10 Der Kläger hat behauptet, die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit der Zeugin H. sei im Jahre 1995 beendet worden. Er habe wegen seiner Arbeitstätigkeit in P. seinen Lebensmittelpunkt nicht mehr in M. gehabt. Das gelte auch für die dreijährige Umschulung in S.. Während dieser Zeit sei er nur am Wochenende nach Hause gekommen. Randnummer 11 Solange sein Sohn noch in der Wohnung gelebt habe, habe er, wenn er besuchsweise in M. gewesen sei, im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Nach dem Auszug des Sohnes sei er in dessen Kinderzimmer gezogen, welches er jetzt ausschließlich bewohne. Dieses Zimmer sei vollständig eingerichtet. Er lebe und wirtschafte alleine. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2007, den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008, den Änderungsbescheid der Beklagten vom 25.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2008, sowie Randnummer 14 den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Einkommens von Frau ... H. zu bewilligen. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Der Kläger und die Zeugin H. bildeten eine Bedarfsgemeinschaft, so dass die Erwerbsunfähigkeitsrente der Zeugin, soweit sie deren Bedarf übersteige, auf die Leistungen des Klägers anzurechnen sei. Randnummer 18 Dieses ergebe sich aus der Tatsache, dass der Kläger und die Zeugin bereits seit 1983 zusammen lebten und einen gemeinsamen Sohn hätten. Die behauptete Trennung aus dem Jahr 1995 sei nie vollzogen worden. Randnummer 19 Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen. Randnummer 20 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ... H. zu den tatsächlichen Lebensumständen des Klägers. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2.3.2010 verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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LG Berlin 52. Zivilkammer Entscheidungsname: Online-Fahrschule
Berlin
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26.09.2019
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Randnummer 1 Der Kläger ist ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, der sich regelmäßig der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs annimmt. Ihm entstehen durch die Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgaben pro Abmahnung anteilige Personal- und Sachkosten in Höhe von 299,60 €. Randnummer 2 Die Beklagte betreibt im Internet eine Plattform zur Buchung von Fahrschulleistungen; auf den als Anlage K 1 eingereichten Handelsregisterauszug wird verwiesen. Eine eigene Fahrschule betreibt sie nicht und verfügt daher auch nicht über eine entsprechende Erlaubnis. Randnummer 3 Auf ihrer über www.....de zugänglichen Homepage warb die Beklagte im September 2018 wie folgt: < Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die oben genannten Abbildungen sind im Entscheidungstext des Gerichts nicht abgedruckt worden. > Randnummer 4 Wegen dieser Werbung und einer weiteren – nicht streitgegenständlichen – geschäftlichen Handlung mahnte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 7. September 2018 (Anlage K 3) ab. Die Beklagte verwahrte sich mit Anwaltsschreiben vom 18. September 2018, gab aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unter dem 18. September 2018 unter Bezugnahme auf die abgemahnte Werbung die aus der Anlage K 5 ersichtliche Unterlassungserklärung ab, in der sie sich – mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- € bewehrt – verpflichtete, wie geschehen, mit zahlenmäßigen Angaben zu Fahrschülern und Fahrlehrern in Deutschland zu werben, ohne darauf hinzuweisen, dass sich die Angaben auf die Gesamtzahl an Fahrschülern bzw. Fahrlehrern handelt, die vom Kläger mit Schreiben vom 24. September 2018 (Anlage K 6) angenommen wurde. Randnummer 5 Am 1. Oktober 2018 suchte der Geschäftsführer der ...fahrschule Holding GmbH auf einer Messe mit der Bezeichnung „B.&P.“, bei der es sich um eine B2B-Veranstaltung für Gründer und Gründerinteressierte aus der Startup-Szene handelt, deren Ziel unter anderem die Vernetzung der Teilnehmer untereinander ist, den auf dem als Anlagen K 7 und K 11 eingereichten Foto abgebildeten Stand der Beklagten auf. Auf dem Stand ist in der aus der Anlage K 11 ersichtlichen Weise zu lesen: Randnummer 6 ...... Die Online Fahrschule Randnummer 7 Ohne ausdrückliche Einwilligung der Mitarbeiter der Beklagten nahm er von dem Stand einen Werbeflyer, dessen Vorderseite wie folgt gestaltet war: < Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die oben genannten Abbildungen sind im Entscheidungstext des Gerichts nicht abgedruckt worden. > Randnummer 8 Wegen der Einzelheiten des achtseitigen Flyers wird auf die eingereichte Anlage K 8 verwiesen. Randnummer 9 Mit Schreiben von 17. Oktober 2018 (Anlage K 9) forderte der Kläger die Beklagte wegen einer von ihm im Flyer gesehenen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung vom 18. September 2018 zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- € auf. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 7. November 2018 (Anlage K 12) mahnte der Kläger die Beklagte wegen der Aufschrift auf ihrem Messestand ab. Randnummer 11 Auf ihrer Homepage bietet die Beklagte eine Suchfunktion an. Über diese wurde in der aus den Anlagen K 15 und K 20 und aus dem Tenor zu 2. ersichtlichen Weise auf eine „Fahrschule B.“ bzw. „Fahrschule M.C.“ hingewiesen. Der Kläger mahnte die Inhaber dieser Unternehmen mit Schreiben jeweils vom 13. November 2018 (Anlage K 18 bzw. Anlage K 23) ab. Von Seiten der Fahrschule M. wurde mit Anwaltsschreiben vom 21. November 2018 (Anlage K 24) darauf hingewiesen, dass es keine Verbindung zwischen der Fahrschule und der Beklagten gebe, sondern dass es sich um eine „freie Kreation“ der Beklagten handele. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 29. November 2018 (Anlage K 26) mahnte der Kläger daraufhin die Beklagte erneut ab. Die Beklagte räumte mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 (Anlage K 27) ein, mit den beiden Fahrschulen nicht in Kontakt zu stehen und nicht deren Preise anzugeben, vertrat aber die Auffassung, dies sei erkennbar, weil die Artikel in der 1. Person verfasst und daher als persönliche Informationen von „E.“ erkennbar seien. Randnummer 13 Auch der Inhaber der Fahrschule M. mahnte die Beklagte wegen aus der Anlage K 20 ersichtlicher Angaben ab. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin vertragsstrafenbewehrt in der aus der Anlage B 2 ersichtlichen Weise ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unter Bezugnahme auf einen teilweise der Anlage K 20 entsprechenden Bildschirmausdruck, es zu unterlassen, den Firmennamen, die Adresse, Fotos, Preisangaben oder sonstige Daten seines Unternehmens zu veröffentlichen, so lange nicht die dabei genannten Preisangaben dessen jeweils gültigen Preisen entsprechen. Randnummer 14 Die Beklagte änderte daher die über ihre Suchfunktion zur Verfügung gestellten Informationen in der aus der Anlage B 3 ersichtlichen Weise. Randnummer 15 Die Mitbewerberin der Beklagten, die ...fahrschule Holding GmbH, die den Kläger neben anderen Mitbewerbern auf einen Teil der streitgegenständlichen geschäftlichen Handlungen der Beklagten aufmerksam machte, erwirkte vor dem Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung vom 28. Dezember 2018, wegen deren Inhalts auf die Anlage B 1 verwiesen wird. Randnummer 16 Die am 22. November 2018 bei Gericht eingegangene Klageschrift ist der Beklagten am 15. Januar 2019 zugestellt worden, der klageerweiternde Schriftsatz vom 5. Februar 2019 am 5. März 2019. Randnummer 17 Der Kläger behauptet: Die Beklagte habe den Flyer auch auf einem Fahrlehrerkongress im November 2018, auf dem die Beklagte – unstreitig mit einem Stand vertreten war – für die Kundenakquise genutzt hat. Sie ist der Ansicht, der mit dem Antrag zu 1. geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich sowohl aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG als auch aus der mit der Unterlassungserklärung vom 18. September 2018 übernommenen vertraglichen Verpflichtung. Randnummer 18 Der Kläger beantragt, Randnummer 19 die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Randnummer 20 1. mit zahlenmäßigen Angaben zu Fahrschülern und Fahrlehrern zu werben, wenn dies geschieht, wie mit der Anlage K 8 wiedergegeben, Randnummer 21 2. mit der Angabe „Die Online Fahrschule zu werben, wenn dies geschieht, wie mit der Anlage K 11 wiedergegeben, Randnummer 22 3. die Durchführung von Führerscheinprüfungen zu bewerben durch Fahrschulen und Angabe von Preisen, wenn diese Fahrschulen nicht bereit sind, die entsprechende Ausbildung zu dem angebotenen Preis anzubieten und/oder wenn die so beworbene Fahrschule einer entsprechenden Werbung nicht zugestimmt hat, wenn dies geschieht, wie mit der Anlage K 15 und/oder mit der Anlage K 20 wiedergegeben, Randnummer 23 4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Randnummer 24 5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von 898,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 599,20 € seit Rechtshängigkeit der mit der Klageschrift anhängig gemachten Klage und aus 299,60 € seit Rechtshängigkeit der mit dem Schriftsatz vom 5. Februar 2019 anhängig gemachten Klage zu zahlen. Randnummer 25 Die Beklagte beantragt, Randnummer 26 die Klage abzuweisen. Randnummer 27 Sie ist der Ansicht, die Rechtsverfolgung des Klägers sei als im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich anzusehen; es handele sich um eine konzertierte Aktion des Klägers und des Mitbewerbers der Beklagten ...fahrschule ... GmbH. Randnummer 28 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs 1. mit der Angabe „Die Online Fahrschule zu werben, wenn dies wie folgt geschieht < Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die oben genannten Abbildungen sind im Entscheidungstext des Gerichts nicht abgedruckt worden. > 2. die Durchführung von Führerscheinprüfungen zu bewerben durch Fahrschulen und Angabe von Preisen, wenn diese Fahrschulen nicht bereit sind, die entsprechende Ausbildung zu dem angebotenen Preis anzubieten und/oder wenn die so beworbene Fahrschule einer entsprechenden Werbung nicht zugestimmt hat, wenn dies wie folgt geschieht < Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Die oben genannten Abbildungen sind im Entscheidungstext des Gerichts nicht abgedruckt worden. > II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Vertragsstrafe in Höhe von 898,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 599,20 € seit Rechtshängigkeit dem 16. Januar 2019 und seit dem 6. März 2019 zu zahlen. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 39 % und die Beklagte zu 61 % zu tragen. V. Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu I.1 und I.2 jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
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